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ÜBERSICHT Benefizkonzert „To Russia with Love“ Fokus Ägypten: das Dahlemer Gartenfest 2013 Demo in Berlin: Privatsphäre statt Überwachung Gruppenportrait: die Russland-Aktionsgruppe AEMR: Sternstunde der Menschheit (Teil III) Veranstaltungen zum Internationalen Tag der Verschwundenen Amnesty goes Ärztival auf dem Tempelhofer Feld Veranstaltungshinweise

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To Russia with Love

Amnesty International unterstützt Benefizkonzert für die Menschenrechte in Russland Schikanen gegen Minderheiten, langjährige Haftstrafen für Oppositionelle: Mit aller Macht versucht die russische Regierung, jede kritische Regung in der Gesellschaft zu unterbinden. Amnesty International unterstützt deshalb ein hochkarätiges Benefizkonzert für die Menschenrechte in Russland am 7. Oktober 2013. Im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin spielen Gidon Kremer, Martha Argerich, Daniel Barenboim und viele mehr. Der Eintritt in das vor dem Konzert stattfindende NGO-Informationsforum um 18 Uhr ist frei. Begleitet von Massenprotesten gegen die Ergebnisse der Parlamentsund Präsidentschaftswahlen trat Präsident Wladimir Putin im Mai 2012 seine dritte Amtszeit an. Seitdem ist es noch schwerer geworden für die Menschenrechte in Russland. Bereits zuvor hielten sich die russischen Behörden oft nicht an geltende Gesetze. Doch seit Putins Amtsantritt werden Gesetze kurzerhand der menschenrechtswidrigen Praxis angepasst. Die Bestimmungen über

Landesverrat und zum Demonstrationsrecht wurden verschärft und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit dem sogenannten „Agentengesetz“ weiter erschwert. Außerdem traten ein Gesetz gegen die Propaganda „nicht-traditioneller“ sexueller Beziehungen sowie das sogenannte „Blasphemiegesetz“ in Kraft. Darüber hinaus gehen die Behörden mit großer Härte gegen einzelne Personen vor. Die Verurteilungen der Frauen von „Pussy Riot“, die strafrechtliche Verfolgung führender Persönlichkeiten der Opposition wie Alexej Nawalny, die Stilisierung der Proteste am Moskauer Bolotnaja-Platz zu „Massenunruhen“ und die Strafverfolgung der Demonstranten sind dafür Beispiele. Insgesamt geht es der „Macht“ ganz offenbar um Einschüchterung, jedwede gesellschaftliche Aktivität soll staatlich kontrolliert werden. Missliebige oder ungeliebte Minderheiten sollen ausgegrenzt werden, um so das Staatsvolk in schwieriger Zeit hinter Präsident und Regierung zu vereinen. Denselben Zweck hat offenbar auch

das Gesetz, das vor allem auf Lesben und Schwule zielt: Es verbietet unter Androhung von Geldbußen die „Propaganda“ für „nicht-traditionelle“ sexuelle Beziehungen, wenn Minderjährige davon Kenntnis nehmen können. Was unter einer solchen „Propaganda“ im Einzelnen zu verstehen ist, bleibt offen. Das vom Parlament einstimmig (!) beschlossene Gesetz schürt die ohnehin verbreitete und besonders von der russisch-orthodoxen Kirche unterstützte homophobe Stimmung in der Gesellschaft weiter. Angriffe auf Homosexuelle, die zudem im Internet gegen ihren Willen „geoutet“ werden, zeigen,wie schwer es sexuelle Minderheiten... Weiter auf S. 2 –>


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Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitglieder!

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m 24. August haben wir gemeinsam unser alljährliches Gartenfest gefeiert. Besonders gefreut haben wir uns über die zahlreichen Besucherinnen und Besucher, die den Weg nach Dahlem gefunden und sich einen Einblick in

Fortsetzung von Seite 1: ...in Russland mittlerweile haben. Wenn der russische Staat solchen Übergriffen nicht öffentlich und deutlich begegnet, kommt er seinen Schutzpflichten nicht ausreichend nach. Auch auf einzelne Personen wird gezielt Druck ausgeübt. Das betrifft zum Beispiel die Frauen von „Pussy Riot“. Wie auch immer man zu ihrer „Punk Performance“ steht, die auch bei Menschenrechtlern in Russland auf Kritik gestossen ist – die Verhängung von drastischen Freiheitsstrafen ist nicht zu rechtfertigen. „Funktioniert“ hat die neue Gesetzgebung auch im Fall des Oppositionsführers Alexej Nawalny. Der Rechtsanwalt wurde im Juli 2013 in erster Instanz wegen angeblicher Veruntreuung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Ein Mitangeklagter erhielt eine Freiheitsstrafe von vier Jahren. Amnesty International bewertet die Anklagen, die nach einem bereits zweimal eingestellten Ermittlungsverfahren schließ-

die Vielfalt unseres Engagements verschafft haben. Es gibt viele Möglichkeiten, sich zusammen mit uns für die Einhaltung der Menschenrechte zu engagieren. Mit unserem regelmäßigen Rundbrief informieren wir über unsere vergangenen und anstehenden Menschenrechtsaktivitäten und laden Sie alle herzlich ein, sich uns bei unseren vielfältigen Aktivitäten anzuschließen. Nach dem Fest geht unsere Arbeit unermüdlich weiter. Ein Schwerpunkt im Herbst 2013

wird auf der Menschenrechtslage in Russland liegen. Am 7. Oktober 2013, zum 7. Jahrestag der Ermordung der Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja, findet ein Forum und Konzert mit dem Titel „To Russia with Love“ in der Berliner Philharmonie statt. Die Veranstaltung ist all den mutigen Menschen in Russland gewidmet, die trotz aller Bedrohungen ihren Einsatz für die Menschenrechte fortsetzen. Im Bezirk Berlin-Brandenburg arbeitet eine Gruppe intensiv zu Russland. Die

To Russia with love lich doch noch erhoben wurden, als völlig inkonsistent und setzt sich für beide Männer ein. In Moskau hat inzwischen das „Bolotnaja-Verfahren“ begonnen, in dem zwölf Demonstranten vor Gericht stehen, die bei einer Demonstration anlässlich der Amtseinführung Putins angeblich an körperlichen Auseinandersetzungen beteiligt waren. Es spricht viel dafür, dass gezielte Provokationen die Ereignisse mitausgelöst haben. Bei einigen Angeklagten fehlen zudem Hinweise darauf, dass sie an den Auseinandersetzungen überhaupt beteiligt waren. Außerdem werden sie wegen des schwerwiegenden Delikts der „Teilnahme an Massenunruhen“ verfolgt. Damit droht ihnen eine Freiheitsstrafe von bis zu acht Jahren. Nach allen bisherigen Erfahrungen ist zu bezweifeln, dass sie ein faires Verfahren erhalten werden. Russland erlebt eine schwierige Zeit. Es ist zu hoffen, dass sich die

vielen insbesondere jungen Menschen, die sich einmischen und ihr Gemeinwesen kreativ mitgestalten wollen, nicht mehr einschüchtern lassen. Und dass die NGOs, mit denen Amnesty zum Teil seit langem zusammenarbeitet, dem Druck standhalten. Ihnen allen gilt unsere Solidarität. Das Erbe von „Glasnost“ und „Perestroika“ darf nicht vollends zerstört werden, Russland darf nicht wieder hinter einem „Eisernen Vorhang“ verschwinden. In den Monaten rund um die Olympischen Winterspiele, wenn die Welt nach Russland blickt, werden wir mit Aktionen auf die Lage der Menschenrechte in dem Land aufmerksam machen. Mehr Infos zum Benefizkonzert und Tickets gibt es hier. Peter Franck SeKo Russland Dieser Text ist in ähnlicher Form in der Publikation „AI-Aktion“ erschienen

Gruppe stellt sich in dem aktuellen Rundbrief vor und freut sich über neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter! Herzliche Grüße,

Susanne Baldin Sprecherin des Bezirks Berlin-Brandenburg

Frédéric Krumbein Sprecher des Bezirks Berlin-Brandenburg

ÜR F T I HE OT I E R F I R Y S PUS


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Dahlemer Gartenfest: im Zeichen der Nofretete Amnesty-Bezirk thematisiert aktuelle Lage in arabischen Staaten

Das alljährliche Sommerfest des Bezirks Berlin-Brandenburg im Martin-Niemöller-Haus in Dahlem stand dieses Mal im Zeichen des Arabischen Frühlings. Wie ist die Menschenrechtssituation in den Staaten nach den Aufständen? Was kann Amnesty zur Verbesserung der Lage unternehmen? Darüber informierten Experten sowie etliche Gruppen des Bezirks an verschiedenen Themeninseln. Bei strahlendem Sonnenschein kamen mehrere hundert Menschen in den wunderschönen Garten des NiemöllerHauses, das alte Pfarrhaus von Martin Niemöller, der sich in den 1930er Jahren im Widerstand gegen das Naziregime engagierte. Der Bezirk nutzte die Möglichkeit, sich bei seinen Förderern, Unterstützern und Kooperationspartnern zu bedanken. Das Thema des Festes „Arabischer Frühling: Diktatur, Aufstand, Menschenrechte“ bot die Chance, sich über die Lage der Menschenrechte in den Staaten des Nahen Ostens zu informieren. Zwei Podiumsdiskussionen bildeten den inhaltlichen Höhepunkt: Experten und Aktivisten aus und zu der Region diskutierten mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus

Löning, und der Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Selmin Çalışkan. Die aktuelle Situation vor Ort, die politischen und gesellschaftlichen Perspektiven der Länder und was Amnesty konkret tun kann, um vor Ort die Menschenrechtslage zu verbessern, waren die zentralen Themen der Diskussion. Infostände von verschiedenen Gruppen und des Bezirks ermöglichten das direkte Gespräch und das persönliche Engagement für Menschenrechte durch Unterschriften und Spenden. Die Gruppe „Menschenrechtsverletzungen an Frauen“ (MaF) informierte über sexuelle Gewalt an Frauen in Ägypten. Gäste konnten an dem Stand außerdem Stofftaschen mit der stilisierten Nofretete, dem Symbol der ägyptischen Revolution, bedrucken, um so auch im Alltag ihr Bekenntnis zu Menschenrechten in Ägypten zu zeigen. Etliche Infotafeln über den ganzen Garten verteilt zeigten die Vielfalt der Themen und Länder, mit denen sich die Amnesty-Gruppen in Berlin und Brandenburg beschäftigen. Die Initiative für das Thema und die Organisation des diesjährigen Festes kam von der Kreuzberger Gruppe. Der

Bezirk ist ihr sehr dankbar für die unschätzbare Arbeit und Hilfe. Wir danken außerdem unseren Podiumsgästen, der Schultheiss-Brauerei, dem JugendKunst- und Kulturhaus Schlesische27 sowie dem Friedenszentrum Martin-NiemöllerHaus für die Unterstützung. Das schönste am Fest ist immer die Gemeinsamkeit: bei der Organisation im Vorfeld, beim Ablauf vor Ort und natürlich beim Austausch mit den vielen Gästen. Bei kaum

einer anderen Gelegenheit kommen so viele Mitglieder, Mitarbeitern, Förderern und Unterstützer unseres Bezirks zusammen, tauschen sich aus, feiern zusammen und informieren über ihre Arbeit und über Menschenrechte. Frédéric Krumbein Bezirkssprecher Fotos: Björn Mohr


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Privatsphäre statt Überwachung

AKTIV FÜR AMNESTY

Amnesty International auf der Demo „Freiheit statt Angst“

Die amerikanische NSA und das britische GCHQ haben in den vergangenen Jahren massenhaft Menschenrechtsverletzungen begangen. Anhand der Dokumente, die vom ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden an verschiedene Zeitungen weitergegeben wurden, ergibt sich ein erschreckendes Bild davon, wie weit das international verbindlich festgeschriebene Menschenrecht auf Privatsphäre ausgehölt wurde. Über Programme wie Prism, Tempora und XKeyscore haben

westliche Geheimdienste Zugriff auf Verbindungsdaten von Mobilfunk- und Internetanbietern sowie auf die private Kommunikation von Millionen Nutzern von Facebook, Google und Yahoo erhalten. Im Prinzip kann die digitale Kommunikation eines Menschen fast vollständig gespeichert und ausgewertet werden, ohne dass wirksame rechtsstaatliche Verfahren Schutz bieten. Opfer der Geheimdienste sind nicht nur die ohne ihr Wissen Ausgespähten; schon allein

Impressum Redaktion: Dario Sarmadi, Florian Oswald

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das Wissen, dass im Zweifelsfall die digitale Kommunikation aufgezeichnet wird, verändert das Verhalten der Menschen und höhlt die freie Meinungsäußerung im Internet aus. Gegen die nahezu allumfassende Überwachung gingen am 7. September in Berlin 20.000 Menschen auf die Straße und forderten den Schutz ihrer privaten Daten und eine entschiedene Haltung der Bundesregierung. Mit Transparenten und Schildern mit Forderungen zum Recht auf Privatsphäre und dem Schutz von Whistleblowern beteiligten sich Mitglieder von Amnesty International an der Demonstration, die von einem breiten Bündnis 86 zivilgesellschaftlicher Organisationen getragen wurde. Amnesty unterstüzt die Forderungen nach einem effektiven Schutz der Menschenrechte auf Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung im Internet. Außerdem unterstrichen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass Whistleblower wie Edward Snowden, die Menschenrechtsverletzungen aufdecken, durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt werden.

Florian Oswald Redaktion Foto: Dorothee Haßkamp

Amnesty-Mitglieder geben den Opfern von Menschenrechtsverletzungen eine Stimme und tragen somit einen unentbehrlichen Teil zur Arbeit von Amnesty International bei. Erfahren Sie mehr über weitere Aktionen und geplante Veranstaltungen auf www.amnesty-bb.de www.amnesty.de/aktiv-vorort www.amnesty.de/kalender und www.facebook.com/ amnestybb.de Amnesty International – Bezirk Berlin-Brandenburg, Haus der Demokratie und Menschenrechte: Greifswalder Str. 4 (Aufgang A), 10405 Berlin-Prenzlauer Berg (Tram M4, Bus 200, 142: „Am Friedrichshain“) Tel.: (0 30) 841 09 052 Fax: (0 30) 841 09 055 E-Mail: info@amnesty-bb.de Besuchszeiten: Dienstag und Freitag 17:00 bis 19:00 Uhr Spendenkonto Konto-Nr. 8090 100 BLZ 370 205 00 Bank für Sozialwirtschaft Bitte als Verwendungszweck „3100“ (für Bezirk BerlinBrandenburg) angeben Infoabende über die Arbeit von Amnesty International am 1. Freitag im Monat, im Amnesty-Bezirksbüro, um 19 Uhr. Adresse s.o. am 3. Mittwoch im Monat in Kreuzberg, um 19:30 Uhr. Adresse: Heilig-KreuzKirche: Zossener Str. 65 (U Hallesches Tor)

Bei Fragen und Anregungen: E-Mail an newsletter@amnesty-bb.de Angaben zum Datenschutz

Beratung für politische Flüchtlinge: Donnerstag 18 bis 20 Uhr


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Was macht eigentlich die... Russland-Aktionsgruppe?

Die Russlandaktionsgruppe in Berlin ist eine lokale AmnestyGruppe, die schwerpunktmäßig zu Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation arbeitet. Regelmäßig beschäftigt sie sich mit Einzelfällen (z.B. mit den politischen Gefangenen Igor Sutjagin und Valentin Danilow)

und mit aktuellen Menschenrechtsthemen, wie zum Beispiel die Verurteilung der Bandmitglieder von „Pussy Riot“ oder das staatliche Vorgehen gegen die Zivilgesellschaft (NGO-Gesetzgebung, Agentengesetz, Verschärfung des Versammlungsrechts). Die Gruppe organi-

siert Informationsstände, Lesungen, Filmvorführungen, Mahnwachen, Diskussionsveranstaltungen und Spendensammlungen. In der nächsten Zeit werden die Mitglieder verstärkt zur kommenden Russlandkampagne anlässlich der Olympischen Winterspiele 2014 arbeiten. Zum Auftakt der Kampagne am 7. Oktober 2013 werden sich die Aktivistinnen und Aktivisten am zivilgesellschaftlichen Informationsforum anlässlich des Benefizkonzertes „To Russia with Love“ (Seite 1 und 2 in diesem Rundbrief) beteiligen. Die Russlandgruppe sucht neue Mitglieder, die Interesse an Russland haben und sich für eine bessere Menschenrechts-

lage dort einsetzen wollen. Die Mitglieder treffen sich im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalderstr. 4, im Büro des Bezirks Berlin-Brandenburg am zweiten und vierten Dienstag im Monat um 19 Uhr. Wir besprechen und organisieren unsere nächsten Aktionen und tauschen uns über die aktuellen Entwicklungen in der Russischen Föderation aus. Ihr könnt die Gruppe am besten erreichen wenn Ihr den Gruppensprecher Lutz Meyer schreibt oder ihn anruft: lutz_meyer@gmx.net, Tel.: 0151 / 50188465. Constantin Köster Russlandaktionsgruppe

Sternstunde der Menschheit Teil III unserer Serie zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948: ihre Bedeutung In der Geschichte der Menschheit gibt es immer wieder Momente, in denen aus Katastrophen auch Positives entstehen kann. Die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges ist ein solcher Augenblick. Wir wollen in einer kleinen Serie das erste globale und bis heute wich- tigste Menschenrechtsdokument vorstellen. Der dritte und letzte Teil unserer Serie: die Bedeutung der AEMR. Die zentrale Stellung der Allgemeinen Erklärung für die Weltgemeinschaft ergibt sich aus der globalen Verbreitung ihrer Werte. Die AEMR zeugt von der Möglichkeit der Menschheit, sich auf gemeinsame Werte zu einigen. Die AEMR wird regel-

mäßig in den Präambeln der vielen nach ihr verfassten UN-Menschenrechtsverträge und -resolutionen als Referenz aufgeführt. Sie wurde bis heute in 413 Sprachen übersetzt. Die AEMR dient als Grundlage für die Arbeit vieler Menschenrechtsorganisationen – auch von Amnesty International. Zahlreiche Staaten zitieren die Erklärung in ihrer Menschenrechtspolitik. Viele Völkerrechtler betrachten die Allgemeine Erklärung außerdem – obwohl formell nur eine nichtbindende Deklaration der UN-Generalversammlung – inzwischen als Völkergewohnheitsrecht und damit als rechtlich bindendes Dokument für alle Staaten. Die Allgemeine Erklärung bildet insgesamt das Fundament für den internationalen und regionalen Menschen-

rechtsschutz, der sich in einem dichten Geflecht von Verträgen und Institutionen spiegelt. Die Vielfalt und die Brillanz der Autorinnen und Autoren der Allgemeinen Erklärung und der lange Entstehungsprozess, in dem jeder Artikel intensiv und mehrfach in unterschiedlichen UN-Foren diskutiert wurde, erklären ihren bis heute

wegweisenden Inhalt und ihre breite Akzeptanz über geographische, kulturelle und zeitliche Grenzen hinaus. Gleichzeitig bewahrt die AEMR eine einheitliche Struktur und eine leicht verständliche Sprache. Frédéric Krumbein Bezirkssprecher


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Verhaftet, verschleppt, verschwunden Film und Diskussion: Veranstaltungsreihe zum Internationalen Tag der Verschwundenen Die Gruppe „Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete“ (1180) organisierte zum Internationalen Tag der Verschwundenen eine Veranstaltungsreihe, die eine Podiumsdiskussion sowie zwei Filmabende umfasste. Im Kino Babylon zeigte die Gruppe an zwei Tagen Dokumentarfilme aus Algerien und Guatemala. In beiden Ländern fallen besonders häufig Menschen dem Verschwindenlassen zum Opfer. In Chanson pour Amine wird die Geschichte einer Mutter erzählt, die ihren Sohn Amine 1997 im Zuge des algerischen Bürgerkriegs durch gewaltsames Verschwindenlassen verlor und die heute noch gemeinsam mit anderen Familienangehörigen Verschwundener für das Erinnern, die Wahrheit und für Gerechtigkeit kämpft. Der Film The Echo of Pain of the Many dokumentiert die Suche einer Frau nach ihrem Bruder, der 1984 in Guatemala dem gewaltsamen Verschwindenlassen zum Opfer fiel. Über einen Zeitraum von vier Jahren entdeckt die Filmemacherin Ana Lucía Cuevas durch Archivaufzeichnungen die Verwicklung der guatemaltekischen Regierung und ausländischer

Geheimdienste in die Entführung, Folterung und Ermordung ihres Bruders und seiner jungen Familie. Anlässlich der Deutschlandpremiere der Dokumentation luden wir Ana Lucía Cuevas nach Berlin ein (Foto). In einem anschließenden Gespräch tauschte sich das Publikum mit der Filmemacherin über ihre Erfahrungen im Kampf gegen das gewaltsame Verschwindenlassen und die aktuelle Situation in Guatemala aus. Die LateinamerikaGruppe unterstützte die MaFGruppe mit einem Infostand und einer Petition zu einem aktuellen Fall des Verschwindenlassens aus Mexiko. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion erörterten Andreas Schüller (European Center for Constitutional and Human Rights), Rainer Huhle (Nürnberger Menschenrechtszentrum und Mitglied im Ausschuss der UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen) und Barbara Unger (Direktorin des LateinamerikaProgramms bei der Berghof Foundation) Möglichkeiten der Aufarbeitung von gewaltsamem Verschwindenlassen. Die drei Gäste erläuterten verschiedene Mechanismen,

die im Rahmen von Aufarbeitungsprozessen umgesetzt werden können, um eine Basis für nachhaltigen Frieden in betroffenen Gesellschaften zu schaffen. Dabei wurde deutlich, wie schwierig es sein kann, den Bedürfnissen der Opfer gerecht zu werden und gleichzeitig die Täter in Friedensprozesse zu integrieren. Denn neben dem Wunsch nach Informationen zum Schicksal der verschwundenen Person sowie der Möglichkeit, die geliebte Person bestatten zu können, hat für Angehörige die juristische Aufarbeitung häufig Priorität. In einigen Fällen führte diese Aufarbeitung aber zu neuerlichen gesellschaftlichen Konflikten (wie aktuell im Fall des Prozesses um Efrain Ríos Montt in Guatemala). Die Ratifikation der Konvention gegen das Verschwindenlassen durch mittlerweile 40

Was ist eigentlich „Verschwindenlassen“? Wenn staatliche Organe oder wird während Bürgerkriegen, wissen wollen, was mit ihren

Bürgerkriegsparteien einen Menschen festnehmen, seine Inhaftierung jedoch nicht bestätigt ist und jede Information über sein Schicksal und Verbleib fehlt, spricht man von Verschwindenlassen. Diese Praxis basiert auf Geheimhaltung und Schweigen und wird verwendet, um Angst zu verbreiten und gleichzeitig Verbrechen zu verschleiern. Sie

von Diktaturen, aber auch im „Krieg gegen den Terror“ verwendet und beschränkt sich nicht auf die lateinamerikanischen Diktaturen der siebziger Jahre, sondern ist weltweit verbreitet von Mexiko bis Marokko, von Uganda bis Nepal. Häufig werden gewaltsam Verschwundene gefoltert; etliche tauchen niemals wieder auf. Angehörige, die

Kindern, Eltern, Ehegatten und Geschwistern geschehen ist, bekommen keine Antwort. Die Behörden leugnen die Inhaftierung und behaupten, keine Informationen zu haben. Oft werden die Angehörigen eingeschüchtert oder bedroht. Die systematische Praxis des Verschwindenlassens stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Das seit

Länder stellt sicherlich einen bedeutenden Fortschritt im Kampf gegen das gewaltsame Verschwindenlassen dar. Dennoch kann in den meisten von dieser Praxis betroffenen Ländern von erfolgreicher Aufarbeitung noch keine Rede sein. Hunderttausende Personen weltweit wissen nichts über das Schicksal ihrer Angehörigen und nur ein Bruchteil der Täter wurde bisher juristisch zur Verantwortung gezogen. Umso wichtiger ist es durch Appellbriefe und Solidaritätsaktionen, die Herausgabe von Informationen zum Verbleib verschwundener Personen sowie eine konsequente Strafverfolgung der Täter und Entschädigung der Opfer zu fordern. J. Galvanek, M. Ziegler C. Raiser-Süchting Gruppe 1180

2010 in Kraft getretene Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen untersagt die Praxis auch in außergewöhnlichen Umständen. Zudem stärkt es das Ziel, die Straflosigkeit des Verschwindenlassens zu bekämpfen und das Recht aller Angehörigen, die Wahrheit zu erfahren. J. Galvanek, M. Ziegler, C. C. Raiser-Süchting


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Amnesty goes Ärztival Auf dem Tempelhofer Feld rockte die Hochschulgruppe der TU Berlin für die Menschenrechte

Gleich an zwei Tagen spielte die selbsternannte „beste Band der Welt“ in Berlin. Am 10. und 11. August rockten Die Ärzte auf dem Tempelhofer Feld und Amnesty International rockte mit – für die Menschenrechte. Die Hochschulgruppe der TU Berlin lud mit dem Amnesty-Mobil die insgesamt rund 70.000 Zuschauerinnen und Zuschauer ein, sich neben der Musik auch dem wichtigen Thema Ägypten zu widmen und sich für die Menschenrechte einzusetzen. Unter dem Motto „Macht Mächtigen Druck!“ rief Amnesty International auf, sich mit der Zukunft Ägyptens auseinander zu setzen und

Meinungsfreiheit, die Achtung der Frauenrechte sowie ein Ende der Folter, Polizei- und Militärgewalt zu fordern. Im Rahmen einer großen Unterschriftenaktion gegen Gewalt an Frauen und Folter hatten die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, Stoffbeutel und Banner zu bemalen. Als Motiv diente die Nofretete mit Gasmaske des ägyptischen Street Art Künstlers El-Zeft, die zum Symbol der ägyptischen Revolution wurde. Viele Ärzte-Fans nutzten die Zeit vor und nach dem Konzert, um sich am AmnestyStand für die Menschenrechte einzusetzen. Insgesamt 560 Unterschriften gegen Gewalt

an Frauen in Ägypten und 480 Unterschriften gegen Folter kamen bis zum Ende des Festivals zusammen. Auch ein eigens für Amnesty International entworfenes ÄrzteT-Shirt mit der Aufschrift „Es ist nie zu spät“ konnten wir an zahlreiche Ärzte-Fans verkaufen. Der gesamte Erlös kam der Arbeit von Amnesty International zu Gute. Die Hochschulgruppe freute sich über die Selbstverständlichkeit, mit der viele Fans zum Stand kamen und die Petitionen unterschrieben. Auch die vielen Besucherinnen und Besucher, denen Amnesty bisher nicht bekannt war, waren überaus neugierig und aufgeschlossen.

Spätestens als die Ärzte den Titel „Deine Schuld“ spielten, wurde der Bezug zu Amnesty International deutlich: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist – es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt“. Die Gruppe blickt auf erfolgreiche Ärztival-Tage zurück. Die Mischung aus Musik, Spaß und dem Engagement für die Menschenrechte ist den Veranstaltern gut gelungen. Amnesty freut sich auf die nächsten Konzerte – denn Rock und Menschenrechte passen gut zusammen. Marie Piper TU-Hochschulgruppe


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VeraNSTALTUNGSHINWEISE SEPTEMBER 2013 18.09.

Informationsabend

in Kreuzberg über die Arbeit von Amnesty International. 19:30 Uhr. Adresse: Heilig-Kreuz-Kirche (im Kirchencafé), Zossener Str. 65, 10961 Berlin-Kreuzberg. U1, U6 Hallesches Tor

27.09.- 08.11

Ausstellung

Kinderrechte sind Menschenrechte. Die Posterausstellung demonstriert die Bedeutung der UN- Kinderrechtskonvention. Aktuelle Beispiele zeigen, wie Kinder in besonderem Maße von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind. Mo., Di., Do. 13–19 Uhr, Mi., Fr. 11–17 Uhr. Adresse: Stadtbibliothek Pankow, Bibliothek am Wasserturm, Prenzlauer Allee 227/228, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg. U2 Senefelderplatz, Tram M2 Knaackstraße

OKTOBER 2013 04.10.

Informationsabend

in Prenzlauer Berg über die Arbeit von Amnesty International. 19 Uhr. Adresse: Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin Prenzlauer Berg. Tram M4, Bus 200, 142 „Am Friedrichshain“

07.10.

To Russia with Love

Künstler für die Menschenrechte in Russland mit: Gidon Kremer, Martha Argerich, Daniel Barenboim, Emmanuel Pahud, Sergei Nakariakov, Kremerata Baltica, Khatia Buniatishvili, Giya Kancheli, Nicolas Altstaedt, „Shchedryk“, Roman Kofman Kinderchor. Vor Beginn des Konzerts findet um 18 Uhr ein Informationsforum verschiedener NGOs statt, Eintritt zum Forum frei. Mehr Infos. Beginn des Konzerts: 20 Uhr. Adresse: Kammermusiksaal, Philharmonie Berlin, Herbert-von-Karajan-Str. 1, 10785 BerlinTiergarten. S-Potsdamer Platz

10.10.

Mahnwache

für Jean-Claude Roger Mbede. Er war im April 2011 wegen Homosexualität zu drei Jahren Gefängnishaft verurteilt worden. Zurzeit lebt er versteckt, um sich vor homophoben Angriffen und einer erneuten Verhaftung zu schützen. Sein Schicksal teilen mindestens 10 weitere Männer und Frauen, die in ständiger Angst vor Überfällen oder Festnahmen leben. Sie wissen von unseren Aktionen und rechnen mit unserer weiteren Unterstützung. Wer teilnehmen möchte, kontaktiert die Gruppe 1346: 030 691 53 63 oder niepold@aol. com. 17–18 Uhr. Adresse: Vor der Botschaft der Republik Kamerun, Ulmenallee 32, 14050 Berlin-Westend. S-Bahnhof Westend, Bus M45 „Kastanienallee“

14.10

Mahnwache für WOZA

Mahnwache der Gruppe „Menschenrechtsverletzungen an Frauen“ (MaF) für die Mitglieder der simbabwischen Menschenrechtsorganisation „Women of Zimbabwe Arise“ (WOZA) vor der Botschaft der Republik Simbabwe. WOZA-Mitglieder sind regelmäßigen und willkürlichen Repressalien und Inhaftierungen ausgesetzt. 16–17 Uhr. Adresse: Vor der Botschaft der Republik Simbabwe, Kommandantenstraße 80, 10117 Berlin-Mitte. U2 Spittelmarkt

16.10.

Informationsabend

25.10.

Benefizkonzert von „Cherished“

in Kreuzberg über die Arbeit von Amnesty International. 19:30 Uhr. Adresse: Heilig-Kreuz-Kirche (im Kirchencafé), Zossener Str. 65, 10961 Berlin-Kreuzberg. U1, U6 Hallesches Tor

Spiritual & Gospel aus Berlin. Leitung: Till Sauer und Christina Bischoff. 19 Uhr. Eintritt frei, um Spenden zu Gunsten von Amnesty International wird gebeten. Adresse: Kirche Am Hohenzollernplatz, Nassauische Straße 66 – 67, 10717 Berlin-Wilmersdorf U2/U3 Hohenzollernplatz

Die Veranstaltungshinweise werden laufend unter www.amnesty-bb.de/Termine aktualisiert


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