an.schläge12/2006-01/2007
an.schläge DAS FEMINISTISCHE MAGAZIN dezember jänner
thema
TrunkSucht
Frauen trinken anders. Was unterscheidet weiblichen Alkoholismus von männlichem? gesellschaft
QueerStory
Kanon und Kultur wurden bei der Tagung „Queer Reading” in Wien entschlüsselt. e 3,5 (Ö) e 4,– (D) sfr 8,–
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Feminismus in Theorie, Kunst und Bewegung
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Die ÖH-Frauen arbeiten gemeinsam mit vielen anderen Frauen am nächsten Projekt...
Frauen Frühlings t ä t i s r e v i n U li
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30.3. - 4.4.2007 in Wien Infos unter frauenuni@oeh.ac.at
Prekäre Lebensverhältnisse
an.schläge an.spruch
Pause machen
Einfach mal für sich selbst pausieren ist gar nicht so leicht kampagne.gegen.gewalt
Auf zur nächsten Etappe
„It starts with a scream and must never end in silence” frankreich.präsidentinnenschaft
Alles über Ségolène
Die persönlichen Erfolge der sozialistischen „Königin” im Porträt frauen.venezuela
Chávez und die Frauen
auf.takt
In diesem Sinne: Merry Christmas and a Happy New Year! Eure an.schläge-Frauen
politik thema forum arbeit
an.sage
Impfen gegen Krebs?
Ein Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs in feministischer Diskussion thema.alkohol.frauen
Einige 24 Stunden
Einen Grund zu trinken findet (auch) frau immer:Wann ist’ s genug? forum.wissenschaft
Muslimas in den Medien
Wie werden Diskurse der Ausgrenzung reproduziert? grund.einkommen
Gründe genug
Grundsicherung ist nicht genug. Emanzipation und Existenzsicherung queer.reading
Meerjungfrauen und Macho-Cyborgs
Verrückt? Feministisch? Schwul? Ein Begriff mit einigen Unklarheiten kultur.arbeit
Austausch und Allianzen
Vernetzung verleiht der kulturpolitischen Arbeit von Frauen Gewicht clown.frauen
Clown? Frauen? Schauen!
Geballter Humor in der Stadt: Frauen lachen über sich selbst an.klang
Kein Ton von Stillstand
Von japanischen Klängen bis zum Wienerlied: Der Musikmix macht’ s lese.zeichen
Going Public makes trouble
Unterschiedliche Politiken der Sichtbarkeit unterschiedlicher MuslimInnen ge.sehen
kultur
Der rote Faden der aktuellen Ausgabe der an.schläge ist das Thema Geld. Überall fehlt es. Den Künstlerinnen im Allgemeinen, den Clownfrauen im Besonderen. Berufsbedingt ist den Clowninnen trotz hochprekärer Lage das Lachen nicht vergangen. Was sie an ihrer Arbeit sonst noch glücklich macht, hat Burgi Pirolt herausgefunden. Strategien gegen finanzielle und soziale Unsicherheit wurden beim Bundesvernetzungstreffen von Frauen in Kunst und Kultur diskutiert. Daniela Koweindl berichtet, dass neben Antidiskriminierungsmaßnahmen auch ein Grundeinkommen gefordert wird (S. 34f). Was so ein Grundeinkommen von der in Österreich zuletzt heiß debattierten Grundsicherung im Detail unterscheidet, untersucht Gabriele Michalitsch in ihrem Artikel. Außerdem geht sie der Frage nach, welche Risiken und Chancen mit diesen Formen der Existenzsicherung für Frauen verbunden sind (S. 28f). Unter dem Existenzminimum leben viele Frauen Venezuelas auch noch nach der Regierungsübernahme durch Hugo Chávez, dem Liebling der Linken. Kathrin Niedermoser zeigt, dass die weibliche Bevölkerung beim „bolivarianischen Prozess“ häufig auf der Strecke bleibt. Apropos: Auch uns fehlt Geld. Deshalb brauchen wir dringend viele, viele neue AbonentInnen. Auf S. 21 findet ihr einen Aufruf für unsere Weihnachts-Abo-Geschenkaktion: Für nur 25,Euro könnt ihr eine/n liebe/n FreundIn ein ganzes Jahr lang glücklich machen. Oder auch euch selbst.
Der bolivarianische Prozess und weibliche Lebensrealitäten in Venezuela
Bild, Figuren, Raum
Retrospektive Agnès Varda: Eine Sammlerin von Bildern und Gesten
05 08 10 14 24 16 22 28 32 34 36 38 39 42
an.an.schläge
an.schläge Herausgeberinnen und Verlegerinnen: CheckArt, Verein für feministische Medien und Politik A-1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/920 16 76 Fax: 01/ 715 98 88, e-mail: redaktion@anschlaege.at, office@anschlaege.at, www.anschlaege.at
Redaktion: Bettina Enzenhofer/be, Svenja Häfner/svh, Kerstin Kellermann/kek, Katharina Nagele/kana, Petra Öllinger/PÖ, Burgi Pirolt, Silke Pixner/pix, Saskya Rudigier/ s-r (Gesamtkoordination), Eva Steinheimer/ESt, Bettina Surtmann/besu, Lea Susemichel/les (Gesamtkoordination), Jenny Unger/jung,Tina Wimmer/tiwi
Inserate: Michèle Thoma, mi.thoma@chello.at Mitarbeiterinnen dieser Nummer: Daniela Almer, Andrea Auerbach/AndA, Mirjam Bromundt, Doris Engel, Gabi Horak/GaH, Daniela Kamhuber, Daniela Koweindl, Katja Mair/KaMa, Gabriele Michalitsch, Katharina Pewny, Burgi
Betrifft: anschläge-schreibworkshop in an.schläge 11/06
Erratum Die Autorin des im an.schläge-Schreibworkshop entstandenen Textes „An fernen Orten” heißt Margot Fink und nicht, wie von uns irrtümlich angegeben, Margot Fischer. Wir entschuldigen uns im Namen der Redaktion für diesen Fehler.
Pirolt, Kathrin Niedermoser, Irene Tischler/it, Hannah Sideris, Lisi Schleicher/liS, Stefanie Schlüter, Bärbel Traunsteiner, Michèle Thoma, Irmi Wutscher/trude, Vina Yun
an.sage: Cornelia Burgert und Sylvia Groth neu.land: Tyma Kraitt heim.spiel: Eva Steinheimer lesben.nest: Jenny Unger ge.sehen: Stefanie Schlüter an.klang: Regina Himmelbauer plus.minus: Eva Steinheimer Cartoon: nic., pxxxnic@gmail.com Unsere Werbung: Rania Moslam: Das Projekt „Das Gesicht verlieren“- Ich bin schön (Teil 2) setzt sich mit Körpernormierungen auseinander. Die Fotografierten haben keine Kontrolle über ihren Gesichtausdruck – sie verlieren ihr Gesicht – wenn sie es zulassen.
Cover: Lea Susemichel Fotos: an.schläge-Archiv, bildergegengewalt.net, Stefan Bindener, Arno Declair, Ines Doujak, EGA, Lorenz Estermann, Jens Petz Kastner, Heidi Harsieber, Paul Justus Lück, pixelquelle.de, Sebastian Menschhorn, Kathrin Niedermoser, Eva Steinheimer, Lea Susemichel
an.schläge Schrift: Martha Stutteregger Grafisches Konzept: Beate Schachinger für Layout: Lea Susemichel Druck: Reha Druck, Graz © an.schläge: Titel, Vorspänne und Zwischentitel von der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht unbedingt der Auffassung der Redaktion entsprechen. Kürzungen vorbehalten.
04 an.schlägedezember 2006 jänner 2007
an.schläge werden gefördert von: FRAUEN BURO MAGISTRAT DER STADT WIEN
an.spruch
Jenny Unger
Pause machen Morgens halb zehn macht Deutschland Pause. EinE jedeR muss mal eine Pause machen. Beim Arbeiten vor allem. Sonst kommt gleich das böse Burn Out und die Depression und die Therapierechnung und das Schräg-Sein. Oder es kommt was anderes. Aber irgendwas kommt. Wenn es ganz schlimm ist, sogar das Umfallen. Aber Nein-Sagen ist so schwer, weil dann eineR gleich weg ist vom Arbeitsfenster und dann kommt auch die Depression und Rechnungen, die nicht zu bezahlen sind. Pause machen. Ja. Pause machen und essen. Damit der Motor, der Körper wieder brummt. Kartoffeln, Nudeln, Getreide, am besten Fleisch. Nicht immer nur so Gemüse. Nur aus Wasser. Und Wasser ist eineR ja schon selbst ganz viel. Also essen. Damit eineR wieder mitradeln kann, mitlaufen kann im schönen Laufrad im goldenen Käfig. Und immer schön gesund bleiben, damit wir immer schön arbeiten können. Immer schön auch einmal eine Pause machen, sagt der nette Arbeitskollege und gibt aber ein Tempo vor, bei dem die wenigsten mitmachen können. Hat er ja eine Frau, die seine Wäsche wäscht und davor hatte er eine Mutter, die ihm die Wäsche gewaschen hat. Kommt er ja nicht nach Hause und muss das noch machen, wenn er eh schon zehn Stunden fremden Kindern erzählt hat, wie sie lieb zur Umwelt sein können, obwohl die das ohnehin nicht interessiert. Und die Eltern schon gar nicht. Die zahlen und sind sie los für einen Nachmittag. Müssen ja auch mal Pause von ihren kleinen Goldstücken machen. Pause machen müssen wir. Seit einem Jahr oder so müssen wir Pause machen. Müssen wieder richtig leben. Aber nichts geht. Gar nichts und die Pause, die nutzen wir, um die Lebensleitungen wieder zu richten. Da kommt die Energie rein. Da das Löschwasser, um die Kabelbrände in uns zu löschen. Sauerstoff auch noch her. Und dann leiten wir alles wieder raus. Mit dem Wunderjoghurt. Das Gift, das wir in uns rein saugen, nur um noch kriechen zu können. Zur Arbeit und der Chefin in den Allerwertesten. Damit wir uns morgen noch Gift kaufen können und übermorgen wieder Joghurt. Und damit wir mehr als nur Schokolade kaufen können für die Lieben. Der Pfarrer hat auch eine Pause gemacht, als wir vorgestellt wurden mit „ich und meine Freundin“. Da hat er wohl
kurz nachgedacht in der Pause und dann war da noch der Bruder, dem er vorgestellt werden musste. Hat er Glück gehabt. Hat er nicht mehr nachdenken müssen, was das heißt. Hat er sich freuen können, über den schönen Sonntagnachmittag. Da sind die Messen vorbei und beichten kommt ohnehin keineR. Da kann er Pause machen. Und die Pfarrersköchin wäscht derweil. Das Geschirr und die Wäsche. Während der Herr Pfarrer Pause macht. Muss er ja. Ist ja bald Weihnachten und da geht es zu in der Kirche. Da ist sie wieder voll und brummt. Und dann ist Weihnachten vorbei und die Kirche kann bis Ostern wieder pausieren. Eine Freundin pausiert seit Jahren. Macht eine Pause beim Studieren. Muss Geld verdienen. Die Behörde sagt, die Mama soll ihr eins geben. Kann sie aber nicht. Und darum arbeitet die Freundin und pausiert beim Studieren. Vielleicht pausiert sie einmal beim Arbeiten und kann dann wieder studieren. Schaut aber nicht aus, als ob das leicht möglich wäre. Muss ja arbeiten und Arbeitspausen machen, in denen sie einkaufen muss und kochen muss und essen muss und für mich da sein muss und für andere auch noch da sein will. Mein Vater ist in Pension. Aber Pause machen kann er nicht wirklich. Arbeitet immer weiter. Braucht Geld. Das Dach vom Haus muss neu werden, sonst tropft ihm das Leben auf den Kopf. Meine Mutter möchte auch mal Pause machen. Geht aber nicht. Mein Vater will ja essen. Und saubere Kleidung braucht er auch. Und sie auch. Und die Brüder, die seit Jahren ganz woanders wohnen, brauchen auch saubere Wäsche. Haben keine Zeit zum Waschen und Bügeln. Müssen arbeiten. Und Pause brauchen sie auch mal eine. Geht ja nicht. Immer nur arbeiten. Brennt eineR doch durch. Pause machen muss ich mit meinem Tageszeitungsabo auch. Will sie nimmer lesen. Ein halbes Jahr Pause hab ich verordnet, damit die Bücher wieder etwas von mir haben. Und Zeitschriften will ich auch. Da kann ich Sport und Wirtschaftsteil leichter weglassen, wenn ich die richtige kaufe. Ich muss unbedingt Pause machen. Damit ich wieder in die Luft schauen kann. Und damit mir auch wieder einmal fad ist. Ich will ausschlafen können für mich und nicht für die Arbeit morgen. ❚ dezember 2006 jänner 2007an.schläge 05
Fo t o : E G A
österreichan.riss
auszeichnung
G.A.L.A. für Helga Ratzenböck
buchpräsentation
Diskussion um Mädchenprostitution Anlässlich der Buchpräsentation von „Auf dem Strich“, einer wissenschaftlichen Arbeit zum Thema Jugendprostitution in Wien, fand im EGA, dem Frauenzentrum der Wiener SP-Frauen, eine Podiumsdiskussion statt. Neben den beiden Autorinnen der Studie, Carolin Tener und Tina Ring, diskutierten Wiener Sozialarbeiterinnen und Politikerinnen. Zentraler Ausgangspunkt der Diskussion waren die von den Buchautorinnen geführten Interviews mit jungen Frauen und Mädchen, die um verschiedenste Themenbereiche kreisten: von Gewalterfahrung in der Kindheit, über Freier und das Leben auf der Straße bis hin zu Wünschen und Bedürfnissen der jungen Frauen. Einig waren sich alle Diskutantinnen im EGA, dass mit dem Buch endlich die Marginalisierten selbst eine Stimme erhielten, da die jungen Prostituierten umfassend zu Wort kommen. Für reichlich Diskussionsstoff sorgte anschließend die Frage nach den Konsequenzen, die aus der Publikation gezogen werden sollten. So fordern die Autorinnen nachdrücklich eine eigene Anlaufstelle für junge sich prostituierende Mädchen in Wien. Denn aus den Interviews geht hervor, dass diese von üblichen sozialen Einrichtungen wie Gewaltinterventionsstellen nicht erreicht würden bzw. diese aufgrund schlechter Erfahrungen meiden. trude „Auf dem Strich“ von Carolin Tener und Tina Ring, erschienen im Milena-Verlag, www.milena-verlag.at, www.ega.or.at
„Und sie machen uns so glücklich, wie es sonst niemand schafft.“
Schokoriegel, Lottogewinne, Wurzelbehandlungen? Nein, Männer! Das behauptet zumindest das WOMAN „Jubel-Heft“ anlässlich seines fünfjährigen Bestehens und widmet die ganze Ausgabe den Männern: (Semi-) Prominente Männer beurteilen Frauen in der Arbeitswelt, stylen ihre Partnerinnen um, beurteilen die Looks von Promifrauen und kochen „Liebes-Desserts“. Dazu gibt es einen Sextest und großes Lob für die Palmerswerbung. Dieser HochglanzBlödsinn taugt nicht mal zum Einheizen.
06 an.schlägedezember 2006 jänner 2007
plus.minus
Der Gay And Lesbian Award (G.A.L.A.) ist ein Preis für besondere Verdienste um die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung der Lesben und Schwulen in Österreich und wird seit 2000 jährlich aus Mitteln der HOSI Linz dotiert. Diesjährige Preisträgerin ist die vierzigjährige Sozialarbeiterin Helga Ratzenböck, Initiatorin des Vereins „After AIDS“ und davor lange Jahre Leiterin des Projektes LENA der Caritas Linz. „Mit Helga Ratzenböck wird heuer eine Frau ausgezeichnet, die seit der ersten Preisverleihung noch jedes Jahr nominiert wurde – alleine das sagt schon vieles darüber aus, welche Wertschätzung ihre Arbeit genießt“, so Vereinssprecher der HOSI Linz, Gerhard Labacher. Die erste G.A.L.A.Preisträgerin im Jahr 2000 war Helga Pankratz, Aktivistin der HOSI Wien und langjährige an.schläge-Autorin. Außerdem geehrt in den letzten Jahren wurden Gertrude Kopf (2002), Barbara Reumüller (2003) und Elisabeth Vormayr (2004). GaH www.hosilinz.at
frauencafé
Next Generation Das Team des Wiener Frauencafés wird nach zwei Jahren Tätigkeit seine Funktion mit Jahreswechsel beenden und hat sich daher auf die Suche nach einem Nachfolgeteam gemacht. Aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung haben sich zwei Interessentinnengruppen gemeldet, die den wichtigen Frauenraum ab 2007 leiten wollen. Am 13. November lud das Frauencafé zur Diskussionsveranstaltung „Frauencafé next Generation 2007“, bei der sich die zwei Gruppen präsentieren konnten. Im Zuge der über dreistündigen, moderierten Diskussion wurde ein Konsens über folgende Punkte erzielt: Es findet keine Abstimmung über die beiden po-
plus.minus Reaktionen und Anregungen an die Redaktion per Brief oder e-mail, mit dem Betreff:„plus.minus“
fremdengesetze
pflegefamilien
Abgeschoben
Aufgeregt
Fast täglich werden wir in Medien, Foren oder dem eigenen Umfeld mit neuen Tragödien, die Produkt einer unmenschlichen Fremdenrechtspraxis sind, konfrontiert. So berichtet die Organisation Ehe ohne Grenzen von Esther, die vor einer Genitalverstümmelung aus Nigeria nach Österreich floh. Sie verliebte sich in einen Tiroler, die beiden wollten heiraten. Wenige Tage vor dem Hochzeitstermin wird in einem Blitzverfahren der Asylantrag abgelehnt und Esther nach weniger als 48 Stunden abgeschoben. Fall erledigt. Keiner zuständig. Alles legal. Protest und Widerstand verhallen ungehört. Wir müssten lauter schreien! –
Die Stadt Wien wirbt seit kurzem mit Plakaten um Pflegefamilien. Dabei gibt es auch Sujets, die Alleinerziehende und homosexuelle Paare ermutigen sollen, sich zu bewerben. Keine neue Idee, sondern bereits erfolgreich gelebte Praxis. Die ÖVP beugt sich den Umständen: „Jede Familienkonstellation ist besser als ein Kind im Kinderheim.“ Die FPÖ hingegen unterstellt in einem Bericht in der „Neuen Freien Zeitung“ allen homosexuellen Eltern in sehr konkreten Bildern sexuellen Missbrauch an ihren Kindern. Eine weitere Ungeheuerlichkeit aus einer Partei, die sich aus ungeheuerlichen Personen rekrutiert. –
an.rissösterreich tenziellen Nachfolgegruppen für das aktuelle Team statt, da diese polarisierend wäre. Stattdessen wurde der Wunsch an die beiden Gruppen gerichtet, Gespräche miteinander aufzunehmen, um ein gemeinsames Konzept für die Zukunft des Frauencafés zu finden. Sollten die beiden potenziellen Nachfolgeteams kein gemeinsames Konzept finden, so entscheidet das aktuelle Team nach eigenem Ermessen über den Fortgang im Frauencafé. GaH www.frauencafe.com
an.ruf Irmi Wutscher war auf einer Pressekonferenz von Toni Morrison
Ich war eine gute Wahl! rosa lila villa
Zeichen setzen gegen Homophobie Nach einem gewalttätigen Zwischenfall in der Rosa Lila Villa in Wien, bei dem im Oktober ein Mitarbeiter schwer verletzt wurde, ist nun eine E-Mail-Adresse gegen Homophobie eingerichtet worden. Zum Zwecke der Dokumentation homophober Übergriffe, Belästigungen oder Beschimpfungen können dort Betroffene ihre Erfahrungsberichte einschicken. Auf einer Pressekonferenz nach dem Überfall fanden SprecherInnen der Villa außerdem klare Worte: Nicht Verstecken schütze vor solchen homophoben Übergriffen, sondern Selbstbewusstsein und Sichtbarkeit. Und zu dieser Sichtbarkeit gehöre auch das Aufzeigen von Homophobie und Transphobie: Diese Vorfälle unter den Teppich zu kehren, helfe nur den TäterInnen. Die Rosa Lila Villa und ihre Beratungsstellen dokumentieren schon seit Jahrzehnten unterschiedliche Erfahrungen mit Ablehnung wie auch Akzeptanz, weiters sind Hilfe beim Coming Out und Sichtbarkeit lesbisch, schwuler und transgender Lebensweisen die Schwerpunkte der politischen und emanzipatorischen Arbeit der Villa. trude www.villa.at, gegenhomophobie@villa.at
gegen schwarzblauorange
Demos gehen weiter „Wir bleiben, bis sie gehen!“ lautet das Motto der AktivistInnen der donnerstäglichen „Mahnwache gegen SchwarzBlauOrange“ am Ballhausplatz vor dem Bundeskanzleramt. Solange keine neue – und vor allem andere – Regierung angelobt wird, finden die wöchentlichen Mahnwachen weiterhin statt: Jeden Donnerstag ab 20.15 Uhr. Die Zeit der Widerstandslesungen ist vorerst zu Ende gegangen: Die letzte wurde am 26. Oktober abgehalten, allerdings versprechen die LeserInnen sofort wieder aktiv zu werden, sollte wieder eine rechte Regierung ans Ruder kommen. Auch die Initiative „Ehe ohne Grenzen“ denkt nicht daran, den vermeintlichen Frieden auf der Regierungsbank zum Ausruhen auszunutzen – denn es gibt keinen Grund dazu! Das Fremdenrechtspaket ist seit Jänner in Kraft und seither ist das Recht auf ein ungestörtes Ehe- und Familienleben für binationale Paare massiv eingeschränkt. Am 8. November fand bereits die 30. Kundgebung statt – jeden Mittwoch, 17.00 Uhr vor dem Innenministerium – und in all den Wochen hat sich an der prekären Situation nichts geändert. „Können Sie sich vorstellen, wie sich (staatlich erzeugte) Illegalität anfühlt, über Monate hinweg? Wie es sich anfühlt, seine Zukunft als Familie in keinster Weise planen zu können?“ fragen die AktivistInnen beim DemoAufruf. Sie fordern „unsere Menschenrechte zurück“: bedingungsloses Arbeits- und Aufenthaltsrecht für ihre EhepartnerInnen. GaH
Frau Morrison, was sagen Sie dazu, dass Ihr Buch für die Wiener Aktion „Eine Stadt. Ein Buch.” ausgewählt wurde? Ich war überrascht, erfreut und geschmeichelt! Das ist das erste Buch, das ich geschrieben habe, es handelt von den Opfern des Rassismus. Als ich 1965 zu schreiben begann, gab es niemanden, der für Schwarze junge Frauen sprach. Sie kamen in der Literatur als überzeichnete, komische Figuren vor, als bemitleidenswerte Figuren, aber ihre Stimmen waren nie zu hören. Warum, glauben Sie, wurden Sie ausgewählt? Was halten Sie allgemein von einer solchen Buchaktion? Ich weiß nicht warum, aber ich denke, ich war eine gute Wahl! (lacht) Denken Sie wirklich, dass 100.000 Personen mein Buch lesen? (wird allgemein bejaht) Das ist fabelhaft und verblüffend! Es gab ähnliche Kampagnen in den USA, aber die waren nicht so erfolgreich. In New York etwa waren die Menschen erbost, da sie der Meinung waren, man brauche ihnen das Lesen nicht vorzuschreiben. Wie hat sich der Nobelpreis auf Ihr Leben und Schreiben ausgewirkt? Dieser Preis war eine große Ehre für mich, ich nehme ihn sehr ernst. Aber er hat keinen Einfluss auf wirklich Wichtiges in meinem Leben oder auf mein Schreiben. Zurückgeben würde ich ihn trotzdem nicht! In Wien haben Schwarze Menschen massive Probleme, sie werden angefeindet und ausgegrenzt, was sagen Sie als Afroamerikanerin dazu? Die Marginalisierung und Ghettoisierung Schwarzer in den USA hat eine eigene Kultur mit Musik, Tanz und Sprache hervorgebracht, die für die Menschen einen Ort außerhalb politischer Zwänge schafft. Und gerade diese Schwarze Kultur ist es, die man im Ausland mit den USA assoziiert. Außerdem haben die AfroamerikanerInnen viel dazu beigetragen, dass die Demokratie in den USA funktioniert. Ohne diese BürgerInnenrechtsbewegung wären die USA nicht das, was sie heute sind. Wie würden Sie das Problem der „Neger raus“-Graffitis angehen? Oft ist man so schockiert über diese offenen Manifestationen von Fremdenhass, dass man dabei jene Menschen vergisst, die ihn ernsthaft bekämpfen. Wie etwa Menschen, die hier Widerstand leisten und solche Graffitis übermalen oder durchstreichen. Toni Morrison, Schriftstellerin und Uni–Professorin, wurde 1993 als erste Afroamerikanerin mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, ihr Erstlingswerk „Sehr blaue Augen“ wurde heuer bei der Wiener Gratisbuchaktion verteilt.
www.ehe-ohne-grenzen.at, http://do-speakerscorner.org
dezember 2006 jänner 2007an.schläge 07
Fo t o : w w w. b i l d e r g e g e n g e w a l t . n e t
kampagnegegengewalt
Auf zur nächsten Etappe 2007 organisiert der Europarat eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen. Nach aufwendigen Lobbying-Aktivitäten will der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser das Staffelholz nächstes Jahr an die Regierung weitergeben. Von Daniela Almer
1 www.coe.int/t/dg2/equality/ DOMESTICVIOLENCECAMPAIGN/ default_EN.asp 2 Recommendations (2002) of the Committee of Ministers to member states on the protection of women against violence 3 Blueprint to Combat Violence against Women, including Domestic Violence 4 Stocktaking Study on the measures and actions taken in Council of Europe member States
08 an.schlägedezember 2006 jänner 2007
„Kampagne zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt“ – unter diesem etwas sperrigen Titel sind die Mitgliedsstaaten des Europarates (dazu gehört auch Österreich) aufgerufen, im Jahr 2007 in ihren Ländern verstärkt Aktivitäten gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu setzen. Der Europarat, internationaler Staatenbund bestehend aus 46 Mitgliedsländern, stellt zu diesem Zweck auf einer eigens eingerichteten Internetseite eine Fülle von Materialien zur Verfügung.1 Von Plakatsujets, Slogans und Kontaktdaten bis zu umfangreichen Hintergrundinformationen kann hier alles abgerufen werden. Der Europarat ist keine Einrichtung der EU. Der Staatenbund wurde bereits 1949 als erster Zusammenschluss europäischer Länder auf völkerrechtlicher Basis gegründet. Heute umfasst das Gremium alle Staaten des geografischen Europas einschließlich Russland (außer Montenegro,Weißrussland und dem Vatikan), sowie Armenien, Aserbaidschan, Georgien, die Türkei und Zypern. Diese illustre
Runde ist nun also aufgerufen, geschlechtsspezifischer Gewalt den Kampf anzusagen. Ein Grundsatz-Dokument, das bereits 2002 vom MinisterInnen-Komitee verabschiedet wurde, liefert mit einer ganzen Reihe von Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten den inhaltlichen Background dazu.2
den Vorbereitungen der Kampagne zum Schutz von misshandelten Frauen und Kindern begonnen. Und was ist mit Österreich? Auf Anfrage im Bundesministerium für Gesundheit und Frauen zeigt sich, dass hierzulande zwar über die Kampagne nachgedacht wird, aktiv könne man aber erst werden, wenn es eine neue Regierung gebe, so Bettina Kölbl aus dem Büro von (Noch-)MinisterStillstand im Ministerium. Bereits im Somin Maria Rauch-Kallat. „Leider lässt es mer wurde in Straßburg, dem Sitz des Europarates, ein Papier veröffentlicht, in die aktuelle innenpolitische Lage und insbesondere auch die dadurch offene dem präzise aufgezählt wird, welche budgetäre Lage für 2007 zum jetzigen Schritte die einzelnen Mitgliedsländer Zeitpunkt nicht zu, die Umsetzung der der Reihe nach setzen sollten.3 Diese Handlungsanleitung sieht u. a. vor, eine Kampagne auf nationaler Ebene in AnPerson zu beauftragen, die als nationale griff zu nehmen. Soweit es die SituatiAnsprechpartnerIn auf Regierungsebe- on jedoch erlaubt, unterstützt Frau Bundesministerin diese Kampagne“, so ne fungiert. Im Rahmen eines so geKölbl. Im Frauenministerium würden nannten Focal Point sollen dann Aktivitäten geplant und umgesetzt werden. auch bereits diverse Vorschläge zur Beteiligung an der Kampagne erarbeitet, Ein Blick auf die Internetseite zur Kampagne zeigt, dass zahlreiche Länder, dar- es sei aber verfrüht, konkrete Maßnahmen zu nennen. unter Staaten wie Albanien, AserbaidAuch Gabriele Heinisch-Hosek, schan oder die Türkei, diese nationale Frauen- und GleichbehandlungssprePosition bereits besetzt haben. Aber auch Länder wie z. B. Deutschland, Finn- cherin der SozialdemokratInnen, macht land und die Schweiz haben bereits mit die momentane politische Situation
gegengewaltkampagne ten des Europarates keinerlei finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt würden, sei es jedoch unmöglich, die Aktion in großem Stil weiterzuführen.„Für einen kleinen Verein wie unseren ist es ein absoluter Kraftakt, diese Tätigkeiten ohne Budget zu bewerkstelligen. Nur durch die tatkräftige Unterstützung von SponsorInnen und KooperationspartnerInnen sind wir dazu in der Lage“, erklärt sie. Ein derartiger Alleingang einer Opferschutzeinrichtung ist aber gar nicht vorgesehen: Der Europarat empfiehlt in seinen Begleit-Dokumenten zur Kampagne 2007 zwar dezidiert, NGOs in die Alleingang der AÖF. Beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) Realisierung einzubeziehen. Der Appell, verstärkt Maßnahmen zur Prävention macht sich aufgrund dieser Aussagen von Gewalt an Frauen durchzuführen, allerdings Ungeduld breit. „Wir fühlen richtet sich aber in erster Linie an die jeuns verpflichtet, für die Kampagne in weiligen Regierungen. Diese werden Österreich Lobbying zu machen und auch aufgefordert, die dafür notwendikönnen uns gut vorstellen, im Rahmen gen Finanzen bereit zu stellen und geeiner Arbeitsgruppe mit der Regierung zusammenzuarbeiten“, so Maria Rössl- meinsam mit Nicht-Regierungsorganisationen in Arbeitsgruppen zu kooperieren. humer, Geschäftsführerin des NetzEine Vorgangsweise, die sich offensichtwerkes, das seit beinahe zwanzig Jahren Präventionsprojekte durchführt und lich noch nicht in allen 46 EuroparatsLändern herumgesprochen hat. Schließdessen Protagonistinnen maßgeblich an der Entwicklung des Bundesgesetzes lich hat auch WAVE (Women Against Violence Europe) dieser Tage die Regierunzum Schutz vor Gewalt in der Familie gen aufgefordert, lokale Frauen- und beteiligt waren. Opferschutzeinrichtungen in die KampaSchon im Sommer hat Rösslhumer mit ihren Kolleginnen durch die Ministe- gne einzubeziehen. Dieses europäische rien telefoniert, um herauszufinden, wer Netzwerk hat Kontakte zu mehr als 3.400 Frauenhilfseinrichtungen in allen Europadie zuständige Ansprechperson für die Kampagne ist. Ohne Ergebnis. Bis zu den rats-Staaten und ist unter dem Dach des Frauenhäuser-Vereins beheimatet. Wahlen am 1. Oktober könne nichts entschieden werden, hieß es. Aber auch nach dem Urnengang sieht die Situation Defizite im Gewaltschutzbereich. Dass jetzt nicht besser aus. Deshalb hat der Verein die Regierung am Zug sei, bekräftigt entschieden, die erste Etappe selber zu auch Rosa Logar, die nicht nur Obfrau bewältigen und den Boden für die Kam- des Vereins Autonome Österreichische pagne zu bereiten.„Wir kümmern uns Frauenhäuser ist, sondern auch den Eudarum, dass die Sache nicht untergeht roparat bei der Vorbereitung der Kamund betreiben Lobbying, aber 2007 gepagne als eine von acht internationalen ben wir das Staffelholz weiter“, so Rössl- ExpertInnen beraten hat. Für sie ist die humer. Schon allein, weil dafür von SeiBedeutung dieser Initiative unumstößdafür verantwortlich, dass derzeit „noch keine Regierungskampagne festgemacht werden kann“. Nichtsdestotrotz stehe ihre Partei hinter der Initiative. „Sollte die SPÖ Regierungsverantwortung übernehmen, wird es dazu sicher eine aktive Beteiligung geben. Barbara Prammer, SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende und Präsidentin des Nationalrates hat zudem versichert, dass es auch von den SPÖ-Frauen im Zuge der Europaratskampagne 2007 Aktivitäten und Maßnahmen geben wird“, so Heinisch-Hosek.
lich: „Der Europarat hat mit seinen Empfehlungen eine fundierte inhaltliche Grundlage für die effektive Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt geliefert. Sich hier nicht zu beteiligen, wäre gerade für unser Land, das in diesem Bereich zu einem Modell für Europa geworden ist, ein Gesichtsverlust und ein Rückschritt“, erklärt sie. Das offizielle Österreich brüste sich gerne und zu Recht mit dem sehr effektiven und erfolgreichen Gewaltschutzgesetz. Das dürfe aber nicht bedeuten, dass in anderen Bereichen Stillstand herrsche. Konkret spricht Rosa Logar die Defizite auf dem Gebiet geschlechtsspezifischer Daten an. Dieser Mangel wurde bereits im letzten Bericht der UN-Kommission zur Eliminierung von Gewalt an Frauen aufgezeigt und macht auch Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern und Beratungsstellen das Leben schwer. Diese müssen sich bei ihrer Arbeit auf Schätzungen verlassen, weil seit Jahren eine repräsentative Studie fehlt, die Auskunft geben kann, wie viele Frauen hierzulande von Misshandlungen betroffen sind. Auch hier hat der Europarat wieder einmal die Nase vorn: Mit einer groß angelegten Erhebung unter der Ägide der deutschen Soziologie-Professorin Carol Hagemann-White liefert der Staatenbund einen Überblick über die Situation auf dem Gebiet der Gewaltprävention in den einzelnen Ländern. Übrigens kann dort auch eingesehen werden, wie die Mitglieds-Staaten einen Fragebogen zum Thema Gewaltprävention beantwortet haben. Die Studie ist ebenfalls über die Internetseite zur Kampagne erhältlich. Dort stößt die Userin auch auf den Slogan „It starts with screams and must never end in silence.“ Gar nicht sperrig. Im Gegenteil. ❚
Frauenhelpline gegen Männergewalt: 0800/222 555 WAVE Women Against Violence Europe: www.wave-network.org Europarat-Kampagne: www.coe.int/t/dg2/equality/ DOMESTICVIOLENCECAMPAIGN/ default_EN.asp
Frauenhelpline. Bei den AÖF konzentriert sich im Rahmen der Kampagnen-Aktivitäten alles auf eine weitere Einrichtung des Frauenhäuser-Netzes: Die Frauenhelpline gegen Männergewalt 0800/222 555. Schließlich steht in den Dokumenten des Europarates, dass jedes Land über eine nationale Notrufnummer für Opfer von Männergewalt verfügen sollte. Diesen direkten Draht für Frauen und Kinder in Not gibt es hierzulande bereits seit 1999: Wer die kostenlose Nummer wählt, bekommt rund um die Uhr Rat und Hilfe. Diese telefonische Beratungsstelle solle laut Maria Rösslhumer, die auch Helpline-Koordinatorin ist, im ganzen Land bekannt gemacht werden.„Die Nummer 0800/222 555 muss in jedem Haushalt für Notfälle aufliegen“, erklärt sie. Damit trifft sie punktgenau die Forderungen des Europarates. Dieser verlangt nicht nur, dass in jedem Land eine 24-Stunden-Telefonberatung vorhanden ist. Mittels flächendeckender Verbreitung der Nummer soll zudem verstärkt Bewusstseinsbildung für die Problematik von Gewalt an Frauen gemacht werden.
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Fo t o : A r c h i v
frankreichpräsidentinnenschaft
Alles über Ségolène Ein Porträt der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin von Doris Engel Ségolène Royal ist die Kandidatin der sozialistischen Partei (PS) bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2007. Zwei Aspekte dieser Kandidatur sind besonders hervorzuheben: Royal ist es gelungen, sich ohne die Unterstützung einer „Strömung“ durchzusetzen, obwohl die PS seit ihrer Gründung auf solchen so genannten „courants“ beruht. Ihre Stärke verdankt sie nicht der Partei, sondern der Unterstützung durch die öffentliche Meinung, vielen SympathisantInnen und neuen Mitgliedern. 10 an.schlägedezember 2006 jänner 2007
Royal wirkt wie eine Quereinsteigerin, die sich von den „Elefanten“, den Uraltparteigrößen, absetzt – und das, obwohl sie selbst ihre ganze Karriere im Schoße der Partei durchlaufen hat: zunächst 1983 als Beraterin von Mitterand im Elysée-Palast, dann ab 1988 als Abgeordnete, später als Ministerin und schließlich ab 2004 als Präsidentin der Region Poitou-Charentes. Das ist durchaus eine Laufbahn, die eines „Elefanten“ würdig ist, was bei Royals Kandidatur für den Elysée – von Le Monde als Staatsstreich bezeichnet – aber verges-
sen wird. Wer also ist Ségolène Royal? Wie sah ihre Laufbahn aus und wie ist sie dazu gekommen, das höchste Amt im Staat anzustreben? Karriere. Ségolène Royal wird 1953 in Dakar geboren, wo ihr Vater als Berufsoffizier stationiert war. Sie ist die vierte Tochter von acht Kindern. Ihre Persönlichkeit entwickelt sich in Abgrenzung zu ihrem Vater, der in Indochina gekämpft hat, Wähler der extremen Rechten und glühender Katholik ist. In seinen Augen braucht eine Tochter nicht
präsidentinnenschaftfrankreich zu studieren, sie soll vor allem Familienmutter werden. Als sich die Eltern trennen, führt Royal gegen ihn einen Prozess, damit er ihr Studium finanziert. Als glänzende Studentin tritt sie 1980 in die Ecole normale d`administration (ENA) ein, die hohe FunktionärInnen aus Verwaltung und Politik heranbildet. Ihre Fürsprecher sind François Hollande und Dominique de Villepin, derzeitiger Ministerpräsident. Seit dieser Zeit leben Royal und Hollande zusammen, heiraten aber nicht. Sicherlich aus grund– sätzlichen Überlegungen, aber vielleicht auch, weil Royal denkt, dass es in Frankreich besser ist, Royal zu heißen als Hollande, selbst wenn Frankreich eine Republik ist. Royal und Hollande haben vier Kinder und sie leisten zusammen Parteiarbeit – auch hier bricht Royal mit familiären Traditionen. Mit der Wahl von François Mitterand bei der Präsidentschaftswahl 1981 eröffnen sich für die jungen SozialistInnen (les bébés Mitterand) Karrierechancen. Ségolène Royal wird 1983 Abteilungsleiterin der Präsidentschaftskanzlei. 1988 folgt ihr erstes parlamentarisches Amt: Die sozialistische Partei stellt ihrer Parole entsprechend die Frauen bei den Wahlen in den Vordergrund. Royal wird im Wahlkreis Deux Sevres mit 50,6 Prozent der Stimmen gewählt und behält dieses Mandat ohne Unterbrechung. Nach der Wiederwahl von Mitterand 1988 wird Royal von 1992 bis 1993 Umweltministerin, ihr viertes Kind, eine Tochter, wird während dieser Periode geboren. Dann ist sie von 1997 bis 2000 Unterrichtsministerin und schließlich von 2000 bis 2002 Familienministerin. Royal nimmt Stellung gegen Gewalt in der Schule, gegen schikanöse Initiationsrituale an Eliteschulen. Sie versucht, der Stimme des Kindes in Misshandlungsfällen und nach sexuellem Missbrauch mehr Gewicht zu verleihen, führt den Vaterschaftsurlaub ein und lässt die „Pille danach“ in Schulen verteilen. 2004 folgt ein wichtiger persönlicher Erfolg: Ihre Wahl zur Vorsitzenden des Regionalrates von Poitou-Charentes, bei der sie sich gegen Jean Pierre Raffarin durchsetzt. Dieser Sieg wird aber angesichts des allgemeinen sozia-
listischen Erfolges bei allen Lokalwahlen vergessen und Royals Ankündigung, bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren zu wollen, schlägt ein wie der Blitz. Kandidatur. Alle sind von der Kandidatur Royals überrascht, vor allem die „Elefanten” der PS, wie etwa François Hollande, der an die Popularität seiner Lebensgefährtin nicht heranreicht, Dominique Strauss-Kahn, Laurent Fabius, Jack Lang, Martine Aubry und Lionel Jospin. Frauenfeindliche Kommentare machen die Runde: „Präsidentschaftswahlen sind kein Schönheitswettbewerb“, sagt Jean Luc Melenchon und Laurent Fabius fragt: „Wer wird dann die Kinder hüten?“ Diese Reaktionen bestärken Royal in ihrem Entschluss, vermehren die Unterstützung durch ihre ParteigängerInnen und ihre Popularität in den Medien. Immer mehr Artikel erscheinen: in Frauenblättern, in Klatschspalten, aber auch in der Presse ganz allgemein. Royal wagt es, sich in ihrer Kampagne direkt an das französische Volk zu wenden und den sozialistischen Parteiapparat außen vor zu lassen, obwohl der oder die KandidatIn der PS von den Parteimitgliedern bestimmt wird.
Konkurrenz. Royals Erscheinen auf der politischen Bühne macht ihren Akteuren einen Strich durch die Rechnung. Drei KandidatInnen gab es: Ségolène Royal, Dominique Strauss-Kahn und Laurent Fabius, die sich alle drei auf das im Juni 2006 einstimmig angenommene Parteiprogramm stützen müssen. Fabius repräsentiert den linken Flügel der sozialistischen Partei und betont die sozialen Aspekte des Parteiprogramms (z. B. die Erhöhung des Mindesteinkommens), während Strauss-Kahn für eine wirtschaftsliberale Sozialdemokratie plädiert. Royal, die zuletzt auch mit konservativen Positionen aufgefallen ist, inszeniert sich hingegen als Pragmatikerin, nahe an den Bedürfnissen des kleinen Mannes und als Familienmutter.
Königin? Seit dem 16. November steht fest: Ségolène Royal wird die Präsidenschaftskandidatin der sozialistischen Partei. Aber wird sie auch den Kandidaten der Rechten, der aller Wahrscheinlichkeit nach Nicolas Sarkozy sein wird, schlagen können? Es ist unmöglich, das heute zu sagen. Noch ist es möglich, auf einen zweiten Durchgang Sarkozy-Royal zu wetten. Denn es scheint nicht ausgeschlossen, dass Le Pen auch diesmal wieder die zweite Runde erreicht. Vielleicht wird Ségolène Royal von der Welle Kampagne. Anfang 2006 zählt die soziali- der „Feminisierung” der Weltpolitik getragen. Nach Angela Merkel in Deutschstische Partei 200.000 Mitglieder, die land, Michelle Bachelet in Chile (Royal oft schon seit langem eingeschrieben und in Sektionen nach ihrem Wohnsitz war dort, um sie zu unterstützen) und vielleicht vor Hillary Clinton in den gegliedert sind. Um die Mitgliederzahl USA? drastisch zu erhöhen, propagiert die Seit langem schon bringen französiPartei nun den Beitritt via Internet mit sche Frauen Berufsleben und Familieneinem einheitlichen Mitgliedsbeitrag leben unter einen Hut. Sie sind voll invon 20,- Euro. Das Ganze ist ein großer tegriert im Arbeitsalltag, aber in MachtErfolg: 80.000 neue Mitglieder schreiben sich so ein. Sie tun dies, um an einer positionen stark unterrepräsentiert. Ségolène Royal ist in dieser Hinsicht historisch wichtigen Wahl teilzunehein Vorbild, ebenso wie François men. Aber wen werden sie wählen? Hollande, der den außergewöhnlichen Royal stellt ihr UnterstützungskoAufstieg seiner Gefährtin akzeptiert mitee „Zukunftssehnsucht“ (Desir und begleitet hat, obwohl man ihm sod`avenir) auf ihrer Homepage vor, die gar vorgeworfen hat, nicht besser aufdurch Spenden ihrer SympathisantIngepasst zu haben. Deshalb sind die nen finanziert wird. In ganz Frankreich AnhängerInnen von Ségolène Royal vervielfachen sich diese Komitees, die sich aus Parteimitgliedern und persönli- Männer wie Frauen – ihre GegnerInchen AnhängerInnen zusammensetzen nen übrigens auch. Über ihre Kandida– bis heute sind es 500. Sie nennen sich tur hinaus lebt Royal ein neues Modell von PartnerInnenschaft, Familie und Segolénianer – schließlich kann man ❚ sich als SozialistIn nicht als „RoyalistIn“ Gesellschaft vor. bezeichnen … Aus dem Französischen von Thomas Leitner dezember 2006 jänner 2007an.schläge 11
Fo t o : A r c h i v
internationalan.riss terhalt eingereicht. Viele der (jungen) Frauen können nicht lesen und schreiben und sind deshalb vor Gericht machtlos gegen rechtswidrige Verfahren. Immer wieder flüchten Frauen ins Gefängnis, um nicht verkauft oder getötet zu werden, dort sind sie aber ebenso Gewalt und Demütigungen ausgesetzt und können nicht über ihr Schicksal bestimmen. Das Frauenhaus in Karachi organisiert auch Gender-Workshops zur Sensibilisierung von Exekutivbeamten. Es ist den Betreiberinnen an einer guten Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz gelegen, denn es gilt, das mittlerweile national und international verbriefe Recht auf Unversehrtheit einzufordern, damit es sich früher oder später auch gegen Sharia und blutiges Gewohnheitsrecht durchsetzen kann. besu www.amnesty.at/frauenrechte/cont/laenderthemen/pakistan1.html, www.amnesty.at/frauenrechte/cont/ laenderthemen/pakistan/ausstellung/intro.html
jerusalem
Regenbogenparade: Polizei überfordert
pakistan
ai-Auktion für Frauenhaus Vor vier Jahren öffnete das erste Frauenhaus in Pakistan seine Tore. Die Zusammenarbeit verschiedener Frauenrechtsorganisationen, u.a. mit Amnesty International (ai), machte es möglich. Die Arbeit konzentriert sich dabei auf Unterstützung der Betroffenen bei Gewalt in der Familie, bei Flucht vor Ehrenmorden und Zwangsprostitution. Da öffentliche Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden, versucht man mit Hilfe von Spenden den Betrieb aufrecht zu erhalten. „Noch schwieriger als die finanziellen Sorgen ist die Herausforderung, betroffene Mädchen und Frauen überhaupt zu erreichen, sie über ihre Rechte aufzuklären und zu gewährleisten, dass sie den Weg in ein Frauenhaus finden“, erläutert Ulrike Wieländer von ai Österreich. Da ai das Projekt abgeschlossen hat, versucht man nun, mit einzelnen Aktionen Spenden zu vermitteln. Eine solche Aktion läuft zurzeit in Österreich. Die pakistanische Künstlerin Nahid Raza stellt einige ihrer Werke für eine Auktion zur Verfügung, deren Erlös dem Frauenhaus Panah zur weiteren Existenzsicherung dienen soll. Das Haus Panah ist das einzige in der 12-Millionen Metropole Karachi, jährlich finden dort rund hundert Frauen und Mädchen nicht nur Unterkunft und Verpflegung, Schutz und persönliche Anteilnahme, sondern auch Beratung und Hilfe in Rechtsfragen und Verfahrensangelegenheiten. Sie werden dabei unterstützt, einen Job zu finden und, was noch wichtiger ist, bei Bedarf rechtliche Schritte zu setzen. 2004 wurden 23 Scheidungen und 17 Verfahren für Sorgerecht oder Un12 an.schlägedezember 2006 jänner 2007
Rund 2.000 Lesben und Schwule mussten aus Sicherheitsgründen ihre „Gava 2006“ im Sportstadion von Jerusalem feiern. Auf offener Straße wäre die Exekutive damit überfordert gewesen, so die offizielle Begründung der Stadtregierung. Zahlreiche Demonstrationen und gewaltsame Zusammenstöße mit der Polizei lieferten sich auch diesmal radikale GegnerInnen im Vorfeld der Parade. Am 10. November waren 3.000 PolizistInnen im Einsatz, um die Sicherheit zu gewährleisten. Offensichtlich sollten auch die Jerusalemer BürgerInnen vor dem bunten Treiben geschützt werden, schließlich hatten sich Würdenträger der MuslimInnen, ChristInnen und JüdInnen darauf geeinigt, sich gegen die Parade auszusprechen. „Diese schreckliche Erscheinung“, so Schlomo Amar (Israels sephardischer Oberrabbiner), veranlasste denselben sogar, den Papst um Hilfe zu bitten. Im Gegensatz zum heißen Pflaster Jerusalems feiern in Tel Aviv Lesben und Schwule schon seit zehn Jahren regelmäßig und meist ungestört ihre Paraden. besu www.hagalil.com, http://glbt-news.israel-live.de/israel/world-pride.htm
un–behindertenkonvention
Frauen gesondert erwähnt In der neuen UN-Behindertenkonvention wird der besondere Schutzbedarf von Frauen mit Behinderung festgehalten. Dadurch ist nun erstmals international anerkannt, dass behinderte Frauen und Mädchen einer mehrfachen Diskriminierung ausgesetzt sind und daher auch spezieller Unterstützung bedürfen. Vor allem in Artikel sechs des Textes wird darauf hingewiesen, dass auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der beiden Geschlechter Rücksicht genommen werden müsse, um zu garantieren, dass beide die gleichen Chancen besitzen, alle Grundrechte und -freiheiten wahrzunehmen. Die UN-Konvention wurde diesen Sommer in New York verhandelt und wird noch dieses Jahr von der UNO-Vollversammlung abgesegnet. Die neue Schutzkonvention für behinderte Menschen soll ein deutliches Zeichen für die Rechte von Frauen und Männern mit Behinderungen setzen und stellt deren Rechte neben bereits bestehende Menschenrechtskonventionen. trude Der vollständige Text der UN-Behindertenkonvention ist zu finden unter: www.un.org/esa/socdev/enable/
an.rissinternational wenige Ausnahmen – so etwa drohende Lebensgefahr für die werdende Mutter – quasi völlig verbieten sollte, zur Abstimmung gebracht. Eine Mehrheit von 55 Prozent lehnte das Verbot ab. Hintergrund des drastischen Beschlusses war der Versuch konservativer PolitikerInnen, das seit 1973 gültige Bundesgesetz, das Abtreibung legalisiert, ins Wanken zu bringen. Nun wird sich der US-Supreme Court wieder mit dem Thema befassen. besu www.usa.de/InfoCenter/PolitikundGesellschaft/index-a-71.html, www.thegreenpapers.com, www.democrats.org/index.html, www.senate.gov, www.pollingreport.com/2006.htm
usa eu
Aufwind für DemokratInnen
Fo t o : A r c h i v
„Wir verdanken es ihr, wenn die demokratische Partei heute geeinter dasteht als je!“ streut Kendrick Meek seiner Parteikollegin Nancy Patricia D’Alesandro Pelosi Rosen. Als „Speaker of the House“ wird die 66-Jährige das dritthöchste Amt nach Präsident und Vize-Präsident einnehmen. Die in Baltimore geborene Demokratin ist entschiedene Gegnerin der US-amerikanischen Irakpolitik und gehört dem linken Flügel ihrer Partei an. Seit knapp zwanzig Jahren ist die fünffache Mutter Kongressabgeordnete und vertritt progressive Themen, stimmt für liberale Abtreibungsgesetze und mehr Umweltschutz. Dies honoriert ihre linke Wählerklientel in San Francisco, wo sie seit der Heirat mit dem Geschäftsmann Paul Pelosi lebt. Die Kongresswahlen in den USA brachten der demokratischen Partei aber nicht nur gewichtige Ämter, sondern auch die Mehrheit im Kongress und Senat und damit erstmals seit 1994 die Kontrolle in beiden Parlamentskammern. Gleichzeitig fanden in 37 Staaten Referenden zu Fragen wie Legalisierung von Marihuana, Homo-Ehe und Abtreibung statt. In acht Staaten wurde darüber abgestimmt, ob der Begriff „Ehe“ nur für ein Bündnis zwischen einer Frau und einem Mann gelten sollte oder nicht. ExpertInnen bescheinigen insgesamt positive Ergebnisse für demokratische Anliegen wie die Homo-Ehe, was aber noch nicht bedeutet, diesbezüglich auch einen bundesweiten Gesetzesbeschluss zu erreichen. Besonders spannend wurde es in South Dakota: Dort wurde ein vor einem halben Jahr verabschiedetes Gesetz, das Abtreibung bis auf
Migrantinnen gestärkt Das Europaparlament hat die Verbesserung der Integration von Mädchen und Frauen mit migrantischem Hintergrund gefordert. 54 Prozent der MigrantInnen sind weiblich. Die EU-Einwanderungspolitik hätte deren Situation „bedauerlicherweise komplett unter den Tisch fallen lassen“, meint die deutsche EU-Abgeordnete Hiltrud Beyer (Bündnis 90/Die Grünen). Die EU-Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, verpflichtende Sprachkurse für Mädchen und Frauen einzuführen und dafür zu sorgen, dass die Schulpflicht auch bei Schülerinnen durchgesetzt wird. Dabei zielt das Parlament auf die Probleme, die entstehen, wenn Mädchen wegen religiöser oder kultureller Gründe durch ihre Erziehungsberechtigen vom Unterricht entschuldigt werden. Bildung sei ein unerlässliches Element, um den Migrantinnen die Eingliederung zu erleichtern, heißt es in einer Aussendung des EU-Parlaments. Besonders kritisiert wurde die stille Duldung von Vielehen in manchen EU-Staaten, die dem europaweiten Polygamieverbot widerspricht. Das europäische Parlament fordert gleichzeitig die EU-Kommission und alle Mitgliedsstaaten auf, die entschiedene Handhabung dieses Gesetzes zu veranlassen und gegebenenfalls strengere Strafen zu diskutieren. Migrantinnen haben trotz dieses Vorstoßes meistens weiterhin keinen eigenständigen Aufenthaltsstatus und damit kein Recht auf Aufenthalt, weil sie als Angehörige vom Status des Mannes/Vaters abhängig sind. besu www.europarl.europa.eu/activities/expert/ta.do?language=EN
wyber.space
firststory.net
Laut Eigenbeschreibung handelt es sich bei „Firststory - Women Building/New Narratives for the 21st Century …“ um ein interdisziplinäres Projekt von Frauen, die in den verschiedensten künstlerischen und kulturellen Feldern tätig sind. Die Plattform „firststory.net“ soll hierbei als virtuelle Struktur dienen, die es den Frauen ermöglichen soll, globale Netzwerke zu schaffen, Beziehungen zu knüpfen und vom gegenseitigen Austausch zu profitieren. Die angestrebte inhaltliche Funktion der Website ist prinzipiell sehr lobenswert, doch die Realisierung dieser Intention ist enttäuschend, bestehen die einzelnen Rubriken doch nur aus Linksammlungen. Abgesehen von dieser dürftigen inhaltlichen Ebene kann leider auch das Layout nicht beeindrucken. Die Kunst und Kultur-Seite glänzt entgegen der Erwartung nicht mit einem innovativen und kreativen Layout, was sich leider auch in einem unübersichtlichen und unklaren Aufbau der Seiten widerspiegelt. pix
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frauenvenezuela
Fo t o : Ka t h r i n N i e d e r m o s e r
Chávez und die Frauen Mit Sozialprogrammen, anti-imperialistischer Rhetorik und Revolutionsromantik ist Hugo Chávez zur neuen Kultfigur der Linken geworden. Doch wie sieht die Lebensrealität von Frauen in Venezuela aus? Von Kathrin Niedermoser Mit dem Wahlsieg von Hugo Chávez 1998 begann in Venezuela der „bolivarianische Prozess“, dessen Ziel es sein soll, grundlegende gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Weder der von der alten Oligarchie und der USBotschaft organisierte Putschversuch im April 2002 oder die Sabotageaktionen in der Erdölindustrie 2002/2003, noch das Abwahlreferendum 2004 konnten den Aufstieg von Chávez bremsen. Laut Umfragen für die Wahlen am 3. Dezember hat er sechzig Prozent der WählerInnen hinter sich. Mit Sozialprogrammen (Misiónes) stillte Chávez die dringendsten Bedürfnisse der armen Bevölkerungsschichten 14 an.schlägedezember 2006 jänner 2007
in Venezuela und konnte sich damit auch ihre Unterstützung sichern. Ärztliche Unterstützung aus Kuba ist ebenso Bestandteil der Misiónes wie Alphabetisierungs- und Bildungsprogramme sowie die Sicherstellung und der Ausbau der Nahversorgung. Als Meilenstein gilt die neue Verfassung der V. Republik, die sowohl Ergebnis als auch Grundlage des „bolivarianischen Prozesses“ ist. Demnach soll mittels „endogener Entwicklung“ und „partizipativ-demokratischer Strukturen“ der Weg zu gesellschaftlicher Veränderung geebnet werden. Sehr oft ist die Rede davon, dass „der Prozess“ von Frauen getragen wird. Die geschlechtsneutral formulierte Ver-
fassung wird dabei ebenso genannt wie INAMUJER, das Nationale Fraueninstitut. Ein Projekt von INAMUJER ist die Frauenbank BANMUJER, die Mikrokredite zu geringen Zinsen vergibt und damit die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen fördert. In diesem Jahr wurde die Misión „Madres del Barrio“ (Mütter der Armenviertel) gegründet, ein Programm zur Förderung von Hausfrauen in den Armenvierteln der Großstädte. Arbeit. Doch die Lebensrealität von Frauen in Venezuela ist hart. Zwischen informeller Arbeit, Gewalt, Sexismus, Homophobie und kapitalistischen Arbeitsbedingungen scheinen sich die tradierten
venezuelafrauen Geschlechterverhältnisse nicht aufzulösen, sondern zu verfestigen. „Wir haben in Venezuela Institute und Verfassungsartikel für Frauen, aber all diese Dinge gelten für uns hier nicht“, erzählt Raissy T., eine Straßenverkäuferin aus Caracas. Sie steht bis zu zehn Stunden vor einer Mautstelle und verkauft Kaffee; ihre zwei Kinder muss sie zur Arbeit mitbringen, seit ihre Mutter gestorben ist. Vilma A. ist Gewerkschafterin der Textilfabrik Gotcha in der Nähe von Maracay. „Wir haben dasselbe Problem wie alle Arbeiterinnen auf der ganzen Welt. Wir sind jene, die am meisten unterdrückt und ausgebeutet werden.“ 67 Frauen zwischen 17 und 67 Jahren arbeiten hier als Näherinnen. Auf die Frage, ob wir fotografieren dürfen, antwortet Vilma A.: „Wir dürfen hier alles und wir dürfen noch viel mehr, wenn uns die Fabrik endlich gehört.“ Die Arbeiterinnen im ersten Stock tragen blaue, die im zweiten Stock gelbe T-Shirts. Damit ist für den Geschäftsführer sofort ersichtlich, wenn eine von ihnen nicht an ihrem Arbeitsplatz ist. 2005 versuchte die Unternehmensführung, die Arbeiterinnen in eine Kooperative zu zwingen. Akkordarbeit und damit eine Bezahlung unter dem Mindestlohn sowie das Wegfallen von Sozialversicherung und anderen sozialen Leistungen wären die Konsequenz gewesen. „Die eigentliche Idee der Kooperativen war es, die Partizipation und Mitbestimmung von ArbeiterInnen zu ermöglichen, doch es kommt immer häufiger vor, dass UnternehmerInnen Kooperativen gründen, um sich Kosten zu sparen“, erklärt uns Vilma A. Am 7. März 2006 traten die Arbeiterinnen in einen Streik und besetzten die Fabrik. Nach vier Monaten gab es eine Einigung mit der Unternehmensführung. Die Frauen erhalten nun einen Mindestlohn und die Lohnausfälle während des Arbeitskampfes wurden fast vollständig nachbezahlt. Eines der größten Probleme in dieser Zeit war die Betreuung der Kinder, erzählen die Frauen. Kinderbetreuungseinrichtungen sind in Venezuela eine Seltenheit. Zwar sieht das Arbeitsrecht vor, dass der/die ArbeitgeberIn für Kinderbetreuungseinrichtungen Sorge zu tragen hat. Es besteht jedoch auch
die Möglichkeit, sich mit einer monatlichen Zahlung von 200.000 Bolívares (30,- Euro) an die Beschäftigten von dieser Verpflichtung freizukaufen. „Für dieses Geld kriegt man einen Aufbewahrungs-, aber ganz sicher keinen guten Betreuungsplatz“, sagt eine Arbeiterin. Armut. Nach Angaben von INAMUJER leben siebzig Prozent der Frauen in Venezuela in Armut. Der Arbeitsmarkt weist eine starke Segregation auf. Die Anzahl jener Frauen, die im informellen Sektor beschäftigt sind, hat sich laut Nationalem Statistikinstitut zwischen 1995 und 2003 fast verdoppelt. Unregelmäßiges Einkommen, keine Sozialversicherung und der harte Alltag auf der Straße bestimmen ihre Lebensrealität mehr als das Bild der „glücklichen“ Hausfrau und Mutter. Bis dato zeichnen sich keine Maßnahmen ab, die diesen Arbeiterinnen soziale Absicherung garantieren. Und noch weniger zeichnet sich die Schaffung von sicheren Arbeitsplätzen ab. Auch ein Bruch mit geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung und den damit verbundenen tradierten Geschlechterrollen hat bislang nicht stattgefunden: Artikel 88 der venezolanischen Verfassung „erkennt die Hausarbeit als eine Wirtschaftstätigkeit an, die Mehrwert erzeugt und Werte sowie sozialen Wohlstand schafft. Hausfrauen haben entsprechend der gesetzlichen Regelungen das Recht auf soziale Absicherung.“ Dieser oft als „revolutionär“ bezeichnete Artikel der Verfassung macht zwar die unbezahlte Arbeit von Frauen sichtbar, verfestigt jedoch gleichzeitig auch ihre Rolle als Hausfrau und Mutter. Nora R. – Aktivistin einer autonomen Frauengruppe in Caracas – findet das problematisch, weil es ihrer Meinung nach nur eine kleine Elite von Frauen gibt, die nicht arbeiten gehen müssen. „Arbeiterinnen sind meist Hausfrau, Mutter und gleichzeitig vollkommen rechtlos in informellen Beschäftigungsverhältnissen.“ Abtreibung. Frauen werden in ihrer Identität als Hausfrau und Mutter wahrgenommen und gestärkt. Vor diesem Hintergrund scheint es auch nicht verwun-
derlich, dass Abtreibung in Venezuela immer noch illegal ist. Versuche, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden, sind bis heute am mangelnden politischen Willen der chavistischen Nationalversammlung gescheitert. „Wöchentlich sterben vier Frauen an illegalen Abtreibungen; die meisten Frauen verwenden dazu Kleiderhaken“, erzählt Nora R. Abtreibung wird nach wie vor als Verbrechen gesehen. Wie so vieles ist es außerdem eine Geldfrage: Eine „illegale“ Abtreibung bei einem Arzt kostet bis zum zweiten Monat rund vierhundert Euro, die Pille für ein Monat rund 13,- Euro und ein Kondom einen Euro – bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 186,- Euro ein „Luxus“, den sich nicht viele Frauen leisten können. Nora R. erläutert weiter, dass Verhütung nach wie vor ein Tabuthema ist. „Es gibt keine Kampagnen, die Verhütung enttabuisieren. Frauen auf dem Land, die sich Kondome kaufen, werden als Huren beschimpft.“ Gewalt. Ein weiteres Problem, für das es nach wie vor keine Lösung gibt, ist Gewalt im sozialen Nahraum. Physische und psychische Misshandlung, Vergewaltigung und Mord sind in vielen venezolanischen Familien Alltag. Nach Angaben des venezolanischen Frauennotrufs 0800-mujeres gaben im Jahr 2005 über 92 Prozent der Anruferinnen an, dass die Täter aus der eigenen Familie kommen. Ein bereits verabschiedetes Gesetz gegen häusliche Gewalt wurde auf Antrag des regierungsnahen Oberstaatsanwalts Isías Rodríguez vom Obersten Gerichtshof aufgehoben. Hinzu kommt die immer und überall präsente Gewalt auf der Straße, die dazu führt, dass viele Frauen kaum alleine außer Haus gehen. Die letzten acht Jahre unter der Regierung von Hugo Chávez haben Venezuela ohne Zweifel verändert. Die Grundfesten der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft sind jedoch intakt geblieben. Der „bolivarianische Prozess“ wird nicht zuletzt an seinen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von Frauen gemessen werden müssen. Bis jetzt sieht die Bilanz jedoch nicht gut aus, denn es scheint, dass „der Prozess“ auf dem Rücken der Frauen ausgetragen wird. ❚
Links: www.ine.gov.ve www.inamujer.gov.ve www.globalwomenstrike.net
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themaalkoholfrauen
Fo t o : L e a S u s e m i c h e l
Einige 24 Stunden Alkoholismus und Frauen: Ist Sucht geschlechtsspezifisch? Von Mirjam Bromundt und Bettina Enzenhofer
1 Wlassak, Grundriß der Alkoholfrage 1929 in Karl, Rudolf: Zur Entstehung der Trunksucht bei Frauen 1938
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„Über die Trinkerin ist wenig Kennzeichnendes bekannt … Es ist ungemein schwer, über das Innenleben der Trinkerin ein halbwegs zureichendes Bild zu gewinnen … Die Trinkerin setzt dem Versuche, sie auszufragen, in der Regel ein starres Ableugnen entgegen … Unter diesen Umständen ist eine klinische Schilderung der Trinkerin unmöglich.“1 Bilder von alkoholsüchtigen Frauen gibt es heute; Untersuchungen zu spezifischen Ursachen, Verläufen und Therapien dieser Krankheit werden zunehmend unter dem Geschlechteraspekt betrieben. Weibliche Suchtmittelabhängigkeit wurde lange nicht für möglich gehalten, da Frauen generell ein eher gesundheitsbewusster Lebensstil zuge-
schrieben wurde. Zudem werden Suchtsysteme durch fehlendes Problembewusstsein in unserer Gesellschaft stabilisiert und Rollenbilder von männlichem und weiblichem Alkoholkonsum durch geübte Toleranz gegenüber Abhängigkeiten gefördert. Fakten. In Österreich gibt es etwa 330.000 AlkoholikerInnen, mehr Männer als Frauen. Rund zehn Prozent der Neugeborenen werden im Laufe ihres Lebens irgendwann chronische AlkoholikerInnen; der gleiche Prozentsatz ist es auch, der die Hälfte des in Österreich ausgeschenkten Alkohols konsumiert. Die Zahl der Frauen steigt dabei kontinuierlich – das Verhältnis trinkender Männer zu trinkenden Frauen hat sich
im vergangenen Jahrzehnt von 4:1 auf 3:1 verschoben. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt die Harmlosigkeitsgrenze bei einem täglichen Alkoholkonsum von 16 Gramm reinem Alkohol (etwa 0,5 Liter Bier) bei Frauen oder 24 Gramm reinem Alkohol (etwa 0,75 Liter Bier) bei Männern; die Gefährdungsgrenze bei sechzig Gramm für Männer und vierzig Gramm für Frauen. Ab wann das Trinken als krankhaft beurteilt werden kann, ist aber individuell – je nach psychischen und physischen Gegebenheiten – unterschiedlich. „Alkoholismus ist eine chronische Krankheit mit genetischen, psychosozialen und umgebungsbedingten Faktoren, die seine Entwicklung und seine
frauenalkoholthema Ausprägungsformen beeinflussen. Die Krankheit verläuft häufig progressiv und tödlich. Sie ist gekennzeichnet durch Kontrollverlust über das Trinken, durch Zentrierung des Denkens auf die Droge Alkohol, durch Konsum trotz nachteiliger Folgen sowie durch Denkverzerrung und vor allem Leugnung. Jedes dieser Symptome kann fortwährend oder zeitweilig auftreten.”2 Gerda3 ist Mitte fünfzig und „seit einigen 24 Stunden“ trockene Alkoholikerin. Für sie ist niemand AlkoholikerIn, solange er/sie sich nicht selbst so bezeichnet. „Ich schau aber nie zu, sondern versuche, den Leuten Alternativen zu zeigen. Ich sage ihnen: Ich gehe zu den Anonymen Alkoholikern (AA).“ Die Gründe für ihre eigene Sucht zu erforschen, war Gerda nie wichtig. Für die AA geht es vorrangig darum, vom Alkohol loszukommen, für die nächsten 24 Stunden „das erste Glas“ stehen zu lassen. In der Medizin ist man bemüht, Ursachen der Alkoholsucht zu erkennen, um angemessene Therapiemaßnahmen erarbeiten zu können: „Süchtigkeit lässt sich nie durch einen einzigen Grund erklären, es spielen immer eine Reihe von Faktoren zusammen, vor allem Veranlagung (Disposition), Erziehungseinflüsse, Belastungsfaktoren, Primär- und Sekundärmilieu sowie Verfügbarkeit der Drogen“, sagt Dr. Reinhard Haller, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und seit zwanzig Jahren ärztlicher Leiter des Vorarlberger Behandlungszentrums für Suchtkranke. Weiters spielt das Vorbild der Eltern eine wichtige Rolle: Kinder aus Familien, in denen getrunken wird, sind stärker gefährdet als andere, ihr Suchtrisiko ist ungefähr achtmal so hoch. Vernachlässigung in der Kindheit und sexueller Missbrauch werden als weitere Risikofaktoren angeführt. Frauen. Die besondere Situation alkoholsüchtiger Frauen ergibt sich aus mehreren Faktoren. Der Einstieg in die Krankheit ist unterschiedlich: Während Männer eher im Wirtshaus größere Mengen an Alkohol trinken, leben Frauen ihre Sucht meist heimlich zu Hause aus. Alkoholikerinnen sind im Gegensatz zu Alkoholikern für die Gesellschaft meist unsichtbar. Dies erschwert Hilfestel-
lung, da die Sucht der Frauen erst spät entdeckt wird und somit eine Therapie erst später begonnen werden kann. Es sind vor allem gesundheitliche und soziale Schwierigkeiten, die Alkoholikerinnen dazu bewegen, etwas gegen ihre Sucht zu tun. Gerda erkannte lange nicht, dass sie abhängig ist. „Wenn du süchtig bist, ist dir alles egal. Mir war meine Ehe egal, die Kinder, der Job, alles. Ich will Alkohol, was anderes denkst du nicht.“ Zu den AA ist sie dem Sohn zuliebe gegangen. „‚Bring deinen Hintern her, der Geist hängt schon hinten nach’, hat er gesagt. Es ist für mich heute noch ein Wunder, ein Geschenk, dass ich aufhören durfte. Ich bin aber immer noch Alkoholikerin, von der Sucht geheilt bist du nie. In der Früh steh ich auf und denk mir: Ich will für 24 Stunden trocken bleiben.“ „Ein besonderes Risiko weisen überlastete Frauen auf, aber auch solche, die plötzlich das Gefühl haben, nicht mehr gebraucht zu sein und keine Aufgabe für sich zu haben. Besonders riskant sind auch hormonelle Umbruchssphasen, etwa die Tage vor der Menstruation, die Pubertät oder das Klimakterium. Frauen verwenden die Suchtmittel vor allem als Psychopharmaka, d. h. zur Entspannung, zur Angst- und Depressionslösung, zur Stimmungsverbesserung etc.“, beschreibt Haller die frauenspezifischen Merkmale des Einstiegs und der Sucht. Wie bei den meisten fing bei Gerda die Sucht schleichend an:„Es hat begonnen, da hab ich getrunken, um schneller einschlafen zu können. Erst war das ein Stamperl, dann ein immer größeres Stamperl, dann ein Glas, dann hab ich den ganzen Tag lang getrunken. Wenn du danach suchst, wirst du immer einen Grund zu trinken finden. Ein Alkoholiker hat sieben Gründe: Montag, Dienstag, Mittwoch … [lacht] Bei anderen ist’ s so, dass sie mit sich selbst nicht zu Recht kommen. Dann fanden sie den Alkohol und waren schlagartig schön, klug, begehrt. Sie waren mit Alkohol etwas, das sie vorher nicht waren. Sie kommen aus ihrer Haut.“ Für Gerda waren die AA die beste Therapie. „Beim Therapeuten schiebst du die Verantwortung von dir weg, bei den AA bist du für dich selbst verant-
wortlich, du kannst dir nur selbst helfen.“ Es gibt aber noch andere Möglichkeiten der Entwöhnung: Im Zentrum ambulanter oder stationärer Therapie steht das Wiedererlernen der freien Lebensgestaltung. In der Suchtphase ist eine freie Entscheidung über den Alkoholkonsum nicht möglich. „Die medizinische Behandlung beinhaltet primär die Faktoren körperliche Entgiftung, psychologische Entwöhnung, Rehabilitation und langfristige Begleitung z. B. durch Psychotherapie oder Teilnahme an Gruppengesprächen“, erklärt Haller. „Eine ursächliche Heilung, d. h. eine Rückführung zum ganz normalen Konsum ist aber generell nicht möglich. Der Süchtige muss also auf ein abstinentes Leben vorbereitet werden, was in unserer suchtfreundlichen Gesellschaft nicht einfach ist.“ Das Ziel einer Therapie ist jedoch nicht alleine die Abstinenz. Sie gilt vielmehr als Voraussetzung, um sich überhaupt wieder frei entscheiden zu können. Frauen sind dabei in der Regel aufgeschlossener für suchtspezifische und insbesondere psychotherapeutische Behandlungen als Männer. Eine geschlechtsspezifische Erschwernis ist, dass Männer relativ einfach das Umfeld der Sucht vermeiden können, indem sie sich beispielsweise von ihrem Stammlokal fern halten. Frauen können dies nicht – für sie bleibt das strukturelle Umfeld gleich, suchtbegleitende Gewohnheiten (z. B. Einkaufen) bleiben auch in der Phase der Abstinenz bestehen. Für eine/n AlkoholikerIn besteht immer das Risiko eines Rückfalls, wobei die Raten bei Frauen etwas niedriger sind als bei Männern. Alkoholsucht ist eine progressive Krankheit, die man nur zum Stillstand bringen kann. Es geht immer um das Stehenlassen des ersten Glases, das Nichtnehmen des ersten Schlucks. „Wenn man trocken ist und wieder etwas trinkt, ist es als ob man einen Schalter umlegt. Du verlierst die Kontrolle, das Bewusstsein für das, was du tust. Du darfst mit Alkohol keinen Kontakt mehr haben, in keiner Form. Man weiß dann sogar schon, welche Bäckereien Rum in die Krapfen und die Nusskipferl mischen“, sagt Gerda. „Von den Organen her hätte ich noch ewig lang saufen können“, meint
2 Julien, Robert M., Drogen und Psychopharmaka, Heidelberg, 1997, Seite 121 - 122 3 Name von der Redaktion geändert
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Fo t o s : A r c h i v
themaalkoholfrauen
Elfriede4. Sie ist um die sechzig, seit 15 Jahren trocken und das, obwohl sie jeden Tag in ihrer Bar mit Alkohol konfrontiert ist. Für Frauen sind die körperlichen Folgen des Alkoholismus schwerer als für Männer: Geringeres Gewicht, höherer Körperfettanteil und ein hormonell bedingt verlangsamter Alkoholabbau führen zu einer geringeren Verträglichkeit und somit zu einer schwereren Entzugssymptomatik. Frauen erkranken schneller an Leberzirrhosen, erleiden leichter Schädigungen des Zentralen Nervensystems und auch das Krebsrisiko steigt. „Frauen weisen meistens eine kürzere, aber schwerere Alko-
holsucht auf, die sehr oft mit einer Medikamentenabhängigkeit kombiniert ist“, erklärt Haller. Zudem wird bei der Alkoholsucht eine fast hundertprozentige Co-Abhängigkeit von Nikotin beobachtet. Die Todesursache bei alkoholkranken Personen ist demzufolge meist auch eine Auswirkung des Nikotinkonsums. „Das Haus der Süchte hat viele Zimmer“, sagt Gerda. Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich auch in der gesellschaftlichen Akzeptanz: Trinkenden Frauen wird weniger Toleranz entgegen gebracht als Männern. „Der Makel der Sucht trifft Frauen viel mehr als Män-
ner“, sagt Gerda, „sie werden in der Gesellschaft weit mehr geächtet. Männer haben einfach nur mal ein Glas zu viel.“ Familie. Die Alkoholsucht geht vom Problem des/der Einzelnen über in ein Problem, das das gesamte Umfeld, im Speziellen die Familie, betrifft. Anton5 ist 65 und trockener Alkoholiker. Gemeinsam mit seiner ebenfalls süchtigen Tochter war er bei den AA. Die Tochter wurde rückfällig, trank sechs Jahre weiter und starb vor einem Jahr an einem Magendurchbruch. „Du musst wissen, du kannst in so einer Situation nichts mehr tun. Du musst dich von einem Süchti-
Die Anonymen Alkoholiker (AA)
4 Name von der Redaktion geändert 5 Name von der Redaktion geändert 6 Präambel der Anonymen Alkoholiker 7 3. Schritt, Blaues Buch der Anonymen Alkoholiker
18 an.schlägedezember 2006 jänner 2007
„Anonyme Alkoholiker sind ein gemeinnütziger Verein. Eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die miteinander ihre Erfahrung, Kraft und Hoffnung teilen, um ihr gemeinsames Problem zu lösen und anderen zur Genesung vom Alkoholismus zu verhelfen.“6 Die AA sind eine weltweite Organisation, die 1935 in den USA von zwei Alkoholikern gegründet wurde. Mittlerweile gibt es in fast jedem Land der Welt Gruppen der AA. 1939 erschien die erste Auflage des so genannten „Blauen Buches“ – der „Bibel“, an der sich alle Mitglieder orientieren. Sie wurde mittlerweile in 53 Sprachen übersetzt und beinhaltet unter anderem die genannte Präambel, die zwölf leitenden Schritte und die zwölf Traditionen der AA. Alle Mitglieder der AA sind selbst mehr oder weniger trockene AlkoholikerInnen, die sich gemäß dem ersten Schritt eingestanden haben: „Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten.“ Jede/r, der/die den Wunsch hat, mit dem Trinken aufzuhören, ist bei den AA willkommen. In jeder größeren Stadt finden regelmäßige Meetings statt, die die Basis der AA bilden. Wie oft ein/e AlkoholikerIn zu einem Meeting geht, hängt von ihm/ihr selbst ab. Auch betrunken ist man willkommen. Zudem gibt es auch offene Gruppen, an denen jede/r teilnehmen kann und spezielle Al-Anon Meetings, in denen sich Angehörige austauschen können. In einem Meeting wird zunächst die Präambel verlesen, jede/r Anwesende verliest einen der zwölf Schritte. Wer etwas sagen will, meldet sich zu Wort: „Ich bin Elfriede und ich bin Alkoholikerin.“ Jede/r in der Gruppe weiß, wovon er/sie redet, es wird nicht gewertet. „Alle sitzen im selben Boot, du bist Gleicher unter Gleichen,“ sagt Gerda. Die Erzählungen der anderen werden unkommentiert akzeptiert, es geht ums Erzählen und Zuhören, um die Möglichkeit absoluter Offenheit und Ehrlichkeit. Gerda sieht im Erzählverhalten von Männern und Frauen keinen Unterschied: „Auch Männer empfinden die AA oft als wohltuend. Hier können sie sagen: Ich hab’ Angst.” Innerhalb der AA gibt es keine Hierarchie im herkömmlichen Sinn. Jede Region, jedes Land und auch jeder Kontinent hat
frauenalkoholthema gen abgrenzen, auch wenn es deine Tochter ist.“ Die Familie einer/s Süchtigen gerät durch die Krankheit in eine schwierige Situation, es kann das Muster der CoAbhängigkeit entstehen: Aus Unwissenheit, wie man sich einer/m AlkoholikerIn gegenüber verhalten soll, wird die Suchtstruktur oft unbewusst unterstützt, indem das Suchtproblem ignoriert, übersehen oder nicht angesprochen wird. Die Unterscheidung zwischen alltäglicher Hilfestellung und Suchtunterstützung ist eine Gratwanderung. „Einen Kaffee mach ich ihm noch, aber besoffen ins Bett trag ich ihn nicht mehr“, beschreibt Gerda das Phänomen. „Zudem kann es manchmal sein, dass der Suchtkranke die Rolle des ‚schwarzen Schafes’ hat und die ‚Sündenbock-Funktion’ in einer problematischen familiären Struktur einnimmt“, sagt Haller. Auch in die Therapie sollen Angehörige deshalb eingebunden werden:„Für einen Alkoholiker geht’s ums Überleben, er weiß, dass er aufhören muss. Für die Angehörigen ist das schwieriger: Was sollen die tun? Der Alkoholiker sagt: Ich mach keinen ersten Schluck, ein Angehöriger kann sich nicht in dieser Form für etwas entscheiden“, sagt Gerda. Auch, dass ein/e Süch-
tige/r wieder über seinen freien Willen verfügt, kann für Angehörige schwierig sein. Viele Partnerschaften zerbrechen genau dann. Für süchtige Alleinerzieherinnen erschwert sich die Entscheidung zur Therapie: Sie sind auf einen Therapieplatz angewiesen, an den sie ihre Kinder mitnehmen dürfen. Das Anton-ProkschInstitut in Wien ging auf diesen stärkeren Bedarf an gemeinsamer Aufnahme von Mutter und Kind ein und eröffnete 2003 eine Frauenstation. In AttnangPuchheim (Oberösterreich) gibt es seit Oktober dieses Jahres ein von der „Gemeinschaft ohne Alkohol“ (GOA) initiiertes und in dieser Form einzigartiges Wohnhaus für alkoholkranke Frauen, das diese zusammen mit ihren Kindern aufnimmt. Denn es ist wichtig, eigene Räume für Frauen zu schaffen. Hilfe. Was aber wirklich tun, wenn man bei einer nahe stehenden Person eine Alkoholkrankheit vermutet? „Man kann in Wahrheit gar nichts tun. Jeder Alkoholiker muss seinen persönlichen Tiefpunkt erleben“, sagt Gerda. „Es ist irgendwann nicht mehr sinnvoll, einen Betroffenen unterstützen zu wollen. Das macht dich nur selber kaputt. Man muss dann lernen, sich abzugrenzen
und loszulassen.“ Sie selbst versucht manchmal, (scheinbar) Betroffenen in subtiler Weise auf die Sucht und einen Ausweg aufmerksam zu machen. „Da wandern dann die Broschüren der AA über den Tisch und verschwinden irgendwie immer. Zurückbekommen habe ich sie noch nie“, lacht Gerda. Neben der gezielten Behandlung alkoholkranker Menschen ist auch die Suchtprävention ein wichtiges Thema. „Sie bezieht sich wesentlich auf die Pfeiler Information, die Reflexion eigener süchtiger Anteile und auf die Entwicklung eines Gesundheitsbewusstseins. Auch durch gesundheitspolitische Maßnahmen wird versucht, drogenpräventiv zu wirken, z. B. durch die Suchtmittelgesetzgebung, durch höhere Besteuerung des Alkohols oder durch Aufklärungskampagnen“, sagt Haller. „Ich weiß für mich heute ganz klar: Ich will nichts trinken. Wenn andere trinken, stört mich das nicht, die müssen eh selbst wissen, was sie tun. Ich hab meine Sucht nicht vergessen, der Makel pickt. Ich finde Alkoholiker nicht abstoßend, ich weiß, ich könnte das auch sein“, sagt Gerda, „ich bin Alkoholikerin. Aber heute bin ich trocken.“ ❚
VertreterInnen, die sich untereinander regelmäßig treffen und austauschen. Die Mitglieder selbst können Dienste übernehmen (z. B. Telefondienste) und somit eine der drei Säulen (Dienst, Genesung und Einigkeit) der AA erfüllen. Zum einen werden Dienste als Aufgabe an trockene AlkoholikerInnen übertragen, gleichzeitig stellen sie für die Betroffenen aber eine Möglichkeit dar, Verantwortung zu übernehmen. Die bereits im Namen der AA enthaltene Anonymität ist eine zentrale Idee, die für die gesamte Organisation Gültigkeit hat. Es werden prinzipiell keine Mitgliederlisten geführt, man kennt sich ausschließlich beim Vornamen, in der Kommunikation mit Medien verschwinden die Namen gänzlich. Anonym bleiben auch die weiteren Lebensumstände. Der Beruf oder die Herkunft sind unbedeutend, was zählt, ist der Wille für die nächsten 24 Stunden nüchtern zu bleiben. Dies gelingt öfter, als man glauben könnte. Viele kommen zum ersten Mal, bleiben bis zum nächsten Meeting trocken und hanteln sich so in kleinen Schritten vorwärts. Irgendwann sind es dann „einige 24 Stunden“. Die AA finanzieren sich selbst – durch Spenden, die von den Mitgliedern nach jedem Meeting freiwillig gegeben werden können. Spenden von außerhalb werden kategorisch abgelehnt, um sich nicht von GeldgeberInnen und ihren Interessen abhängig zu machen. In Bezug auf die AA werden oft Sektenvorwürfe laut. Die AA sind jedoch keine religiöse Gruppe. Das Programm der 12 Schritte basiert zwar wesentlich auf dem Glauben an Gott, aber „wie wir ihn verstehen“7. Gerda gehört keiner Religion an und ersetzte für sich selbst „Gott“ zunächst durch „die Gruppe“ und später durch „höhere Macht“. Das Zentrale an diesem Eingeständnis ist das Wegkommen von der Ichbezogenheit, die im Alkoholismus besonders ausgeprägt ist: Was zählt, ist das eigene Verlangen nach Alkohol. „Bei den AA kannst du nichts werden, außer trocken“, sagt Gerda. Die AA bieten keine Sozialdienste an, stellen weder Unterkunft, Kleider noch Arbeit oder Geld zur Verfügung. Die Gemeinschaft der AA behauptet nicht, sie hätte die einzige Lösung für das Alkoholproblem gefunden und sieht sich auch nicht als Abstinenzbewegung. Aber: „Mit den AA macht das Trinken keinen Spaß mehr“, sagt Elfriede. ❚
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an.schlägeschreibworkshop Die beiden folgenden Geschichten sind im Rahmen des an.schläge Schreibworkshops „Neue Blicke auf den dritten Bezirk“ entstanden, der im Oktober unter der Leitung von Gabi Horak und Petra Öllinger stattgefunden hat.
Hinter Buchecken verstecken, an Ecken gekrallt verstecken – nicht anecken. Im Frauenraum – aus der Traum. Nicht verstecken hinter Ecken! Finger gerade! Hut ab – den Kopf nicht verstecken! Heraus aus dem Bau Haus – Buch Bau. Nach Gebrauch. Mir in die Augen schauen, nach Gebrauch schauen. Immer verstecken hinter meinen Buchecken. Krallen. Die Sätze. An.sätze. Festhalten an losen Blättern. Gehen. Ein Kurztext. Geschichte in drei Zeilen: Der Wind lässt die Blätter rascheln. Gelb raschelt an der Hausmauer. Hundeschnauze in Gelb – schnüffeln. Nach Gebrauch schnüffeln. Verbissen! Hundert Worte für die, die sich nicht verstecken, die schauen – in die Frauenzimmer schauen, in die Zukunft schauen, ihre Arbeit schauen, ihre Frauen schauen, nach Gebrauch auf mich herabschauen. Mich so weh schauen. Mit ihren Augen so tot. Keine Träne schwer. Kein Entgegensetzen möglich beim Entgegensitzen! Keine so wie ich, niemals geschaut, nichts auf sich – ich. Auf den Schultern die Rüschen – nicht auf mich schauen – die mit dem Glitzer um die Augen. Hinter Buchecken verstecken. Worte finden für die Frau. Die Ehefrau, die Hausfrau, die Putzfrau, die Gemüsefrau, die Wurstfrau, die Vorzimmerfrau, die Fraufrau. Am Frauenort. Dort. Ab.geführt. Still.gestellt. Im Stillzimmer, am Spielplatz, im Supermarkt, an der Wickelkommode, beim Sprechtag, an der Kassa. War.tend. Ab.war.tend. Still. Was immer geschieht. Pass.iv. Hoch.halten. War.ten. Mund halten. Ruhe bewahren. Kaum. Aus! In der Schlange stehen. An der Schaukel in der Schlange, vor dem Bus in der Schlange, beim Arzt in der Schlange, an der Kassa in der Schlange. Ver.halten. Be.stehen. Be.merken. Mich? Verstecken. Hinter meinen Buchecken verstecken. Möchte krallen, am Leben festkrallen, greife nur Kinderhände und Pillendosen. Waschmittelgeruch über Bücherstaub. Babypopo. Zuviel Tränen geschaut, zuviel offener Mund. Kindermund. Ab.hängig. Ab.danken. Be.arbeiten. Frauenleben in Samt und Seide, mit Spitze und Arsen, in Naphtalin und Lavendel. Ihnen widmen. Meine Zeit. Meine Worte. Wie es war. Gewesen war. Im Dritten. In der Heyegasse, am Modenapark, in der Münzgasse, Rochusgasse. Marie, Ingeborg, Grete, Marianne, Therese, Tina, Ida, Paula und Nanette. Wie war es – zurück von den Reisen, mit der Liebe, mit dem Klavier, dem Bass und dem heimlichen Bügeln? Ida, mit dem Schirm, zur Wehr, für dich? Gegen die Mutter? Immer? Wie war der erste Muttertag, Marianne? Mädchenschulen! Bis heute! Grete! So jung der Kopf ab! Ingeborg, wie träumtest du ihn? Im Ungargassenland. Beethoven hat dir Avancen gemacht? Nie? Nur als Hausmädchen wollte er dich? Nie! Nanette! Nie! Spitzt du den Blei, Paula? Deine großen Söhne! Tina! Kein Kind im Wagen. Bleistift und Leinwand und Farben und Tuch. Therese – wie konntest du nur? Hast du dem Mann getraut. Mit deiner spitzen Stimme? Ihm! Dem polnischen Graf! Dem Mörder, mit Rosen garniert? Eure Reisen, eure Lieben, euer Sterben. Hier um mich herum im Dritten. Ihr habt Namen, oft keine Tafeln – ein kleiner Stein in St. Marx. Statuen schauen. Schilder schauen. Bilder schauen. Häuserwände, Gesichter – Frauen. Hinter meinen Buchecken verstecken. An Ecken gekrallt verstecken. Nicht anecken! Nie. Aus. Gewidmet: Paula von Preradovic, Ingeborg Bachmann, Grete Jost, Marianne Hainisch, Therese Krones, Tina Blau, Ida Pfeffer, Nanette Streicher
Flitzer oder der Tag, an dem das Eichhörnchen zurückkam. Von Daniela Kamhuber Der Geruch der Nacht hängt immer noch schwer in ihren Kleidern, obwohl sie schon seit Stunden wieder zu Hause ist. Die Uhr tickt laut, fast störend, doch meist nimmt sie es nicht wahr. Auch diesmal. Am Fenster zu stehen gibt ihr jedes Mal das Gefühl, in dieser Welt nicht vorhanden zu sein, nicht zu existieren. Eine Zwischenwelt. Geschützt. Ihre Welt. Der Lärm der Stadt dringt nur leise durch das geschlossene Fenster, verschwimmt zu einer einzigen Geräuschkulisse. Nur das Heulen einer Polizeisirene lässt sie aufschrecken. Für einen kurzen Moment sieht sie ihr Spiegelbild in den trüben Scheiben. Gerade lange genug, um zu sehen, dass sie gelächelt hatte. Sie wendet sich wieder dem Baum auf der anderen Straßenseite zu und bemerkt, dass das Eichhörnchen verschwunden ist. Mit ihm nichts sonst, niemand schien es bemerkt zu haben. Irgendwo im Haus wird eine Klospülung betätigt. Das reißende Wassergeräusch jagt ihr einen Schauer über den Rücken und lässt sie die Gedanken über den Verbleib des buschigen Nagers vergessen. Vielleicht würde es ja wieder kommen. Vielleicht aber auch nicht. Sie fühlt sich an Flitzer, das Eichhörnchen aus ihrer Kindheit erinnert, was sie laut auflachen lässt. Sie hatte es immer zusammen mit ihrer Mutter im Park beobachtet. Aber auch Flitzer war eines Tages aus ihrer Welt verschwunden, wie dieses Eichhörnchen, die Kraft, die Phantasie. Sie ist schrecklich müde. Es ist fast zehn Uhr am Vormittag und sie hat noch nicht einschlafen können. Außerdem ist Sonntag und in den gegenüberliegenden Wohnungen beginnen sich die ersten Fenster zu öffnen, was zumeist mit ähnlichen Ritualen verbunden ist. Um den Gedanken über die Monotonie aus dem Weg zu gehen, sieht sie sich selbst in die Augen. Schneidet Grimassen. Starrt auf ihr Spiegelbild. Sie öffnet das Fenster, spürt den Sauerstoff, das Leben in ihre Lunge strömen. Kurz bevor ihr Körper am Boden aufschlägt ist ein lautes Lachen zu hören. Das Eichhörnchen war zurückgekehrt. 20 an.schlägedezember 2006 jänner 2007
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21 an.schlägedezember 2006 jänner 2007
Fo t o : p i x e l q u e l l e
wissenschaftforum
Muslimas in den Medien Irmi Wutscher hat in Alternativmedien nach Darstellungsweisen jenseits der
massenmedialen Stereotypisierung gesucht.
Irmi Wutscher, geboren 1981, studierte in Wien Publizistik in Kombination mit Russisch, Geschichte und Ethnologie. Mit der Diplomarbeit „Der Mediendiskurs über muslimische Frauen. Eine Konfrontation stereotyper Darstellungsweisen der MainstreamMedien mit minoritären Diskursen aus alternativen Zeitschriften” schloss sie 2006 ihr Studium ab.
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In den letzten Jahren wurde das Thema der muslimischen Frauen in der westlichen (Medien)Öffentlichkeit zunehmend zum Politikum. Durch terroristische Anschläge stieg die Angst vor islamischem Fundamentalismus. Das Kopftuch wurde zum Symbol eines politischen Islams und erhielt so eine negative Konnotation. Aber nicht nur auf dieser politischen, auch auf einer viel spezifischeren Ebene wurde die Ausgrenzung muslimischer Frauen legitimiert: nämlich über
die westliche Emanzipation bzw. Frauenbewegung. Musliminnen werden als Gefahr oder Rückschritt für die westliche Frauenbewegung gesehen, scheinbar frauenfreundliche Argumentationen dienen dazu, muslimische Frauen zu stigmatisieren und auszugrenzen. Hier wird mit einer positiven, demokratischen Norm versucht, undemokratische Maßnahmen zu legitimieren (Kopftuchverbote etc.), dies macht das Perfide und Haltbare solcher Diskurse aus. Es wird sogar gefordert, frau habe sich zu entscheiden: Rassistische Femi-
nistin oder antifeministische Multikulturalistin zu sein, diese beiden Wertesysteme werden als unüberwindbare Gegensätze konstruiert. MainstreamMedien leisten dazu ihren Beitrag, indem sie klassische Stereotype immer wieder aufgreifen und festschreiben und so Diskurse der Ausgrenzung (re)produzieren. Forschungsbedarf. Vor diesem Hintergrund entstand mein persönliches Forschungsinteresse, da ich mich selbst zu fragen begann, ob ich mich denn nun wirklich
forumwissenschaft zu entscheiden habe, einem der beiden Wertesysteme den Vorzug zu geben und damit das andere automatisch auszuschließen. Auf einer wissenschaftlichen Ebene begann ich mich dafür zu interessieren, wie diese Diskurse der Ausgrenzung im Detail aussahen und über welche wiederkehrenden Muster und Symbole sie sich konstituierten. Außerdem nahm ich an, dass sich bei einer so massiven Diffamierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe Diskurse des Widerstandes bilden und diese über gewisse Strategien der Entkräftung dieser Mainstream-Argumente verfügen müssten. Daher habe ich in meiner Arbeit zunächst in der Forschung dokumentierte klassische Darstellungsweisen der muslimischen Frauen rekapituliert, um mich danach selbst in zwei Alternativmedien auf die Suche nach anderen Darstellungsmustern zu machen. Als Alternativmedien wählte ich die MigrantInnenzeitschrift „Bunte Zeitung“, die sich der Sichtbarmachung von Lebenswelten von MigrantInnen widmet, und die feministische Zeitschrift „an.schläge“, die sich der Darstellung spezifisch weiblicher Lebenszusammenhänge verschreibt. Dominante Repräsentation. Aus der Forschungsliteratur geht hervor, dass von den Massenmedien „die“ muslimische Frau immer herangezogen wird, um „den“ Islam zu erklären. Die Begriffe der muslimischen Frau und des Islam werden essentialisiert und es bilden sich einige typische Stereotypen der Muslima heraus. Diese werden immer wieder präsentiert und schreiben so die gängigen Klischees fest. Diese stereotypen Darstellungsweisen liegen auch der Kopftuchthematik zugrunde, der ein besonderes Medieninteresse zukommt. Das Kopftuch wird hier zuvorderst als Symbol der Unterdrückung angesehen, daher können bedeckte Frauen per se nicht emanzipiert und selbstständig sein. Eng mit dem Kopftuchkonflikt ist auch die Konkurrenz der beiden Wertesysteme „Westen“ und „Islam“ verbunden. Vor allem der feministische Mediendiskurs (die Forschung bezieht sich hier hauptsächlich auf die EMMA) geht von einem unüberwindbaren Gegensatz der Werte der westlichen Frauenemanzipation und des Islam aus. Das Kopftuch wird
hier zum Symbol für die Bedrohung westlicher Emanzipation. Gerade diese letzten Argumente dienen der Aufwertung eigener Normen und Praxen, das Modell des westlichen Feminismus wird hier als ideal und wünschenswert dargestellt und so zum Maßstab für Emanzipation schlechthin.
zu wurden jeweils ein Artikel aus jeder Zeitschrift tiefer gehend analysiert, der sich dem Thema aus verschiedenen Richtungen annäherte, um die Ergebnisse dann den bereits dokumentierten stereotypen Darstellungsweisen in den Massenmedien gegenüber zu stellen. In beiden untersuchten Artikeln wurden Musliminnen nicht homogenisiert und auf ihre Rolle als unterdrückte Frau reduziert. Vielmehr wurden unterAlternativmedien. In meiner eigenen Untersuchung habe ich zunächst mit einer schiedliche Traditionen, Herkunftsländer und Lebensstile beachtet und musoberflächlichen Inhaltsanalyse aller limische Frauen aus verschiedensten Ausgaben von 2001 bis 2005 die Prägesellschaftlichen Bereichen repräsensenz des Themas der muslimischen Frauen in den beiden Alternativmedien tiert. Das Kopftuch spielte zwar in beiden Artikeln eine wichtige Rolle, alleruntersucht. Hier wurde vor allem das dings wurde es nicht als KollektivsymAugenmerk auf Themenverknüpfunbol der Frauenunterdrückung benutzt. gen, Verteilung in den einzelnen Ressorts o. Ä. gelegt. Die Analyse ergab fol- Vielmehr wurde die Bedeutung des Kopftuches als alltägliche Glaubenspragende Ergebnisse: xis betont und so seine Bedeutung im Im Diskurs der an.schläge wird das Thema eindeutig ins Ausland verlegt, es Gegensatz zum Mainstream-Mediendiskurs herabgesetzt. Insofern widmen wird am meisten mit dem Erkämpfen sich die beiden Artikel eher der Verteidivon Frauenrechten, mit Vorbildern und gung der Normalität des Kopftuchs. RepräsentantInnen sowie Frauen als Die Frage der Konkurrenzsysteme Opfer von Kriegen, Konflikten oder GeFrauenemanzipation versus Islam war walt gleichgesetzt. Dies ist einerseits in den beiden Texten nur unterschweldurch die am aktuellen Geschehen orilig vorhanden. Der Konflikt wird in beientierte Berichterstattung zu erklären den Fallbeispielen überwunden, in(in den Erhebungszeitraum fallen die dem permanent betont wird, dass es Kriege im Irak und in Afghanistan). Ankeinen Konflikt gibt bzw. dass dieser dererseits werden muslimische Frauen unnötig ist. Allerdings geht damit einin Österreich aber noch nicht als eigeher, dass die Kopftuchthematik, die ja nes Thema verstanden und aufgegriffen, was sich vor allem durch ein Fehlen durchaus gesellschaftliche Relevanz hat, in diesem Fall auf die individuelle der Thematik im Arbeits- und GesellEbene verschoben wird, wodurch der schaftsressort ausdrückt. Diskussion politisches Potenzial geIn der Bunten Zeitung ist eine wenommen wird. sentlich größere Präsenz im Arbeitsund Inlandsressort, aber auch in den Bereichen Kultur und Wissenschaft zu Ambivalente Strategie. Es wurde eindeutig erkennen, denen gegenüber die politiaufgezeigt, dass Alternativmedien durchschen Ressorts in den Hintergrund treaus andere Wege beschreiten und Widerten. Thematisch dominieren das Kopfstand gegenüber dominanten stereotytuch und Alltagssituationen. Das Thepen Darstellungsweisen von muslimima der muslimischen Frauen wird also schen Migrantinnen leisten. Allerdings eher unpolitisch abgehandelt und dafür wurde der Konflikt der beiden Wertein Alltagsbereichen sichtbar gemacht, systeme Frauenemanzipation versus die im Mainstream-Diskurs überhaupt Islam in beiden Medien nur gelöst, inkeinen Platz haben. Dies ist dennoch als dem er zum Nicht–Konflikt und als politisches Zeichen zu werten, als Sicht- unnötig erklärt wurde. Das Problem wurbarmachung von Realitäten, die sonst de nur durch Entpolitisierung gelöst, was unsichtbar gemacht werden, und als wohl als eine ambivalente Strategie zu Verteidigung der eigenen Lebenswelt. bewerten ist. Daher ist der Forschungsbedarf auf dem Gebiet der muslimischen Frauen sicher längst nicht gedeckt, Kopftuch. Am Ende meiner Arbeit habe vielmehr bedarf es noch weiterer konich mich noch genauer einem Beispiel ❚ zugewandt: der Kopftuchthematik. Da- struktiver Auseinandersetzungen. dezember 2006 jänner 2007an.schläge 23
an.sage
Impfen gegen Krebs? Seit Herbst können sich junge Frauen gegen für Gebärmutterhalskrebs verantwortliche Viren impfen lassen. Wir baten die Gesundheitsexpertinnen Cornelia Burgert und Sylvia Groth um ihre Meinung zu Risiken und Nebenwirkungen.
Kommentare müssen nicht mit der Redaktionsmeinung übereinstimmen.
Cornelia Burgert
Sylvia Groth
Der Impfstoff Gardasil wird seit Oktober bei der Gebärmutterhalskrebsimpfung (HPV-Impfung) gegen die Human Papilloma Viren 6, 11, 16 und 18 eingesetzt. Die HP-Viren 16 und 18 sind für siebzig Prozent der Krebsgeschehen am Gebärmutterhals verantwortlich. Innerhalb von sechs Monaten erfolgt die Impfung dreimal und kostet in Österreich derzeit 608,- Euro, in Deutschland 465,- Euro und in den USA 280,- Euro. Die HPV-Impfung dient nur zur Prävention von Zellveränderungen am Gebärmutterhals, im Genitalbereich sowie von Feigwarzen. Der aktuelle wissenschaftliche Nachweis hat nur einen präventiven Nutzen der HPV-Impfung für fünf Jahre erbracht, also entweder vor dem ersten Geschlechtsverkehr oder nach einem negativen HPV-Test für Frauen bis 26 Jahre (oder Jungen bis 15 Jahre). Die Impfung müsste danach alle fünf Jahre wiederholt werden, womit enorme Kosten verbunden wären – ob für die einzelne Frau oder das Gesundheitssystem. Der fünfjährige Schutz vor einer HPV-Übertragung würde wahrscheinlich weltweit die Rate der Gebärmutterhalskrebserkrankungen bis zu achtzig Prozent senken. Dies käme insbesondere Frauen in den so genannten Entwicklungsländern zugute, wo es eine hohe Sterberate durch Gebärmutterhalskrebs gibt, u. a. aufgrund der schlechten Gesundheitsversorgung und der mangelnden Kondombenutzung. Nachteile sind, dass sich nur Frauen bzw. Mütter angesprochen fühlen, sich bzw. ihre Töchter zu schützen und viele fürchten, dass sie ungeimpft sich und ihre Sexualpartner gefährden. Doch nur ein kleiner Prozentsatz von Frauen entwickelt überhaupt dauerhafte Zellveränderungen (Dysplasien) am Gebärmutterhals, wobei hier immer auch andere Faktoren (u. a. eine dauerhaft geschwächte Abwehr, Rauchen, die Einnahme hormoneller Verhütungsmittel, starke seelische und körperliche Belastungen, heterosexueller Geschlechtsverkehr) mit hinzukommen müssen. Geschätzt wird, dass dreißig bis fünfzig Prozent der Frauen zwischen zwanzig und dreißig Jahren infiziert sind. Doch bei den meisten Frauen sind diese Infektionen nur vorübergehend und heilen folgenlos aus. Außerdem würde vermutlich der Einsatz von Kondomen zur Verhütung von Schwangerschaften und Übertragung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen minimiert – zum Nachteil der Frauen. ❚ rin von clio – die Zeitschrift für Frauengesundheit des FFGZ e.V. Berlin. Das aktuelle Heft 63/November 2006 widmet sich der
In einer großen Marketingkampagne für einen neuen Impfstoff verspricht der herstellende Pharmakonzern Schutz vor Gebärmutterhalskrebs. Die Hoffnungen sind groß. Unabhängige Informationen dazu sind hingegen trotz einer Flut von Artikeln ebenso rar wie evidenzbasierte Daten über die Langzeitwirkung der neuen HPV-Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs. Die Zulassung des Impfstoffes erfolgte auf der Grundlage von vier klinischen Studien mit insgesamt 20.541 Teilnehmerinnen im Alter von 16 bis 26 Jahren und mit einer maximalen Studiendauer von vier Jahren. Es konnte zwar die Wirksamkeit gegen Zellveränderungen (Dysplasien) nachgewiesen werden, allerdings war die Studiendauer zu kurz, um die Vermeidung des Gebärmutterhalskrebses durch die Impfung zu prüfen. Wie lange der Impfstoff wirkt und ob eine Auffrischung erforderlich ist, ist nicht bekannt, da Langzeitstudien fehlen. Eine Impfung ist in keinem Fall ein Ersatz für regelmäßige qualitätsvolle PAP Abstriche zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs, da der Impfstoff nur gegen siebzig Prozent der HP-Viren 16 und 18 wirkt, nicht aber gegen die dreißig Prozent an anderen Viren, die Gebärmutterhalskrebs verursachen. Sollten die Langzeitstudien zeigen, dass der Wirkstoff sicher ist, sind die Herstellerfirmen Merck und Glaxo Smith Cline aufzufordern, den Impfstoff den meistgefährdeten Frauen (vor allem in der Dritten Welt) zur Verfügung zu stellen. Die Europäische Arzneimittelbehörde hat die Überwachung der Wirkung des Impfstoffs und der Nebenwirkungen geimpfter Personen (Pharmakovigilanz) der Herstellerfirma anheim gestellt. Dies ist als äußerst problematisch anzusehen. Es ist bisher nicht vorgesehen, dass jetzt geimpfte Personen tatsächlich systematisch erfasst und überwacht werden, um etwaige Risiken der Impffolgen sicher zu stellen. Ein individueller Nutzen der Impfung kann frühestens in zwanzig bis dreißig Jahren erfolgen, wenn eine Frau durch die Impfung einen Gebärmutterhalskrebs vermieden hat. Die Sozialversicherung sollte im Interesse der Patientinnen diese Impfung nur bezahlen, wenn der Nutzen gesichert ist. Sollte dies der Fall sein, sind die Pharmafirmen zu einer Preisreduktion zu bewegen. Auch die Fokussierung auf Mädchen und Frauen muss hinterfragt werden: Warum Burschen nicht geimpft werden, bedarf bei einer von Männern und Frauen sexuell übertragbaren Erkrankung einer Begründung. Eine Impfung junger Männer fordert auch der Erforscher des HP-Virus, Harald zur Hausen. Die Möglichkeit der Reduktion der Genitalwarzen (Kondylome) wird kaum diskutiert und ihre Häufigkeit spräche dafür, auch Jungen zu impfen. ❚
HPV-Thematik und Zellveränderungen am Gebärmutterhals.
Sylvia Groth ist Medizinsoziologin und Geschäftsführerin des Grazer Frauengesundheitszentrums.
Das Heft zum Preis von 3,90 Euro kann beim FFGZ Berlin, ffgzberlin@snafu.de, www.ffgz.de bestellt werden.
Unter www.fgz.co.at ist der Text in der ungekürzten Version zu lesen.
Cornelia Burgert ist Sozialpädagogin, Mitarbeiterin beim Feministischen Frauen Gesundheits Zentrum Berlin und Redakteu-
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Nr. 12/06-01/07, Dezember 2006/Jänner 2007 20. Jahrgang, e 3,5 (Ö) e 4,– (D) sfr 8,– , P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1030 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M