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Und wann ist es bei dir endlich so weit?
l l an.schläge das feministische monatsmagazin. september 2010
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No Kidding! Frau im Glück – ganz ohne Mutterschaft Zero Tolerance für Roma Der antiziganistische Populismus in Europa wächst Reklame gegen Sexismus Vorbilder für Gesetze gegen diskriminierende Werbung Plus: Autonomer & staatlicher Feminismus im Dialog >> Christa Wolf >> Queeres Mahnmal in Wien >> Feministische Hard-Boiled-Krimis >> Las Kumbia Queers >> Teatro das Oprimidas >> und vieles mehr
an.schläge Nr. 9/10, 24. Jahrgang, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M
an.schläge Politik 06 >>>
an.riss politik
08 >>>
Ein Rudel Löwinnen gesucht Dialog zwischen Frauenministerin und autonomen Feministinnen reloaded
10 >>>
Zumindest sicher? Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung schützt nicht vor Armut und Ausbeutung
12 >>>
Zero Tolerance für Roma Der antiziganistische Populismus in Europa wächst
14 >>>
an.riss international
Thema: No Kidding 17 >>>
Dumme Fragerei Der „natürliche Kinderwunsch” ist ein Klassiker der patriarchalen Ideologie
20 >>>
an.sprüche No Baby on Board
21 >>>
Anrufungen zur Mutterschaft Interview: Lena Correll erforscht den gesellschaftlichen Druck auf kinderlose Frauen
Gesellschaft 24 >>>
an.riss arbeit wissenschaft
26 >>>
Ent-Puppung von Weiblichkeit Ein Blick auf feministische Hard-Boiled-Krimis
28 >>> Reklame gegen Sexismus Diskriminierende Werbung: Österreich und Schweden im Vergleich 30 >>> Wir sind Madalena! Interview: Barbara Santos spricht über Emanzipation im „Theater der Unterdrückten”
Kultur 34 >>>
Queere Geschichtsbaustelle Was muss ein Denkmal für lesbische und transgender NS-Opfer leisten?
36 >>>
Tropicalipsis now! Interview: Die all-female Band Las Kumbia Queers präsentiert ihren Cumbia-Style
05 an.sage: Die Herzlose vom K2 06 sprechblase: Sager des Monats plusminus: Antirassismus vs. „Wiener (FPÖ) Blut” 06 07 an.frage: Riot Grrrls reloaded in Graz 15 medienmix: Missy Magazine, Mithly, Mrs. Pepsteins Welt an.lesen: Christa Wolf, Barbara Yelin/Peer Meter, 38 Patti Smith, Antje Flemming, Adibeli NdukaAgwu/Antje Lann Hornscheidt, Ingrid Kurz-Scherf et al., Siri Hustvedt 41 an.klang: elcassette, First Fatal Kiss, Sookee, Kelis, Janelle Monáe, M.I.A. 42 an.sehen: El niño pez/Das Fischkind 43 an.künden: Termine & Tipps
Kolumnen
an.riss kultur
Rubriken
32 >>>
neuland zeitausgleich heimspiel lebenslauf lesbennest bonustrack: clara luzia katzenpost zappho des monats
11 24 29 33 37 40 43 46
editorial In den an.schlägen steckt jede Menge unbezahlter Arbeit – dass die Zeitschrift jeden Monat pünktlich erscheinen kann, ist nämlich auch unseren höchst engagierten Praktikantinnen zu verdanken, die uns nicht nur einige To-dos abnehmen, sondern unser Projekt auch mit zahlreichen Ideen bereichern. In der Hoffnung, dass die Erfahrungen, die sie bei uns sammeln, einen ausgewogenen Gegenwert darstellen, haben wir einige Verbote aufgestellt: Briefe falten, Kaffee kochen oder unseren Konferenztisch putzen sind tabu. Das machen wir noch immer selbst. Jedenfalls möchten wir an dieser Stelle mal wieder sagen: Danke für eure Kopf- und Handarbeit, den Einsatz und die Begeisterung! Übrigens: Ab 2011 gibt’s bei uns wieder freie Praktikumsplätze. Interessierte, die mindestens zwei Monate Zeit aufbringen können, schicken ihre Bewerbungen an redaktion@an.schlaege.at. Wer sich vorher ein persönliches Bild von den an.schlägen machen möchte, kann uns am 4. und 5. September in Wien beim Volksstimme-Fest treffen. Dort sind wir tagsüber mit einem Zeitschriftenstand und jeder Menge an.schläge-Goodies vertreten, wie etwa den von Lina Walde gestalteten an.schläge-Stofftaschen (im extra schicken Violett). Wir freuen uns auf euren Besuch!
Feminist Superheroines Ito Noe (1895–1923) trat als 18-Jährige der feministischen „Gesellschaft der Blaustrümpfe“ („Seitosha“) in Japan bei. Sie verfasste sozialkritische Artikel für das feministische Magazin „Seito“, das sie später auch als Chefredakteurin leitete. Noe schloss sich der von der Polizei überwachten anarchistischen Bewegung in Japan an, übersetzte Werke von u.a. Emma Goldman und trat für die freie Liebe ein. Die Mitbegründerin der sozialistischen Frauengruppe „Sekirankai“ wurde nach ihrer Verhaftung durch die Militärpolizei im September 1923 erdrosselt in einem Brunnenschacht gefunden. Illustration: Lina Walde
an.schläge werden gefördert von:
impressum Herausgeberinnen und Verlegerinnen: CheckArt, Verein für feministische Medien und Politik. A-1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 41, T. 01/920 16 76, e-mail: redaktion@anschlaege.at, office@anschlaege.at, www.anschlaege.at l Koordinierende Redakteurinnen: Sylvia Köchl, office@anschlaege.at, T.01/920 16 78, Vina Yun, redaktion@anschlaege.at, T. 01/920 16 76 Buchhaltung, Abos: Svenja Häfner, buchhaltung@anschlaege.at, abo@anschlaege.at l Termine, Tipps: Nadine Kegele, Vina Yun, termine@anschlaege.at l Inserate: Michèle Thoma, mi.thoma@chello.at l Redaktion: Bettina Enzenhofer/be, Svenja Häfner/svh, Andrea Heinz/han, Sylvia Köchl/sylk, Silke Pixner/pix, Fiona Sara Schmidt/fis, Lea Susemichel/les, Irmi Wutscher/trude, Vina Yun/viyu l Praktikum: Anita Weidhofer/atina, Marie-Therese Amtmann l Texte: Mirjam Bromundt/mij, Karin Cudak, Sonja Eismann, Denice Fredriksson, Birgit Fritz, Silke Graf, Beate Hammond, Christine Hartmann, Gabi Horak, Mia Kager/miak, Birge Krondorfer, Bettina Leibetseder, Clara Luzia, Katharina Morawek, Mira Anaïs Rojzman, Julia Roßhardt, Judith Schossböck, Verena Stern/vers, Anita Welzmüller/nita, l Layoutkonzept & Layout: Lisa Bolyos l Coverillustration: Bianca Tschaikner l Cartoons & Illustrationen: Paula Bolyos, Nadine Kappacher,
Lisa Max, Bianca Tschaikner, Lina Walde, Zappho l Fotos: an.schläge-Archiv, Antifaschistische Brigaden Berlin, Katharina Cibulka, Euromayday Hamburg 2007, Toni Härkönen, Johnny Jensen, Christian Johannesen, katimo, Karl Koschek, LesMigraS, Museo Dolores Olmedo Patiño, Rafa Paz, polyfilm Verleih, Alain G. Pottier, Dean Shareski, sylk, www.wallpapers-
free.co.uk, Oliver Wia l Homepage: Mirjam Bromundt, www.anschlaege.at l Druck: H.R.G. Druckerei © an.schläge: Titel, Vorspann und Zwischentitel von der Redaktion. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht der Auffassung der Redaktion entsprechen. Kürzungen vorbehalten. l ISSN 1993-3002
04 l an.schläge September 2010
an.sage
Die Herzlose vom K2 Ein Kommentar von Sylvia Köchl
Am 6. August scheiterte die österreichische Extrembergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner zum zweiten Mal an der Ersteigung des K2, dem zweithöchsten und gefährlichsten Berg der Erde. Kaltenbrunner brach den Aufstieg kurz vor dem Gipfel ab, nachdem ihr schwedischer Kollege Fredrik Ericsson abgestürzt und gestorben war. Als diese Meldung in allen hiesigen Medien kurzfristig ganz oben stand, ging es rund in den LeserInnen-Foren im Netz. Der absolute „Gipfel”: Kaltenbrunner sei schuld am Tod von Ericsson. So schrieb „parapente” im Forum von derstandard.at, Ericsson habe Kaltenbrunner, nachdem ihr Ehemann bereits umgekehrt war, als „echter Bergkamerad” nicht alleinlassen und sie beim Aufstieg unterstützen wollen: „An seinem Tod trägt sie durch ihre starre Haltung große Schuld.” „Agnostiker1” unterstellte Kaltenbrunner „dummen Ehrgeiz und eine Profilierungsneurose” und meinte: „Das Selbstbestimmungsrecht der Kaltenbrunnner hört dann auf, wenn sie sich [sic!] und andere gefährdet.” Weiter ging’s mit Sagern wie „Gibt dem Vokabel ,Männerverschleiß’ eine ganz neue Bedeutung” oder „Ihr geht es rein um Selbstdarstellung”. Mehrere UserInnen widersprachen diesen Postings vehement, wie zum Beispiel „rhaino” auf derstandard. at: „Wir haben’s eh schon kapiert, dass Frauen laut der Meinung von ca. 99% der hier postenden Männer nicht auf Berge gehen und schon gar nicht darüber reden dürfen – wie es z.B. der gefeierte Herr Messner mit gefühlten 100 Büchern gemacht hat. Aber der darf ja, ist ja ein Mann. Der darf auch über das Scheitern reden, ohne hämisch ausgelacht zu werden.” Dass die Adjektive, mit denen Gerlinde Kaltenbrunner in den bislang insgesamt rund siebenhundert Postings allein auf derstandard.at und kurier.at bedacht wurde – herzlos, verrückt, größenwahnsinnig, verbissen, geltungssüchtig, krank –, vor einem Namen wie Reinhold Messner stehen, ist tatsächlich schwer vorstellbar. Oder ein Untergriff wie der des Users „rotes gfries”, der meinte, Kaltenbrunner wäre ein wertvollerer Mensch, wenn sie als Krankenschwester weitergearbeitet hätte: „Wie viele Menschenleben hätten Sie in ihrem Beruf in
dieser Zeit retten können?” An Deutlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig ließ „Alois Flotzinger” auf kurier.at: „Die Zeit, wo sie eine Familie hätte gründen können, die Freude verspüren hätte können, eigene Babys im Arm zu halten, hat sie vertändelt für irgendeinen fragwürdigen Rekord.” Was die PosterInnen neben der Frage nach den Motiven von Gerlinde Kaltenbrunner noch auf die Palme brachte, war der angebliche Medien-Hype („Mich regt dieses blöde Mediengetöse um dieses mediengeile Weib schon richtig auf”). Klar ist Gerlinde Kaltenbrunner als Bergsteigerin auch eine Medienfigur (so wie es zahllose SchauspielerInnen oder SportlerInnen sind) und dient damit allen Beteiligten, den Medien genauso wie den RezipientInnen, als Projektionsfläche – ich könnte es ja genauso gut erotisch finden, dass sie ein Phallussymbol nach dem anderen erledigt. Es macht aber einen großen Unterschied, ob ich ein Medienphänomen auch nur als solches behandle, oder ob ich an seiner Person angewandte Wirtshauspsychologie betreibe. Dass diese Differenzierung ausgerechnet hier fehlt, wo es um eine ungewöhnliche Frau geht, ist kein Zufall. Oder wie es die Posterin „Taji Soron” ausdrückte: „Der tiefere Grund für das ganze Kaltenbrunner-Bashing in den Standard-Foren ist wohl, dass sie in eine Männerdomäne eingedrungen ist, und Leistungen erbringt, die für 99% der Männer weit außerhalb ihrer Reichweite liegen. Diesen Typen geht wahrscheinlich schon die Puste aus, wenn in der U-Bahn mal die Rolltreppe ausfällt.” P.S. Als eine Woche nach Kaltenbrunners Versuch der österreichische „Skyrunner” Christian Stangl den Gipfel des K2 erreichte, ging es noch einmal hoch her im derstandard-Forum. Stangl habe das alles taktisch viel besser gemacht. „Er hat nicht Russisches Roulette mit Absturz gespielt. Weil er nicht um jeden Preis den 14. Misthaufen brauchte …”, schrieb etwa „Black Burner”. Dass Gerlinde Kaltenbrunner sich vorgenommen hat, alle 14 Achttausender ohne künstlichen Sauerstoff zu besteigen, ist also ein unangebrachtes Ziel – dass Stangl auf den höchsten Berg eines jeden Kontinents hinaufrennen will, hingegen voll okay. l September 2010 an.schläge l 05
an.riss politik AbtreibungsgegnerInnen bestätigt. Dieser Entscheid setzt zwei Beschlüsse vom Münchener Landesgericht und dem Oberlandesgericht außer Kraft, die es zuvor erlaubt hatten, eine sogenannte Bannmeile zu errichten: Im Umkreis von einem Kilometer rund um die Abtreibungspraxis durften AbtreibungsgegnerInnen niemanden auf das Thema Schwangerschaftsabbruch ansprechen. Das allerdings nur, weil der betreffende Arzt eingeklagt hatte, dass die AbtreibungsgegnerInnen seine „berufliche Tätigkeit insgesamt herabwürdigen” würden. Das Verfassungsgericht hat nun beschlossen, dass diese Tatsache kein derart umfassendes Verbot rechtfertige. trude www.sueddeutsche.de, diestandard.at
repressionsparagraf 278a Solidarität mit Kultur-Freiräumen Bild: Antifaschistische Brigaden Berlin
anti-choice Rückkehrverbot vs. Demo-Recht In Wien können militante AbtreibungsgegnerInnen nicht mehr nur von den Kliniken weggewiesen werden – seit 1. Juli drohen ihnen auch Geldstrafen und ein Rückkehrverbot. Möglich macht das eine Novelle des Landessicherheitsgesetzes. Bisher konnten fanatische LebensschützerInnen nur des Platzes verwiesen werden, was sie nicht daran hinderte, wenige Minuten später wieder zurückzukehren. Jetzt kann die Polizei ein Rückkehrverbot aussprechen; wer dennoch wiederkommt, muss beim ersten Mal mit ein- bis zweihundert Euro Bußgeld rechnen, danach kann eine Strafe von bis zu siebenhundert Euro verhängt werden. BetreiberInnen von Abtreibungskliniken in Wien begrüßen die Neuerung und wünschen sich eine bundesweite Regelung. In Deutschland wiederum wurde soeben vom Verfassungsgericht das Demonstrationsrecht für
„Männer lassen
sich
gerne als
Starkoch bewundern“
sagt Frauenministerin Gabriele HeinischHosek anlässlich der Präsentation der jüngsten „Zeitverwendungsstudie“. Ein Resultat: Die 9,7 Mrd. Stunden pro Jahr für unbezahlte Arbeit und ehrenamtliche Tätigkeiten werden zu zwei Drittel von Frauen geleistet. Im Haushalt arbeiten Männer durchschnittlich 2:46 Stunden pro Tag, Frauen hingegen 4:12. Männer kochen mehr als früher – nach dem Haubenmenü wird die Küche aber mehrheitlich von Frauen geputzt. Das Plus an Freizeit verbringen die Männer dafür vor dem Fernseher. Mahlzeit! viyu/sylk
06 l an.schläge September 2010
In einer gemeinsamen Aussendung wehren sich die Wiener (Kultur-) Freiräume gegen die zunehmende Repression, die sie von der Polizei erfahren. Am 6. Juli wurden die Räumlichkeiten des Kulturvereins Kaleidoskop in der Schönbrunnerstraße in Wien von der Polizei aufgebrochen und durchsucht. Dabei wurden mehrere Computer, Festplatten und der Tresor mitgenommen. Die Betreiber_innen fanden ihren Raum von der Feuerwehr verschlossen vor und mussten sich den Schlüssel von der Polizei holen, um feststellen zu können, welche Gegenstände fehlten. Grund für die Durchsuchung war laut Polizei, dass Mitglieder des Kulturvereins mit brennenden Mülltonnen vor dem AMS-Gebäude in der Reedergasse in Zusammenhang gebracht wurden. Aufgrund dieses Vorfalls wurde nicht nur das Kaleidoskop, sondern auch einige Wohngemeinschaften durchsucht und vier Personen verhaftet. Verschiedenste freie Kulturvereinigungen, von I:da über die Wagenplätze bis hin zum que[e]r, haben sich nun in einem Statement mit dem Kaleidoskop solidarisch erklärt. Sie vermuten hinter den Vorfällen eine Machtdemonstration der Polizei. Die Kulturvereine gehen davon aus, dass mit dem sogenannten Mafiaparagrafen 278a nun nach Tierschützer_innen und linken Aktivist_innen auch gegen autonome Kulturprojekte vorgegangen werden soll. trude http://at.indymedia.org
plus
Widerständige Wahl (+)
Rechtswalzer radikal (–)
Wie man gegen rassistische Gewalt auftreten kann, erläutert ein Plakatsujet, das derzeit an diversen Orten in Wien affichiert ist: Ob „solidarische Heirat”, „Menschen in Schubhaft besuchen” oder „rassistische Sprache verweigern” – „Wer sich einmischt, kann den rassistischen Konsens stören.” Ein weiteres Plakatmotiv zeigt das breite Spektrum rassistischer Staatsgewalt auf, von der Fremdengesetzgebung bis zum Racial Profiling. Beide Plakate gibt’s zum freien Download z.B. auf http://no-racism.net. Spread the word! viyu
Mit neuen Plakat-Slogans eröffnete die FPÖ den Wahlkampf vor den Wiener Landtagswahlen: „Mehr Mut für unser ‚Wiener Blut’. Zu viel Fremdes tut niemandem gut.” Kein Rassismus, sondern „ein positives Bekenntnis zur Wiener Lebensart und Tradition”, verteidigt Kampagnen-Manager Herbert Kickl die Sujets gegen den Vorwurf, sich eines Nazi-Jargons zu bedienen. Wein und Walzerparkett statt „Blut und Boden” – und Parteichef Heinz-Christian Strache macht den Operetten-King … Rassistische Hetze, we are watching you! viyu
an.frage gleiche rechte Österreich wegen Diskriminierung verurteilt Österreich ist im Juli wegen Diskriminierung homosexueller Lebensweisen verurteilt worden und muss nun den Klägern, einem schwulen Paar, 25.000 Euro Schadenersatz zahlen. Das Paar hatte um die Gleichstellung bei der gesetzlichen Mitversicherung gekämpft. Konkret war es 1997 einem der beiden Männer nicht erlaubt worden, seinen Partner bei sich mitversichern zu lassen, da das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz damals nur das Mitversichern andersgeschlechtlicher PartnerInnen vorsah. Beschwerden beim Verfassungs- und beim Verwaltungsgerichtshof blieben ohne Erfolg, daher wandte sich das Paar mit seiner Klage 2002 an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. trude www.hosiwien.at
leitfaden In 16 Sprachen gegen Gewalt Seit Mai gibt es eine neue Informationsbroschüre der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF). In 16 Sprachen (u.a. Serbisch/ Kroatisch, Türkisch, Chinesisch und Romanes) informiert sie über sämtliche Gesetze zum Schutz vor Gewalt in der Familie und bei Stalking. „Migrantinnen wissen oft nicht, wo sie Hilfe bekommen und welche Möglichkeiten sie haben. Deshalb ist es wichtig, ihnen Informationen in ihrer Muttersprache anzubieten”, so Maria Rösslhumer (AÖF). Die Broschüre steht auch auf der Homepage der AÖF kostenlos zum Download bereit. trude www.aoef.at
gesetzesentwurf Höhere Geldstrafen für sexuelle Belästigung Ein Gesetzesentwurf von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sieht eine Erhöhung des Schadenersatzes bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz vor. Eintausend statt 720 Euro beträgt demnach der neue Mindestwert der Strafe. Sie ist Teil des geplanten Gleichbehandlungsgesetzes, das sich jedoch noch bis 26. August gegen Einsprüche bewähren muss. Das Gesetz soll das noch immer mangelhafte Bewusstsein für sexuelle Belästigung als Straftat verstärken. „Sexuelle Belästigung ist Gewalt an Frauen”, so Heinisch-Hosek. atina www.redbook.at/home/blog
demo Achtung, Krötenwanderung! „Die Kröten – Geld, Kohle, Moneten – wandern wieder” heißt es im Demo-Aufruf für den 1. Oktober in Wien. Allerdings wandern sie in die falsche Richtung, nämlich in Budgetlöcher, die durch Bankenrettungspakete usw. entstanden sind. Dorthin, wo schon länger finanzieller Notstand herrscht, wie etwa zu Universitäten, Schulen, Fraueneinrichtungen, arbeitsmarktpolitische Einrichtungen, wandern sie nicht. Das kommende Budget wird die Situation wohl noch verschlimmern. Die Demo, die von zahlreichen Initiativen und GewerkschafterInnen ausgeht, versteht sich aber nicht als reine „Anti-Sparpaket”-Aktion: Es werden so viele Kröten gefordert, wie nötig sind. sylk Kundgebung und Demo „Kröten-Wanderung“ am 1. Oktober 2010, Treffpunkt: 17.00, Grünbergplatz vor dem Haus des Meeres
Riot Grrrls reloaded in Graz Anfang dieses Jahres fand in Graz erstmals die „Grrrls Night Out” statt, die Musik- und Kunstschaffen von Frauen in den Fokus stellte. Das Engagement und die Begeisterung bei diesem Event führte auch zur Gründung des „Grrrls Kulturverein”, der der mangelnden Repräsentation von Frauen in der Rockmusik etwas entgegensetzen will. Mira Anaïs Rojzman sprach darüber mit Christina Lessiak. Die historische Entwicklung der Riot-Grrrl-Bewegung ist stark mit der Punk- bzw. Hardcore-Szene verknüpft. Bedient ihr somit auch nur bestimmte Genres? Musikalisch ist der Verein nur bedingt an die Riot-Grrrl-Bewegung gebunden. Grundsätzlich beschränkt es sich auf U-Musik, wobei der Fokus auf Rock in all seiner Vielfalt gelegt wird – und dazu gehört natürlich auch Punk. Der Verein ist insofern von den US-amerikanischen Riot Grrrls inspiriert, als sich auch dort Frauen aufgrund der Dominanz von Männern in der Szene einen eigenen Raum geschaffen haben, in dem sie ihre Musik performen können. Welche Ziele verfolgt der Grrrls Kulturverein? Uns ist es wichtig, Bands, in denen Frauen aktiv, aber noch wenig bekannt sind, zu finden, kennenzulernen, sie untereinander zu vernetzen und auf die Bühne zu bringen. Seht ihr euch als ein feministisches Kollektiv? Der Verein versteht sich nicht als explizit feministisch. Im Vordergrund steht der Wunsch, die Vielfalt im Rockmusikbereich zu fördern, in dem Frauen noch immer unterrepräsentiert sind – und nicht, die Musikszene als solche zu kritisieren. Mit dem Kulturverein wollen wir die Musikerinnenquote im Gesamten langfristig heben. Kann jede_r mitwirken? Einerseits freuen wir uns, wenn Interessierte Vereinsmitglied werden – und dass kann jede_r! Der Jahresbeitrag von zehn Euro macht es uns möglich, weitere Konzerte zu veranstalten und das Projekt fortzuführen. Da der Verein nicht nur die Konzertreihe „Grrrls Night Out” veranstaltet, sondern auch eine Online-Community aufbauen möchte, sind alle Musikerinnen und Bands, in denen Frauen aktiv sind, dazu eingeladen, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Interessierte können mit uns entweder auf Facebook – dort wurde die Gruppe „Grrrls Night Out” eingerichtet – oder via E-Mail (grrrls.night.out@gmail.com) Kontakt aufnehmen.
http://meinehp.com/Grrrls Nach dem zweiten Teil im Juni findet Grrrls Night Out Vol. III am 13. November 2010 statt.
September 2010 an.schläge l 07
frauenbewegung
Ein Rudel Löwinnen gesucht Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) wandelt auf Johanna Dohnals Spuren: Sie sucht das Gespräch und den Rückhalt autonomer Feministinnen. Nach ersten Gesprächsrunden ist nun eine große Enquete in Planung, weiß Gabi Horak.
www.wallpapers-free.co.uk
Es brennt an allen Ecken und Enden. Besonders tragisch könnte der Flächenbrand durch massive Budgetkürzungen im kommenden Jahr ausgehen: Die Angst ist groß, dass dann viele Fraueneinrichtungen zusperren müssen. Aber auch in anderen Bereichen warnen die Expertinnen vor Glutnestern. Von der Zunahme an Gewaltopfern bis zu Frauenarmut, vom Anti-Rolemodel „Germanys next Topmodel” bis zur Väterrechtsbewegung – die gesellschaftlichen Verhältnisse radikalisieren sich. „Es gibt so viele Ebenen, wo sich die Lebenssituation von Frauen verschärft”, konstatiert etwa Anneliese ErdemgilBrandstätter von der Frauenberatungsstelle Kassandra im Rahmen eines offenen Treffens mit Frauenministerin Heinisch-Hosek.
Die Vortragsreihe „Nachdrücklich vorbildlich” von Petra Unger im KosmosTheater geht den ganzen Herbst weiter und endet am 13. Dezember mit dem Expertinnengespräch „Sag mir, wo die Frauenbewegung ist”. Alle Termine online unter: www.kosmostheater.at Informationen zu den laufenden Vorbereitungstreffen „100 Jahre Frauendemo” bei office@petra-unger.at
08 l an.schläge September 2010
Auf Dohnals Spuren. Ende Mai lud Petra Unger, Kulturvermittlerin und Expertin für feministische Forschung, im Rahmen einer Vortragsreihe die Frauenministerin ins KosmosTheater in Wien ein. Im Publikum waren noch wenige Frauen, die aber zu einem umso intensiveren Gespräch mit der Frauenministerin fanden. Es ging vor allem darum, wie die Ministerin mit autonomen Frauen kooperieren kann und welche Form von Wissen und Unterstützung sie braucht, um wichtige feministische Anliegen durchzusetzen. Und weil die Diskussion so gut verlief,
zückte Heinisch-Hosek ihren Terminplaner, um gleich einen Folgetermin zu vereinbaren. Am 21. Juni fand dieses zweite, offene Treffen im KosmosTheater statt, und dieses Mal waren bereits über sechzig Frauen anwesend: Aktivistinnen aus vielen verschiedenen Bereichen mit unterschiedlichsten Anliegen und Vorschlägen, wie es denn weitergehen soll. Fix ist eine große Enquete, die im Frauenministerium stattfinden soll und zu der wieder viele verschiedene Frauen und Expertinnen eingeladen werden. Der ursprünglich angepeilte Termin im Herbst wird aber wohl nicht zu halten sein. Heinisch-Hosek auf Anfrage der an.schläge: „Ich stehe zu meiner Zusage, kann allerdings aufgrund der bevorstehenden schwierigen Budgetverhandlungen im Herbst nicht versprechen, dass eine solche Veranstaltung noch in diesem Jahr stattfinden kann.” Regelmäßige Treffen mit Aktivistinnen, runde Tische und Enqueten – der relativ enge Kontakt zwischen der ersten Frauenministerin Johanna Dohnal und der autonomen Frauenbewegung in den 1980ern gibt eine gute Vorlage für die jüngsten Bemühungen um Gespräche und Austausch. „Diese Treffen damals waren sehr wichtig für die Vernetzung der Fraueninitiativen, und es war sehr gut, dass Dohnal das finanziert hat”, erinnert sich Heidi Ambrosch, KPÖFrauenpolitikerin und Aktivistin in
zahlreichen Netzwerken. Zwar sind viele Diskussionen, Forderungen und Maßnahmenpakete auch unter Dohnal in Schubladen verstaubt, an Partei und Politik gescheitert. Aber die kritische Auseinandersetzung, die mit der ersten Frauenministerin möglich war, ist bis heute einzigartig. Auch Rosemarie Ertl vom Netzwerk österreichischer Frauen- & Mädchenberatungsstellen war dabei: „Dohnal wollte kritisiert werden und hielt das auch aus. Bei den heutigen Frauenministerinnen müssen wir schon stark aufpassen, was wir sagen.” Heinisch-Hosek holte sich immer wieder Rat bei der heuer verstorbenen Johanna Dohnal – auch jenen, unbedingt den Kontakt zur autonomen Frauenbewegung zu pflegen. Kritik an ihrer Arbeit als Frauenministerin wünschte sie sich auch beim offenen Treffen im KosmosTheater – allerdings sind sich die Aktivistinnen einig: Was es jetzt braucht, ist Solidarität und ein gemeinsames, starkes Vorgehen. Druck der Basis halten. „Ich sehe keine Chance, dass ich zu mehr Geld komme”, gab die Frauenministerin gleich zu Beginn der Diskussion Ende Juni zu. Im an.schläge-Interview verspricht sie aber, dass die finanzielle Absicherung der Frauen- und Mädchenberatungsstellen „absolut im Vordergrund” stehe: „Dafür werde ich wie eine Löwin kämpfen.”
frauenbewegung Der Austausch mit engagierten Frauen bestärke sie in ihrem Bemühen, „das gibt mir Kraft und Motivation weiter zu tun”. Gemeinsam mit einer starken Gruppe von Aktivistinnen könne sie mehr bewegen, beschwor die Ministerin das Publikum im KosmosTheater. Und die angesprochenen Frauen scheinen diesen Weg mitgehen zu wollen: In vielen Themenbereichen gebe es bereits eine intensive Zusammenarbeit mit dem
im Ministerium sei dann aber nicht immer transparent. Ein Beispiel: Der Ende Juni präsentierte Nationale Aktionsplan zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt. An der Vorbereitung des Nationalen Aktionsplans (kurz: NAP) waren viele NGOs und Expertinnen beteiligt. Ein erstes Leitpapier wurde bei einem großen Treffen Ende Juni 2009 diskutiert. „Dann haben die eingeladenen Expertinnen monatelang nichts mehr
Zwar sind viele Diskussionen, Forderungen und Maßnahmenpakete auch unter Johanna Dohnal in Schubladen verstaubt. Aber die kritische Auseinandersetzung, die mit der ersten Frauenministerin möglich war, ist bis heute einzigartig. Frauenministerium, bestätigt Rosemarie Ertl. „Die Ministerin braucht die Unterstützung der Basis.” Auch für Heidi Ambrosch ist klar: „Wir müssen den Druck der Frauenbewegung halten.” Und schließlich fängt die Zusammenarbeit ja nicht bei Null an: Vom Frauenvolksbegehren bis zum feministischen Regierungsprogramm gibt es zahlreiche fertig ausgearbeitete Forderungen und Strategien, die „nur” mehr auf Umsetzung warten. Und dafür braucht es wohl einen ganzen Rudel Löwinnen. Bessere Zusammenarbeit. Immerhin war der Kontakt zu den Frauenministerinnen in den letzten Jahren (seit dem Ende der Ära Schwarz-Blau) recht gut. „Die letzten drei Frauenministerinnen waren alle sehr an unserer Arbeit interessiert”, meint Ertl. „Ein Problem war aber, dass sie sehr kurz im Amt waren.” Kaum war die eine Ministerin eingearbeitet, war sie auch schon wieder weg. Eine längerfristige Zusammenarbeit ist daher bislang nur mit den Beamtinnen im Ministerinnenbüro möglich gewesen. Die Kommunikation zwischen Frauenministerium und Fraueninitiativen könnte aber noch besser sein. Rosemarie Ertl berichtet von spürbarer Wertschätzung der Ministerin Heinisch-Hosek und guten Besprechungen. Die weitere Arbeit
gehört”, so Ertl. Auf Nachfrage habe sich herausgestellt, dass der NAP sehr wohl intensiv verhandelt wurde, „aber das wurde nicht kommuniziert, und die Expertinnen waren nicht mehr eingebunden.” Ein Jahr nach diesem Treffen wurde nun am 30. Juni 2010 der NAP präsentiert: Er beinhaltet ein Paket mit 55 „Vorschlägen” zur Gleichstellung. „Nun geht es um die Umsetzung”, schreibt Heinisch-Hosek im Vorwort. „Da sind nun alle Ressorts, die Sozialpartner und die Industriellenvereinigung gefordert, ihren Beitrag zu leisten.” Erneut ein Strategiepapier also, das auf Umsetzung wartet. Frauenaktivistinnen wissen: Ohne massiven Druck von allen Seiten und eine mutige Frauenministerin wird auch dieses Papier in einer Schublade verstauben. Frauenberatungsstellen am Limit. Sicher ist: Die nächsten Jahre werden sehr schwierig. Rosemarie Ertl erwartet für Frauenberatungsstellen nicht nur Kürzungen aus dem Frauenministerium, sondern auch aus vielen anderen Bereichen, etwa dem AMS. „Für die meisten Beratungsstellen ist es jetzt schon so eng, dass sie gar keine Kapazitäten etwa für politische Arbeit haben.” Sie erzählt von überarbeiteten Mitarbeiterinnen und Geschäftsführerinnen, die in letzter Zeit zunehmend
schwer erkranken. Damit einher geht drohende Entsolidarisierung: Wenn der Kuchen insgesamt kleiner wird, müssen einzelne Beratungsstellen ums eigene Überleben kämpfen. Auch deshalb sei die Vernetzung untereinander und die gute Zusammenarbeit mit der Frauenministerin nun wichtiger denn je. Anfang September findet im Schloss Laudon eine ganztägige Zukunftskonferenz statt, organisiert und finanziert vom Frauenministerium. Eingeladen sind alle Frauen- und Familienberatungsstellen Österreichs. Bei der Vorbereitung waren die Expertinnen vom Netzwerk zumindest inhaltlich eingebunden: „Hier hat die Zusammenarbeit gut funktioniert”, sagt Rosemarie Ertl. Am Programm steht einerseits ein Bedarfsbefund, sprich mit welchen Klientinnen und Problemen in nächster Zukunft zu rechnen ist, aber auch Finanzierungsfragen werden im Vordergrund stehen. Denn bei aller Rede über notwendige Einsparungen brauchen die Beratungsstellen in Wirklichkeit mehr Geld anstatt weniger. Ein Beispiel: Die gesetzlich vorgeschriebene Barrierefreiheit von Beratungsstellen bedarf teilweise umfangreicher Umbauarbeiten oder gar einer neuen Unterkunft. Dafür gibt es aber kein zusätzliches Budget. Zwar gibt es Förderungen für Umbauten zum barrierefreien Zugang, „aber die gibt es wieder nur, wenn die ansuchende Organisation sonst keine öffentlichen Förderungen bekommt”, so Ertl. Frauenberatungsstellen haben also keine Chance, an dieses Geld zu kommen. Hundert Jahre Frauendemo. 2011 jährt sich die erste Frauendemonstration auf der Wiener Ringstraße zum hundertsten Mal. Dieses Jubiläum mit seinen zahlreichen bereits geplanten Veranstaltungen bietet eine brauchbare Plattform für Informationen und Forderungen. Die Frauenministerin selbst hat bei der Diskussion Ende Juni vorgeschlagen, das Jubiläum für gemeinsame Aktionen zu nutzen. Das erklärte Ziel der Aktivistinnen der Vorbereitungsgruppe: Am 19. März 1911 gingen 20.000 Frauen (und Männer) für mehr Frauenrechte auf die Straße – 2011 sollen wieder 20.000 Frauen auf der Ringstraße gehen! Mit vereinten Kräften ist auch das zu schaffen. l September 2010 an.schläge l 09
sozialpolitik
Zumindest sicher? Die kommende Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist noch weit vom bedingungslosen Grundeinkommen entfernt – und stellt auch keinen Schutz vor Armut und Ausbeutung dar. Von Bettina Leibetseder Foto: Euromayday Hamburg 2007
Literaturtipps: Bettina Leibetseder: Sicherung und Gefährdung sozialer Rechte – absehbare Effekte des bevorstehenden Wandels von der Sozialhilfe zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung, SWS Rundschau, 2009, Vol 49, H 2, 177-198 Nancy Fraser: Die halbierte Gerechtigkeit. Schlüsselbegriffe des postindustriellen Sozialstaats. edition suhrkamp 2001 Bettina Leibetseder, Helga Kranewitter: Aktivierende Maßnahmen und soziale Dienste. Die Meinung von Frauen. Erste Ergebnisse aus den Fokusgruppen (2010); www.aurora-austria.eu Linktipps: www.grundeinkommen.at www.archiv-grundeinkommen.de
10 l an.schläge September 2010
Mit 1. September 2010 ist es so weit Verbesserungen in Sicht. Ein Antrag und wer ein Auto oder eine Eigentums(wenn auch nicht in allen Bundesauf Mindestsicherung kann nun auch wohnung besitzt, kann in den ersten ländern – die letzten stellen erst mit beim Arbeitsmarktservice (AMS) sechs Monaten trotzdem eine Leistung Jänner 2011 um): In Österreich wird und nicht mehr nur beim Sozialamt beziehen. die Sozialhilfe durch die sogenannte eingebracht werden, was vor allem für Des Weiteren sind endlich alle BezieBedarfsorientierte Mindestsicherung AMS-KlientInnen weniger stigmatisieherInnen der Mindestsicherung regulär abgelöst. Beides sind Formen eines rend ist. Über Anspruch und Höhe entkrankenversichert und erhalten damit klassischen Mindesteinkommens, da scheiden aber weiterhin die einzelnen eine E-Card. die Bedürftigkeit geprüft wird, kein Sozialämter. individueller, sondern ein HaushaltsanÄltere, nicht mehr arbeitsfähige MenLeistungsgrenzen. Mit 744 Euro spruch besteht und als Gegenleistung schen sollten ursprünglich ihren Antrag wurde allerdings eine Leistungshöhe Arbeitswilligkeit gefordert wird. bei der zuständigen Pensionsversichefestgeschrieben, die weit unter jenen Im Gegensatz dazu 951 Euro liegt, die in Öswäre ein allgemeifür alleinstehende Obwohl die neue Mindestsicherung die terreich nes bedingungsloses Menschen als Grenze zur Armut vieler Menschen verringern wird, Armutsgefährdung gelten. Grundeinkommen dann gegeben, wenn reduziert sie nicht die Armutsgefährdung – Trotzdem ist die Mines einen individuellen destsicherung meistens einfach, weil sie zu niedrig ist. Anspruch gibt, keine höher als die bisherigen Bedarfsprüfung vorSozialhilfeleistungen der ausgeht und die Arbeitswilligkeit nicht rungsanstalt einbringen können. Das Bundesländer. Größeren Familien oder überprüft wird. Doch davon sind wir hätte vor allem Frauen ohne PensionsAlleinerziehenden stehen aber auch noch weit entfernt. anspruch den Zugang erleichtert, ist Verschlechterungen bevor, da die bisheSeit 2003 laufen die Verhandlungen aber in den vielen Jahren der Diskussirigen Richtsätze für gewisse Familien für eine Vereinbarung zwischen Bund on vollständig in Vergessenheit geraten. in manchen Bundesländern höhere und Ländern über die Einführung Durchgehalten wurde immerhin die Leistungen vorsahen. einer Bedarfsorientierten MindestsiAbschaffung der Rückzahlungspflicht für Arbeit soll sich auf jeden Fall für alle cherung. Neuwahlen, Finanzausgleich, die BezieherInnen: Es muss in Zumöglichen Haushaltsformen und unter der Widerstand einzelner Bundeslänkunft in keinem Bundesland mehr eine Berücksichtigung aller Leistungsbezüge der und zuletzt die Diskussion um das Leistung zurückgezahlt werden, wenn auszahlen. Hier zeigt sich das sogeTransferkonto führten zu einem sehr wieder ein Erwerbseinkommen vornannte Lohnabstandsgebot, demzufolge langwierigen Prozess. Was nun endlich handen ist. Erwachsene Kinder müssen zwar die Existenz gesichert sein soll, kommen wird, bringt zwar einige in so einem Fall auch keine Leistung gleichzeitig die BezieherInnen aber Besserungen, vor Armut und Ausbeuzurückzahlen, die die Eltern vom Sozial- nicht davon abgehalten werden, eine tung schützt die Mindestsicherung amt erhalten (und umgekehrt). Ebenso niedrig bezahlte Tätigkeit anzunehmen. aber nicht. gibt es nun einen Vermögensfreibetrag, Der ÖGB versuchte deshalb heuer eine
Erhöhung des Mindestlohns von eintausend auf 1.300 Euro zu erreichen, was mit dem geringen Abstand zur Mindestsicherung argumentiert wurde. Ein Vorstoß, der von einem Vertreter der ÖVP als „Jobkiller” bezeichnet wurde. Förderung des Niedriglohnsektors? Neu ist, dass alle BezieherInnen der Mindestsicherung, die arbeitsfähig sind, nun beim AMS als arbeitssuchend gemeldet sein müssen. In vielen Bundesländern war das bereits Usus – in manchen Bezirken jedoch wurde von den AMS-BeraterInnen nur der nächste Termin ausgemacht, aber keine weiteren Schritte für eine Arbeitsmarktintegration gesetzt. Nun erhält das AMS mehr BeraterInnen und mehr Ressourcen für Maßnahmen, die auch MindestsicherungsbezieherInnen zugänglich sein werden. Gleichzeitig gelten aber die Bestimmungen des AMS für eine Jobsuche, und Sperren, die von Kürzungen bis zur völligen Streichung des Bezugs führen können, werden gleich an das Sozialamt weitergeleitet. BezieherInnen der bisherigen Sozialhilfe fürchten sich nun vor der Vermittlung an Leasingfirmen, vor Teilzeitbeschäftigungen sowie vor der Verpflichtung zu wenig zielführenden Kursen. Personen mit Kinderbetreuungspflichten müssen bei der Mindestsicherung dem Arbeitsmarkt schon vor dem dritten Lebensjahr des Kindes zur Verfügung stehen, wenn ein Kinderbetreuungsplatz vorhanden ist. In Verbindung mit den Änderungen im Kinderbetreuungsgeld zeigt sich, dass eine Existenzsicherung ohne Mindestsicherung für Niedrigeinkommensfamilien nur mehr im ersten Jahr möglich ist, weil nur dann ein erhöhtes Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt wird. Bis 2009 wurde in den ersten drei Lebensjahren ein Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt, den die Elternteile bei ausreichendem Einkommen noch Jahre später zurückzahlen mussten. In vielen Bezirken wird wahrscheinlich die Mindestsicherung noch immer bis zum Ende des KinderbetreuungsgeldBezugs ausbezahlt werden, ohne dass eine Arbeitssuche beider Elternteile oder einer/s Alleinziehenden verlangt wird. In manchen Bezirken wird das aber früh eine Bedingung sein, um eine Leistung zu erhalten. Das gesellschaft-
neuland
liche Ideal für den Mittelstand – das Zuhausebleiben der Frauen unterstützt durch das Kinderbetreuungsgeld – wird so für Ärmere, etwa Alleinerziehende und Mehr-Kind-Familien, unerreichbar. Tschüss, Umverteilung. Die neue Mindestsicherung bietet sicherlich eine bessere Existenzsicherung und einen erleichterten Zugang. Obwohl sie die Armut vieler Menschen verringern wird, reduziert sie nicht die Armutsgefährdung – einfach, weil sie zu niedrig ist. Sie kann keinen Anschluss an die gesellschaftliche Mitte ermöglichen, da sie nicht als Mechanismus zur Umverteilung gedacht ist. Umverteilung funktioniert weiterhin über das Steuer- und Sozialversicherungssystem. Doch hier liegt das neue Dilemma: Einerseits müssen die BezieherInnen der Mindestsicherung Arbeit suchen; andererseits sind die Tätigkeiten, die sich ihnen bieten, oft keine Jobs, die dauerhafte Sicherheit gewährleisten können. Es stellt sich die Frage, ob mit einer solchen Sozialgesetzgebung der Niedriglohnsektor nicht sogar gefördert wird, weil schlecht bezahlte Tätigkeiten angenommen werden müssen, gleichzeitig jedoch die Mindestlöhne nicht erhöht werden. Aus frauenpolitischer Perspektive bedeutet das, dass die Kombination von Kind, Teilzeitbeschäftigung im Dienstleistungsbereich und die Notwendigkeit von sozialen Leistungen zum Alltag von noch mehr Frauen gehören wird. Ein allgemeines bedingungsloses Grundeinkommen würde zwar vom Zwang zur Arbeitssuche entbinden, aber aufgrund der wahrscheinlich geringen Leistungshöhe eine „freiwillige” Teilzeitbeschäftigung erzwingen. Doch was darf das AMS von Arbeitslosen verlangen, insbesondere bei Kinderbetreuungspflichten? Welche Tätigkeiten dürfen durch das AMS vermittelt werden? Wie hoch sollen Mindestsicherung und Mindestlohn sein? Und wie lange sollen die Kinder zu Hause betreut werden können, ohne Schicht- oder Geschlechterdifferenzen zu verstärken? Mittelfristig werden Fragestellungen wie diese neu zu diskutieren sein. l Bettina Leibetseder arbeitet am Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik der Johannes Kepler Universität in Linz.
entdeckungen im alltag
Beate Hammond
Mein Nebenjob Ich habe einen Beruf, mit dem ich meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Damit ich meinen Beruf ausüben kann, habe ich studiert, Bewerbungen geschrieben, Examen abgelegt und Vorstellungsgespräche absolviert. Seit ich denken kann, habe ich außerdem einen Nebenjob. Auf diesen habe ich weder hingearbeitet noch habe ich ihn angestrebt. Im Gegenteil, ich wäre ihn am liebsten los, denn er ist anstrengend, stressig, beansprucht einen großen Teil meiner immer kürzer werdenden Lebenszeit und wird – wenn ich mir an dieser Stelle eine materialistische Bemerkung erlauben darf – äußerst schlecht bezahlt, nämlich überhaupt nicht. Wer bin ich also? Ich bin Botschafterin, die persönliche Repräsentantin aller schwarzen Menschen dieser Welt. In meinem Nebenjob bin ich als Individuum bedeutungslos und nur durch die Zugehörigkeit zum imaginären Kollektiv der schwarzen Menschen interessant. In meinem Nebenjob muss ich repräsentieren – ob ich es will oder nicht. Meine individuellen guten und schlechten Eigenschaften werden zu gruppentypischen Charakteristiken. Passiert etwas ganz Schlimmes, werde ich zum Rapport bestellt. Dann muss ich mich für Straf- oder Missetaten anderer (und sei es auch nur das Foul, das Kevin-Prince Boateng vom FC Portsmouth vor der Fußball-WM an Michael Ballack vom FC Chelsea verübte) rechtfertigen. Unkenntnis ist dabei kein Entschuldigungsgrund – ich muss den Sachverhalt kennen und eine Position entwickelt haben. Meistens sind die Erklärungen, die ich in meinem Nebenjob abgeben muss, eher banalerer Natur, beispielsweise warum eine Fußballweltmeisterschaft auf afrikanischem Boden nicht zwangsläufig eine Katastrophe sein muss. In meinem Nebenjob werden mir aber auch Botschaften überbracht, beispielsweise dass Barack Obama an und für sich ganz in Ordnung sei oder dass die Person, mit der ich spreche, vor einiger Zeit (meistens vor Jahren oder Jahrzehnten) einen Afrikaner, eine Afrikanerin oder jemanden, „der etwas dunkler war”, kennengelernt hat und diese Person „eigentlich ganz nett” gefunden hat. Ich nehme dies dann, ganz diplomatisch, mit einem huldvollen Lächeln zur Kenntnis. Beate Hammond macht ihre Entdeckungen in Wien.
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antiziganismus
Zero Tolerance für Roma Im August begann Frankreich mit der Massenabschiebung dutzender Roma. Staatspräsident Nicolas Sarkozy steht mit seiner Law&Order-Politik nicht alleine da: In ganz Europa wächst die antiziganistische Stimmungsmache. Von Vina Yun
Foto: Alain G. Pottier, Montage: an.schläge
1 www.youtube.com/ watch?v=HOtKV60wSFQ 2 www.liberation.fr/ politiques/0101649576-legouvernement-demarre-auquart-de-tour-contre-lesgrosses-cylindrees-des-gensdu-voyage 3 http://tempsreel. nouvelobs.com/actualite/ politique/20100721. OBS7454/sarkozy-scandalise-les-associations-avec-sareunion-sur-les-roms.html 4 www.eitb.com/infos/politique/detail/476338/nicolassarkozy-declare-guerrenationale-aux-delinquants 5 http://tempsreel. nouvelobs.com/actualite/ politique/20100817. OBS8610/expulsion-deroms-eric-besson-refute-leterme-de-rafles.html 6 www.errc.org/cikk. php?cikk=3616
12 l an.schläge September 2010
Der Pariser Elysée-Palast Ende Juli: Nach einer Krisensitzung mit Staatspräsident Nicolas Sarkozy kündigt Innenminister Brice Hortefeux an, binnen drei Monaten die Hälfte der informellen Roma-Wohnsiedlungen im Land, also rund 300, abreißen zu lassen. Darüber hinaus verkündet Hortefeux: „Wir werden quasi umgehend damit beginnen, Roma, die die öffentliche Ordnung stören oder straffällig werden, nach Bulgarien oder Rumänien rückzuführen.”1 Bis Ende August sollen insgesamt rund 700 Roma „in ihre Heimat” geflogen werden. Doch das ist nicht alles. Zusätzlich will Hortefeux unter anderem zehn Steuerfahnder_innen die Siedlungen der „fahrenden Leute” („gens de voyage”) und Roma durchkämmen lassen, „denn viele unserer Landsleute sind zu Recht verwundert über die Größe mancher Autos und Wohnwägen”.2 Grund für die Krisensitzung, an der auch Justizministerin Michèle Alliot-Marie, Einwanderungsminister Eric Besson und hohe Funktionäre der Exekutive teilnahmen, war der Angriff einer Gruppe von Roma auf die örtliche Gendarmerie-Station im zentralfranzösischen Örtchen Saint-Aignan. Zwei Wochen zuvor war dort Luigi Duquenet, ein 22
Jahre junger Rom, von einem Gendarmen bei einer Verkehrskontrolle unter zweifelhaften Umständen erschossen worden. Law & Order à la française. Sarkozy, der schon Mitte der 2000er Jahre als Innenminister den rechten Hardliner gegeben hatte, nahm diesen und weitere Vorfälle zum Anlass, um abermals die „innere Sicherheit” an die Spitze der Tagesordnung zu setzen. Die Krawalle verdeutlichten „die Probleme, die das Verhalten von manchen fahrenden Leuten und Roma verursachen”3, so der Staatschef, der den „Schiebern” und „Gaunern” den „nationalen Krieg” erklärt hat. Einmal mehr verlinkt Sarkozy die Einwanderungsdebatte mit dem Kriminalitätsdiskurs und droht: „Die französische Staatsangehörigkeit muss jeder Person ausländischer Herkunft entzogen werden können, die einen Angriff auf das Leben eines Polizisten, eines Gendarmen oder eines anderen Vertreters der Staatsgewalt unternommen hat” – die Zugehörigkeit zur Nation müsse „man sich verdienen und sich dieser würdig erweisen”.4 Trotz anhaltender Kritik inner- und außerhalb Frankreichs wurden am 19.
August die ersten Roma aus Frankreich nach Rumänien abgeschoben. Sie sind nicht die ersten: Im vergangenen Jahr waren bereits ein Drittel aller Deportierten Roma – insgesamt fast 10.000 Menschen. Die jüngst ausgewiesenen 93 Personen sollen sich jedoch zu einer „freiwilligen Rückkehr” bereit erklärt haben, betont Hortefeux. Als besonderer „Anreiz” wird eine Geldprämie geboten: Pro Erwachsenem werden dreihundert Euro, für jedes Kind einhundert Euro bezahlt. Weil rumänische und bulgarische Roma aber auch EU-Bürger_innen sind und daher das Recht auf Freizügigkeit in der europäischen Union genießen, sich also innerhalb der EU frei bewegen können, hat Einwanderungsminister Besson vorgesorgt: Mit der Einführung des neuen biometrischen Systems „Oscar” werde verhindert, dass Ausgewiesene erneut finanzielle Unterstützung bekommen und immer wieder nach Frankreich zurückkehren.5 Auch sein UMP-Parteikollege und Parlamentsabgeordneter Jacques Myard stellte in einem Interview mit dem Nachrichtensender „Al Jazeera” das Freizügigkeitsrecht für Roma innerhalb der EU als solches in Frage.6
antiziganismus Erzwungene Nicht-Sesshaftigkeit. In Frankreich, wo verwaltungsrechtlich zwischen (aus Bulgarien und Rumänien migrierten) „Roma” und „gens de voyage” – zu 95 Prozent französische Staatsbürger_innen – unterschieden wird, sind Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohner_innen dazu verpflichtet, den „fahrenden Leuten” geeignetes Gelände zur Verfügung zu stellen. Meist wird diese Vorschrift aber nicht umgesetzt. Die Diskriminierungen, mit denen sich die Mehrheit der Roma in Frankreich (und nicht nur dort) konfrontiert sieht, sind vor allem der Ausschluss aus dem formellen Arbeitsmarkt und dem Bildungsbereich sowie der fehlende Zugang zu Wohnungen. Roma und „gens de voyage” werden also immer wieder zur Nicht-Sesshaftigkeit gezwungen. Angesichts der Polizeirazzien, des Abrisses der selbst gebauten Unterkünfte und des unverhohlenen Rassismus kann von einer „freien Entscheidung” zur
Auch die wissenschaftliche Forschung zum Antiziganismus entfaltet sich eher zögerlich. Als „allgegenwärtiges Ressentiment”, das in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen gleichzeitig zu finden ist – sei es in der Politik, Wissenschaft, Kunst oder in den Medien –, wiederholen sich die rassistischen Zuschreibungen an Roma beharrlich. „Wild, frei, musikalisch” bilden dabei nur die Kehrseite von „dreckig, stehlend, vaterlandslos”. Mit geschätzten zehn bis zwölf Millionen Menschen stellen Roma die größte, wenn auch sehr heterogene Minderheit in Europa dar. Doch erst in den letzten Jahren sind sie auch im medialen Diskurs sichtbarer geworden. Diese verstärkte Aufmerksamkeit ist auf mehrere Dinge zurückzuführen – etwa dem Fokus auf die antiziganistische Hetze in Osteuropa wie beispielsweise in Ungarn, wo die rechtsextreme Jobbik-Partei im Frühjahr mit Anti-Roma-Parolen als drittstärkste Kraft ins Parlament gezogen ist und wo ihr
Der aktuelle Anti-Roma-Populismus à la Sarkozy greift auf tief verwurzelte Vorurteile und Stereotype zurück, die fester Bestandteil der europäischen Kultur geworden sind. Rückkehr ohnehin keine Rede sein. Medienberichten zufolge7 begrüßen rund achtzig Prozent der französischen Bevölkerung die Räumungen der informellen Roma-Wohnsiedlungen. Die Auflösung der „camps illicites” ist bereits im vollen Gange. Allgegenwärtiger Rassismus. Der aktuelle Anti-Roma-Populismus à la Sarkozy greift auf tief verwurzelte Vorurteile und Stereotype zurück, die „fester Bestandteil der europäischen Kultur” geworden sind, wie Rudko Kawczynski, Präsident des European Roma and Travellers Forum, im Vorwort der Sammelbandes „Antiziganistische Zustände” schreibt. „Anders als der Antisemitismus wurde der Antiziganismus jedoch nie grundsätzlich in Frage gestellt, geschweige denn in irgendeiner Form bekämpft. (…) Der Holocaust an den europäischen Roma stellt nach wie vor nur eine Fußnote in der Geschichtsschreibung dar.”8
paramilitärischer Flügel, die Ungarische Garde, immer wieder mit Drohgebärden durch Roma-Siedlungen marschiert. Die aktuellen Ereignisse in Frankreich beweisen hingegen, dass die Konjunktur des Antiziganismus kein Phänomen der ehemaligen realsozialistischen Staaten ist. Exemplarisch lässt sich der Rassismus gegen Roma auch in Italien beobachten: Dort erlebte die Roma-Bevölkerung während der letzten Jahre wiederholt Wellen gewalttätiger, rechtsextremer Ausschreitungen ebenso wie Gesetzgebungen, die unmittelbar gegen sie gerichtet sind. Klage gegen Dänemark. Ähnliches trifft auch für die als „tolerant” geltenden skandinavischen Länder zu: Im Juli wies Dänemark 23 rumänische Roma aus und belegte sie mit einem mehrjährigen Einreiseverbot. Begründung: „Bedrohung der öffentlichen Ordnung.”9 Dieses Vorgehen widerspreche aber der Aufenthaltsdirektive der EU, interve-
nierten Kritiker_innen – demnach ist die Ausweisung von EU-Bürger_innen nur dann und auch nur im geprüften Einzelfall erlaubt, wenn eine „reale, unmittelbare und ernsthafte Bedrohung grundlegender öffentlicher Interessen” vorliegt (weshalb auch Frankreich mit seinen Abschiebungen im großen Stil europäisches Recht verletzt). Illegales Campen auf einem unverschlossenen Fabriksgelände, wie es die abgeschobenen Rumän_innen taten, dürfte nicht dazu gehören. Mit Unterstützung des European Roma Rights Centre in Budapest wollen die Betroffenen nun den dänischen Staat wegen Verletzung ihrer Rechte als EU-Bürger_innen verklagen – ein Präzedenzfall, der für andere Länder beispielgebend werden könnte. Auch durch die Auseinandersetzungen rund um das Verbot des „organisierten Bettelns” in unterschiedlichen Ländern (darunter Österreich, Dänemark oder Finnland)10 sind Roma in den Medien – wenngleich in negativer Art und Weise – präsenter geworden. Schweden rechtfertigte übrigens die kürzliche Abschiebung von Roma mit dem Hinweis, Betteln sei eine „unehrliche Weise, Geld zu verdienen”.11 Geht es nach dem französischen Magazin „Marianne” heißt der wahre Gauner Nicolas Sarkozy. Mit der Stimmungsmache gegen die Roma-Bevölkerung kann der französische Staatschef nicht nur vom jüngsten Spendenskandal rund um die undeklarierten Spendenzahlungen der L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt für seinen Präsidentschaftswahlkampf 2007 ablenken. Ohne politische Sanktionen fürchten zu müssen, mobilisiert Sarkozy schon jetzt die rechte Wähler_ innenschaft für die nächsten Präsidentenwahlen 2012. l
7 Zum Beispiel: http://derstandard. at/1281829355799/Parisdementiert-Sonderfluegezur-Abschiebung-von-Roma 8 Markus End, Kathrin Herold, Yvonne Robel (Hg. Innen): Antiziganistische Zustände. Zur Kritik eines allgegenwärtigen Ressentiments. Unrast 2009 9 www.fr-online.de/ politik/roma-verklagen-daenemark//1472596/4538194/-/index. html 10 Vgl. www.armutskonferenz.at/newsletter/newsletter-2006-01.html 11 http://news.orf.at/ stories/2006819 Weitere Quellen: www.roma-service.at/ dromablog http://volksgruppen.orf.at www.lepost.fr www. france24.com www.lefigaro.fr www.sz.de
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an.riss international kampagne Gefragt: Mehrfachdiskriminierung Diskriminierung und Gewalt gehören zum Alltag vieler Lesben und Trans*personen. Mit einer neuen Kampagne möchte LesMigraS, der Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin, nun diese Erfahrungen sichtbar machen: Die aktuelle Umfrage über „Gewalt- und Mehrfachdiskriminierungserfahrungen von lesbischen, bisexuellen Frauen und Trans*Menschen” ist die erste quantitative Untersuchung zum Thema. Als Gewalt werden „alle Ausdrucksweisen von Homophobie, Transphobie, Sexismus und Rassismus” definiert – „denn lesbische, bisexuelle Frauen und Trans*Menschen sind nicht nur LBT, sondern sie haben auch immer eine Herkunft, eine Hautfarbe, eine (oder mehrere) Genderidentität(en)”, so der Kampagnentext. Der Fragebogen liegt bei LesMigraS und diversen LBT-Einrichtungen auf, kann aber auch online auf der LesMigraS-Homepage in sechs Sprachen abgerufen werden. Die Ergebnisse der Studie werden ab September 2011 als Print- und Online-Broschüre veröffentlicht. viyu LesMigraS – Lesbenberatung Berlin e.V , 10783 Berlin, Kulmer Str. 20a, T.+49/30/21 91 50 90, www.lesmigras.de, kampagne@lesmigras.de
eu Mutterschutz für Selbstständige
Bild: aktuelles Plakat LesMigraS
vereinte nationen „UN Women“ am Start Am 2. Juli 2010 entschied die Vollversammlung der UNO die Schaffung der „UN Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women”, kurz UN Women. „UN-Women wird Frauen und Mädchen die starke und vereinte Stimme geben, die sie auf der Welt verdienen”, erklärte die stellvertretende Generalsekretärin Asha-Rose Migiro zur Gründung der neuen Einheit, die die bisherigen vier UN-Frauenförderungs- und Gleichstellungsprogramme zusammenführt. Der Beschluss der UN-Vollversammlung wurde – nach harscher Kritik von Frauenrechtsorganisationen an der weltweit mangelnden Umsetzung von frauenpolitischen Forderungen – als längst überfällig angesehen. Die Pekinger Aktionsplattform, eines der wichtigsten internationalen Dokumente für die Anerkennung und Umsetzung von Frauenrechten, sei nach 15-jähriger Existenz „entpolitisiert und verwässert”, intervenierten NGO-Vertreterinnen etwa im Vorfeld der Tagung der UN-Frauenrechtskommission in New York im März 2010. Ein Netzwerk von über dreihundert Frauen- und Menschenrechtsorganisationen machte in der Folge Druck für eine zentrale und finanzstarke UN-Einheit zur Stärkung von Frauenrechten. Mit dem Budget von einer halben Milliarde US-Dollar soll UN Women ab 2011 vor allem zwischenstaatliche Körperschaften unterstützen und den Mitgliedsstaaten helfen, globale Standards zu erfüllen. atina www.frauenrat.de, www.unwomen.org
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Erstmals erhalten selbstständige Frauen und mitarbeitende PartnerInnen (aus Ehe oder anerkannter Lebensgemeinschaft) selbstständig Erwerbstätiger einen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschutzleistungen, die eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während mindestens 14 Wochen erlaubt. Möglich wird dies durch eine neue EU-Richtlinie, die am 4. August in Kraft getreten ist und von den Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden muss. Bislang wird EU-weit jedes dritte Unternehmen von einer Frau geführt. Rund elf Prozent der Selbstständigen in Europa werden von ihren Eheoder LebenspartnerInnen unterstützt. Oft arbeiten diese ohne Arbeitsvertrag in kleinen Familienunternehmen, wie etwa landwirtschaftlichen Betrieben oder Arztpraxen, mit. In der Regel sind mitarbeitende PartnerInnen jedoch völlig vom selbstständig erwerbstätigen Partner abhängig. Das Risiko zu verarmen ist im Falle einer Scheidung, bei Tod oder Zahlungsunfähigkeit des Partners daher besonders groß. viyu www.frauenrat.de, diestandard.at
großbritannien Asylpolitik: Alles andere als soft Mit dem Anbau zweier neuer Flügel stellt das „Immigration Removal Center” (IRC) im britischen Harmondsworth nunmehr das größte Abschiebehaftzentrum in Europa dar. Beim sogenannten Neubau handelt es sich eigentlich um den Wiederaufbau jener Teile, die 2006 bei Aufständen gegen die Haftbedingungen zerstört wurden. Offizielle Berichte der königlichen Gefängnisinspektorin Anne Owers bestätigen, dass es im Haftzentrum wiederholt zu Menschenrechtsverletzungen und Gewalttaten gekommen ist. Immigrationsminister Damien Green scheint davon wenig berührt: Großbritannien müsse sich „verbessern”, was das Abschieben von Personen anbelangt, man sei bisher zu „soft” vorgegangen, verlautbarte er bei seinem Einweihungsbesuch des IRC. Green spricht von den Häftlingen als „zum größten Teil vorbestrafte Gefangene, die schwere Gesetzesverstöße begangen haben”. In Abschiebehaft kann prin-
an.riss international zipiell jede_r genommen werden, der_die sich ohne gültige Aufenthaltsberechtigung im Land aufhält. Am Rande sei noch eine positive Entwicklung in Großbritanniens Asylpolitik erwähnt: Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes im Juli dürfen Homosexuelle, die in ihrem Herkunftsland aufgrund ihrer Sexualität verfolgt werden, in Großbritannien bleiben. atina
wartet sie auf ein gerechtes Verfahren. Die derzeitige Vorschriftenprüfung der Sportweltverbände gibt jedoch wenig Hoffnung. Das Internationale Olympische Komitee will sich weiterhin das Recht vorbehalten, Athletinnen, die sie der „intersex condition” verdächtigt, nach eigenem Ermessen auszuschließen. nita
Quellen: http://no-racism.net, www.heise.de/tp, http://diestandard.at
www.diestandard.at, www.indianexpress.com, www.zwischengeschlecht.org
gender trouble Semenyas Comeback
guatemala Im Goldrausch
Nach einer elfmonatigen Sperre der Läuferin Caster Semenya entschied der Leichtathletik-Weltverband IAAF, die Südafrikanerin offiziell als Frau starten zu lassen. Die Aufhebung der Sperre wird mit mehreren seit 2009 in Auftrag gegebenen Gutachten begründet. Medizinische Einzelheiten und das Motiv des Meinungsumschwungs sind nicht bekannt. Caster Semenya zeigte sich nach Bekanntwerden der Entscheidung erleichtert und glücklich über ihre Teilnahme an zukünftigen Sportereignissen. Sie freue sich vor allem darauf, dass ihr nach Wettkämpfen niemand mehr Fragen nach ihrem Geschlecht stelle. Ihr Comeback konnte sie im Juli mit einem zweiten Platz beim Leichtathletik-Meeting in Lappeenranta, Finnland feiern. 2009 kursierten im Vorfeld des 800-Meter-Laufes bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin Gerüchte über Semenyas mögliche Intersexualität. Eine Sperre lehnte die IAAF aufgrund mangelnder Beweise zunächst ab. Erst nach ihrem deutlichen Sieg ordnete der Verband Tests zur Überprüfung des Geschlechts an. QueerAktivist_innen und Menschenrechtsgruppen kritisierten die Tests heftig, Südafrika legte Beschwerde bei der UNO ein. Ein ähnliches Schicksal ereilte die indische Leichtathletin Santhi Soundarajan bei den Asienspielen 2006. Ihr wurde trotz äußerlich weiblicher Geschlechtsorgane ein männlicher Chromosomensatz nachgewiesen, „auf Verdacht” wurde sie von den Olympia-Verbänden ausgeschlossen. Im Gegensatz zu Semenya wurde Soundarajan allerdings keine öffentliche Unterstützung zuteil. Die Sportlerin wurde Opfer einer weltweiten Diffamierung, bei der ihre Persönlichkeits- und Menschenrechte massiv verletzt wurden. Bis heute
Die Spannungen zwischen den 18 indigenen Gemeinschaften des Departements San Marcos in Guatemala und den Betreibern der Goldmine „Marlin” endeten am 7. Juli 2010 in einer beinahe tödlichen Attacke auf die Menschenrechtlerin Deodora Hernández Cintoz – sie setzte sich in der Vergangenheit als eine der führenden AktivistInnen für die Rechte der indigenen Bevölkerung und den Umweltschutz in der Region ein. Betrieben wird „Marlin” von der Montana Exploradora, einem hundertprozentigen Tochterunternehmen des US-kanadischen Konzerns Goldcorp Inc.. Zu der 2005 eröffneten Goldmine wurden die dort lebenden Maya-Gemeinden jedoch nicht befragt und damit in ihrem Völkerrecht auf vorherige Konsultierung verletzt. Im Mai 2010 forderte die Interamerikanische Menschenrechtskommission die Regierung Guatemalas auf, die Bergbauaktivitäten umgehend einzustellen, bis ein endgültiges Urteil über die von den indigenen Gemeinschaften eingereichte Beschwerde gefällt ist. Auch der Einsatz aller notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Lebens, der Umwelt sowie der körperlichen Unversehrtheit der indigenen Bevölkerung sind wesentliche Bestandteile der Forderung. Trotz Zusicherungen der Regierung wurde nichts unternommen. Am 21. Juli hat sich nun Generalstaatsanwalt Guillermo Antonio Porras Ovalle an das Energieministerium gewandt, um eine temporäre Einstellung jeglicher Aktivitäten, die mit Montana Exploradora in Zusammenhang stehen, zu erwirken. Für die Menschenrechtsaktivistin Carmen Mejía ein möglicher Lichtblick, denn die aktuellen Drohungen gegen sie lassen Ähnliches wie im Falle Deodora Hernández Cintoz befürchten. nita
medienmix
Neues Gewand Seit 16. August liegt die jüngste Ausgabe des Missy Magazine am Kiosk. Das Cover ziert die den Mainstream sprengende Sängerin M.I.A. (kurz für „Missing in Action”). Doch auch Missy bleibt in Aktion, denn dem Magazin wurde durch Artdirektorin Daniela Burger und Bildchefin Hedi Lusser ein neues Outfit verpasst. Inhaltlich gibt’s diesmal u.a. einen Schwerpunkt zum Thema „Wenn Frauen bauen”, eine politische Bestandsaufnahme zu Feminismus im Internet, Einblicke in Sexliteratur für Frauen und Bastelanleitungen für ein BBQ-Rad. Näheres unter http://missy-magazine.de. fis
www.fian.org, www.amnesty.de, www.noalamina.org
Queerness auf Arabisch Begleitet von Verbotsforderungen kam vor einigen Monaten Mithly, das erste QueerMagazin in Marokko, in die Läden zum Verkauf. Mittlerweile erscheint die Zeitschrift auch online: www.mithly.net. Herausgegeben von der LGBT-Vereinigung KIFKIF geht es vor allem um die Forderung von Grundrechten: Homosexualität steht in Marokko nach wie vor unter Strafe. Informationen auf Arabisch, aber auch in englischer und französischer Sprache bietet Bekhsoos aus Jordanien. Hier gibt es wöchentlich Neuigkeiten zu queer-feministischen Themen: www.bekhsoos.com. fis
Frau mit Mission Ihr Name: Mrs. Pepstein. Ihr Musikgeschmack: exquisit. Ihre Mission: die subjektivste OneWoman-Show im Radio zu präsentieren. Bereits seit elf Jahren sendet die Medienpädagogin Katja Röckel monatlich Feministisches im freien Leipziger Sender „RadioBlau”. In Mrs. Pepsteins Welt gehört dazu Musik abseits des Mainstreams ebenso wie Interviews mit bekannten Musiker_innen und der Austausch mit Hörer_innen. Wiederholungen der Sendungen laufen auch in Hamburg und Halle über den Äther – alle Infos unter http://mrspepstein. blogspot.com. fis September 2010 an.schläge l 15
thema: kinderfrei
No kidding!
Immer mehr Frauen in den industrialisierten Ländern leben heute „childfree“ – also bewusst frei von Kind und Mutterschaft. Auch wenn der Feminismus den „natürlichen Kinderwunsch“ als ideologisch gesteuerte „Kinderpflicht“ entlarvt hat, nimmt gegenwärtig der Druck auf kinderlose Frauen wieder zu: Staatliche Politik, rechte DemagogInnen, aber auch das soziale Umfeld werfen ihnen Selbstsucht vor oder behaupten, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Das an.schlägeThema lotet aus, wie diese Diskurse funktionieren, wie Frauen mit den „Anrufungen zur Mutterschaft“ umgehen und wie es sich so lebt ganz ohne. Illustrationen: Bianca Tschaikner
16 l an.schläge September 2010
thema: kinderfrei
Dumme Fragerei Frauen, die keine Kinder wollen, müssen ihren Lebensentwurf immer häufiger und vehementer verteidigen. Die Geschichte zeigt jedoch, dass der Kinderwunsch nicht, wie so oft postuliert, in der Natur der Frau liegt, sondern ein soziales Konstrukt ist. Warum Frauen auch dann glücklich sein können, wenn sie kein „Ticken” hören, beleuchtet Silke Pixner.
„Bei meinem Mann, den kuckt man so an, und bei dem meint man, der kann sich das auch noch anders überlegen, während man bei mir automatisch vermutet, irgendwas muss mit mir fundamental nicht in Ordnung sein, dass mir irgendwie das Herz fehlt oder ein Mütterlichkeits-Gen oder überhaupt die Nächstenliebe. Das finde ich erstaunlich, muss ich sagen, dass man tatsächlich wie amputiert behandelt wird.”1 Wie Annette Anton geht es vielen gewollt kinderlosen Frauen. Die Verlagsprogrammleiterin aus Deutschland muss sich für ihre Entscheidung, keine Kinder zu haben, häufig rechtfertigen – und das nervt sie gewaltig. Die Vorwürfe gegen kinderlose Frauen sind vielseitig: Rechtspopulistische PolitikerInnen ziehen demografische Horrorszenarien aus den Ärmeln (die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren) und werfen kinderlosen Frauen den Untergang des „eigenen Volkes”, wenn nicht sogar des gesamten „Abendlandes” vor. Konservative, aber auch sozialdemokratische Stimmen bringen dagegen den „Generationenvertrag” ins Spiel und fordern explizit oder implizit ein „solidarisches Verhalten” in Bezug auf das Pensionssystem. Kurzum: Es müssen mehr Kinder her. Aber auch am Arbeitsplatz, im Freundeskreis und in der Herkunftsfamilie wird an die „weibliche Natur” appelliert. Regelmäßig müssen sich kinderlose Frauen mit Fragen wie „Wann ist es denn bei dir endlich so weit?” oder mit Aussagen wie „Du hast ja gar keine Ahnung, was du verpasst!” herumschlagen. No Kids, No Cry. Die Entscheidung, keine eigenen Kinder zu haben, muss immer wieder gerechtfertigt werden, wie auch die deutsche Soziologin Lena Correll erläutert (siehe Interview ab Seite 21). Ein mühsamer und nervenzehrender Prozess, der nicht wenige
Frauen schlussendlich zu Notlügen greifen lässt. „Ich bin mittlerweile schon so weit, dass ich sage, ich könne keine Kinder bekommen. Ich weiche einfach auf diesem Weg der dummen Fragerei aus. Dann heißt es statt der Vorwürfe plötzlich: ,Entschuldigung, das tut mir aber leid’”, erzählt etwa Karin, 35, Single und kinderlos.2 Als Reaktion auf diesen gesellschaftlichen und privaten Druck haben sich in Ländern wie den USA, Großbritannien und Australien Menschen ohne Kinder zu Interessensorganisationen zusammengeschlossen, die sich selbst „childfree” nennen – und nicht etwa „childless”, was von vornherein einen Mangel impliziert. Nicht nur die offenen
,Bäh!’ zu Nurseyland zu sagen. Und ich weiß, wovon ich spreche, denn auch ich habe Kinder.”3 Kinderlose Geschichte. Betrachtet frau die Geschichte der Menschheit, so wird ohnehin schnell klar, dass der wiederholt postulierte „natürliche Kinderwunsch” nicht als Konstante auszumachen ist. In allen Epochen entschieden sich Frauen immer wieder gegen die Mutterrolle. So lebten etwa im antiken Rom die Vestalinnen ohne Kinder und Ehe und genossen dadurch zahlreiche Rechte: Sie waren von der Vormundschaft eines männlichen Verwandten befreit und griffen auch, meist als Vermittlerinnen, in politische
Kinder zu haben, wird als die natürlichste, befriedigendste und moralisch einwandfreiste Form weiblicher Selbstverwirklichung gesehen, die dabei gleichzeitig auch noch den Fortbestand der Gesellschaft sichert. Vorwürfe, auch die scheinbar selbstverständlichen und harmlosen Fragen nach Nachwuchs spiegeln die generelle Haltung wider, dass mit kinderlosen Frauen „etwas nicht stimmt”. Nicht weniger hartnäckig hält sich der Glaube, dass Mütter ihre Entscheidung, Kinder in die Welt zu setzen, niemals bereuen oder Zweifel haben könnten. Dabei gibt es zumindest eine, die das Gegenteil behauptet: Die französische Autorin Corinne Maier hat mit ihrem Buch „No Kid – 40 Gründe, keine Kinder zu haben” gehörig Staub aufgewirbelt. Im Vorwort schreibt sie: „Wir brauchen nicht noch mehr abgeschmackte Vorträge über das große Glück des Elternberufs. Bei so viel Enthusiasmus und Zwang zum positiven Denken wird es höchste Eisenbahn, auch einmal
Angelegenheiten ein. Freilich muss gesagt werden, dass ihre Entscheidung für ein Leben als Priesterin und der damit verbundenen Familienlosigkeit aufgrund des frühen Eintritts zwischen sechs und zehn Jahren in den meisten Fällen nicht auf Freiwilligkeit beruhte. Trotzdem scheinen viele Vestalinnen an ihrem Leben als Priesterinnen Gefallen gefunden zu haben. Zwar war es ihnen nach Ende ihres Dienstes (der normalerweise dreißig Jahre umfasste) erlaubt zu heiraten und Familien zu gründen, doch Berichten von Zeitgenossen zufolge wurden die wenigen, die sich dazu entschlossen, mit ihrer Entscheidung nicht glücklich. Zahlreiche Vestalinnen zogen es auch nach Beendigung ihres Dienstes vor, weiter ihr Amt auszuüben, was nahelegt, dass Kinder und Familie in ihren
1 Vgl. TV-Magazin „Mona Lisa”/ZDF vom 17.1.2010: „Kinderlos und trotzdem glücklich” 2 zitiert aus: Birgit Kofler: Kinderlos, Na und? Kein Baby an Board. Kremayr/ Scheriau/Orac 2006 3 Corinne Maier: No Kid – 40 Gründe, keine Kinder zu haben. rororo 2008
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thema: kinderfrei
4 Barbara Neuwirth (Hg.): Frauen, die sich keine Kinder wünschen. Eine liebevolle Annäherurng an die Kinderlosigkeit. Reihe Frauenforschung Band 8. Wiener Frauenverlag 1988 5 Elisabeth Badinter: Le Conflit – La Femme Et La Mère. Flammarion 2010 Die deutschsprachige Ausgabe „Der Konflikt” erscheint am 31.8.2010 bei C.H.Beck. 6 Vgl. Neuwirth (1988) 7 ebenda 8 Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Rowohlt 2006; Originalfassung 1949, deutsche Erstausgabe 1951
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Augen die Vorteile ihres Berufes nicht aufwogen. Auch im europäischen Mittelalter finden sich Beispiele für Frauen, die bewusst ein Leben ohne Kinder wählten, um dadurch andere Perspektiven im Leben verfolgen zu können. Dieses Bedürfnis nach Selbstverwirklichung führte beispielsweise zu einer Institutionalisierung der Kinderlosigkeit in Nonnenklöstern und Frauengemeinschaften, in denen die Frauen ihren spirituellen, kulturellen oder ökonomischen Interessen nachgehen konnten. Das Verhältnis der bürgerlichen Frauen des 17. Jahrhunderts zu ihren Kindern ist ebenfalls ein Indiz dafür, dass die emotionale Bindung zwischen Mutter
ihre Fortpflanzung selbst steuern, ein Studium absolvieren, auf den Arbeitsmarkt drängen, finanzielle Unabhängigkeit und eine Karriere anstreben, ist Mutterschaft nicht länger eine natürliche Selbstverständlichkeit, sondern eine Option. Selbst wenn sich die wenigsten Frauen bewusst gegen ein Kind entscheiden, ist längst ein Bruch eingetreten, der nach einer Neudefinition der weiblichen Identität verlangt.”5 Die Gleichsetzung von Frausein und einem biologisch begründeten Kinderwunsch ist demnach auf einen Klassiker der patriarchalen Ideologie zurückzuführen, nämlich die gesellschaftliche Konstruktion einer „weiblichen Natur” und der daraus folgenden natürlichen
und Kindern nicht immer das war, was heute als natürliche Mutterliebe oder natürlicher Kinderwunsch der Frau interpretiert wird. So spricht zum Beispiel der aus heutiger Sicht irritierend sorg- und lieblose Umgang bürgerlicher Frauen mit ihren Neugeborenen gegen die Annahme eines natürlichen weiblichen Triebes, der Frauen geradewegs zu Kinderwunsch und Mutterliebe geleitet.4
Bestimmung der Frau – dienen, pflegen, schützen, sich unterwerfen und eben Kinder gebären. Frauen, die sich diesem Modell entziehen, galten und gelten als „abnorm”. „Es darf als eine der Glanzleistungen patriarchalischer Dressurakte gelten, dass die Auffassung von der weiblichen Natur sich so profund in die Hirne seiner Mitglieder hat einprägen lassen.”6
Nur eine Option. Mit ihrem Buch „Mutterliebe”, einer Studie über die mütterliche Liebe im Frankreich des 17. und 18. Jahrhunderts, entlarvte Elisabeth Badinter den angeblich natürlichen Mutterinstinkt als ein historisch gewachsenes Konstrukt. Das neueste Werk der Philosophin und Soziologin, „Der Konflikt. Die Frau oder die Mutter”, geht dem gegenwärtigen MutterschaftsDiskurs samt seinen reaktionären Implikationen nach und erhitzt damit erneut die Gemüter: „Seitdem Frauen
Kokett, lesbisch oder ehrgeizig. Mit der Dekonstruktion des angeblich natürlichen weiblichen Kinderwunsches und seiner Entlarvung als Teil patriarchaler Ideologie geht aber noch ein anderer Mythos flöten: die Mär von der reinen Selbstlosigkeit jener Menschen, die sich dazu entschließen, Kinder in die Welt zu setzen. Die Geschichte zeigt, dass der Wunsch nach Kindern eng mit einer gesellschaftlichen Organisierung verknüpft ist, die auf Verwandtschaft als Hilfs- bzw. Allianzgruppen basiert und dabei unter anderem die Altersvorsorge
in den Vordergrund stellt. Aus diesen, als durchaus egoistisch zu bewertenden Gründen leitet sich eine weit verbreitete Ideologie ab, die vor allem Frauen betrifft: Kinder zu haben, wird als die natürlichste, befriedigendste und moralisch einwandfreiste Form weiblicher Selbstverwirklichung gesehen, die dabei gleichzeitig auch noch den Fortbestand der Gesellschaft sichert. Doch nicht selten verbirgt der Wunsch nach Verewigung in den eigenen Kindern ein brüchiges Selbstbewusstsein. Kinder werden also nicht immer bloß aus selbstlosen Gründen und reiner Liebe in die Welt gesetzt, sondern mitunter auch aus einem egoistischen Drang nach Selbstbestätigung.7 Simone de Beauvoir brachte das bereits 1949 auf den Punkt: „Man sagt zwar gern, eine Frau sei ,in Ermangelung eines Kindes’ kokett, verliebt, lesbisch oder ehrgeizig. Ihr Sexualleben, die Ziele, die Werte, die sie verfolgt, seien Ersatz für das Kind. In Wirklichkeit gibt es keine ursprüngliche Festlegung. Man kann ebenso gut sagen, die Frau wünsche ein Kind als Ersatz für mangelnde Liebe, für eine fehlende Bestätigung, oder weil sie ihre homosexuellen Neigungen nicht befriedigen kann. Unter dem ganzen Pseudo-Naturalismus verbirgt sich eine künstliche gesellschaftliche Moral. Die Behauptung, ein Kind sei das höchste Ziel der Frau, taugt allenfalls zum Werbeslogan.”8 Egoistisch und einsam. Daraus ergibt sich aber auch ein interessantes Paradoxon, denn der häufigste Vorwurf an freiwillig kinderlose Frauen ist, dass sie egoistisch handeln (kinderlose Männer freilich müssen sich solchen Behauptungen, wenn überhaupt, nur selten stellen). Durch ihre selbstsüchtige Entscheidung seien sie verantwortlich für den Niedergang des Pensionssystems, der eigenen Gesellschaft und Kultur – im Grunde höchst eigenartige Beweggründe, um Kinder in die Welt zu setzen. Greifen diese Vorwürfe nicht, wird schließlich die psychologische Keule geschwungen und die Angst vor dem Alleinsein geschürt. „Du wirst eine einsame alte Frau werden” – ein Satz, den sich auch fairyprincess, Userin des Online-Forums des Frauenmagazins „Brigitte”, immer wieder anhören muss und dessen Wirkung sie sich im Thread
thema: kinderfrei „kinderlos glücklich” von der Seele geschrieben hat. Doch die Lobby gegen kinderlose Frauen lässt sich von Logik nur schwer erschüttern. Auch in Bezug auf die mangelnde wissenschaftliche Fundiertheit der vorgebrachten Anschuldigungen lässt sie sich kaum belehren. Fakt ist: Die Geburtenrate ist seit den späten 1960ern, frühen 1970ern deutlich gesunken, hat sich aber in den letzten Jahren weitgehend stabilisiert (siehe Factbox). Zukunftsprognosen über das Bevölkerungswachstum ist mit Vorsicht zu begegnen. Zu vielfältig sind die Faktoren (wie etwa technische und medizinische Entwicklungen, aber auch Umweltkatastrophen und Kriege), die diese Statistiken beeinflussen können. Zur Argumentationskeule der wegbrechenden Pensionsbeiträge ist anzumerken, dass es nicht gesichert ist, dass auch alle Sprösslinge, die das Licht der Welt erblicken, später einmal einen Job bekommen werden. Das Pensionssystem ist also weniger vom Nachwuchs als von der Erwerbsbeteiligung abhängig, also jener Anzahl von Menschen im Erwerbsalter, die tatsächlich berufstätig sind. In Österreich lag deren Anteil im Jahr 2008 bei nur 71 Prozent, in anderen Ländern wie Schweden bei 83 oder Norwegen bei 81 Prozent. Hier gäbe es also noch einiges an Spielraum. Strafen für Kinderlose. Diese sozialen Argumente vermischen sich in der Polemik gegen kinderlose Frauen gern auch mit rassistischen: „Lässt es sich noch vermeiden, dass unsere Enkel als Minderheit einer Mehrheit von Menschen gegenüberstehen werden, deren Migrationshintergrund nicht mit den Leitsätzen unserer Verfassung kompatibel ist?”, lautet die Ankündigung eines Seminars mit dem Titel „Bevölkerungsentwicklung und Zuwanderung in Österreich und Europa”, veranstaltet von – Überraschung – der FPÖ. Jene, die sich trotz des gesellschaftlichen Drucks für einen kinderlosen Lebensentwurf entscheiden, werden von PolitikerInnen nicht selten sogar Strafen für ihr „unsolidarisches Verhalten” in Aussicht gestellt. Nicht zufällig kamen in Österreich Ideen zur Maßregelung Kinderloser zu Zeiten der blau-schwarzen Regierung auf. Die damalige Staatssekretärin Ursula
Haubner (FPÖ) sowie Ex-Frauenministerin Maria Rauch-Kallath (ÖVP) sprachen sich dafür aus, dass kinderlose Frauen länger arbeiten sollten – beide machten jedoch nach heftigen Protesten einen Rückzieher. Selbst in den eigenen Reihen abgelehnt wurde auch der abstruse Vorschlag des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Karlheinz Klement aus dem Jahr 2008: Demnach sollten Kinderlose gleich ganz aus dem Pensionssystem ausgeschlossen werden, während Fortpflanzungswillige Zugang zu günstigen Krediten erhalten sollten – die ab fünf Kindern nicht mehr zurückgezahlt werden müssten. In Deutschland gab es 2004 aus CDUReihen ähnliche Vorschläge: Pro Kind sollten die Eltern fünfzig Euro weniger Pensionsbeitrag zahlen müssen. Was bei solchen Geistesblitzen nicht bedacht wurde: Kinderlose (Frauen) arbeiten durchgehend und ohne Unterbrechungen durch Karenzen, sie sind meist in der höchsten Steuerklasse und finanzieren damit unter anderem Kindergeld und Kinderbetreuungseinrichtungen, die sie selbst nie in Anspruch nehmen. Würden plötzlich alle Frauen in Österreich Kinder bekommen und die damit verbundenen Sozialleistungen doch in Anspruch nehmen, würde das Sozialsystem also gehörig ins Wanken geraten.
Ein neuer Lebensstil. Elisabeth Badinter sieht jenseits von volkswirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Diskursen in den steigenden Zahlen kinderlos lebender Frauen aber auch die Chance, dass sich die Vielfalt weiblicher Lebensentwürfe weiter vergrößert. „Von diesen kinderlosen Frauen und Paaren gibt es immer mehr”, so Bandinter in einem Fernsehinterview9, „innerhalb von 25 Jahren hat sich ihre Zahl verdoppelt. Und das sind die Frauen, die uns dazu bringen, Definitionen von Weiblichkeit wieder zu hinterfragen. Man kann das gut finden oder nicht. Aber sie erfinden gerade einen neuen Lebensstil, der vor 40 Jahren, bevor es die Pille gab, undenkbar gewesen wäre.” l
ned h o in K
Österreich: 1900: 30% der Frauen kinderlos | 1930: 15% | 1940: 12% | 1955: 15% | 1965: 18% | 2009: 9% der 30- bis 40-jährigen und 7% der 25- bis 29-jährigen Frauen in Österreich wollen kinderlos bleiben. Bei den 20- bis 24-Jährigen ist der Anteil mit 12% am höchsten.
Deutschland: 2008: 40- bis 44-Jährige: 21%, 35- bis 39-Jährige: 26%, 30- bis 34-Jährige: 43% der Frauen kinderlos | In Westdeutschland gibt es mehr Frauen ohne Kinder (19%) als im Osten (7 %). Der Rückgang der Kinderzahlen der Geburtsjahrgänge nach 1940 entstand nicht durch einen signifikanten Anstieg der Zahl kinderloser Frauen, sondern hauptsächlich durch den kleiner werdenden Anteil von Frauen, die drei oder mehr Kinder zur Welt brachten. | Mit steigendem Bildungsgrad erhöht sich der Anteil zeitlebens kinderloser Frauen: Mit Ausnahme einiger weniger Altersgruppen bekommen lediglich Frauen, die nur den Pflichtschulabschluss haben, im Durchschnitt mehr als zwei Kinder. | Analyse nach Wohnumgebung: In Gemeinden mit einer Agrarquote von mind. 7% bekommen Frauen aller Altersgruppen mehr als zwei Kinder, in Städten mit mehr als 50.000 EinwohnerInnen wurde dieser Wert dagegen in keiner einzigen Altersgruppe erreicht. Eine Sonderstellung nimmt dabei Wien ein: Fast jede vierte Frau bleibt kinderlos. Quellen: EUROSTAT, Statistik Austria (Mikrozensus 2009), Statistisches Bundesamt Deutschland (Mikrozensus 2008)
9 Interview in „Kulturzeit”, 3sat, 14.4.2010; www.3sat. de/webtv/?100414_badinter_kuz.rm
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an.sprüche Wie lebt es sich ohne Kinder(-wunsch)? Vina Yun befindet sich in Phase drei der Überlegung, ob Kind oder keines, Sylvia Köchl wollte nie eins und bereut es bis heute nicht.
Illustrationen: Bianca Tschaikner
Wissenschaftler_innen bezeichnen Leute wie mich als „Postponer” – „Aufschiebende”, die die Entscheidung für oder gegen ein Kind in die Zukunft vertagen. Geht es nach der kanadischen Soziologin Jean E. Veevers, befinde ich mich gerade in „Phase drei”: Nachdem bestimmte Ziele (in meinem Fall eine berufliche Karriere auf prekär-wackeligen Beinen) vorgereiht und verfolgt werden (Phase eins) und die Umsetzung des Kinderwunsches auf einen unbestimmten Zeitpunkt aufgeschoben wird (Phase zwei), denken Postponers erstmals ernsthaft über die Möglichkeit nach, gar keine Kinder zu haben, und diskutieren die Vor- und Nachteile eines solchen Lebensentwurfs. Aber auch wenn ich mich tatsächlich zu letzterem entschließen sollte – den kleinen Menschen ist nicht zu entkommen. Schließlich sprießt vor allem in meinem Hetero-Freundeskreis der Nachwuchs wie Unkraut in meinen Pflanzentöpfen. Ich sehe mich schon bald mit den Sprösslingen rammelvolle Kinderkinos besuchen, überteuerte Zwergen-Eisbecher verdrücken oder sinnlos komplizierte Sandburgen bauen. Ganz im Ernst: Das könnte lustig werden. Doch auch unter meinen lesbischen Freundinnen hat sich einiges getan. Früher – vor gut zehn, zwanzig Jahren – machte ich mit ihnen noch Witze über offensichtlich verwirrte Butch-Dykes, die den traditionellen HeteroTraum von „Haus, Hund & Kind” lebten. Kinder hatten Lesben höchstens aus früheren Beziehungen mit Männern, die man als „Hasbian” schlecht herschenken konnte. Heute werde ich eingeladen auf „Baby Shower”-Partys, die hundertprozentig in lesbischer Hand sind, kann auf queeren Filmfestivals zwischen mehreren Filmen über „Regenbogen-Familien” wählen und mich in selbst organisierten Zusammenschlüssen on- oder offline mit queeren Müttern und Vätern austauschen. Zugegeben, die neuen Baby-Boomers machen mich etwas nervös, und mehr denn je vermisse ich die politische Auseinandersetzung, wie Alternativen zur klassischen Kleinfamilie aussehen könnten. Aber vielleicht eröffnet mir das neue Selbstverständnis des „Queer Parenting” noch Wege, die mich „Phase vier” – nämlich bewusst kinderlos zu bleiben – canceln lassen.
Da gerade erst Anfang Vierzig, traf mich die Diagnose völlig unvorbereitet: „Ja, das sind die Wechseljahre”, sagte meine damalige Gynäkologin, um gleich darauf über Schleimhauttrockenheit und Osteoporose-Vorsorge zu informieren. Schlagartig gealtert und deprimiert schlich ich nach Hause. Bis es mir einfiel: Jetzt war endlich Schluss mit der Angst, schwanger zu werden – ein Schicksal, das mich bereits einmal ereilt hatte. Apropos: Nein, das Schwangersein löste in mir damals keine hormongesteuerten Mami-Wünsche aus, im Gegenteil. Und nein, ich habe die Abtreibung keine Sekunde bereut. Und ja, ich denke manchmal daran, wie alt dieses Kind heute wäre. Dann mache ich „puh!” und gratuliere mir dazu, dass ich nicht mein bisheriges Erwachsenenleben mit der Aufzucht verbracht habe. Auf den „Besuch der roten Tante” und die damit einhergehenden Krämpfe kann ich auch gut verzichten. Und es meiner Mutter zu erzählen, die klammheimlich sicher weiterhin die Hoffnung genährt hat, aus ihrer einzigen Tochter könnte doch noch mal eine „richtige Frau” werden, war dann sogar eine Genugtuung. Schon mit zehn Jahren verkündete ich meinen Entschluss. Wenn Mama sagte: „Warte nur ab, bis du selber Kinder hast, dann werden wir ja sehen”, entgegnete ich, ich würde niemals Kinder kriegen. Je schockierter Mama dabei guckte, desto lustiger fand ich dieses Spiel. Ihr Lebensverlauf war exakt das, was ich nicht wollte. Und ist es bis heute. Auch wenn ich sehe, wie Frauen aus meinem Umfeld Kinder kriegen und trotzdem nicht so werden wie Mama, muss ich mich doch darüber wundern, warum das „eigene” biologische Kind für so viele Linke und Feministinnen dermaßen wichtig ist. Ich bin weder Hippie noch Anhängerin der ’68er oder Verfechterin des Realsozialismus, aber die Idee, der kleinbürgerlichen Familienidylle zu entsagen und kollektive Lebensformen anzustreben, hat mich immer begeistert. All diese fortschrittlichen Leute beschließen reihenweise als Paar, ein Kind zu bekommen, und mutieren danach fast zwangsläufig zur klassischen Kleinfamilie. Das eine oder andere Kind, das dabei herausgekommen ist, mag ich aber sehr – nicht nur, weil es nicht meins ist.
Wäre da nicht die Biologie, Vina Yun könnte locker weitere zehn Jahre (und länger) darauf verwenden, die Pros und Kontras einer Mutterschaft abzuwägen.
Sylvia Köchl ist militant kinderlos (und hat deswegen noch nie eine Ausrede benutzt).
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thema: kinderfrei
Anrufungen zur Mutterschaft Die Entscheidung von Frauen, keine Kinder zu bekommen, beschäftigt staatliche BevölkerungsstrategInnen ebenso wie das private oder berufliche Umfeld. Die deutsche Soziologin Lena Correll erklärt im Interview mit Sylvia Köchl, welcher Rechtfertigungsdruck auf „kinderlosen” Frauen lastet und wie sie damit umgehen.
an.schläge: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit Kinderlosigkeit zu beschäftigen? Lena Correll: Im Rahmen eines früheren Forschungsprojektes zum Thema berufliche Entwicklung aus geschlechterspezifischer Perspektive in einer westdeutschen Stadtverwaltung habe ich zahlreiche Interviews geführt. Ich stellte fest, dass in diesem Sample sehr viele Frauen ohne Kinder waren. Das war erstaunlich, da die Stadtverwaltung als Vorzeigebetrieb für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gilt. Die Frage war also, warum diese Frauen im „Herzen des Wohlfahrtsstaates” keine Kinder bekommen. Damit konnte ich die Aufmerksamkeit auf andere Aspekte lenken, die derzeit in der öffentlichen Diskussion über kinderlose Frauen wenig berücksichtigt werden – etwa die anhaltende Bedeutung des (west-) deutschen Muttermythos. Sie schreiben in Ihrem Buch, dass das nationalsozialistische Frauen- respektive Mutterbild in Deutschland lange nachgewirkt hat. Ähnliches dürfte wohl auch für Österreich gelten. Wie stark wirkt denn dieses Bild heute noch? Der deutsche Muttermythos entstand nicht erst im Nationalsozialismus, sondern mit der Entstehung der bürgerlichen Familie Ende des 18. Jahrhunderts. Und er ist noch immer wirkmächtig, wenn auch in veränderter
Form. Während zum Beispiel Mütter in der BRD bis in die 1960er Jahre für die ersten zehn Lebensjahre des Kinder als unersetzlich galten1, hat sich diese Zeit bis heute auf ein bis drei Jahre verkürzt. Deutlich wird die Aktualität des Muttermythos auch daran, dass der Begriff „Rabenmutter” nach wie vor gebräuchlich ist, während es keine männlichen Bezeichnungen wie „Rabenvater” gibt. Auch von einem „Rabenstaat” ist nicht die Rede, obwohl es dem Staat, wie die jüngste Pisa-Studie zeigt, nicht gelingt, allen Kindern, unabhängig von ihren Ausgangsbedingungen, eine gute Schulbildung zuteil werden zu lassen.
Nun heißt Ihr Buch ja „Anrufungen zur Mutterschaft”. Können Sie das Konzept der „Anrufung” näher erläutern? Auf die Vorstellung von „Anrufung” wurde ich durch mein empirisches Material aufmerksam. Eine der Frauen, die ich befragte, erklärte auf die Frage, ob sie und ihr Partner sich mit dem Kinderthema beschäftigten: „Also, als wir uns kennengelernt haben, waren wir beide der Überzeugung: Wir wollen keine Kinder haben. Von daher haben wir uns eigentlich noch nie ’nen Kopf gemacht. Es war dann eher so, dass wir uns alle paar Jahre mal wieder gefragt haben, wie sieht es denn aus, hat sich was geändert. Und ich konnte nur sagen, es ruft nichts nach mir.” Aufgrund dieser Aussage begann ich
mich mit dem Konzept der Anrufung zu beschäftigen. Die Idee der Anrufungen zur Mutterschaft lehnt sich an das Anrufungskonzept von Louis Althusser an.2 Vereinfacht gesagt, verstehe ich darunter die Konfrontation mit der gesellschaftlichen Norm der Mutterschaft. Diese Konfrontation passiert aber nicht nur über staatliche Instanzen wie bei Althusser, sondern wird vor allem auch über das private Umfeld der Individuen vermittelt, zum Beispiel über die Herkunftsfamilie und das Arbeitsumfeld. Dabei variieren die Anrufungen in ihrer Form: Es existieren direkte Formen, zum Beispiel die Frage „Wann ist es denn bei dir endlich so weit?” und konkrete Erwartungen, mit denen die Befragten konfrontiert sind, aber auch indirekte Formen wie das traditionelle Rollenmodell in der Herkunftsfamilie oder vorherrschende Handlungspraktiken im Umfeld, etwa wenn alle Arbeitskolleginnen Kinder kriegen oder bereits welche haben.
In den aktuellen Diskussionen scheint es immer nur darum zu gehen, welche Rahmenbedingungen hergestellt werden müssen, damit Frauen wieder mehr oder früher Kinder kriegen. Ich verstehe das als Bestandteil der staatlichen „Anrufung”: Ich gebe dir den Gratiskindergarten, dann musst du mir die Kinder geben … Ja, genau das meine ich damit. Und
1 In einer Untersuchung des Allensbacher Instituts für Demoskopie Anfang der 1960er Jahre in der BRD befürworteten knapp sechzig Prozent der Befragten ein Gesetz, das die Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kindern unter zehn Jahren verbieten soll (vgl. Yvonne Schütze: Die gute Mutter – Zur Geschichte des normativen Musters ,Mutterliebe’. Kleine Verlag 1986 2 Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate. VSA 1977 (Neuauflage 2010)
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thema: kinderfrei es stimmt, die aktuellen Diskussionen fokussieren die Rahmenbedingungen, also eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen. Wie der europäische Vergleich zeigt, sind in den Ländern, in denen die Frauenerwerbsquote hoch ist und die Kinderbetreuungsstrukturen gut ausgebaut sind, die Geburtenraten besonders hoch. Frauen sind, wie ich in meiner Studie aufzeige, immer noch die Hauptadressatinnen der gesellschaftlichen Diskurse um generative Reproduktion und werden zur Mutterschaft angerufen. Männer werden hingegen immer noch nur punktuell angesprochen, wie etwa durch die Vätermonate beim Elterngeld. Das ursprünglich gleichstellungspolitische Ziel – Erhöhung der Frauenerwerbsquote und Ausbau von Kinderbetreuungsstrukturen – wird damit in Bevölkerungspolitik überführt.
Was passiert aber nun, wenn Frauen „Nein“ sagen zu dieser „Anrufung”? Natürlich können Frauen „Nein” sagen zu den Anrufungen zur Mutterschaft. Es gab auch, wenn man in die Geschichte
tion ist kein Einzelfall. Denn sie kriegt aus Gesprächen oft mit, dass es schon „ein bisschen komisch ist, sich als Frau keine Kinder zu wünschen”. Sie reagiert darauf, indem sie ihr Nein zu Kindern nicht mehr überall offen vertritt.
In den Interviews mit den Frauen in Ihrer Studie haben Sie versucht herauszufinden, aufgrund welcher „Wissensvorräte” sie ihre Entscheidungen treffen. Was sind „Wissensvorräte”, und welche Vorbilder beziehungsweise Erlebnisse spielen für die Frauen die wichtigsten Rollen? Die Gesamtheit des Wissens einer Person ist ihr Wissensvorrat. Das Wissen erwerben Menschen im Laufe ihres Lebens, also im Rahmen ihrer primären Sozialisation, vorrangig durch die Herkunftsfamilie, und ihrer sekundären Sozialisation, zum Beispiel durch ihr berufliches und privates Umfeld. Neben den eigenen Erfahrungen spielen Mythen, gesellschaftliche Diskurse etc. auch eine große Rolle. Auf der Basis ihres jeweiligen Wissens handeln Menschen.
„Natürlich können Frauen ‚Nein‘ sagen zu den Anrufungen zur Mutterschaft. Es gab auch, wenn man in die Geschichte zurückschaut, schon immer Frauen, die das getan haben. Aber dieses ‚Nein‘-Sagen ist nicht einfach.“
3 Diana Hummel: Demographisierung gesellschaftlicher Probleme? Der Bevölkerungsdiskurs aus feministischer Sicht. In: Peter Berger, Heike Kahlert (Hg.): Der demographische Wandel. Chancen für eine Neuordnung der Geschlechterverhältnisse. Campus Verlag 2006, S. 27–51.
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zurückschaut, schon immer Frauen, die das getan haben. Aber dieses NeinSagen ist nicht einfach. Erstens reicht es nicht aus, einmal „Nein” zu sagen, sondern es gilt, über Jahre oder Jahrzehnte hinweg immer wieder „Nein” zu sagen. Zweitens ist dieses Nein mit bestimmten Reaktionen verbunden. So müssen zum Beispiel in Deutschland Kinderlose mehr Geld in die Pflegeversicherung einzahlen. Ich denke, was Nein-Sagen individuell bedeuten kann, wird an einem Beispiel aus meiner Studie deutlich: Eine Frau wurde regelmäßig mit Abwertungen konfrontiert, wenn sie ihren Lebensentwurf ohne Kinder offen vertrat. Sie erzählte, dass ein Freund von ihr, mit dem sie früher in einer Wohngemeinschaft lebte und der inzwischen mehrere Kinder hat, es unmoralisch fand, dass sie keine Kinder haben möchte. Diese Reak-
Für die befragten Frauen ohne Kinder ist die Abgrenzung vom traditionellen Rollenmodell in ihren Herkunftsfamilien zentral. Anders gesagt: Keine der Frauen möchte so leben, wie ihre Mütter gelebt haben, nämlich als Hausfrauen beziehungsweise teilweise Teilzeit erwerbstätig, während ihre Väter, zumindest in Bezug auf ihre Begeisterung für Berufstätigkeit, teilweise als Vorbild wahrgenommen werden – nicht jedoch in ihrer Rolle als Väter. Generell sind die von mir untersuchten Frauen ohne Kinder – vor allem in nicht selbst gewählten Kontexten wie der Herkunftsfamilie und in ihrem beruflichen Umfeld – mit konventionellen Familienvorstellungen konfrontiert. In selbst gewählten Kontexten wie ihrem Freundeskreis, der Partnerschaft oder ehrenamtlichen Tätigkeiten können sie hingegen ein „Wir-Gefühl” entwickeln
und treffen meist nur auf abgeschwächte Formen der Anrufungen zur Mutterschaft.
Wie gehen die Frauen, die Sie befragt haben, mit diesem ständigen Rechtfertigungsdruck um? Diese Frauen entwickeln verschiedene individuelle und kollektive Umgangsformen mit den Anrufungen zur Mutterschaft. Einige Frauen distanzieren sich von den Anrufungen, indem sie auf Gegenwissensbestände zurückgreifen, zum Beispiel auf alternatives politisches Wissen. Oder indem sie ihr Leben in subkulturellen Kontexten organisieren, in denen Mutterschaft nicht die Norm darstellt, wie etwa im homosexuellen Umfeld. Neben der Distanzierung stellt die Normalisierung eine weitere zentrale Umgangsform mit den Anrufungen zur Mutterschaft dar. Frauen ohne Kinder normalisieren ihren Lebensentwurf, indem sie die Familiengründung als Option für die Zukunft konstruieren. Ihre „Kinderlosigkeit” verstehen diese Frauen, auch noch mit Anfang Vierzig, als temporär und schließen eine zukünftige Mutterschaft für sich nicht aus. Eine andere Variante der Normalisierung bildet die soziale Elternschaft, bei der „kinderlose” Frauen Mitverantwortung für die Kinder ihrer PartnerInnen übernehmen. Wichtig ist, dass beide Formen, die Distanzierung und die Normalisierung, eine aktive Auseinandersetzung mit der Anrufung zur biologischen Mutterschaft beinhalten. Die gesellschaftliche Erwartung, eigene Kinder zu bekommen, wird in der Regel verinnerlicht und die davon abweichende Lebenspraxis als dem vorherrschenden Diskurs different, das heißt in einer Distanzierung, oder als ähnlich, im Sinne einer Normalisierung, konstruiert. „Generationenvertrag” oder „Rentensicherung” sind Schlagworte, die klarmachen sollen, dass es um eine Art von moralischer Entscheidung zwischen individuellen Lebensentwürfen und „Gemeinwohl” geht. Wie sehr lassen sich kinderlose Frauen davon beeindrucken? Derzeit haben wir es mit einer Demografisierung gesellschaftlicher Probleme3 zu tun. Dabei werden unterschiedlichste Probleme sozialer Sicherung und des Arbeitsmarktes auf
thema: kinderfrei den demografischen Wandel, insbesondere die niedrigen Geburtenraten, zurückgeführt. Diese Wiederkehr der Bevölkerungspolitik als zentrales Politikfeld ist mit der Idee verbunden, dass Kinderbekommen eben nicht mehr als individuelle Entscheidung gilt, sondern als gesellschaftliche Anforderung. Meine Studie und auch meine Erfahrungen bei Diskussionen nach Vorträgen bestätigen, dass die Frauen in den letzten Jahren verstärkt von Anrufungen zur Mutterschaft berichten. Und das, obwohl Frauen heute Männern
In englischsprachigen Blogs ist mir der Ausdruck „to be childfree” untergekommen – ist es überhaupt denkbar, dass wir in der deutschen Sprache irgendwann einmal von einem „kinderfreien” Leben reden, ohne dass damit gleich „Kinderfeindlichkeit” impliziert wird? Ich habe mich mit dieser Frage intensiv auseinandergesetzt, nämlich ob ich auf die Verwendung des Wortes „kinderlos” verzichten sollte, da es eine Defizitzuschreibung vornimmt. Gleichzeitig existiert in der deutschen Sprache kein
„Alle Studien belegen, dass Frauen ohne Kinder nicht unglücklicher sind als andere Menschen. Übrigens auch nicht im Alter – damit ist das Vorurteil der einsamen, unglücklichen Rentnerin widerlegt.“ rechtlich gleichgestellt sind, zunehmend über Bildung verfügen und eigenständig ihre Existenz sichern können, trotz der immer noch starken Lohndifferenzen zwischen Männern und Frauen. Daran wird deutlich, dass es auch anderer Ressourcen bedarf, um das eigene Leben unabhängig zu gestalten, wie der Anerkennung durch andere Menschen. Wie ich schon erwähnt habe, sieht man anhand der von mir Befragten, wie schwer es ist, unbeeindruckt zu bleiben. Wie wirkmächtig die Anrufungen sind, zeigt sich nicht nur dadurch, dass alle Frauen ihr Leben ohne Kinder legitimieren müssen, sondern auch darin, dass keine der Frauen ihren Lebensentwurf in allen Lebensbereichen offen vertritt. Dabei sind diese Frauen unbefristet beschäftigt, verfügen mindestens über Fachhochschulbildung und können sich in einer Großstadt ihr privates Umfeld vergleichsweise frei auswählen.
Begriff, der dem vollständig entkommt. Beispielsweise der von Ihnen genannte Begriff „kinderfrei sein” definiert Menschen ja immer noch in Bezug auf die Frage der Elternschaft. Zudem impliziert er nicht nur Kinderfeindlichkeit, sondern auch, dass alle Menschen, die keine leiblichen Kinder haben, überhaupt keinen Kontakt zu Kindern haben. Das trifft aber oft nicht zu, viele übernehmen Verantwortung für Kinder, zum Beispiel als soziale Eltern in einer Patchwork-Familie, als Patentante oder -onkel oder auch, indem sie beruflich mit Kindern arbeiten. Ich habe übrigens den Eindruck, dass in den USA der Begriff „childfree” zwar in Internetforen auftaucht, aber man bisher noch nicht von einer ChildfreeBewegung sprechen kann. Schließlich habe ich mich, ohne damit eine perfekte Lösung des Problems gefunden zu haben, in meiner Studie
entschieden, mehrheitlich von Menschen bzw. Frauen ohne Kinder zu sprechen und nicht von Kinderlosen. Einfach weil damit, wie auch beim Begriff „Menschen mit Behinderung”, der Mensch bzw. die Frau und nicht die Defizitzuschreibung im Zentrum steht. Was den Untertitel meines Buches angeht, konnte ich mich allerdings nicht bei meinem Verlag durchsetzen …
Nun bleibt nur noch die Frage, ob es sie trotz alledem gibt – die „glücklich kinderlose Frau”? Alle Studien, auch meine, belegen, dass Frauen ohne Kinder nicht unglücklicher sind als andere Menschen. Übrigens auch nicht im Alter – damit ist das Vorurteil der einsamen, unglücklichen Rentnerin widerlegt. Ein Leben ohne Kinder bedarf aber, wie schon erläutert, heute noch immer der Legitimierung, da es nicht der Norm entspricht. Insofern ist es für Frauen ohne Kinder wichtig, auf Gegenwissen – platt gesagt: Kontakte zu anderen Frauen, die keine Kinder haben und glücklich sind – zurückgreifen zu können und auch im Alltag Anerkennung zu erhalten, zum Beispiel durch den Freundeskreis. Allgemein könnte man sagen, dass dies in gewissem Maße ja für alle Menschen gilt, denn gesellschaftliche Normen zeichnen sich geradezu dadurch aus, dass sie von niemandem immer erreicht werden können. Denn wer ist schon sein ganzes Leben lang so schön, gesund, gebildet, mobil oder flexibel, wie man sein sollte? l
Dr. phil. Lena Correll studierte Soziologie, Politologie und Sinologie in Berlin, New York und Shanghai. Ihre Doktorarbeit ist unter dem Titel „Anrufungen zur Mutterschaft. Eine wissenssoziologische Untersuchung von Kinderlosigkeit” 2010 beim Verlag Westfälisches Dampfboot erschienen.
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zeitausgleich arbeitsfragen in allen
lebenslagen
unipolitik Einsame Spitze Mit der Wahl von Sonja Hammerschmid zur neuen Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien wird die insgesamt erst zweite Frau in ein derartiges Spitzenamt berufen. Nachdem Ingela Bruner, vormals Rektorin der Universität für Bodenkultur in Wien, vorzeitig das Handtuch werfen musste, ist Hammerschmid bei ihrem Amtsantritt im Herbst 2010 die einzige Frau an der Spitze einer staatlichen Universität in Österreich. An Privatuniversitäten regieren bereits zwei Frauen (Marianne Betz und Christa Them), ebenso an Fachhochschulen (Barbara Schmid und Eva Werner). Wissenschaftsministerin Beatrix Karl sieht Bedarf an der Erhöhung des noch kläglichen Professorinnen-Anteils von 19 Prozent an den Universitäten. Denn obwohl 56 Prozent der AbsolventInnen Frauen sind, wird die Luft hin zur Spitze immer dünner – was auch an mangelnder Kinderbetreuung und androzentrischen Strukturen liegt. Für eine gegenläufige Tendenz engagiert sich Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die möglichst viele Frauen in den 2011 neu zu besetzenden 17 von 21 Rektoratsposten sehen möchte. vers
Text: Irmi Wutscher, Illustration: Nadine Kappacher
Elternverhör Jedes, also wirklich jedes einzelne Mal, wenn ich an einem der hohen Feiertage zu meinen Eltern komme, fragt mich mein Vater: „Was machst du jetzt eigentlich genau?” Obwohl er es natürlich weiß, aber eine aufgesplitterte journalistische Existenz mit Diensten hier und Artikel schreiben dort ist in seiner Weltsicht offensichtlich nicht mit einer „richtigen” Arbeit im Sinne einer bürgerlichen Existenz gleichzusetzen. Und jedes Mal ist er dann höchst erstaunt (oder vielleicht tut er nur so), dass das a) ein permanenter Zustand und nicht eine vorübergehende Laune ist, b) ich damit auch meine Rechnungen bezahle und c) meine Werke sogar erscheinen und andere Menschen die Artikel lesen. Nach obiger Ansage kommt dann meist – das ist bei uns die Mutter-Spezialität – die Frage, warum ich es mir denn selbst so schwer machen muss. Und ob ich nicht was „in der Wirtschaft” oder „bei der EU” suchen könnte (zwei Stehsätze, die sie bei Nachfrage nicht mit konkreteren Angaben füllen können), ob es da nicht einfacher wäre, dass … Und spätestens hier komme ich in eine absurde Verteidigungssituation. Jeanne d’Arc-gleich werfe ich mich in die Schlacht und versuche den Lebensentwurf einer ganzen Generation von bestens ausgebildeten, scheinselbstständig arbeitenden, aber schlecht bis gar nicht bezahlten Jungmenschen zu verteidigen. Ich höre mich von Dingen reden wie dem symbolischen Kapital, das man doch beim Gratis- oder Für-wenig-GeldArbeiten anhäuft und das dann irgendwann monetäres Kapital nach sich zieht. Ich spreche von Kontakten und Netzwerken, in die man investieren muss. Von freier Zeiteinteilung und Bezahlung nach Leistung, anstatt von neun bis fünf im Büro sitzen zu müssen. Warum die Verteidigung absurd ist? Weil ich das alles ja eigentlich nicht super finde. Und ich mich, wenn ich es mir aussuchen könnte, wohl auch zugunsten bürgerlicher Sicherheiten und gegen einen vermeintlichen Bohème-Lifestyle entscheiden würde. Und weil ich denke, dass das Ablenkungsstrategien sind, um uns unsere Situation schönzureden anstatt zu kämpfen. Es ist ein Verteidigungsreflex. Sage ich mir hinterher zum Trost. Irmi Wutscher hat ihr Hobby zum Beruf gemacht und muss nun mit den Konsequenzen leben – finden die Erwachsenen. Nadine Kappacher gibt es da www.salon-nadine.at und dort http://meerweh. tumblr.com
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www.diestandard.at
studium Neuer Gender-Masterstudiengang Ab Oktober kann in Innsbruck „Gender, Culture and Social Changes” studiert werden. Dieses neue interdisziplinäre Masterstudium hat sich zum Ziel gesetzt, die Anliegen der Gender- und feministischen Studien auf möglichst viele Fakultäten und somit Wissensgebiete auszuweiten, um eine breit gefächerte Aufnahme der wichtigen Dimension von Geschlecht/Gender zu sichern und institutionell zu verankern. Hiermit soll u.a. der „traditionelle Androzentrismus der Fachdisziplinen überwunden” werden, heißt es auf der Homepage des Lehrganges. Sieben Fakultäten, darunter Betriebswirtschaft, Bildungswissenschaft und Katholische Theologie, werden das von der Politikwissenschaft und Soziologie initiierte Masterstudium stützen. Jetzt anmelden! miak www.uibk.ac.at/ma-gender
lohngerechtigkeit Die „Logik“ männlicher Ökonomie Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin präsentierte im Juli zwei neue Studien zur Lohndiskriminierung. Das Ergebnis: „Die Ansprüche der Frauen an ihr Einkommen sind geringer als die der Männer.” In der ersten Studie wurde das Gerechtigkeitsempfinden bei der Gehaltsverteilung der repräsentativen 10.000 ProbandInnen untersucht. Alle Befragten mussten entscheiden, ob sie sich angemessen entlohnt fühlten oder nicht. Fühlten sie sich benachteiligt, musste ein als gerecht empfundenes Wunschgehalt angegeben werden. Das „Idealgehalt” der Frauen lag jedoch immer unter dem realen Gehalt vergleichbar qualifizierter Männer – sowohl bei ungelernten Hilfskräften als auch bei Akademikerinnen. In der zweiten Untersuchung sollten fiktiven Personen in unterschiedlichen Lebenssituationen Gehälter zugewiesen werden – auch hier wurden den Männern im Durchschnitt höhere Löhne zugeordnet. Einige Medien gaben die Forschungsresultate nur verkürzt wieder: Frauen seien an der Lohnsituation selbst schuld. Allerdings besagt die erste Studie etwas ganz anderes – das ungleiche Gerechtigkeitsempfinden lasse sich auf die Intransparenz des Entlohnungssystems zurückführen und rühre daher, dass sich Frauen zunächst nur mit anderen Frauen innerhalb ihrer
an.riss arbeit wissenschaft Berufe vergleichen. In feministischen Kreisen hält sich die Überraschung über die Studienergebnisse in Grenzen. Schließlich ist das Resultat die logische Konsequenz einer patriarchalen Ökonomie, die Frauen und ihre Arbeit systematisch entwertet und Geschlechterstereotype aufrechterhält. miak www.diw.de, http://maedchenmannschaft.net, http://genderblog.de
gesundheit Geld macht älter
„Time Magazine”, das Thema aufgriffen, wurde die Debatte neu entfacht. Selbst die US-amerikanische Endocrine Society nennt nun in einer neuen Leitlinie die Gabe von Dexamethason eine „experimentelle Prozedur”. MedizinerInnen, die die Dexamethason-Behandlung befürworten, lassen keinen Zweifel an ihrem Menschenbild: So rühmen sie sich u.a. damit, dass „unweibliches” Verhalten (darunter fällt ihrer Meinung nach auch eine homosexuelle Orientierung) durch Dexamethason verhindert werden könnte. be http://fetaldex.org, www.thehastingscenter.org/Bioethicsforum, www.queer-news.at, www.time.com, http://blog.zwischengeschlecht.info
Dass sich die finanzielle Situation in der physischen wie psychischen Gesundheit widerspiegelt, haben bereits zahlreiche Untersuchungen ergeben – die allerdings überwiegend auf Männer ausgerichtet waren. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt nun erstmals, dass Frauen, die zu den oberen zehn Prozent der Verdienenden gehören, etwa drei Jahre länger leben als Frauen aus den niedrigsten zehn Prozent. Untersucht wurde eine Gruppe von Frauen, die alle mindestens 25 Jahre in die Rentenkassen eingezahlt hatten und zwischen 1994 und 2005 gestorben sind. Verantwortlich dafür macht der Autor der Studie, Friedrich Breyer, ein höheres Gesundheitsbewusstsein, das sich seiner Meinung nach aus der höheren Bildung bzw. dem höheren Einkommen ableitet. Der Effekt bei Frauen ist jedoch nur etwa halb so groß wie bei Männern – ein Unterschied, der in Folgestudien näher erforscht werden soll. mij www.diw.de, www.diestandard.at Foto: Eduardo Nasi
intersex Diagnose: „Unweibliches Verhalten“
media watch Lesben in der Presse unsichtbar
ÄrztInnen empfehlen schwangeren Frauen, bei denen das Risiko besteht, ein Baby mit dem Adrenogenitalen Syndrom (AGS) in sich zu tragen, die Einnahme des Hormons Dexamethason. AGS-Kinder weisen bei der Geburt „vermännlichte” Genitalien auf. Dexamethason verhindere diese Vermännlichung, wenn es im pränatalen Stadium verabreicht werde. Was von den ÄrztInnen gemeinhin nicht gesagt wird: Die medikamentösen Behandlungen erfolgen meist unkontrolliert und ohne zentrale Auswertung, über mögliche Nebenwirkungen weiß man derzeit nur wenig. Außerdem erfolgt die „Behandlung” auf Verdacht hin: Dexamethason wird nämlich in einem Stadium der Schwangerschaft verabreicht, in dem weder das Geschlecht des Kindes vorausgesagt noch eine sichere AGSDiagnose erstellt werden kann. Untersuchungen haben ergeben, dass 87,5 Prozent der schwangeren Frauen, die Dexamethason bekommen, kein AGS-Kind in sich tragen. 35 Bioethiker_innen starteten 2010 eine Kampagne mit einem offenen Brief, um auf diese Missstände hinzuweisen, weitere Statements folgten. Als im Juli mehrere Medien, wie etwa das
Die Kommunikationswissenschafterin Elke Amberg untersuchte im Auftrag des Münchner Vereins LeTra die Erwähnung von Lesben in deutschen Tageszeitungen. Das erschreckende Resultat: „Lesbe” respektive „lesbisch” wurde in Überschriften überhaupt nicht erwähnt („schwul” bzw. „Schwuler” dagegen 13 Mal). Markant dabei: Selbst wenn der journalistische Beitrag Homosexuelle im Allgemeinen meinte, wurden Lesben unter dem Begriff „Schwule” subsumiert. Amberg analysierte Artikel von „Süddeutsche”, „Münchner Merkur” sowie „Tageszeitung” und „Abendzeitung”, die zum Christopher Street Day (der auch in München jährlich gefeiert wird) und zu rechtlicher Gleichstellung (mit Themen wie standesamtliche Ehen, Adoptionen, Hinterbliebenenregelungen etc.) erschienen. Mit der Präsentation der Studie sollte auf die Unsichtbarkeit von Lesben in der Presse hingewiesen und eine mögliche Verbesserung der Situation angeregt werden. Eine Publikation ist aufgrund von ungeklärten Finanzierungsmöglichkeiten leider noch fraglich. vers www.queer-news.at, www.letra.de
Wissenschaftskalender ✪ Symposium „Lust & Frust in Strukturen & Institutionen“, 24.–25.9., Klagenfurt www.vfw.or.at/dokumente/kurzfassung_vfw_symposium_ktn_2010.pdf ✪ Sommeruniversität „Informatica Feminale“, 6.–17.9., Bremen, www.informatica-feminale.de ✪ Tagung „In Bewegung. Das Verhältnis von Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht“, 23.–25.9., Berlin www.polsoz.fu-berlin.de/kommwiss/institut/journalistik/in-bewegung/index.html ✪ Symposium „Hat wissenschaftliche Leistung ein Geschlecht? – Aktuelle Beiträge zur Exzellenzdebatte“, 4.10., Wien www.termine-meduniwien.at/kongresse+-+tagungen+-+workshops/aviso+hat+wissenschaftli ✪ Kongress „Gender Budgeting – von der Analyse zur Steuerung“, 16.–17.9., Berlin www2.gender.hu-berlin.de/ztg-blog/wp-content/uploads/2010/07/Vorankündigung_Gender-Budgeting-Kongress.pdf September 2010 an.schläge l 25
forum wissenschaft
Ent-Puppung von Weiblichkeit
Foto: Dean Shareski
Von toughen Detektivinnen bis zur brutalen Serienmörderin: Ein Blick auf feministische Hard-Boiled-Krimis. Von Karin Cudak 1 Gabriele Dietze: Hardboiled Woman. Geschlechterkrieg im amerikanischen Kriminalroman. Europäische Verlagsanstalt 1997, S. 9 2 Anne Cranny-Francis: Feminist Fiction. St. Martin‘s Press 1990, S. 168 3 Dietze, S. 10 4 Dietze, S. 277 5 Thea Dorn: Die Hirnkönigin. Goldmann 2004 6 Peter Nusser: Der Kriminalroman. Metzler 1992
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Der klassische Kriminalroman mit seinem starren Schematismus differenziert sich in seiner historischen Entwicklung in diverse Subgenres aus. Zu diesen gehört der Hard-Boiled-Krimi, der in den 1920 und -30er Jahren in den USA entsteht und genuin männlich dominiert ist. Charakteristisch ist „ein Bild heldisch aufbereiteter Wunschmaskulinität, ein Virilitätsexzess, der in Konjunkturen von Maskulinitätskrisen [z.B.
der Vietnam-Krieg und Feminismus] auftaucht”.1 Kombinatorische Analysefähigkeit und Dekadenz, wie sie noch bei Sherlock Holmes (von Arthur Conan Doyle) und C. Auguste Dupin (von Edgar Allen Poe) typisch waren, werden bei den neuen Detektiven durch Muskelkraft und Waffen ersetzt, mit denen sie Verbrechen in der Großstadt bekämpfen. Dabei pflastern Leichen ihren Weg – und viele davon sind weiblich.2
Hard-Boiled Woman I: Die Detektivin. Eine radikale Modifizierung erfährt die Hard-Boiled-School durch die Neue Frauenbewegung in den 1980ern. Die feministischen Hard-Boiled-Krimis sind eine lustbetonte und identifikatorische Literatur, die durch ihr politisches Anliegen weit über bloße Unterhaltung hinausgeht. Das Subgenre setzt sich sowohl über die traditionelle Form des Detektivromans als auch über die Maskulinitäts-Exzesse der traditionellen Hard-Boiled-School hinweg, indem starke, feministische Heldinnen in den „EinFrau-Krieg gegen das Verbrechen”3 ziehen. Maskulinistische Hard-BoiledElemente dienen als Instrumente zur Bekämpfung von Sexismen.4 Die Fantasie, die hier verfolgt wird, ist keine regressive, die alte Zustände wieder herbeisehnt, wie dies bei den männlichen Kollegen der Fall ist. Stattdessen geht die hard-boiled Detektivin, wie sie zum Beispiel von den Autorinnen Sara Paretsky und Sue Grafton konstruiert wird, der Wirklichkeit voraus, indem sie einen widersprüchlich-utopischen Charakter aufweist und gesellschaftliche Realität neu aushandelt. Auf diese Weise trägt die Detektivin zur Verflüssigung von überkommenen Geschlechtsrollen bei. Im deutschsprachigen Raum kann „Die Hirnkönigin” von Thea Dorn5, für die sie 2000 den Deutschen Krimipreis erhielt, diesem Subgenre zugeordnet werden. Zentrale Figur ist die metropolitane Detektivin Kyra. Sie ist wie andere feministische Krimiheldinnen verwaist, sorgt für sich selbst – auch unter Einsatz von Gewalt – und lebt ihre Sexualität exzessiv aus. Entgegen der Tradition maskulinistischer Krimis, am Ende den Täter zu überführen und damit die gesellschaftliche Ordnung wiederherzustellen6, ist Kyra keine Ordnungshüterin des „väterlichen Gesetzes” – stattdessen bleibt das Ende des Romans offen. Hard-Boiled Woman II: Die Serienmörderin. Während in klassischfeministischen Hard-Boiled-Krimis
forum wissenschaft für gewöhnlich die Detektivinnen die Heldinnen der Geschichte verkörpern, steigert Dorn den Heldinnen-Mythos weiter – es ist die Serienmörderin Nike, die die eigentliche Heldin des Romans darstellt. Sie verkehrt den männlichen Blick, der Frauen häufig in reduktionistisch-sexistischer Weise objektiviert und wird selbst zum „Private Eye” als Betrachterin des männlichen Blickes: „,Zeit zum Ausziehen’, sagte sie, als ihr die Haut ausreichend gelockert erschien, und wie man einer Puppe ein zu enges Kleid über den Kopf zerrt, zog sie ihm das Fleischhemd über die Ohren. (…) Sie seufzte und legte ihre Wange an das blanke Schädeldach (…). Als er sie letzten Samstag angefasst und sie ihm gesagt hatte, er müsse noch viel mehr als sein Jackett ausziehen, um ihr nahe kommen zu können, hatte er gelacht und sein Hemd aufgeknöpft. Sie küsste den nackten Knochen.” Nike ist die Serienmörderin, die sich lustvoll an der Ermordung alter, bor-
licher Identität zu leisten, indem Gewalt funktionalisiert wird, um überkommene Vorstellungen von Weiblichkeit massiv zu irritieren. Die in zahlreichen Krimis praktizierte Gleichsetzung von Frau und Opfer wird verkehrt: Hier sind die Opfer Männer. Eine Frau wird zu einer skrupellosen Serienmörderin. Allerdings sind die Opfer zugleich auch Täter (zum Beispiel der Haustyrann Herr Konrats, der seine Tochter sexuell missbraucht und ein patriarchaler, sexistischer Chef ist). Durch die Verwischung der Grenze zwischen Opfer und Täter wird die in traditionellen Kriminalromanen vorgenommene Einteilung in die scheinbar gegensätzlichen Kategorien von Gut und Böse aufgehoben. Da Dorn am Ende des Romans keine Gefangennahme der Täterin inszeniert, rekonstruiert sich auch kein „Zustand ante rem”, also eine wieder einkehrende Ordnung. Das „Subjekt Frau” kann sich auf diese Weise „aus dem Spinnennetz des Sozialen” befreien.7
Entgegen der Tradition maskulinistischer Krimis, am Ende den Täter zu überführen und damit die gesellschaftliche Ordnung wiederherzustellen, ist Thea Dorns Detektivfigur Kyra keine Ordnungshüterin des „väterlichen Gesetzes“. nierter, sexistischer Männer ergötzt. Zu ihren kreativen Mordstrategien gehört gerade auch der bewusste Einsatz ihrer puppenhaften äußeren Gestalt, die jeglichen Verdacht, sie könnte eine potenzielle Mörderin sein, von Vornherein als abwegig erscheinen lässt. Die brutale Gewalt, die hier gegen Männer gerichtet ist, kann so als Projektionsfläche für die mögliche Rachelust des weiblichen Publikums fungieren. Die Nicht-Überführung der Täterin rückt Nike in eine Out-Law-Position, die die populären Imaginationen von dem, was als „richtig” betrachtet wird, selbstjustiziell durchsetzt. Dekonstruktion I: Täter-Opfer-Rollen. Statt einer bloß voyeuristischen Unterhaltung gelingt es Dorn mit der „Hirnkönigin”, einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Dekonstruktion weib-
Dekonstruktion II: Väterliche Vorherrschaft. Als Ermittlungsmethoden zur Tataufklärung erweisen sich herkömmlich-naturwissenschaftliche Instrumente – wie Mikroskop, Lupe oder Kamera – in feministischen Krimis häufig als ineffektiv. Humanistische Bildung, wie Namenskenntnisse griechischer Göttinnen und Mythen, stellen für die Detektivin Kyra in „Die Hirnkönigin” die Wissensbasis zur Enträtselung der Tat dar. Die Protagonistin Nike trägt den Namen der griechischen Göttin des Sieges – und triumphiert als Serienmörderin. Sie rächt etwa die steinerne Skulptur Athene im Pergamon-Museum, an der ein Nachtwächter einen „Vergewaltigungsversuch” unternimmt, indem sie dem Täter seinen Schädel während des Sexualaktes brutal zertrümmert. Ebenso ermordet Nike ihren Vater, dessen perfektionistischer Erziehungsvorstel-
lung sie unterworfen war. Anstatt wie gewünscht enthaltsam und nach strenger humanistischer Tradition zu leben, scheitert das väterliche Experiment – die Tochter wird zur (Lust-)Mörderin. Nike befreit sich aus der patriarchalen Vorherrschaft, indem sie ihren Vater tötet. Unweigerlich wird die Analogie zur Göttin Athene erkennbar: Auch Zeus wird bei der Geburt von Athene getötet, die ihm als „Kopfgeburt” entspringt. More Heroines Wanted! Vom klassischen, männlich dominierten Kriminalroman bis zu den feministischen Hard-Boiled-Krimis werden die Grenzen zwischen den sozial konstruierten Geschlechtern mehr und mehr aufgebrochen. Der Mythos vom maskulinen, abgebrühten Helden wird in Konfrontation mit seinen Antagonistinnen verstärkt ins Wanken gebracht. Sieht man sich die zahlenmäßige Entwicklung an, ist eine Expansion an Heldinnen zumindest im US-amerikanischen Krimi-Genre zu beobachten: „Bis 1987 hatte es in hundert Jahren Genregeschichte 71 Krimiprotagonistinnen gegeben, fast alles schrullige alte Damen à la Miss Marple, in den nächsten sieben Jahren wurden allein 67 Heldinnen in den Kampf um die Publikumsgunst geschickt, fast alle aus der Schule ,hart, aber herzlich’.”8 Dorn schließt an die Tradition der amerikanischen „Sisters in Crime”Bewegung an. Sie pervertiert mit „Die Hirnkönigin” das in der Literaturgeschichte hegemoniale Frauenbild der Enthauptung und des Verlustes des Kopfes als Sinnbild für den Verlust von Logos und Sprache. Die Kopflosigkeit betrifft die Männer sowohl im übertragenen Sinn als auch in materialisierter Form. Frauen sind nicht mehr der Gewalt der Männer unterworfen, unschuldig und schön, sondern werden schlag- und tatkräftig dargestellt und damit radikal ent-puppt. l Karin Cudak ist Studentin und arbeitet im BildungsRaumProjekt „school is open“ der Universität Köln. 2007–2009 war sie Geschäftsführerin des Center for Diversity Studies (cedis).
7 Christopher Jones: Bestialisch dahingeschlachtet: extreme violence in German crime fiction. In: Helen Chambers (ed.): Violence, Culture and Identify. Essays on German And Austrian Literature, Politics And Society. Peter Lang Verlag 2006, S. 401 ff. 8 Dietze, S. 210
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sexismus
Reklame gegen Sexismus In der Kritik an sexistischer Werbung gelten die skandinavischen Länder oft als Vorbild. Andrea Heinz hat einen Blick nach Schweden geworfen. verschickt. Einer der Gründe für dessen Untauglichkeit dürfte die Zusammensetzung des Werberates sein: „Ordentliche Mitglieder sind Interessensvertretungen von Werbeagenturen und Auftraggebern sowie Vertreter von Medien und Mediengattungen.” Daneben können auch fördernde Mitglieder dem Verein angehören.2 Im rund neunzig Personen umfassenden Entscheidungsgremium sitzt auch Andrea Brem vom Frauenhaus Wien – eine Minderheit verglichen mit den vielen VertreterInnen von Handel und Medien. Hauptkritikpunkt Jansenbergers ist demnach auch die „fehlende Gender-Expertise”.
Foto: Christian Johannesen
1 Hirter-Erklärung aus „Der Standard”, 29.7.2010 2 www.werberat.or.at/ mitglieder.aspx 3 http://regeringen.se/ sb/d/9948/a/95912 4 www.amnesty-frauen. de/Seiten/Konventionen/ CEDAW_d.htm, www2. ohchr.org/english/law/cedaw. htm 5 www.reklamombudsmannen.org/eng 6 www.expressen.se/ Nyheter/1.750269/foretagi-linkoping-falls-for-konsdiskriminerande-annons
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Die Kärntner Privatbrauerei Hirter fühlt sich missverstanden. Die auf ihrem umstrittenen Werbeplakat abgebildeten Frauen seien weder „Konsumgut” noch „primäre Sexobjekte”, da es Hirter „in bester Intention” darum ging, „mit natürlichen Frauen die vielfältigen Biersorten unserer Traditionsbrauerei abzubilden”. Und da vor allem „Reinheit und Ursprünglichkeit” der HirterBiere angepriesen werden sollten, wurden die „Damen am Plakat nackt, jedoch niemals freizügig oder sexistisch dargestellt”.1 So weit, so logisch? „Gerade in der jüngsten Diskussion war zu merken, wie traditionelle Stereotype noch immer in den Köpfen präsent sind”, kommentiert Maggie Jansenberger, Unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz und Leiterin der „Watchgroup gegen sexistische Werbung”, die skurril anmutende Erklärung der Bierbrauerei. „Das ist ganz, ganz tief verwurzelt. Die Unternehmen entschuldigen sich damit, lediglich Natürlichkeit darstellen zu wollen. Und assoziieren die ganz selbstverständlich mit Weiblichkeit.”
Werbung sei aber lediglich ein Symptom. Dahinter stehen Vorstellungen und Bilder, die eine Gesellschaft von sich hat. Fehlt das Bewusstsein für alltägliche Sexismen, wie etwa der Fall Hirter beweist, kann auch die gut gemeinte Selbstregulation der Unternehmen und Werbeagenturen nichts ausrichten.
Antisexistisches Bewusstsein. Auf lange Sicht sieht die Leiterin der Watchgroup ohnehin nur im Verbot sexistischer Werbung, „verankert im Gleichstellungsgesetz”, eine zufriedenstellende Lösung. Denkbare Sanktionen wären etwa der Entzug des CAAA-Zertifikats (Certified Austrian Advertising Agency) für Werbeagenturen, die negativ auffallen. Darüber hinaus könnten Gemeinden, die Teilhaberinnen an öf-
Letztlich kann Werbung immer nur so sexistisch sein wie die Gesellschaft, der sie etwas verkaufen will. Werberat ohne Biss. Auch der Österreichische Werberat besitzt eher Symbolwirkung: ein zahnloses Instrument, abhängig von der Kooperationsbereitschaft der Unternehmen. Seine Entscheidungen sind nicht bindend, er verfügt über keinerlei Sanktionsinstrumente. Auch den Druck der Öffentlichkeit scheint der Werberat nicht zu nutzen. „Dass Beschwerden durch den Werberat in die Presse gekommen sind, ist mir noch nie untergekommen”, sagt Jansenberger. Es werde lediglich eine Monatsbilanz
fentlichen Werbeflächen sind, SexismusKlauseln in ihre Geschäftbedingungen aufnehmen. Vor allem aber, so Jansenberger, müsse man das Bewusstsein für Sexismus in der Branche stärken: „Bei formalisierten Ausbildungen für Werbeleute könnte man eigene Module zum Thema Gender-Repräsentation im öffentlichen Raum einführen.” Letztlich kann Werbung immer nur so sexistisch sein wie die Gesellschaft, der sie etwas verkaufen will: Fühlen sich KonsumentInnen von frauenfeindlicher
heim spiel
leben mit kindern Werbung nicht mehr angesprochen, bleibt auch Werbung mit sexistischen und anderen stereotypen Sujets aus. Neue Gesetze. Bis aber gendersensibilisierende Pädagogik und Ausbildung greifen, regulieren Gesetze, was erlaubt sein soll. Forderungen nach entsprechenden Regelungen gab es bereits in den 1990er Jahren zu Zeiten Johanna Dohnals, erinnert sich Jansenberger. „Das waren aber nie ernsthafte Überlegungen. Die Forderungen der aktuellen Frauenministerin stoßen ja auch nicht unbedingt auf wilde Freude.” Gabriele Heinisch-Hosek hat bereits im Vorjahr begonnen, sich mit Sexismus in der Werbung auseinanderzusetzen. „Damals habe ich eine Wissenschaftlerin beauftragt, die gesetzliche Lage in den einzelnen Staaten Europas in Bezug auf Sexismus in der Werbung anzuschauen. Der Bericht ist jetzt fertiggestellt”, so Heinisch-Hosek gegenüber den an.schlägen. „Als nächsten Schritt plane ich für diesen Oktober eine internationale Fachtagung mit VertreterInnen aus diesen Ländern, wo wir mit österreichischen und internationalen ExpertInnen den Themenbereich beleuchten. Die Frage ist, wie eine gesetzliche Regelung in Österreich aussehen könnte. Daher schauen wir uns an, wie es anderswo in Europa funktioniert.” Blick in den Norden. Die unbefriedigende Situation in Österreich verleitet nicht nur die Frauenministerin dazu, den Blick ins europäische Ausland zu richten. Auch kritische Medien verweisen zunehmend auf Länder, die zeigen, dass es durchaus anders geht. Norwegen etwa verbietet sexistische Werbung in seinem Marketing-Gesetz und plant, dieses Verbot auch im Gleichbehandlungsgesetz zu verankern. In Island und Kroatien ist dies bereits der Fall. In Schweden, das gerne als Märchenland der Gleichberechtigung gesehen wird, scheint man noch zu zögern. Diskutiert wird das Thema bereits seit 1970, erzählt Eva-Maria Svensson, Professorin an der juristischen Fakultät der Handelshochschule in Göteborg. 2008 erstellte sie im Auftrag der Regierung einen Bericht zu geschlechtsdiskriminierender Werbung.3 Darin schlägt sie gesetzliche Regulierungsmaßnahmen vor und verweist auf Artikel 5
des Committee on the Elimination of Discrimination against Women (CEDAW) der UNO. Dort heißt es: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um einen Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann und Frau zu bewirken, um so zur Beseitigung von Vorurteilen sowie von herkömmlichen und allen sonstigen auf der Vorstellung von der Unterlegenheit oder Überlegenheit des einen oder anderen Geschlechts oder der stereotypen Rollenverteilung von Mann und Frau beruhenden Praktiken zu gelangen.”4 Nyamko Sabuni, schwedische Ministerin für Integration und Geschlechtergleichstellung, ließ die Untersuchung nicht fortführen. Die gegenwärtige konservative Regierung von Premier Fredrik Reinfeldt sei, so Svensson, nicht interessiert. „Sollte nach den Wahlen im September eine andere Regierung an die Macht kommen, denke ich aber, dass das Thema wieder auf die Agenda kommen wird.” Werbung-Ombudsfrau. Derweilen kümmert sich der 2009 installierte „Reklamombudsman”5 um die Beschwerden schwedischer KonsumentInnen. Der Ombudsmann ist eine Frau, heißt Elisabeth Trotzig und war zuvor zwanzig Jahre lang im Bereich Werbung und Medien tätig. Bevor es den Reklamombudsman gab, beobachteten bereits seit 1988 zwei Gremien die Inhalte der schwedischen Werbung: der „Ethische Rat der Wirtschaft gegen geschlechtsdiskriminierende Werbung” sowie der „Marknads Etiska Rådet”, der vor allem Werbung für Kinder unter die Lupe nahm. Zwar hat auch der Reklamombudsman, in dem die beiden Gremien vereint wurden, keinerlei Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung, er kann Werbungen lediglich „verurteilen” oder „freisprechen”. Aber er scheut nicht den Gang an die Öffentlichkeit. So kommt es, dass etwa das schwedische Boulevard-Blatt „Expressen” über Fälle von sexistischer Werbung berichtet – in sachlichem Nachrichtenstil. Eines der gerügten Sujets einer Computer-Firma zeigt drei Frauen verschiedener Haarfarben und den Text: „Welche ziehst du vor? Wir passen unsere Dienste deinen Bedürfnissen an.”6 Die Werbung wurde zurückgezogen. l
Sonja Eismann
Rabenmutter, Strahlevater Meinem Freund wird oft – völlig zu Recht – gesagt, was er für ein toller Vater sei. Ich hingegen habe noch nie den Satz gehört: „Was bist du für eine tolle Mutter!” Wenn ich davon ausgehe, dass unsere Fürsorgefähigkeiten nicht extrem ungleich verteilt sind, bedeutet dies vermutlich zweierlei: Von Frauen wird erwartet, dass ihnen die Fähigkeit zur Kindspflege angeboren und damit nichts Erwähnenswertes sei (doch wehe, wenn diese mangelhaft ausgebildet ist oder gar fehlt! Dann ist schnell der Begriff „Rabenmutter” zur Hand, zu dem es, eh klar, kein männliches Pendant gibt). Wohingegen die bewusste „Anstrengung” der Männer, sich ihrem Nachwuchs zu widmen, von der Gesellschaft als herausragende Leistung gewürdigt wird. Zudem bedeutet das fehlende Loblied auf die Mütterlichkeit aber wohl auch, dass die Zuschreibung von denen, die sie – in meinem doch überwiegend progressiven Umfeld – äußern könnten, als reaktionär empfunden und deshalb von vornherein einbehalten wird. Ich wäre von einem derartigen Kompliment auch eindeutig verschreckt, da es sogleich das antiemanzipatorische Horrorbild der Gluckenmutter auf meinen geistigen Radar zaubern würde. Aber ich werde den Eindruck nicht los, als Frau mit Kind besonders unter öffentlicher Beobachtung zu stehen und dem ständigen Generalverdacht ausgeliefert zu sein, in irgendeiner Hinsicht zu versagen. Denn da von Frauen in der Kindererziehung quasi alles erwartet wird, können sie auch viel „falsch machen”. Bei den Männern, von denen praktisch nichts erwartet wird, ist jeder Handgriff ein Bonus, der gerne öffentlich beklatscht wird. Mal sehen, ob die neue Vätergeneration, von der medial derzeit so viel die Rede ist (obwohl die meisten ihrer Vertreter gerade mal zwei magere Monate Betreuungsurlaub nehmen), an diesem Bias etwas ändern wird.
Sonja Eismann lebt mit Freund Pascal, mit dem sie sich immer noch alle Betreuungs- und Haushaltsaufgaben paritätisch teilt, und Tochter Hannah (fast 1), die momentan am liebsten alle CD- und Bücherregale ausräumt, in einem viel zu ver-bobo-ten Wiener Innenstadtbezirk.
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theaterarbeit
Wir sind Madalena!
Barbara Santos (zweite v.r.) beim internationalen „Theater der Unterdrückten”-Festival in Pula, Kroatien, Foto: Karl Koschek
1 Kuringa ist die Bezeichnung für „Theatre of the Oppressed Practicioners”, also Tdu-PraktikerInnen. Im Deutschen wird die englische Bezeichnung „Joker” benutzt. Barbara Santos verwendet das portugiesische Original „Curinga” mit veränderter Schreibweise, um die Internationalität zu betonen. 2 Siehe dazu auch Santos’ Blog: http://kuringabarbarasantos.blogspot.com. Weitere Details über ihre Arbeit, u.a. zur Demokratisierung der Machtverhältnisse in Schulen, sowie die internationale TdU-Bewegung und ihre Entwicklung sind in Kürze auch auf www. tdu-wien.at nachzulesen. 3 Siehe auch www.tdu-wien.at 4 „Forumtheater” bezeichnet eine der zahlreichen Methoden aus dem Arsenal des „Theaters der Unterdrückten”.
30 l an.schläge September 2010
18 Jahre lang war Barbara Santos im Team des Regisseurs und Theoretikers Augusto Boal, dem Begründer des „Theaters der Unterdrückten” (TdU), aktiv. Fast ebenso lange koordinierte sie das Centro de Teatro do Oprimido in Rio de Janeiro (1994–2009). Mit dieser partizipativen Form der Theaterarbeit, die auf dem Dialog zwischen Publikum und DarstellerInnen beruht und das Schauspiel als ein analytisches Instrument gesellschaftlicher Realität begreift, sammelte die energische Mittvierzigerin Erfahrungen auf mehreren Kontinenten und stellt damit die erfahrenste Multiplikatorin der TdU-Bewegung dar. Barbara Santos identifiziert sich als Frau, Schwarz, Mutter, Soziologin, Schauspielerin und Kuringa1 und leitet derzeit ein internationales Multiplikationsprojekt in Brasilien, GuineaBissau, Mozambique, Angola und Senegal. Am südlichsten Ende Istriens, in Pula, sitze ich gemeinsam mit Barbara Santos am Strand, während unweit von uns das jährliche „Theater der Unterdrückten”Festival im Gange ist. Bei Oliven, Käse und Dosenbier sprechen wir in der Abendsonne über Frauen und Männer in der TdU-Arbeit, Krisen und Chancen und das von ihr initiierte Frauenprojekt „Madalena”.2
Wie ein brasilianisches Frauenprojekt nach den Prinzipien des „Theaters der Unterdrückten” Spuren in der Gesellschaft hinterlässt – und auch in der eigenen Bewegung Geschichte schreibt. Von Birgit Fritz
an.schläge: Nach der internationalen JokerInnen-Konferenz in Rio 2009, bei der die Teilnehmerinnen die Notwendigkeit eines Jokerinnen-Netzwerks formulierten3, um unter anderem gegen das Patriarchat innerhalb der TdU-Bewegung zu agieren, beschlossen die brasilianischen Jokerinnen, das Projekt „Madalena“ ins Leben zu rufen. Welche Umstände führten dazu? Barbara Santos: In unserer Arbeit sind wir auf vielen Ebenen mit Unterdrückungssituationen von Frauen konfrontiert. Frauen werden in Forumtheater-Produktionen4 oft als dumm und unbeholfen dargestellt. Ja, wir machen Fehler, heiraten die falsche Person, wissen nicht, wann der Moment gekommen ist, sich zu trennen, weil wir auch für die Familie sorgen sollen – ich kann mich tatsächlich mit vielem von dem, was hier dargestellt wird, identifizieren, aber nicht mit dieser Aura der Dummheit. Dabei gibt es eine Menge familiärer Gewalt gegen Frauen und Kinder. Als TdU-PraktikerInnen sehen wir diese Art von Szenen in unserer Arbeit in allen Ländern und allen Weltgegenden. Warum ist es so schwierig, diese Situation zu verändern? Das ist es, was wir untersuchen wollen,
in einem Forschungslabor, das vom brasilianischen Kulturministerium unterstützt und von mir künstlerisch geleitet wird. Wir wollen nicht nur die Unterdrückung verstehen, sondern auch, warum wir Frauen in dieser Hinsicht immer die Gleichen bleiben – stark und doch unterdrückt. Viele Dinge, die ich in den Workshops sehe, kann ich verstehen, auch wenn sie noch so dumm erscheinen. Wir wollen also nicht einfach den Unterdrücker bzw. die Unterdrückung erforschen, sondern die Unterdrückten: die Frauen.
Mit welchen Methoden arbeitet ihr beim „Madalena“-Projekt? Wir baten Frauen zum Beispiel, den Bibeltext der Genesis in Kleingruppen zu lesen und uns danach ihre Version davon zu erzählen. Sie sollten uns den Text präsentieren, so wie sie ihn verstanden hatten. Das Ergebnis war wirklich überraschend. Auch wenn wir als Kinder irgendwann einmal mit diesem Text in Kontakt kamen und später als Erwachsene diesen Kontakt verloren glaubten, wirkt er stark in unsere Gesellschaft hinein. Da ist Eva, die aus einem Stück vom Mann geboren wurde, nachdem alles andere erschaffen war, und am Baum der Erkenntnis für ihre Neugier bestraft wurde. Diese Legende ist, wie wir
theaterarbeit herausfanden, die Basis für die Schuld, die Frauen die meiste Zeit fühlen. Wenn die Familie zu zerfallen droht, dann fühlen wir uns dafür verantwortlich. Das verbindet uns seit Generationen. In unseren Theaterworkshops erforschen wir das, was wir internalisiert haben, wir verwenden Methoden wie den „Polizisten im Kopf”, wir improvisieren, tönen, es ist ein richtiggehendes Labyrinth. Bei unseren Performances zeigt sich dann die Komplexität der Unterdrückung, die emotionalen und die wirtschaftlichen Faktoren, die Geschichte von Eva, die tradierten Rollenbilder, die Schuldgefühle. Wenn man alle Faktoren erforscht, dann ist von der Dummheit nichts mehr übrig.
Wer sind die Frauen, die in die „Madalena“-Labors kommen? Bei unseren Projekten in Brasilien baten wir anfänglich immer um die Teilnahme von Frauen, die Erfahrung in der Gemeinschaftsarbeit hatten, aber letztendlich gaben wir das auf. Wir begannen unsere Ausschreibungen mit dem Satz: Das „Madalena”-Labor ist eine Erfahrung nur für Frauen. Wie sind die Männer mit diesem exklusiven, ausschließenden Ansatz umgegangen? Die erste Überraschung waren unsere männlichen Kollegen im Centro de Teatro do Oprimido in Rio. Sie stellten unsere Arbeit infrage, es gab richtige Auseinandersetzungen, und zuguterletzt führten wir das Projekt einfach durch, weil wir es wollten und als wichtig erachteten. Manche Dinge sind schwierig vor Männern auszusprechen, oder sogar unmöglich. In unserer Arbeit mit Frauen landeten wir sofort an diesem Punkt, sobald Männer anwesend waren. In Europa lehnen viele Frauen Frauenräume verschämt ab, so als ob „women only“-Veranstaltungen das Relikt eines verstaubten Feminismus der 1970er und -80er Jahre wären … In Rio planten wir einen Workshop mit 25 Frauen, gekommen sind sechzig. Also baten wir um Motivationsschreiben. Die Antwort war: Das ist das erste Mal, dass es so etwas nur für Frauen gibt. Männer haben viele Räume, wir finden nicht so einfach ebenbürtige Plätze für
Frauen. Das hier war etwas Neues. Es war eine wirkliche Überraschung, wie groß der Zuspruch für unsere Arbeit war.
Wie unterscheidet sich für dich die Theater-der-UnterdrücktenBewegung von anderen politischen Bewegungen? Wo immer ich hinkomme, sind die Menschen frustriert von den politischen Parteien. Oft treffe ich Menschen, die früher militant engagiert waren, Boal und ich waren es auch. Aber irgendwann verloren wir die Hoffnung in diese Bewegungen, sogar in die feministische. Selbst dort und unter Frauen verhält es sich genau so wie in anderen politischen Bewegungen, es gibt Arroganz, Machtund Führungskämpfe. Wir sehen in unserer Arbeit, dass das Theater der Unterdrückten eine Mög-
Vergleich zu anderen Kontinenten. Es gibt da diesen US-amerikanischen Autor (Robert Bly, Anm.), der zum Phänomen vom „Eisernen Hans” forscht. In seiner Arbeit analysiert er den Geist der Krise: Welche Rolle sollen Männer jetzt einnehmen? Oft werde ich gefragt, ob ich vor den Dingen, die ich mit meiner Arbeit mit Frauen auslöse, Angst hätte. Aber ich habe keine Angst. Wenn jemand etwas für sich nimmt, etwas will und tut, dann gibt es immer eine Notwendigkeit. Das ist die Grundvoraussetzung unserer Arbeit. Die romanischen Sprachen sind schon in ihrer Struktur sexistisch – angesichts eines Mannes unter hundert Frauen verwendet man die männliche Sprachform. Umgekehrt ist das nicht so. Also verwenden wir die weibliche Form anstelle der männlichen. Und nennen
„Für viele ist das Theater der Unterdrückten die Alternative zum Engagement in den üblichen politischen Organisationen, weil sie wahrnehmen, dass in den vorhandenen Strukturen die Möglichkeiten der Partizipation und Transformation verlorengehen.“ lichkeit für wirkliche Transformation bietet, weil es jeder Mensch ausüben kann, Kinder, Erwachsene, Alte. Jeder und jede hat Zugang, kann ein Projekt beginnen, kann andere mobilisieren und sich engagieren. Für viele ist das Theater der Unterdrückten die Alternative zum Engagement in den üblichen politischen Organisationen, weil sie wahrnehmen, dass in den vorhandenen Strukturen die Möglichkeiten der Partizipation und Transformation verlorengehen. Das Theater der Unterdrückten bietet eine Globalisierung der Solidarität, daher auch das starke Anwachsen der Bewegung.
unsere Arbeit „Laboratorio Madalena, Teatro das Oprimidas”. Und alle Frauen sagen, ja, das ist es, was wir wollen! Und sie beginnen, sich alle Madalena zu nennen. Mein Name ist Madalena, ich bin Madalena, wir sind Madalena. Es ist eine starke und heftige Sache, die hier passiert. l Birgit Fritz ist Mitgründerin des TdU-Wien (www.tdu-wien.at) und als Lektorin am Institut für Internationale Entwicklung an der Universität Wien sowie als Theaterpädagogin und Jokerin tätig.
Veränderung macht Angst. So hört man oft in europäischen Ländern, dass sich auch der Mann nicht zuletzt aufgrund gewandelter Rollenbilder während der letzten Jahrzehnte in einer Krise befindet. Würdest du dem zustimmen? Männer sind weltweit in einer Krise. In Europa fühle ich mich jedoch stark im September 2010 an.schläge l 31
an.riss kultur mitsamt den dazugehörigen Überlegungen in die urbane Öffentlichkeit bringen. Bryndis Björnsdóttir baut am Stephansplatz ihren fahrbaren Stand „Cross Cultural Competency Center” auf, Liesl Raff und Rania Moslam erfüllen sich einen Wunsch: „Wir wollen eine Prozession.” Julia Fuchs präsentiert ihr „wunderbares Wohnzimmer”, Stephanie Misa den „Schrebergarten, Untitled”, Heike Kastler ihr „Paradice”. Gemeinsam stellen diese drei dann im Oktober ihr „wunderbares Atelier” am Karlsplatz aus. Eva Seiler schließlich hält im zweiten Bezirk eine „Versammlung” ab. Das Überdenken gesellschaftlicher Prozesse wird herzlich erbeten. han „Wien, Herbst 2009 im Sommer 2010” (Dauer bis Februar 2011) http://artinpractice.akbild.ac.at
straßenname Der richtige Weg
Foto: Zentralfriedhof Wien 2009, sylk
öffentlicher raum I Bäckermeister- und Hausbesitzersgattin Katharina Strohmeyer starb am 11. Novermber 1883. Auf ihrem Grabstein ist zu lesen: „Bäckermeister- und Hausbesitzers-Gattin”. „Eines hat sich aber doch geändert: wir sind nicht mehr auf die Rolle von Gattinnen und Töchtern beschränkt …”, kommentiert die Posterin, die das Bild auf den Foto-Blog „Lostspace” gestellt hat. An allen Ecken und Enden des öffentlichen Raums finden sich die vermeintlich in Stein gemeißelten Geschlechterbilder einer Gesellschaft. Oft ganz subtil, aber deswegen nicht weniger diskriminierend. Die Seite „Lostspace? Die Frau im öffentlichen Raum” sucht nach diesen Spuren – und gleichzeitig nach den Gegen-Reaktionen der Subkultur. Fotos von Straßenschildern, Straßenbezeichnungen, Piktogrammen und Straßenkunst (Murals, Adbusting, Graffitis) können zusammen mit einem Kommentar und Angabe des Fundortes im Blog upgeloadet werden. Auf dass die versteinerten Geschlechterbilder bald aufbrechen. han
Das Gemälde „Häuser am Meer” von Egon Schiele ist heute im Leopold Museum zu bewundern. Ursprünglich gehörte es der jüdischen Kunstsammlerin Jenny Steiner. Mit der Rückgabe von Kunstwerken, die jüdischen BürgerInnen während der Nazi-Herrschaft geraubt wurden, tut sich der österreichische Staat bekanntermaßen schwer. Auf anderem Weg widerfährt der Kunstmäzenin Steiner aber das, was manche als „späte Gerechtigkeit” bezeichnen würden: Mit dem „Jenny-SteinerWeg” trägt nun die vierte Straße in Wien-Neubau einen Frauennamen. Es ist der Bezirk, in dem sich in den 1920er und -30er Jahren eine der größten Stoff- und Seidenmanufakturen der Stadt befand. Geleitet wurde diese Manufaktur von Jenny Steiner und deren Bruder. Privat widmete sie sich der Kunst, sammelte alte Meister und gab Arbeiten bei Gustav Klimt und Egon Schiele in Auftrag. Nach dem „Anschluss” wurden Vermögen und Kunstsammlung der 1863 als Eugenie Pulitzer in Budapest geborenen Jenny Steiner eingezogen. Sie floh über Frankreich, Portugal und Brasilien in die USA. 95-jährig starb sie am 2. März 1958 in New York. Ihre Kunstsammlung und den Weg, der heute ihren Namen trägt, hat sie nie wieder gesehen. han
LostSpace? Die Frau im öffentlichen Raum, www.culture-unlimited.com/lostspace
www.wien.gv.at/bezirke/neubau/verkehr/jennysteinerweg.html, http://neubau.gruene.at
öffentlicher raum II Unsere wunderbare Ausstellung
˘
„Wien im Sommer 2010” präsentiert die Ergebnisse eines Projekts vom Herbst 2009: Sieben KunststudentInnen machen sich auf, um Fremdund Eigenwahrnehmungen zu untersuchen und zu verändern. Unter der Leitung der Dozentin Judith Huemer und in Kooperation mit KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien wollen die StudentInnen ihre Kunst
ausstellung 2 or 3 Things, we’ve learned Mit den Schnittstellen von künstlerischer Produktion, kritischer Pädagogik und Protestbewegungen setzt sich die Ausstellung „2 or 3 Things, we’ve learned – Intersections of Art, Pedagogy and Protest” in der Galerie IG Bildende Kunst auseinander. Eva Egermann und Elke Krasny kuratierten die Ausstellung und erzeugen einen kollektiven Raum solcher
Preise und Ausschreibungen ✪ Die PreisträgerInnen der „outstanding artist awards 2010“ stehen fest: Am 1. Oktober zeichnet Kulturministerin Claudia Schmied u.a. das internationale Frauen-Animationsfilm-Festival Tricky Women (in der Kategorie Frauenkultur), das Künstlerinnen-Duo Klub Zwei alias Simone Bader und Jo Schmeiser (Video- und Medienkunst) und Nina Kusturica für ihren jüngsten Film „Little Alien” (Interkultureller Dialog) aus. ✪ Staatsstipendien für Video- und Medienkunst sowie künstlerische Fotografie 2011: Das BMUKK vergibt drei beziehungsweise fünf Staatsstipendien an freiberufliche KünstlerInnen. Die Laufzeit des Stipendiums beträgt ein Jahr und ist mit monatlich 1.100 Euro dotiert. Einreichungen bis 31. Oktober. Infos und Bewerbungsformulare unter www.bmukk.gv.at/kunst/service/ausschreibungen.xml#toc3-id3. 32 l an.schläge September 2010
Begegnungen, in dem Prozesse, Verschiebungen und Interventionen rund um ver-rückte (verkehrte) Lerntätigkeit thematisiert werden. Objekte, Artefakte, Fotografien, Videos, Prozesse, Workshops und Gespräche gehen der Frage nach, wie aus der Intensität von Politisierung, Kollektivität, Debatte und Gegen-Realität eine andere Dauer erzeugt werden kann, und öffnen einen Raum zur Auseinandersetzung. Gleichzeitig wird ein Archiv angelegt, das künstlerische Projekte und Prozesse der Bildungskritik versammelt und dokumentiert. mij
lebenslauf auch feministinnen altern
14.9.–29.10, Galerie IG Bildende Kunst, 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 10-12, Tel. 01/524 09 09, www.igbildendekunst.at
geburtstagsparty Wenn eine in ihr dreißigstes Jahr geht … Der dreißigste Geburtstag ist ein schicksalsträchtiger, ein einschneidender Geburtstag. Bereits Ingeborg Bachmann wusste das, als sie ihre Erzählung „Das dreißigste Jahr” verfasste. Den großen Schritt in eben dieses Jahr wagt am 17. September der Wiener Frauenverlag Milena. Und weil solch große Schritte am liebsten an der Hand von guten FreundInnen gemacht werden, sind alle FreundInnen des Verlages samt Liebsten eingeladen, bis in den Morgen zu feiern. Schwer wird das nicht: Nach der Begrüßung durch den schönsten Conférencier Österreichs wechseln sich vier „pfiffige” Lesungen von Amaryllis Sommerer, Fabian Faltin, Mieze Medusa und Jan Kossdorff mit Musik von den Plattentellern ab. Hinter selbigen befinden sich die DJs Schefin und Pressetante. Später sind Kommando Elefant live zu bewundern. Von „nach den Zugaben” bis „Ende Nie” gibt es danach noch mehr Musik von angesagten DJs. han 17.9., 20.00, Badeschiff Wien, 1020 Wien, Obere Donaustrasse 97-99, www.milena-verlag.at
nachruf Brigitte Schwaiger (6.4.1949–26.7.2010) „Ich möchte höflich gehen und freundlich, und Zähne zusammenbeißen und ab ins Jenseits, es wird schon nicht so schlimm sein, sagen, oder stumm, feierlich den Tod erwarten, und nicht, wie schon vier Mal, gedemütigt aufwachen, leider, außer einer tagelangen Bewusstlosigkeit, außer Spesen nichts gewesen.” Der Leichnam der österreichischen Schriftstellerin Brigitte Schwaiger wurde am 26. Juli in der Neuen Donau in Wien treibend gefunden. Geboren 1949 in Freistadt (Oberösterreich) hatte Brigitte Schwaiger 1977 mit ihrem Romanerstling „Wie kommt das Salz ins Meer?” überragenden Erfolg. Die damals 28-Jährige sagte später, sie habe „den Schock, über Nacht berühmt geworden zu sein”, nicht verwunden. Weitere Romane folgten („Ich suchte das Leben und fand nur dich”, „Lange Abwesenheit” u.a.), zuletzt – nach langen Jahren des Nicht-Schreibens – „Fallen lassen” (2006). In diesem Buch spricht Schwaiger über ihre Psychiatrie-Erfahrungen, Depressionen und Selbstmordversuche. „Es ist jetzt immer öfter in meinem täglichen Tag, dass ich den kürzeren Weg wählen möchte, und das wäre, mich aus einem hohen Fenster zu stürzen. Der längere Weg ist zu schreiben”, liest man in ihrem letzten Buch. Lange hat sie geschrieben, nun wählte sie den kürzeren Weg. be www.sueddeutsche.de, www.diestandard.at
Christine Hartmann
Traditionelle Chinesische Medizin In letzter Zeit bin ich ganz schön oft zornig. Leider. Früher war ich eher wütend. Die Wut hat weniger bitter geschmeckt, mich dafür gut gewärmt. Speziell menopausal. Aber der Zorn ja ist angeblich die Reaktion einer nicht ausbalancierten Leberfunktion, heißt es in der traditionell chinesischen Medizin. Angeblich. Nur: Will ich das wirklich wissen? Oder will ich doch lieber erfahren, was mich zornig macht, was mich wütend gemacht hat und ob es Unterschiede in Zorn oder eben Wut auslösenden Momenten gibt. Mit derartigen Erkenntnisschnipseln könnte ich vielleicht Meinungen, Haltungen und Vorgehensweisen passend zum Alter adaptieren – etwa noch öfter protestieren oder auch anders, mich entweder stärker der Welt stellen oder, ganz im Gegenteil, mich zurückziehend dem Wohlfühlen anheimfallen lassen. Vielleicht würde sich gerade bei einem solchen inneren Rückzug herausstellen, ob sich mein Zorn tatsächlich irgendwie durch eine Besänftigung und Ausbalancierung meiner Leberfunktion beeinflussen lässt. Oder ob dieses Gefühl doch anderen Quellen entspringt als einer missliebigen Leber. Mein Zorn könnte doch genauso gut mit der patriarchalen Dividende oder einer speziellen durch Testosteron verursachten Eindimensionalität des Denkens, wie sie uns – nur so als Beispiel angeführt – Österreichs Männerpartei nahebringen will, oder auch dem gesellschaftlich herausgeschnitzten, intoleranten Größenwahn, der jeden und jede erwischen kann, zusammenhängen. Irgendwie vielleicht. Aber halt, langsam: Selbst wenn ich die Klarheit und den Durchblick besäße, ob mein Zorn eher ein biologisch oder doch eindeutig sozial und politisch begründeter ist, könnte es klug sein, das besser für mich zu behalten. Meine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen würden höchstwahrscheinlich auf Unverständnis in meiner Umgebung stoßen. Meine Leber ist vermutlich leichter auszubalancieren als mein erweitertes soziales Umfeld samt den mehr oder weniger schillernden Mannschaftsspielern.
Christine Hartmann, Jg. ’53, lebt und arbeitet hauptsächlich in Bregenz und wundert sich je länger, umso mehr. www.prozesswissen.at
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erinnerungspolitik
Queere Geschichtsbaustelle Das temporäre Kunstprojekt für die homosexuellen und transgender NS-Opfer am Wiener Morzinplatz wirft in erster Linie Fragen auf: Was kann und was soll ein Denkmal leisten? Von Katharina Morawek
Foto: katimo
„Mahnwache” von Ines Doujak, bis 2.10., jeden Freitag von 17–18.00 www.koer.or.at
34 l an.schläge September 2010
Wien, im August. Auf einer Fahrradfahrt, durch kühle, schattige Gassen und in der prallen Sonne über den schmelzenden Asphalt flitzend, betrachte ich die Stadt. An jeder Ecke Baustellen, die mir wie Nahtstellen der Geschichte erscheinen: Alte Häuser und Plätze verschwinden und werden unwiederbringlich durch neue ersetzt. Ich denke an die – unsichtbare – Geschichte, die hinter den Fassaden steckt, und unter dem Asphalt. Den Ring entlang, vorbei am Schwedenplatz und an Tourist_innen, die ihre Stadtpläne studieren, komme ich zum Morzinplatz. Dort befindet sich eine unbebaute, leicht erhöhte Rasenfläche, auf dem Stadtplan ist die Stelle wohl als grauer Fleck verzeichnet. In einem Eck, gleich neben der Haltestelle für den Flughafen-Shuttlebus, steht ein Mahnmal. Eine menschliche Bronzefigur geht durch ein Portal aus Granitblöcken, die aus dem ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen stammen. Das Mahnmal soll an all diejenigen erinnern, die hier während der NS-Herrschaft im Hauptquartier der Gestapo, dem ehemaligen Hotel „Metropol”, inhaftiert, gefoltert, in den Selbstmord getrieben, von hier aus deportiert und in Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis ermordet wurden. Seit diesem Sommer ist am Morzinplatz noch eine andere Geschichte sichtbar
geworden: diejenige der „homosexuellen und Transgender Opfer des Nationalsozialismus”, so der Titel und Anspruch einer Reihe künstlerischer Projekte, die von der KÖR GmbH (Kunst im öffentlichen Raum) in Auftrag gegeben wurde und zwei Jahre lang vom Künstler Matthias Hermann kuratiert wird. Den Auftakt der Serie am 2. Juli gestaltete Ines Doujak mit ihrer Kunstintervention „Mahnwache”: Sie besteht aus einem guten Dutzend Personen, jede trägt eine Holzstange, auf der jeweils mehrere Fotoporträts montiert sind, denen Blut aus den Ohren rinnt, rund um den Kopf blaue Farbsträhnen. Wie manifestiert sich Erinnerung? Jahrzehntelang lag es vor allem an den Kämpfen und Forderungen schwuler und lesbischer Aktivist_innen, die Geschichte(n) der Verfolgung von Homosexuellen im öffentlichen Raum sichtbar zu machen, wie etwa bei einer Aktion der HOSI im Jahr 1992, bei der ein riesiger rosa Winkel aus Stoff am Stephansplatz ausgebreitet wurde. Nicht zuletzt forderte die Community auch offizielles Gedenken ein – dem die Stadt Wien nun Stück für Stück nachkommt. So wurde 2009 der Heinz-Heger-Park (Pseudonym eines schwulen Überlebenden mehrerer Konzentrationslager) mittels einer Tafel ausgewiesen, die mittlerweile auch In-
formationen über die schwule Identität und die Verfolgung Hegers enthält – diese „Details” fehlten nämlich im ersten Anlauf. Schon 2006 konnte indes der Künstler Hans Kupelwieser einen von der Stadt ausgeschriebenen Wettbewerb für ein Mahnmal für „Homosexuelle und Transgender NS-Opfer” am Morzinplatz für sich entscheiden – mit dem Entwurf eines 20x20 Meter großen Wasserbeckens, gefüllt mit rosa Farbe und dem Schriftzug „Que(e)r”. Dieses als permanentes Denkmal geplante Projekt ist nun gescheitert. „Technisch nicht umsetzbar”, hieß aus dem Büro des Kulturstadtrates, scheinbar konnte trotz Testbecken im Prater keine umweltverträgliche Farbe gefunden werden. Nun wird fürs Erste das permanente Denkmal durch temporäre Interventionen ersetzt. Im Gespräch mit den an.schlägen meint Ines Doujak, dass sie Erinnerung als einen lebendigen Prozess begreift, der nie abgeschlossen ist. Ob sie bestimmte Akteur_innen als Projektpartner_innen angesprochen habe? Nein, sagt Doujak, „im Grunde könnte jede Person hier stehen.” Die Haltung, ein Denkmal als einen im Heute verankerten Prozess und nicht als unbewegliche Betonskulptur zu begreifen, ist tatsächlich in einer neueren erinnerungspolitischen Schule zu verorten und steht que(e)r zur
erinnerungspolitik Praxis, bestimmten Opfergruppen ihr Denkmal zuzuordnen. Inhaltliche Positionierungen zum Mahnmal und zur Geschichte des Platzes fehlen aber. Vor allem umgeht die Bildpolitik des Projekts die widersprüchliche Frage, um welche Opfer es denn hier eigentlich geht. Sie strebe mit ihrem Projekt eben eine Erweiterung des Themas an, so Doujak, und wolle mit Angst machenden Bildern vor allem Fragen stellen wie: „Was passiert mit undisziplinierten Körpern?” The larger Picture. Im März 2010 unterzeichneten einige LeiterInnen von Gedenkstätten in Deutschland einen offenen Brief. Darin wird das derzeitige Bemühen, Lesben als Opfergruppe einen Platz im offiziellen Gedenken zuzuerkennen, problematisiert. Anlass war die geplante Erweiterung des Berliner „Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen” (das
Leben und Überleben und lesbische Verfolgung während der NS-Zeit ließen sich ausschließlich in den Kategorien Strafrecht, Konzentrations- und Vernichtungslager untersuchen, darstellen und beschreiben. Die Einstellung der wissenschaftlichen wie politischen Untersuchungsoptik auf den Ort Konzentrationsoder Vernichtungslager vernachlässigt jedoch zum einen die anderen Kategorien fassbarer Verfolgungsmuster, zum anderen kann durch sie nicht mehr die Frage gestellt, geschweige denn untersucht werden, ob ein ,normales lesbisches Leben’ während der NSZeit überhaupt möglich gewesen sein könnte.”2 Nun stimmt es zwar, dass Lesben – oder jene, die dafür gehalten wurden – auch während der Nazi-Zeit nach §129 strafrechtlich belangt wurden. Die Kategorie „Verfolgung” im Sinne der gezielten Ermordung in Konzentrationsund Vernichtungslagern trifft aber über
Durch das einfache Subsumieren unter die Gruppe der „Homosexuellen“ verschwindet gleichzeitig auch eine spezifische lesbische Geschichte. in einem Video einen Kuss zwischen zwei Männern zeigt) um eine lesbische Perspektive. Auszug aus dem Brief: „Es ist historisch nicht zu belegen, dass lesbische Frauen im Nationalsozialismus individueller Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ausgesetzt gewesen seien. Genau dieser Eindruck würde aber erweckt, wenn im Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen künftig ein Film mit einer Kussszene lesbischer Frauen gezeigt würde.” Und weiter: „Wir sind es den Opfern des NS-Terrors schuldig, an ihr Schicksal zu erinnern, ohne es durch leichtfertige und historisch nicht zu vertretende Gleichsetzungen zu nivellieren und zu entwerten. Hüten müssen wir uns davor, die Erinnerungs- und Gedenkkultur für gegenwärtige oder künftige Interessen zu instrumentalisieren.”1 Tatsächlich gibt es hier komplizierte Brüche im Erinnern. So weist etwa die Politikwissenschaftlerin Gudrun Hauer auf die Gefahr hin, die „Hypothese zu übernehmen, lesbisches
weite Strecken nicht zu. Gudrun Hauer meint dazu: „[D]iese Übertragung tagespolitisch notwendiger Agitation auf die lesbische Geschichtsforschung birgt neben der unzulässigen Verzerrung historischer Tatsachen und der möglicherweise daraus folgenden Bildung neuer Mythen eine für unsere offensive Selbstdefinition nicht zu unterschätzende Gefahr: nämlich die Betonung unser selbst als Opfer, anstatt dass wir uns als Täterinnen unserer eigenen Geschichte verstehen. Auch sollten wir uns davor hüten, das jeweilige Gruppenleid gegeneinander aufzurechnen.” Geschichtsbaustellen3. In der Tradition zahlreicher KZ-Gedenkstätten gibt es den Modus, einzelne Denkmäler bestimmten Opfergruppen zu widmen – meist, nachdem diese jahrzehntelang um Anerkennung gekämpft haben. Wie soll dies aber einer Opfergruppe gelingen, die sich gar nicht erst konstituieren konnte, nämlich den vielen als „asozial” bezeichneten Individuen? Und: Wie lassen sich solche Gruppen in Denkmä-
ler – die es zweifellos noch geben sollte – fassen: nach ihrer selbstbestimmten Identität oder nach einer fremd-, womöglich von den Nazis bestimmten? Hier wäre noch viel Forschung nötig, die die jeweiligen sozialen und kulturellen Logiken berücksichtigt. Außerdem: Ein reines Sichtbarmachen von beispielsweise Frauen in der Geschichte ändert noch nichts an den Kriterien und Prinzipien einer Geschichtsschreibung, die deren Ausschluss erst bewirkt hatte. Zudem verengt der Begriff „homosexuell” den Blick und klammert Transgender- oder Intersex-Personen sowie all jene, die sich weder als schwul noch lesbisch identifizierten, aus. Durch das einfache Subsumieren unter die Gruppe der „Homosexuellen” verschwindet gleichzeitig auch eine spezifische lesbische Geschichte. Was müsste nun aber ein Denkmal leisten, das diese Widersprüche berücksichtigt? Eine Antwort könnte sein, entlang bestimmter gesellschaftlicher Fragen zu denken, und nicht (nur) entlang von Identitäten. Es wäre zum Beispiel ein Denkmal zu fordern, das die Körperpolitik der Nazis benennt, anklagt und dem spezifischen Gedenken an deren Opfer Platz einräumt. Oder die Idee der „Volksgemeinschaft” anzugreifen und in einem weiteren Schritt all jener zu gedenken, die davon abwichen und somit etwa als „asozial” verfolgt wurden. Selbstbestimmte Bewegungen und Kämpfe haben dazu geführt, dass es nun auch in Österreich einen Anfang offiziellen, queeren Gedenkens gibt. Es gilt nun, die Folgeprojekte am Morzinplatz weiter anzuschauen und gleichzeitig darauf zu achten, wie sich eine differenzierte queere Gedenk- und Geschichtspolitik in Wien weiterentwickelt. An diesem Freitag müssen unterdessen wegen starkem Wind unterschiedliche Wege gefunden werden, die Stangen der „Mahnwache” vor dem Umkippen zu bewahren. l
Katharina Morawek ist Künstlerin und Kulturvermittlerin. Sie ist Teil der „Plattform Geschichtspolitik“, einem Zusammenhang, der sich mit der Erforschung und öffentlichen Verhandlung geschichtspolitischer Prozesse an der Akademie der bildenden Künste Wien beschäftigt.
1 Siehe www.lesben.org 2 Gudrun Hauer: Lesben und Nationalsozialismus. In: Gudrun Hauer, Dieter Schmutzer: Das Lambda Lesebuch. Journalismus andersrum. Eine Publikation der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien. Edition Regenbogen 1992 3 Tomash Schoiswohl: Baue, wo du stehst! Von der Geschichtswerkstätte zur Geschichtsbaustelle. In: Lina Dokuzović, Eduard Freudmann, Peter Haselmayer, Lisbeth Kovacic (Hg.): Intersections. At the Crossroads of the Production of Knowledge, Precarity, Subjugation and the Reconstruction of History, Display and De-Linking. Löcker 2009
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cumbia
Tropicalipsis now! Der Cumbia-Style der all-female Band Las Kumbia Queers bringt Punks, MadonnaFans und SchlagerAfiocionadas gleichermaßen zum Tanzen. Irmi Wutscher traf Bandmembers Ali Gua Gua und Juana Chang nach ihrem WienKonzert zum Interview.*
Foto: Rafa Paz
an.schläge: Ihr seid eine Band aus Mexiko
* Das Interview gab es in Ton und Bild auch in der August-Ausgabe von „senf tv”, zum Nachsehen unter www.senf.tv. Wer mehr über die jeweiligen regionalen Cumbia-Stile erfahren möchte, der sei der Eintrag im englischsprachigen Wikipedia empfohlen: http://en.wikipedia.org/wiki/ Cumbia Das neue Album „God save the Queers” von Las Kumbias Queers ist bei Comfortzone erschienen. www.myspace.com/laskumbiaqueers
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und Argentinien, jetzt bringt ihr eine Platte beim Wiener Label Comfortzone heraus. Wie kam diese Kooperation zustande? Ali Gua Gua: Wir sind sehr aufgeregt, dass unsere EP „God save the Queers” bei Comfortzone erscheinen wird. Wir haben das nicht erwartet, da sie ja mehr elektronische Musik machen, haben aber das Gefühl, dass das die perfekte Verbindung ist. Christina Nemec war vor einiger Zeit mit ihrer Band SV Damenkraft in Mexiko, wo wir ein gemeinsames Konzert gespielt haben. So fing alles an. Und die Geschichte der Kumbia Queers, wie ist die Band entstanden? Juana Chang: Wir haben uns im Oktober 2006 auf dem BelladonnaFestival getroffen, das von den She Devils – Patricia Pietrafesa und Ines Laurencena – organisiert wurde, die aktuell unsere Bassistin und Drummerin stellen. Ich war dort mit meinem
Soloprojekt eingeladen, ebenso wie Ali. Wir haben die Bands der jeweils anderen gehört. Weil wir so viel Spaß hatten an diesen drei Tagen, wollten wir weiterhin etwas zusammen machen. Das Hauptproblem war, dass Ali noch immer in Mexiko lebte, sie musste also wieder weg, und wir wussten nicht, ob sie wiederkommen würde. Daher nahmen wir unser erstes Album in sehr kurzer Zeit, ungefähr in eineinhalb Monaten, auf. Und wir probten für eine einzige Show, die wir in Buenos Aires spielen würden. Also die erste Platte haben wir eigentlich nur gemacht, um sozusagen eine „Postkarte” von Alis Aufenthalt in Argentinien zu haben. Dann ist es aber doch anders gekommen.
Euer Sound klingt ein wenig nach Musik, wie man sie in einer mexikanischen Hotellobby hören würde. Was ist das Subversive daran? Gua Gua: Ich glaube, es wäre eher ein Motel. Aber was du sagst, finde ich sehr schmeichelhaft. Ich mochte Hotels und
Motels schon immer gerne. Wir wollen nicht subversiv sein, wir wollen einfach Spaß haben!
Verstehe, ihr covert ja auch zum Beispiel einen Madonna-Song, aus „La Isla Bonita“ wurde „La Isla Con Chicas“ … Gua Gua: Du magst Madonna nicht? Doch, klar mag ich Madonna. Chang: Wir auch. Und wir mögen auch Black Sabbath und The Cure und die Ramones. Das waren die einzigen Lieder, die wir spielen konnten. Wir haben immer Rock’n’Roll gemacht, und dann, eines Tages, haben wir das geändert. Rock spießt sich wirklich mit Cumbia-Musik, daher machten wir so was wie eine Transformation durch. Alle Songs, die wir spielen konnten, bevor wir mit Cumbia begannen, sind schon auf unseren ersten Platten zu finden. Für Cumbia haben wir nur ein wenig den Rhythmus und die Texte verändert … vielleicht ist es eine Art Tribut.
Hier in Europa ist der Stil wenig bekannt – wie definiert sich denn Cumbia? Gua Gua: Cumbia ist ein Rhythmus, der ursprünglich aus Kolumbien kommt. Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitete er sich über ganz Süd- und Mittelamerika. Cumbia ist also nur eine rhythmische Struktur, hat aber viele verschiedene Stilrichtungen. In Mexiko etwa gibt es eigene Arten von Cumbia, zum Beispiel Cumbia Sonidera, wo der DJ das Wichtigste ist, der zwischen den Songs Ansagen macht, die Leute anfeuert und Hallo und Tschüss zu ihnen sagt. In Peru gibt es psychedelische Cumbia, die ist gitarrenlastiger, mehr in Richtung Surf, aber tropical Surf. Das finde ich richtig cool. In Argentinien gibt es wieder einen anderen Stil, Cumbia Villera, der relativ neu ist. Das ist eher so Gangsta-Cumbia, die Texte handeln von der Straße. Und das sind nur die Hauptströmungen, da gibt’s noch viele andere. Aber viele Leute verachten Cumbia, vor allem weil die Musik in unteren Schichten sehr populär ist. Klingt ein bisschen nach einem Machismo-Ding. Gibt es viele Frauen die Cumbia-Musik machen? Chang: Klar, die Tradition ist, dass die
der Cumbia-Geschichte mitschreiben können!
Ali, du bist ja aus Mexiko. Wie sieht denn dort die queere Szene aus? Gua Gua: Naja, die Szene in Mexico City ist eigentlich inexistent. Es gibt zwar ein paar Orte, aber grundsätzlich kämpfen wir immer noch um viele Dinge. Zum Beispiel um legale Abtreibung oder dass man als Frau unbehelligt auf der Straße unterwegs sein kann. Für mich sind solche Dinge wichtiger als mich in irgendeine Szene zu integrieren. Klar, manchmal gibt es Partys und Ähnliches, aber das ist alles eine schwul/lesbische Mainstream-Szene. Ich glaube aber, in Buenos Aires ist das queere Leben ein wenig bunter als in Mexico City. Juana, in Argentinien wurde gerade die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt, inklusive aller Rechte wie Adoption. Wie schätzt du diese Entwicklung ein? Chang: Ja, das ist sehr wichtig, egal, ob du heiraten willst oder nicht. Das Gesetz ist ein Bundesgesetz, gilt also im ganzen Land. Es ist eine große Sache. Es gab aber auch viele Proteste, vor allem von katholischer Seite. Die
„Viele Leute verachten Cumbia, vor allem weil die Musik in unteren Schichten sehr populär ist.“ (Ali Gua Gua) Männer Cumbia spielen. Nicht singen, allerdings! Die meisten großen Stars in der Cumbia sind Frauen. Aber meistens spielen die keine Instrumente. In den späten 1990ern, mit der Cumbia Villera, hat sich der Stil verschoben, von romantischer Musik hin zu einem sexistischen Ding. So wie das zum Beispiel auch im HipHop passiert ist. Die Sprache wurde expliziter. Das hat Cumbia wohl ein wenig misogyner gemacht, als es zuvor war. Aber die Leute mögen es immer noch sehr gerne.
Und wollt ihr jetzt einen neuen Cumbia-Style prägen? Chang: Klar! Wir sind tropical Punk – das ist also kein reiner Cumbia, den wir spielen, wir sind ja Rockerinnen. Ich hoffe halt, dass wir einen kleinen Teil
argentinische Gesellschaft ist in zwei Hälften gespalten, wochenlang haben alle darüber diskutiert. Es ist okay, so wie es jetzt ist, aber es gibt noch andere Dinge, die wir diskutieren müssen. Aber immerhin ist das ein Anfang. Ich persönlich bin froh über das neue Gesetz. l
lesbennest
the fabulous life of a queer femme in action
. . . and the living is easy
denice
San Francisco. Beautiful victorian rented house with italian marble bathroom. Lemon and lime trees in the garden. Mission district with delicious burritos and Dolores park with dykes everywhere. The amazing beaches with surrounding powerful cliffs make it up for not being able to even stick your toe into the ice cold water. Everybody is ridiculously nice and I’m feeling prettier than ever. Trans*march, dyke march, pride parade, queer film festival. Sun going down over Bernal Heights. Hot queer porn in ”Good Vibrations”, and then running into the ”star” of the films on the street five minutes later. Bad bad beer and bad bad music in the clubs. But whatta hell; the people are still hot. I’m freakishly tall in my high heels. And everybody recognizes a high femme when they see one. Chicago. Hotter than hell and thunder that would make Thor shit his pants. The part of the city called Andersonville mixes Sweden with lesbians, and a big ol’ blond dyke runs the Swedish bakery. My gorgeous friends drinking Margeritas that come from a huge plastic bottle, but in fancy salted glasses. I drink my 15-yearold single malt like it’s water. Hipsters and skyscrapers. ER and Batman. Route 66. Motels and diners from the movies. Nashville which tries to pretend Dolly Parton ain’t that big of a deal. Nashville also provides with a lesbian karaoke bar in a pink and purple painted house. Ring a bell? Kentucky with crazy Christians and cities divided into dry, moist and wet areas (alcohol). Which makes me start sounding tourettes (pussy). Back home where loving friends and a Danube that looks like somebody pooped in it are awaiting us. The much adored ex-wife comes back from exile in Barcelona, has no home and now crashes on our couch. She’s trying to trick me into binge drinking while loudly declaring that Vienna is death. I still love this silly city. Even after my American odyssey. Can’t wait to experience another autumn in this slow and adorably clumsy town with all its drama and juicy gossip. Bring it on. Denice just had her first real vacation since years and that is all she can talk about at the moment.
September 2010 an.schläge l 37
an.lesen
„Wie konnte ich das vergessen?“ 18 Jahre nach dem Stasi-Skandal um Christa Wolf erscheint nun ihr neues Werk, das die Ereignisse „in einem größeren Zusammenhang darstellen” soll, wie sie damals angekündigt hatte. Gelungen ist ihr auf jeden Fall ein hervorragendes Stück Literatur. Von Gabi Horak Christa Wolf in den 1990er Jahren in Los Angeles, Foto: Privatbesitz
Als Christa Wolf 1992 die Stasi-Akten einsehen konnte, verursachte das viele Verletzungen. Einerseits hatte sie nun den Beweis, dass sie jahrelang bespitzelt worden war, auch von guten FreundInnen. Andererseits der große Schock: Es gab auch eine „Täterakte”, wonach Wolf selbst als informelle Mitarbeiterin „Margarete” drei Jahre lang über andere Bericht erstattet hatte. „Ich hatte das vollkommen vergessen und merkte selbst, wie unglaubwürdig das klang.” Christa Wolfs erste Reaktionen klangen wahrlich unglaubwürdig und waren der Öffentlichkeit vor allem viel zu wenig. Trotzdem oder gerade deshalb zog sie sich komplett zurück, verbrachte viele Monate in den USA. Von diesen Monaten in der Fremde, dem Versuch zu begreifen und zu verarbeiten, handelt ihr neues Buch „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud”. Wolf schreibt: „Manchmal greift die Vergangenheit nach einem, denke ich, dann beginnt der festgelegte bekannte Ablauf. Die Öffentlichkeit reagiert blitzschnell und freudig auf das Wort ,Moral’, reißt dem der Unmoral Bezichtigten zum guten Zweck die Haut vom Leib.” In ihrer deutschen Heimat begann zu dieser Zeit eine mediale Hetzjagd. Christa Wolf versucht ihr Bestes, um der Frage „Wie konnte ich das vergessen?” auf den Grund zu gehen. Sie malt die Zeiten der DDR nach, die „guten” Zeiten – 38 l an.schläge September 2010
als junge Menschen wie sie auf die Utopie des Kommunismus als bessere Alternative zum Faschismus zumindest zu hoffen wagten. Aber auch die „schlechten” Zeiten kommen nicht zu kurz, die Angst, die Verfolgung, das Scheitern. Niemals tappt Wolf in die Falle, ein abschließendes Urteil über das System oder das untergegangene Land abzugeben – so einfach funktioniert die Welt eben nicht. Es ist sogar so schwierig, dass sie sich bis zuletzt ihr Vergessen nicht völlig erklären kann. WeggefährtInnen im Buch bieten Erklärungsmodelle. Die Psychologin meint, das sei ein natürlicher Prozess, schlimme Dinge zu verdrängen. Ein Freund wiederum meint: „Ziemlich einfach: Es wird Ihnen nicht so wichtig gewesen sein.” Aber Wolf gibt zu, dass sie als junge Frau (genau das war sie zur Zeit der „Täterakte”) noch sehr verblendet war von den kommunistischen Versprechen. „Ich will herausfinden, wie ich damals war. Warum ich mit denen überhaupt geredet habe. Warum ich sie nicht sofort weggeschickt habe. Was ich wenig später getan hätte.” Auch Christa Wolf hat eine Mensch-Werdung hinter sich, war Kind, junge Frau, Berufseinsteigerin, erfolgreiche Geschäftsfrau, Mutter, Ehefrau, Kämpferin, Besiegte. Ihr diese Entwicklung abzusprechen und sie wegen „Verfehlungen” junger Jahre sprichwörtlich ans Kreuz zu nageln, wäre töricht und schlichtweg unfair.
„Warst du denn überhaupt verpflichtet, darüber zu reden?”, fragt eine Freundin im Buch. Nein, ist ihre Antwort. Trotzdem hat sie es getan, musste es tun, wenn sie die Hetze beenden wollte. Die Rezeption und Rezension ihres neuen Buches erhöht den Druck nun kurzfristig wieder, so manchen ist die Bearbeitung der Vergangenheit nicht detailliert genug, Christa Wolf müsse sich und den Inhalt der Akten genauer beschreiben. Aber die Akten waren schon 1993 allen JournalistInnen zugänglich – die heutige 81-jährige Wolf tut in „Stadt der Engel”, was sie kann, um die Umstände, die inneren Vorgänge von damals zu erklären. Und im Übrigen hat sie in erster Linie ein Buch geschrieben. Das ist nämlich ihr Beruf: Schriftstellerin. Als solche hat sie wieder einmal ein tolles Stück Literatur abgeliefert – tiefgreifend, aufregend, wertvoll, berührend. Dafür bekommt sie im September auch den Uwe-JohnsonPreis, weitere werden wohl folgen. Der Literaturbetrieb tut gut daran, das Werk anhand literarischer Kriterien zu beurteilen. Das zumindest hat sich Christa Wolf, die großartige Autorin, verdient. l Christa Wolf: Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud Suhrkamp Verlag 2010, 25,50 Euro
an.lesen Giftiges Klima l Als im
März 1828 die Serienmorde der damals 43jährigen Witwe Gesche Gottfried aufgedeckt werden, ist ganz Bremen in Aufruhr. Schon bald sorgt der spektakuläre Kriminalfall über die Grenzen Europas hinaus für Aufsehen. Mit Mäusebutter, einem Mix aus Schmalz und Arsen, vergiftete Gottfried über einen Zeitraum von 14 Jahren mindestens 24 Menschen – darunter ihre Eltern, Kinder und Ehemänner, aber auch Nachbarn und FreundInnen. 1831 wurde sie in Bremen vor mehr als 35.000 Menschen öffentlich enthauptet, bis heute erinnert der „Spuckstein” beim Bremer Dom an Gottfrieds Hinrichtung. Ausgehend von dieser True-Crime-Story entwickelten die Illustratorin Barbara Yelin und der Autor Peer Meter die eindrucksvolle Graphic Novel „Gift”. Im Mittelpunkt der Comic-Geschichte steht eine junge, emanzipierte Schriftstellerin, die in Bremen eine Reportage über die Hansestadt verfassen soll. Zufällig gerät sie in die Vorbereitungen zur Exekution der Giftmörderin – und ist schon bald mit den bigotten wie frauenverachtenden Ansichten des Bremer Bürgertums konfrontiert, das in Gottfried ein hinterhältiges, geldgieriges Monster sehen will. Die düstere und beklemmende Atmosphäre in dieser Graphic Novel verdankt sich jedoch vor allem Yelins kontrastreichen Bleistiftzeichnun-
gen, die u.a. durch den geschickten Einsatz von Licht und Schatten und die filmähnliche Montage der Bilder besondere Spannung erzeugen. Vina Yun Barbara Yelin, Peer Meter: Gift Reprodukt 2010, 20,60 Euro
Damals, in New York ... l Das
lange erwartete literarische Debüt von Patti Smith ist ein Protokoll – oder eher: ein Lebensbericht – von ihrer Jugend und ihren frühen Jahren in New York, die vor allem von einer Person geprägt sind: Robert Mapplethorpe. Die beiden treffen sich erstmals 1967, aus der Zufallsbekanntschaft wird Liebe. Smith schildert ihre gemeinsamen Stationen, die in einem heruntergekommenen Haus in Brooklyn beginnen, über das berühmte Chelsea Hotel führen, wo die beiden in Nachbarschaft zu Drag Queens, MusikerInnen und Beat-PoetInnen wohnen, bis hin zu einem Apartment in der 23rd Street. Die gemeinsamen Jahre von Smith und Mapplethorpe sind vom unbändigen Willen geprägt, Kunst zu schaffen – ein Verlangen, das Patti schlussendlich zum Rock’n’Roll und Robert zur Fotografie bringen sollte. Aus ihrer Liebesbeziehung entwickelt sich mit der Zeit eine tiefe und innige Freundschaft, ab 1972 gehen sie schließlich getrennte Wege. Patti Smith hat in „Just Kids” zu einer klaren, eingängigen Sprache gefunden. Das Buch beschreibt die viel dokumentierte, besungene und literarisch und filmisch verarbeitete Zeit der späten 1960er und frühen 1970er Jahre in New York, ohne dabei in Klischees oder Allgemeinplätze zu verfallen. Das macht das Buch äußerst lesenswert. Irmi Wutscher Patti Smith: Just Kids. Die Geschichte einer Freundschaft Kiepenheuer und Witsch 2010, 20,60 Euro
Veropferung l Die Ausei-
nandersetzungen mit dem filmischen Schaffen Lars von Triers sind vielfältig. Bei diesem Buch handelt es sich jedoch um die erste eigenständige Betrachtung aus feministischer Perspektive. Dabei liegt der Fokus auf den weiblichen Hauptfiguren der Filme „Breaking the Waves”, „Idioterne”, „Dancer in the Dark”
und „Dogville”. Doch auch zum aktuellen Opus „Antichrist” hat Flemming ein Kapitel hinzugefügt, mit dem sie ihre These vom Selbstopfer der Frau als Werkkonstante des Filmemachers stützt: Die Frauen mit den goldenen Herzen gehen für jene in den Tod, die sie lieben – zugleich verkörpern sie eine dunkle, irrationale und todbringende Macht. Die Autorin zeigt die Körperlichkeit eines Machtdiskurses, indem sie nicht nur nach der Sprache der Frauen, sondern auch nach jener der Körper fragt. Eine empfehlenswerte Veröffentlichung für alle, die nicht nur an einer Filmanalyse, sondern auch an feministischer Theorie und Traditionen der Mythologie und des Christentums interessiert sind. Denn gerade die Tatsache, dass hier ziemlich viele Aspekte zwischen zwei Buchdeckel gepresst wurden, ist das Spannende: Flemming hat sich einer Fülle von Referenzen aus Kultur- und Medienwissenschaft sowie antiker und christlicher Mythologien bedient, die auch abseits der Filmbezüge gutes Gedankenfutter sind. Judith Schossböck Antje Flemming: Lars von Trier. Goldene Herzen, geschundene Körper Bertz + Fischer 2010, 25,00 Euro
Rassismus-Sprache l
Rassismus stellt – nicht nur in Deutschland – ein tief in gesellschaftliche Strukturen und Wahrnehmungen eingeschriebenes Unterdrückungsverhältnis dar. Durch rassistische Sprachhandlungen werden „Rassen” konstruiert und – darauf aufbauend – Privilegierungen weißer und Diskriminierungen Schwarzer Personen abgesichert und re-produziert. Der von Adibeli Nduka-Agwu und Antje Lann Hornscheidt herausgegebene, 500 Seiten starke Sammelband „Rassismus auf gut Deutsch” fokussiert diesen Zusammenhang von Rassismus und Sprache. In diesem „kritischen Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen” werden in über vierzig Kurzartikeln emanzipatorische und empowernde Selbstbenennungen vorgestellt sowie rassistische Begriffe und Argumentationen kritisch analysiert. Darüber hinaus bietet der Sammelband eine kritisch reflektierte und positionierte Einführung zu Rassismus und Sprache. Im letzten Kapitel werden methodische und theoretische Konzepte entwickelt, die rassistische Sprachhandlungen differenziert benenn-, analysier- und kritisierbar machen. Davon ausgehend, dass es in Deutschland „keine gesellschaftliche Position jenseits von RassisSeptember 2010 an.schläge l 39
an.lesen mus gibt”, richtet sich das Buch an eine breite Leser_innenschaft und leitet überzeugend dazu an, (eigene) Sprachhandlungen zu analysieren, zu reflektieren und zu verändern. Julia Roßhardt Adibeli Nduka-Agwu, Antje Lann Hornscheidt: Rassismus auf gut Deutsch. Ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen Brandes & Apsel 2010, 45,30 Euro
Intellektuelle Wissbegier l
„Im Mai 2006 stand ich unter einem wolkenlosen blauen Himmel und begann, von meinem Vater zu sprechen, der seit über zwei Jahren tot war. Sobald ich den Mund öffnete, fing ich heftig an zu zittern. Ich zitterte an jenem Tag, und an anderen Tagen zitterte ich wieder. Ich bin die zitternde Frau.” Mit diesen nüchternen Worten endet das neue Buch von Siri Hustvedt. Sie hat keinen Roman, sondern eine Abhandlung der Medizingeschichte (mit persönlichen Einschüben) geschrieben. Ausgehend von einem Zitteranfall, den sie sich nicht erklären kann, macht sich Hustvedt auf die Suche nach „der zitternden Frau”. Sie sucht in zahlreichen Disziplinen: Psycho-
analyse, Philosophie, Neurobiologie, Psychiatrie u.a. Das liest sich vor allem dann gut, wenn man Hustvedts Ausführungen in den eigenen Wissensstand von medizinischen Theorien integrieren kann, denn ohne solche Vorkenntnisse wird das Buch an vielen Stellen doch zu einer anstrengenden Lektüre. „Intellektuelle Wissbegier über die eigene Krankheit entsteht mit Sicherheit aus dem Wunsch nach deren Beherrschung. Wenn ich mich nicht heilen konnte, konnte ich wenigstens anfangen, mich selbst zu verstehen.” Die Leserin bleibt allerdings etwas ratlos zurück und wünscht sich, Hustvedt hätte die Geschichte ihrer Nerven weniger analysiert, sondern erzählt. Bettina Enzenhofer Siri Hustvedt: Die zitternde Frau. Eine Geschichte meiner Nerven Rowohlt 2010, 19,50 Euro
Feminismen verknüpft l
Vielfalt in Machtverhältnissen kritisieren – so könnte eines der Motti des vorliegenden Sammelbandes zu den „feministischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts” lauten. 17 deutschsprachige feministische Autorinnen und ein Autor versuchen eine theoretische wie poli-
tische Standortbestimmung und Perspektivenentwicklung „vergangener” und gegenwärtiger Feminismen. Die Analysen befragen die Möglichkeiten – und dies erfreulicherweise letztlich zuversichtlich – einer kritischen Gesellschaftstheorie in Zeiten von komplexer Polydimensionalität nationaler und globaler Geschlechter- und anderer Ungleichheiten. In den vier Kapiteln (z.B. „Kontroverse Interventionen” oder „Anforderungen an einen neuen Feminismus”) werden Brennpunkte (nicht nur) interner Debatten an gesellschaftliche Problemlagen gekoppelt. Das Besondere der meisten Beiträge ist nicht nur eine verständliche Sprache, sondern die historische Bezugnahme zu feministischen Theorie- und Praxisentwicklungen mit all ihren Widersprüchen und Konflikten. Damit verbunden ist das Aufgreifen von scheinbar überholten feministisch-systematischen Begrifflichkeiten wie Patriarchat, Weiblichkeitswahn, das Private, Solidarität u.a. sowie deren kritische Verknüpfung mit aktuellen Topologien wie Queer, Post/Kolonialismus, Diversity und Antidiskriminierung. Birge Krondorfer Ingrid Kurz-Scherf, Julia Lepperhoff, Alexandra Scheele (Hg.innen): Feminismus: Kritik und Intervention Westfälisches Dampfboot 2009, 30,80 Euro
e t e i M e b l a h , e m Schicker Na bonustrack: Clara Luzia
Band- und KünstlerInnennamen sind ja so eine Sache. Sollten wohlüberlegt sein, nicht überbemüht witzig, leicht zu merken und trotzdem wohlklingend. Sprich: die eierlegende Wollmilchsau. Glücklich jene, deren bürgerlicher Name so viel hergibt, dass er einfach übernommen werden kann. Auch ich habe mir wochenlang den Kopf über einen Namen zerbrochen, nachdem ja mein Familienname Humpel sogar fürs schnöde Alltagsleben zu wenig hermacht. Meine Eltern meinten es damals aber gut mit uns Kindern und gaben uns allen jeweils drei Vornamen – also lag die Entscheidung nahe, diese auch mal ein bisschen aus ihrem Schattendasein als Zweit- und Drittgereihte zu befreien. Clara Luzia also. Und das „Maria”, das ich jetzt noch über habe, werde ich auch noch irgendwann irgendwo verbraten. Jedenfalls: Bandnamen. In den 1960ern waren sie vor allem an der Westküste der USA kreativ – möglichst langatmig und am besten leicht sonderbar: Quicksilver Messenger Service, Thir-
teen Floor Elevator, Big Brother & the Holding Company etc. Ziemlich vorbei, diese Phase. Die langen Namen sind auch nicht so ideal für die kleinen CD-Covers, die die Vinylplatten und deren schöne, große Verpackung ja bald ablösten. Anfang der Nullerjahre waren dann die kurzen, schmissigen „The”-Namen der letzte Schrei, was sich aber auch schnell ausgereizt hat. Erfreulich unbeeinflusst von Trends geben sich die MusikantInnen hierzulande, da gab und gibt es vor allem in den letzten Jahren gar schöne Kreationen. Meine persönlichen Lieblinge: Luise Pop, Francis International Airport, First Fatal Kiss, Gustav, Ja, Panik, Kreisky, Cherry Sunkist, Killed by 9V Batteries, Ilsebill, Tanz Baby!, Sir Tralala, Go Die Big City, Kommando Elefant. Ließe sich noch lange fortsetzen, aber den Lesenden wird schon klar sein: Ja, es gibt hübsche KünstlerInnen- und Bandnamen auch in der Alpenrepublik. Und die Moral von der Geschicht’ – die gibt’s jetzt nicht.
Clara Humpel betreibt seit 2006 ihr Plattenlabel Asinella Records (Marilies Jagsch, Luise Pop, Bettina Koester, Clara Luzia, Mika Vember) und macht selbst unter ihren Vornamen Clara Luzia Musik. Illustration: Lina Walde, http://evaundeva.blogspot.com
40 l an.schläge September 2010
an.klang
SiebenmeilenSneakers
Von der Dyke-Bar über die Großraumdisco in die retrofuturistische Galaxie: Silke Graf und Vina Yun sind startklar.
First Fatal Kiss, Foto: Jo Peesan
Mit roter Naht und einem Klettverschluss versehen trudelte vor kurzem das „handmade” Album Planewreck von elcassette in der an.schläge-Redaktion ein. Sowas mögen wir! Die elf Nummern des Münchner Duos (Maria Cincotta und Elke Brams) lassen RiotGrrrl-Gefühle und D.I.Y.-Enthusiasmus aufkommen: Mit einfachen Mitteln schaffen es die beiden, kleine Ohrwürmer zwischen Indie-Punk und Old-School HipHop („Dyke Bar”!) mit Folk-Ausflügen zu komponieren. Gesungen wird unter anderem über Sex, die Wichtigkeit, eigene Wege zu gehen, aber auch über häusliche Gewalt. Die CD wird von den beiden Musikerinnen selbst vertrieben und kann über ihre Myspace-Seite bestellt werden. In der queer-feministischen Szene Wiens und andernorts treiben sich seit fast acht Jahren First Fatal Kiss herum. Nun gibt es endlich auch ein Album: Danke Gut (Zach Records). Illustratorin Dana Krusche verewigte die drei FFKs (Renée Winter, Maria Reisinger, Birgit Michlmayr) liebevoll mit mürrischen Gesichtern im Tierkostüm oder mit Augenbinde auf dem Cover. It’s Queer-Kitsch-Punk – mit viel Augenzwinkern und cleveren Inhalten. Neben eigenem Material finden sich Cover-Versionen von F.S.K., Die Nuts und Snakkerdu Densk. Auch wenn die legendäre Nummer „Mädchen” („Ich glaub, ich bin ein bisschen rosa”) leider auf dem Album fehlt, dieser „Schweinerockjazzpunk” sollte in keiner feministischen Plattensammlung fehlen.
… und der MC ist weiblich: Rapperin Sookee repräsentiert die etwas andere HipHop-Seite Berlins. Quing (Springstoff) ist der Titel ihres zweiten Solo-Albums und zugleich Konzept: „Weder Queen noch King und sowohl Queen als auch King.” Grenzen pushen, Machtverhältnisse skandalisieren, den Dingen einen neuen Namen geben – Sookee zeigt, wie’s geht: „Quing zeigt sich solidarisch mit dem Regenbogen/ Pro Homo/Soll doch die ganze Szene toben!” Frei nach dem Motto „Kopf, Herz, Arsch” („mitdenken, mitfühlen, mitmischen”) und mit jeder Menge positiver Energie. Ein linguistischer Triumph!
von Fritz Langs „Metropolis” inspiriertes, mehrteiliges Konzeptwerk (file under: Rebellion der Androiden), sondern auch ein Kaleidoskop an Genres, Stilen und Zitaten epischen Ausmaßes: Streicherorchester, klassische SoulAnleihen, HipHop-Grooves, Funk-Rock, Folk-Melodien, Punk, 80er New Wave – you name it! Aus der US-Hauptstadt des „neuen Südens”, Atlanta, steuert Monaé in Kollaboration mit Outkasts Big Boi ihre musikalische Karriere. Mit Rock’n’Roll-Afro-Tolle und MännerSakko tanzt und singt die 24-jährige Musikerin ihre Vorbilder Prince, James Brown, David Bowie und Lauryn Hill glatt an die Wand – ein Phänomen!
Auch Kelis „I’m bossy” Rogers wartet mit einer neuen Platte auf und beschreitet mit Flesh Tone (Interscope/ Universal) neue Wege: Willkommen in der Großraumdisco! Mit Support von Promi-Producern wie David Guetta, will.i.am, Boyz Noise, Diplo, Switch und anderen lässt die New Yorker Sängerin, die die Scheidung von Ex-Gatte und Rapper Nas sowie die Geburt ihres ersten Kindes hinter sich hat, R&B und „Milkshakes” endgültig hinter sich und regiert knappe vierzig Minuten lang über pumpende Beats, fluffige Melodien und Nebelmaschine – mehr gefällig als raffiniert, aber durchaus effektiv.
Viel Getöse herrscht aktuell auch um M.I.A. und die Veröffentlichung ihres dritten Albums Maya (XL/Edel). Dank des Hits „Paper Planes” in die Elite der Musikstars befördert, sah sich die britische Sängerin mit srilankischen Wurzeln durch einen Artikel in der „ New York Times” mit dem Vorwurf konfrontiert, eine prätentiöse PolitProvokateurin mit reichem Ehemann zu sein. Wäre aber auch seltsam gewesen, hätte sich M.I.A. ohne Wellen in den Pop-Mainstream eingliedern lassen. Die Turbulenzen klingen auch in „Maya” an (abermals mit prominentem Support von Switch, Diplo und Rusko): Das Album ist sperriger als sein Vorgänger „Kala”, lässt stilistisch nichts aus (nicht mal Auto-Tune), ist aber auf jeden Fall eine (Abenteuer-)Reise wert. l
Sie wirbelt derzeit die Musikwelt auf: Janelle Monáe. Selbst Missy Elliott ist begeistert: „Janelle ist Feuer!” Ihr Debütalbum The ArchAndroid (Bad Boy/Atlantic/Warner) ist nicht nur ein
Links: www.myspace.com/elcassettemusic www.firstfatalkiss.net www.sookee.de www.iamkelis.com www.jmonae.com www.miauk.com
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an.sehen
Zwischen Traum und Wirklichkeit Nach „XXY” balanciert „El niño pez” („Das Fischkind”), der neue Film von Lucía Puenzo, zwischen den Genres und lotet dabei die Grenzen der Liebe aus. Von Mirjam Bromundt Foto: polyfilm Verleih
Lala schläft. Ein Hund leckt ihr breit übers Gesicht. Langsam öffnet die Zwanzigjährige die Augen. Vor ihr ein Glas, das ihrem Blick zufolge später noch von Bedeutung sein wird. Lala (Inés Efron) ist Tochter aus gutem Hause und lebt mit ihrer Familie im reichen Vorortviertel von Buenos Aires. Das paraguayische Hausmädchen Ailín (Mariela Vitale) kümmert sich um den Haushalt und was sonst noch als ihre Pflicht angesehen wird – wie die sexuellen Bedürfnisse der beiden Männer der Familie zu befriedigen. Beteiligungslos und routiniert lässt Ailín die Übergriffe geschehen. Nur eine kann nicht dabei zusehen: Lala. Sie und Ailín leben in einer heimlichen, intensiven Liebesbeziehung. Sie wollen weglaufen, nach Paraguay, in die Heimat Ailíns am Ufer des Ypoá-Sees, und dort ein gemeinsames Leben beginnen. Bei Kerzenschein nehmen sie ein heißes Bad und zeichnen die Umrisse des neuen Lebens in die angelaufene Duschwand. Eng umschlungen fahren sie nachts mit dem Roller durch die Stadt, um ein wertvolles 42 l an.schläge September 2010
Bild aus dem Besitz von Lalas Familie zu verkaufen, um so und mit kleineren Diebereien die Reise zu finanzieren. Über einer ausgebreiteten Landkarte werden die Scheine gezählt und sorgfältig in einer Videokassettenhülle versteckt, wird die Hoffnung genährt und der Liebe freien Lauf gelassen. Jetzt ist Lala wach. Sie verlässt das Haus, kauft sich eine Busfahrkarte und macht sich auf den Weg nach Paraguay, während Ailín zurückbleibt und weinend das Glas ausspült. In Paraguay angekommen berichten die Fernsehnachrichten vom Mord an Lalas Vater, einem einflussreichen argentinischen Richter. Lala wird verdächtigt, mehr aber noch ihre Freundin Ailín, auf die sie in Ypoá geduldig warten will. Auf sich allein gestellt, trifft sie auf Ailíns Vater und erhält Einblick in die Vergangenheit ihrer Freundin. Gerüchte von einer Schwangerschaft, die Legende vom Fischkind, das die Ertrunkenen zum Grund des Ypoá-Sees führt und … war das ein angedeuteter Inzest? Immer offensichtlicher tritt Ailíns düsteres Geheimnis zutage,
während diese in Buenos Aires verhaftet wird und dort den illegalen Machenschaften der Polizei ausgeliefert ist. Regisseurin Lucía Puenzo beginnt ihre Erzählung mit einem Knall und setzt die Schlüsselszene gleich an den Anfang. Es entspinnen sich zwei Zeitstränge, die langsam zueinander finden und Stück für Stück eine komplexe Geschichte aufblättern: Migration, Ausbeutung und (sexuelle, soziale, familiäre) Gewalt werden mit Bildern von Liebesexzessen und Hoffnung verwoben. Kein erhobener Zeigefinger deutet auf Schuldige oder Täter. Vielmehr ist die spannend schöne Beziehung der zwei Mädchen der rote Faden, den Puenzo durch die Geschichte zieht. Und auch hier verzichtet die Regisseurin mit Selbstverständlichkeit auf jeden Kommentar. „El niño pez” basiert auf Puenzos gleichnamigem ersten Roman, den sie mit 23 Jahren schrieb und der mittlerweile in mehreren Sprachen erhältlich ist. In der Verfilmung entführt Puenzo mit wunderschönen Bildern in die Dörfer Paraguays,
wortwörtlich traumhaft sind auch die faszinierenden Unterwasseraufnahmen inklusive der detailverliebten Ausstattung, die das Märchen des Fischkindes bebildern. Wie in ihrem Erstlingswerk „XXY” von 2007, in dem Lucía Puenzo das Thema Intersexualität bearbeitete, setzt die Regisseurin auch in „El niño pez” auf Inés Efron in der Hauptrolle. An deren Seite steht Schauspielneuling Mariela Vitale, die für ihre Darstellung der Ailín beim „Award of the Argentinean Academy” den Preis der „Best New Actress” erhielt. l El niño pez / Das Fischkind (ARG/ E/F 2009, 96min) läuft seit Mitte August im Top Kino in Wien.
an.künden Redaktionsschluss Termine 10/10: 7.9.2010 termine@anschlaege.at
tanz fest musik 4.9., ab 17.00, Wien Radio ORANGE 94.0 wird 12. Fest von und für Künstler_innen, Umweltaktivist_innen, Querdenker_innen, Musikliebhaber_innen und Partyfreundinnen & -freunde, ab 17.00 WUK-Hof: „Energieeffizienz kreativ”, Präsentationen origineller Umweltköpfe, WUK-Foyer: Abschlussarbeiten des Medienkunstprojekts „Broadcast Media Sculptures”, ab 21.00 Geburtstags-Line-up: subversiv, queer und international, Eintritt: freie Spende WUK, 1090 Wien, Währingerstr. 59, http://feierlich.o94.at 11.9., 21.00, Salzburg HOSI Fest – Trachten Gaudi. Fest der Homosexuellen Initiative Salzburg, Dresscode: Lederhose und Dirndl, Happy Hour 21–22.00, VVK 4/AK 8 Euro ARGE Saal, ARGEkultur Salzburg, 5020 Salzburg, Ulrike-GschwandtnerStr. 5, www.argekultur.at 16.9.–19.9., Berlin LaD.I.Y.fest Berlin, Workshops, Diskussionen, Konzerte, Filme & Partys, live: Sookee, Beaky Sue, Eli Natali & Stella Veloce, Scragfight, Totally Stressed, Olivia Anna Livki, Purple Rhinestone Eagle, Cherry, Lady Maru u.v.a., diverse Veranstaltungsorte, Infos & Programm auf http://ladyfest.lautr.com 17.9., 20.00, Wien MILENA Verlag wird 30. Mit Lesungen von u.a. Amaryllis Sommerer und Mieze Medusa, durchs Programm führt der schönste Conférencier Österreichs, DJ Schefin, Pressetante u.a., Eintritt frei Badeschiff, 1020 Wien, Obere Donaustr. 97–99, www.milena-verlag.at 18.9., ab 20.30, Ulm Jasmina Maschina und golden diskó ship in concert, im Rahmen der Kulturnacht Ulm, Eintritt: 9/erm. 6 Euro für sämtliche KulturnachtVeranstaltungen u. Busshuttle Jazzkeller SAUSCHDALL, 89075 Ulm, Prittwitzstr. 36, www.sauschdall.de
film bis 17.9., Wien VOLXkino – Freiluftwanderkino diverse Orte in Wien, Eintritt frei, Detailprogramm: www.volxkino.at 22.9.–6.10., Wien Imaginationen des Realen – 10 österreichische Dokumentarfilme. Entstanden zwischen 1979 und 2006, präsentiert von zehn Kurator/innen aus dem In- und Ausland, mit Filmen von Ruth Beckermann, Anja Salomonowitz, Ulrich Seidl u.a. Filmmuseum, 1010 Wien, Augustinerstr. 1, www.filmmuseum.at 27.9.–25.10., 18–20.00, Hamburg Projektwerkstatt Lesbisches Kino, für JungLesben, Termine: 27.9., 11.10., 18.10., 25.10., Besuch der Lesbisch-Schwulen Filmtage zwischen 19.–24.10., max. 10 Teilnehmerinnen, Anm. (für alle Termine) bis 20.9.unter T. +49/040/245002 od. info@lesbenverein-intervention.de 20357 Hamburg, Glashüttenstr. 2, www.lesbenverein-intervention.de
bühne 15.9.–2.10., Wien Bezahlt wird nicht! Komödie von Dario Fo, Regie: Dolores Schmidinger, mit Andrea Händler u.a., Premiere: 15.9., 20.30, ab 16.9. Di–Sa 20.30; dienstags für Frauen freier Eintritt KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26, www.kosmostheater.at 21.9., 20.00, Ebensee PEACE PLEASE! Ein Bertha von Suttner Journal. Gastspiel des porttraittheaters anlässlich des Weltfriedentags am 21.9., Inszenierung: Brigitte Pointner, mit Anita Zieher Kino Ebensee, 4802 Ebensee, Schulg. 6, T. 06133/4136, www.frauenforum-salzkammergut.at
der Anne Frank. Schauspiel mit Maddalena-Noemi Hirschal, ab 13 Jahren, 29.9., 10.00, 30.9., 10.00 u. 20.00 Dschungel Wien, Theaterhaus für junges Publikum im MuseumsQuartier Wien, 1070 Wien, Museumsplatz 1, T. 01/522 07 20-24, www.dschungelwien.at
seminar workshop 22.9.2010–1.7.2011, Strobl Lehrgang „Global denken, global handeln!”, für MitarbeiterInnen von Gewerkschaften und ÖGB, BetriebsrätInnen und Gewerkschaftsmitglieder sowie MitarbeiterInnen von NGOs im Bereich soziale Menschen- und Arbeitsrechte, insgesamt 7 Module zu je 3 Tagen. Veranstalter: VÖGB Zentrale u. AK Wien, Veranstaltungsort: 5350 Strobl, Teilnahme kostenlos, Motivationsschreiben u. persönliches Gespräch, nähere Infos sowie Anmeldungslink unter www. fairearbeit.at, Kontakt: Pia Lichtblau, T. 01/534 44-39 238, pia.lichtblau@oegb.at 23.–25.9., Wien Berufstraining für angehende Professorinnen. Ein Workshop des Center for Gender Equality, für (Privat-)Dozentinnen aus allen Fachdisziplinen der Universität Wien, Anm. bis 10.9. an femail@univie. ac.at, Kontakt: Dr. Herta Nöbauer, herta.noebauer@univie.ac.at, T. 01/4277-184 65, http://univie.ac.at/women/mentoring 24.9.–25.9., Klagenfurt/Celovec Symposium „Lust & Frust in Strukturen & Institutionen”. Die Veranstaltung ist ein wissenschaftlicher, zivilgesellschaftlicher, politischer und feministischer Austausch zwischen Berufsgruppen und Regionen, Vorträge und Workshops, Detailprogramm folgt, Kontakt: sabine.prokop@gmx.at, www.vfw.or.at
bis 25.9., 20.00, Wien Die Präsidentinnen. Von Werner Schwab, mit Lucy McEvil, Lilly Prohaska, Roswitha Soukup, Vorstellungen: 1.–4.9., 15.–18.9., 22.–25.9. 3raum-anatomietheater, 1030 Wien, Beatrixg. 11, T. 0650/323 33 77, http://3raum.or.at
28.9., 17–20.00, Innsbruck „Wirtschaft anders denken” – Feministische Wirtschaftsalphabetisierung. Workshop für Frauen, Leitung: Barbara Schöllenberger (Verein JOAN ROBINSON, Wien) u. Beatrix Rettenbacher (Weiberwirtschaft, Innsbruck), Teilnahme kostenlos, max. 16 Teilnehmerinnen, Anm. bis 20.9. an office@aep.at, Ort: Café Frauen aus allen Ländern, 6020 Innsbruck, Schöpfstr. 4, www.aep.at
29.9.–30.9., Wien Hallo Kitty. Aus dem Tagebuch
30.9.–3.12., Wien Moderationstraining für Frauen.
Trainerinnen: Hannah Golda, Gerda Daniel. 30.9., 15., 29.10., 3.12., 9–16.00, Kosten: 400 Euro, Anm. bis 10.9. unter office@gerda-daniel. at u. T. 0676/61 11 160, Ort: Die Umweltberatung, Sitzungsraum, 1100 Wien, Bucheng. 77, 4. Stock 1.10., 10–18.00, Graz Workshop „Frauen-Wirtschaft(en) im Globalen Kontext”, Referentin: Elisabeth Klatzer, Anm. bis 23.9. unter T. 0316/71 24 48 u. palaver@frauenservice.org, Kosten: 25 Euro, T. 0316/71 60 22, www.frauenservice.at 11.11.2010–18.6.2011, an verschiedenen Orten „Modularer Lehrgang für Gender Kompetenz”, in insgesamt 5 Modulen zu je 2,5 Tagen/20 Einheiten, Orte: Bildungshäuser in Graz, Bruck/ Mur, Spital am Phyrn u. Grundlsee, Kosten: gesamter Lehrgang 1.750 Euro, Einzelmodul 350 Euro (ohne USt.), Fördermöglichkeiten auf Rückfrage, Info u. Anm.: Verein Frauenservice Graz, T. 0316/71 60 22-29, genderwerkstaette@genderwerkstaette.at, www.genderwerkstaette.at
vortrag diskussion 8.9., 19.30, Luzern „hinschauen – und handeln!”: Begegnung mit Monika Hauser, Trägerin des alternativen Friedensnobelpreises 2008 RomeroHaus Luzern, 6006 Luzern, Kreuzbuchstr. 44, www.romerohaus.ch 9.9., 18–22.00, Chur „Ich möchte, dass die Welt für Frauen anders wird”: Referat mit Monika Hauser, Trägerin des alternativen Friedensnobelpreises 2008 GKB Auditorium, Kleiner Konzertsaal, 7000 Chur, Engadinstr. 25 10.–12.9., Berlin Konferenz „Antisexistische Praxen IV” Mehringhof, 10961 Berlin-Kreuzberg, Gneisenaustr. 2a, www.antisexistperspectives.so36.net 7.–10.10., Berlin „Trans* ist für alle da!” – Trans*Tagung 2010, Vorträge u. Workshops, Kosten: 30/35/40 Euro (je nach Selbsteinschätzung), Anm. bis 30.9. per Überweisung, nähere Infos: www.transtagung.tk, www.transinterqueer.org, Ort: Pfefferwerk Berlin, 10119 Berlin, Fehrbelliner Str. 92
ausstellung 1.9.–11.10., Wien politische.farben – eine abstraktion in 20+16 bildern. Eine Gruppenausstellung anlässlich der Wiener Gemeinderatswahl am 10.10.. Es kandidieren mit ihren Werken: Renate Dorfmeister, Angela Dorrer, Silvia Ehrenreich u.a., Wahl des Lieblingsbildes ab 3.9., Lesungen „texteüberfarben”: 16.9., 20.00, Café Club International, 1160 Wien, Payerg. 14 u. 20.9., 20.00, Osteria Allora, 1200 Wien, Wallensteinplatz 5–6, Ausstellungen ebendort, www. galeriestudio38.at/politische.farben bis 3.9., Wien ERSTE Foundation shows: „Gender Matters” by Davor Konjikusic ERSTE Foundation, 1010 Wien, Friedrichstr. 10, Besuch nach Terminvereinbarung, T. 01/50 100-15402, www.erstestiftung.org/erste-foundation-shows bis 5.9., St. Pölten Grete Yppen: Vom Klang des Malens. Malerei und Zeichnung 1955–1995 Landesmuseum Niederösterreich, 3100 St. Pölten, Kulturbezirk 5, Di– So, Feiertage 9–17.00, Mo (außer Feiertag) geschlossen www.landesmuseum.net bis 12.9., Salzburg Ulrike Lienbacher: Elitekörper // Revolte. Ein Ausstellungsprojekt über Schönheit, Sauberkeit, Schmutz und Sport Salzburger Kunstverein/Künstlerhaus, 5020 Salzburg, Hellbrunner Str. 3, Di–So 12–19.00, www.salzburgerkunstverein.at bis 12.9., Salzburg Gunda Gruber: autopilot. Zeichnungen aus der gleichnamigen Serie Café Cult im Salzburger Kunstverein/Künstlerhaus, 5020 Salzburg, Hellbrunner Str. 3, Mo 9–17.00, Di 9–23.00, Sa 9–15, www.salzburgerkunstverein.at 16.9.–22.10., Wien ORTsZEIT. Maria Maier: Fotografie und Malerei. Eröffnung: 16.9., 19.30, Gallery Weekend 17.9., 19–21.00, Happy Hour mit New-York- & KubaCocktails, 18.9., 14.00, Talk mit der Künstlerin, 19.9., 15.00, Führung durch die Ausstellung ZS art KunstRaum, 1070 Wien, Westbahnstr. 27–29, Mo, Di, Mi, Fr 11–19.00, Do 11–21.00, www.zsart.at bis 18.9., Wien Christy Astuy, Michela Ghisetti:
September 2010 an.schläge l 43
an.künden
Swing dein Tanzbein So gar nicht klassisch werden am 25. September in Wien Frauen- und Männertanzpaare aus aller Welt in klassischen Standardtänzen gegeneinander antreten. Und begeisterte Hobbytänzer_innen können sich auf der Party danach bei den internationalen Queer-Tanzshows auch gleich was abgucken.
Filmstill „Getting my name up there” (2009/10), Katharina Cibulka
Identitätsstiftung Im Rahmen der internationalen Gruppenausstellung „Identität II” in der Fotogalerie im WUK präsentiert die Künstlerin Katharina Cibulka u.a. ihre Videoinstallation „Getting my name up there”: 1999 machte sie sich in New York auf die Suche nach Frauenbands und befragte die Protagonistinnen für ihren Film „Fireflies”. Zehn Jahre später interviewt Cibulka dieselben fünf Musikerinnen erneut über ihre Lebensträume, löst dabei aber den biografischen Erzählstrom von den Bildern – eine Irritation, die die fortlaufende Variabilität von Identität markiert. 1.–29.9., Identität II, Fotogalerie Wien, 1090 Wien, Währingerstr. 59, T. 01/408 54 62, Di–Fr 14–19.00, Sa 10–14.00, www.fotogalerie-wien.at Paintings and Drawings. Geschlechterrollen, Verführung und (sexuelle) Metamorphose Galerie Elisabeth Michitsch, 1010 Wien, Opernring 7/12 (Mezzanin), Mo–Fr 10–18.00, www.elisabeth-michitsch.at bis 19.9., Harmannsdorf Die edlen Früchte und die Gouvernante. Gruppenausstellung mit Ursprung in Bertha von Suttners Biografie, mit Stephanie Aigner, Petra Braun, Crazy Bitch in a Cave u.a., Kuratorin: Ursula Hübner Im Schüttkasten und Glashaus des Schlosses Harmannsdorf, 3713
Harmannsdorf 1, diegouvernante. blogspot.com bis 19.9., Dresden Stoffe aus Lublin/Blawatne – Lublina. Ulrike Grossarth – Stefan Kielsznia: Gegenwartskunst und historische Straßenfotografien aus dem jüdischen Viertel in Lublin Kunsthaus Dresden, Rähnitzg. 8, 01097 Dresden, Di–Fr 12–19.00, Sa u. So 12–20.00, Fr Eintritt frei, www.kunsthausdresden.de bis 26.9., Klosterneuburg Niki de Saint Phalle: Im Garten der Fantasie
Foto: Johnny Jensen ESSL MUSEUM – Kunst der Gegenwart, 3400 Klosterneuburg/Wien, An der Donau-Au 1, Di-So 10–18.00, Mi 10–21.00, www.essl.museum bis 3.10., Wien Now I See – Retrospektive von Brigitte Kowanz MUMOK – Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, 1070 Wien, Museumsplatz 1, Mo–So 10–18.00, Do 10–21.00, www.mumok.at bis 3.10., Krems Les Femmes Fatales Kunsthalle Krems, Forum Frohner, 3504 Krems-Stein, Minoritenplatz 4, tgl. 11–17.00, Shuttlebus-Möglichkeit ab Wien, T. 02732/90 80 10, www.kunsthalle.at bis 26.10., Hittisau Ich bin Ich: Susi Weigel. Trickfilmzeichnerin und Illustratorin (1914–1990) Frauenmuseum, 6952 Hittisau, Platz 501, Do 15–20.00, Fr 14–17.00, Sa u. So 10–12, 14–17.00, T. 05513/620 930, www.frauenmuseum.at bis 31.10., Wien Cosima von Bonin: Tagedieb. Kunstinstallation im öffentlichen Raum Graben, 1010 Wien, Höhe Nr. 17/21 bis 7.11., Wien Tina Modotti – Fotografin und Revolutionärin. Retrospektive. Führungen:
Frida Kahlo Superstar Die „Frida Kahlo Retrospektive” ist die erste umfassende Ausstellung über die populäre und von Mythen umrankte mexikanische Künstlerin (1907–1954) in Österreich: Zu sehen sind rund einhundert Gemälde und Zeichnungen, ergänzt durch fotografisches Dokumentationsmaterial, das von Fridas Großnichte Cristina Kahlo zusammengestellt wurde. Kahlos Werk zählt zu den spannendsten Kapiteln der Kunst der Zwischenkriegszeit zwischen Neuer Sachlichkeit und Surrealismus. Frida Kahlo: Die zerbrochene Säule (1944), Foto: Museo Dolores Olmedo Patiño, Xochimilco, Mexiko-Stadt, Werk: Banco de México, Diego Rivera & Frida Kahlo Museums Trust, México, D.F./VBK, Wien, 2010
44 l an.schläge September 2010
1.9.–5.12., Bank Austria Kunstforum, 1010 Wien, Freyung 8, Sa–Do 10–19.00, Fr 10–21.00, T. 01/537 33 26, www.bankaustria-kunstforum.at
25.9., Bewerb ab 10.30, Party ab 20.30, Haus Muskath, 1230 Wien, Liesinger Platz 3, Infos und Karten unter www.viennadancecontest.at So u. Feiertag: 15.00, Kontakt Gruppenführungen: katharina.boehm@ kunsthauswien.com Kunst Haus Wien, Museum Hundertwasser, 1030 Wien, Untere Weißgerberstr. 13, tgl. 10–19.00, T. 01/712 04 91, www.kunsthauswien.com bis 14.11., Maria Gugging mahn – maskulines? Männerbilder – die Abbildung des Mannes und „Männliches” in der Art Brut galerie gugging, 3400 Maria Gugging, Am Campus 2, T. 02243/87 087 381, www.gugging.org bis 13.12., Wien Das Theater mit dem Gender – 10 Jahre KosmosTheater. Jubiläumsausstellung, Konzept und Ausführung: Bettina Frenzel, geöffnet an Spieltagen, ab 90 min. vor Vorstellungsbeginn, Eintritt frei KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26 www.kosmostheater.at
lesung 6.9., 19.30, Innsbruck Theresia Oblasser liest aus „Heimkommen”, erschienen beim Verlag Bibliothek der Provinz AEP-Frauenbibliothek, 6020 Innsbruck, Müllerstr. 26, T. 0512/58 36 98, www.aep.at 8.9., 20.00, Wien Female Frequencies – Madita & Julya Rabinowich. Jazzige Electronic trifft auf Literatur, Eintritt frei ega:frauen im zentrum, 1060 Wien, Windmühlg. 26, T. 01/58980-0, www.ega.or.at 13.9., 19.30, Wien Buchstabensuppe n°28 – Literatur und Suppe, mit Marianna Salzmann (RUS/D), Kosten: 5 Euro Büro der WIENER WORTSTAETTEN, 1040 Wien, Schönbrunner Str. 9, T. 01/236 38 47, www.wortstaetten.at 16.9., 20.15, Innsbruck „Nachlese” der Internationalen WeltAIDS-Konferenz in Wien, mit Eleonore Bürcher und Isabella Krassnitzer ORF Tirol kulturhaus, 6020 Innsbruck, Rennweg 14, http://tirol.orf.at/ magazin/studio/kulturhaus 20.9., 20.30, Wien WORTall Poetry Slam. Wettlesen um die Gunst des Publikums mit Slamstars aus D, A und CH. Konzept:
Mieze Medusa und Gallus Vögel, mit Yasmin Hafedh, Katinka, Buddenkotte, Etta Streicher u.a., Kosten: 7/ erm. 5 Euro, freier Eintritt bei drei performativen Interventionen am Siebensternplatz um 17.00, 18.30, 19.30 KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26, www. kosmostheater.at, www.textstrom.at 27.9., 19.00, Wien Lina Loos – Szenische Lesung. Auf den Spuren von Pionierinnen und Zukunftsfrauen. Eine Reihe von Petra Unger: Nachdrücklich vorbildlich, Kosten: 10/erm. 7 Euro KosmosTheater, 1070 Wien, Siebensterng. 42, T. 01/523 12 26, www.kosmostheater.at 28.9., 20.30, Innsbruck Buchpräsentation „Wirtschaft anders denken. Feministische Wirtschaftsalphabetisierung”, hg. v. Verein JOAN ROBINSON u.a., keine Anmeldung erforderlich, Teilnahme am kostenlosen Workshop von 17–20.00 bei Anm. bis 20.9. unter office@aep.at u. www.aep.at Café Frauen aus allen Ländern, 6020 Innsbruck, Schöpfstr. 4 29.9., 20.00, Wien Eröffnung der 36. LITERARISCHEN SAISON der Alten Schmiede, mit Daniela Strigl, Herbert Ohrlinger, Karl-Markus Gauss, Eintritt frei Odeon, 1020 Wien, Taborstr. 10, T. 01/216 51 27, www.odeon-theater.at, www.alte-schmiede.at 1.10., 18.00, Wien „In Anerkennung der Differenz. Feministische Beratung und Psychotherapie”: Buchpräsentation anlässlich 30 Jahre Frauen beraten Frauen. Marlene Streeruwitz liest ihren für diesen Sammelband verfassten Text „In diesem politischen Augenblick”, Eintritt frei Österr. Nationalbibliothek, Camineum, 1010 Wien, Josefsplatz 1, www.onb. ac.at, www.frauenberatenfrauen.at 5.10., 19.00, Wien Wo ich wohne – Hommage an Ilse Aichinger, mit Reinhard Urbach, Franz Schuh, Kurt Neumann, Eintritt frei Literarisches Quartier, Alte Schmiede Kunstverein Wien, 1010 Wien, Schönlaterng. 9, T. 01/512 83 29, www.alte-schmiede.at
aktivitäten 6.9.–7.11., Salzburg Herbst.Tanz 2010 – tanzimpulse
an.künden 29.10. (Aufbau I/II im Anschluss), UKB: 66 Euro; Aufbau III: 26.9., 3., 10., 17., 31.10., 7., 14.11. (Aufbau IV im Anschluss), UKB: 77 Euro, jeweils 19–21.00, danach Tanzabend, women only Cafe STANDARD, 1050 Wien, Margaretenstr. 63, www.resisdanse.at 30.9., 19.00, Innsbruck Eröffnungsveranstaltung für das neue Interfakultäre Masterstudium Gender, Culture and Social Change Aula der Sozial- u. Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (SoWi) der Universität Innsbruck, Universitätsstr. 15, www.uibk.ac.at/ma-gender
Sofi Oksanen & Anna Thalbach, Fotos: Toni Härkönen, Oliver Wia
„Fegefeuer“ auf Literatour Der vielfach übersetzte Roman „Fegefeuer” der finnischen Autorin Sofi Oksanen über zwei Frauen und männliche Gewalt in politischen Systemen geht auf Lesereise. In fünf Städten in Deutschland und Österreich liest Oksanen zusammen mit der deutschen Schauspielerin Anna Thalbach aus ihrem Erfolgsbuch. 13.9., 20.00, Köln, Kulturkirche; 14.9., 20.00, München, Literaturhaus; 15.9., 20.00 Hamburg, Harbour Front Festival; 16.9., 20.30, Berlin, Internationales Literaturfestival; 17.9., 20.00, Wien, Rabenhof, nähere Infos unter www.kiwi-verlag.de Salzburg. Workshops 1. Staffel: 6.–9.9., HipHop, Music Dance, Capoeira, Latin Jazz u Makulele; 2. Staffel: 22.10.–7.11., internationaler Mix, Floating Body, Bollywood Dance u. Flamenco Oriental, Anm.: workshops2010@tanzimpulse.at u. T. 0676/97 55 293, www.tanzimpulse.at 11.9., 17.00, Graz FrauenStadtSpaziergänge 2010 – erzählte Frauengeschichte: „Frauenkriminalität – Hexen und Kindsmörderinnen”. Eine Veranstaltungsreihe von Verein FRAUENSERVICE Graz
Treffpunkt: Hauptplatz, Rathaus, 8010 Graz, www.frauenservice.at 15.9., 19.00, Wien Kunstasyl – Asyl in Not lädt zur Kunstauktion 2010, über 90 Werke gespendet von Valie Export, Brigitte Kowanz, Wolfgang Pavlik, Franz West, Günther Brus u.v.a. Theater Nestroyhof Hamakom, 1020 Wien, Nestroyplatz 1, www.kunstasyl.at ab 24.9., Wien Resis.danse FrauenTanzClub Anfängerinnen: 24.9., 1., 8., 15., 22.,
Freiräume für alle! Wie äußert sich Gentrifizierung in verschiedenen Städten? Wie steht es um Squats weltweit? Wie können Proteste gegen die Kriminalisierung von selbstverwalteten Räumen auf größere Solidarität stoßen? Um diese und andere Fragen geht’s beim kommenden D.I.Y.Festival Intersquat in Berlin. Die Auseinandersetzung mit der Utopie „Freiraum” findet in Diskussionen, Workshops, Info-Veranstaltungen, Ausstellungen, Konzerten und Aktionen statt. Willkommen sind Zelte, Ideen und „eure ungebremste kämpferische Leidenschaft”. 10.–19.9., Berlin, Festivalprogramm auf http://intersquatberlin.blogsport.de, intersquat-berlin@riseup.net
bis 1.10., Wien Ines Doujak – Mahnwache. Künstlerische Intervention. Das Projekt erinnert an die Verfolgung von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen im Dritten Reich. Mahnwache jeweils Fr 17–18.00, 1010 Wien, Morzinplatz bei der ehemaligen „GestapoLeitstelle Wien”
beratung jeden 2. u. 4. Sa, 14–18.00, Wien Frauen-Lesben-Theatergruppe, für Frauen und Mädchen jeden Alters, Infos: Regina Stierschneider, T. 0664/186 06 13, #regina@elektrobox.com FZ – Autonomes FrauenLesbenMädchenZentrum, 1090 Wien, Währinger Str. 59/Stiege 6 Do, 17.30–20.45, Wien SAPPHO – Psychotherapeutische Gruppe für lesbische und bisexuelle Frauen: Das zufriedene les-bi-sche Ich bin Ich, 14-tägig jeweils Do, Kosten: 48 Euro pro Abend, Anm.: T. 01/585 69 66 Beratungsstelle COURAGE, 1060 Wien, Windmühlg. 15/1/7, www.courage-beratung.at 6.9.–20.9., an verschiedenen Orten FEMAIL-Sprechtage in den Regionen, kostenlose u. vertrauliche Information u. Beratung zu Themen wie Beihilfen, Karenz, Wiedereinstieg, Bildung, Gesundheit, Trennung u. Pension, Beraterin: Claudia Bernard, 6.9., 16.–18.00, Lebensraum, Bregenz, 9.9., 9–11.00, Rathaus, Lustenau, 13.9., 16–18.00, Gemein-
Feministische Alltagskultur Das von ArchFem (Interdisziplinäres Archiv für feministische Dokumentation) initiierte temporäre Kunstprojekt „Rosa’s Place” setzt sich mit der dokumentarischen Repräsentation von frauenbewegter Geschichte und Gegenwart in Tirol auseinander. Dabei werden nicht nur die Sichtbarkeit feministischer Institutionen verhandelt und deren Entstehungsprozesse neu erzählt, sondern auch feministische Alltagskultur an verschiedenen Orten in Innsbruck im wahrsten Sinn „auf den Sockel” gestellt – im Lebensmittelgeschäft, bei der Friseurin, in der Schule. Die einzelnen Stationen der Ausstellung werden am 19. September im Rahmen des Straßenfestes Zollerstraße präsentiert. 19.9.–15.10., diverse Orte in Innsbruck, nähere Infos & Details unter www.archfem.at und www.rosasplace.at. deamt, Vandans, 20.9., 15–17.00, Gemeindeamt, Egg, T. 05522/31002, www.femail.at
radio fixtermine Mo 18–19.00, Wien Khorschid Khanum – Die persischsprachige Frauensendung Orange 94.0 MHz, jeden 1. Mo Mo 19–20.00, Kärnten Frauenstimmen – Glas zena Radio Agora 105.5 MHz (Dobrac), wöchentlich Mo 21–22.00, Schweiz K-Punkt Kalila – Feminine und feministische Themen Kanal K 94.9 MHz (Aargau), Livestream auf http://kanalk.ch, wöchentlich Di, 13–14.00, Wien Globale Dialoge – Women on air Orange 94.0 MHz, wöchentlich Di, 18–19.00, Wien Weibertalk – Sendung des Autonomen FrauenLesbenZentrums Innsbruck Orange 94.0 MHz, jeden 2. Di Di, 20–21.00, Deutschland Mrs. Pepsteins Welt – FeminismusAllüren und Musik, Musik, Musik Radio Blau 99,2 MHz (Leipzig), www.mrspepstein.de, alle 4 Wochen
Radiofabrik 107.5 MHz (Salzburg Stadt), wöchentlich Mi 18–19.00, Wien Bauch, Bein, Po – Die Sendung für die ganze Frau Orange 94.0 MHz, jeden 2. Mi Fr 18–19.00, Wien Radio UFF – Sendung des Unabhängigen FrauenForums Orange 94.0 MHz, jeden 1. Fr Fr 19–20.00, Oberösterreich SPACEfemFM Frauenradio Radio FRO 105.0 MHz (Linz), jeden 1., 3. u. 4. Fr Sa 18–19.00, Deutschland Rainbow City – Radio für Lesben und Schwule 97.2 MHz (Berlin), Livestream auf www.radiorainbowcity.de, wöchentlich Sa 19–20.00, Steiermark Bertas Bücherstunde – Das feministische Literaturmagazin Radio Helsinki 92.6 MHz (Graz), jeden 4. Sa So, 19–20.00, Tirol Weibertalk – Sendung des Autonomen FrauenLesbenZentrums Innsbruck FREIRAD 105.9 MHz (Innsbruck), jeden 1. So
Di, 21.–20.00, Wien female:pressure – Feministisches Magazin zu Musik- und Clubkultur Orange 94.0 MHz, jeden 2. Di Mi 18–18.30, Salzburg Frauenzimmer – Plattform für eine frauenspezifische Information
September 2010 an.schläge l 45
Vorschau auf die Oktober-Ausgabe:
Batman II
Neues von der Väterrechtsfront
Peaches Christ Superstar
Kaffee und Interview mit Merrill Beth Nisker aka Electro-Revoluzzerin Peaches
tv an.schläge 13.9
zappho des monats
., 21.0 auf OK 0 TO web wwws.otrkeam: to.tv
Aktuelles Programm auf www.okto.tv/anschlaege
an.schläge-Abopreise: Schnupperabo (3 Hefte): 10/12* Euro Jahresabo (10 Hefte): 35/ermäßigt 29/45* Euro Unterstützungsabo (10 Hefte): 43/53* Euro * Gültig für Europa, weitere Auslandspreise auf Anfrage. Weitere Infos unter abo@anschlaege.at oder auf www.anschlaege.at.
an.schläge gibt‘s in folgenden Buchhandlungen: Fachbuchhandlung ÖGB Kuppitsch Morawa Winter Frick International tiempo Facultas Lhotzkys Literaturbuffet Buchhandlung polycollege phil Südwind Tabak Trafik Brosenbauch
1010 1010 1010 1010 1010 1010 1010 1020 1050 1060 1070 1070
Rathausstr. 21 Schottengasse 4 Wollzeile 11 Rathausstr. 18 Schulerstr. 1-3 Johannesgasse 16 Universitätsstr. 7 Taborstraße 28 Reinprechtsdorferstr. 38 Gumpendorferstr. 10-12 Mariahilferstr. 8 Kaiserstr. 96
und auch in vielen Städten in Deutschland. Vollständige Liste der Verkaufsstellen auf:
www.anschlaege.at www.myspace.com/an.schlaege 46 l an.schläge September 2010
Riedl 1080 Löwenherz 1090 Südwind 1090 Infoladen Infomaden 1110 Infoladen Treibsand 4040 Kulturverein Waschaecht 4600 Rupertusbuchhandlung 5020 Wagnersche Buchhdlg. 6020 Amazone-Zentrum 6900 Berta – Bücher & Produkte 8020 Hacek-Bücherei 9020 KBuch 9020
Alser Str. 39 Berggasse 8 Schwarzspanierstr. 15 Wielandgasse 2-4 Rudolfstr. 17 Dragonenstr. 22 Dreifaltigkeitsgasse 12 Museumstr. 4 Brockmanngasse 15 Siebenundvierzigergasse 27 Paulitschgasse 5/7 Universitätsstr. 90
€ 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00
Und wann ist es bei dir endlich so weit?
l l an.schläge das feministische monatsmagazin. september 2010
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No Kidding! Frau im Glück – ganz ohne Mutterschaft Zero Tolerance für Roma Der antiziganistische Populismus in Europa wächst Reklame gegen Sexismus Vorbilder für Gesetze gegen diskriminierende Werbung Plus: Autonomer & staatlicher Feminismus im Dialog >> Christa Wolf >> Queeres Mahnmal in Wien >> Feministische Hard-Boiled-Krimis >> Las Kumbia Queers >> Teatro das Oprimidas >> und vieles mehr
an.schläge Nr. 9/10, 24. Jahrgang, € 3,80 (Ö) € 4,80 (D) sfr 9,00 , ISSN 1993-3002, P.b.b. Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1010 Wien, envoi à taxe réduite, GZ 02Z031419 M