Landschaftliche Situation
Bauen in sensibler Landschaft Hubertus Adam Folgt man der 2006 vom ETH Studio Basel vorgelegten Publikation Die Schweiz – Ein städtebauliches Portrait, so handelt es sich bei der Schweiz um ein durchgehend urbanisiertes Land. Man mag die Erkenntnistiefe dieser Aussage infrage stellen, wenn man eine Hochgebirgsregion mit der Agglomerationslandschaft des Limmattals vergleicht, und doch weisen die Autoren um Jacques Herzog, Pierre de Meuron, Marcel Meili, Markus Peter und Christian Schmid mit ihrer Urbanisierungsthese auf ein gewichtiges Problem hin: das der Nivellierung. Die Homogenisierung, durch welche die Schweiz sich zu einem einheitlichen Staatswesen ausbilden konnte, wird heute zum Problem, wenn überall alles und damit überall das Gleiche angeboten wird. Lokale Spezifik neu zu definieren, wäre ein Gebot der Stunde. Die Gegend um die Nordspitze des Zugersees zählt – kurz als «Steueroase» tituliert – entsprechend den Rubrizierungen des ETH Studio Basel zum «Städtenetz Zentralschweiz». Dabei liegt die Gegend um Zug nicht nur geografisch zwischen Zürich und Luzern: Während sie sich wirtschaftlich als Steuersitz von Firmen und Handelsgesellschaften nach Zürich orientiert, ist sie hinsichtlich Wohnsitzen, Konsum und Pendlersträngen mit der Innerschweiz verflochten. Hat man, von Zürich her kommend, das Sihltal verlassen, so prägen Gewerbezonen und Backoffices die Gegend – Baugruben und Kräne fügen sich ein in die Kulisse von Rigi und Pilatus, während auf den Nachbarparzellen Kühe weiden. Ein schmaler Fluss namens Lorze, immerhin der bedeutendste des Kantons Zug, ist ein seltsames Gewässer: Die Lorze hat ihren Ursprung im Ägerisee, wendet sich nach Norden, umfliesst Baar in einer Schleife, um dann in einem künstlichen Bett zunächst im Zugersee zu münden. In Cham, wenige Kilometer weiter westlich, verlässt sie den See wieder in nördlicher Richtung, um nach 11 Kilometern in der Reuss aufzugehen. Im
Modell
18. und 19. Jahrhundert wurden mit der Wasserkraft der Lorze die Gestänge der Textilindustrie angetrieben, welche die Industrialisierung im Kanton einläutete. Schon 1944 fand man am Rand von Hagendorn erste Reste einer römischen Ansiedlung aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Überreste von drei hölzernen Mühlrädern bewiesen, dass die Lorze schon seinerzeit genutzt worden war; das bestätigte sich in den Jahren 2003/2004, als anlässlich der Erweiterung der Fensterfabrik in Hagendorn weitere Ausgrabungen von der Kantonsarchäologie Zug durchgeführt wurden. Funde deuten daraufhin, dass ein von der Lorze abgezweigter Kanal nicht nur Getreidemühlen, sondern auch einen Schmiedehammer mit Wasser versorgte. Ausserdem wurden mit ungefähr 30 Matronenfigürchen – auf Korbstühlen sitzenden Göttinnen – die Überreste eines lokalen Heiligtums entdeckt. Teile der Funde sind heute in den Foyerbereichen der Fensterfabrik Baumgartner ausgestellt. Hagendorn, am Unterlauf der Lorze gelegen, ist heute ein Ortsteil von Cham. Während sich östlich die zersiedelte Stadtlandschaft von Cham, Baar und Zug erstreckt, ist das Land Richtung Nordwesten noch immer agrarisch geprägt. Waldstreifen, Hecken und Gehölze gliedern die Feldflur in einzelne, voneinander abgegrenzte Räume, in der Ferne begrenzen die Höhenrücken der Voralpen den Blick. Wie sich die Natur darstellt, ist allerdings selbst Resultat jener bald 2000-jährigen Nutzungsgeschichte, die in der römischen Zeit begann. Naturlandschaft ist zur Kulturlandschaft geworden. Direkt an der Grenze zwischen Siedlungs- und Landschaftsraum stehen die Werkshallen der Firma Baumgartner. Das Unternehmen wurzelt in einem 1825 gegründeten Schreinereibetrieb, schwenkte aber später auf die alleinige Produktion von Fenstern um. 1984 entstanden neue Produktionsanlagen, die mit eternitgedeckten Satteldächern den örtlichen Bauvorschriften Rechnung tragen.
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1 Neubau Fabrikationshalle 2 B端ro-Aufstockung 3 Bestehende Fabrikationshallen
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Niklaus Graber & Christoph Steiger Architekten, Luzern Nach dem Architekturstudium an der ETH Zürich und an der Columbia University New York, dem Praktika in Basel und Berlin folgten, gründeten Niklaus Graber und Christoph Steiger (beide *1968) im Jahr 1995 ihr gemeinsames Architekturbüro in Luzern. Das Interesse der Partner gilt einer Architektur, welche für die jeweilige Aufgabenstellung eine spezifische Antwort formuliert und dabei auch bewusst persönliche Interessen und subjektive Gewichtungen ins Spiel bringt. Das bisherige Werk umfasst öffentliche und institutionelle Gebäude ebenso wie private Wohnbauten. Zu ihren bekanntesten Projekten zählt die Mittelpunktschule Obermarch in Buttikon SZ (1998–2001). Stefan Koepfli Landschaftsarchitekt, Luzern Stefan Koepfli studierte Landschaftsarchitektur in Rapperswil und gründete 1994 sein eigenes Büro in Luzern, das zahlreiche Wettbewerbserfolge und realisierte Projekte im öffentlichen und privaten Bereich aufweisen kann. Seit 2001 besteht eine enge Zusammenarbeit mit Blanche Keeris und Jeannette Rinderknecht. Das Interesse des Büros gilt den Schnittstellen zwischen Landschaft und Gebautem, den Gegensätzen von Natur und Kultur. Oft inspirieren bestehende Strukturen die Entwürfe; wichtig sind für Stefan Koepfli der Faktor Zeit sowie die Entwicklung und Veränderung von Pflanzen und Landschaften.
Planungsteam Fensterfabrik in Hagendorn Architektur: Niklaus Graber & Christoph Steiger Architekten ETH / BSA / SIA, Luzern Mitarbeit: Urs Schmid, Roland Stutz, David Zimmermann Landschaftsarchitektur: Koepfli Partner Landschaftsarchitekten BSLA, Luzern Mitarbeit: Blanche Keeris Tragwerksplanung Vorprojekt: Plüss Meyer Partner AG, Luzern/Cham Tragwerksplanung Bauprojekt: Locher AG Bauingenieure, Zürich HLKS-Planung: E.Betschart Energie + Haustechnik, Goldau Elektroplanung: Scherler AG, Baar Fassadenplanung: Mebatech AG, Baden Bauphysik: Ragonesi, Strobel & Partner AG, Luzern Generalunternehmung: Alfred Müller AG, Baar Auftraggeber: Baumgartner AG, Hagendorn
Fotografie: Dominique Marc Wehrli Texte: Hubertus Adam, Philip Ursprung Redaktion: Hubertus Adam Lektorat: Miriam Seifert-Waibel Gestaltung: Bernet & Schönenberger, Zürich Druck: Heer Druck AG, Sulgen © 2008 by Verlag Niggli AG, Sulgen | Zürich, www.niggli.ch ISBN 978-3-7212-0666-1
Mit der Unterstützung von
Baumgartner Fenster AG Locher AG Bauingenieure Erwin Betschart Energie+ Haustechnik Scherler AG Beratende Ingenieure Zwahlen & Mayr SA Werner Keller Metallbau AG Alfred Müller AG Klausner AG Metallbau Ludwig Ruoss AG büro design burkard Gebr. Baur AG ARGE Rossi Aregger AG / PILAG Gemeinde Cham PlüssMeyerPartner Ragonesi Strobel & Partner Lift AG Maler Huwiler AG