archithese 1.2019 – Swiss Performance 2019

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Herausragend oder kontrovers Eine kritische Rückschau auf ein Jahr Schweizer Architektur

Stadt ( ge ) schichten Caruso St John – Gewerbehaus St. Jakob, Zürich Esch Sintzel – Maiengasse, Basel Baukontor – Bürohaus am Schiffbauplatz, Zürich Züst Gübeli Gambetti – Surber-Areal, Zürich

Vielschichtige Narrationen TEd'A arquitectes – Schule, Orsonnens Dreier Frenzel – Wohnhaus, Renens Buol & Zünd – Mehrfamilienhaus, Basel Bollinger und Buchner – Umbau eines Lagers zum Wohnen, Nuglar

Das Tragwerk als Kraftwerk Meili, Peter – Firmensitz Felchlin, Ibach 10 : 8 – Bushof Schwerzenbach Christian Kerez – Bürogebäude, Lyon

Swiss Performance 2019 MÄR – MAI 1.2019 CHF 28.– |  EUR  24.–


Swiss Performance 2019 MÄR – MAI  1.2019

3 Editorial 6 Caruso St. John Gewerbehaus der Stiftung Behindertenwerk St. Jakob in Zürich Roman Hollenstein 16 Esch Sintzel Architekten Wohnüberbauung Maiengasse und Mehrfamilienhaus Hebelstrasse in Basel Julian Bruns 26 10 : 8 Architekten Bushof Schwerzenbach Marcel Hodel 32 Christian Kerez Bürogebäude auf dem Baufeld Îlot A3 des Entwicklungsgebiets Confluence in Lyon Cyrill Schmidiger

38 TEd’A arquitectes Primarschule von Orsonnens Ulf Meyer 46 Dreier Frenzel Architecture Mehrfamilienhaus an der Rue de Verdeaux in Renens Jørg Himmelreich 52 Baukontor Architekten Bürohaus am Schiffbauplatz in Zürich Christoph Feinweber 62 Meili, Peter Architekten Erweiterung des Firmensitzes von Max Felchlin in Ibach Tanja Reimer 70 Buol & Zünd Mehrfamilienhaus Lerchenstrasse in Basel Daniel Klos 76 Züst Gübeli Gambetti Wohn- und Gewerberäume auf dem ehemaligen Surber-Areal in Zürich Harald R. Stühlinger

Cover: TEd'A arquitectes, Primarschule in Orsonnens, 2018 ( Foto: Luis Díaz Díaz )

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und Buchner Bründler Architekten Umbau eines Kirschlagers in Nuglar zum Wohnhaus mit Atelier Elias Baumgarten

Rubriken 94 Premium Brands Online 95 Neues aus der Industrie 96 Vorschau und Impressum


archithese 1.2019

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Editorial Swiss Performance 2019

Mit der Swiss Performance blicken wir wieder auf ein Jahr

allgemein verständlich ist, ohne beim Inhalt Abstriche zu

Schweizer Architektur zurück – mit dem Ziel, spannende Ten-

machen. Besondere Freude macht uns, dass im Vorjahr zwei

denzen und wegweisende Entwicklungen aufzuzeigen. Doch

Ausgaben rasch ausverkauft waren. Dies bestätigt unseren

wann reflektiert das archithese-­Team eigentlich die eigene

bezüglich Themen und Textformaten eingeschlagenen Kurs. In

Arbeit ? Im ­Dauerlauf inhaltlich dichte, relevante und thema-

der Folge konnten wir die Auflage für den Verkauf in Buchläden

tisch wegweisende Hefte komponierend, kontinuierlich bis zu

und im Online-Shop erhöhen.

vier Veranstaltungen im Voraus planend und im Blog tages­

Zwischendrin Luft zu holen und zu planen ist auch des-

aktuell berichtend – dabei geht schnell vergessen, dass auch

halb wichtig, weil ein grosses Jubiläum ansteht: In der Redak-

eine Redaktion immer wieder innehalten und ihren Kurs hin-

tion fiebern bereits alle dem 50-jährigen Bestehen der archithese

terfragen muss.

im kommenden Jahr entgegen und haben begonnen, Pläne zu

Zum Jahreswechsel haben wir das archithese-Filmarchiv

schmieden, wie dies inhaltlich zu setzen und zu feiern sei.

auf YouTube auf den neusten Stand gebracht; mittlerweile sind

Dazu passt, dass mit dem nächsten Heft zum Thema Rück-

40 Videos der kontext-Events online. So wird sichtbar, was sich

zug Christina Horisberger an Bord der Redaktion kommt. Die

getan hat, seit die Redaktion vor über drei Jahren entschied,

studierte Kunsthistorikerin und Dozentin an der ZHdK bringt

neben der schriftenreihe auch eine multimediale Plattform aus-

viele Jahre Redaktionserfahrung mit. Schon die ersten Ausga-

zubilden. Wir haben uns nach Fertigstellung dieses Hefts

ben der archithese wurden mit Stanislaus von Moos von einem

zudem die Zeit genommen, die Zahlen unserer Online-Aktivitä-

Kunsthistoriker geprägt, und so schliesst sich der Kreis.

ten auszulesen. Unsere Beiträge auf Blog, Facebook und Ins-

Die bsmediagroup und der fsai – die beiden Eigentümer

tagram wurden mehr als eine Million Mal gelesen. Das bestärkt

der archithese – feilen parallel an den wirtschaftlichen Struktu-

uns, dort weiter zu informieren und zu kritisieren.

ren, um archithese fit für die nächste Dekade zu machen. Ein

18 Veranstaltungen wurden inzwischen durchgeführt

erster, wichtiger Schritt ist getan: Der Ausrichtung der archithese

und mehr als 1600 Gäste empfangen, die jedes noch so grosse

als Buch und multimediale Diskursplattform trägt ein Wechsel

Auditorium füllen konnten. Weil diese Events kein kommerzi-

beim Verkaufspartner Rechnung. Er ist deshalb wichtig, weil bei

elles Format haben, sondern informelle Zusammenkünfte auf

archithese die Mittel zu gleichen Teilen aus dem Verkauf der

dennoch hoher Flughöhe darstellen, gilt es, den Teilnehmern

Abos und Hefte zum einen sowie aus Werbung und Sponsoring

und Gastgebern zu danken. Oft haben sie ehrenamtlich bezie-

auf der anderen Seite stammen. Um die Bereiche Veranstaltun-

hungsweise unentgeltlich Zeit und Raum zur Verfügung gestellt.

gen und Onlinepräsenz zu stärken, tun wir uns ab sofort mit

Ein herzliches Merci auch noch einmal an die Firmen und Stif-

SPO Solutions zusammen. Das wird spannend, da Peter Meyer

tungen, die halfen, wenn es logistisch aufwendiger wurde – bei

und sein Team multimedial ticken und künftig die redaktionel-

Ausstellungen ( etwa den drei Fotoausstellungen der vorange-

len Inhalte und Interessen unserer Partner stärker als Einheit

gangenen Swiss Performances ), Vorträgen von Gästen aus dem

denken.

Ausland oder grösseren Symposien.

Die Redaktion wünscht nun viel Spass beim Stöbern und

Auch das Redesign der schriftenreihe, das Herz der

Lesen im «inoffiziellen Jahrbuch» der Schweizer Architektur.

archithese, zeigte Wirkung. Die Strategie, ein Produkt zu schaf-

Und wer noch mehr Lust auf gute neue Projekte hat, kommt am

fen, das mehr Buch als Heft ist, ging auf. Während andere Zeit-

4.April zur Swiss Live Performance 2019 im Landesmuseum

schriften lediglich zwei bis drei längere Storys mit viel Beige-

Zürich. Dort gibt es weitere zehn herausragende Neubauten auf

müse servieren, trumpft archithese in jeder Ausgabe mit acht bis

die Augen und Ohren. Wir sehen uns !

zwölf umfassenden Titelgeschichten auf. Viel Lob erhalten wir auch für unsere sprachliche Sorgfalt: Statt akademische Sprachkapriolen zu schlagen oder schier auf Masse zu setzen, arbeitet die Re­daktion der archithese jeden Beitrag so lange durch, bis er

Die Redaktion


archithese kontext 4. April 2019 18 Uhr Landesmuseum Zürich Museumstrasse 2 Willy G. S. Hirzel Auditorium

Kurzvortragsabend

Swiss Live Performance 2019 Friederike Kluge, Alma Maki, Basel Marco Merz, Clauss Merz Architekten, Basel Luca Deon, Luzern Catherine Gay Menzel, GayMenzel Architectes, Monthey Mathias Steiger, Häberli Heinzer Steiger Architekten, Winterthur Thomas Hildebrand, Zürich Sebastian Holzhausen, Holzhausen Zweifel Architekten, Zürich Corinna Menn, Zürich Christoph Schmidt, Vécsey Schmidt Architekten, Basel Sabine Bär, wild bär heule Architekten, Zürich Jedes Jahr sichtet die Redaktion über 200 Projektvorschläge für die Swiss Performance. Doch nur für die Besprechung von zehn bis zwölf Neubauten bietet das Heft Platz. Herausragende Projekte gibt es jedoch meist einige mehr. Daher ergänzt archithese das Heft wieder um eine Live Performance: Zehn Architekt*innen werden je ein Projekt mit zwanzig Folien, flinken Worten und ausdrucksstarken Bildern in sechseinhalb Minuten präsentieren. Die Eintrittskarten kosten CHF 25.– (für Studierende CHF 16.–). Sie können online im Ticketshop erworben werden. Bitte zeigen Sie Ihren Studierenden­ausweis am Einlass vor. Im Preis inbegriffen ist ein Exemplar archithese 1.2019 Swiss Performance 2019, das vor Ort ausgehändigt wird. Für Abonnenten ist der Eintritt frei. Sichern Sie sich ein Gratisticket mit einer E-Mail an redaktion@archithese.ch

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archithese 1.2019

Swiss Performance 2019 With this Swiss Performance, we look back on another year of Swiss architecture with the aim of identifying and presenting exciting trends and groundbreaking developments. But when does the archi­these team actually reflect on its own work? In the endurance run – to compose new issues that are rich in content, relevant and examine up-and-coming themes while also continuously planning up to four events in advance and reporting daily on our blog – it is easy to forget that an editorial team also needs to repeatedly pause and question its course. For the new year we updated the archithese film archive on YouTube, so now 40 videos from the kontext events are available online. That’s a beautiful moment, because it makes tangible what has taken place since the editorial team decided more than three years ago to establish a multimedia platform that supplements our schriftenreihe. Since then, we have held 18 events and welcomed more than 1 600 guests. No matter how large the auditorium was, our audiences filled every seat. Since these are not commercial events but are instead informal gatherings with lofty aims, we owe a debt of gratitude to our guests and hosts. Often they volunteered their time, or provided us with space free of charge. A heartfelt thank-you also goes (again) to the companies and foundations that helped when the task was more logistically complex – at exhibitions (such as the photo exhibitions accompanying the three previous editions of Swiss performance), lectures by guests from abroad or symposiums for large audiences. After completing this issue, we took the time to determine the figures for our online activity. Our blog posts and those on Facebook and Instagram have been read more than a million times. That encourages us to continue using those platforms to inform and offer critique. The re-design of our thematic review, the heart of archithese, also yielded results. The strategy of creating a product that is more book than magazine has paid off. While other magazines serve up only two to three longer stories with lots of side dishes, archithese outperforms them with eight to twelve extensive cover stories in each issue. And we currently receive abundant praise for our linguistic diligence: Instead of browbeating readers with academic linguistic capers, the editors at archithese rework every article until it can be understood by a broad audience, but we do so without compromising on the content. We are especially happy that two issues were sold out quickly last year, because it confirms the course we’ve chosen on topics and text formats. We have subsequently been able to increase the print run accordingly for sales in bookstores and the online shop. It is also important to take a breath and plan because we will soon celebrate a big anniversary: the editorial team is keenly looking forward to next year, when archithese marks its 50th anniversary, and has already begun to forge plans to frame and celebrate the event with suitable content. So it is fitting that as of the next issue, on the theme of Rückzug, the editorial team will be bolstered by Christina Horisberger. She is a lecturer at ZhdK who studied art history and brings many years of editorial experience. That’s a perfect match – as the first issues of archithese were edited by Stanislaus von Moos, also an art historian. The bsmediagroup and the Swiss Federation of Independent Architects (fsai) – the two owners of archithese – are working simultaneously on the economic framework to make archithese fit for the next decade. A first and important step has already been taken: archithese’s reboot as a book and multimedia platform for discourse includes a new sales partner. This is important, because the funding for archithese comes in equal parts from subscriptions and magazine sales on the one hand, and advertising and sponsoring on the other. In order to fortify our events and online offerings, we are now joining forces with SPO Solutions. The editors now wish you lots of fun browsing and reading this “unofficial yearbook” of Swiss architecture. And anyone who wants more good new projects is invited to our Swiss Live Performance 2019 at the National Museum Zurich on April 4. There you will see and hear about another ten outstanding new buildings. We look forward to seeing you! The editors

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Swiss Performance 2019 Avec le présent numéro Swiss Performances, nous portons à nouveau notre regard sur l’architecture suisse de l’année écoulée afin de dégager des tendances captivantes et des développements porteurs d’avenir. Mais au fait, quand l’équipe rédactionnelle d’archithese met-elle en question son propre travail ? Dans un flux continu conduisant à composer des numéros à thèmes précurseurs, à planifier simultanément jusqu’à quatre manifestations et à commenter l’actualité sur un blog, nous oublions que la rédaction doit elle aussi, à intervalles réguliers, s’accorder des pauses et remettre son cap en question. Pour le passage à la nouvelle année, nous avons mis à jour sur YouTube les archives filmées d’archithese. Entre-temps, 40 vidéos de nos kontext-Events se trouvent en ligne. Un beau moment, parce qu’il illustre ce qui a été réalisé depuis que la rédaction a décidé, il y plus de trois ans, d’être également une plateforme multimédia, en plus de la revue. 18 manifestations ont depuis lors eu lieu en présence de plus de 1 600 participants qui ont occupé toutes les places des auditoires, quelle qu’en ait été la taille. Nos remerciements vont à nos invités et à leurs hôtes, dans la mesure où nos manifestations ne sont pas à ca­ractère commercial mais constituent des rencontres informelles de haut vol. Ces personnes ont souvent œuvré bénévolement, respectivement, mis à disposition leur temps et leurs locaux. Encore un grand et cordial merci aux entreprises et aux fondations qui ont prêté main forte lorsqu’une logistique conséquente le demandait, notamment durant les trois expositions de photographies des précédentes éditions de Swiss Performances, pour les exposés de personnes provenant de l’étranger ou pour des symposiums d’une certaine ampleur. Après avoir achevé le présent numéro, nous avons pris le temps d’évaluer les chiffres de notre activité en ligne. Les contributions de notre blog, sur Facebook et Instagram, ont été vues plus d’un million de fois. Ceci nous encourage à continuer d’informer et de critiquer par ce biais. La refonte de la revue, le cœur d’archithese, porte également ses fruits. La stratégie consistant à élaborer un produit plus proche du livre que du cahier s’avère payante. Alors que d’autres revues se contentent de deux ou trois contributions majeures assorties d’un grand nombre d’éléments secondaires, archithese cartonne à chaque fois avec huit à douze titres principaux. Le soin apporté à la langue nous vaut actuellement passablement d’éloges. Pour rendre chaque contribution accessible à un large public, la rédaction la retravaille aussi longtemps que nécessaire, sans concession pour le contenu, au lieu de participer, au jeu des cabrioles linguistiques académiques. Nous nous réjouissons du fait que l’an passé, deux éditions aient été rapidement épuisées, ce qui confirme la voie choisie pour les thèmes et leur présentation. Ceci nous a amené à augmenter le tirage pour la vente en librairie et pour la vente en ligne. Prendre du recul et planifier est aussi important en raison d’un grand jubilé à venir : toute la rédaction tend déjà fébrilement vers l’évènement de l’année prochaine, les 50 ans d’existence d’archithese, et elle a commencé à dresser des plans pour en imaginer le contenu et la manière de les fêter. La venue à bord de Christina Horisberger à partir du prochain numéro Rückzug s’accorde à l’évènement. La chargée de cours à l’Ecole d’art de Zurich possède une longue expérience rédactionnelle. Elle a étudié l’histoire de l’art. Il y a correspondance, dès lors que les premiers numéros d’archithese ont été marqués par Stanislaus von Moos, un historien de l’art lui aussi. Bsmediagroup et la fsai, les deux propriétaires d’archithese, s’emploient parallèlement à affiner les structures économiques de la revue afin d’assurer la bonne santé d’archithese pour la prochaine décade. Un premier pas important est fait : l’orientation d’archithese en tant que livre et comme plateforme de discussion multi-médiale tient compte d’un changement intervenu quant au partenaire chargé de la vente. Ce premier pas est important dans la mesure où les moyens financiers à disposition proviennent à parts égales de la vente d’abonnements et de numéros d’une part, de la publicité et du sponsoring d’autre part. Nous nous associons dès aujourd’hui à SPO Solutions afin de renforcer les domaines des manifestations et de la présence en ligne. Ceci promet d’être passionnant, car Peter Meier et son équipe ont une vision multi-médiale et ils concevront dorénavant plus fortement les contenus rédactionnels et les intérêts de nos partenaires en tant qu’unité. La rédaction vous souhaite bien du plaisir à la découverte et à la lecture de « l’annuaire inofficiel » de l’architecture suisse. Celles et ceux parmi vous qui ont encore plus soif de bons nouveaux projets se rendront le 4 avril au Swiss Live Performance 2019 au Musée national de Zurich. Y seront présentées pour les yeux et les oreilles dix nouvelles constructions d’exception. Au plaisir de vous rencontrer ! La rédaction



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Ein Gebäude mit vier Gesichtern Caruso St John : Gewerbehaus der Stiftung Behindertenwerk St. Jakob in Zürich Das neue Gewerbehaus neben den Viaduktbögen in Zürich-West überzeugt durch seine sorgfältige baukünstlerische Herleitung aus dem Ort und dessen Geschichte. Zugleich ist es als Hybrid zwischen veredeltem Rohbau und Palazzo fest im Œuvre des von Adam Caruso und Peter St John in London gegründeten Büros verwurzelt, das seit acht Jahren auch eine Dependance in Zürich unterhält. Ebenso wichtig wie die architek­ tonischen Aspekte sind die städtebaulichen und sozialen Auswirkungen des Neubaus auf das Quartier. Dies beweist, dass mit gezielten architektonischen Interventionen auch durch fantasielose Neubauten steril gewordene Viertel wiederbelebt werden können. Autor : Roman Hollenstein Fotos : Philip Heckhausen

Vom Umbau des ehemaligen Industriequartiers in Zürich West erhoffte man sich in den 1990er-Jahren viel. Doch bald zeigte sich, dass die Bau- und Zonenordnung, die der Kanton 1995 der Stadt Zürich aufgezwungen hatte, kein pulsierendes Viertel hervorbrachte, sondern lediglich eine generische Investorenarchitektur begünstigte. Die meisten Industriebauten verschwanden und mit ihnen auch der ursprüngliche ZürichWest-Groove, der auf junge Grossstadtkosmopoliten einst so anziehend wirkte. Heute herrscht entlang der beiden über­ dimensionierten Hauptachsen Hardturm- und Pfingstweidstrasse Monotonie. Leere Plätze und langweilige Parks weiten sich zwischen monolithischen Büro- und Wohnbauten. Sogar die Megastruktur der Hochschule der Künste ist einem gigantischen Kreuzfahrtschiff gleich überwiegend nach innen orientiert. Nur auf dem Gerold-Areal haben Reste der einstigen Fabrik- und Gewerbehallen diese neue architektonische Eiszeit überdauert und werden von Läden, Clubs und Restaurants genutzt. Zur Innenstadt hin geht das inzwischen mit einigen

Concept und Flagship Stores aufgehübschte Freizeitareal über in die Einkaufsmeile des von EM2N Architekten umgebauten Aussersihler Viadukts, die – in Reiseführern als hipper Hotspot gehandelt – seit ihrer Eröffnung 2010 bei Anwohnern wie Touristen tatsächlich sehr beliebt ist. Wo unter den Bögen einst Handwerker tätig waren und sich seit den 1990er-Jahren die alternative Szene in temporären Lokalen wie « Bananen + Frucht » oder « Bogen 13 » traf, shoppen nun die Gutverdienenden in schicken Boutiquen. Und in der sich zur Galerienwelt des umgenutzten Löwenbräu-Areals hin öffnenden Markthalle haben sich vorwiegend teure Delikatessenstände sowie ein Gourmetrestaurant eingerichtet.

Sorgfältig eingepasst Doch nun hat unaufgeregtes Alltagsleben ins gentrifizierte ehemalige Industriegebiet zurückgefunden – in Form des neuen Gewerbehauses der Stiftung Behindertenwerk St. Jakob. Dieses wirtschaftlich ausgerichtete Sozialunternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, das « Selbstwertgefühl von Menschen mit Beeinträchtigung » zu fördern, indem es diese ins


Zwischen Stadtpalais und Werkhof Esch Sintzel Architekten : Wohnüberbauung Maiengasse und Mehrfamilienhaus Hebelstrasse in Basel Infolge des Verdichtungsdrucks werden derzeit in vielen Städten Brachen überbaut. Dadurch verschwinden leider mitunter liebenswerte Soziotope und wertvolle Freiräume. So auch im Fall der Maiengasse : Esch Sintzel Architekten haben in den Hof eines Basler Blockrands neue Wohnungen und einen Kindergarten eingefügt, denen mehrere Gewerbebauten weichen mussten. Aus Sympathie für den Charme der verdrängten Betriebe erzählen sie mit ihrem Ersatzneubau von deren Geschichte und haben so einen mehrdeutigen und lebenswerten Ort geschaffen. Autor : Julian Bruns Fotos : Kuster Frey

Kinderwagen standen neben Baumaschinen, Spielzeuglaster lagen zwischen Schubkarren und Kinder tobten neben frühstückenden Bauarbeitern. Seit rund sechs Wochen war ein Grossteil der Überbauung Maiengasse von Esch Sintzel Architekten in Basel bewohnt, als mich Projektleiter und Mitglied der Geschäftsführung Marco Rickenbacher im Oktober letzten Jahres durch den Neubau führte. Vor allem an den Grünanlagen wurde noch gearbeitet, Bäume und Hecken gepflanzt und die Rasenflächen gewässert. Dennoch wirkte die Überbauung im Hof bereits einladend, wohnlich und trotz der Arbeiten ruhig. Von der vielbefahrenen Klingelbergstrasse, die im Osten des Blocks verläuft, hörte man im Hof nur wenig. Das Areal lag im Mittelalter direkt ausserhalb der äusseren Befestigungsanlage. Als Ende des 19. Jahrhunderts die Mauern geschliffen wurden, hat man hier, westlich der Altstadt, ein gründerzeitliches Wohnviertel errichtet. Das Quartier « am Ring » ist bis heute von einer homogenen Blockrandstruktur geprägt, die Bewohnerschaft hingegen ist sozial stark durchmischt. Bis 2008 waren im Hof an der Maiengasse die Werkstätten des Hochbau- und Planungsamts der Stadt Basel untergebracht. Danach wurden die niedrigen Gebäude von Brockenstuben und Ateliers zwischengenutzt, die vereinzelt auch bewohnt waren. 2013 lobte Immobilien Basel-Stadt und das Hochbauamt einen Wettbewerb aus mit dem Ziel, den Hof ­entlang der Maiengasse mit neuen Wohnungen zu bebauen.

Parallel sollte ein kleines, zweigeschossiges Wohnhaus im umschliessenden Blockrand an der Hebelstrasse gegen einen Bau mit mehr Wohnfläche ersetzt werden. Esch Sintzel antworteten auf diese beiden Aufgaben mit architektonisch eigenständigen Objekten, die in diesem Essay nacheinander besprochen werden.

Vielfalt gestalten Insgesamt sollten 54 unterschiedlich grosse Wohneinheiten errichtet werden, für welche die Stadt eigens ein neues Mietkonzept entwickelt hat : Sie werden nach einem Schlüssel an einen bunten Querschnitt durch die Gesellschaft vermietet. Die Zimmeranzahl minus eins ist die angestrebte Idealbelegung. Ist sie erreicht, werden die Mieten um rund 20 Prozent reduziert. Wenn sich die Belegung verringert ( beispielsweise durch den Auszug der Kinder ), können die Eltern in der Wohnung bleiben, es entfällt jedoch der Bonus. Künftige Bewohner müssen nachweisen, dass sie ein festgelegtes monatliches Maximaleinkommen des vierfachen Mietzinses nicht überschreiten. Dieser liegt zum Beispiel bei einer Wohnung mit dreieinhalb Zimmern ( 76 Quadratmeter ) netto bei CHF 1 800 beziehungsweise bei einer Belegung mit drei oder mehr Personen bei CHF 1 440.


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Bildungs-Scheune ohne Scheu vor dem Bild TEd’A arquitectes : Primarschule von Orsonnens Haben Architekten genug Einfühlungsvermögen, um im Ausland « regional » bauen zu können? Die Dorfschule von Orsonnens bei Fribourg von TEd’A arquitectes zeigt, dass dies möglich ist. Aber ist es auch sinnvoll, dazu aus dem architektonischen Referenzraum der Landwirtschaft zu schöpfen, oder muss ein solches Unterfangen zwangsläufig im Kitsch enden? Der Neubau der spanischen Architekten scheint tatsächlich auf den ersten Blick formal übertrieben – doch kann er trotzdem überzeugen, da die frische und ideenreiche Gestaltung gerade für den Alltag einer Schule inspirierend und bereichernd wirkt. Autor : Ulf Meyer Fotograf : Luis Díaz Díaz



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Auf den zweiten Blick… Dreier Frenzel Architecture : Mehrfamilienhaus in Renens Hohe Rendite war das Ziel der Bauherrinnen, als sie das Immeuble Verdeaux in der Agglo des boomenden Lausanne in Auftrag gaben. Aus diesem ökonomischen Zwang heraus haben die jungen Architekten Yves Dreier und Eik Frenzel jedoch architektonische Potenziale entwickelt. Um die Wohnflächen zu maximieren, wurden die Treppen nach aussen gelegt und damit « unkonventionelle Kommunikationsräume » geschaffen. Diese Perspektive neuer Nachbarschaftlichkeit wirkt verlockend und sieht auf den ersten Blick auch flott aus. Doch nach genauer Analyse vermag das « Treppen-Haus » weder mit seinen Begegnungszonen noch durch die Grundrisse noch im Versuch, sich über Referenzen zu kontextualisieren, überzeugen. Autor : Jørg Himmelreich Fotograf : Matthieu Gafsou

Auch wenn es das Lieblingsprojekt von Patric Furrer, dem Prisma jedoch gekappt. Das macht in dreierlei Hinsicht Corinna Menn und Thomas K. Keller bei der Redaktions­kom­ Sinn : Die dort liegenden Innenräume sind so einfacher möb­ missionssitzung für diese archithese war: Das neue Mehrfami­ lierbar, raumpsychologisch problematische spitze Winkel lienhaus von Dreier Frenzel in Renens konnte die Redaktion wurden verhindert und die Fenster, die dort angeordnet wer­ immer weniger überzeugen, je länger wir uns mit dem Neubau den konnten, bringen mehr Licht in die Räume. Pro Geschoss waren baurechtlich maximal 145 Quadrat­ auseinandersetzten. Warum, werde ich erläutern. Vorab sei gesagt : Weder der Fokus der Bauherrschaft auf meter Fläche möglich. Indem die fussläufige Erschliessung der die Rendite noch Form und Lage der Restparzelle und schon gar acht Appartements nach aussen verlegt wurde, konnten auf nicht der heterogene Kontext machten die Entwurfsaufgabe jeder Etage 15 Quadratmeter zusätzliche Wohnfläche gewon­ leicht. Auf dem Grundstück stand zuvor das Einfamilienhaus nen werden. Die drei Treppenläufe klettern im Sinne eines einer italienischen Einwandererfamilie, der auch die beiden «diagonalen Laubengangs» ( vor allem ) entlang der SüdostSchwestern und Auftraggeberinnen entstammen. Mehrere und Nordostfassade empor. Um das daraus resultierende Jahre war es unbewohnt. Der Auftrag an die Architekten lau­ dynamische Erscheinungsbild noch auf die Spitze zu treiben, tete, es durch einen möglichst kosteneffizienten Neubau zu wurden frei verteilte Balkone angedockt, die mitunter um die ersetzen. Grosse Mindestabstände zu den Nachbarn und zur Ecken herumgeführt sind. Alternativ können alle Einheiten Strasse mussten eingehalten werden. Die zweispurige Rue de mit einem Lift erreicht werden. Verdeaux soll bei Bedarf auf vier Fahrbahnen erweitert werden können. Da der Grossraum Lausanne wächst, lohnt es sich zu Freshness und Schwachstellen verdichten und dabei auch kleine Restparzellen wie diese ( mit Im untersten Geschoss, das zur Hälfte im Gelände steckt, möglichst vielen Wohnungen ) neu zu füllen. gibt es neben den Kellerabteilen ein kleines Ladenlokal. Die Architekten hoffen, dass sich dort ein Grafiker oder andere Mein Grundstück hat drei Ecken. Kreativschaffende einmieten werden. Noch steht es leer, aber Schon zwei Architekturbüros waren an der Aufgabe vielleicht findet ja bald ein ( ehemaliger ) Student der benach­ gescheitert, da die Gemeinde ihre Entwürfe abgelehnt hatte. barten Kunsthochschule éc a l Freude an diesem Raum? Neben Auf Empfehlung der Stadt wurden dann Yves Dreyer und Eik dem Atelier liegt der Hauseingang, der zum Lift führt und Frenzel an Bord geholt. Mit Erfolg : Für CHF 2,6 Millionen durch den die Mieter den Bau wohl am häufigsten betreten haben sie einen ungewöhnlichen, sechsgeschossigen Bau rea­ werden. Künstler Simon Deppierraz hat die fehlende Gross­ lisiert. Sein spezieller fünfeckiger Fussabdruck resultiert aus zügigkeit ( bedingt durch die Absenz einer Treppe ) mit raum­ der maximalen Grundstücksausnutzung. Das Volumen erhebt hohen, übereck gestellten Spiegeln kompensiert, die den Raum sich über einem ( annähernd ) gleichschenklig-rechtwinkligen optisch vervierfachen und das Licht der verglasten Eingangs­ Dreieck. Je nach Blickwinkel erscheint der Neubau daher als tür potenzieren. Flatiron oder als massiver Kubus. Die 45-Grad-Ecken wurden


Präzise Bastelei lilitt bollinger studio und Buchner Bründler Architekten : Umbau eines Kirschlagers in Nuglar zum Wohnhaus mit Atelier Gemeinsam haben Lilitt Bollinger und ihr Partner Daniel Buchner das Lager der alten Schnaps­brennerei Urs Saladin in ihr Wohn- und Atelierhaus verwandelt. Architektonisch hat der Umbau viel zu bieten : Die neuen Einbauten finden mit dem rauen und sichtbar gealterten Bestand zu einem beeindruckenden Gewebe zusammen. Was dabei zunächst provisorisch und unfertig wirkt, stellt sich als präzise Inszenierung mit liebevollen und handwerklich perfekt gearbeiteten Details heraus. Autor : Elias Baumgarten Fotograf : Mark Niedermann

Fruchtbare Diskussionen Es war ein wundervoller, klarer Herbstnachmittag, an dem Lilitt Bollinger zur Besichtigung ihres neuen Wohnhauses ins verschlafene Nuglar bei Liestal eingeladen hatte. Die sanfte Hügellandschaft rundum leuchtete in Rot-, Gelb- und Brauntönen. Vom Esstisch liessen wir den Blick über das Oristal schweifen. Während die Architektin den Espressokocher vom Herd nahm, sagte sie: « Das Haus ist die erste gemeinsame Gestaltung von Daniel und mir. Als Paar zusammen zu gestalten war schon eine Herausforderung. Es war toll, im Dialog zu entwerfen und zu entwickeln, aber wir hatten doch immer wieder sehr unterschiedliche Positionen. » Schon in der Küche fällt auf, dass viele Oberflächen der Einbauten und Möbel unbehandelt sind. Sie haben bereits etwas Patina bekommen und passen deswegen besonders gut ins Haus. Schliesslich hat das meiste dort Gebrauchsspuren. Lilitt Bollinger zeigte auf die Wand oberhalb der Spüle. Auf einer Fläche von etwa 20 mal 30 Zentimetern wurde dort ein Loch in der Betonwand grob mit Ziegelsteinen verschlossen und ein rostiges Bewehrungseisen ragt hervor. « Uns war wichtig, den Bestand in all seiner Rauheit zu erhalten, auch wenn er teils ziemlich ramponiert ist. Wir wollten ihm lediglich eine neue Zeitschicht hinzufügen. Das macht für uns den Zauber des Projekts aus. »

Zoniertes Kontinuum Der Bestandsbau besteht aus zwei Teilen : Das Eckgebäude an der Kreuzung von Bifang- und Liestalerstrasse wurde 1920 als Wohnhaus errichtet und 1936 zur Schnapsbrennerei Urs Saladin umgebaut. Diese war bald vor allem für ihren Kirschschnaps bekannt. Heute befindet sich hier ein gemütliches Restaurant – die Alte Brennerei. 1968 wurde dieses Gebäude entlang der Bifangstrasse um ein grosses Lager mit Verkaufsraum erweitert, das Wand an Wand anschliesst. Seit im Jahr 1984 der Betrieb aufgegeben wurde, stand das Lager für viele Jahre leer. 2016 kauften es Lilitt Bollinger und Daniel Buchner. Sogleich machten sie sich an seine Umgestaltung zum Wohnhaus mit Atelier. Das Lager hat einen rechteckigen Fussabdruck, wobei die Nordseite, welche an die Alte Brennerei anschliesst, zweifach abgetreppt ist. Es verfügt über zwei Untergeschosse, von denen eines teilweise aus dem Gelände ragt, weil das Grundstück nach Osten abfällt. Sein Erdgeschoss wartet mit einer Raumhöhe von 3,84 Metern auf. Die Erschliessung erfolgt über einen Aufzug und ein Stiegenhaus, die zusammen einen Kern bilden. Vor dem Umbau gliederte sich das Erdgeschoss in zwei grosse Räume. Diese Aufteilung blieb im Wesentlichen erhalten : Aus dem südlichen, über den das Haus jetzt von der Bifangstrasse her betreten wird, wurde eine grosse Garage mit Werkstatt. Dort stehen alte Motorräder und flotte Rennvelos. Zwei runde Oberlichter wurden in die Decke geschnitten und erhellen nun den vormals dunklen Raum. Eine schmale Wendeltreppe aus schwarzem Blech schraubt sich von hier ins erste


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Vorschau Rückzug Juni 2019 Urbanität, Gemeinschaft, Begegnung – es gibt einen scheinbaren Konsens im Architektur­ diskurs. Doch entspricht dies den Bedürfnissen der ­Menschen?

Chile

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September 2019 Chile bedeutet in der Sprache der Aymara « am Ende der Welt ». Das hat sich geändert, jedenfalls auf der architektonischen Landkarte.

Der Kreis

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Ricardo Flores mit Eva Prats, Kapelle für den Pavillon des Vatikans an der 16. Architekturbiennale von Venedig, 2018 (Foto: Jørg Himmelreich)

Dezember 2019 In vormoderner Zeit eine beliebte Grundfigur für B ­ auwerke, hat der Kreis in der Architektur ein schlechtes Renommee. archithese zeigt auf, dass diese starke Geometrie jedoch derzeit ein Revival erlebt und spekuliert über Ursachen.


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