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Pädagogische Hochschule
Oberstufenzentrum Buchenwald
Engen und Weiten Astrid Staufer Zum Zeitpunkt des Wettbewerbs waren „geknickte“ Projekte stark umstritten. In ideologisch gefärbten, aber häufig rein stilistisch hinterlegten Debatten wurden sie in den Wettbewerbsjurierungen oft kurz und bündig auf dem Tablett des „Modischen“ abserviert, nachdem sie als „neue Option“ ebenso unvermittelt auf den Vormarsch geraten waren. Nicht so im Fall von Ypsilon + Zett: Das Projekt hatte sich bei der Jurierung dieses im Jahre 2004 offen durchgeführten Architekturwettbewerbs von Anbeginn an als feinfühlige Reaktion auf den vorgefundenen Kontext aus den Siebzigerjahren angepriesen, in der sich die Frage nach der Angemessenheit der formalen Gestik gar nie stellte. Zett meinte die schlüssige Vollendung eines stadträumlichen Alphabets, welches bei Ypsilon stehen geblieben war. Der Projektvorschlag versinnbildlichte nicht die Verheiratung, sondern die Verschwägerung zweier Institutionen, die sich physisch zwar nicht die Hand reichen, symbolisch aber zu einer räumlichen Einheit zusammengeführt werden. So trug das Projekt in seiner vorerst fast banal erscheinenden Setzung das ebenso banale architekturgeschichtliche Bewusstsein in sich, dass das Knicken eines Volumens nicht einfach Form, sondern vor allem zwei Erscheinungsformen der räumlichen Wahrnehmung generiert: die konkave und die konvexe. 5
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Ansicht S端d
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Ansicht Nord
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Zur Architektur von Adrian Froelich und Martin Hsu
Konkrete Positionen J. Christoph Bürkle Die Arbeiten von Adrian Froelich und Martin Hsu bewegen sich in ganz verschiedenen Gattungen und zeigen scheinbar höchst unterschiedliche Facetten und Ausprägungen, allen gemein ist aber eine enorme Solidität im entwurflichen Durchdenken einer Aufgabe und in deren Umsetzung. Sie selbst nennen das die „Konstanz der eigenen Position“, die ihnen hilft, bei einem ständigen Wandel der Paradigmen und Aufgaben durchdachte Setzungen und grundlegende architektonische Beiträge zu formulieren. Jüngstes Beispiel ist das Oberstufenzentrum Buechenwald in Gossau, Kanton St. Gallen, das in der vorliegenden Publikation dokumentiert wird. Geschickt haben Froelich & Hsu die Real- und Sekundarschule in einem zweifach abknickenden Neubau untergebracht und wie selbstverständlich in die bestehende Bebauung der Pädagogischen Hochschule eingefügt. Die Fassaden sind von den breiten Brüstungsbändern geprägt, hinter denen vor den oberen Klassenzimmern Fluchtbalkone liegen. Dadurch können die mittleren Gänge vielfältig genutzt und auch möbliert werden. So werden Erschliessungsflächen zu Aufenthaltsräumen, die ganz neue Bespielungsmöglichkeiten bieten. In neueren Schulbauten wird diese Nutzungserweiterung, die sich aus den Balkonbändern ergeben, vielfältig genutzt. Zugleich vermitteln die äusseren Gangzonen mit den grossen Fensterflächen eine atmosphärische Dichte, die eher das Gefühl erzeugt, sich in einem Wohnhaus als in einem Schulhaus zu befinden. Die Einbettung in die Natur und die nahen Bäume verstärken diesen Effekt zusätzlich. Wichtigstes räumliches Element sind die breiten Gänge – sich verengend und verbreiternd durch die beiden Knicke –, die offenen Treppenhäuser, die 41
partielle Verbindung zu den Fassaden und die Oberlichter, die zu einer bewegenden Raumlandschaft werden. Sie mutieren so zu einem „Weg der Begegnung“, der weit über das Erschliessungsschema konventioneller Schulhäuser hinausgeht und zugleich verdeutlicht, mit wie wenig Aufwand „architektonische“ Räume und Volumina entstehen können, die auch Atmosphärisches in scheinbar von Funktionen vorgegebene Strukturen einbringen. Das lässt sich bei vielen Arbeiten von Froelich & Hsu ausmachen, wie auch bei den Sprungtürmen des Freibades in Brugg, die 2009 fertiggestellt wurden. Aus der überlieferten Form pilzförmiger Sprungtürme aus der Gründerzeit der Freibäder, die jeder kennt und aus der Inszenierung des Springens, des eigenen Mutes, generierten sie beinahe expressive Sprungtürme, die eine perfekte Bühne für das Ritual des Springens bieten und zugleich architektonische Stimmungsbilder umsetzen, die jeder sogleich erkennt und einordnen kann. Darum geht es Froelich & Hsu: um das frühzeitige Erkennen des inhärenten Themas, das architektonisch verwertbar ist im Gegensatz zu einer typologischen Festlegung. Dieses beharrliche Suchen nach der Grundidee zeichnet ihre klaren, individualisierten und sorgfältig durchgearbeiteten Architekturen aus. Die Architekten gehen davon aus, dass ein Neubau immer einen Eingriff in die bestehende Substanz oder Umgebung bedeutet. So sind ihre Projekte vom Respekt vor dem Bestehenden und vom behutsamen Weiterdenken geprägt. Schon früh sind sie mit diesem Ansatz aufgefallen. 1998 hatte das damals noch junge Team überraschend den Projektierungswettbewerb für das Zeughaus in Zürich hinter dem Kasernenareal gewonnen. Lange bestand die Idee, vielfältige kulturelle Nutzungen oder ein Medienzentrum dort unterzubringen. Froelich & Hsu hatten sich seinerzeit durchsetzen können, weil ihr Projekt die weitmöglichste Erhaltung des Originalzustandes und so wenig Eingriffe wie möglich vorsah. In ihrem Projekt versuchten sie, die Qualität des alten Zeughauses architektonisch wiederzubeleben, die alte Struktur des Gebäudes sichtbar zu belassen und den vierachsigen Bau nur durch die zentralen Treppenhäuser, einen Anbau im Innenhof und grosse Oberlichter für neue Nutzungen dienstbar zu machen. Die nötige Praxis für solche Eingriffe hatten sich Froelich & Hsu zunächst beim Umbau einer ehemaligen Seidenfabrik in Laufen angeeignet. Das lang gestreckte, aus dem Ende des 19. Jahrhundert stammende Gebäude sollte fortan als Wohn- und Arbeitsstätte dienen, ohne seinen Charakter als Industriegebäude zu verleugnen. So wurde das Gebäude von aussen auf seine elementaren Struk42
Froelich & Hsu Architekten, Zürich / Brugg Adrian Froelich, 1962 in Brugg und Martin Hsu, 1961 in Houston, Texas geboren, gründeten 1993 nach mehrjähriger Mitarbeit in verschiedenen Architekturbüros in der Schweiz und im Ausland ihr gemeinsames Architekturbüro in Zürich und Brugg. Sie verstehen jede Projektarbeit als individuelle Antwort auf spezifische Anforderungen und Bedingungen. Die architektonischen Ideen entstehen prozesshaft, durch Auseinandersetzung mit Ort und Aufgabe. Die dabei entwickelten Lösungen basieren auf einem inhaltlich komplexen, ganzheitlichen Entwurfsansatz, in dem neben ökonomischen, ökologischen und technischen vor allem auch ästhetische Kriterien eine wichtige Rolle spielen. Das bisherige Œuvre zeichnet sich durch thematische Kontinuität aus und umfasst öffentliche Gebäude, Bauten für die Industrie, zahlreiche Umbauten sowie private Wohnhäuser. Zu den bekanntesten realisierten Werken gehören die Wohnsiedlung Rebmoos in Brugg, die Wohnhäuser am Geissberg in Ennetbaden, das Zentrum Körperbehinderte in Baden-Dättwil, die Berufswahlschule Wetzikon, die Sanierung des Freibades Brugg sowie die Ladenlokale für Ida Gut in Zürich. Seit 2004 sind sie Mitglied im Bund Schweizer Architekten (BSA), Ortsgruppe Zürich. Adrian Froelich ist Entwurfsdozent an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur.
Wir danken der Stadt Gossau und der Implenia Generalunternehmung AG für die freundliche Unterstützung dieser Publikation.
Oberstufenzentrum Gossau SG Bauträgerschaft: Stadt Gossau Am Bau beteiligte Planer: Architekten: Froelich & Hsu Architekten, ETH_BSA_SIA AG, Zürich und Brugg Generalunternehmer: Implenia Generalunternehmung AG, St. Gallen Bauingenieur: SJB.Kempter.Fitze AG, Ingenieure und Planer SIA USIC, Gossau Elektro-Ingenieur: Jenni + Partner, Elektroplanung, Gossau HLKS Planer: Edwin Keller + Partner AG, Ingenieurbüro, Gossau Bauphysik: Studer und Strauss AG, Dipl. Ing. ETH/HTL/SIA, St. Gallen Lichtplaner: art light gmbH, St. Gallen Laborplaner: Laborplaner Tonelli AG, Gelterkinden Mitarbeiter bei Froelich & Hsu Architekten: Martin Khuri, Marcel Frei, Deborah Troxler, Jonas Winkler, Anne Winkler Kunst am Bau: Alex Hanimann, St. Gallen
Fotografie: Beat Bühler Texte: Astrid Staufer, J. Christoph Bürkle Lektorat: Kerstin Forster Gestaltung: blink design, Zürich Druck: Heer Druck AG, Sulgen © 2011 by Verlag Niggli AG, Sulgen | Zürich, www.niggli.ch ISBN 978-3-7212-0783-5