archithese 3.06 - Bauen für das Auto / Construire pour l'automobile

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Bauen für das Auto – Construire pour l’automobile

advertising, art & ideas

archithese

3.2006

Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

120 Jahre Auto, unzählige neue Bautypen

Revue thématique d’architecture

Architektur als Brand der Autoindustrie Architektur und Auto – eine Kulturgeschichte Inszenierung und Showrooms UN Studio: Mercedes-Benz Museum, Stuttgart Zaha Hadid: BMW Zentrumsgebäude, Leipzig Coop Himmelb(l)au: BMW Welt, München Zaha Hadid: Wissenschaftsmuseum «Phæno», Wolfsburg Nicholas Grimshaw: Rolls Royce, West Sussex ONL: Lärmschutzwand mit Showroom, Leidsche Rijn Haack + Höpfner: Waschstrasse, Germering Gigon/Guyer: Erweiterung Verkehrshaus Luzern NL Architects: Roof Road NT-Houses Isa Stürm Urs Wolf: Automuseum, Teufen Golf Cart als städtebaulicher Impuls Geninasca Delefortrie Banque Migros, Neuchâtel von Ballmoos Krucker Villa in Zürich-Wollishofen Herzog & de Meuron Bühnenbild für «Tristan und Isolde»

THE ART OF CARPET Es ist seit jeher eine Kunst, einem Gebäude die besondere Note und einem Raum einen einzigartigen Charakter zu verleihen. Kein Wunder also, bevorzugen führende Architekten unsere Teppiche. Seit über 60 Jahren und rund um die Welt. Es ist eine Kunst, den perfekten Teppich herzustellen – und ihn zu wählen! www.tisca.ch THE TOTAL CARPET COMPANY Leserdienst 106

archithese 3.2006

Mai/Juni

Preis: 28 CHF/18 Euro

Bauen für das Auto Construire pour l’automobile

mit


EDITORIAL

Bauen für das Auto Das Auto hat wie kaum eine andere Erfindung das Gesicht unserer Städte verändert – und nicht immer zum Guten. Riesige Verkehrsbauten sprengen den Massstab vieler Innenstädte, die durch den Individualverkehr ermöglichte Mobilität trägt zur Zersiedlung der Landschaft bei, grosse Verkehrsadern bilden schier unüberwindbare Schranken im urbanen Raum. Doch das Auto hat die Architektur auch in mancher Hinsicht bereichert. Die rationalisierte Herstellung gemäss Ford diente den Exponenten des industriellen Bauens als Vorbild. Architekten wie Walter Gropius und Jean Prouvé entwarfen neue Modelle für Autohersteller. Le Corbusier bezeichnete die Fiat-Fabrik Lingotto in Turin als Vorbild des modernen Städtebaus – und liess es sich nicht nehmen, gleich zwei Testfahrten auf der legendären Rennstrecke auf dem Dach zu absolvieren. Das Auto hat in den letzten hundert Jahren eine Vielzahl neuer, hoch differenzierter Bautypen generiert: Rennbahn und Drive-in, Motel und Tankstelle, Garage und Showroom . . . In jüngster Zeit sind mit neuartigen Auslieferungszentren, automobilen Erlebniswelten und ganzen Autostädten weitere Bauaufgaben hinzugekommen. Thema dieses Heftes sind nicht städtebauliche oder verkehrstechnische Aspekte, sondern jene Bautypen, die im Zusammenhang mit dem Auto neu entstanden sind. Ein kulturgeschichtlich orientiertes Essay und ein – naturgemäss lückenhaftes – Glossar sollen ein Streiflicht auf die Vielfalt bekannter Bauformen gewährleisten. Der Schwerpunkt des Heftes liegt indes bei aktuellen Bauten und insbesondere beim Aspekt der Inszenierung des Autos durch Architektur: Neben den bisher üblichen Showrooms, Messebauten und Garagen werden laufend neue, immer spektakulärere Anlagen entwickelt. Ein frühes Beispiel ist die VW-Autostadt in Wolfsburg, wo Herstellung, Auslieferung und Kauf des Autos zum Ereignis stilisiert werden. Heute nutzen viele Autokonzerne die Handschrift prominenter Architekten, um ihr Markenimage zu stärken. Das von Zaha Hadid entworfene BMW Zentrumsgebäude in Leipzig und das Mercedes-Benz Museum von UN Studio in Stuttgart, das im Mai dieses Jahres eröffnet wurde, erweisen sich als äusserst medienwirksam und daher auch als erstklassige Tourismusattraktionen. Das BMW Erlebnis- und Auslieferungszentrum von Coop Himmelb(l)au in München wird bereits jetzt, noch vor seiner Fertigstellung, als Teil eines riesigen Unterhaltungs-, Herstellungs-, Ausstellungs- und Verkaufskomplexes vermarktet. Neben diesen Grossbauten soll eine Reihe kleiner, innovativer Projekte das Bild abrunden – eine Waschstrasse, die wie eine Laterne leuchtet, eine als Hügellandschaft ausgebildete Rolls-Royce-Fabrik, ein Showroom, der in eine Lärmschutzwand integriert ist, ein multifunktionales Automuseum und weitere mehr. Und last but not least soll ein entfernter Verwandter des Autos zur Sprache kommen: Der Golf-Cart, der sich zurzeit in vielen gated communities der USA – und insbesondere in Siedlungen für ältere Menschen, die nicht oder nicht mehr Auto fahren dürfen – grosser Beliebtheit erfreut und die Raumentwicklung entscheidend beeinflusst.

Redaktion

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Autokalender einmal ohne Frischfleisch: Visions BMW 2004 BMW beauftragte zwölf Architekturbüros, gebaute Landschaften für den BMW-Kalender zu entwerfen. Diese Seite, von oben nach unten: Will Alsop, London Dauwe & Münster, Berlin Etalab Architects, New York FAT, London Klein Dytham Architecture, Tokio Leeser Architecture, New York Fortsetzung S. 4, von oben nach unten: Piercy Conner Architects, London R & Sie, Paris S333 Architecture + Urbanism, Amsterdam Teema Architectengroep, Shoten Tools Off Architecture, München Vehovar & Jauslin Architektur, Zürich



Eine kurze kulturgeschichtliche Betrachtung Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ermöglichte das Auto eine neue Wahrnehmungsund Erlebnisweise der Stadt, die nicht nur zum bevorzugten Thema von Literatur, Malerei, Fotografie und Film wurde, sondern auch die Grundlagen des Städtebaus veränderte. Die Architektur der Klassischen Moderne ist in mehrfacher Hinsicht vom Auto inspiriert: Fords Fliessbandproduktion eröffnete ungeahnte Perspektiven für das industrielle Bauen, eine neue Konstruktions- und Funktionsästhetik zeichnete sich ab, und es entstanden neue Gebäudetypen. Kaum zufällig sind Bauten für das Auto unter den Entwürfen des digitalisierten Zeitalters gut vertreten.

DER ARCHITEKT, DAS AUTO, DAS HAUS UND DIE STADT

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Text: Andrea Gleiniger

werden dort jährlich durch Autos 190 000 Personen getötet

Im Winter 1930 erscheint der erste Band von Robert Musils

und 450 000 verletzt.»

Mann ohne Eigenschaften, den der Autor vermutlich kurz vor

Während das Paar weltläufige Betrachtungen über die Ge-

dem Ersten Weltkrieg begonnen hatte, vielleicht sogar in je-

fahren des Autoverkehrs anstellt und «fast mit dem berech-

nem Jahr 1913, in das uns auch das Eingangskapitel versetzt.

tigten Eindruck davon [geht], dass sich ein gesetzliches und

Der schöne Augusttag, den Musil uns präsentiert, wartet mit

ordnungsgemässes Ereignis vollzogen habe», steht der Pro-

einem unschönen Ereignis auf. Indem wir gleichsam aus den

tagonist des Romans, Ulrich, ohne Sicht auf den Verkehrsun-

abstrakten Sphären eines meteorologischen Berichts über die

fall in der «vornehmen Stille» seiner Gelehrtenwohnung hin-

europäische Grosswetterlage in eine belebte Strasse der ka-

ter dem «zartgrünen Filter der Gartenluft» am Fenster seines

kanischen Hauptstadt Wien gezoomt werden, vernehmen wir

Hauses. Mit dem präzisen, naturwissenschaftlichen Beob-

die knappe Konversation eines Passantenpaares, das seiner-

achtungsinteresse des «monsieur le vivisecteur»1 und ganz

seits aus dem sprichwörtlich heiteren Himmel heraus Zeuge

nach Art der Zeit, in der das Zählen, Messen und statistische

eines Verkehrsunfalls wird.

Erfassen alle Bereiche des Lebens grundiert, zählte Ulrich «mit

Ein Autounfall hat das Getriebe einer Grossstadtstrasse

der Uhr seit zehn Minuten» Autos: Er zählte «die Wagen, die

jäh zum Stillstand gebracht; und noch dazu kein unspekta-

Trambahnen und die von der Entfernung ausgewaschenen

kulärer Auffahrunfall oder dergleichen, sondern vielmehr

Gesichter der Fussgänger, die das Netz des Blicks mit quir-

eine Kollision zwischen einem schweren Lastwagen und

lender Eile füllen, er schätzte die Geschwindigkeiten, die

einem Menschen, der nun wie tot an der Schwelle des Geh-

Winkel, die lebendigen Kräfte vorüberbewegter Massen», er

steigs liegt. Anders als die Dame – und wer hätte das damals

rechnete und spekulierte, ehe er die Uhr in die Tasche steckte

auch erwartet –, die nicht einmal weiss, was ein Bremsweg

und feststellte, «dass er Unsinn getrieben habe».

ist, kommentiert der Herr das Ereignis sogleich versiert und

Es scheint fast, als ruhe der «Mann ohne Eigenschaften»

mit jener objektivierenden Distanz, die das mulmige Gefühl,

in seiner kontemplativen Gelehrtenpose im Auge eines Or-

das sich der beiden in der Magengegend bemächtigt hat,

kans, dessen aus Bewegung, Geräusch und Licht entstan-

rasch relativiert: «Diese schweren Kraftwagen, wie sie hier

dene Turbulenzen aus der Vogelperspektive wahrgenommen

verwendet werden, haben einen zu langen Bremsweg.» Um

werden, wenn unser Blick auf einen «jener langen, gewun-

wenig später, als man den Verletzten sicher im klinischen

denen Verkehrsflüsse» gerichtet wird, «die strahlenförmig

Inneren des herbeigeeilten Krankenwagens versorgt weiss,

am Kern der Stadt entspringen, die äusseren Bezirke durch-

hinzuzufügen: «Nach den amerikanischen Statistiken [ . . . ]

ziehn und in die Vorstädte münden». Es ist, als blicke der wis-


Walter Gropius, Adler-Cabriolet 1930–1933 entwarf Gropius sechs Karosserietypen für Limousinen und Cabriolets der Adler-Automobilwerke Frankfurt a. M. Gropius, dessen Modelle erfolgreich waren, wurde mit dem Preis «Der schönste deutsche Wagen» ausgezeichnet. Die Presse würdigte den neuen Adler mehr als Gropius’ Architektur. (Foto: Winfried Nedinger, Walter Gropius, Berlin 1985, S. 305)

sende Autor durch eine Art kosmisches Mikroskop mit natur-

Literatur, der Malerei und schliesslich auch den neuen Me-

wissenschaftlich-nüchterner Distanz auf das Gewusel der

dien Fotografie und Film, «neue bildnerische Raumkonzep-

Erde herab: «Autos schossen aus schmalen, tiefen Strassen

tionen aus unmittelbar erfahrenen Phänomenen»3 der mo-

in die Seichtigkeit heller Plätze. Fussgängerdunkelheit bil-

dernen Grossstadt zu entwickeln – vor allem der Grossstadt-

dete wolkige Schnüre. Wo kräftigere Striche der Geschwin-

nacht und ihrem synästhetischen Taumel und kaleidosko-

digkeit quer durch ihre lockere Eile fuhren, verdickten sie

pischen Vexierspiel aus Klang und Lärm, Licht und Farbe,

sich, rieselten nachher rascher und hatten nach wenigen

Überblendungen, Spiegelungen und Durchdringung der Kör-

Schwingungen wieder ihren gleichmässigen Puls.»

per, Bewegungen und Formen. Es fehlt – das bliebe dieser

Das ist nicht der futuristische Taumel heftigen Involviert-

Aufzählung hinzuzufügen – nur noch die Architektur. Diese

seins, wie er – ausgelöst nicht zuletzt durch Marinettis Ma-

nimmt sich der Faszination durch das Auto erst nach dem

nifest von 1909 – in einer Schilderung von Ardengo Soffici

Ersten Weltkrieg an – dann allerdings in ungleich zweckge-

eine Gruppe Futuristen erfasst hat. In einem Auto, das ein

richteter Weise.

dramatisches Eigenleben entfaltet, rasen sie wie in einem Geschoss durch die Stadt, dass die visuellen und akustischen

Impulse für das industrielle Bauen

Fetzen nur so fliegen: «Mit dem Getöse eines gebändigten

Wir wollen nicht hoffen, dass die von Musils Passant beklag-

Orkans schlitzt das zinnoberrote Automobil, das meine

ten amerikanischen Verkehrstote alle auf das Konto der «Tin

Freunde und mich fährt, den Bauch der Grossstadtdämme-

Lizzy» gingen, jenes populären Ford-Modells, das seit 1908

rung auf. Vorüber an Gärten, Strassen, Plätzen und wieder an

als erstes Automobil am Fliessband produziert wurde, zum

Strassen, rollt es in einem von Energie ventilierten Wirbel da-

seriellen Massenprodukt und Verkaufsschlager avancierte

hin und scheint in der Bewegung seiner zitternden Scheiben,

und bis Ende der Zwanzigerjahre mehr als 15 Millionen Mal

im Lack seiner Türen, in den Kugeln und Zylindern aus Stahl

verkauft wurde – ein Rekord, den erst der VW Käfer Anfang

und Messing, eine Erstlingsfrucht aus Lichtern, Reflexen und

der Siebzigerjahre brechen wird.4 Die durch Henry Ford ein-

Blitzen mit sich zu schleifen, wütend den eleganten Waren-

geleitete Fliessbandproduktion gab der «Überzeugung, dass

häusern, den spiegelnden Scheiben, den Strassenlaternen

das Auto ein Volksfahrzeug werden müsse»5, eine realis-

und dem Himmel entrissen.» 2

tische Perspektive. Die Faszination, die sie auslöst, blieb

Mit dem ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wird das

nicht lange auf die Autoproduktion beschränkt: Vor dem

Auto zum Vehikel einer neuen Wahrnehmungs- und Erleb-

Hintergrund der städtebaulichen Probleme und der Woh-

nisweise, zum Ausgangspunkt unzähliger Versuche in der

nungsnot, die sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges

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THE GOOD, THE BAD & THE UGLY Zur Inszenierung von Autos in Showrooms Showrooms konfrontieren die Marketingspezialisten der Autohersteller mit einem scheinbar unlösbaren Problem: Einerseits gilt es, die Unverwechselbarkeit von Marke und Produkt auch architektonisch zu untermauern, andererseits wird die Architektur in ein enges Korsett von Designrichtlinien gezwängt. Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der architektonischen Inszenierung von Autos – und einige mehr oder weniger gelungene aktuelle Beispiele.

1 Ant Farm : Cadillac Ranch (1974) in Amarillo, Texas, fotografiert drei Jahre nach Fertigstellung (Foto: Constance M. Lewallen, Steve Seid, Ant Farm 1968–1978, Berkeley/Los Angeles/London 2004, S. 49)

Text: Klaus Leuschel

rung bestehen würde – «les wagons eussent eu aussi cent

Wenn wir aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts auf die

formes fantastiques», meint er in En voyage (1850). Was bot

heroische Epoche der Zwischenkriegsära zurückblicken, ver-

dafür bessere Bedingungen als das Zeitalter der Mechanisie-

gegenwärtigen wir uns eine Zeit fernab von globalisierten

rung? Bis heute symbolisiert kaum ein Objekt des Maschi-

Märkten. Schon insofern kann die Inszenierung des Automo-

nenzeitalters annähernd vergleichbar den Fortschrittsglau-

bils in ihrer damaligen Bedeutung gar nicht hoch genug ein-

ben, kombiniert mit dem Glücksversprechen der Individuali-

geschätzt werden. Das gilt erst recht für das Automobil im

sierung. Eisenbahn und Flugzeug, aus heutiger Perspektive

Film: Wenn etwa in La sirène des tropiques der Anspruch von

weit massentauglicher, stehen wohl ebenso für Fortschritts-

Modern Times durch das Automobil mindestens ebenso wie

glauben, aber nur bedingt für Individualität.

durch die Architektur eingelöst wird, dann deshalb, weil der Architekt Rob Mallet-Stevens diese Dimension bereits 1927

Auf der Strasse der Inszenierung: einige Meilensteine

erkannt hatte. Mallet-Stevens legte in Paris – damals Welt-

Die Geschichte des Automobils ist bis heute kaum eine der

hauptstadt der Cinématographie und bis heute die filmisch

wahrgenommenen gesellschaftlichen Verantwortung, erst

bestdokumentierte Stadt – mit seinen Arbeiten als Szenema-

recht nicht unter dem Vorzeichen der Nachhaltigkeit. Es

tograf den Grundstein für die Wahrnehmung von Architektur

scheint, als ob bereits die Industriekapitäne der Gründerzeit

in bewegten Bildern. Er wäre somit ein Vorgänger von Set De-

dem Glauben verfallen waren, der Fortschritt sei die Ma-

signern wie Ken Adams (diverse James-Bond-Filme) und als

schine selbst, was denn auch im Perpetuum stets neuer Auto-

Avantgardist zu betrachten (Man Ray, Les Mystères du châ-

mobile – wenn nicht als Wegwerfobjekt, so doch als eines mit

teau de Dé, 1929).

befristeter Haltbarkeit – zu einer self-fulfilling prophecy mu-

Es war Victor Hugo, der 77 (sic!) Jahre zuvor bereits vo-

tiert wäre. Ausnahmen bestätigen diese Regel, architektoni-

raussah, dass die Zukunft des Automobils in der Differenzie-

sche allemal. So realisierte Fiat in den Zwanzigerjahren mit

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dem Lingotto in Turin (vgl. S. 15) ein Monument für den Fort-

2 Die Schlotterbeck-Garage in Basel kurz nach ihrer Fertigstellung (1928–1929), gegenüber der Markthalle beim Bahnhof. Sie musste 1998 Richard Meiers Neubau weichen

schrittsglauben, welches ohne den Futurismus undenkbar gewesen wäre und das bis heute als scheinbar zeitlose Inszenierung zum Sinnbild für die italienische Automobilindustrie schlechthin avanciert ist. Einst als «einer der imposantesten Ausblicke in das industrielle Zeitalter» (Le Corbusier) apostrophiert, beherbergt es heute ein Hotel namens Le Meridien. Auch die damals noch junge, aufstrebende Industriestadt Basel besass mit der 1928 erbauten Garage Schlotterbeck ein Gebäude, welches in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hauptbahnhof (SBB / SNCF ) weithin sichtbar von der neuen Zeit und der mit ihm verbundenen Mechanisierung kündete. Mit einer modernen und somit ahistorischen Architektursprache vermochte sich das Automobil erstmals adäquat als das Transportmittel der Zukunft in Szene zu setzen.

Derartige Bildwelten und Installationen mögen in Europa

Im Gegensatz dazu zeigten jedoch Fabrikareale der Automo-

trivial erscheinen; unzweifelhaft überhöhten sie aber das

bilindustrie anderorts nahezu ausnahmslos die hässliche

Automobil zum irrationalen Objekt. Erst diese Verneigung

Seite der neuen Zeit; auch den Verkaufsräumen wohnte

vor dem Artefakt wurde zur Grundlage jener «promethei-

kaum etwas von der Dynamik oder jenem filmischen Glamour

schen Scham» (Günther Anders), welche um das Themenfeld

inne, die später zu massgeblichen Triebfedern der automobi-

der Inszenierung längst eine Eigendynamik angenommen

len Inszenierung mutieren sollten.

hat: die der Verneigung vor ihrer Ästhetik und Perfektion.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals ein Automobil

Dabei bestand durchaus eine Wechselwirkung zu jenem Un-

in eine permanente Museumsausstellung aufgenommen

behagen, welches damals erstmals unter Architekten gegen-

wurde, stiess das zunächst auf ein keinesfalls positives Echo.

über der beherrschenden Funktionalismus-Doktrin aufkeim-

Dabei war es das New Yorker Museum of Modern Art, das

te. Hans Hollein etwa präsentierte 1966 im Rahmen einer

sich die Nobilitierung der angewandten Künste auf die Fah-

Serie provokativer Collagen zur Proklamation «Alles ist

nen geschrieben hatte, und es handelte sich nicht um ein or-

Architektur» einen Rolls-Royce-Kühlergrill, der als Hochhaus

dinäres Automobil, sondern um einen Cisitalia – der wiede-

in die Skyline Manhattans montiert war. Mehr Auto für die In-

rum gilt als eines der Meisterstücke der ohnehin längst ge-

szenierung von Architektur erscheint kaum vorstellbar.

adelten Karosserieschneiderei Pininfarina.

Als Renault 1980 Norman Foster mit der Planung des eng-

Die infolge der Studentenunruhen zum Traktandum ge-

lischen Vertriebszentrums in Swindon beauftragte, war dies

wordene Popularisierung von Kultur machte indes auch vor

für die britischen Hightech-Architekten ein wichtiges Projekt

dem Automobil nicht halt. So verwundert kaum, wenn das ka-

für die Popularisierung ihrer Architekturauffassung – selt-

lifornische Architekturkollektiv AntFarm 1974 ca. 60 Meilen

sam nur, wie over-decorated das Gebäude mit seinen markant

westlich von Amarillo (TX ) für den Farmer Stanley Marsh ein

gelben Pylonen aus der zeitlichen Distanz wirkt. Genau

Monument errichten konnte, welches der automobilen Hoch-

genommen unterscheidet sich die Choreografie der Modelle

kultur Amerikas vieldeutig Referenz erweist: die Cadillac

in ihrer skurril fragilen Statik («flying sausages») kaum von

Ranch. Insofern stand diese sinnbildlich für Robert Venturis

denen ihrer texanischen Vorgänger.

Forderung an die Architekten, die Widersprüchlichkeit der

Die ersten szenografischen Umsetzungen, die weit darü-

Zeichen richtig zu interpretieren ( Complexitiy and Contradic-

ber hinaus reichten, was an Überhöhung des Automobils bis

tion, Learning from Las Vegas ). Sein «I am a monument» kul-

dahin geschehen war, drehten sich um den Mythos Ferrari.

minierte anderorts in einem weit weniger spektakulären,

Der französischen Innenarchitektin Andrée Putman gelang

aber deshalb kaum weniger wichtigen Symbol: In Houston

1987 mit der Ausstellung Hommage à Ferrari in der Fondation

leistete sich das Hard Rock Café vor dem Parkplatz des Res-

Cartier in Jouy-en-Josas bei Paris etwas, was seither als pro-

taurants einen ca. 10 Meter hohen Stahlträger, der schräg aus

totypisch für die Ausstellungsarchitektur von Event-Desig-

dem Boden aufragt und ein türkisfarbenes Cadillac Cab-

nern anzusehen ist. Putman verband Elemente aus Sport

riolet aus den Sechzigerjahren balanciert – im amerikani-

(Ring), Transportwesen (Fallschirm) etc. und übersetzte das

schen Suburbia flacher Bebauungen eine ebenso simple wie

Potpourri ihrer Einfälle in multimediale Bildwelten der Marke.

radikale Umsetzung von Robert Venturis Erkenntnis zur

Die Ausstellung symbolisierte dank Emotionen und Erlebnis-

Orientierung. Wie sehr der Ausdruck von Modernität als Zei-

qualität all das, was bis heute als Massstab an die Architek-

chen für Zeitgenossenschaft gefragt war, macht ein weiterer

tur automobiler Präsentationen angelegt wird. Noch im Jahr

Film klar, den Hollywoods Rebellen Francis Ford Coppola und

2000 kolportierte die englische Tageszeitung The Indepen-

George Lucas als Hommage an ihre eigene Jugend gedreht

dent im Zusammenhang mit der Übernahme der Edelmarke

hatten. Dem Kult um das Automobil in American Graffiti

Connolly (der Lieferantin für das A bis Z britischer Luxuska-

(1973) dient Mel’s Drive-In, ein Restaurant im «Streamline»-

rossen) durch Londons legendären Modezar Joseph, wie die-

Stil, als visueller Anker.

ser umgehend bei Andrée Putman die Neugestaltung des

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UN Studio: Mercedes-Benz Museum, Stuttgart, 2006 Das Mitte Mai eröffnete Mercedes-Benz Museum in Stuttgart ist ein ausserordentlich komplexes Gebäude, dessen Geometrie, Statik und Betrieb ein integrales System bilden. Entwurf und Realisierung wären ohne eigens entwickelte digitale Technologien kaum denkbar gewesen. Die Raumwirkung, die traditionelle Konzepte weit hinter sich lässt, ist atemberaubend.

MEISTERWERK FÜR MERCEDES

Text: Peter Cachola Schmal Böse Zungen behaupten, die Architekten von UN Studio um Ben van Berkel und Caroline Bos bauen einfach ihre Renderings. Das stimmt sogar und ist doch erstaunlich. Denn was in dem Wettbewerb im März 2002 als Stuttgarts neues Tor von Osten mit einer Visualisierung im Abendlicht entlang der aufgeständerten Schnellstrasse präsentiert wurde, entpuppte sich als ein substantieller Beitrag zur Museumsarchitektur des 21. Jahrhunderts. Zu sehen war ein kompakter, fast 50 Meter hoher und mit 80 Metern Kantenlänge eher breit gelagerter, abgerundeter Körper in Form eines Wankelmotors. So ungewöhnlich die kompakte Grossform, so rätselhaft auch der innere Aufbau dieses UFOs: Silbrig glänzende, geschlossene Flächen wechselten sich mit schräg laufenden, geknickten Glasflächen ab, eine klare Geschossigkeit war nicht ablesbar. Es sollte nicht nur ein neues Museum für Deutschlands wichtigste Automobilmarke – die mit dem Stern – werden, dessen bestehender Bau mit 500 000 Besuchern im Jahr das meist besuchte Firmenmuseum der Welt darstellt. Darüber hinaus wollte die Firma an ihrem Stamm-

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1 Nachtansicht von der Autobahn (Fotos 1, 6+7: Mercedes-Benz)

2 Verbindung zwischen Sammlungs- und Mythosrampe (Fotos 2– 4: Judit Solt) 3 Blick ins zentrale Atrium

werk in Stuttgart-Untertürkheim, unweit des Ortes, an dem Gottlieb Daimler 1883 das erste vierrädrige Kraftfahrzeug konstruierte, ein Zeichen setzen.

Rätselhaft und massstabslos Vier Jahre nach dem Wettbewerbsgewinn wird dieser Silberblock mit dem gigantischen Volumen von einer Viertelmillion Kubikmeter eingeweiht. Diese Landmark-Architektur hat so grosse Qualitäten, dass sie sich in eine Reihe mit den Stuttgarter Klassikern wie der Weissenhofsiedlung und Stirlings Staatsgalerie einreihen kann – und im jüngsten deutschen Städtewettstreit gegenüber den Konkurrenten Wolfsburg (Zaha Hadids Phaeno-Museum) und München (Herzog & de Meurons Allianz Arena und das künftige BMW-Bauwerk von Coop Himmelb(l)au) bestehen kann. Hamburg will in diesem Rennen mit der geplanten Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron, Frankfurt mit dem künftigen EZB-Hochhausdoppel von Coop Himmelb(l)au mithalten. Berlin hatte bereits mit dem Reichstag von Foster & Partners als erste Stadt ihren Trumpf markiert und mit Eisenmans Mahnmal, Fosters Bibliothek und einer ganzen Reihe weiterer halbwegs überzeu-

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gender Bauten in den letzten Jahren unterfüttert. UN Studio ist es gelungen, mit diesem Wurf in die Liga der ganz grossen Namen einzutreten, was Kenner nicht überraschen dürfte, da bereits das Frühwerk – etwa die Erasmusbrücke in Rotterdam und das kleine, geheimnisvolle Moebiushaus – genau dieses Potenzial erkennen liess. Vermutlich wird dieses Museum bedeutende Nachfolgeaufträge für die Amsterdamer Architekten nach sich ziehen, haben sie doch bewiesen, dass sie trotz äusserst knapper Projektierungsund Bauzeit, gedeckeltem Budget und unter der strengen Kontrolle eines gewieften Bauherrn Architektur mit dem grossen A generieren können. Das Ergebnis entspricht im Übrigen tatsächlich dem Wettbewerbs-Rendering. Beinahe könnte man meinen, die Architekten hätten die Visualisierung einfach in die Realität umgesetzt; die geschickt platzierte Webcam auf der Website suggeriert genau diese 1:1-Umsetzung von virtuell und real. Rätselhaft und sogar fast ein wenig plump: Dieses Bauwerk ist vom äusseren Erscheinungsbild nicht wirklich «schön» im herkömmlichen Sinne, dazu stellt es den Betrachter vor zu grosse Wahrnehmungshürden. Für Laien ist es wegen seiner Massstabslosigkeit, die natürlich der digitalen Entstehungsweise geschuldet ist und vom Architekturbüro aus künstlerischen Gründen noch zusätzlich überhöht und überspitzt worden ist, kaum deutbar – aber der Bau macht neugierig und weckt das Bedürfnis, ins Innere zu gehen, um das Rätsel zu ergründen. Die umgebende Industrielandschaft, obwohl eingebettet in sanfte Hügel entlang des Neckars, entspricht

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DYNAMISCHE KOMMUNIKATION Zaha Hadid: Zentrumsgebäude des BMW-Werks Leipzig, 2005 Den architektonischen Akzent des BMW-Werks in Leipzig setzt das zentrale Verbindungsgebäude von Zaha Hadid, das die Hallen des Karosseriebaus, der Lackiererei und der Montage verzahnt. Fliessende organische Formen zeichnen den komplexen Bau aus, der nicht zuletzt die Schnittstelle zwischen Werk und Öffentlichkeit darstellt.

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Text: J. Christoph Bürkle Längst hat es sich bei Fahrzeugproduzenten herumgesprochen, dass spektakuläre Architektur auch dem Auto und dessen Image auf die Sprünge hilft. Der Umgang mit dem Auto wird immer schwieriger in Zeiten, in denen fossile Brennstoffe knapper und teurer werden; die Freiheit für das ganze Volk, die das Automobil einst verkörperte, wird in der westlichen Welt durch Übernutzung der Verkehrswege und Verknappung der Ressourcen immer mehr in Frage gestellt. Zugleich scheint technische Innovation, die ebenfalls mit der Entwicklung des Autos einherging, sich nahezu erschöpft zu haben – die möglichen Höchstgeschwindigkeiten können gar nicht erreicht werden. Mit immer luxuriöseren Fahrhilfen wie geregelter Abstandskontrolle, Navigationshilfen, jedweden Sicherheitssystemen und unzähligen Aufprallsäcken können

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von Seiten der verschiedenen Hersteller kaum noch Verkaufsargumente generiert werden. Zudem haben sich die globalen Märkte extrem verändert – heute geht der Arbeitnehmer nicht mehr zu seinem Arbeitgeber, wie es lange Zeit in Wolfsburg der Fall war. Dort garantierte das Volkswagenwerk für Generationen von deutschen und ausländischen Arbeitnehmern hohe Löhne mit den besten Tarifverträgen, noch dazu mit einem jährlichen Neuwagen, der Prestige und zusätzliches Einkommen sicherte. Dieses Paradies gerät vermehrt ins Wanken: In der Zeit der Globalisierung geht der Mensch nicht mehr dorthin, wo die gut zahlenden Fabriken stehen; vielmehr stehen die Fabriken dort, wo die Menschen wenig verdienen. Dieses – wenn auch fragwürdige – Baupotenzial scheinen Architekten noch gar nicht erkannt zu haben.

Verkehrsanbindung, die Lage Leipzigs in der geografischen

Mit welchen Strategien reagieren jedoch die Autobauer

Mitte des Landes und die kulturelle Prägung der Stadt, die zu

auf diese Diversifizierung der Märkte und des Absatzes? Auf

diesem Standort geführt hatten. BWM, neben einigen Aus-

der einen Seite findet vermehrt eine Verschiebung des Ge-

landsfabrikationen sonst traditionell in Bayern ansässig, hat

brauchswertes des Autos zum gesellschaftlichen Symbolver-

dieses Werk bewusst in der strukturschwachen und somit

werter hin statt. Das Auto wird zunehmend Freizeit- und

extrem subventionierten Region Sachsens am Nordwestrand

Spassvehikel (SUV ), und seit einiger Zeit steht wieder das

von Leipzig errichtet. So konnten medienwirksam zugleich

Design im Vordergrund: Träume erzeugende Formen, an bes-

die neue Fabrik, die entsprechend den neuen Produktions-

sere Zeiten erinnerndes Retrodesign lösen das Prinzip Fort-

bedingungen geplant wurde, und die neue Baureihe des

schritt langsam ab. Zugleich wird das Branding einer Auto-

3er-BMW vorgestellt werden. Zudem haben nun auch neue

marke wie nie zuvor gepflegt, über Engagement in Kunst-

Produktionsstätten vermehrt einen zeitlich begrenzten

oder sonstigen imagefördernden Kulturbereichen steht die

Eventcharakter; schliesslich weiss niemand, ob die nächste

Marke und damit natürlich die Markenbindung weit über der

Baureihe noch in Leipzig hergestellt werden wird oder nicht

einfachen Beziehung des Käufers zum Produkt Auto. Dabei

vielleicht sogar in einem anderen Land. Architektur für das

steht eine markensteigernde Architektur für das Auto hoch

Auto muss heute also extrem anpassungsfähig sein und hat

im Kurs – was läge näher, als mit Stararchitekten die Bran-

eine viel kürzere Halbwertzeit als früher. Zum anderen haben

dings für beide Seiten fruchtbar zu verbinden. Noch dazu,

sich für den Laien kaum merklich Produktionsabläufe inzwi-

wenn in Zukunft vermehrt Produktionsanlagen ausgelagert

schen derart geändert, dass die berühmte, von Henry Ford

und an neuen Standorten vielleicht nur für einen Autotyp für

einst entwickelte standardisierte Massenproduktion weit-

einige Jahre errichtet werden. Genau diese Strategie ist in

gehend konterkariert wird. Die typisierte Autoherstellung

der neuen Produktionsstätte der bayrischen Motorenwerke in

ist mittlerweile auf die Herstellung der Rohkarosserie be-

Leipzig von Zaha Hadid verfolgt worden, die im Frühjahr des

schränkt, lediglich diese ist immer gleich. Durch extreme

letzten Jahres eingeweiht wurde.

Modell- und Ausstattungsvielfalt setzt die Individualisierung

1 Gesamtansicht von aussen (Fotos 1+10: Werner Huthmacher) 2 Situationsplan Gesamtanlage 3 Luftaufnahme des Zentrumsgebäude zwischen Karosseriebau (links), Lackiererei (rechts) und Montagewerk (oben) (Foto: BMW Group)

des Fahrzeuges bereits nach der Rohkarosserieherstellung Veränderte Produktionsbedingungen

ein. Schon jetzt erhält jedes Fahrzeug die gewünschten Spe-

Nachdem fünf Standorte evaluiert worden waren, unter an-

zifizierungen des Käufers, wird das Fahrzeug bis zur End-

derem in Deutschland, Frankreich und Tschechien, fiel die

montage aus den unendlichen Variationen zusammenge-

Entscheidung auf Leipzig. Es waren nicht zuletzt die gute

stellt. Das wiederum hat zur Folge, dass ein Auto nicht mehr

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Coop Himmelb(l)au: BMW Welt, München, 2001–2007

Text: Judit Solt

Nicht zufällig heisst der Bereich der BMW Welt, in dem

«Wer sich den Wunsch nach einem neuen BMW erfüllt,

künftig die Übergabe der Autos an die Käufer stattfinden

möchte diesen Kauf vom ersten Augenblick an als etwas Besonderes erleben», betont eine Informationsbroschüre zur

wird, «Premiere». Im Neubau fügen sich Architektur und

BMW Welt in München. Deshalb soll für alle Kunden, die ihr

Betrieb zu einer Inszenierung, die den Besuchern die Marke

Auto in Zukunft hier abholen möchten, die Fahrzeugüber-

BMW als ganzheitliches Erlebnis und den Kauf eines Autos

gabe als einzigartiges Ereignis inszeniert werden; weiter

als existenzielle Erfahrung präsentieren soll – eine zwie-

sollen alle Besucher «die ganze Exklusivität der Marke und

spältige, aber auch faszinierende Bauaufgabe.

deren individuellen Mehrwert» erfahren. Zu diesem Zweck wird in der BMW Welt alles aufeinander abgestimmt: der aufmerksame Service, die psychologisch ausgefeilte Übergabezeremonie, das «umfangreiche Erlebnisangebot» – und die «einzigartige Architektur». Letztere befindet sich noch im Bau. Für den Entwurf zeichnet Coop Himmelb(l)au verantwortlich: Die Wiener Architekten hatten sich 2001 in einem internationalen Wettbewerb gegen 27 Finalisten – unter anderen Asymptote, Wiel Arets, Morphosis und MVRDV – durchgesetzt und einen der beiden ersten Preise gewonnen. Nach mehrmaligem Überarbeiten konnte das Projekt realisiert werden. Die Eröffnung ist für Frühjahr 2007 geplant, doch der fertig gestellte Rohbau be-

THEATER IM THEATER

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archithese 3.2006


legt bereits eindrücklich die Grösse und Dynamik des Ge-

räumlich die Mitte der BMW Welt markiert. Hier kulminiert

bäudes – und den Willen der BMW Group, sich mittels spek-

auch das Bestreben, die prosaischen Aspekte des Autokaufs

takulärer Architektur zu profilieren.

mit einer emotional aufgeladenen Atmosphäre aufzuwiegen.

Der Standort des Neubaus zeugt von der Strategie, die Anlage in ein bestehendes Tourismusangebot einzubinden. In

Fahrzeugübergabe als Event

direkter Nachbarschaft befinden sich nicht nur die BMW Kon-

Die eigentliche Fahrzeugübergabe, die in der «Premiere»

zernzentrale, das BMW Werk und das BMW Museum, sondern

stattfindet, ist die Klimax eines sorgfältig vorbereiteten Pro-

auch der Olympiapark. Dieser wird nach der Verlagerung der

zesses. Bereits bei der Bestellung des Fahrzeugs wird der ge-

Fussballszene in die Allianz Arena teilweise neu genutzt: Al-

naue Abholtag festgelegt – wobei nicht nur vor Ort herge-

lein im Park werden jährlich fünf Millionen Menschen erwar-

stellte, sondern auch aus den USA oder Österreich stammen-

tet, im Rad- und im Fussballstadion sind Theater geplant, und

de BMWs in München abgeholt werden können. (Ausge-

am See entsteht ein «Sealife» mit unterirdischen Aquarien,

nommen ist allerdings beispielsweise, dass Kunden aus den

das voraussichtlich 300 000 Besucher pro Jahr anlocken wird.

USA anreisen, um einen in den USA hergestellten BMW in

Die möglichen Synergien zwischen den Nachbarn sollen opti-

München in Empfang zu nehmen.) Für die Fahrzeugübergabe

mal genutzt werden: Bereits jetzt erwähnt die Website des

selbst gibt es individuell anpassbare Programme, deren Ele-

Olympiaparks die BMW Welt als «Portal zu allen authentischen

mente der Kunde gemeinsam mit seinem Betreuer festlegt.

und faszinierenden Markenerlebnissen am Standort Mün-

Die Kurzversion dauert rund 45 Minuten, die lange kann einen

chen», während BMW die Nähe zum Unterhaltungskomplex

ganzen Tag einnehmen. Dieser gestaltet sich dann zum Bei-

im Park herausstreicht und selbst Frei Ottos Überdachung des

spiel so: Der Kunde gibt sein Gepäck am Eingang der BMW

Olympiastadions als architektonische Attraktion erwähnt.

Welt ab und begibt sich in die Abholer-Lounge oder, sofern er

Die Dimensionen des Neubaus, der über 100 Millionen

einer ist, in die VIP-Lounge. Dort wird er von seinem Betreuer

Euro kosten und rund 200 neue Arbeitsplätze generieren soll,

empfangen. Danach kann er sich einer Werkführung anschlies-

sind beträchtlich – maximal 180 auf 130 Meter bei einer ma-

sen – ab 2007 wird die Kapazität mittels eigener Besucher-

ximalen Höhe von 24 Metern, dazu drei Untergeschosse. Das

trassen auf das Fünffache erhöht – oder das BMW Museum

Gebäude wird zumindest teilweise öffentlich zugänglich sein

besuchen, das ab 2007, umgebaut und erweitert, rund 1000

und einen Mix von unterschiedlichen Nutzungen bieten. Das

Originale zeigen wird. Selbstverständlich kann er auch alle

Herzstück der BMW Welt soll indes die «Premiere» werden,

Angebote der BMW Welt nutzen, die Nicht-Käufern offen ste-

die Auslieferungszone im ersten Obergeschoss, die nicht nur

hen: in einem der Restaurants oder im Bistro essen gehen,

1 Luftansicht: Zu sehen sind neben der Simulation der BMW Welt der BMW- «Vierzylinder» und das BMW Museum, beide von Karl Schwanzer entworfen und 1973 fertig gestellt, sowie der Fernsehturm und der Olympiapark mit dem 1968 erbauten Olympia Stadion von Frei Otto, Behnisch + Partner (Simulationen 1, 9+10: © ISOCHROM, Wien) 2 Situation

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