archithese 3.14 - Langeweile

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archithese

3.2014

Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

No future!: Räume der Vintage-Gesellschaft

International thematic review for architecture

Alltagsarchitektur in Belgien Pavillons als Sommerhits Neuer Realismus und die Architektur der Stadt Über die Qualität des Unentworfenen Der bewohnbare Rohbau: Bauten von Brandlhuber+ Frank Gehrys Frühwerk weitergedacht Sensationsbauten – das Waffenarsenal der Architektur Denmark: Neomania is here! Rem Koolhaas über De Rotterdam Atelier Deshaus  Long Museum, Schanghai

Neomanie – Langeweile Hype – Boredom


EDITORIAL

Neomanie – Langeweile | Hype – Boredom Hype oder Langeweile – sind das die Extreme, zwischen denen es sich zu entscheiden gilt? Immer schneller scheint sich auch im Bereich der Architektur der mediale Blick auf die inand-out-Themen, auf Trends oder wenige Shootingstars der Szene zu reduzieren. Gibt es noch eine Resilienz der langsamen Sache Architektur, oder gehören längst Monotonie und Langeweile als Label ebenfalls zur aktuellen Hypekultur, wie die Plattformen uglybelgianhouses oder fuckyeahbrutalism zu verdeutlichen scheinen? Inwieweit unterscheidet sich beispielsweise die politisch motivierte Architekturförderung einer jungen belgischen Architektenszene, die sich als kulturelle Praxis einer neuen Gewöhnlichkeit verschrieben hat, von ihrem dänischen Kollegen der New-Wave-Generation um BIG oder COBE? Beide Fraktionen stehen im Kontext vom rise and fall der SuperDutch-Ära und versuchen zwanghaft, sich in Zeiten der Globalisierung auf der Suche nach einer baukulturellen Identität e ­ inem Label zuzuordnen und in die Welt der Marken und Brands einsortieren zu lassen. Dabei spielte in den frühen Neunzigerjahren die sogenannte signature architecture als Impulsgeber einer identitätsstiftenden Reurbanisierung eine wichtige Rolle, bevor sie zu reproduzierbaren ­K lischees erstarrte. Eine Entwicklung, die den neuen Bauten von Frank O. Gehry gerne pauschalisiert unterstellt werden. Aber in der genauen Betrachtung stösst man auf einen Kontextualismusbegriff in seinem Werk, der sich mit den Aspekten der Alltagsarchitektur oder der Formgebung und Oberflächenbehandlung aus der Kunstszene L.A.’s auseinandersetzt. Gegenwärtig werden die Ideen des Dirty Realism wieder neu verhandelt. Worin gründet das aktuelle Interesse, sich mit Brandwänden, Investruinen oder den Agglomerationen der

In eigener Sache:

Vororte auseinanderzusetzen? Liegt in den einfachen, gewöhnlichen Bauten eine verborgene

Wir freuen uns, Jørg Himmelreich und Andrea

Qualität? Interessant erscheinen unter diesem Gesichtspunkt gerade die Berliner Beiträge

Wiegelmann im Team der archithese begrüssen

vom Büro Brandlhuber+, das seine Projekte als gebaute Architekturkritik versteht. Wie steht

zu dürfen. Andrea übernimmt die Verlagsleitung

es um den gegenwärtig medial befeuerten New Realism, der sich rein auf die morphologische

der Zeitschrift und Jørg die Leitung der Redak-

Ebene zurückzieht und die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Realitäten der

tion.

Stadt aussen vor lässt? Handelt es sich dabei um perfekt i­ nszenierte Medienkampagnen oder

Hannes Mayer verlässt mit diesem Heft nach

um den Verlust von Aufmerksamkeit? Ist der Architekturdiskurs inzwischen wie die Politik

fünf Jahren das Team. Wir danken Hannes für sei-

in Zeiten von Urlaub, Strand und Sonne bei einem Sommerloch-Thema angekommen? Die

nen mehrjährigen leidenschaftlichen Einsatz und

Entwicklungen in der Architektur der letzten Jahre zeigen eine Hinwendung zur Event-Ar-

wünschen ihm für seine neuen Aufgaben a ­ lles

chitektur mit ihrem temporären Spektakel und dem Zelebrieren des kurzlebigen Ereignisses

Gute.

einer auf Lifestyle ausgerichteten Konsumgesellschaft. Dabei erweist sich der Pavillon als äusserst beliebter Typus – als hip, cool oder fresh. Die Pavillons der Serpentine Gallery mit wechselndem Staraufgebot, das Guggenheim Lab oder die Sushibar-Favela auf der letzten Art Basel zählen zu den vielen Sommerhits vergangener Tage; was kommt jetzt? Mit dem Drang nach dem stetig Neuen läuft man Gefahr, der Mode zu verfallen, mag dabei der Vintage-Trend mit seiner Hinwendung zur Reproduktion zumindest das Qualitätsversprechen des Bewährten für sich in Anspruch nehmen. Angesichts der unter der Leitung von Rem Koolhaas stehenden, kürzlich eröffneten Architektur-Biennale in Venedig mit dem Thema «Absorbing Modernity 1914–2014» und der Beschäftigung mit den fundamentals stellt sich die Frage, ob die grosse Leistungsschau mehr sein will als ein Medienhype, ein Sommerlochthema oder ein Rückblick. Ist die Moderne unsere A ­ ntike? Dies bereits als Ausblick auf die übernächste Ausgabe der archithese... Die Redaktion

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ARCHITEKTUR AKTUELL

Neue Strukturen für die Kunst

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ATELIER DESHAUS: LONG MUSEUM, SCHANGHAI

adäquate Sammlung vorweisen zu können, zählt in

Kunstcluster umgebauten Fabrik 798 und dem

Schanghai will sich als Metropole für zeitge­

China nicht zu den Ausnahmefällen. Der dem inzwi­

Künstler- und Galerienvorort Caochangdi die Vor­

nössische Kunst positionieren; davon zeugt

schen auch innerchinesisch ausgetragenem Kon­

reiterrolle spielte, zu einem Hotspot wurde. Die

eine Reihe neuer Museen. Das bemerkens­

kurrenzkampf der Städte und Regionen geschulde­

historische Rolle Schanghais als Brückenkopf zum

werteste darunter ist das Ende März eröff­

te kulturelle Wettbewerb erzeugt ständig neue In­

Westen mag ähnlich wie in Hongkong (wo derzeit

nete Long Museum im Entwicklungs­gebiet

stitutionen, seien sie nun politisch gewollt oder

das von Herzog & de Meuron entworfene Museum

des West Bund Cultural Corridor. Atelier

Resultat des Verewigungsbedürfnisses privater

M+ entsteht, das den grössten Teil der Sammlung

Deshaus gibt dem formal stagnierenden

Investoren und Sammler. Die neuen Institutionen

von Uli Sigg beherbergen wird) diese Entwicklung

Museumsbau damit neue Impulse.

entsprechen dabei nicht immer dem westlichen

begünstigt haben. Wer sich für Gegenwartskunst

Verständnis von musealen Einrichtungen. So ver­

interessierte, hatte vor zehn Jahren in der Metro­pole

Autor: Hubertus Adam

bindet sich eine Reihe der neuen Museen direkt mit

am Huangpu-Fluss lediglich einen Anlaufpunkt: das

2012 wurden in China 450 neue Museen eröffnet.

Investoreninteressen; sie sind Teil kommerzieller

Schanghai Art Museum auf dem Gelände der ehe­

Die Zahl wirkt beeindruckend, relativiert sich jedoch,

Entwicklungsvorhaben. Dies muss aber vom Pu­bli­

maligen Rennbahn am Volksplatz, in dem auch die

wenn man sich vergegenwärtigt, dass in China nur

kum gar nicht als Widerspruch empfunden werden.

ersten Schanghai-Biennalen stattfanden. Inzwi­

ein Museum auf 350 000 Einwohner kommt, in

Rem Koolhaas’ Gleichung «Museum = Shopping»

schen ist dieses staatliche Museum geschlossen

Schanghai immerhin noch eines auf 200 000 Ein­

ist hier vollends Wirklichkeit geworden, wenn Monet

und gleich zwei Museen haben seine Nachfolge

wohner – während die Relation in Paris 1:16 000

in der Mall gastiert und zum Lifestyle einer aufstre­

übernommen. 2012 eröffnete auf dem rechts des

beträgt. Kalkulierte man mit Mittelwerten, so hätte

benden chinesischen Klientel ebenso passt wie die

Flusses gelegenen früheren Expo-Gelände das

das in vielerlei Hinsicht um Anschluss an den Wes­

Luxusmarken in den benachbarten Brand Stores.

China Art Museum, und im einstigen chinesischen

ten bemühte Riesenreich China zukünftig Bedarf an

Hinzu kommt, dass es in China an wissenschaftlich

Pavillon – dem Hauptbau der Expo 2010 – ist jetzt

40 000 neuen Museen.

ausgebildetem kuratorischem Personal mangelt und

die chinesische Kunst des 20. Jahrhunderts zu

Zugegeben – kulturelle Entwicklung lässt sich

daher manche Ausstellungen internationalen Qua­

sehen. Auf der Stadtseite gegenüber wurde der

mit arithmetischen Rechenbeispielen schwerlich

litätsansprüchen kaum genügen. Drängen sich

Pavilion of the Future – ein früheres Kraftwerk – für

erfassen, prognostizieren oder steuern. Ohne Zwei­

kommerzielle Interessen in den Vordergrund, so ist

64 Millionen Dollar zur Power Station of Art umge­

fel befindet sich die internationale Museumsszene

die Grenze zwischen Konsum und Kultur ohnehin

baut. Die kurz PSA genannte Institution widmet sich

aber im Umbruch, und so hat sich auch die chine­

fliessend.

der zeitgenössischen chinesischen und internatio­

sische Museumslandschaft in den vergangenen

nalen Kunst und sieht ihr Vorbild in der Tate Modern

Jahren erweitert und diversifiziert. Dabei entspre­

Schanghai im kulturellen Aufbruch

in London. Noch fristet die PSA indes ein Inselda­

chen die Szenarien nur bedingt westlichen Vorstel­

Der internationale Erfolg zeitgenössischer chinesi­

sein: Umgeben von den eingezäunten Arealen der

lungen: Dass prestigeträchtige, architektonisch

scher Kunst hat in den letzten Jahren dazu geführt,

Weltausstellung, die einer sinnvollen Nachnutzung

spektakuläre Häuser errichtet werden, ohne eine

dass Schanghai neben Peking, das mit der zu einem

harren, liegt sie an einem für das lebendige Stadt­

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gefüge Schanghais exterritorial anmutenden Ort.

liarden Dollar ist ein Kultur- und Unterhaltungskom­

Selbst Chinesen vermögen einen Taxifahrer nur mit

plex geplant, der Hotels, Restaurants und diverse

Mühe hierhin zu dirigieren: Das Ziel «Power Station

Veranstaltungsorte umfasst.

of Art» ist unbekannt.

In diesem Frühjahr wurden am Flussufer des

Weitere Kunstmuseen, die sich in den letzten

West Bund zwei spektakuläre private Kunstmuseen

Jahren in Schanghai etablieren konnten, entspran­

eingeweiht. Die Entwürfe für das Yuz Museum stam­

gen privatwirtschaftlichen Initiativen. 2005 gründe­

men von Sou Fujimoto, der dabei einen bestehen­

te der aus Hongkong stammende Schmuckdesigner

den Hangar des aufgelassenen Longhua Airports

­Samuel Kung das Museum of Contemporary Art

miteinbezog. Wie Fujimoto im Gespräch erklärt,

(MOCA), das vornehmlich mit Brand Shows in Er­

waren die Veränderungen bei der Ausführung seines

scheinung tritt; 2008 eröffnete das von Chinas

Konzepts allerdings so gravierend, dass er von der

grösster Bank, der China Minsheng Banking Cor­

Autorschaft zurücktrat und das fertiggestellte Ge­

poration, getragene Minsheng Art Museum. Zur

bäude nun nicht mehr unter seinem Namen geführt

Weltausstellung 2010 wurde im direkt am Bund

werden darf. Finanziert wurde das Yuz Museum mit

gelegenen ehemaligen Sitz der Royal Asiatic

seinen neuntausend Quadratmetern Ausstellungs­

So­ciety – einem Kolonialbau aus dem Jahr 1932 –

fläche von Budi Tek, einem chinesisch-indone­

das durch David Chipperfield entworfene Rockbund

sischen Entrepreneur, der schon in Jakarta ein

Art Museum fertiggestellt. Es ist Teil eines von Tho­

­Museum unter gleichem Namen betreibt und sich

mas Ou – dem Gründer von Sinolink Worldwide

in Schanghai auf die Präsentation von Installations­

Holdings Ltd. – verantworteten Immobilieninvest­

kunst konzentriert.

1  Long Museum, Schanghai, 2012, Westfassade (Alle Fotos: Su Shengliang) 2  Nordfassade 3  Haupteingang

ments. Ähnlich funktioniert das ein Jahr später ­realisierte Schanghai Himalayas Museum von Arata Isozaki, das den kulturellen Nukleus der für 480 Millionen Dollar erstellten Media City Pudong bildet. Diese ist ihrerseits ein Projekt des Immobilien­ unternehmers Dai Zhikang.

West Bund Cultural Corridor Eines der wichtigsten aktuellen, von der Stadt­ verwaltung forcierten städtebaulichen Entwick­ lungsprojekte ist der West Bund Cultural Corridor (WBCC). Dabei handelt es sich um die Revitalisie­ rung des flussaufwärts an das linksufrige ExpoGelände anschliessenden Hafenareals. Das ins­ gesamt sieben Quadratkilometer messende Planungsgebiet im Stadtdistrikt Xihui erstreckt sich über elf Kilometer vom Hafen Rihui im Norden bis

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zur Xupu-Brücke im Süden und soll durch kulturel­ le Ankerpunkte eine neue Identität erhalten. Ende 2013 war es Schauplatz der West Bund Biennale, die sich den Themen «space construction», «artistic production» und «future imagination» widmete. In einer früheren Zementfabrik war eine Leistungs­ schau zeitgenössischer chinesicher Architektur zu sehen, zudem errichteten chinesische und interna­ tionale Architektenteams vier Pavillons: Yung Ho Chang und Zhang Yonghe das Vertical Glass House, Johnston Marklee den Pavilion of Six Views, schmidt hammer lassen den Cloud Pavilion und Zeng Qun sowie Wang Fangji den Ceramic Pavilion. Als Mega-Attraktor des WBCC soll in Zukunft das DreamCenter des amerikanischen Animations­ unternehmens DreamWorks fungieren. Für 2,4 Mil­

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FACADES Über die Qualität des Unentworfenen  Die Fassade ist die ­S chauseite eines Gebäudes; sie verleiht dem Haus seinen Ausdruck. Doch oft wurden die interessantesten Ansichten von Häusern ­u rsprünglich nicht als Fassade entworfen.

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Autorin: Oda Pälmke

senden farbigen Streifen. Mit einem Ornament versehen, kann

In einer Reihe von Gebäudeporträts werden unspektakuläre

eine gedämmte Fassade aus den Neunzigern im Stile der

Wände, vermeintlich abgewandte oder eigentlich verborgene

Achtziger daherkommen. Rechtwinklige Platten vertragen

Seiten und temporäre Modifikationen von Häusern gezeigt,

sich kaum mit Giebelformen und werden abgeschnitten,

die vielfach grosse Anmut oder skulpturale Qualitäten auf-

­passend gemacht, in Form gebracht. Der Abdruck von Ge-

weisen und besser nicht entworfen sein könnten. Die Betrach-

bäuden – hinterlassen auf der Nachbarwand – verdoppelt den

tung dieser «anderen Wände» von Gebäuden als Fassade ist

Anblick und erklärt sich selbst: Diese Häuser waren zu klein.

umso faszinierender, wenn man die Fassade als «Gesicht»

Ein gründerzeitliches Fragment erlangt grossartige skulp-

(lat. facies) des Hauses ansieht. Es lassen sich nicht nur ge-

turale Qualität; aus dem ungünstigen Zuschnitt eines Grund-

radezu klassische architektonische Schönheiten entdecken,

stücks resultiert vielleicht eine bemerkenswerte Gebäude-

sondern oft auch ausgefallene Charaktere und Figuren.

form. Schornsteine, Gerüste, Fahnen, Falten einer Folie,

Im Vorwort zur Publikation Facades schreibt Wim Wen-

Verhüllungen, Verwitterungen, Rostspuren, der Schatten

ders: «Je länger man sich einsieht, umso deutlicher sieht man:

eines Baumes, verschobene Fensterachsen, vermauerte

Häuser spielen Rollen, gewollte und ungewollte. Was will

­Fenster, befensterte Giebelwände oder einfach eine allein

man mehr, als hinter die Fassaden sehen zu lernen?»

irgendwelchen unbekannten Umständen geschuldete wilde

Die vorgenommene Sortierung der aus dem originalen

Befensterung: Einige dieser Modifikationen übertreffen so

Kontext herausgelösten Gebäude zu Bildpaaren dient mass-

manchen zeitgenössichen Architektenentwurf, und das ohne

geblich einer poetischen Verdichtung des Gesehenen: In der

jeden eigenen Anspruch auf Darstellung eines expressiven

Gegenüberstellung werden diese Fassaden als eine typolo-

Charakters.

gisch-morphologische Reihe vorgestellt. Da sie im Allgemeinen nur temporär in dem hier abgebildeten Zustand existieren, ist dies zwar eine sachliche, aber gleichzeitig nicht ganz unsentimentale Dokumentation, die den geneigten Betrachter zum Mitschauen und Weiterdenken verführen möchte. Manche Schornsteine sehen aufgesetzt aus und zieren das Gebäude wie ein Hut. Streifen sind günstig für die Figur; eine Platte erlangt Eleganz durch einen pfeilartig nach oben wei40    archithese 3.2014

Oda Pälmke lebt und arbeitet in Berlin. Neben Ihrer Tätigkeit als selbstständige Architektin (www.odapaelmke.de) ist sie Gast­ professorin für Architektonisches Entwerfen, unter anderem an der EPFL Lausanne, HfBK Hamburg und TU Dortmund. Seit 2012 leitet sie als Gastprofessorin den Lehrstuhl Bauen und Entwerfen im Bestand an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-­ Senftenberg. Ihre Bücher FACADES, GANZ GUT – quite good houses und TYPEN – good, bad and ugly houses sind im jovis Verlag ­erschienen.


1  Austritt verboten (Alle Fotos: Oda Pälmke) 2  Aufstrebende Pfeile 3  Beruhigendes Fensterkreuz 4  Haus auf Haus (darauf) 5  Haus auf Haus (dahinter)

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DIE ARCHITEKTURPOLITIK DER ­SENSATIONSBAUTEN Oder: das Waffenarsenal der Architektur  Der heutige Überdruss an den Sensationsbauten der signature architecture lässt vergessen, dass solche landmarks vor nicht allzu langer Zeit ein wichtiges Instrument zur Belebung der Baudebatte und Reurbanisierung der Nachkriegsstädte waren. Ein Plädoyer für den wohlwollenden Umgang mit dem Aussergewöhnlichen.

Autor: Michael Mönninger Wenn es eine Stadt im deutschsprachigen Raum gibt, die Architekturpolitik zum zentralen Motor städtischer Selbstbehauptung und Entwicklungslogik gemacht hat, dann ist es nicht Berlin, Wien, Hamburg oder München, sondern Frankfurt am Main. Seit den unruhigen Sechzigerjahren waren in Deutschlands einziger global city Bauen, Stadtpolitik und Protestkultur enger und konfliktreicher verzahnt als ­a nderswo. Hier tobten jahrelang die schärfsten Studentendemonstrationen, Häuserkämpfe und Strassenschlachten gegen Hochhausspekulanten und Flächenabrisse, die erst nach 1980 abebbten, als in Frankfurt die Geburtsstunde der postmodernen Reurbanisierung und Rekonstruktion schlug – Stichwort Alte Oper, Römerberg, Museumsufer. Auch wenn «Mainhattan» politisch seit Langem befriedet erscheint, macht sich die latente Neigung der Frankfurter zum Krawall bis heute in ihrer Architekturästhetik bemerkbar. Deutlichstes Beispiel ist die Shoppinggalerie namens My Zeil, die Massimiliano Fuksas 2009 für die zentrale Frank­ furter Einkaufsstrasse entworfen hat. Der Glaspalast erweckt mit seiner aufgesprengten Strassenfassade den Eindruck, als hätte eine Bombe in das Gebäude eingeschlagen. Fuksas war sich bei seiner schockgefrorenen Attentatsszene aber wohl kaum bewusst, dass er damit einem aussergewöhnlichen Genius Loci huldigt: Direkt neben seinem Gebäude stand einst das Kaufhaus Schneider, Schauplatz der ersten gewalttätigen Protestaktion der Studentenrevolte, aus welcher ­später der blutige Terrorismus der RAF hervorging. Andreas Baader und Gudrun Ensslin hatten am 2. April 1968 mehrere Brandbomben im Kaufhaus Schneider gezündet, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. Wenig ­später verteidigte der Kommunarde Fritz Teufel auf einer Tagung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) in Frankfurt die Brandstiftung mit der berühmten For1

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mel: «Es ist immer noch besser, ein Warenhaus anzuzünden,


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als ein Warenhaus zu betreiben.» Etwas Ähnliches hatte

wie Wurfspeere in den Boden gerammt waren – um zwei exem-

Bertolt Brecht einst in seiner Dreigroschenoper über Banken

plarische Entwürfe namens «Hot Flat» (1978) oder «Media

gesagt. Dass diese Parole ausgerechnet in Frankfurt aufge-

Tower» (1985) von Coop Himmelb(l)au zu nennen. Was für die

griffen und erstmals zum Kampf gegen Kapitalismus und

klassische Moderne einst die Collage war, spitzten solche

Krieg verwendet wurde, sagt viel über die seismografischen

Entwürfe zur Karambolage zu. Bevor sich für diese Entwürfe

Qualitäten dieser «Stadt ohne Eigenschaften», die schon

der aus der französischen Philosophie entlehnte Begriff «De-

immer Frühwarnsystem und Vorreiter kommender Umwäl-

konstruktivismus» durchsetzte, wurden solche Gebilde unter

zungen war. Daher lohnt es sich, dort über den Zusammen-

dem Begriff «Katastrophen­ästhetik» subsumiert.

hang von Stadtertüchtigung und Standortpolitik, von Archi-

Heute ist aus der einstigen Bürgerschreck-Ästhetik eine

tekturbranding und Warenhausbrandstiftung, von Tourismus

international anerkannte Modellarchitektur geworden – etwa

und Terrorismus nachzudenken.

die neue BMW-Welt von Coop Himmelb(l)au, das Mercedes-Benz Museum von Ben van Berkels UNStudio, das Porsche

Vom Aktionismus zum Brand

Museum von Delugan Meissl oder das BMW-Werk in Leipzig

Dass Architektur brennen muss, war eine provokante Forde-

von Zaha Hadid. Auch Kultur-, Freizeit- und Mu­seumsbauten

rung der Architektur nach 1968. Gegen die ästhetische, mo-

werden heute vorzugsweise als stadtprägende landmarks

ralische und soziale Unbewohnbarkeit der Nachkriegsstädte

ausgeführt, allen voran Frank O. Gehrys Guggenheim-Mu-

protestierte eine aktionskünstlerische Stadtguerilla, die mit

seum in Bilbao, die Stadtloggia von Jürgen Mayer H. in Sevilla

Happenings und Performances das Packeis des Vulgärfunk-

oder das Marina-Bay-Sands-Ensemble in Singapur vom eins-

tionalismus aufbrechen wollte. Vorreiter waren die französi-

tigen Barfuss- und Bricolage-Architekten Moshe Safdie.

schen Situationisten, die deutschen Fluxus-Existenzialisten,

Bei allen Unterschieden in der Motivation und Entwurfs-

die Londoner Pop-Artisten oder auch die amerikanischen

haltung dieser Architekten ist ihr weltweiter Erfolg so gross,

Destruktiven wie Gordon Matta-Clark mit seinen Ketten­

dass sie bald schärfste Kritik auf sich zogen: es handle sich

sägenmassakern in Abrisshäusern – und dann vor allem die

längst nicht mehr um gesellschaftskritische Gegenentwürfe,

Österreicher mit Haus-Rucker-Co, Coop Himmelb(l)au und

sondern um signature architecture und Architekturbranding;

Hans Hollein.

um gebaute Luxusmarken, die anstelle der kritischen Dekon-

Der junge Hollein prägte damals die Parole «Alles ist

struktion der versteinerten Verhältnisse nur noch repressive

­A rchitektur» und forderte eine neue, alles umfassende Kom-

Entsublimierung betreiben – was meint, dass sie also kon-

petenz für die Architekten und gegen die Technokratie der

struktiv und bauästhetisch gleichsam die Sau rauslassen, um

Bauwirtschaftsmoderne. Manche der damaligen Radikal­

systemstabilisierend die Aufmerksamkeitsökonomie der

architekten nahmen diesen Entgrenzungsanspruch, dass

­M arkenwerbung, Standortpolitik und Kulturindustrie zu

Architektur alles und alles Architektur ist, sehr ernst. Sie

­bedienen.

agierten wie Stadtindianer auf dem architektonischen Kriegs-

Den Bogen zu ziehen von der Brandstiftung im Kaufhaus

pfad und weckten mit ihren scharfkantigen Splitterentwürfen

Schneider zum Architekturbranding der nachgestellten Ter-

oft kriegerische Assoziationen. Da gab es Wohntürme, die wie

rorszene in Massimiliano Fuksas Pleasure-Dome mit seiner

Abschussrampen in die Luft ragten oder B ­ ürohochhäuser, die

Form eines Bombentrichters, wirkt überspannt. Aber bei

1  Coop Himmelb(l)au, Modellbild Apartmenthaus Hot Flat, Wien, 1978 (Fotos 1+3: © Gerald Zugmann) 2  Massimiliano Fuksas, Shopping Mall My Zeil, Frankfurt am Main, 2009 (Foto: MBN Bau AG) 3  Coop Himmelb(l)au, Flammen­ flügel im Hof der TU Graz am 12. Dezem­ ber 1980

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CLEAR THE FRONT PAGE, NEOMANIA (THE MEGAPHONE GENERATION) IS HERE! Or: adventures of conceptualism  For the last ten years, Danish Architecture has been exposed to new energies with new approaches between conceptualism, pragmatism and media performances coming from a young generation of architects. Growing up in the context of SuperDutch, their attitude is characterized by a new freshness and straightforwardness in ­approach and rhetoric. What are the conditions of this new wave in Danish architecture?

Author: Kristoffer Lindhardt Weiss

an era. Carsten Thau, professor of architecture history at the

It has been said many times that Danish architecture petrified

Royal Academy in Copenhagen, hit the nail on the head when

in the 1980s and 1990s. Frozen in uninspired gestures of

he said that “Danish architecture had become somewhat

seemingly endless curtain-wall glass boxes, draped with

benumbed and, in the best instances, had come to be merely

deadpan wooden lamellas and engulfed in a myth of Nordic

nice and pretty and dainty.”1 It seemed as if everyone was

superiority in composition, sensibility to light and under-

just waiting for someone with the audacity and cheek to

standing of materials. Never amounting to more than an all

challenge the established dogma of the Danish tradition, to

too weak echo of the great masters of the modern movement.

kick in the open door.

Danish architecture seemed content and harmless in those days. It was an unexciting success. It had simply become too

64    archithese 3.2014

The Danish New School

perfect and self-referential. Like an architectural black hole,

The Danish contribution for the 2004 Venice Biennale of

nothing could break free once it had been sucked in. People

­A rchitecture, titled Too Perfect, marked a turning point. It

began to talk about the very undramatic, uneventful end of

was curated by Bruce Mau, a Canadian designer whose claim


2

to fame was his collaboration with Rem Koolhaas in 1995 on

work combined a design ideology marked by the egalitarian

the milestone book and instant classic S,M,L,XL. Spear-

ideals of the Scandinavian welfare state with an extremely

headed by the Danish Architecture Centre, the biennial ex-

high level of technical skills and a passion for international

hibition sought to break free from the constraints of tradition

trends such as minimalism and industrial cool. This, essen-

and challenge the self-perception of Danish architecture at

tially, is still the foundation for the self-image of Danish archi-

the time. It deliberately addressed the strong link that glo-

tects today. However, the new generation in Danish architec-

balization had created with Danish architecture in the twen-

ture also encountered significant skepticism and was accused

tieth century but sought to redefine both content and form.

of ignoring central values in the Danish architecture tradition,

Instead of the obsession with stylistic mannerism that had

such as the sensitivity to context, the careful finish and grasp

characterized previous decades, architecture was to address

of texture and detailing, hailed by previous generations as a

and solve – so-called – “real problems” and reclaim its place

trademark of Danish design. When Too Perfect was presented,

on the political agenda. It sought to reactivate the obligation

professors at the academy in Copenhagen called the exhibition

of keeping things real, that is, the dirty realism of getting

architects “fascist henchmen and slick service agents of global

things done and making a stand based on ideology – the same

capitalism”, according to Kent Martinussen, director of the

ideology that had created the golden age in Danish design in

Danish Architecture Centre. 2 In contrast, Martinussen empha-

the 1940s, ’50s, and ’60s. The architects of the welfare state

sizes what he identifies as a Neue Sachlichkeit (New Objectiv-

identified with the utopianism of post-war Europe and in-

ity) in that generation; that is, architects as social entrepre-

vested all their creative skills into shaping institutions in the

neurs, preoccupied with humanistic values and new inter-

image of a better future, where the working class would be

pretations of functional objectivity, fundamentally different

raised into the middle class. That meant better schools, new

from the promiscuous Dutch conceptualism with a Brutalist

city halls, a wide range of public institutions and affordable

twist. 3 The inhumanity that Martinussen observes in some of

quality housing. The architecture of that time had embodied

the most radical experi­ments of the Dutch movement would

the social utopian models and shaped their spatial structure.

simply not be viable in a Danish context.

1  Rem Koolhaas barbecuing for the friends. From left: Winy Maas, Julien De Smedt and Bjarke Ingels (Fotocollage: © Conditions, Jedidiah Lau and Joana Sa Lim, in: Kristoffer Lindhardt Weiss and Kjeld Vindum, The New Wave in Danish Architecture, Copenhagen 2012, p. 16) 2  Bjarke Ingels Global Architect with a Mission (Illustration by Kirk Manley/STUDIOKM. com, published in the October issue of Fast Company, in: Kristoffer Lindhardt Weiss and Kjeld Vindum, The New Wave in Danish Architecture, Copenhagen 2012, p. 309, 311, 313)

Some of the contributing Danish architects at the Biennale belonged to a young office that had already made headlines

International movements

back home: PLOT, founded in 2001 by Bjarke Ingels and the

The new generation mixes Scandinavian minimalism and

Belgian architect Julien De Smedt, who had met while work-

collage-like building typologies with a strong impulse from

ing at OMA. They would split up again in 2006, but the mega­

the continental, postmodern architectural scene, drafting

phone generation was born.

building narratives conceptually, “plot-based” like a movie

Bjarke Ingels was only partly raised in the Danish design

script, with a clear story easy to comprehend for everyone –

tradition. Having studied in Spain and worked at OMA, where

especially people outside architecture. Danish architecture

he was deeply involved in the construction of the Seattle Pub-

has very strong regional characteristics shaped by geography

lic Library, he brought home a fresh approach to architecture.

and state ideology. However, the Danish economy is still a

The young generation was standing on the shoulders of the

small, open economy and has always been heavily influenced

giants of the Golden Age, especially the refined craftsmanship

by international tendencies like the social movements of cen-

of Jacobsen, Wegner, Mogensen, Kjærholm and Panton, whose

tral Europe, British arts and crafts, the European obsession 65


DE ROTTERDAM Rem Koolhaas im Gespräch mit André Bideau  Zwischen Planungsbeginn und Fertigstellung des Hochhauskomplexes De Rotterdam Ende 2013 liegen 17 Jahre. In dieser Zeit wandelte sich der Entwurf von einer, wie Rem Koolhaas es nennt, «Überartikulation von Differenz» zu einem skulpturaleren Gebäude.

1

1  Haupteingang Wilhelminakade (Fotos 1, 4, 5, 14: Ossip van Duivenbode) (Alle Fotos und Abbildungen: © OMA)

André Bideau: Der Beginn der Planungen für De Rotterdam

ich auch als eine Art introvertierte, von äusseren Kontexten

geht auf das Jahr 1997 zurück, zwei Jahre davor entstand

völlig unabhängige Meditation erzählen. Dass die Arbeit

der Essay «Bigness, or the Problem of Large». Hier beschrie­

verschiedenste Zugänge und Erklärungen erlaubt, finde ich

ben Sie einen «postarchitektonischen» Zustand, in dem

jedoch gut.

zugleich so wenig architektonisch ist, wie nur möglich»,

AB: In den ersten Entwürfen entsprach De Rotterdam stär­

2  Rem Koolhaas/ OMA: Wohn­ hochhäuser ­B oompjes-Quai, Rotterdam (Stu­ dienauftrag 1980)

ferner, dass dieser Zustand den «Architekten nicht mehr

ker anderen OMA-Projekten der späten Neunziger wie der

3  Stützendetails (Fotos 3+12: Philippe Ruault) 4  Bürogeschoss 5  Eingangshalle Büroblock

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durch schiere Grösse «Architektur so architektonisch und

dazu verdamme, ein Star zu sein».

MoMA-Erweiterung oder der Villa bei Bordeaux. Dynami­

Rem Koolhaas: Mit «Bigness» beabsichtigte ich nicht, ein

scher als im nun ausgeführten «Atrium» mit seinen Roll­

Manifest vorzulegen, und in der Arbeit von OMA sehe ich

treppen, war das gesamte Innenleben als eine Art mecha­

nicht die Illustration meiner Texte. Wenn ich auf Projekte wie

nisches Ballett organisiert: spektakuläre Diagonalbezie­

De Rotterdam zurückblicke, kann ich darüber eine Geschichte

hungen mit allerlei technischen Bewegungsinfrastrukturen

erzählen, die den Anschein erweckt, aus lauter Entwürfen

wie Schrägaufzügen und hydraulischen Ebenen. Haben sich

und Einsichten zusammengesetzt zu sein, die alle irgendwie

Ihre Interessen verlagert?

untereinander verbunden sind und eine Art journalistischen

RK: Solche Themen beschäftigen uns weiterhin. Im gegen-

Kommentar zur Welt abgeben. Dieselbe Geschichte könnte

wärtigen wirtschaftlichen Umfeld muss man sich allerdings


bewusst sein, dass – ausser man hat es mit einem mäzenatischen Bauherrn zu tun – Architektur sich in einem weniger individualistischen Rahmen bewegt. Und so wurde diese Faszination für räumliche Akrobatik durch unsere zunehmende Neugier am Universellen gebändigt. Konzeptionell fand zu Beginn des 21.Jahrhunderts sozusagen eine Gegenbewegung statt. AB: Dies war auch die Zeit, in der OMA gewisse Entwurfs­

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lösungen patentierte? RK: Es war dieselbe Zeit, doch handelte es sich um zwei Seiten einer Münze: Einerseits waren die Patente natürlich ironisch gemeint, anderseits wollten wir behaupten, dass nicht das Copyright der Form zählt, sondern dass es auf bestimmte Fragentypen ankommt. AB: Hier erscheint auch eine Verbindung zu «Elements of Architecture» – ins Zentrum Ihrer Architekturbiennale wird ja die Prosa von Türen, Toiletten, Balkonen und Rolltreppen rücken. Indirekt eine Kritik? RK: Ja, eine Antwort auf den Extremismus, der heute immer mehr architektonische Skulpturen bestimmt. Bereits früher gab es einen Moment, da wollten wir im Büro eine Abteilung für generics gründen – zumindest metaphorisch eine Anspie-

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lung auf die Pharmaindustrie mit ihren Generika. Uns reizte es einfach, die Vorstellung vom Einmaligen, von der individuellen Handschrift zu beerdigen. AB: OMA baut heute in der ganzen Welt und weitaus selte­ ner in den Niederlanden. Wäre das Resultat ein anderes gewesen, wenn De Rotterdam ohne Verzögerung, vor dem 11. September und vor Ihren Erfahrungen mit chinesischen Grossprojekten realisiert worden wäre? RK: Eigentlich ist De Rotterdam überraschend ähnlich zum Ausgangsentwurf geblieben. Egal ob in China oder in Europa muss heute jeder Entwurf eine Vielzahl von Aushandlungsprozessen überstehen und sich gegenüber einer immer grösseren

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Menge von Regularien behaupten. Natürlich lag in Rotterdam ein Unterschied darin, dass ich die städtebauliche Entwicklung im Gebiet Kop van Zuid/Wilheminapier seit Langem verfolgt hatte und den lokalen politischen Kontext gut kannte. Im Komplex von De Rotterdam sehe ich ein Destillat lokaler Typologien wie des Scheibenhochhauses, des Turms – Themen, die ich schon 1980 beim Entwurf für den Boompjes-Quai am gegenüberliegenden Ufer der Maas aufgegriffen hatte. Dort hatte ich mich noch mit dem russischen Konstruktivismus auseinandergesetzt. Doch bei aller Bescheidenheit sehe ich einen der Erfolge von OMA darin, dass es uns inzwischen gelungen ist, die entwerferische Verbindung zur Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts zu kappen. Bei De Rotterdam handelt es sich entschieden um eine Archi-

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