Ökologisch bauen – La construction écologique
archithese Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur Revue thématique d’architecture
4.2004 Chancen und Konflikte des ökologischen Bauens Begriffe, Fakten, Zahlen Warum immer Neues? Ein historischer Überblick Dietmar Eberle im Gespräch Stilhülse und Ökokern – das Ökohaus als Typus Nachhaltigkeit im Hochbau Siedlungsentwicklung aus der Sicht der Ökonomie Widersprüchliche Siedlungskonzepte Energie und Materie in der postfossilen Epoche Energetisch optimierte Neubauten und Sanierungen: Schweiz, Niederlande und Deutschland Romero & Schaefle Mehrfamilienhäuser, Dübendorf De Architectengroep Öffentliches Teehaus, Rheten NL
Leserdienst 136
archithese 4.2004
Juli/August
Preis: 28 CHF/18 Euro
Ökologisch bauen La construction écologique
mit
EDITORIAL
Ökologisch bauen Nachhaltigkeit, ökologisches Bauen, Energieeffizienz und Solararchitektur sind salonfähig geworden; aus dem Architekturdiskurs sind sie, zumindest in Westeuropa, nicht mehr wegzudenken. Ob sich hinter diesen eifrig wiederholten Begriffen Lippenbekenntnisse trendbewusster Politiker oder ernsthafte Forschungsergebnisse engagierter Baufachleute verbergen, ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Was dagegen auffällt, ist das Misstrauen vieler Architektinnen und Architekten gegenüber Themen des ökologischen Bauens, als würde sich dieses auf das Erstellen plumper Einfamilienhaus-Holzkisten in der Peripherie beschränken und auf die Addition formloser Wintergärten, dicker Isolationsschichten und zusammenhanglos angebrachter Sonnenkollektoren. Architektonische Qualität und die Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge werden häufig als unvereinbare Gegensätze empfunden – und es ist auch unübersehbar, dass bei der Erstellung der ersten experimentellen Kleinobjekte technischen Fragen mehr Aufmerksamkeit geschenkt worden ist als architektonischen. Doch in den letzten Jahren hat sich auf diesem Gebiet Einiges bewegt. Heute gibt es sowohl Neubauten als auch historische Gebäude, welche ohne Einbusse an gestalterischer Qualität strengste Energiestandards erfüllen – sei es, weil die entsprechende Technik unfauffällig in die Architektur integriert ist, sei es, weil die neue technische Ausrüstung auch neuartige Entwürfe generiert. Der Blickwinkel hat sich geweitet: weg vom missionarischen, totalitären Anspruch zu einer differenzierten Betrachtungsweise in grösseren Zusammenhängen. Mittlerweile sind städtebauliche und soziale Probleme, der Zusammenhang von Ideologie und Formensprache, der Gegensatz von technischer Innovation und traditioneller Gestaltung vieldiskutierte Themen. Und auch die Frage nach einem neuen «Ökolook» in der Architektur taucht auf. Dieses Heft hat sich zum Ziel gesetzt, eine Einführung in die vielfältigen Themen des ökologischen Bauens zu verschaffen. Es soll also nicht um die Vertiefung einzelner technischer Aspekte gehen, sondern darum, die Komplexität der Aufgabe aufzuzeigen und Anregungen zu geben. Ein kurzes, thematisch geordnetes Glossar von Peter Dransfeld definiert und klärt die wichtigsten verwendeten Begriffe. Hansruedi Preisig und Katrin Pfäffli erörtern anhand zweier Beispiele, was Nachhaltigkeit in einem umfassenden Sinn im Bau bedeuten könnte. Christoph Gunsser und Dirk Althaus diskutieren bestehende beziehungsweise visionäre Siedlungsmodelle, René L. Frey untersucht die städtebauliche Entwicklung der Schweiz aus der Perspektive des Ökonomen. Dietmar Eberle weist auf die vielen Widersprüche und Chancen der ökologischen Architektur hin, warnt vor voreiligen Schlüssen und plädiert für den Versuch, technische Innovationen mit der kulturellen Dimension des Bauens in Einklang zu bringen. Parallel zu den theoretischen Beiträgen werden historische Beispiele und aktuelle Bauten aus der Schweiz, Deutschland, USA und den Niederlanden vorgestellt. Redaktion
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Barbara Neff, Bettina Neumann: Instandsetzung und Aufstockung der Heilpädagogischen Schule der Stadt Zürich, 1999 – 2001. Das Gebäude wurde aufgrund der guten architektonischen Gestaltung und der kostengünstigen Realisierung 2001 mit dem Minergiepreis ausgezeichnet Architektur: Barbara Neff, Bettina Neumann, Zürich; Mitarbeit: Simone Liner; Baurealisation: Bosshard+Partner, Zürich; Auftraggeber: Amt für Hochbauten der Stadt Zürich (Foto: Andrea Helbling)
1 Totale Symbiose mit der Natur? Der vertikale Garten im Innenhof des Hotel Pershing Hall in Paris erstreckt sich 端ber sechs Geschosse. Im unteren Bereich ist das k端nstliche Paradies durch das Glasdach des Atriums gesch端tzt, was die Ansiedlung von Pflanzen verschiedener Klimazonen erlaubt Architektur: Andr辿e Putman; Botanik: Patrick Blanc (Foto: Judit Solt)
FRAGEN ÜBER FRAGEN
neben vielen uninteressanten auch einige sehr gute Bauten entstanden, haben sich Energiestandards zumindest für öffentliche Bauaufgaben weitgehend etabliert. Dennoch halten sich einige Vorurteile mit grosser Hartnäckigkeit: Ökologisches Bauen bedeute unausweichlich verwaschene Holzfassaden, grosse Öffnungen im Süden und keine nach Norden, Komforteinbussen, hermetisch abgeschlossene Bau-
Chancen und Konflikte des ökologischen Bauens Viele Vorurteile diskreditieren das ökologische Bauen: Wie viele
ten, stümperhaft aufgepropfte Sonnenkollektoren, überhitzte Wintergärten voller toter Fliegen und zugige Aussentreppen. Dass dies zwar durchaus sein kann, aber nicht unbedingt
sind tatsächlich begründet? Alternativen zum einfallslosen
sein muss, ist Thema dieses Heftes.
«Ökolook» existieren, auch wenn sie nicht immer als solche wahrgenommen werden. Gerade wegen ihrer Widersprüche, Konflikte
Strategien des ökologischen Bauens
und unterschiedlichen Strategien kann sich das ökologische Bauen
Die Zahlen sprechen für sich – eine explodierende Weltbe-
als wertvolle Anregung zum Nachdenken über Architektur
völkerung, steigende Komfortansprüche, beschränkte fossile Ressourcen und die drohende Klimakatastrophe lassen kei-
erweisen.
nen Zweifel an der Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung aufkommen. Was unter einer solchen zu verstehen ist, hält die auf der Konferenz von Rio (1992) basierende Agenda 21 in vierzig Kapiteln fest; umgesetzt wurde davon
noch wenig. In Bezug auf das Bauwesen zieht die NachhalText: Judit Solt
tigkeitsforderung komplexe Fragestellungen nach sich, die
Ökologisches Bauen hat es in der Fachpresse schwer. Zwar
die Bereiche Wirtschaft, Soziales und Umwelt umfassen (vgl.
gibt es reichlich spezialisierte Publikationen, die sich auf die
«Nachhaltigkeit im Hochbau», S. 34). Ökologisches Bauen ist
Erörterung technisch-naturwissenschaftlicher Neuerungen
also nicht gleich nachhaltiges Bauen, sondern lediglich ein
in diesem Bereich konzentrieren, doch eine formale Diskus-
Teilbereich davon. Und genauso, wie unter Ökonomen und
sion der vorgestellten Bauten bleibt in der Regel weitgehend
Soziologen keine Einigkeit darüber herrscht, mit welchen
ausgeklammert. Dies widerspiegelt auch die bildliche Dar-
Mitteln das Ziel Nachhaltigkeit erreicht werden könnte, sind
stellung: Vielfach veranschaulichen informative, aber optisch
auch in Architektur und Städtebau unterschiedliche Ansätze
alles andere als ansprechende Diagramme und Kleinbilder
erkennbar.1
den Inhalt der Beiträge. Dem Leser drängt sich der Eindruck
Die heute am meisten verbreitete Strategie setzt auf tech-
auf, ästhetische Anliegen seien bei Architekten und Autoren
nische Innovationen, um die Energieeffizienz von Bauten
gleichermassen verpönt. Hier scheinen ausschliesslich in-
ohne Komfortverlust zu erhöhen – verändert werden sollen
nere Werte zu gelten, ob sie nun moralisch-reformerischer
die Häuser, nicht die Lebensgewohnheiten der Menschen.
oder technischer Art sind – denn welche Bedeutung haben
Die Schwerpunkte liegen vor allem bei der energetischen
«Äusserlichkeiten» wie eine gut proportionierte Fassade,
Optimierung und der Nutzung erneuerbarer Energiequellen.
wenn es doch um die Rettung des Planeten oder um das
Das Vorgehen ist pragmatisch und die Akzeptanz hoch;
Testen einer revolutionären Technologie geht? Auf der ande-
alle in diesem Heft vorgestellten Bauten sind in diesem Kon-
ren Seite fällt auf, dass Organe, die sich auf die Highlights des
text zu sehen. Ein anderer Ansatz beschäftigt sich mit
architektonischen Diskurses konzentrieren und mit entspre-
der Siedlungsentwicklung und postuliert eine Reduktion des
chender Sorgfalt illustriert sind, ökologisches Bauen nur sel-
Flächenverbrauchs; Stichworte sind hier «dezentrale Kon-
ten thematisieren; selbst wenn sie Projekte vorstellen, die
zentration», «kompakte Stadt» und «Verdichtung»; für eine
neben ihren entwerferischen auch ökologische Vorzüge auf-
mögliche Durchsetzung gibt es bereits Ideen (vgl. «Ver-
weisen, bleiben letztere vielfach unerwähnt, als sei es unfein,
dichtung statt Verdünnung», S. 64). Eine dritte Bewegung
so profane Dinge überhaupt anzusprechen. Unnötig zu sagen,
schliesslich fordert grundsätzliche Verhaltensänderungen
dass keiner der beiden Ansätze dem ökologischen Bauen
bei den Menschen: Angestrebt werden ein gesellschaftli-
wirklich gerecht wird, wie sie überhaupt der Architektur als
cher Wertewandel und die Entwicklung umweltverträgli-
umfassenden Disziplin nicht gerecht werden kann. Architek-
cher Lebensstile. Die Akzeptanz beschränkt sich – trotz
tonische Qualität und technische, ökologische, konstruktive
eines spürbaren Umdenkens in den letzten Jahrzehnten –
oder ökonomische Optimierung müssen keineswegs Gegen-
hauptsächlich auf verhältnismässig kleine Bevölkerungs-
sätze bilden.
gruppen.
Trotz dieser eigentlich einleuchtenden Erkenntnis ist nicht zu leugnen, dass vor allem in der Frühphase der öko-
Einmal mehr Gartenstadt
logischen Bewegung in den Siebzigerjahren der Reform-
Das ökologische Bauen ist heute mit einer Vielzahl von hand-
gedanke formale Fragestellungen oft verdrängt hat. Seit dem
festen Widersprüchlichkeiten, ungelösten Problemen und in-
Bau der ersten «Ökokisten» ist viel Zeit vergangen, sind
neren Konflikten konfrontiert. Ein klassisches Beispiel sind
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1 Buckminster Fuller: Union Tank Car Dome, Baton Rouge/Louisiana 1958, 116 m Spannweite (Foto: Archiv Ulrich Pfammatter) 2 Catherine Beecher-Stowe: American Woman’s Home, 1869, Axonometrie A B C D
Heissluftofen Franklinofen Kochherd Eingang Frischluft E Ausgang Heissluft F Abluft G Zentraler Kamin H Abluftleitung I Beweglicher Schrank (Reyner Banham, The architecture of the well-tempered environment, London 1969, S. 99)
WARUM IMMER NEUES?
3 Frank Lloyd Wright: Robie House, Chicago, 1906 – 09, Schnitt und Grundriss
H G
A
F B
E C
C D E
B
F
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D
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G H I
1
Für eine Kultur der Nachhaltigkeit Die Geschichte des nachhaltigen Bauens im
Text: Ulrich Pfammatter Umweltbezogenes Bauen und sustainable buildings gibt es nicht erst seit «Rio». Ideen über einen schonenden Umgang
Sinne eines haushälterischen Umgangs mit Mate-
mit Ressourcen – in unterschiedlicher Hinsicht – finden sich
rial, Arbeit, Klima und Ressourcen ist so alt
schon bei den «Alten», bei Vitruv wie bei Alberti, die sich
wie die Technikgeschichte selbst. Eine Reihe von
über die Lage der Stadt ebenso Gedanken machten wie über
Beispielen – von Catherine Beecher-Stowes
die Anordnung empfindlicher Räume bezogen auf Um-
American Woman’s Home bis zu heutigen Entwür-
welt und Territorium. Den Baumeistern mittelalterlicher
fen – zeigt das Zusammenspiel neuer Werte,
Kathedralen blieb nichts anderes übrig, als sparsam mit Material umzugehen, weil das Know-how und das techni-
technischer Entwicklungen und architektonischer sche Instrumentarium der Antike weitgehend vernichtet
Bilder auf: Kultureller und technischer Fortschritt sind nicht zu trennen.
wurden; dies zwang zu «konstruktiver Ökonomie». Philosophen der französischen Aufklärung wie etwa Marie Jean Antoine Nicolas de Caritat, Marquis de Condorcet (1743 – 1794) forderten schonenden Umgang mit Umwelt und Rohstoffen, um sie künftigen Generationen weiter verfügbar zu halten. Selbst die Industrielle Revolution brachte erstaunliche Erfindungen konstruktiver und materialtechnolgischer Art hervor, um beispielsweise konstruktive Systeme mit gleich
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K L
Vordach nach Süden und Norden Fenster (beweglich) verglaste Türen Estrich Radiatoren unter den Fenstern in den Boden eingelassene Heizkörper Glasleuchten Stahlträger dimmbare Glühbirnen Gitter Fliegengitter (Reyner Banham, The architecture of the welltempered environment, London 1969, S. 119)
4 Frank Lloyd Wright: Larkin Building, Buffalo/ NY 1902 – 06, Perspektive (Bruce Brooks Pfeiffer, Frank Lloyd Wright. Collected Writings, Vol. 1, New York 1992, S. 92)
viel oder weniger Materialaufwand leistungsfähiger zu ge-
Integrale gebäudetechnische Ausrüstung
stalten. Als die Bedeutung des konstruktiven Gelenks oder
als Entwurfsfaktor
Knotens erkannt wurde, arbeiteten Ingenieure an der Erhö-
Catherine Beechers in der Baugeschichte wohl erstes in-
hung von dessen Wirkungsgrad mit verbessertem Material.
tegrales Haustechniksystem basiert auf natürlicher Durch-
Buckminster Fuller entdeckte die extreme Leichtigkeit kon-
lüftung, gespiesen durch frische Aussenluft unter der Platt-
struktiver Systeme, für die zwei instabile Systeme kombiniert
form und beschleunigt durch die Kaminwirkung. Im Winter
werden: Seine Hallen waren um Potenzen leichter als ver-
wird die durch das Gebäude strömende Luft mit dem «Be-
gleichbare Bauten seiner Kollegen, die seine Frage nach dem
echer Stowe» im Keller erwärmt, wo sich auch die übrigen
Gewicht der Gebäude schon gar nicht erst beantworten
Serviceelemente befinden. Schwellenlüftung im einzelnen
konnten.
Raum und Fortluft im Deckenbereich und zurück in den
Entwicklungen in Material und Technologie brachten
Kamin stellen Vorgriffe auf heutige Techniken dar. Die axo-
zwar einerseits den «entfesselten Prometheus» hervor, bo-
nometrische Darstellung zeigt eine bauhistorisch frühe Ab-
ten und bieten aber aus heutiger Sicht eine Grundlage, um
sicht, das Denkmodell und seine Leistung allgemein ver-
nachhaltige Strategien baulicher Strukturen konkret um-
ständlich zu visualisieren. Hundert Jahre später wurde die
zusetzen. Dabei greifen Kriterien wie Recyclingfähigkeit
Axonometrie von Reyner Banham in The architecture of the
zu kurz, betrachtet man zum Beispiel Konstruktionen wie
well-tempered environment gewissermassen als gebäude-
etwa die tour de trois cent mètres von Gustav Eiffel oder
technischer «Urtyp» erneut veröffentlicht. Nicht nur das Bild
die Brooklyn Bridge von John Augustus Roebling, die ihre
des Modells überdauerte, auch die haustechnisch inspirierte
Nachhaltigkeit materiell und selbst in der Nutzung schon
Typologie mit zentralem Serviceelement wirkte auf die Bau-
längst bewiesen haben. Ist die Tate Modern von Herzog &
geschichte und beeinflusste etwa den «Präriestil» Frank
de Meuron trotz ihrem enormen materiellen Aufwand und
Lloyd Wrights: Beim Robie House in Chicago liegen Kamin
ihrem musealen Standard-Luxus nachhaltig? Immerhin H
konnte eine gewaltige bauliche Struktur, die gar nicht so
D
lange ihren nützlichen Dienst als städtische Power Station K
erwies, einer neuen Funktion zugewiesen werden und
A
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G
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den gigantischen ursprünglichen Aufwand ihres Baus –
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materiell, technisch sowie in Mannstunden – rechtfertigen: eine Verlängerung der Lebensdauer durch Umnut-
F B
zung.
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Zu einer Ikonografie nachhaltiger Strategien
E
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Nebst konstruktiv-technischen Erfindungen soll es hier vor allem um Verhaltensweisen gegenüber Umwelt, Klima und Ressourcen gehen. Zahlreiche Pioniere, Erfinder, Denkschu-
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len, Projektgruppen und interdisziplinäre Teams entwickeln seit rund 150 Jahren Lösungen oder suchen nach Strategien,
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um das Verhältnis von Mensch und Umwelt im Sinne einer gegenseitigen Verträglichkeit zu klären. Dabei stand und steht das Arbeiten mit natürlichen und regenerierbaren Ressourcen im Vordergrund – und teilweise im Widerspruch zum Selbstverständnis, Raumklimakomfort und Lebensstandard dauernd zu verbessern. Die Entwicklungsreihe der Suche nach intelligenten Reaktionen auf die Umwelt zeigt eine denkwürdige Ikonografie, welche Inhalte und Werte von Erfindungen mit einprägsamen Bildern visualisiert. Auch in dieser Thematik kann ein Branding erforscht werden (vgl. Beitrag von Marc Angélil, archithese 6.2003). Die «images» und «top shots des Neuen» setzen Zeichen epochaler Leitbilder, hinterlassen assoziationsfähige Spuren bezüglich verbessertem Lebensstandard, definieren akzeptierte Werte wie Klimaanlage – vor «1973» – oder Solarenergie – nach «1973» – und markieren dadurch neue Haltungen, denen jeweils eine «Inkulturation» folgt. Die Reihe ausgewählter Beispiele kann dazu beitragen, die Perspektiven einer Entwicklung zu diskutieren.
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NICHTS GEGEN DAS VORDACH!
Dietmar Eberle im Gespräch mit Judit Solt Die Diskussion um das ökologische Bauen ist belastet von Klischees, missionarischen Tiraden und einem Mangel an gesichertem Wissen über grosse Zusammenhänge; die Reduktion der Architektur auf technische Aspekte führt häufig zu Bauten, die weder sozial noch ästhetisch zu befriedigen vermögen. Dietmar Eberle, dessen Entwürfe architektonische und ökologische Qualität beispielhaft vereinigen, plädiert für eine differenziertere Diskussion, transdisziplinäre Zusammenarbeit und dafür, dass die Architektur wieder als kultureller Akt begriffen wird.
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1 Öko-Hauptschule, Mäder, 1998 Ansicht Das kompakte Schulhaus und die teilweise in die Erde eingegrabene Doppelturnhalle verbrauchen nicht mehr Energie als ein Einfamilienhaus. Erreicht wurde dies durch die architektonische Form und einfache technische Mittel wie die Ausnutzung der im Gebäude produzierten Wärme beziehungsweise der Erdwärme und -kühle Architektur: Baumschlager & Eberle GmbH, Lochau; Projektleitung: Rainer Huchler; Landschaftsarchitektur: Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich; Haustechnik: GMI Gasser & Messner Ingenieure, Dornbirn; Tragkonstruktion: Rüsch, Diem + Partner, Dornbirn; Auftraggeber: Gemeinde Mäder (Fotos: Eduard Hueber)
Ökologische Bauweisen und Energiefragen in der Archi-
den, das sie dazu zwingen würde, gewisse Konventionen in
tektur haben Sie schon beschäftigt, als diese Themen
Frage zu stellen, sind sie verunsichert. Das war bisher bei je-
für die breite Öffentlichkeit noch nicht aktuell waren. Bei
der neuen technischen Innovation so, und es ist wohl normal,
Ihren ersten Bauten – zum Beispiel der zusammen mit
dass in Übergangszeiten eine gewisse Verunsicherung
Markus Koch, Norbert Mittersteiner und Wolfgang Juen
herrscht. Ich denke zum Beispiel an die Einführung der Zent-
in der Arbeitsgemeinschaft Cooperative Bau- und Pla-
ralheizung in den Sechzigerjahren – für uns ist sie selbstver-
nungsges.m.b.H. realisierten Siedlung im Fang – waren in
ständlich, damals war eine gesellschaftliche Übergangs-
erster Linie soziale Aspekte wichtig, etwa die Partizi-
phase nötig. Heute haben wir gelernt, mit Bürobauten umzu-
pation der zukünftigen Bewohnerschaft beim Entwurf und
gehen, die über klimatechnische Ausrüstungen verfügen und
beim Bau, aber auch gemeinschaftliche Einrichtungen.
in denen auch im Sommer ein Temperaturniveau von 26°C
Wie hängt diese soziale Betrachtung der Architektur mit
nicht überschritten wird; ich bin überzeugt, dass in Zukunft
dem Interesse für die Ökologie zusammen?
auch andere Bauten mit solchen Anlagen ausgestattet wer-
Ich habe in den Siebzigerjahren studiert, die erste Ölkrise
den. Das sehe ich emotionslos und gelassen.
1972 war ein prägendes Erlebnis. Gleichzeitig habe ich mich immer darum bemüht, Architektur alltagstauglich zu ma-
Das Misstrauen gegenüber Lüftungsanlagen beruht
chen: Ich wollte mich mit jenen Fragen beschäftigen, mit de-
möglicherweise auch auf negativen Erfahrungen
nen die Leute konfrontiert sind, welche die Architektur letzt-
mit klimatisierten Bauten, deren Fenster sich nicht öffnen
lich nutzen, begleiten und verwenden. In diesem Zu-
lassen. In Ihren Bauten dagegen kann man trotz
sammenhang ist der gesamte Aufwand, den ein Gebäude
kontrollierter Lüftungsanlagen die Fenster aufmachen.
auch nach seiner Fertigstellung mit sich bringt, ein ganz we-
Natürlich: Das Anspruchsprofil eines Gebäudes hat nicht nur
sentliches Kriterium. Insofern habe ich nicht primär über öko-
mit Energiefragen zu tun, sondern auch mit Behaglichkeit
nomische Fragen nachgedacht, sondern darüber, wie sich die
und Komfort, mit Selbstbestimmung und Freiheit. Ausser-
Architektur auf die Menschen auswirkt, die sie benutzen.
dem haben wir in unseren Breitengraden 70 Prozent des Jah-
Wenn man sich das genauer überlegt, kommt man sehr
res ein ganz ausserordentlich gutes Aussenklima – warum
schnell darauf, dass neben der Ökonomie auch weitere The-
sollen wir Gebäude bauen, deren Fenster nicht geöffnet wer-
men wichtig sind – der Unterhalt, der Standort, die Langle-
den können? Das verstehe ich überhaupt nicht. Selbst wenn
bigkeit, der Energieverbrauch, die Betriebskosten, aber auch,
es wirklich energieeffizient wäre, alles zu verschliessen,
grundsätzlicher, die Frage nach der Inanspruchnahme von
wäre das meiner Meinung nach ein ideologischer Irrweg.
Ressourcen in Relation zu anderen.
Denn das würde bedeuten, dass man die Architektur von ei-
Diese Gedanken sind heute im Bewusstsein der Menschen
nem einzigen Standpunkt aus, dem der Energieeffizienz, be-
stark verankert; daher ist es nicht verwunderlich, dass die
trachtet; aber letztlich haben alle Fragen, also auch die tech-
Ökologie in einer breiten Schicht der Bevölkerung einen zwei-
nischen, kulturelle und soziale Komponenten, sie betreffen
fellos diffusen, aber hohen Stellenwert besitzt – solange nicht
Konventionen, Gebrauchswert, Erfahrung, und so weiter. All
der Konflikt mit dem Konkreten, dem Persönlichen allzu ve-
diese Aspekte ausser Acht zu lassen, halte ich für kurzsich-
hement wird. Mein eigener Zugang zu diesen Fragen ist sehr
tig.
einfach und direkt: einerseits, weil sie meine Auffassung von Architektur bestimmen und andererseits, weil sie meine Ju-
Ein weiterer Grund für die Skepsis gegenüber ökolo-
gend geprägt haben.
gischen Anliegen könnte auch darin liegen, dass einige ihrer Verfechter betont erzieherisch, fast missiona-
Zum Konflikt mit dem Konkreten und Persönlichen: Wie könnte die Akzeptanz neuer Bautechnologien, die zur Schonung der Ressourcen beitragen, bei den Benutzerinnen und Benutzern erhöht werden?
risch auftreten. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass das Bauen zur Glaubensfrage erklärt wird.
Ich glaube, dass das eigentlich vorbei ist. Eine gewisse Zeit lang, in den Achtziger- und Neunzigerjahren, war das viel-
Die Akzeptanz ist bereits hoch – jedenfalls in den Bereichen,
leicht wirklich so. Jede neue Disziplin beinhaltet eine grosse
wo die neuen Technologien auch angewendet werden. Eine
Faszination, weil sie etwas Neues verspricht, und das war bei
Studie des ETH-Wohnforums untersucht die Akzeptanz von
der Ökologie auch nicht anders. Mittlerweile zeichnet sich
kontrollierten Lüftungsanlagen in Passivhäusern: Über 80
aber ein gesicherter Erkenntnisstand in diesen Fragen ab.
Prozent der in Passivhäusern Lebenden betrachten es bei ei-
Wir müssen heute nicht mehr über Energiebilanzen von Ge-
nem eventuellen Wohnungswechsel als ganz wesentliches
bäuden philosophieren, wie wir das in den Achtzigerjahren
Entscheidungskriterium, dass ihre nächste Wohnung über
noch gemacht haben; es braucht keine langen Diskussionen
eine kontrollierte Lüftungsanlage verfügt. Insofern sehe ich
mehr über Anteile von grauer Energie in Baumaterialien,
da keine allzu grossen Schwierigkeiten. Komplikationen gibt es dagegen oft bei den Leuten, denen
über die Vor- und Nachteile von Südorientierung oder über Wasserhaushalte. Wir verfügen heute über ein viel breiter ab-
die neuen Technologien noch nicht vertraut sind. Hier zeigt
gestütztes und besser gesichertes Wissen, als dies noch vor
sich ein allgemeines Problem: Wenn die Menschen im Be-
zehn, fünfzehn Jahren der Fall war, und das erlaubt uns, mit
reich des Persönlichen mit Unerwartetem konfrontiert wer-
all diesen Fragen wesentlich rationaler umzugehen. Insofern
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Energie und Materie in der postfossilen Epoche Photosynthese und Photovoltaik sind die Energiespender der Zukunft. Biologisch ist die Art
Text: Dirk Althaus Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Epoche. Die kurze Episode der Nutzung fossiler Energieträger läuft in einer Generation aus. Setzen wir die vorhergehende, vorfossile Epo-
Mensch damit vom Konsumenten zum Produzenten geworden. Die Nutzung der neuen Energien
che vom Abzweigen der Menschen aus dem Naturhaushalt durch zwei Evolutionssprünge – Entwicklung der abstrakten
aber setzt ein grundsätzlich neues Verständnis der
Sprache (Information und Antizipation) und Zähmung des
Architektur und der Raumplanung voraus. Ein
Feuers (Umgang mit Energie und Naturwissenschaften) – bis
Modell des Agrarökonomen Johann Heinrich von Thünen kann Anregungen geben: Thünensche
heute mit einem Tag an, so entspricht die fossile Episode höchstens dreissig Sekunden dieses Tages. Diese Sekunden aber haben es in sich. Nie wurde mehr er-
Regionen sind anthropogen gesteuerte Ökofunden, nie ging es uns besser. Die fossile Episode ist die
systeme möglichst nahe der Klimax, dem Idealzustand natürlicher Ökosysteme.
kreativste Zeit der Menschheitsgeschichte. Die scheinbar unerschöpfliche Energiemenge eröffnete unendliche Möglichkeiten, uns das Leben zu erleichtern. Neben vielem Überflüssigen hat sie beispielsweise das Fahrrad als effizienteste und gesündeste Mobilitätshilfe hervorgebracht und die Photovoltaik erfunden, ein dritter Evolutionssprung, ohne den die Zeit danach nicht so gelassen zu sehen wäre. Davon profitiert aber nur ein kleiner Teil der Erdbewohner: die Industriegesellschaft in ihrer arrogant selbst ernannten ersten Welt. Daneben – so ist zu beobachten – sind fast alle Entwicklungsstadien der Menschheitsgeschichte gleichzeitig auf der Erde zu finden. Manch einer kämpft gerade in Kreuzzügen und führt mit technisch modernen Waffen einen aus unserer Sicht geistig veralteten Krieg. Der Rest der Welt, die zweite und dritte, profitieren nicht.
NEUE THÜNENSCHE KREISE 58
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Auf die letzten Sekunden des einen Tags, die unsere Ge-
Klar ist: unsere bisherige Energiegewinnung ist primitiv.
genwart darstellen, folgt der nächste: die postfossile Epoche
Sie hat sich vom Feuermachen nicht entfernt, denn wir ver-
ohne fossile Ressourcen. Diese sind verbraucht. Nach heuti-
brennen alles, was wir finden, um mechanische Energie
gem Stand der Erkenntnis wird diese Epoche bis ans Ende
daraus zu gewinnen. Damit bedienen wir uns der schwäch-
unserer Existenz reichen.
sten der drei Kräfte der Physik, welche die Moleküle zu-
Es gibt zwei Reaktionen auf dieses inzwischen vielen
sammenhält, und beschleunigen den Verfall (Entropie) der
Menschen offenbare Ereignis: eine konservative Haltung und
unbelebten Materie. Der Versuch, Herr der nächst folgenden
eine zukunftsorientierte Haltung.
schwachen Kernkraft zu werden, welche die Atomkerne zu-
Die Konservativen versuchen, den Übergang so weit wie
sammenhält, ist noch nicht abschliessend gelungen. Es ver-
möglich herauszuzögern. Das Motiv liegt nicht allein in der
bleiben gefährliche Reste. Die Nutzung der dritten, starken
Angst vor dem Neuen, in der Bewahrung des Bestands, viel-
Kernkraft, die die Bausteine der Kerne (Quarks + Leptonen)
mehr haben sie noch alte Eisen im bestehenden Feuer, wol-
zusammenhält, ist bisher ein Traum, der im Labor schon an
len ihre Machtstrukturen erhalten und am System verdienen,
ein paar Kernen gelungen sein soll. Diese Energie der Masse
so lange es geht. So vertreten sie das Energiesparen und ver-
ist immens. Jeder von uns beherbergt nach der Formel E =
teuern gleichzeitig zu ihrem Wohl die Energiepreise. Sie zie-
mc in seinem Körper Energie von 7 3 1018 Joule, das sind
hen den Häusern dicke Pelzmäntel an und verteuern das
25,2 Milliarden Megawattstunden (Die BRD hat 2001 «nur»
Bauen, verkleinern den Wohnraum. Sie setzen Lüftungsraten
4,1 Milliarden MWh verbraucht).
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für ihre technische Ausstattung, kleiner als in Schweine-
So lange wir nicht kunstvoller mit Energie umgehen kön-
ställen erlaubt. Die CO2 -Moral macht es möglich, auch, wenn
nen, als Materie zu oxidieren, ist das grosse Angebot aus
viele Klimaforscher darüber lächeln. Die Politik, fachlich in-
dem Universum zu nutzen. In acht Lichtminuten Entfernung
kompetent und angeführt von einer Beraterlobby, hilft. Der
wird die dritte, starke Kernkraft im Reaktor Sonne freigesetzt.
Bürger zahlt zähneknirschend oder ebenfalls moralisch auf-
Auf die Erde fällt 15 000 Mal mehr an energiereicher Strah-
gerüstet, sicher ohne über die wahre Auswirkung seines
lung, als die Menschen brauchten. Allein auf der versiegelten
freistehenden Häusles auf möglichst weitem Feld nachzu-
Fläche der BRD wären jährlich 10 Milliarden Megawattstun-
denken.
den elektrische Leistung per Photovoltaik abrufbar. Noch ent-
Die Konservativen reiten rückwärts sitzend mit Blick nach Achtern ein verhungerndes Pferd, das aus einem sich leerenden Sack immer weniger Hafer kriegt, bis es endlich entkräftet zusammenbricht.
lassen wir diese Energie ungenutzt auf der Nachtseite ins Weltall. Sonnenenergie, Strahlung aus Vorgängen der starken Kernkraft, liefert die Grundversorgung der postfossilen Epo-
Die Zukunftorientierten verzichten schon heute auf die
che. Sie macht Wind, hebt (und reinigt) Wasser, gestattet
Nutzung fossiler Energieträger und suchen nach Wegen, mit
Leben überhaupt. Ein wenig nutzen wir die noch undefinierte
der allzeit gegenwärtigen «vitalen» Energie neue Konzepte
vierte Kraft der Physik: Gravitation, wenn wir das von der
zu finden. Natürlich werden Bauwerke angemessen ge-
Sonne gehobene Wasser im Fluss zum Meer als Energiequelle
dämmt und klug gelüftet, so, wie es der Gesundheit zuträg-
nutzen oder Gezeitenkraftwerke anlegen. Erdwärme, Geo-
lich ist und das Wohlbefinden der Bewohner fördert, aber
thermie, entspringt nuklearen Vorgängen der schwachen
ohne Kult und ohne Übertreibung. Die CO2 -Moral ist kein
Kernkraft im Erdinneren.
Thema mehr, denn vitale Energieträger sind Bestand des na-
Klar ist: Energiegewinnung tritt in der postfossilen Epo-
türlichen Haushalts der Atmosphäre, und es ist mehr vitale
che von unter Tage ans Tageslicht, nicht mehr punktuell zu
Energie da, als benötigt wird. Das sensible Spiel zwischen
gewinnen, sondern aus der Fläche. Vitale Energie ist demo-
Energie und Materie, zwischen Ordnung und Unordnung
kratisch, jeder kann sie haben. Das verträgt keine moderne
unter den Maximen der Natur: Effizienz bei optimaler Ener-
Demokratie, schon gar nicht das ihr innewohnende Wirt-
gienutzung ist Gegenstand zukunftweisender Gestaltung un-
schaftssystem. Der organisatorische Umbruch und die ge-
seres Lebensraums.
sellschaftlichen Veränderungen sind tiefgreifend.
Die Zukunftorientierten reiten vorwärts sitzend mit Blick
Klar ist: wir fallen nicht in die vorfossile Epoche zurück, in
in die Zukunft ein wohlgenährtes Ross der Sonne entgegen,
der (fast) allein Biomasse zur Energieversorgung beitrug,
das ohne Vorratssack seinen Weg begleitend genügend fri-
denn wir haben den Erfindungsvorsprung der fossilen Epi-
sches, vitales Futter findet, so dass es ewig laufen könnte.
sode hinter uns, besonders den Evolutionssprung Fotovoltaik
Energie und Materie
rungskette eingestufte Art zum Primärproduzenten gewor-
Wir erklären die Welt zwar schon ganz gut, wissen aber längst
den, der aus Sonnenstrahlung Edelenergie herstellen kann.
(FV). Damit ist eine biologisch als Konsument in der Nah-
noch nicht alles. So wissen wir nicht, was Energie eigentlich ist, kennen zwar den Zusammenhang zur Materie (in Ein2
steins berühmter Formel E = mc ), nicht aber die Verwand-
1 Der Rückwärtsreiter
Klar ist noch nicht: Wie organisiert sich die neue Welt und ihr Umgang mit Energie und Materie? Wie nutzen wir die Fläche so effizient wie möglich? Wem gehört Fläche und wem die
lung des einen ins andere. Die modernen Erklärungsmodelle
darauf einstrahlende Energie? Gibt es als demokratisch-poli-
der Physiker gehen ins psychedelische und sind zu kompli-
tisches Mandat einen öffentlichen Auftrag zur Sicherung der
ziert und viel zu widersprüchlich, um überzeugen zu können.
Energieversorgung und wie manifestiert sich diese Aufgabe?
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ARCHITEKTUR AKTUELL
Parkspirale mit Ausblick
BJARNE MASTENBROEK: POSBANK PAVILJOEN, RHEDEN, 2002
Ökologische Architektur muss nicht zwangsläufig jenen muffigen Ökotouch ausströmen, der sie vielfach ästhetisch diskreditiert. Dass es anders geht, beweist ein kleines Café-Restaurant mitten im niederländischen Nationalpark Veluwezoom bei Arnhem. Mit fast 1500 Hektar gilt der nordöstlich von Arnhem gelegene Nationalpark Veluwezoom als eines der grössten Landschaftsschutzgebiete der Niederlande. Ausgedehnte Wälder und partiell agrarisch genutzte Bereiche wechseln miteinander ab, vor allem aber prägen Heideflächen das Bild der hügeligen Landschaft, die ihre Form in der Eiszeit erhielt: Der gewaltige Eisschild warf an seinen Rändern Geröll, Kies und Erde auf, und
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archithese 4.2004
1 Gesamtansicht
das abfliessende Schmelzwasser riss Schluchten
2 Situation
in die Moränenlandschaft. Als erster niederlän-
schon allein visuell zwischen Natürlichkeit und
discher Nationalpark wurde der Veluwezoom 1930
Künstlichkeit oszilliert; einem Bauwerk, das zu
gegründet, doch schon zuvor galt die Gegend als
gefallen vermag und doch ironische Distanz zu
3 Ansicht der Ostseite (Fotos: Hubertus Adam)
sondern zu einem zeitgemässen Bauwerk, das
beliebtes Ausflugsziel. Davon zeugt nicht zuletzt
seiner Umgebung bewahrt. Eine pragmatische
die «Posbank», eine 1918 aus Ziegeln gemauerte
Haltung gegenüber der Natur ist charakteristisch
Ausflugsbank auf einer der höchsten Erhebungen
für ein Land, das aufgrund des Fehlens einer ro-
der Region. 107 Meter über dem Meeresspiegel
mantischen Tradition den Wald nicht als Ort spiri-
mögen anderenorts nicht viel sein, für die nieder-
tueller Aufladung und das Meer nicht als Projek-
ländische Provinz Gelderland bedeuten sie eine
tionsfläche der Transzendenz versteht. Gerade
ansehnliche Erhebung. Weit schweift der Blick von
die Ambivalenz von Natürlichem und Künstlichem
der «Posbank» aus nach Süden, hinweg über die
war in der vergangenen Jahren ein wichtiges The-
nahe Grenze bis nach Deutschland.
ma niederländischer Entwerfer. Man mag hierbei an West 8 denken, vor allem aber an die gestapel-
Natürlichkeit und Künstlichkeit
ten Landschaften von MVRDV. Dass der Posbank
1951 eröffnete in einer Senke nahe der Posbank
Paviljoen denn auch etwas an MVRDV erinnert,
ein kleiner Kiosk, der sich über die Jahre sukzes-
verwundert nicht; sein Architekt Bjarne Masten-
sive erweiterte. Vor zwei Jahren schliesslich wur-
broek, früher Mitglied von De Architektengroep
de das Gebäude durch einen Neubau ersetzt,
und heute Prinzipal von Search, entwarf Ende der
der mehr Raum bietet, einen architektonischen
Neunzigerjahre gemeinsam mit dem Team aus
Akzent setzt und überdies – gemäss den Vorga-
Rotterdam das Doppelwohnhaus in Utrecht.
ben der Vereniging Natuurmonumenten, welcher der Nationalpark unterstellt ist – als Paradigma
Energietechnische Optimierung
für ein nachhaltiges und ökologisches Bauen
Das Café-Restaurant besteht aus einer dreifach
gilt.
geknickten, eingeschossigen Struktur, die sich so
Das führte indes nicht zu jener Öko-Architektur,
um einen kleinen baumbestandenen Innenhof em-
bei der Fragen des Geschmacks und der Ästhetik
porwindet, dass das Ende den Eingangsbereich
stets als quantité négligéable abgetan werden,
überlagert: Inspiriert ist die Form des Gebäudes 83
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