archithese 4.12 - Mischung / Mix / Mestizo

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Lassen Sie die Rundungen sprechen.

Mischung / Mix / Mestizo

archithese

4.2012

Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

Mischung – ein Glossar

International thematic review for architecture

Lothar Baumgarten im Museum Folkwang Das Ende des Exotismus Smiljan Radics Mestizo Der Raum als Ort – Fusionen des Afrofuturismus Im Zeitalter der Genveränderung Postdigital Consciousness Iris van Herpen: Hybrid Holism Power, Progress, Petrolheads Who’s afraid of the (Re)Mix? Mary Katrantzou: Räume auf Frauen Remix: Die Entdeckung des Neuen im Alten Sottsas et. al.: Gegen das einheitliche Bild Die Promenadenmischung der Architektur Architektonische Bildregie von Prinz Charles Provinz als Inspiration – Die Oberpfalz the next ENTERprise: Kraft des Kindes OMA Milstein Hall der Cornell University, Ithaca SO – IL Kukje Gallery, Seoul

Moderne Formen im kurvigen Design

Mischung / Mix / Mestizo

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EDITORIAL

Mischung – Ein Heft für den Sommer Für das vorliegende Heft gab es viele Quellen der Inspiration – und dennoch ist es in seinem Ergebnis eine Überraschung. Auslöser für die Planung des Themas war die Beobachtung einer fortschreitenden Homogenisierung in der Architektur, insbesondere im Wesen einzelner Projekte. Damit folgte die Entwicklung einer von Greg Lynn formulierten Vision, dass nach den Zeiten von «complexity and contradiction», von Postmoderne und Dekonstruktivismus eine Phase einsetzen könnte, die geschmeidiger, integraler ist, die biegsam (pliant) ist statt zu brechen.1 Das war natürlich sehr beeinflusst von Gilles Deleuze und seinen Gedanken zur Falte (Le Pli). Greg Lynn wurde insbesondere von den Computer-affinen Architekten studiert, und er ist noch heute Teil dieser Szene. Seine Analysen jedoch – hier verhält es sich möglicherweise wie bei Marx – sind auch auf rationale und minimale Denkrichtungen anzuwenden. Denn selbst in den konservativen und gemässigten Strömungen stellt man eine zunehmend monothematische Herangehensweise fest, wobei sich in manchen Fällen verschiedene Konzepte lose gruppieren, dabei aber selten überlagern. Greg Lynn sprach nicht von der Einheitlichkeit; er propagierte Unterschiede und unabhängige Elemente in einem viskosen, zusammengehörigen Gesamtsystem «wie Teigschichten» und Rosinenstücke beim Unterheben. 2 Der Rückblick in die Traditionsanalogie der Hausarbeit – er findet seine grössere Realität in der offenen Struktur unserer heutigen vernetzten Welt, die rührt, mixt, tauscht, kaum kontrollierbar, unablässlich, schlaflos über den gesamten Globus verteilt. Ein Zustand, vor dem sich weder die Gesellschaft noch die Wirtschaft noch die Architektur verschliessen kann; er ist bereits da, wie die Smartphones in der Hosentasche. Unabhängig von der Weltanalyse kann die Redaktion ein Plädoyer für das Mischen nicht verheimlichen. Die Welt entstand aus Mischung, sie entwickelt sich weiter durch Mischung, Ideen entstehen im Kopf aus der Mischung von Erfahrung, Wissen, Eindrücken; Menschen entstehen aus Mischung, und die Architektur wie auch die Stadt sind in ihrem gebauten Zustand ebenfalls selten Werke ohne Mischung. Für die Mischung benötigt es das eine wie das andere – den Mainstream wie das Besondere (Vanilleeis wie Erdbeeren), das Naheliegende wie das Absurde, das Bekannte wie das Unbekannte. Beim Mix ist beinahe alles erlaubt. Trotz Plädoyer und kulinarischen Metaphern: Tatsächliche Rezepte sind nicht zu erwarten. Dafür ein Heft voller Freude, voller Energie, ein Heft der Architektur für Reichtum und Offenheit – damit das Neue entstehen kann. Die Redaktion hatte Spass, und Spass wünschen wir unseren Lesern. Die Redaktion

P. S. Einige der Ideen des Heftes entstanden in der Sonne vor der Redaktion auf und an den Möbelklassikern von Max Ernst Haefeli. Wir danken dem Hersteller Embru.

1

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Greg Lynn, «The Folded, The Pliant and the Supple», in: Folds, Bodies & Blobs – Collected Essays, Brüssel 2004, S.109–134. Ebd.

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Tanja Kalt, «Öl – Ober fläche und Licht», in: Ulrich Bachmann, Farbe und Licht. Materialien zur Farb-LichtLehre, Sulgen 2011, S. 109.



ARCHITEKTUR AKTUELL

Ein unvern端nftiges Ganzes

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1 Aussenansicht des Nordflügels (Foto: Iwan Baan)

DIE MILSTEIN HALL DER CORNELL UNIVERSIT Y VON OMA

Milstein Hall ist mehr als ein Neubau; sie ist zugleich eine Reise zurück zu den akademischen Wurzeln von Rem Koolhaas, der als Student in Cornell seine Forschung an Delirious New York begann. Für OMA handelt es sich um den zweiten Campus-Eingriff in den USA. Zehn Jahre nach der Intervention inmitten Mies van der Rohes IIT-Campus sind die Aussagen über den Umgang mit historischer Bausubstanz bei Milstein Hall noch pointierter ausgefallen. Autor: André Bideau «Heritage is becoming more and more the dominant metaphor for our lives today.» So liess Rem Koolhaas in seinem Beitrag zur Architekturbiennale 2010 vernehmen, um gleichzeitig mit Fragen wie «Should China save Venice?» zu provozieren. Cronocaos, die nach Venedig auch in New York gezeigte Ausstellung, führte im Grunde genommen den Junkspace-Diskurs fort. In diesem Essay von 2001 hatte Koolhaas das Verhältnis zwischen Architekturproduktion und einer zum reinen ökonomischen Reflex verkommenen Identitäts- und Urbanitätspolitik beschrieben. Das daraus entstehende inhaltliche Defizit mündet in eine bereits 1994 in The Generic City reflektierte Geschichtshörigkeit, durch die jegliches Verständnis von Kontextualität und Authentizität desavouiert werde. Der im Cronocaos-Essay aufgegriffene HeritageKomplex ist mit einer besonders im angelsächsischen Raum ausgeprägten Dynamik verknüpft, orientiert sich dort die urban governance doch von jeher an der Privatwirtschaft. So bildet auch die Auseinandersetzung mit Publikumsbedürfnissen und – vor allem in den USA – die Verwischung von marktstrategischen Überlegungen und Identitätspolitik im Städtebau eine Prämisse, die etwa im Erfolg des New Urbanism zutage trat. Diese postmoderne Symbiose bringt der Begriff heritage industry zum Ausdruck, wogegen die im Deutschen gebräuchlichen Bezeichnungen Musealisierung und Festivalisierung die wirtschaftliche Dimension von Identität in Bezug auf die zeitgenössische Stadt nur unzureichend erfassen. Die von Architekten hergestellten Objekte und Bilder speisen heute andere Kreisläufe als zu Beginn der Postmoderne. Als Akteur und Vertreter

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1, 2, 3, 4

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STEIN, BALKEN, TUCH Smiljan Radic: Restaurant Mestizo, Santiago de Chile

Autor: Hubertus Adam

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Die Gemeinde Vitacura befindet sich im Norden des Bal-

Materialien, die deutlich sichtbaren handwerklichen Ferti-

lungsraums von Santiago de Chile. Entlang dem Rio Mapocho

gungsspuren und die offenkundig überdimensionierte Kon-

ist hier nach Entwürfen von Teodoro Fernández zwischen

struktion stehen in bewusstem Kontrast zu Tendenzen der

2005 und 2007 der Parque Las Américas entstanden, der von

Immaterialisierung, welche für die Stahl-Glas-Architektur

einer Stadtautobahn und der Bicentenario Avenue begrenzt

der Moderne in der Nachfolge Mies van der Rohes bestim-

wird. An der Nordostecke konnte Smiljan Radic das Restau-

mend wurden.

rant Mestizo realisieren, bei dem zunächst an eine temporär

Der Kontrast zwischen den hellen, nachts magisch illumi-

und ephemer wirkende Konstruktion gedacht war. Als die-

nierten Findlingen, die wie Teile des Parks gleichsam ins

ser Gedanke der Gemeinde missfiel, änderte Radic sein Kon-

Innere des Gebäudes gewandert sind, und der dunklen

zept radikal. In Zusammenarbeit mit der Künstlerin Marcela

Tragstruktur macht den eigentlichen Reiz des Gebäudes

Correa entstand zwar eine erneut pavillonähnliche Struktur,

aus. Als Referenz hat Radic selbst auf die Karyatiden verwie-

die aber mit dezidiert harten Materialien umgesetzt wurde.

sen, welche das Vordach von Lubetkins Highpoint II (1938)

Ein irritierendes, fast surrealistisch inszeniertes Element

in London tragen. Die Kopien der Erechtheion-Karyatiden,

bilden die unregelmässig platzierten und sieben bis elf Ton-

die fast wie eine Antizipation postmoderner Strategien wir-

nen schweren Findlinge aus Granit, auf denen die Primär-

ken, hatte Lubetkin seinerzeit gewählt, weil sie nicht als

struktur des Restaurantbereichs ruht. Diese besteht aus ei-

tragende Elemente erscheinen, sondern sich als (Garten-)

nem sich in verschiedenen Winkeln verschneidenden System

Statuen visuell mit dem umgebenden Park verzahnen soll-

aus schmalen, schwarz gestrichenen Stahlbetonträgern mit

ten. Eine weitere Inspiration waren die Pavillonbauten von

hochrechteckigem Querschnitt. Das eigentliche, über der

Sverre Fehn, insbesondere der Nordische Pavillon für die

Terrasse weit auskragende Dach ist aus parallelen Stahlträ-

Biennale in Venedig (1958–1962); man kann aber auch an

gern gebildet, zwischen denen Glasplatten eingelassen

Richard Neutras Versuche denken, die physische Grenze des

sind. Auf Rohren aufgewickelte Tuchstoren dienen im Inne-

Hauses aufzulösen. Das Perkins House in Pasadena (1955)

ren als Sonnenschutz, während die Terrasse mit einem

steht paradigmatisch für die Entgrenzung des Hauses nach

Sonnenschutzsegel verschattet ist. Die robuste Rauheit der

aussen – und die Integration der Landschaft.


1 Perkins House, Richard Neutra, 1955, Pasadena, Kalifornien (aus: Barbara Lamprecht, Peter Gössel, Neutra. Complete Works, Köln 2000) 2 Highpoint, Tecton, 1935, Highgate, London (Foto: © Julian Osley) 3 Norwegischer Pavillon, Sverre Fehn, 1958–1962, Venedig (Foto: © Seier & Seier)

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4 Das Mestizo Restaurant im Parque Las Américas (Fotos 4–8: Gonzalo Puga) 5 Eine der Stützen im Bauprozess 6 Modellstudie zum zweiten Projekt 7 Aussenansicht 8 Gastbereich

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DER RAUM ALS ORT Fusionen des Afrofuturismus Die Idee der «Fusion» gehört zur kulturell erfolgreichsten seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts. So verwendet die Wirtschaft den Begriff seit wenigen Jahrzehnten für den Zusammenschluss beziehungsweise die Verschmelzung von zwei oder mehreren Firmen zu einem einzigen grossen Unternehmen. Auch konnte sich seit den Achtzigerjahren die Fusion Cuisine, hervorgegangen aus der California Cuisine, zur international beliebtesten Küche im Zeitalter der Globalisierung etablieren. Last but not least ist von der Fusion-Musik zu sprechen. Dieser Musikstil bildete sich ab Mitte der Sechzigerjahre aus und konnte in den Siebzigern seine grössten künstlerischen und ökonomischen Triumphe feiern. Es war vor allem eine Unterströmung der Fusion-Musik, die brisante Verbindungen zwischen Kunst, Technologie, Wissenschaft und politischer Emanzipation zu knüpfen verstand: der Afrofuturismus. Er katapultierte eine afrikanisch inspirierte Ikonografie aus dem Archaischen ins Zeitalter der Raumfahrt – und ganz nebenbei kommentierte er auf originelle wie produktive Art und Weise die Segregationsprozesse in der amerikanischen Gesellschaft und Stadt des 20. Jahrhunderts.

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Autor: Stephan Trüby

Thesen interpretiert von Däniken die verschiedensten kultu-

Von Mark Dery 1993 in seinem Essay «Black to the Future»

rellen Artefakte als Beweise für ausserirdischen Tourismus.

erstmals geprägt, meint der Begriff «Afrofuturismus» eine

Das ist natürlich alles leicht zu behaupten und ebenso

vor allem in den USA verbreitete und mehr oder weniger

schwer zu beweisen wie zu widerlegen, fiel aber insbe-

ernsthaft vertretene Auffassung, wonach das schwarze

sondere im schwarzen Amerika auf fruchtbaren Boden. Die

Amerika eigentlich ausserirdischer Herkunft sei. Schwarze

traditionelle Zukunftsmüdigkeit der afroamerikanischen

US-Amerikaner entstammen dieser Lesart nach nicht Skla-

Literatur, die sich gerade auch in einer Distanz zum Science-

venschiffen, sondern Raumschiffen und UFO-Landungen.

Fiction-Genre äusserte, konnte nunmehr janushaft ins

Der Afrofuturismus ist das kulturelle Produkt einer Exklusi-

gleichzeitig Historische wie Futuristische gewendet wer-

onserfahrung: Zwar hat sich die politische Situation der

den. Die Gedächtnisträger der «diasporischen Urszene»1, der

Schwarzen in den USA durch Lyndon B. Johnsons Civil

Entführung aus Afrika, entflohen mithilfe der Prä-Astronau-

Rights Act von 1964 spürbar verbessert – die Rassentren-

tik dem gesellschaftlichen Jammertal und begannen als

nung in öffentlichen Einrichtungen wie Restaurants, Kinos,

zunehmend glamouröse Musiktechniker an der eigenen

Hotels, Sportstadien, Bussen, Sanitäreinrichtungen etc. war

Zukunftsvergangenheit zu schrauben.

1 Miles Davis: Bitches Brew (1970); Cover Art von Mati Klarwein 2 Herbie Hancock: Crossings (1972); Cover Art von Robert Springett 3 Herbie Hancock: Sextant (1973); Cover Art von Robert Springett 4 Herbie Hancock: Thrust (1974); Cover Art von Robert Springett

damit für illegal erklärt worden. Dennoch blieben faktisch viele Diskriminierungsroutinen erhalten, teilweise bis heute.

Der Afrofuturismus und seine Bildpolitik

Gerade die fünf bemannten Mondlandungsprogramme, die

Die technologische Aufrüstung der afrodiasporischen Bild-

spätestens mit Neil Armstrongs «riesigem Sprung für die

tradition wurde, bevor sie im relativen Mainstream der

Menschheit» am 21. Juli 1969 ins Nervenleben der Weltbe-

Funk- und Disco-Musik der Siebzigerjahre ankommen sollte,

völkerung traten, machten deutlich, dass die ostentative

insbesondere auf den Covern von Fusion-Platten vorbereitet.

Überlegenheit der USA mit den perfidesten Spielarten eines

Vor allem Miles Davis (1926–1991) und Herbie Hancock (geb.

White-Supremacy-Rassismus kompatibel ist: Die militä-

1940) sind hier zu erwähnen, ebenso deren «Hauskünstler»

risch-technologische Hegemonie der Vereinigten Staaten ist

Mati Klarwein und Robert Springett. Allesamt synchroni-

eine «weiss» codierte; unter den zwölf Menschen, die bis

sierten sie, Kodwo Eshun zufolge, Vergangenheit, Gegen-

1972 den Mond betraten, war kein einziger Schwarzer.

wart und Zukunft. Betrachtet man Klarweins Cover für

Während ein Teil der Menschheit feierte und sich ob des

Miles Davis’ Album Bitches Brew (1970), so wird der Aus-

Errungenen der eigenen Grösse vergewisserte, verhagelten

gangspunkt deutlich: Die Optik des gerne als «Initialzün-

spekulativere, um nicht zu sagen: alternativ-wissenschaftli-

dung» der Fusion-Musik bezeichneten Albums ist noch ganz

che Töne die Gesamtstimmung. Der Schweizer Schriftsteller

technikfrei – und wird von den Spätsurrealismen paradiesi-

Erich von Däniken und andere Prä-Astronautiker kränkten

scher Paare am Meer, afrikanischer Stammeskleidung, flam-

den terrestrischen Narzissmus, indem sie bestritten, dass

menden Blüten, Himmelsschlieren und Tag-Nacht-Gleichen

die Poiesis auf Erden stets dem Humanum zu verdanken sei.

bestimmt. Einzig ein Kosmos voller Sterne weist die Rich-

Ausserirdische, so führte von Däniken in seinem 1968 er-

tung auf Zukünftiges. Auch Robert Springetts Cover für Her-

schienenen Weltbestseller Erinnerungen an die Zukunft

bie Hancocks Alben Crossings (1972) und Sextant (1973) wer-

(engl. Titel: Chariots of the Gods) aus, hätten vor langer Zeit

den noch dominiert von archaisch anmutenden Menschen

die Erde besucht und dadurch die kulturelle Evolution der

mit Holzbooten oder tanzenden Kriegern zwischen Stufen-

Menschheit in andere Bahnen gelenkt. Ihrer technischen

pyramide und frei flottierendem Amulett. Die Musik dieser

Überlegenheit wegen seien diese Besucher aus dem All

Alben, die durchweg radikal und experimentell ist, ein weit-

für Götter gehalten worden. Vor dem Hintergrund dieser

gehend elektrifiziertes Instrumentarium an neuartige Ef-

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REMIX_ Die Entdeckung des Neuen im Alten Die Wahrnehmung der sichtbaren Erscheinung der Welt gilt heutzutage als vollst채ndig; die Erkundungen bohren in die Tiefen vorhandenen Wissens. Damit geht ein stetiger Umbau unseres Verst채ndnisses vom Vorhandenen einher, der sich in der 채sthetischen und architektonischen Evolution ebenfalls niederschl채gt.

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Autor: Michael Hirschbichler

ungenau umrissenen Schwebezustand, in dem er sich für

Die Karte der Welt ist gezeichnet. Die Möglichkeit, neue

den Eintritt in eine neue Konfiguration frei hält. REKOMBI-

Welten aus dem Nichts zu erschaffen, schwindet mit rasan-

NATION Durch die Anwendung einer Reihe von Operatio-

tem Tempo. Stile und Bewegungen formieren sich, verblas-

nen werden Kombinationen ausgewählter Fragmente entwi-

sen und gehen vobei, um bald darauf wiedererweckt zu wer-

ckelt. Neue Beziehungen und Sinnzusammenhänge eröffnen

den – während andere Inkarnationen, im Verborgenen

sich, neue Bedeutungen und Qualitäten treten zutage. Frü-

ruhend, unterdessen an die Oberfläche des kulturellen Be-

here Kodierungen und Bedeutungsumfänge lösen sich, ver-

wusstseins drängen. Es stellt sich die Frage, wie angesichts

lieren ihre Verbindlichkeit, treten in den Hintergrund und

der Omnipräsenz des Bestehenden, bereits Erfundenen und

werden durch neue Inhalte überlagert. Die Kombination

Entdeckten noch produktive und auf künftige Entdeckungen

unterschiedlicher Fragmente fügt sich zu einer neuen Kon-

gerichtete Bestrebungen möglich sind? REMIX Die Techni-

stellation, wobei sich durch ein Zusammenspiel von domi-

ken von Mix und Remix, die aus der Musik stammen und in

nanten und ausfüllenden Elementen Bedeutungshierarchien

die verschiedensten Disziplinen Eingang finden, können auf

herausbilden. AMALGAMIERUNG Aufgrund der mannig-

einer höheren Ebene als organisatorische Metastrategie zur

faltigen Ursprünge der Fragmente besitzen Remix-Schöp-

Kulturproduktion eingesetzt werden. Der Begriff Mix be-

fungen verschiedene Grade an Stabilität oder Instabilität,

schreibt eine Operation, bei der eine Reihe von Fragmenten

Kohärenz oder Inkohärenz, Zusammenklang oder Spannung.

zu einer neuen Komposition zusammengeführt wird. Remix

Je nach Art und Weise ihrer Dekontextualisierung und Re-

bezieht sich auf eine alternative, veränderte Version eines

kombination sind einige stabiler als andere, abhängig von

ursprünglichen Gebildes. Sowohl Mix als auch Remix sind

der Stärke der sie zusammenbindenden Wechselbeziehun-

strukturelle Operationen, die dazu dienen, bestehendes Ma-

gen. Die Verschmelzung zu einer kohärenten Sinneinheit

terial neu zu ordnen. Ihr Ziel besteht nicht darin zu erfinden,

(Amalgamierung) ist ein abschliessendes Verfahren, das die

sondern umzubilden und neu zu interpretieren, um auf diese

Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten neu zusammen-

Weise Teile eines bestehenden kulturellen Universums in

geführter Fragmente stärkt. Ziel hierbei ist, robuste neue

neue Zustände zu überführen.

Entitäten zu entwickeln, die über eine blosse Anhäufung

PROZESS Das Ergebnis des Remix ist ein neues Arrange-

separater Teile hinausgehen. TERRA COGNITA Dem Remix

ment, eine Transformation des Bestehenden. Es werden

liegt die schmerzliche Akzeptanz eines bereits bestehenden

nicht von Grund auf neue Gebilde geschaffen, sondern neue

willentlich gestalteten Territoriums zugrunde, das auf den

Instanzen einer existierenden Anordnung durch die Strate-

ersten Blick keine abenteuerlichen Entdeckungen mehr

gie des Remix zutage gefördert. Das Unbekannte und Neue

zulässt. Die einst mysteriösen unbekannten Kontinente

entfaltet sich in den Transformationen und Permutationen

wurden entdeckt, klassifiziert und in unser weltumspan-

des Bekannten. Der hierzu notwendige Prozess setzt sich

nendes geografisches System eingeordnet. Unzählige For-

aus drei grundlegenden Schritten zusammen:

schungsreisen in eine Terra incognita haben im Laufe der

DEKONTEXTUALISIERUNG In einem ersten Schritt muss

Zeit eine Welt des Bekannten geschaffen, wodurch jede Not-

eine Fragmentierung eines gegebenen Realitätsausschnit-

wendigkeit zu deren Weiterführung hinfällig wurde. Wir

tes oder einer Reihe bislang intakter Gebilde vorgenommen

sehen uns daher mit dem Problem konfrontiert, dass wir,

werden. Das Material des Remix wird aus seinem natürli-

sofern wir an Entdeckungen und Forschungsbestrebungen

chen Kontext herausgelöst. Dadurch werden bestimmte Zu-

festhalten wollen, einem schon kartografierten Territorium

sammenhänge und Beziehungsgefüge durchtrennt und ver-

gegenüberstehen. Unsere Expeditionen müssen sich fortan

schiedene Bedeutungen und Konnotationen ausser Kraft

innerhalb einer Terra cognita bewegen. REPETITION In

gesetzt. Ein ursprünglich abgeschlossener Sinnzusammen-

einer Welt des Bekannten folgen Ideologien, Stile und Bewe-

hang gerät zu einem Fragment und existiert fortan in einem

gungen in den verschiedenen Bereichen der Kulturproduk-

Atelier Michael Hirschbichler: Theatrum Orbis Terrarum (© Atelier Michael Hirschbichler)

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KÖNIGLICHER PASTICHE Die architektonische Bildregie von Prinz Charles Stets im Schatten der anerkannten Architekturdiskussion hat Prinz Charles mit der Prince’s Foundation ein Vehikel etabliert, welches mittlerweile selbst in China pittoreske Mischungen aus gestern und heute entstehen lässt und in diesem Kontext die europäische Kritik hinter sich lässt.

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1 Bildvergleich der Skyline von London (in: Charles Jencks, The Prince, The Architects and the new wave monarchy, London 1988, S. 1)

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Autor: Florian Dreher

sein schärfster Kontrahent, der Londoner Architekt Lord

Als der Prince of Wales im Mai 1984 erstmals in der Höhle des

Richard Rogers of Riverside, den Monarchen an seine stille

Löwen, im Royal Institute of British Architects RIBA, seine

Funktion ausserhalb des politischen Systems erinnerte.

legendäre Rede zur Lage der Baukultur1 hielt, avancierte er

Mit welch königlichem Potentat ist aber der Prinz ausge-

mit seiner Schelte an die bauende Zunft über Nacht zum

stattet, dass sogar das deutsche Feuilleton 2 sich nach der

ersten Kritiker des Commonwealth. In unregelmässigen Ab-

Wiedereinführung der Monarchie sehnt? Ruft die Polis nach

ständen tritt der Monarch seither an die Öffentlichkeit und

dem Prinzen?

nimmt zu innerstädtischen Grossprojekten in London Stel-

Nach Kantorowicz’ Zwei-Körper-Theorie des Königs3, in

lung. Dabei kritisiert er mit Freude stets die gleichen Par-

der Vereinigung eines weltlichen vergänglichen Leibes und

teien, die Hightech-Architekten und einige Vertreter der

das eines Ewigen der Krone, lässt sich heute im Zeitalter der

Postmoderne, die in seinen Augen für den von ihm diagnos-

Medien ein Kaleidoskop unbegrenzter Körperformationen

tizierten ästhetischen Verfall der Stadt verantwortlich sind.

hinzufügen beziehungsweise feststellen. Es gesellen sich

Investoren, deren Beitrag zur Baukultur häufig zweifelhaft

neben dem politischen Körper die medialen Inszenierungen,

ist, werden dabei gerne aussen vor gelassen. Die Anzahl

die des Familienvaters, des Künstlers und Designers, des

seiner bisherigen Reden zur Architektur hält sich auffallend

Ökobauers und Umweltschützers bis zum «einfachen Mann»

gering, aber ihre mediale Durchschlagskraft beweist den ge-

hinzu – was in den unterschiedlichen Reden und auch im

genteiligen Erfolg. Als Thronanwärter und öffentliche Person

Sprachgebrauch des Monarchen zum Tragen kommt. So

ist er sich seiner Wirkung und der Bedeutung seiner Worte in

zeigt sich des Prinzen Wortwahl in diversen Ausprägungen,

der Presse – vom Boulevardblatt bis zum Fachmagazin –

zwischen provokativ, volksnah, naiv bis zu kindlichem Witz.

äusserst bewusst. Das Rollenverständnis des Prinzen ist

Inwieweit ist es unter diesem Gesichtspunkt des königli-

zwiespältig. Nach Verfassung der konstitutionellen Monar-

chen Rollenspiels noch denkbar, von Authentizität des Indi-

chie liegt den Mitgliedern des königlichen Hauses eine ak-

viduums zu sprechen, wenn der Darsteller in der medialen

tive Beteiligung in der Politik fern. Dies führte mehrmals

Verkörperung mehrerer Figuren, sein «wahres Selbst zu

dazu, dass nach hitzigen Debatten mit dem Prince of Wales

sein» beansprucht?4 Ist diese Janusköpfigkeit auch ein Indiz


für die Architekturauffassung seiner Majestät? Wie verhält

sich in Pugins Bestrebungen Parallelen zu Prinz Charles?

es sich mit den baulichen und gesellschaftlichen Leitbildern

Versucht der Monarch gleichzeitig als angehendes Ober-

des Monarchen?

haupt der Kirche und moralische Autorität, mit seiner Kritik und dem Verlust der Weltordnung durch die Enthierarchisie-

Vision oder Erblindung

rung von St. Paul’s, an eine vergangene Gesellschaftsform 5

In seiner Publikation A Vision for Britain und der gleichna-

anzuknüpfen?

migen Ausstellung stellt der Prince of Wales sein Sehn-

Mit seinen «Ten Principles» (Ort, Hierachie, Massstab,

suchtsbild nach Merry Old England der high-tech-architec-

Harmonie, Umschliessung, Materialität, Dekor, Kunst, Schrift-

ture Cool Britannias gegenüber. Um sein Anliegen zu ver-

züge, Licht und Gemeinschaft) hofft der Prince of Wales die

deutlichen und den gewaltigen Zerstörungsakt durch die

verloren gegangenen Werte einer traditionsorientierten und

moderne Architektur darzustellen, greift er zur simplen Methode der bildlichen Gegenüberstellung eines romantischen Stadtpanoramas (Abb. 1) von Canaletto und einer zeitgenössischen Fotografie derselben Stadtsilhouette, geprägt

2 Illustration aus Pugins Contrast: Vergleich einer «katholischen Stadt» von 1440 mit ihrem Verfallszustand im Jahr 1840 (aus: Gerda Breuer, «Ästhetik der schönen Genügsamkeit oder Arts & Crafts als Lebensform», in: Bauwelt Fundamente 112, Braunschweig/ Wiesbaden 1998, S. 68)

2

durch die Hochhäuser des Finanzsektors der City of London. Bei Canaletto dominiert die gewaltige Kuppel von St. Paul’s das Panorama und strahlt in ihrem Glanze über die ihr zu Füssen liegende Bebauung entlang der Themse hinweg. In der Fotografie hingegen wirkt die steinerne Manifestation der klerikalen Macht in ihrer Bedeutung und Position entrückt – das Kapital übernimmt unübersehbar die klare Vormachtstellung und Deutungshoheit ein. In einem ähnlichen Konflikt agiert der zum Katholizismus konvertierte Baumeister Augustus Welby Pugin, als er in seinem Buch Contrasts von 1836 den Sittenverfall der Gesellschaft und den damit einhergehenden Verlust der mittelalterlichen Stadt durch die um sich greifende Industrialisierung anprangert. Die moralische Erneuerung der Baukunst erfolgt für Pugin aus dem katholischen Glauben und ist fest an eine idealisierte Gotik-Rezeption (Gothic Revival) gebunden. Seine Gesellschaftskritik in Verbindung mit einem klaren Baustilbekenntnis, einem religiösen Heilsversprechen und einem glaubensfesten Patriotismus wandelt das vorherrschende romantische Mittelalter-Bild auf eine sozialethische Ebene. Mit ihr als ideale Gesellschaftsform und der Gotik als historischem Stil des Nordens, stemmt sich Pugins codierte Version eines englischen Regionalstils gegen eine fremdartige klassische Villenarchitektur des Südens. Zeigen

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