Rekonstruktion & Adaption
WBG AG
archithese
5.2009
Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur
Marketing mit Moderne
International thematic review for architecture
Neue Altstädte: Dresden und Frankfurt am Main 5×5Jetztzeithäuser Römerberg, Frankfurt am Main Geschichtsversessenheit und Geschichtsvergessenheit Besser Bauen als im Mittelalter: Carl Schäfer und der Historismus David Chipperfield: Restaurierung des Neuen Museums, Berlin Zwischen Polemik und Relevanz: 25 Jahre Prinz Charles FAT: Kunstschule SintLucas in Boxtel Traditionelle Architektur in den Niederlanden Russland und die Rekonstruktion: Stil einer neuen Identität Christian Kerez: Schulhaus Leutschenbach, Zürich UNStudio: MUMUTH – Haus für Musik
Kauf / Verkauf
und Musiktheater, Graz Bernard Tschumi: Neues Akropolismuseum, Athen
Realisation
Wettbewerb: Neues Thermalbad in Baden
archithese 5.2009 September /Oktober Preis: 28 CHF/18 Euro
Allreal-Gruppe: Zürich, Basel, Bern, St. Gallen
www.allreal.ch
Immobilien
Projektentwicklung
Rekonstruktion & Adaption
Editorial
Rekonstruktion und Adaption Mehrere Generationen von Architekten haben sich am Dom-Römerberg-Bereich in Frankfurt am Main abgearbeitet. Derzeit sollen mit dem Technischen Rathaus und dem Historischen Museum die Zeugnisse der Siebzigerjahre elimiert werden – zugunsten einer kleinteiligen Bebauung, welche die mittelalterliche Handwerkerstadt beschwört. Rekonstruktion oder Neubau; diese Debatte wurde schon vor dreissig Jahren geführt – und mündete schliesslich in die Realisierung der 1986 fertig gestellten Römerberg-Ostzeile. 1978 hatte sich die Stadtverordnetenversammlung gegen eine bisher vorgesehene moderne Lösung entschieden, im Dom-Römerberg-Wettbewerb von 1980 – aus dem der Kulturkomplex der Schirn hervorging – den Architekten indes noch einmal nahe gelegt, Alternativen zur pseudohistorischen Rekonstruktion zu erarbeiten. Ausser Konkurrenz blieb der Vorschlag von Adolf Natalini und Superstudio, der die sich überlagernden Zeitschichten lesbar gemacht hätte; das Büro aus Florenz thematisierte ebenso den rigiden Raster der Tiefgarage, die inzwischen das Gelände ausfüllte, wie die historische Gassenstruktur der Altstadt. Der Vorschlag sei «eines der schönsten Architekturgedichte, das die jüngste Architekturgeschichte hervorgebracht hat», urteilte seinerzeit Oswald Mathias Ungers. Doch am Ende setzte sich das nach Fotografien nachgebildete historische Bild durch, das Landesdenkmalpfleger Gottfried Kiesow warnend als «Zeitdokument für die Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts einstufte». Allerdings, das ist zu konzedieren, dürften die meisten Touristen, die vor der sonnenbeschienenen Ostzeile ihren Apfelwein trinken, den Unterschied von Original und Fälschung kaum bemerken. Und zu den Touristen gesellen sich Frankfurter. Gerade in Deutschland tobt derzeit der Rekonstrukionswahn – ob in den Innenstädten von Frankfurt oder Dresden, ob in Berlin, Braunschweig, Hannover oder Potsdam, wo die einst stadtbildprägenden Schlossbauten als Fassadenkulissen mit neuer Nutzung zum Wiederaufbau vorgesehen sind. Längst aber erstreckt sich der Wunsch nach dem Wiederauferstehen zerstörter Bauten auch auf Meilensteine der klassischen Moderne, wie die Debatte um das Meisterhaus von Walter Gropius in Dessau belegt. Wer indes einmal den ebenfalls neu errichteten Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe oder den L’Esprit Nouveau-Pavillon von Le Corbusier in Bologna besucht hat, wird vielleicht Wiederherstellungen nicht kategorisch ablehnen können. Die Autorinnen und Autoren fokussieren ein Spektrum, das sich zwischen Rekonstruktion und Adaption erstreckt, auf unterschiedliche Weise. Dabei kommen auch Bauten zur Sprache, die zeigen, wie traditionelle Architekturelemente zitiert werden können – handle es sich um das Beispiel des Historisten Carl Schäfer, die zeitgenössischen Siedlungen des Büros Krier & Kohl oder das Gothic Revival von FAT für eine Kunstschule im niederländischen Boxtel. Redaktion
2 archithese 5.2009
Frankfurt am Main, Dom-RömerbergBereich, Luftbild um 1974
ARc h i t e k t u r Ak t u e l l
Schwebend monumental
Christian Kerez: Schulhaus Leutschen-
zweistufiges Wettbewerbsverfahren für den Neubau
aus den Nachkriegsjahrzehnten in Schwamendingen und fungiert als Zeichen des urbanistischen Auf-
bach, Zürich-Schwamendingen
eines Primar- und Oberschulhauses durchgeführt,
Die Schulanlage Leutschenbach ist das Resul-
das vom Architekturbüro Christian Kerez gewon-
bruchs im Zürcher Norden. Explizite Kontextualität
tat eines Entwurfsprozesses, der von einem
nen wurde. Mit insgesamt 22 Klassenzimmern, einer
wurde in dieser Umgebung nicht gesucht – als So-
additiven Gebäudekonzept zu einer Synthese
Doppelsporthalle, Mediathek, Bibliothek, Multifunk-
litär steht das Bauwerk in einer heterogenen Stadt-
geführt hat, die als Paradigma einer grund-
tionssaal, Mensa, Kindergarten und einer Reihe von
landschaft, wie dies für die Grenze zwischen Stadt
sätzlich neuen Architektur verstanden werden
Werkstätten und Spezialräumen handelt es sich um
und Agglomeration typisch ist. Die starke Resonanz,
kann. Konzeptionelle Zuspitzung generierte
das (nach der Schule Im Birch) zweitgrösste Schul-
die das neue Schulhaus schon während der Pla-
ein Bauwerk, das hochgradige Komplexität mit
haus der Stadt.
formaler Stringenz in Einklang bringt. Schwamendingen und die umliegenden Stadtge
nungsphase in der internationalen Fachöffentlichkeit
Christian Kerez hatte die Jury unter dem Vorsitz
gefunden hat, belegt die emblematische Bedeutung
von Peter Ess mit einem ungewöhnlichen Konzept
der Schulanlage Leutschenbach für die städtebauli-
überzeugen können: Während das umfangreiche
che Entwicklung der Stadt Zürich.
biete zählen zu den wachsenden Quartieren von
Raumprogramm üblicherweise in einzelne Volumina
Doch das Gebäude ist nicht nur ein des Nachts
Zürich und sind besonders bei Familien beliebt.
gegliedert und nebeneinander angeordnet wird, ver-
wie eine grosse Laterne erstrahlendes zeichenhaftes
Neue Wohnsiedlungen prägen insbesondere das
dichtete er es hier zu einem kompakten Baukörper,
Volumen, nicht nur ein revolutionär neu gedachtes
Entwicklungsgebiet Leutschenbach, das – früher
sodass die Freifläche des neu entstehenden, sich
Schulhaus, sondern das hinsichtlich seiner Konzep-
industriell genutzt – im Rahmen einer kooperativen
zwischen Andreasstrasse und Hagenholzstrasse
tion radikalste Gebäude der Schweizer Gegenwarts-
Entwicklungsplanung an der Schnittstelle zwischen
aufspannenden Andreasparks nur in geringem Mas-
architektur.
Schwamendingen und Oerlikon neu entsteht. Mit
se tangiert wird. Die Grünfläche, als Rasenterrain zu-
Ungewöhnlich ist ausser der Stapelung sämtli-
den jüngst hinzugezogenen und künftigen Bewoh-
rückhaltend gestaltet, bildet den Erholungsraum für
cher Räume in einem einzigen Bauwerk schon auf
nern wächst der Bedarf an städtischer Infrastruktur.
das Entwicklungsgebiet Leutschenbach, das nach
den ersten Blick die Anordnung der Funktionsberei-
Das betrifft nicht zuletzt den Schulsektor, zumal auch
Süden hin, jenseits der S-Bahn-Trasse, an das Saat-
che. Die Doppelturnhalle, zumeist ebenerdig oder
die bestehenden, in den vergangenen Jahren zum
lenquartier von Schwamendingen angrenzt.
in den Boden vertieft angelegt, bildet den oberen
Teil erweiterten Schulen im benachbarten Stadtteil
Als dreissig Meter hoch aufragendes Gebäude
Abschluss des Gebäudes. Den stützenfreien, in sei-
Schwamendingen an die Grenzen ihrer Kapazität
korreliert das neue Schulhaus mit den benachbarten
nen Abmessungen vorgegebenen Raum der Sport-
Wohngebäuden ebenso wie mit der markanten Kehr-
halle mit den übrigen Geschossen zu überbauen,
Unter Federführung des Amtes für Hochbau-
richtverbrennungsanlage, setzt einen Gegenakzent
hätte Probleme bei der Lastabtragung erzeugt; daher
ten der Stadt Zürich wurde deshalb 2002 / 2003 ein
zu den kleinteilig strukturierten Wohnbebauungen
entschieden sich Architekt und Tragwerksplaner –
gestossen sind.
14 archithese 5.2009
das Projekt wurde seit der Wettbewerbsphase von
Eingangsebene mit Mensa und Schülerclub wird von
dem Ingenieur Joseph Schwartz begleitet – zu der
dem Block der drei Klassenebenen, das vierte Ober-
umgekehrten Lösung.
1 Innenasicht der Sporthalle (Fotos: Walter Mair)
geschoss mit Multifunktionshalle, Bibliothek und Mediathek von der annähernd gleich proportionierten
Evolution der Struktur
Box der Sporthalle überfangen. Die Stahltragwer-
Der Wettbewerbsentwurf sah eine Kombination von
ke mit ihren charakteristischen, diagonalen Verstre-
Stahlfachwerken in den Unterrichtsgeschossen und
bungen traten aus funktionalen Gründen in der
der Turnhalle sowie Betonwänden in den Zwischen-
Sporthalle vor die Glashaut, und dieses Prinzip wur-
ebenen (Erdgeschoss, viertes Obergeschoss) vor.
de auch für die Klassengeschosse adaptiert.
Dabei arbeiteten Architekt und Ingenieur mit der Addition präfabrizierter Elemente.
Die hybride Stuktur, wie sie der Wettbewerbsentwurf zeigte, wurde somit zugunsten einer reinen
Während der Planung wurde das Konzept – an
Stahlkonstruktion suspendiert, in welche die Boden-
unzähligen Modellen in einem evolutionären Prozess
und Deckenplatten als horizontale und aussteifende
weiterentwickelt – grundlegend geändert. Der Struk-
Flächen einbetoniert sind. So gelang eine Verein-
tur die Beliebigkeit auszutreiben, war Ziel und Resul-
heitlichung: Synthese anstelle von Addition. Tragen
tat dieser Operation. Eine radikale Zuspitzung, wie
und Lasten sind in physische Abhängigkeit gebracht.
sie das realisierte Schulhaus Leutschenbach zeigt,
Gleichzeitig werden räumliche Unterschiede bis zum
ist in der Schweizer Architektur bisher ohne Vergleich.
Äussersten zugespitzt. Einfachheit und Komplexität
Den statischen Kern des Gebäudes bildet das als
fallen in eins.
hinter die Fassaden zurücktretende Fachwerkkonstruktion ausgebildete vierte Obergeschoss, dessen
Neue Organik
Last über sechs Stützen in die Betonbox des Un-
Das Verhältnis von Kern und Hülle, von Tragwerk und
tergeschosses eingeleitet wird. Wie auf einem Tisch
Fassade ist eines der zentralen Themen der jüngeren
steht die Sporthalle auf dem vierten Obergeschoss.
Architekturgeschichte. Die Dialektik von Haut und
Zugleich aber sind die drei Schulgeschosse als Stahl-
Knochen, wie sie in den Stahlskelettbauten eines
gerüstkonstruktion von dieser Ebene abgehängt. So
Mies van der Rohe ihre klassische Formulierung
ergibt sich eine Rhythmisierung und funktionale Dif-
gefunden hat, ist in der Architektur der vergangenen
ferenzierung des Volumens: Die Erdgeschoss- und
Jahrzehnte einem Primat der Fassade gewichen, 15
1
Neue Altstädte Rekonstruktionsversuche in Dresden und Frankfurt am Main In Dresden und Frankfurt ringt man um die adäquate Gestaltung neu errichteter Altstadtquartiere. Während die Befürworter einer weitgehend kompromisslosen Rekonstruktion verlorener historischer Bauten in der Offensive sind, hat die zeitgenössische Architektur dort einen überraschend schweren Stand.
1 Vom Kulturpalast aus gesehen präsentiert sich die wiederaufgebaute Dresdner Frauenkirche heute inmitten ihrer etwa zur Hälfte fertig gestellten alten städtebaulichen Fassung (Fotos 1, 5, 6 + 7: Mathias Remmele)
48 archithese 5.2009
Text: Mathias Remmele
lokal, eine breite Öffentlichkeit. Sie sind vielschichtig, facet-
In Deutschlands Städten grassiert seit einigen Jahren das
tenreich und komplex, erscheinen oft ideologisch aufgeladen
Rekonstruktionsfieber, und ein Ende ist nicht abzusehen.
und werden entsprechend hitzig ausgetragen. Sie betreffen
Am heftigsten wütet das Virus – wenig überraschend – an
das Verständnis von Architektur, ihre Aufgabe und Wertig-
jenen Orten, in denen man sich während der Nachkriegszeit
keit, ihr Verhältnis zu Geschichte und Tradition. Sie berühren
entschieden von den lokalen Traditionen und gewachsenen
die funktionale und vor allem bildliche Vorstellung von Stadt
Strukturen verabschiedete und einen Wiederaufbau betrieb,
und schliesslich auch ökonomische und planungsrechtliche
der sich städtebaulich und architektonisch an den Vorgaben
Fragen.
der internationalen Moderne sowie am Leitbild der autogerechten Stadt orientierte. Während es mancherorts um die
Neumarkt Dresden
(Teil-)Rekonstruktion mehr oder minder bedeutender Einzel-
Beginnen wir mit Dresden. Die Dresdner Altstadt, jenes viel-
bauwerke geht – etwa um Schlossfassaden, wie in Potsdam,
gerühmte Rokoko-Schmuckkästchen, das nicht zuletzt dank
Berlin, Hannover oder Braunschweig – wird in anderen Städ-
Canalettos Stadtansichten im kollektiven Gedächtnis ver-
ten um die Wiedererrichtung ganzer Altstadtquartiere gerun-
ewigt ist, ging bekanntlich in jenem infernalischen Bomben-
gen, so etwa in Dresden und Frankfurt. Um die dortigen, teil-
angriff vom Februar 1945 unter, der Tausende Menschen das
weise bereits realisierten Planungen soll es hier gehen. Die
Leben kostete und unzählige Baudenkmäler in Schutt und
Diskussionen, die damit verbunden sind, spielen sich nicht
Asche legte. Während in den ersten Jahren nach dem Welt-
nur innerhalb der Fachwelt ab, sondern bewegen, zumindest
krieg einige der bedeutendsten Einzelbauwerke der sächsi-
schen Hauptstadt wie Zwinger, Schlosskirche und Sempers Gemäldegalerie wiederhergestellt oder gesichert wurden, blieb das Zentrum der bürgerlichen Altstadt rund um Frauenkirche und Neumarkt nach der Ruinenräumung jahrzehntelang unberührt. Ein gewaltiger, schwarzer Steinhaufen, aus dem kümmerliche Mauerreste ragten, markierte den Standort der Frauenkirche, deren Trümmer das wohl eindrücklichste Anti-Kriegs-Mahnmal der Republik bildeten. Drumherum breitete sich bis vor wenigen Jahren eine öde, als Parkplatz genutzte Stadtbrache aus, die von der Kunstakademie bis zur Randbebauung der Wilsdruffer Strasse reichte. Was in den beiden Jahrzehnten seit der Wende mit dem prominenten Areal geschah, war bereits zu DDR-Zeiten gedanklich und planerisch vorbereitet worden. Schon in den späten Siebzigerjahren entwickelte man Pläne für den Neumarkt, die auf eine Wiederherstellung der alten städtebaulichen Situation abzielten. 1979 begann man, den Wiederaufbau der Frauenkirche zu erwägen, und 1981 berief man sogar eine zunächst folgenlose internationale Entwurfswerkstatt für den Neumarkt ein. Auch das Konzept der sogenannten Leitbauten, das für die weiteren Geschicke des Geländes in der Nachwendezeit so wichtig wurde, entstand schon in den Achtzigerjahren. Es sieht vor, bei einer Neubebauung des Areals eine Reihe von architekturgeschichtlich besonders bedeutenden und entsprechend gut dokumentierten Häusern am ursprünglichen Standort möglichst originalgetreu zu rekonstruieren. Dabei sollten die Leitbauten einerseits – ähnlich wie die Frauenkirche – verlorene Baukunst wieder physisch erlebbar machen und auf die Geschichtlichkeit des Quartiers verweisen, andererseits bestand ihre Funktion darin, für die übrige Bebauung hinsichtlich Kubatur und Grösse einen verbindlichen Massstab zu setzen. Mit anderen Worten, es war eine zeitgenössische Bebauung mit ein paar historischen Reminiszenzen vorgesehen, mit deren Hilfe man dem besonderen Charakter des Areals im Zentrum der Stadt zu entsprechen hoffte. Ein kurz nach der Wende veranstalteter Workshop zur Dresdner Stadtentwicklung, bei dem Fachleute aus Ost und West zusammenkamen, bestätigte die bereits vorhandenen Überlegungen zum Neumarktgebiet. Der Beschluss zum Wiederaufbau der Frauenkirche, der zwischen 1994 und 2005 umgesetzt wurde, hat die Planungen für das Areal zusätzlich beflügelt, das bald zu einem Brennpunkt der Stadtentwick-
Bereits einer der ersten realisierten Leitbauten, das Cosel-
lung wurde. 1995 / 1996 verabschiedete die Stadt eine Gestal-
Palais, provozierte Kritik, weil sie dem Vorbild nicht genü-
tungssatzung, in der die Wiederherstellung des historischen
gend folgte. Als dann der gleiche Investor gleich hinter dem
Stadtgrundrisses und das Konzept der Leitbauten rechtlich
Palais ein dezidiert zeitgenössisches Gebäude errichten
festgeschrieben wurde.
liess, hat das einige selbsternannte Gralshüter des Dresd-
Damit war die Grundlage für eine Neubebauung gelegt, an der sich seither nichts Entscheidendes geändert hat.
ner Architekturerbes derart aufgeschreckt und erbost, dass sie 1999 die Bürgerinitiative Gesellschaft Historischer Neu-
Hoch waren allseits die Erwartungen an den Wiederauf-
markt Dresden gründeten, deren vorrangiges Ziel es ist, das
bau des Neumarktareals. Man erhoffte sich geschichtliche
gesamte Neumarktareal nach historischen Vorlagen in ver-
Identität, herausragende zeitgenössische Architektur, eine
meintlich alter Pracht wiedererstehen zu lassen. Man beruft
breite Nutzungsmischung, funktionale Flexibilität und sozi-
sich dabei auf die Geschichte, die identitätsstiftende Rolle
ale Diversität, kurz, alles, was zum Idealbild eines lebendi-
des Platzes, auf seine herausragende baukünstlerische Qua-
gen, ästhetisch attraktiven Stadtquartiers gehört. Wie immer
lität und nicht zuletzt auf seine Attraktivität für die Touristen.
reiften nicht alle Blütenträume.
Dahinter verbirgt sich ein verklärter Blick auf die Geschichte,
2 Lageplan Neumarkt mit geplanten Baufeldern, Leitbauten und Fassadenrekonstruktionen (Quelle: Stadt Dresden) 3 Das östlich der Frauenkirche gelegene Palais Cosel gehörte zu den ersten nach dem historischen Vorbild rekonstruierten «Leitbauten» (Fotos 3 + 4: Hubertus Adam)
49
Meilenstein der Denkmalpflege Die Restaurierung des Neuen Museums in Berlin durch David Chipperfield Ein besonderes Bauwerk schon zur Zeit seiner Entstehung, ist das Neue Museum heute ein vorbildliches Beispiel einer gelungenen Restaurierung. Die unterschiedlichen Zeit- und Geschichtsspuren bleiben in den Innenräumen sowie an der zum Teil stark zerstörten Fassade des Museums sichtbar. Keine Hochglanzrekonstruktion, wie sie so manchem Geschichtsnostalgiker in Berlin lieber wäre, sondern ein sorgfältiger Umgang mit der erhaltenen Bausubstanz und präzise bauliche Ergänzungen sorgen für einen differenzierten Dialog zwischen Alt und Neu.
Text: Jürgen Tietz Friedrich August Stüler gilt als der bedeutendste Schüler Karl Friedrich Schinkels, und das Neue Museum, das 1843 – 1855 nach dem Entwurf Stülers entstand, als sein Meisterwerk. Ein Bauwerk, das sowohl aus museologischer als auch aus bautechnischer Sicht wegweisend ist. Gleich einem modernen Themenpark bemühte es sich seinerzeit darum, den bildungsbeflissenen Besuchern einen gesamtheitlichen Einblick in vergangene Zeiten zu ermöglichen. Mit seinen stimmungsvollen Dekorationen und Wandgemälden entführte es sie in die fernen Welten der Antike Ägyptens, Roms und Griechenlands. Dabei bot das Neue Museum gleichermassen Raum für die Ägyptische Sammlung, die «Vaterländischen Altertümer» wie auch für die Gipsabgüsse, die im 19. Jahrhundert hoch geschätzt wurden. Als Universalmuseum stellt das Neue Museum daher einen Meilenstein in der Museums-
perfield ein kluges und differenziertes Restaurierungskon-
1
geschichte dar. Seine besondere baugeschichtliche und bau-
zept entgegenzusetzen.
2
technische Bedeutung liegt in der Verwendung der damals neuen, industriell vorgefertigten Eisenträger der Firma Bor-
Restaurierung statt Rekonstruktion
sig sowie der leichten Topfziegel.
Nach den schweren Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg
Wegweisend ist aber auch die aktuelle Restaurierung und
blieb das Neue Museum während der DDR-Zeit annähernd
Ergänzung des Neuen Museums durch das Architekturbüro
ein halbes Jahrhundert lang in ruinösem Zustand – mit gra-
von David Chipperfield. War der angemessene denkmalpfle-
vierenden Folgen für die erhaltenen Reste des Gebäudes, die
gerische Umgang mit diesem hochkarätigen Denkmal alleine
der Witterung ausgesetzt waren und daher immer weiter ver-
schon eine Herausforderung, so wurde die Aufgabe durch
fielen. Noch in den Achtzigerjahren lag dieses Meisterwerk
das von Rekonstruktionsforderungen aufgeheizte Klima der
der Berliner Baukunst des 19. Jahrhunderts in Trümmern.
letzten Jahre in Berlin nicht leichter. Doch ihm wusste Chip-
Nach ersten, noch DDR-zeitlichen Eingriffen in den späten
70 archithese 5.2009
1 November 1943. Die ausgebrannte Treppenhalle kurz nach dem Bomben angriff. Die Gips figuren der Koren halle hatten den Bombenangriff überstanden, waren aber in den folgen den Jahrzehnten ungeschützt der Witterung ausge setzt und wurden dabei restlos zerstört (Foto: Rosa Mai / SMB Zentralarchiv)
2 Treppenhalle nach der Restaurie rung (Foto: Jörg von Bruchhausen)
Achtzigerjahren, die eine Komplettrekonstruktion des Neuen Museums zum Ziel hatten, erhielt schliesslich Chipperfield 1997 nach einem Wettbewerb den Auftrag für eine ergänzende Wiederherstellung des Museums. In Zusammenarbeit mit dem britischen Denkmalpfleger und Architekten Julian
in Einzelteile zerfallen, sondern es musste ein geschlosse-
Harrap hat Chipperfield ein sensibles Restaurierungskon-
ner Raumeindruck gewahrt bleiben, in dem die kostbaren
zept entwickelt. Es geht von einer schrittweisen Konservie-
Exponate ihre Wirkung entfalten können. Schliesslich wird
rung und Grundsicherung des vorhandenen Bestandes aus.
im Neuen Museum ab dem 16. Oktober 2009 zusammen mit
Der Grad der baulichen und restaurierenden Eingriffe in die
der Büste der Nofretete wieder die hochkarätige Ägyptische
Denkmalsubstanz variiert dabei nach dem jeweiligen Erhal-
Sammlung der Staatlichen Museen zu sehen sein. Anstelle
tungszustand beziehungsweise dem Zerstörungszustand
der zunächst veranschlagten 233 Millionen Euro kostete die
des betreffenden Saales. Denn während sich im Niobidensaal
aufwendige Restaurierung der Welterbestätte, die in zehn
nicht nur die Wandgemälde und vergoldeten Bogensehnen-
Jahren Planungs- und Bauzeit verwirklicht wurde, letztlich
träger in grossen Teilen erhalten hatten, standen im him-
rund zweihundert Millionen Euro.
melweit offenen Modernen Saal kaum mehr als die ebenfalls
Zur Umsetzung der Restaurierung war freilich eine ganze
beschädigten Säulen. Daher bildeten sowohl die Geschichte
Armada von Fachleuten und Restauratoren notwendig. Und
des Bauwerks als auch seine etappenweise Zerstörung in der
so reichte die Auseinandersetzung mit dem Bau bis in die
Kriegs- und Nachkriegszeit für Chipperfield gleichermassen
Grundlagenforschung hinein, etwa bei der Erhaltung und Si-
Ankerpunkte bei der Restaurierung. Ganz deutlich vertrat er
cherung der mit Pilz befallenen und stark schadhaften Tapete
dabei die Position: «Man kann nicht so tun, als sei nichts ge-
im Mythologischen Saal.
3 Blick in den Eth nographischen Saal hinter der Treppe (Fotos 3, 5, 6+7: Christian Richters)
schehen und das Gebäude rekonstruieren, ganz so, als wäre es nie beschädigt gewesen.»
Fassade
Chipperfields Konzept erweist sich als eine Gratwande-
Wie bei der gesamten Restaurierung des Neuen Museums
rung. Denn einerseits ging es darum, die originale Bausub-
kennzeichnen auch bei den Fassaden zwei Grundsätze den
stanz einschliesslich ihrer unterschiedlichen Zeit- und Zer-
Umgang mit dem schwer beschädigten Baudenkmal: «Alle
störungsspuren möglichst weitgehend zu bewahren. Ande-
Überlegungen gingen vom Bestand aus», erklärt Martin Rei-
rerseits durften die Museumsräume natürlich nicht optisch
chert vom Büro von David Chipperfield. «Das Ziel war eine 71
1
2
Zwischen Polemik und Relevanz 25 Jahre Prinz Charles und die Architektur Vom Heiligen Krieg für traditionelle Architektur sprechen die einen, von der «Vision of Britain» die anderen. Seit 1984, als Prinz Charles aus Anlass des 150. Geburtstages des Royal Institute of British Architects die Festrede zur architektonischen Lage der britischen Nation hielt, leistet sich der Thronfolger einen wort- und tatenreichen Kampf mit den führenden Köpfen der britischen Architekturszene. Zum Jubiläum hat der Prinz mit einem Brief an den Bauherrn den Entwurf seines Widersachers Richard Rogers für die Chelsea Barracks in London zu Fall gebracht und die alten Grabenkämpfe wiederbelebt. Doch hinter dem polarisierenden Kriegsgeheul steht eine Auseinandersetzung, die in hohem Masse die Entwicklung der englischen Architektur und Stadt themati sierte sowie nachhaltig prägte. Ein Rückblick auf Diskussionen und Resultate. 1 Buchcover, Charles Jencks, The Prince, The Architects and New Wave Monarchy, London 1988. 2 Buchcover, HRH The Prince of Wales: A Vision of Britain – A Personal View of Architecture, London 1989.
76 archithese 5.2009
Text: Hannes Mayer
und bedroht durch die oktroyierte Arroganz und Zerstörungs
Dass den Architekten ein überzeugter Kritiker ihrer Zunft
wut der Architekten in Form des Modernismus, berge den
ins Haus stand, dämmerte den Verantwortlichen schon am
Keim für die Bewahrung alter Bausubstanz, Kleinmassstäb
Tag des 30. Mai 1984, der Rede zum 150. Geburtstag des
lichkeit und die Wiederbelebung der Innenstädte; Fassaden,
Royal Institute of Architecture (RIBA). Des jungen Prinzen
Ornament und natürliche Baumaterialien gäben der Archi
Rede sickerte zu den Tageszeitungen Guardian und The
tektur ein menschliches Antlitz.
Times durch und wurde von dort an die RIBA weitergeleitet.
Hätte es der Prinz bei diesem Aufruf belassen, er hätte
Besorgt um die Würdigung des Abends und des zu ehrenden
wohl trotz des Angriffs auf das Gestaltungsmonopol der
Empfängers der Royal Gold Medal, Charles Correa, wurde
Architekten viele Unterstützer in der Profession gefunden.
versucht, den Prinzen von Wales auf eine besonnenere Wort
Auch sie sahen das immense Problem daniederliegender
wahl umzustimmen – jedoch ohne Erfolg. Vom bevorstehen
Innenstädte und den sozial wie baulich katastrophalen Zu
den Skandal angezogen, erschienen die Medien zahlreich
stand vieler in Billigstbauweise errichteter Council Estates,
und sollten von nun an dafür sorgen, dass die Äusserungen
welche in den Sechziger- und Siebzigerjahren überwiegend
des Prinzen und die Reaktionen darauf zum Volk gelangten.
viktorianische Slumquartiere ersetzt hatten.2 Die Herange
Und in der Tat spielten «die gewöhnlichen Leute» eine wich
hensweise an den Wiederaufbau nach den Kriegsschäden,
tige Rolle in der Rede des Prinzen. Sie wurden zum idealisier
insbesondere in London, und die Betonexperimente der eng
ten Träger einer traditionellen Architektur, einer «Masse»,
lischen Brutalisten schieden, wie in vielen anderen Ländern,
die sich in «natürlicher Vorliebe» für Kleingärten, Höfe, Tor
zumindest die Geister. Doch Prinz Charles ging im letzten
bögen und Erker ausspricht.1 Die Gemeinschaft, zerrissen
Teil seiner Rede von der Anregung zur Attacke auf einzelne
Projekte über. Besorgt um die Skyline der City of London und die Dominanz der Wren’schen St. Paul’s-Kuppel, geisselte er das Vorhaben seines Polo-Teamkollegen Lord Palumbo als gigantischen Glasstumpf – Palumbo hatte westlich der Bank und des Mansion House über Jahre hinweg zahlreiche, zum Teil denkmalgeschützte Gebäude aufgekauft und wollte darauf post mortem einen dem Seagram Building von Mies van der Rohe ähnlichen Büroturm errichten. Ebenso wenig Anklang fand beim Prinzen der Wettbewerbssieger für die Erweiterung der National Gallery am Trafalgar Square. Das Projekt von Ahrends Burton Koralek bezeichnete er zuerst als «Feuerwache samt Sirenenturm» und später als «Karbunkel auf dem Gesicht eines geliebten Freundes»3. Schlimmer als die Schmähbezeichnungen wog jedoch die Tatsache, dass sich beide Projekte zu dieser Zeit in Genehmigungsphasen
strikte Höhenbegrenzungen und gegen die Auslegung und
befanden. Im Falle des Palumbo-Projektes handelte es sich
Willkür fördernden bestehenden Leitlinien aus. Um dem An
gar um den Einspruch zur vorausgegangen Ablehnung, ei
griff der negativen Kritik entgegenzuwirken, präsentierte er
ner wegen des Abbruchvorhabens langwierigen Debatte und
seine Vision für Paternoster: eine funktionsgemischte Be
öffentlichen Konsultation sowie Anhörung von Spezialisten.
bauung im «menschlichen Massstab», aus Stein und Back
«Two decisions I don’t have to make» flüsterte der damalige
stein, mit Ornament und klassischen Zitaten, auf Basis der
Environment Secretary Patrick Jenkin seinem Nachbarn zu.
mittelalterlichen Strassenzüge und die Dominanz von St. Paul
An ihn war der Einspruch gerichtet worden, er hatte zu ur
würdigend.6
teilen.
5
Während die Jury Arups Entwurf zur Weiterbearbeitung
Die dritte Intervention startete Prince Charles mit der
empfahl, unterstützte Prinz Charles einen Gegenentwurf des
Mansion House-Rede im Dezember 1987. Seinen Einfluss
Klassizisten John Simpson, welcher von der für Kampagnen
anerkennend, hatte Stuart Lipton, wie Palumbo ein bedeu
berüchtigten Abendzeitung Evening Standard als Mass
tender Developer, den Prinzen zuvor um eine Beurteilung
nahme gegen die Wettbewerbsbeiträge gesponsert wurde.
3 Poundbury, Dorchester, Dorset: Zweite Phase, Middle Farm Perimeter, 1999 4 Poundbury, Dorchester, Dorset: Erste Phase, Middle Farm Perimeter, 1993 – 1999 Blick entlang der Longmoor Street in Richtung Pummary Square (Foto 4+5: Richard Rogers)
der Wettbewerbsbeiträge für das Paternoster Square Areal an der Nordseite von St. Paul’s gebeten. Der Prinz war ent
Vision of Britain
setzt über die Dichte der Bebauung und rief dazu auf, ange
Die Interventionen und Visionen der ersten vier Jahre bil
sichts der nationalen Bedeutung der Kirche die den Profit
deten die Grundlage für den von Prinz Charles geschriebe
maximierende Nutzfläche zu reduzieren. In einer Kritik der
nen und präsentierten, von der BBC im Oktober 1988 ausge
Planungsrichtlinien sprach er sich daher insbesondere für
strahlten Dokumentarfilm A Vision of Britain. Gleichzeitig 77
Neogotik in der digitalen Ära FAT: Kunstschule SintLucas in Boxtel Die Kunstschule im niederländischen Boxtel, ein eher banales Bauensemble aus den Sechzigerjahren, wurde unlängst erneuert. Der Umbau des Londoner Architekturbüros FAT spielt auf intelligente Weise mit der katholischen Tradition des Ortes und der Architekturgeschichte der Region.
1
Text: Hubertus Adam
verordnete seiner früheren Ausbildungsstätte nicht nur ein
Anfang des 14. Jahrhunderts, so will es die Legende, ver-
revidiertes Ausbildungsprogramm, sondern setzte sich auch
schüttete der Priester der Burgkapelle des Kasteel Stapelen in
für den grundlegenden Umbau der wenig attraktiven Unter-
Boxtel einige Tropfen weissen Messweins auf dem Altar. Wo
richtsräumlichkeiten ein. Und er empfahl der Schulleitung
die Tropfen auf das Altartuch fielen, färbte sich dieses rot –
jenes Architekturbüro aus London, das eine nicht mehr ge-
und liess sich trotz verschiedentlicher Versuche nicht mehr
nutzte Kirche in sein eigenes Studio umgebaut hatte: FAT.
reinigen. Seither ist Boxtel jeweils am ersten Sonntag nach Pfingsten Ziel einer Heilig-Blut-Prozession. Ziemlich genau im Mittelpunkt des Dreiecks Eindhoven –
FAT – das Akronym steht für die Begriffe Fashion, Architecture, Taste – wurde von Sean Griffiths, Charles Holland und Sam Jacob gegründet und ist durch provokative Projekte
's-Hertogenbosch – Tilburg gelegen, ist Boxtel, das der nie-
im Grenzbereich zwischen Kunst und Architektur bekannt
derländischen Provinz Noord-Brabant zugehört, heute eine
geworden, die auch immer die Frage nach dem «richtigen»
Kleinstadt mit 30 000 Einwohnern. Überregionale Bedeutung,
Geschmack stellen (vgl. archithese 5.2004). Einer doktrinären
sieht man einmal vom Wunder des Heiligen Blutes ab, be-
Engführung der Architektur der Gegenwart antwortet FAT
sitzt vor allem die Kunstschule SintLucas. Schülerinnen und
nonchalant mit der Inszenierung dessen, was andere Berufs-
Schüler werden hier in den Bereichen Werbegrafik, Innen-
kollegen gerne unterdrücken, nämlich Kitsch und Trash. Pop
architektur, Schaufenstergestaltung und Restaurierung
und Postmoderne kommen in ihren Arbeiten zusammen, und
ausgebildet. Vor einigen Jahren wünschte sich das seiner-
ohne Zweifel stellt Learning from Las Vegas für das Selbstver-
zeit etwas verstaubt wirkende Institut frischen Wind und
ständnis des Büros eine wichtige Referenz dar. Und, wie sich
lud einen seiner prominentesten Absolventen dazu ein, ein
gerade in Boxtel zeigt, das Werk von James Wines und SITE.
Zukunftskonzept zu entwickeln. Erik Kessels von der re-
Dass sich das Vorgehen von FAT indes nicht nur auf das
nommierten Werbeagentur KesselsKramer aus Amsterdam
Dekor beschränkt, zeigt der Umbau von SintLucas in Boxtel
84 archithese 5.2009
1 Haupteingang (Fotos 1, 2 + 3: Frans Barten) 2 Aussenansicht 3 Seitenflügel
2
3
auf das Deutlichste. Zunächst einmal veränderten die Lon-
räume wurden weitgehend verglast, öffentlichere Zonen sind
doner die Erschliessung grundsätzlich. Der Haupteingang
mit den einstigen Wegflächen verzahnt. Knallige Farben und
der Schule ist jetzt der wichtigsten Strassenachse von Boxtel
Ornamente bilden eine neue Spur im Inneren, welchem die
zugewandt, welche die spätgotische Kirche im Zentrum mit
Muffigkeit vergangener Jahrzehnte überzeugend ausgetrie-
dem Kasteel Stapelen verbindet; zum Ensemble gehört auch
ben worden ist.
das spätklassizistische Gebäude de Witte Paters und ein weiteres Schulgebäude jenseits der Hauptstrasse.
Das sichtbarste Zeichen der erneuerten Kunstschule aber stellen die aus präfabrizierten Betonelementen bestehenden,
Noch einschneidender aber zeigt sich die Intervention im
gotisierenden Wandelemente dar, welche den Schulbau um-
Inneren. Durch gezielte Eingriffe ist die stereotype Abfolge
spielen und die Freiräume gliedern. Die Neogotik hat in Box-
von Korridoren und geschlossenen Unterrichtsräumen zu-
tel ihre Tradition; das von einem Wassergraben umzogene
gunsten eines grosszügigen Raumkontinuums suspendiert,
Kasteel Stapelen, seit 1915 vom Orden der Assumptionisten
dessen Zonen nicht mehr hierarchisiert sind. Die Arbeits-
als Kloster genutzt, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts roman85