Branding
archithese
6.2003
Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur
Architektur ge-brand-markt
Revue thématique d’architecture
Kommerzielle urbane Projekte von Walt Disney Brandscapes – die Stadt als Konsumgut Stadtmarken – postindustrielle Raumproduktion Erlebniswelten der deutschen Autoindustrie Architektur als Marketingstrategie von MPreis Dominique Perrault: Bauten für MPreis im Tirol Herzog & de Meuron: Prada Epicenter Store, Tokio Claudio Silvestrin: Stores für Giorgio Armani Virtuelle Shopping-Räume Christian Kerez Mehrfamilienhaus Zürich Werknetz Architekten Gesamtschule Flims
archithese 6.2003
November/Dezember
Branding
Leserdienst 102
mit Leserdienst 111
EDITORIAL
Branding Der Begriff Branding stammt ursprünglich aus der Viehzucht und beschreibt das Markieren der Tiere mit einem glühenden Eisen. Auf diese Weise gebrandmarkt, konnte das Vieh eindeutig als Besitz eines bestimmten Züchters identifiziert werden. Gleichzeitig fungierte diese im engsten Sinn zu verstehende Marke auch als Gütesiegel. Wie das Wort Marke, welches heutzutage – zumal im Zusammenhang mit industriellen Produkten – eher im übertragenen Sinn gebraucht wird, hat auch der Begriff Branding eine Bedeutungserweiterung erfahren und bezeichnet das Versehen materieller Güter mit immateriellen Werten. Zu den bodenständigen, rein kommerziellen Bedeutungsebenen ist eine neue hinzugekommen, die abstraktere Konnotationen ermöglicht. Das Label des «Herstellers» – handle es sich nun um einen Modeschöpfer, Designer, Künstler, Koch oder Architekten – bürgt nicht mehr lediglich für seine Urheberschaft und damit auch für die Qualität des Produktes, sondern soll dieses auch mit einem symbolischen und abstrakten Wert versehen. Unverkäufliches wie Lebensfreude, Urbanität oder Schönheit wirken als Anreize für den Kauf der Produkte, mit denen sie verbunden werden. Als Zeichenträger par excellence eignet sich die Architektur besonders gut für die Umsetzung von Brandingstrategien und wird zunehmend auch dafür eingesetzt. Eigentlich ist das Phänomen nicht ganz neu: Auch mit den Bauten des International Style wurden ideelle Werte wie Fortschritt und Modernität verkauft, und mit seinen einheitlich gestalteten Restaurants versucht McDonald’s schon seit Jahrzehnten, neben der Erkennbarkeit auch eine familienfreundliche Aura zu erzeugen. Neu ist aber das Tempo, mit dem das Branding Bereiche erobert, in denen es noch vor wenigen Jahren eine Randexistenz fristete. Nahm die breite Öffentlichkeit bis vor kurzem noch wenig Notiz vom aktuellen Architekturgeschehen, kann heute – spätestens seit Bilbao – ein Bau eines prominenten Architekturbüros entscheidend dazu beitragen, eine Stadt auf der Rangliste des Standortwettbewerbs nach oben zu katapultieren. Entsprechend zieren sich Stadtteile, ja ganze Städte mit architektonischen «Markenartikeln», die das Bild der Stadt medial vermittelbar und kommerziell nutzbar machen sollen – was vermutlich nicht ohne Einfluss auf die reale urbane Entwicklung bleiben wird. Auch Firmen entwickeln unterschiedliche architektonische Strategien: vom Einheitsentwurf über regional inspirierte Gestaltungsregeln bis hin zu einzigartig-luxuriösen Flagstores. Führt diese Entwicklung einerseits zu einem erhöhten Interesse für die Architektur und möglicherweise zu einer grösseren Aufmerksamkeit für deren Qualität, stellt sich andererseits auch die Frage, wie die Architektur mit dieser stärkeren Einbindung in kommerzielle Abläufe umzugehen habe. Redaktion
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12 Herzog & de Meuron: Prada Aoyama, Tokio, 2003 Gegenseitiges Branding? Markenname, noble Adresse, bekannte Signatur und Eröffnungsdatum zieren unübersehbar die Fassade des neu eröffneten Prada Epicenter Store (Foto: Judit Solt)
Die Macht des Brandings
In ihrer Zeichenhaftigkeit kann die
Architektur eine Verbindung zwischen Wirtschaft und menschlicher Psyche schaffen – und eignet sich daher für Brandingstrategien. Allianzen wie die zwischen Prada, dem Guggenheim Museum und Rem Koolhaas verdeutlichen die Verquickung von Architektur und Ökonomie. Ob dies eine Gefahr oder ein Potenzial für die Baukunst darstellt, ist zu untersuchen.
ARCHITEKTUR GE-BRAND-MARKT
1
Text: Marc Angélil (français pp.60) «A sa manière, l’image tue.» Henri Lefebvre, 1974 1
Branding weist kriegerische Züge auf. In seiner ausgeprägtesten Form, im Wirkungsbereich eines auf Hochtouren operierenden Wirtschaftssystems, ist Branding ein institutionalisierter Krieg mit Schlachten und Rückzugsgefechten, flächendeckenden territorialen Besetzungen, einer aggressiven Verhandlungs- und Zensurpolitik sowie strategischen Fusionen und Infiltrationen. Getrieben durch den Drang nach grenzenloser Expansion, ist Branding auf die Eroberung neuer Märkte ausgerichtet. Es handelt sich de facto um einen Krieg zwischen den Marken – mit dem Ziel, absolute Marktherrschaft zu gewinnen. Welcher Art ist das Verhältnis, das Branding und Architektur miteinander verbindet? Sobald die Architektur sich verpflichtet, im übertragenen Sinne das Jawort gibt, wird dann nicht eine gefährliche, in sich unausgeglichene Ehe geschlossen? Soll die Architektur kooperieren? Ja oder nein? Die Meinungen gehen auseinander. Zwei grundsätzlich verschiedene Positionen können differenziert werden: einerseits Naomi Kleins Angriff gegen die Machenschaften
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2
multinationaler Konzerne, andererseits Rem Koolhaas’ affir-
zu einer Kontamination der Disziplin. Die Terminologie, die
mativer Versuch, ein Verständnis ökonomischer Mechanis-
Koolhaas sich in seinen Untersuchungen aneignet, ist die
men als Grundvoraussetzung der Architektur zu entwickeln
des Marketings.4 Mit dem Copyright-Zeichen versehen, wird
– als Bedingung, um überhaupt Architektur machen zu kön-
Architektur mit bestimmten Begriffen in Verbindung ge-
nen.
setzt: «architecture © =commodity», «architecture © =profit», «architecture © =status». Die Definition der Architektur als ©
«architecture = profit»?
gewinnbringende und statusbildende Ware untergräbt etab-
Klein untersucht in ihrem Buch No Logo die Defizite der aus-
lierte Vorstellungen des Fachgebiets und situiert sie im Kon-
schliesslich auf Profit ausgerichteten Globalisierung des
text der oft «unreinen» Realität des Marktes. Während Klein der Baukunst eine Opferrolle zuweist, ver-
Marktes, die sie unter den Rubriken «no space», «no choice», Mit der ersten Kategorie verweist
folgt Koolhaas’ Vorgehensweise eine für die Architektur pre-
sie auf die zunehmende Privatisierung gemeinnütziger Ein-
kärere Argumentation, die ihr eine operative Funktion inner-
«no jobs»
zusammenfasst.2
richtungen und den damit zusammenhängenden Verlust des
halb des wirtschaftlichen Kräftespiels zuschreibt. Anhand
öffentlichen Raumes. Der zweite Begriff, «no choice», steht
von Statistiken und Grafiken untersucht Koolhaas «das ge-
1 Julien Michel, Les Policiers, Öl auf Leinwand, 2001 (in: Max Hollein & Christoph Grunenberg, Shopping, Ostfildern-Ruit, 2002)
3
4
2 Naomi Klein, No Logo, 2000
für die Homogenisierung vorherrschender Gesellschaftsfor3 Rem Koolhaas, Weltkarte ¥ € $, 1999 (in: Wired, Juni 2000) 4 Diller + Scofidio, Pageant, VideoAnimation, 1996
netische Material» unserer Kultur, um die Rahmenbedingun-
men, die kulturelle Vielfalt durch Einheitlichkeit ersetzt. Der
gen zu erfassen, die den Handlungsraum architektonischer
dritte Kritikbereich, den sie mit dem Begriff «no jobs» an-
Produktion bestimmen. Er weist darauf hin, dass die Mecha-
spricht, thematisiert die bedingungslose Substituierung des
nismen des Kapitals, die an der Bildung unserer Umwelt teil-
Berufs als erfüllende Lebensbeschäftigung durch unverbind-
haben, mit jenen der Architektur identisch sind. Sollte sich
liche Teil- und Kurzzeitarbeit. Es sind diese Eigenschaften
diese These bewahrheiten, müssten die Prinzipien der glo-
der freien Marktwirtschaft, die sie als Angriffe auf den sozia-
balen Ökonomie, des Marketings und des Brandings mit je-
len Vertrag versteht und die zu ihrer kompromisslosen
nen der Architektur in Übereinstimmung stehen. Wie sich
Schlussfolgerung «no logo» führen.
eine Äquivalenz möglicherweise definieren lässt, soll im Fol-
Ganz anders hingegen Koolhaas’ Standpunkt, der auf die
genden untersucht werden. Wird in diesem Bündnis die Ar-
Produktionsbedingungen der Architektur einzugehen ver-
chitektur nicht doch zu einem Instrument kaufmännischer
sucht. Der Vorrangstellung der Ökonomie in allen Lebensbe-
Profitmaximierung degradiert? Oder erschliesst diese Ver-
reichen dürfe der Fachbereich nicht mit Verachtung begeg-
mählung im Gegenteil nicht auch andere Räume mit Poten-
nen. Die Währungen Yen, Euro und Dollar, die aneinander-
zial?
gefügt das Wort ¥ € $ bilden, bestimmen den Kontext, in welchem die Architektur heutzutage operiert.3 In einer sol-
Ökonomie des Zeichens
chen Situation könne ihr Anspruch auf Autonomie kaum
Der Begriff Branding entstammt dem Bereich der landwirt-
aufrechterhalten werden. Koolhaas spricht von einer Auflö-
schaftlichen Viehzucht. Kühe, Rinder oder Pferde, sogenann-
sung ihrer Grenzen, hervorgerufen durch «strategische Alli-
tes «lebendes Inventar», werden heute noch mit den Siegeln
anzen» mit dem bis anhin aus dem Fachdiskurs ausge-
ihrer Besitzer im wörtlichen Sinne gebrandmarkt. Diese ur-
klammerten Bereich der Ökonomie. Dies führe unweigerlich
sprüngliche Begriffsbestimmung beinhaltet im Kern die we-
9
1
Claudio Silvestrin: Boutiquen für Giorgio Armani
Der Store
an der Place Vendôme in Paris war der erste, den Claudio Silvestrin für Giorgio Armani entworfen hat. Mittlerweile zeichnet er für die Gestaltung – und das Branding – sämtlicher Armani-Boutiquen weltweit verantwortlich. Die nach einem einheitlichen Konzept realisierten Innenräume zeichnen sich durch formale Reduktion, edle Materialien und eine archaisch anmutende Schönheit aus.
DIE BOTSCHAFT DES ZAREN 22
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1 Giorgio Armani Store, Mailand (Foto: Matteo Piazza)
Text: Falk Jaeger
Kontemplation versus Kollektion
«Zeitgemäss und dennoch zeitlos, ruhig aber nicht asketisch,
Eine schwere, aztekische Sandsteinfassade, ohne Tür; die
stark aber nicht einschüchternd, elegant aber nicht auffäl-
Wand öffnet sich, eine Lichtkette in Schienbeinhöhe geleitet
lig», so will Claudio Silvestrin seine Architektur empfunden
nach drinnen. Noch ist keine Ware zu sehen: «zwei Sekunden
wissen. Ähnlich könnte aber auch eine Charakterisierung der
Stille» bietet der Architekt dem Eintretenden, eine kontemp-
Mode Giorgio Armanis lauten, und so kann es nicht überra-
lative Situation, die verblüfft, weil man diesen «nutzlosen»
schen, dass die beiden zueinander fanden. Seit 1999 gestal-
Raum hinter der Fassade – der manchmal, wie in Paris, sogar
tet der in London lebende Italiener Silvestrin die Niederlas-
zwei Geschosse einnimmt –, im kommerziellen Bereich nicht
sungen des Modezaren in aller Welt, von Mailand über Paris
erwartet. Der Blick fällt also zuerst auf ein kleines, ruhi-
und Moskau bis Tokio: Zehn davon hat er umgebaut oder – in
ges Wasserbecken, in anderen Filialen auf eine schlichte,
São Paulo und Seoul – neu errichtet, sieben weitere zwischen
schwere Brunnenschale, die wie eine archaische Skulptur als
Atlanta und Peking sehen der Fertigstellung entgegen;
Empfangsgeste in der Eingangsnische steht. Ihr zur Seite ein
ungefähr fünfzig werden es nach Abschluss der Kampagne
schwarz gewandeter junger Mann von aktueller Eleganz mit
insgesamt sein.
schwarzem, gegeltem Haar, Wachschutz und Kundenemp-
Silvestrin erdachte sein architektonisches Konzept zuerst
fang in Personalunion – und scheinbar ebenfalls Bestandteil
für die Filiale an der Place Vendôme in Paris. Dort befreite er
des Brandings. Erst nach der Wendung ins Innere fällt der
den Bau eines früheren Klosters von jeglichen Ein- und Um-
Blick auf das sorgfältig arrangierte, allem Übermass abholde
bauten und brachte ihn durch seine minimalistischen
Angebot an Kleidungsstücken des gehobenen Ansehens.
Eingriffe zu archaischer Wirkung. Armani hatte ihm völlige
Innen wird das Primat der Aufmerksamkeit der Ware ein-
Freiheit eingeräumt und sich vom fertigen Bau überraschen
geräumt. Die Architektur erzeugt zweierlei: eine gedämpfte,
lassen. Das Ergebnis muss ihn überzeugt haben, denn für
unaufgeregte Einstimmung der Kunden und eindrückliche
den Architekten ergab sich die märchenhafte Aufgabe, Ar-
Raumerlebnisse mit Rampen und perspektivischen Durch-
manis Läden in aller Welt mit seinem Branding zu versehen.
blicken, mit stillen Nischen und Podesten – mit einem Szena-
Zunächst führte er diese Arbeit in Mailand fort, wo er
rio, in dem die zeitlos eleganten Kleidungsstücke ihre eigene
das Flaggschiff der Armani-Kette in der Via Sant’ Andrea ge-
Aura entwickeln sollen. Zweifellos sind die Pharaonen Chef-
staltete.
ren und Ramses durchaus zeitliche Phänomene gewesen,
Schönheit jenseits von Mode, Geschmack und Zeit ist sein
doch ihre Baukunst vermittelt uns heute ein Gefühl des Zeit-
Ziel, in dem er sich mit seinem Bauherrn einig weiss. Glatte
losen, ewig Währenden, ein Gefühl, mit dem auch Claudio
Wände und Fussböden aus Naturstein, elementare Einbauten aus Macassar-Ebenholz, Details so einfach und ungekünstelt wie möglich prägen das minimalistische Gestaltungskonzept der Läden und der selbstverständlich gleich dazu entworfenen Ausstattung. Primäres Gestaltungsmerkmal des Armani-Store-Brandings ist der französische Saint-Maximin-Kalkstein, den Silvestrin für die Pariser Filiale gewählt hatte und den er nun in aller Welt einsetzt. Den am Ort angetroffenen Genius Loci berücksichtige er bei der Gestaltung der Fassade, das Interieur hingegen sei international, bekräftigt der Architekt. Das gilt uneingeschränkt jedoch nur bei historischen, denkmalgeschützten Gebäuden, deren Fassaden sich einer weitgehenden Überformung entziehen – und somit eigentlich nur in den europäischen Metropolen. Anderenorts versucht er natürlich, den Beteuerungen zum Trotz und wo immer möglich, auch die Fassade in sein Gestaltungskonzept einzubeziehen. Und natürlich baut er nicht mit dem ortsüblichen Material, denn der warmgelbe Kalkstein kommt immer aus demselben französischen Steinbruch und wird in alle Welt verschifft. Die «Botschaften» des Modezaren Giorgio Armani in Seoul oder São Paulo sind in hohem Grad wieder erkennbar – am Material, an der Hermetik, dem signifikanten Lichtschlitz, der Eingangsöffnung, die nicht als Tür ausformuliert ist. Selbst unter ihresgleichen, in den kultiviertesten Geschäftslagen der Metropolen dieser Welt, fallen diese Läden auf; es ist, als hielte die vorlaut miteinander konkurrierende Schaufensterschar inne und wiche einen Schritt zurück. Armani tritt auf, ruhig, distinguiert.
23
1
Architektur als regionale Marketingstrategie von MPreis Die tiroler Lebensmittelkette MPreis sucht für ihre Bauten nicht Einheitsgestaltung, sondern eine qualitätsvolle, kontextbezogene Architektur. Einigen grundsätzlichen Gestaltungsprinzipien gehorchend, entstehen seit Jahren unterschiedliche Bauten, welche den tristen Nahversorger-Alltag auflockern – und die architektonische Entwicklung der ganzen Region anregen. Neben zahlreichen bekannten Tiroler Architekten baut auch Dominique Perrault für MPreis.
LOCAL HEROES
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archithese 6.2003
Text: Judit Solt
mungen zu. Heute sind in der Region eine Reihe von
Wie manche andere Bergregion trägt auch das Tirol unüber-
Protagonisten tätig, die jenseits vernakulär gefärbter archi-
sehbare Spuren der Zeit: Auf der Brennerautobahn wälzt sich
tektonischer Klischees differenzierte Positionen vertreten.
der europäische Nord-Süd-Transitverkehr, der Massentou-
Zudem wurden in den letzten Jahren einige Bauten interna-
rismus prägt die ehemals karge Kulturlandschaft, und trotz
tional bekannter Architekturbüros erstellt. In der Landes-
der bewegten Topografie und der entsprechend knappen
hauptstadt Innsbruck stellt Zaha Hadids elegante Sprung-
Siedlungsfläche scheint der Bodenverbrauch durch nichts zu
schanze am Bergisel lokale Attraktionen wie das Kaiserjäger-
hemmen zu sein. Die Region ist, ganz gemäss Friedrich Ach-
Museum und das Denkmal des Freiheitshelden Andreas
leitners Bemerkung, «in gediegener Heimarbeit zubetoniert».
Hofer mühelos in den Schatten; das rätselhafte Volumen des
Ebenso unübersehbar weist jedoch Tirol, ähnlich Voral-
Umspannwerks Mitte von UN Studio verunsichert in der be-
berg, eine zwar junge, aber überaus lebhafte Architektur-
häbigen Innenstadt (siehe archithese 6.2002); die letztes
szene auf. Konzentrierte sich deren Aufmerksamkeit vorerst
Jahr fertig gestellten Rathausgalerien von Dominique Per-
auf die Suche nach einer alpinen Sonderentwicklung, nahm
rault schliesslich, welche Büros der städtischen Verwaltung
Ende der Achtzigerjahre das Interesse für internationale Strö-
mit verschiedenen kommerziellen Nutzungen kombinieren,
fügen sich mit ihrer Hightech-Formensprache selbstbewusst
1 Rainer Köberl, Astrid Tschapeller, Innsbruck: MPreis, Wenns, 2001 (Foto: Lukas Schaller)
in die musealisierte Altstadt. Zur Entstehung dieses für die Architektur günstigen Umfelds haben verschiedene Faktoren beigetragen: 1969 die Eröffnung der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur der Universität Innsbruck, ein engagierter Diskurs innerhalb der Fachöffentlichkeit und, mit einigen Jahren Verzögerung, ermutigende Signale auf politischer Ebene. Von besonderem Interesse ist indes die treibende Kraft, welche die Marketingpolitik des privaten Unternehmens MPreis seit längerer Zeit für die architektonische Entwicklung der Region darstellt.
Architektur als Marketing Die Lebensmittelkette MPreis, gegründet Anfang der Zwanzigerjahre, wird heute in dritter Generation von der Familie
2 Peter Lorenz Architekt + Partner, Innsbruck: MPreis, Telfs, 2002 Der Neubau ist das erste Objekt der neuen Wohnsiedlung Telfs-Puite, die Peter Lorenz 1999 – 2000 für die Gemeinde und drei Wohnbaugesellschaften entworfen hat. Der Markt liegt am zukünftigen Dorfplatz, der durch eine neue Kirche, Schule sowie Wohnund Geschäftsbauten gebildet wird. (Foto: Thomas Jantscher)
Mölk geleitet. In den Achtzigerjahren begann die Firma zu ex3 Wolfgang Pöschl, Joseph Bleser, Mils: MPreis, Innsbruck-Saggen, 2001 Der Markt befindet sich mitten im Stadtgefüge, direkt an der Sillbrücke. Der Dachaufbau ist neu hinzugefügt worden. (Foto: Judit Solt)
pandieren; Planer der neuen Märkte war damals Heinz Planatscher. Zu Beginn der Neunzigerjahre wurde Wolfgang Pöschl engagiert, dessen MPreis in Lienz 1993 die «Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen» erhielt. Heute versucht die Firma gezielt, sich durch gestalterisch hochstehende Firmen- und Ladenbauten zu profilieren. Mit über 120 Filialen und diversen Verwaltungs-, Lager- und Produktionsbetrieben, die es laufend zu bauen und zu erneuern gilt, ist sie als Bauherrin nicht zu unterschätzen. Seit 1992 beschäftigt – und fördert – MPreis mehr als zwei Dutzend ausgesuchte Tiroler Architektinnen und Architekten, unter ihnen mittlerweile überregional bekannte Grössen wie Wolfgang
2
Pöschl, Rainer Köberl, Helmut Reitter, Peter Lorenz, Georg Pendl und Elisabeth Senn. Die architektonische Strategie von MPreis zeugt von bemerkenswerter Weitsicht. Im Wettkampf gegen die zum Teil internationale Konkurrenz besinnt sich das Unternehmen auf seine Eigenschaft als regional agierender Familienbetrieb. Es betont seine Bemühung, sein Sortiment den spezifischen Tiroler Kundenwünschen anzupassen, und unterstreicht, dass es durch die Bevorzugung lokaler Lieferanten und die Ausbildung von Lehrlingen zugleich die regionale Wirtschaft fördere. Im Rahmen dieses Marketingkonzeptes ist auch die Suche nach architektonischer Qualität zu verstehen: Die Gestaltung der zahlreichen Firmenbauten hat die enge Verbindung von MPreis mit Tirol zu dokumentieren und zu stärken. Der regionale Bezug soll sich aber nicht in einer formalen Anbiederung an traditionelle Bauformen manifestieren, sondern, fernab jeder Lederhosen-Nostalgie, in einer Aufwertung des jeweiligen Ortes durch moderne architektonische Mittel. Dabei sollen die MPreis-Läden als neuartige Markt- und Dorfplätze fungieren, wo sich sozialer Austausch und Konsum verbinden – ein Dienst an der lokalen Öffentlichkeit, aber auch eine ungleich nachhaltigere Positionierung im Bewusstsein der Kundschaft, als sie aufwändige Erlebniswelten gewährleisten könnten. Diverse Auszeichnungen, mediale Aufmerksamkeit über die Landesgrenzen hinaus und Dankbarkeit für die Förderung der lokalen Baukultur haben ohne Zweifel zur Popularität des Unternehmens beigetragen. 3
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IN:SHOP
1
A
1
B
Text: Silke Lang
In diesem Zusammenhang wird von der Architektur er-
Heutige «Einkaufswelten» inszenieren Erlebnisse, die den
wartet, dass sie dazu beiträgt, Marken visuell erlebbar zu
Kunden persönlich ansprechen; moderne Brandingstrategien
machen. Und sie wird, abgesehen von ethischen Fragen,
sollen Produkte mit immateriellen und herstellerkennzeich-
auch technisch herausgefordert: Sie soll nicht lediglich sta-
nenden Werten versehen. Dabei kann jedes Medium – analog
tische Räume gestalten, sondern Erlebniswelten im Zu-
oder digital, veränderbar oder statisch – als Träger von Mar-
sammenwirken von Menschen, Räumen und Kaufobjekten
keninhalten genutzt werden. Im Flagship-Store Niketown bei-
inszenieren, wobei Materielles und Immaterielles kombiniert
spielsweise stehen sportliche Aktivitäten und deren kultu-
wird. Moderne Informations- und Kommunikationstechnolo-
rell-gesellschaftliches Umfeld im Vordergrund; Prada kom-
gien ermöglichen es, Erlebniswelten vollständig virtuell zu
biniert in seinem Epicenter in New York Wirklichkeit und
gestalten. Auf diese Weise können etwa räumlich und zeitlich
Produkt mit Kultur und Kommerz (siehe «Architektur ge-
getrennte Personen und Objekte zusammenwirken – in vir-
brand-markt», S . 8). Auch in der Automobilbranche wird der
tuellen Räumen, die es auch architektonisch zu gestalten gilt.
Kauf eines Autos zum Event gemacht: VW hat für die Aus-
Das Marketingziel ist auch hier, eine ausgeprägte Identifika-
lieferung der neuen Luxusklasse eine Manufaktur in Dres-
tion des Kunden mit dem Produkt zu fördern.
den errichtet, wo der Kunde sein Auto nicht nur aussucht und bestellt, sondern wo er auch dessen Produktion verfolgt.
Informationstechnologien in der Architektur
Im neuen Auslieferungszentrum von BMW wird die Marke
An der ETH Zürich forscht die Professur für CAAD von Lud-
persönlich erlebbar; das individuelle Erlebnis einerseits
ger Hovestadt unter anderem an der Integration neuer Infor-
und die weltweite Offenheit anderseits stehen im Vor-
mations-, Kommunikations- und Präsentationstechniken in
dergrund der Inszenierung (siehe «Automobile Erlebnis-
die gebaute Architektur. Es gilt, Räume technisch so auszu-
welten», S . 34).
statten und zu gestalten, dass sie als «Cooperative Umge-
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archithese 6.2003
Virtuelle Räume im Shopping
Telepräsenz und immersive
virtuelle Realität als neues Einkaufserlebnis: Neue Informations-, Kommunikations- und Präsentationstechniken ermöglichen heute die Generierung von virtuellen Räumen, in denen sich geografisch getrennte Personen als 3D-Simulationen begegnen und miteinander kommunizieren können – und deren architektonische Gestaltung zu bewältigen ist.
1 blue-c-Portal im ETH Zentrum, Zürich Das Portal besteht aus drei Glaswänden sowie aus computergesteuerten Kameras, Projektoren und Beleuchtungskörpern. Die Glaswände wechseln zwischen opak und transparent in einer Frequenz, die für den Betrachter im Inneren nicht wahrnehmbar ist: Für ihn erscheint das Glas opak. A Die Glaswände sind opak, die virtuelle Umgebung wird mithilfe von sechs Projektoren darauf projiziert. B Die Glaswände sind transparent, der Systembenutzer wird durch die Scheiben hindurch von 16 Kameras aufgenommen. Die Bilder können als 3D-Rekonstruktion in Echtzeit in die Umgebung eines anderen Nutzers projiziert werden.
bungen» zur Verfügung stehen. Informationstechnisch ak-
Avatare repräsentiert werden, sondern als 3D-Rekonstruk-
tive Räume ermöglichen eine Verringerung räumlicher und
tionen ihres eigenen Abbildes und in Echtzeit. Die drei-
zeitlicher Distanzen und Abhängigkeiten.
dimensionale Wiedergabe von Personen und Objekten in ge-
blue-c (http://blue-c.ethz.ch) ist ein interdisziplinäres For-
teilten virtuellen Umgebungen ist ein neuartiges visuelles
schungsprojekt der ETH Zürich. Vier Forschungseinheiten
Medium für die Kommunikation und die Interaktion zwischen
sind daran beteiligt: Computer Graphics Lab (CGL ), Compu-
Mensch und Maschine. Die in blue-c entwickelten Informa-
ter Vision Group (BIWI ), Center for Product Development
tions- und Kommunikationstechnologien können auch in Sze-
(IMES ) und die Professur für CAAD. Ziel der letzten drei
narien aus dem Bereich der Architektur integriert werden.
Jahre war es, eine neuartige immersive Projektionsumgebung zu entwickeln, in der Personen und Objekte mittels
Das IN :SHOP-Konzept
3D-Videotechniken repräsentiert werden: So können geogra-
IN: SHOP ist eine erste Beispielanwendung der Integration
fisch voneinander getrennte Personen in Echtzeit mitei-
von blue-c-Technologien in die gebaute Architektur. Multi-
nander in Verbindung treten und Informationen austauschen.
mediaelemente – etwa grosse Projektionswände und ver-
Innerhalb der dreijährigen Projektphase gelang es dem 20-
netzte Terminals – sind bei der Gestaltung moderner öffent-
köpfigen blue-c-Team, zwei miteinander vernetzte Portale
licher Gebäude heute nicht selten. IN: SHOP geht einen
aufzubauen – das blue-c-Portal ETH Zentrum und das blue-c-
Schritt weiter und ermöglicht Telepräsenz, kombiniert tradi-
Portal ETH Hönggerberg.
tionelle Einkaufs- und Marketingstrukturen mit Internet-
Das Portal ETH Zentrum repräsentiert die experimentelle
Einkaufsparadigmen und schafft eine flexible und anpas-
Entwicklung der wesentlichen blue-c-Technologien zwischen
sungsfähige kommerzielle Umgebung; es verbindet und er-
2000 und 2003. Es besteht aus drei Glaswänden und com-
weitert die reale Ladenfläche mit virtuellen und entfernten
putergesteuerten Kameras, Projektoren und Beleuchtungs-
Räumen. Immersive Projektionskabinen mit Glaswänden, die
körpern. Die Glaswände wechseln zwischen opak und trans-
von transparent zu opak schaltbar sind, bilden das Portal in
parent: Sind sie opak, wird die virtuelle Umgebung mithilfe
die computergenerierte Welt. Mit ihrer Hilfe wird das verteilte
von sechs Projektoren auf die Glaswände projiziert, wo sie
Einkaufen realisiert: IN: SHOP kann weltweit verteilte Filialen
der Systembenutzer stereoskopisch (durch eine 3D-Brille) be-
in einem virtuellen Raum zusammenbringen, was eine starke
trachtet; ist das Glas transparent, wird der Systembenutzer
Identifikation mit dem Unternehmen schaffen soll. Zudem
durch die Scheiben hindurch von 16 Kameras aufgenommen.
verbindet die «Shop-in-dem-Shop»-Struktur Käufer und Ver-
Der Wechsel zwischen opak und transparent und das Zu-
käufer vor dem Hintergrund von 3D-Repräsentationen realer
sammenspiel von Kameras und Projektoren sind so synchro-
Objekte.
nisiert, dass sie für den Betrachter nicht wahrnehmbar sind;
Der Kunde hat in der virtuellen Welt direkten Zugriff auf
er sieht nur die projizierte, virtuelle Umgebung. Die Bilder,
seine individuelle Einkaufsumgebung. Das System erkennt
welche die Kameras vom Systembenutzer machen, können
den Kunden und erstellt sein Profil aus persönlichen Daten
als 3D-Rekonstruktion in Echtzeit in die Umgebung eines an-
aufgrund seiner Einkaufsgewohnheiten – hierzu gehört
deren Nutzers projiziert werden – eine dreidimensionale, mit
auch das vertraute Verkaufspersonal. Die virtuelle Einkaufs-
virtuellen Zusätzen beliebig erweiterbare Videokonferenz so-
umgebung ermöglicht es, eine grosse, vielfältige Produkt-
zusagen. Das Portal im ETH Zentrum kommuniziert als tech-
palette anzubieten; die Einkaufsfläche bleibt dabei über-
nischer Partner mit dem Portal in der ETH Hönggerberg; im
sichtlich, es entstehen keine überfüllten Regale, und die
Gegensatz zum Aufbau im ETH Zentrum gibt es dort nur eine
Lagerflächen reduzieren sich drastisch. Zweifellos ist es
grosse Stereo-Projektionswand, welche in die bestehende
auch wirtschaftlich interessant, wenn mit Hilfe von Teleprä-
Architektur integriert werden konnte.
senz und vernetzten Systemen mehr als eine gemeinsame,
Der grosse Unterschied zu anderen, ähnlichen Systemen
einheitliche Einkaufsumgebung für lokal getrennte Filialen
besteht darin, dass die Benutzer hier nicht durch sogenannte
geschaffen werden kann. Beispielsweise können reisende
43
tian Kerez entstanden. Es könnte auf den ersten
AKTUELLE ARCHITEKTUR
Blick auch eine Villa sein. Man sieht Geschoss-
More would be less
platten aus Beton als horizontale Gliederungselemente, man sieht einige wenige Trennwände, deren Stirnen das Volumen vertikal rhythmisieren, – und man sieht viel Glas. Das ist alles.
Natur als Sperrzone Der Architekt hat das Bauvolumen nicht an die Strasse gerückt, sondern nach Norden versetzt, ungefähr in die Mitte des ansteigenden Grundstücks, das von der Forsterstrasse und dem ab-
CHRISTIAN KEREZ :
zweigenden Heubeeriweg begrenzt wird. Das Erd-
MEHRFAMILIENHAUS FORSTERSTRASSE, ZÜRICH, 2001 – 2003
1
geschossniveau befindet sich auf der Ebene einer vorhandenen Gartenterrasse, einem Relikt der alten, später talwärts verlegten Forsterstrasse. Einerseits ist durch diese Position des Gebäudes der direkte Einblick in das Erdgeschoss verwehrt, andererseits entsteht eine Abstandszone, welche es ermöglicht, den hier noch erkennbaren parkartigen Charakter des Zürichberghangs zu bewahren: Nicht mit den Bauten der Umgebung, sondern mit der Landschaft sucht der Architekt den Dialog. Demgemäss sind die Gartenflächen nicht als erweiterte Wohnzimmer konzipiert, sondern als zurückhaltend gestaltete Natur, als zivilisierter Dschungel. Die Gartenbereiche bilden das Gegenüber des Hauses, werden nicht als Nutzflächen verstanden und nicht durch Treppen vom Erdgeschoss aus erschlossen. Wäre es möglich gewesen, wie bei der grossen Villa vis-à-vis mit einer dichten Bepflanzung das Gebäude den Blicken Auge der Passanten zu entziehen, so hätte Kerez wohl diese Option gewählt. Die Distanzierung des Hauses von der Strasse, der Gedanke einer grünen Sperrzone wird durch
Das Mehrfamilienhaus von Christian Kerez
Die Hänge des Zürichbergs zählen zu den bevor-
am Zürichberg ist ein konsequent durch-
zugtesten Wohnlagen Zürichs. Ende des 19. Jahr-
die Art der Erschliessung noch verstärkt. Anstatt
dachtes Statement zum Verhältnis von Raum
hundert begann die lockere Bebauung der einsti-
den Garten auf dem Weg zur Eingangstür zu
und Struktur. Letztlich handelt es sich um
gen Weinberge, die sich im 20. Jahrhundert kon-
durchqueren, betritt man das Gebäude unter-
einen verglasten Rohbau in höchster Voll-
tinuierlich fortsetzte. Die hohen Grundstückspreise
irdisch: Von dem Einschnitt an der Strasse aus
endung: um eine Struktur aus Wandscheiben
haben in den vergangenen Jahrzehnten zu einer
führt ein Tunnel in die beiden Untergeschosse des
und Geschossplatten, in der Ordnung und
exzessiven Nachverdichtung geführt, durch wel-
Hauses. Mit dem Auto fährt man direkt in die auf
Freiheit, Introvertiertheit und Extroversion
che der frühere parkartige Charakter grösstenteils
Strassenniveau angeordnete Garagenebene, zu
zusammenfinden.
eliminiert wurde. Lediglich ein grosses Privat-
Fuss gelangt man vermittels einer Treppe in das
grundstück oberhalb des Toblerplatzes, im Nor-
darüber befindliche Kellergeschoss. Verschiede-
den von der Forster-, im Süden von der Krähbühl-
ne Abstellräume für die einzelnen Wohnungen
strasse begrenzt, blieb von der Bebauungswut der
und weitere Abstellräume umgeben eine gross-
Sechziger- bis Neunzigerjahre verschont und wirkt
zügige Halle, von der aus Lift und Treppe in die
mit seinen die Umfriedung begleitenden dichten
Wohngeschosse führen.
Baumreihen wie ein hortus conclusus. Nur im Winter, wenn die Blätter gefallen sind, lässt sich auf
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archithese 6.2003
Geschossplatten und Wandscheiben
dem Areal eine grosszügige Villa aus den Dreissi-
Im Kellergeschoss, das durch schmale Oberlich-
gerjahren des vergangenen Jahrhunderts ausma-
ter Tageslicht erhält, ereignet sich der Wechsel
chen. Oberhalb des verwunschenen Geländes
zweier für das gesamte Gebäude bestimmender
mit seinem historischen Baumbestand ist nun an
konstruktiver Systeme. Während das unterste Ge-
der Forsterstrasse ein Mehrfamilienhaus von Chris-
schoss, die Einstellhalle für Autos und Velos, als
1 Luftbild Das Mehrfamilienhaus liegt an der Einmündung des Heubeeristeigs in die Forsterstrasse. Links das Grundstück der benachbartn Villa aus den Dreissigerjahren 2 Blick entlang der Forsterstrasse Richtung Westen (Fotos 2–3, 10–12: Walter Mair)
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betonierte Box ausgeführt wurde, dienen die Aussenwände im eigentlichen Keller nur noch als Begrenzung gegenüber dem umliegenden Erdreich. Die Abtragung der Auflast geschieht durch sieben raumgliedernde Wandscheiben unterschiedlicher Länge, die zugleich als Trennwände zwischen den einzelnen Kellern genutzt werden. Aus dem Gedanken tragender Wandscheiben, welche es erlauben, die Fassaden vollständig zu verglasen, entwickelte Christian Kerez in Zusammenarbeit mit dem Ingenieur Joseph Schwartz das konstruktive System des Gebäudes. In Verbindung mit den aufliegenden Geschossplatten entsteht ein in sich stabiles Gefüge, das nur wenige Punkte benötigt, um die Lasten in das darunter befindliche Geschoss abzuleiten. Aufgrund der festen Verbindung von Scheiben und Platten kann die vertikale Lastabtragung von Geschoss zu Geschoss an anderen Stellen organisiert werden, so dass sich ein Tragsystem entwickeln liess, das jede Repetition unnötig macht, und auf tragende 65