Stadt & Shopping – The City & Shopping
archithese Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur International thematic review for architecture
6.2007 Corporate Urbanism & Sustainability Corporate Architecture Logistik als urbanes Prinzip Interview mit dem Chefarchitekten von Wal-Mart Architekur und Branding: Omotesando in Tokio BMW Welt in München von Coop Himmelb(l)au Guerilla-Stores Der grösste Markt Afrikas
Valerio Olgiati Atelier Bardill, Scharans Gigon /Guyer Erweiterung Kunstmuseum, Basel blue architects, Gramazio & Kohler Tanzhaus Zürich SUKO Architektur Haus in Gruiten
archithese 6.2007
November / Dezember
Preis: 28 CHF/18 Euro
Stadt & Shopping The City & Shopping
EDITORIAL
Stadt & Shopping Die Ära der Konsumkritik ist vorüber. Shopping ist kein Verhalten, dessen man sich zu schämen braucht. Im Gegenteil: Shopping gilt als eine Freizeitbeschäftigung, die – durch Publikationen wie Rem Koolhaas’ Harvard Guide to Shopping – beinahe kulturelle Weihen erhalten hat und für manche Menschen nachgerade zum Lebensinhalt avanciert ist. Handel und Verkauf sind seit jeher Triebkräfte städtischer Entwicklungen gewesen, nicht erst im Zeitalter der Fussgängerzonen. Ob in der Antike oder im Mittelalter, in den Karawansereien der Wüste oder den Marktplätzen Afrikas: Siedlungen und Städte entwickelten sich als Orte des Austauschs von Produkten – und generierten als zunehmend sich verdichtende Agglomerationen jene Nachfrage, welche den Handel stetig ankurbelt. Im Zeitalter der Globalisierung gewinnt die Logistik zunehmend an Bedeutung. Das Beispiel des amerikanischen Wal-Mart-Konzerns, der mit seinen Filialen zunächst die USA erobert hat, um seit einiger Zeit weltweit zu expandieren, zeigt die heutigen Strategien paradigmatisch. Offensiv eliminiert Wal-Mart zunächst die bestehende Geschäftsstruktur in zentralen Lagen, um dann seine Retail-Boxen an der Peripherie profitabel werden zu lassen. Discount-Märkte am Rand der Städte, welche Kaufkraft aus dem Zentrum absaugen, stellen eines der heutigen Probleme dar. Doch die Alternative, ShoppingMalls in die Innenstädte zu implementieren, sind indes kaum eine probate Lösung, wie das neu eröffnete Einkaufszentrum Alexa nahe dem Berliner Alexanderplatz beweist. Es gibt auch andere Strategien. Am Beispiel des Oostelijk Havengebiet Amsterdam, aber auch anhand der Initiativen von VW oder Benetton können Kees Christiaanse und Kerstin Höger nachweisen, dass grosse Firmen Städte für sich als Aktionsfläche nutzen– mit beiderseitigem Gewinn. Investitionen in die Stadt sind nachhaltiger als kurzfristige, teure Werbekampagnen. Eine gebrandete Stadtlandschaft stellt die Strasse Omotesando in Tokio dar, an der nahezu sämtliche internationale Modelabels mit einem architektonisch aufwendig gestalteten Flagship-Store vertreten sind. Ein gegenläufiges Modell nutzt Comme des Garçons: Anstatt in kostenträchtige Immobilien zu investieren, werden temporäre Guerilla-Stores beliefert, die an der Schnittstelle zwischen Kommerz und Kultur operieren. Eine ganz andere Form des Handels verkörpert der Mercato in Äthiopien, der grösste Markt Afrikas: Hier ist es gelungen, bestehende, zum Teil auch informelle Strukturen zu stärken und den Begehrlichkeiten des globalen Kapitals zu widerstehen. Redaktion
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archithese 6.2007
Minneapolis: Mall of America (Foto: Hubertus Adam)
STADT UND SHOPPING Von Einkaufscentern, Flagship-Stores und Discount-Städtebau Shopping hat nicht mehr in erster Linie mit dem Erwerb von Dingen zu tun. Es ist zu einer Kategorie geworden, die sich auf ökonomische Aspekte ebenso bezieht wie auf psychische, auf urbanistische ebenso wie auf technologische. Soziologen und Urbanisten aber haben das Phänomen Shopping lange vernachlässigt. Dabei wäre es ein Ziel, den konsumptiven Hedonismus in stadtverträgliche Bahnen zu lenken.
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archithese 6.2007
Text: Robert Kaltenbrunner
gen wie konzisen Aufmachung, konnte man dort gänzlich
Wenn es stimmt, was der Kunsttheoretiker Boris Groys ein-
neue Erfahrungen sammeln: die Welt im Kleinen, und dazu
mal behauptet hat, dass nämlich Shopping die erste Bürger-
noch käuflich. Lange Beschreibungen in Romanen widmen
pflicht sei, dann wäre Berlin endlich zur Heimat der Gross-
sich der Fülle und den Verführungen der Waren: «Hier lag im
bürger geworden. Mit Aplomb hat vor einiger Zeit in Steglitz
vollen Glanz der Strasse, ein wahrer Bergsturz billiger Waren,
ein Einkaufszentrum eröffnet, das sich so lapidar wie hoch-
die Versuchung zum Eintritt . . . das Geschäft schien zu bers-
trabend Das Schloss nennt und immerhin 36 000 Quadratme-
ten und seinen Überfluss auf die Strasse zu werfen.» (Emile
ter Handels-, Freizeit- und Gastronomiefläche sowie eine
Zola in Au Bonheur des Dames ). Doch was seinerzeit, und
grosse Zahl an Büros beherbergt. Ein eklektisches Bauwerk,
viele Jahrzehnte anhaltend, in seiner Verknüpfung von Raum
welches das benachbarte neogotische Rathaus überbieten
und Besorgung eine Attraktion war, ist längst obsolet.
1 Alexa-Einkaufszentrum in Berlin (Foto: Udo Meinel)
will und mit «urbaner Aufenthaltsqualität» protzt. Und im östlichen Zentrum hat der portugiesische Investor Sonae Im-
Hybrider Konsum
mobiliaria ein Center der Superlative erstellt: Das Alexa, im
Nicht hinfällig, sondern im Gegenteil neu belebt ist die Nei-
Volksmund aufgrund seiner geschwungenen Form als Ba-
gung, mit dem Einkauf mehr als nur unmittelbare Bedürfnis-
nane bezeichnet, bildet mit mehr als 180 Geschäften den
befriedigung zu betreiben. Zwei unterschiedliche Aspekte
grössten Konsumtempel der deutschen Hauptstadt.
sind dabei interessant: Zum einen spricht die Marktfor-
Doch was wie ein spezifisch Berliner Überbietungswett-
schung von hybridem Konsumverhalten und sagt eine Polari-
bewerb wirken mag, ist beileibe kein Einzelfall. Seit in den
sierung der Märkte voraus, deren erstes Symptom der un-
Sechziger- und Siebzigerjahren allerorts die – oft unsäglichen
aufhaltsam wachsende Erfolg der No-Name-Produkte ist. Mit
– Fussgängerzonen sprossen, und seit aus dem Einkauf für
anderen Worten: Es sind nicht unterschiedliche gesell-
den täglichen Bedarf die gängige Freizeitbeschäftigung
schaftliche Gruppen, die bei Lidl oder bei Dior einkaufen, son-
Shopping geworden ist, bemächtigt es sich mehr und mehr
dern möglicherweise dieselben Personen, die am Donnerstag
der Stadt. Das hat auch tiefer gehende Gründe: So notiert
Abend bei Aldi ihren wöchentlichen Grosseinkauf tätigen,
etwa der Philosoph Gerhard Schulze, Erlebnisorientierung
am Samstag indes die Schlemmerabteilung des KaDeWe fre-
sei «die unmittelbare Form der Suche nach Glück». Im prak-
quentieren. Und Klamotten von H&M kombiniert man heute
tischen Alltagsverhalten der Menschen schlägt sich das
gern mit edlen Stücken von Gucci.
durchaus raumwirksam nieder, weil Erleben und Glück au-
Zum anderen sind an die Stelle von Massenfertigung und
genscheinlich nicht nur in der privaten Sphäre – sei’s vorm
serieller Architektur längst eine differenzierte Produktpa-
Fernseher oder im Bett, sei’s im Sportstudio oder an der
lette, individuelle Dienstleistung und «zur Ware gewordene
Theke – gesucht und gefunden werden. Gleichwohl aber ist
Feierlichkeit» getreten. Und dies braucht neue Standorte und
die Frage nach dem Zusammenhang von Shopping und Stadt
andere Räume zur adäquaten Entfaltung des Potenzials. Ein
nie recht beantwortet, ja meist gar nicht erst gestellt worden.
Wegzeichen dafür waren die berühmten Flagship-Stores –
Dabei liegt sie, historisch gesehen, auf der Hand. Lebte
beginnend mit dem Prada-Epicenter in New York von Rem
früher eine Stadt von ihrem Handel und Gewerbe – jeder
Koolhaas, sodann deren Filiale in Tokio, die kein Verkaufs-
konnte dies täglich erspüren und sehen, Erfolg und Verlust
raum mehr ist, sondern von den Basler Architekten Herzog &
gingen ihn unmittelbar an –, so sind heute die Quellen für den
de Meuron als Licht-Fest für die Sinne inszeniert wurde. Ein
Einzelnen durch die allgemeine Umverteilung nicht mehr er-
anderes stellen die jüngeren innerstädtischen Revitalisie-
lebbar. Das abhandengekommene Erlebnis eigener städti-
rungsstrategien dar; am spektakulärsten vielleicht das Wa-
scher Selbsterhaltung scheint die Einsicht zu erschweren,
renhaus Selfridges in Birmingham, das vom Büro Future Sys-
dass die Stadt – auch und gerade in Europa – stets Ort nicht
tems entworfen wurde. Dessen Signalwirkung wird durch
nur des Handels, sondern auch des ostentativen Konsums
Tausende von schimmernden Aluminiumscheiben auf seiner
war. Im Unterbewussten aber ist das Bild vom «Marktplatz»
Aussenhaut haptisch gemacht. Eine ähnliche Initialzündung
wohl stets bestimmend für eine erfolgreiche Verkaufsstrate-
will Karstadt mit dem spektakulären Umbau seines Stamm-
gie geblieben.
hauses am Limbecker Platz in Essen bewirken. Und selbst die
So war es nur folgerichtig, dass sich im beginnenden
Schloss-Arkaden in Braunschweig, die vor einigen Monaten
19. Jahrhundert ein Bautypus etablierte, der gleichsam eine
eröffnet wurden ( archithese 4.2007), passen nahtlos in dieses
Neubewertung der Wechselbeziehung von Urbanität und
Bild – wenngleich sie in der Hülle einer, um nur das Mindeste
Einkaufen darstellt: die Passage. Als deren Entstehungsur-
zu sagen, diskussionswürdigen Kopie des 1960 abgerissenen
sache und Lebenselement hat der Architekturhistoriker
Welfen-Schlosses reüssieren.
Jonas Geist einerseits das Raumgefühl, andererseits die Bedürfnisse und Süchte einer sich liberalisierenden Gesell-
Ignoranz der Urbanisten
schaft benannt; und er bezeichnete die «illusionistische
Obgleich die Wirkung solcher Bauten – nicht nur architekto-
Sphäre einer gebauten dschungelhaften Stadtwirklichkeit»
nisch und stadträumlich – immens ist, sind sie doch kaum je
als der Passage Charakteristikum. Nicht nur behütet vor den
Gegenstand der Theoriebildung geworden. Die Vernachläs-
Widrigkeiten des Alltags – wie Regen, Schnee und Strassen-
sigung des Handels im Stadtdiskurs der Moderne ist umso er-
schmutz –, sondern auch angezogen von einer so weltläufi-
staunlicher, je näher man die Lebenswelt der Stadt vor dem
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1
BIG BOX RE-TALE Logistik als urbanes Prinzip Globalisierung im Bereich Retail bedeutet nicht nur ständige Expansion, sondern vor allem die Optimierung der Logistik zwischen den Orten der Produktion und denen der Komsumption. Strategien, wie sie der Konzern Wal-Mart nach militärischem Vorbild anwendet, forcieren nicht allein einen neuen Kolonialismus; sie haben auch desaströse Folgen im Bereich des Urbanismus.
«Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für
und Metro in Europa, die Stadt grundsätzlich meiden. Statt-
ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel.
dessen siedeln sie sich vorzugsweise in peripheren Gebieten
Überall muss sie sich einnisten, überall anbauen, überall Ver-
von Ballungszentren an. Unter dem Stichwort big box retail
bindungen herstellen.»
entsteht weltweit ein neuer Typus von Handelseinrichtung,
Karl Marx und Friedrich Engels, 18481
der sich weniger in belanglosen und riesigen Bauten als vielmehr in einer umfassenden Umgestaltung des urbanen
Text: Marc Angélil
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archithese 6.2007
Raums manifestiert.
Die Geschichte der Güterproduktion, Güterverteilung und
Einen aussen- und innenräumlichen Eindruck des hier an-
Güterkonsumption wurde in den letzten Jahrzehnten neu ge-
gesprochenen Phänomens vermitteln zwei Aufnahmen von
schrieben. Während diese sich für die einen als Märchen of-
Andreas Gursky, der als Zeitzeuge, beinahe aus der Sicht
fenbart, erweist sie sich für andere als Alptraum. Firmen, die
eines «ausserplanetarischen Wesens», um unseren Globus
im Retail-Geschäft tätig sind, haben aufgrund einfacher Prin-
streift und auf Bilder trifft, die sich normalerweise unserer
zipien und in relativ kurzer Zeit eine Reorganisation des Wa-
Wahrnehmung entziehen, da sie längst dem Alltag angehö-
renflusses in die Wege geleitet, und zwar mit vollends welt-
ren.2 Toys ‘R’Us und 99 Cent – nicht zufällig tragen beide Fo-
umspannender Wirkung. Gerade weil Handel und Stadt seit
tografien Namen internationaler Konzerne – machen mit do-
je einander bedingen, trägt die Neuordnung zu einem Wandel
kumentarischer Klarsicht deutlich, wie steril sich die gebaute
ihrer Beziehung bei. Veränderungen der globalen Wirtschaft
Umwelt gibt. So ästhetisch anspruchsvoll sich die Bilder
hinterlassen ihre Spuren im lokalen System der Städte. Was
erweisen, so trivial sind ihre Sujets. Gurskys Kamera fängt
jedoch eigenartig erscheint, ist die Tatsache, dass die Unter-
Situationen ein, die genau genommen nicht an einen be-
nehmen, die den Markt beherrschen, seien es Kmart, Target
stimmten Ort gebunden sind, deren merkwürdig befrem-
und Wal-Mart in den Vereinigten Staaten oder Aldi, Carrefour
dende Architekturen anonym erscheinen. Von aussen wirken
die fensterlosen Bauten gespenstisch abweisend; als «zur
Fachliteratur der Begriff Wal-Mart Effect verwendet, um
Ideologie erstarrte Gebäude» tragen sie der These Rech-
schlagwortartig auf die Konsequenzen wirtschaftlicher Leis-
nung, dass das Kapital wahrlich nur Innenräume kennt.3 Drin-
tungssteigerung im Discountgeschäft zu verweisen.5 Dieser
nen, im stumpfen Licht der Leuchtröhren, herrscht eine kühle
Effekt hat mehrere Facetten, die – je nach politischem Stand-
Atmosphäre, die, im Gegensatz zu den in Szene gesetzten Ar-
punkt, den man einzunehmen pflegt – nicht stets positiv kon-
tikeln der Shopping-Center und Modeboutiquen, einen den
notiert sind.
preisgünstigen Massenprodukten entsprechenden Rahmen gibt.
Das in den Fünfzigerjahren von Sam und Bud Walton
2 Andreas Gursky: 99 Cent, 1999 (Fotografie, 207 x 336 cm)
gegründete Kleinwarengeschäft in Bentonville im Staate
Zwar scheint alles beinahe zufällig entstanden zu sein,
Arkansas hat sich in wenigen Jahrzehnten zu einem der ein-
doch der Schein trügt, denn Schlichtheit ist Programm. Was
flussreichsten Konzerne entwickelt, dessen Wirkungssphäre
sich hier abspielt, untersteht einer absoluten Kontrolle. Hin-
jene mancher Nation übertrifft. Das Unternehmen beschäftigt
ter den Kulissen ist eine Maschinerie am Werk, die sich dem
heute mehr als zwei Millionen Mitarbeiter und weist einen
Grundsatz verpflichtet, mit niedrigen Preisen hohe Gewinne
Jahresumsatz von über 300 Milliarden US-Dollar aus. In den
zu erwirtschaften – so lautet die goldene Regel des Dis-
letzten Jahren stand es mehrmals auf Platz eins der Fortune
countgewerbes. Um den gewünschten Erfolg zu erzielen,
500-Liste – womit gesagt wird, dass die Gesellschaft eine der
wird, statt auf Luxus zu setzen, Zurückhaltung zur Schau ge-
grössten und mächtigsten der Welt ist. In dieser Liga mitzu-
tragen. «Was man erreichen muss, ist, dass der Kunde den
spielen bedeutet, die Operationsmodi der globalen Ökonomie
Glauben gewinnt, nirgendwo billiger einkaufen zu können»,
fest im Griff zu haben.
schreibt Dieter Brandes, ehemaliger Geschäftsführer und Mitglied des Verwaltungsrates von Aldi
1 Andreas Gursky: Toys ‘R’ Us, 1999 (Fotografie, 207 x 336 cm)
Nord.4
Eine in englischer und chinesischer Sprache beschriftete
Damit ist vie-
Karte mit dem Titel «Wal-Mart Around the World», die selbst-
les gesagt. Einerseits gilt es, aufgrund vollkommen einge-
bewusst den Besuchern des Hauptsitzes gezeigt wird, hebt
spielter und effizienter Abläufe, preiswerte Produkte anzu-
die geografische Ausdehnung des Unternehmens hervor.
bieten. Andererseits bedingt ihre Präsentation ein preisgüns-
Weltweit umfasst der Konzern 6500 Filialen, wovon sich al-
tig erscheinendes und effizient wirkendes Umfeld. Auf der
lein 4000 in den Vereinigten Staaten befinden. Die Expan-
Basis eines streng rechnerischen Kalküls wird alles metho-
sionspolitik basiert auf der Strategie, eine Region nach der
disch rationalisiert – ein Anspruch, dem nebenbei auch die
anderen zu erschliessen. Beginnend in Bentonville wurde der
Architektur zu genügen hat.
nordamerikanische Kontinent – Staat um Staat – mit Filialen überzogen. Erst als der nationale Markt saturiert erschien,
Wal-Mart
entschied die Geschäftsleitung, in andere Länder vorzudrin-
Führend in der Branche ist das nordamerikanische Unter-
gen. Nun weist der Einzelhandelskonzern Niederlassungen
nehmen Wal-Mart Stores Incorporated. Wie keine andere
in Argentinien, Brasilien, China, Grossbritannien, Kanada,
Firma hat Wal-Mart eine radikale Umstrukturierung ihrer Ver-
Korea und Puerto Rico auf. Inzwischen liegen Pläne vor, die
sorgungskette eingeleitet und in der Folge einen Beitrag zur
territoriale Ausweitung auch in den sogennanten emerging
Neuausrichtung des gesamten marktwirtschaftlichen Sys-
markets voranzutreiben: Indien, Russland und Afrika stehen
tems geleistet. Entsprechend wird in der angelsächsischen
auf dem Programm.
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SCHWEBENDE BOX AM STADTRAND Rolf Mühlethaler: IIC Hauptsitz in Bern, 2007 Das Domizil der Einkaufsgenossenschaft Intersport International in Bern dient als Messehalle, Bürohaus und Nähatelier zugleich. In ebenso verkehrsgünstiger wie landschaftlich geprägter Umgebung ist ein funktionales Konzept für ein Gebäude realisiert worden, das gleichwohl auch auf die Qualitäten des Standorts reagiert.
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archithese 6.2007
3
Text: Hubertus Adam
schaft, die auf dem Franchise-Prinzip beruht. 5000 Geschäfte
1 Situationsplan
Entsprechend den derzeit gültigen Planungsdoktrinen ent-
in 32 Ländern firmieren unter dem Label Intersport; in der
wickelt und verdichtet sich Bern an den Rändern. Besonders
Schweiz sind es allein 355 Läden. IIC fungiert an seinem Ber-
der Bereich um das Stadion Wankdorf, der als Entwicklungs-
ner Hauptstandort als die Einkaufs- und Managementgesell-
2 Ansicht Längsseite (Fotos: Dominique Uldry)
schwerpunkt ausgewiesen ist, weist eine starke Dynamik
schaft der gesamten Intersport-Gruppe. Die Räumlichkeiten
3 Ansicht Stirnseite
aus; nicht zuletzt der schnelle Anschluss an die Autobahn
des Gebäudes dienen also primär dazu, Sortiment und An-
macht die Lage attraktiv. Das Areal zwischen Schermenweg
gebotspalette von Intersport zu entwickeln. Zu einem ge-
und A6, nördlich der Allmend, ist schon bebaut; seit einigen
ringen Teil produziert Intersport unter dem Namen eines
Jahren hat die Besiedlung auf den ehemals landwirtschaft-
Eigenlabels selbst; im Grunde genommen aber besteht der
lich genutzten Flächen im Zwickel zwischen Bolligenstrasse
Zweck des Gebäudes darin, Raum für die Präsentation von
und der Psychiatrischen Universitätsklinik Waldau begon-
Produkten unterschiedlicher Hersteller zu bieten. Hier wer-
nen.
den zu bestimmten Zeiten Hersteller von Sportartikeln ein-
Der jüngste Neubau in diesem Gebiet findet sich an der
geladen, ihre Produktionspalette vorzustellen – und die Ein-
attraktivsten Lage, welche dieser Standort zu bieten hat, weil
käufer von Intersport entscheiden dann, was in den Vertrieb
er im Norden direkt an den Park der Klinik mit seinem alten
übernommen wird. Eigentlich ist der Hauptsitz von IIC mithin
Baumbestand anschliesst. Die alte Allee der Bolligenstrasse,
eine Messehalle, ergänzt um Büros, Nähateliers und Lager-
der barocken Ausfallstrasse, die bis zum Aaargauserstalden
räume. Ein flexibler Sales Room, in dem die Kollektionen prä-
und zum Bärengraben führte, begrenzt das Grundstück Rich-
sentiert werden, bildet daher den Nukleus des Gebäudes.
tung Osten. Diese naturräumlichen Qualitäten bewogen die ursprünglich in Ostermundigen ansässige Firma Intersport,
Funktionalität und Kontextualität
den Hauptsitz von Intersport International Corp. (IIC ) an den
Rolf Mühlethaler hat die verschiedenen Funktionsbereiche
Rand der Bundeshauptstadt zu verlegen. In einem Studien-
des Gebäudes im höchsten Masse logisch angeordnet. Der
auftrag des Jahres 2005 konnte sich Rolf Mühlethaler mit sei-
Sales Room, gegliedert einzig durch den Stützenraster des
nem Konzept durchsetzen.
Bauwerks und beliebig unterteilbar, dominiert das Erdgeschoss. Von Norden aus ist er über eine Glasfront natürlich
Messehalle im Zentrum
belichtet. Je nach Bedarf kann die Weite der Halle beliebig
Intersport, 1968 gegründet und auf Sportartikel und -beklei-
unterteilt werden. Die Architekten haben ein aus Schlitz-
dung spezialisiert, ist eine internationale Einkaufsgenossen-
wänden und rollbaren Elementen bestehendes Displaysys-
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ZWISCHENNUTZUNG ALS NEOLIBERALE RAUMVERMARKTUNG Das Prinzip Guerilla-Store Das Modelabel Comme des Garçons setzt seit einiger Zeit auf Guerilla-Stores zur Vermarktung seiner Produkte. Die improvisierten Verkaufsorte mit hippem Ambiente bestehen jeweils nur für kurze Zeit. Die Bottom-up-Strategie der Kreativszene ersetzt den Top-down-Approach strategischer Planung.
Text: Friedrich von Borries
zustreifen. In Hamburg betrieb zum Beispiel der Kaffeeher-
Guerilla-Store nennt die Modemarke Comme des Garçons
steller Senseo eine Galerie, Nike betrieb mit Partnern aus der
eine neue Reihe von Geschäften, die immer nur für kurze Zeit
Clubszene in verschiedenen deutschen Städten Clubs und
an einem Ort zu finden sind. Aus Zwischennutzung als
Bars – und blieb als Marke dabei stets im Hintergrund. Denn
subkultureller Strategie wird ein Marketing-Instrument. Pro-
die Marke soll bei diesen Camouflage-Strategien nur unter-
paganda Camp / Popular Occupation / Alliance / Independent
schwellig in das Bewusstsein der Zielgruppe eindringen.
Base / Revolution / Radical Supplement / Disappear / Reoccupation Starts lautet der Text auf Postern, die auf die Guerilla-
Temporalität
Stores hinweisen. Was aber haben Begriffe wie Guerilla, Re-
Bei allen Guerilla-Massnahmen ist Zeit ein wichtiger Faktor:
volution und Propaganda mit Kleidergeschäften zu tun?
Schliesslich lebt die Intervention nicht von ihrer Schlagkraft, sondern vom Überraschungsmoment. Sie muss also schnell
Guerilla-Marketing
sein: Disappear/Reoccupation sind die entsprechenden Schlag-
Guerilla ist ein militärischer Begriff. Guerilla, der «Kleine
wörter bei den Guerilla-Stores von Comme des Garçons. Alle
Krieg», bezeichnete im 18. und 19. Jahrhundert taktische Täu-
Guerilla-Marketingaktionen sind von kurzer Dauer, sie leben
schungsmassnahmen, mit denen gegnerische Kräfte jenseits
von der reziproken Nachhaltigkeit der Aufmerksamkeitsöko-
des eigentlichen Schlachtfeldes gebunden werden sollen. Mit
nomie: Per (Mund-)Propaganda in der Zielgruppe bekannt zu
den Befreiungskriegen gegen Napoleon wurde der Begriff
sein, ist effizienter, als die breite Öffentlichkeit zu erreichen.
Guerilla für nicht reguläre Widerstandskämpfer genutzt, die
Mode ist ein schnelllebiges Geschäft, zwei Kollektionen im
den zahlen- und ausrüstungsmässig überlegenen Gegner
Jahr sind die Normalität. Eigentlich gilt dieses Tempo nur für
durch überraschende Manöver in meist unwegsamem Ge-
die Produkte, nicht für die Verkaufsräume. Im Zuge von Gue-
lände und vielzähligen kleinen Attacken zu schwächen such-
rilla-Marketingstrategien hat aber auch die Modebranche die
ten. Als Guerilla-Marketing werden seit ungefähr 25 Jahren
Temporalität von Verkaufsräumen entdeckt. Ob Adidas, Le-
Marketingmassnahmen beschrieben, die ähnlich der militäri-
vis, Nike, mehr und mehr wird es üblich, für ein bestimmtes,
schen Guerilla mit wenig Ausrüstung (hier also wenig Geld)
hippes Produkt einen temporären Store zu eröffnen, der nur
und auf unwegsamem Gelände (also nicht in den üblichen
ein, zwei oder drei Monate besteht und dann wieder ver-
Werbekanälen) ihren Gegner (die Zielgruppe) zu erreichen
schwindet. Am weitesten geht bei der Verknappung der Prä-
versuchen. Dazu verlassen die Werber ihr angestammtes Ge-
senz das das Label Clemens en August. Wie ein fliegender
lände Print und TV und begeben sich in den urbanen Raum.
Händler reist es durch Deutschland und gastiert in den für die
Camouflage
sucht sich für diese «Gastspiele» aber Institutionen als Part-
Route ausgewählten Städten stets nur für drei bis fünf Tage,
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archithese 6.2007
Ein wichtige Massnahme von Guerilla-Kämpfern ist die Tar-
ner, die in der Zielgruppe ein positives Ansehen haben, bei-
nung: Sie dürfen nicht als Kämpfer erkannt werden. Auch
spielsweise eine Kunstgalerie. Die Exklusivität des Produktes
Guerilla-Marketing versucht, nicht als Marketing erkannt zu
generiert sich dabei nicht nur über den Faktor Geld (denn das
werden. Ein gern genutztes Instrument ist daher, eine aner-
Label ist, da es auf die üblichen, aber teuren Vertriebsstruk-
kannte Hülle für die eigentliche Marketingmassnahme über-
turen verzichtet, eher günstig), sondern über die Kenntnis
von Ort und Zeit. Die Guerilla-Strategie bringt also gegenüber den klassisch agierenden Wettbewerbern einen ökonomischen Vorteil – das Produkt kann billiger angeboten werden – und einen Imagegewinn. Die Zeitverknappung wird in einer Gesellschaft, in der Zeit für die Wohlhabenden das kostbarste Gut ist, zum Distinktionsmerkmal.
Ein neoliberales Prinzip Die Guerilla-Stores von Comme des Garçons sind die gegenwärtig wohl konsequenteste Umsetzung von Guerilla-Marketing in Shopkonzept und Retail Design. Der erste GuerillaStore eröffnete vor drei Jahren in Berlin. Ort war ein kleiner ehemaliger Buchladen am nördlichen Ende der Friedrichstrasse, abseits der touristischen Hotspots gelegen, aber dennoch gut erreichbar. Der ehemalige Buchladen wurde
müssen auch die Stores flexibel sein. Zudem sind die ausge-
nicht aufwendig saniert, sondern nur mit dem Notdürftigsten
wählten Orte und die Einrichtungen sehr ausgefallen: Wer
umgerüstet. Er folgte damit einer Zwischennutzungstrate-
kein oder nur sehr wenig Geld ausgeben will, muss andere
gie, wie man sie insbesondere in der Berliner Kulturszene
gestalterische Wege gehen als wie sie mit den üblichen, glat-
häufig antrifft: mit wenig Geld, um ihn als Galerie oder Ar-
ten und ästhetisierten Oberflächen des gängigen Retail De-
beitsraum zu nutzen. In die Einrichtung des Guerilla-Stores
signs beschritten werden: In Reykjavík befindet sich der
wurden 3000 Euro investiert – für ein Modegeschäft eigent-
Guerilla-Store im Industriehafen, aus dem Fenster sieht man
lich eine lächerlich geringe Summe, hier aber bewusstes Prin-
Hochseeschiffe, und die Kleider werden nicht in teuren Re-
zip und Abgrenzungsstrategie. Zu kaufen gab es in diesem
galen, sondern auf standardisierten Europaletten präsentiert;
Store Kleidungsstücken der aktuellen Comme-des-Garçons-
in Singapur ist der Guerilla-Store in einem Industrielager
Kollektion, Second Season / Vintage (also Reste früherer Kol-
untergebracht, in Köln in einer ehemaligen Schlachterei – die
lektionen) und Sondereditionen, die es in normalen Geschäf-
teuren Kleidungsstücken hängen an alten Fleischerhaken.
ten nicht zu kaufen gibt. Besonderes Highlight: Alle zwei
Gestaltung, die anders ist als das, was man kennt; die glo-
Wochen wurde der Warenbestand komplett ausgetauscht.
bale Marke bekommt ein lokales Gesicht. Für die globale
Der Berliner Guerilla-Store war so erfolgreich, dass daraus ein
Comme-des-Garçons-Community ein spannendes Erlebnis:
eigenes Shopmodell wurde, mit Guerilla-Stores in der ganzen
Wo finde ich einen Guerilla Store, wie ist er gestaltet, und
Welt: Athen, Barcelona, Basel, Glasgow, Helsinki, Hongkong,
welches Vintage-Produkt kann ich hier noch bekommen?
Köln, Kopenhagen, Ljubljana, Reykjavík, Singapur, Stock-
Doch nicht nur ästhetisch folgen die Guerilla-Stores den
holm, Warschau. Alle Stores sind nur temporär, ändern nach
Prinzipien kultureller Szenen, bei denen die Zwischennut-
spätestens einem Jahr ihren Ort, ihr Ambiente, ihre Einrich-
zung ökonomischen Zwängen geschuldet ist. Es werden auch
tung. In einer Welt, in der alles schnell und vergänglich ist,
die ökonomischen Funktionsweisen der kulturellen Zwischen-
1 Guerilla Store Köln (Fotos:Comme des Garçons)
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ARCHITEKTUR AKTUELL
Vom Strom zur Bewegung
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BLUE ARCHITECTS / GRAMAZIO & KOHLER : TANZHAUS ZÜRICH, 2007
Eine ehemalige Umformerstation oberhalb der
1 Aussenansicht Strassenseite (Fotos: Roman Keller)
Limmat ist transformiert worden: Nun finden
2 Strassenansicht bei Nacht
sich dort gewerblich und kulturell genutzte
3 Foyer und Empfang
Räume. Die Eingriffe wurden mit sparsamen
4 Korridor und Aufenthaltsbereich für Tänzer im Dachgeschoss
Mitteln unternommen, sodass die Geschichtlichkeit des Gebäudes nicht eliminiert wird. In der ehemaligen Umformerstation der Elektrizitätswerke Zürich (EWZ ) am Unteren Letten wird heute kein Strom mehr umgewandelt – sondern gearbeitet, trainiert und getanzt. Die beiden Architekturbüros blue architects und Gramazio & Kohler
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sanierten das Gebäude jedoch auf so behutsame Weise, dass die Spuren der Vergangenheit sichtbar bleiben. 1908 von Stadtbaumeister Friedrich Fissler im Auftrag der EWZ errichtet, beinhaltete die Umformerstation ursprünglich Transformatoren, die den im Wasserwerk Letten produzierten Strom in Netzspannung umwandelten. Mit seinem imposanten Walmdach und den hohen, in Naturstein gefassten Bogenfenstern verkörperte das repräsentative Gebäude den damaligen Stolz auf technischen Fortschritt. Im Laufe der Zeit ging dieser Ausdruck verloren, nach mehreren Eingriffen wirken die Gebäudeproportionen etwas behäbig.
Wechselnde Nutzer Die ersten Umbaumassnahmen führte der MigrosGenossenschaftsbund durch, als er die Liegenschaft in den Dreissigerjahren des vorigen Jahrhunderts erwarb. Um Platz für Garagen und Lagerräume zu schaffen, wurden in die strassenseitige, mehrgeschossige Halle Zwischenböden
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eingezogen. Eine weitere Veränderung folgte in den Sechzigerjahren. Nachdem ein Brand das imposante Walmdach zerstört hatte, erhielt das Gebäude mit einem nüchternen, etwas unförmigen Satteldach seine heutige Erscheinung. Die Stadt kaufte die Liegenschaft von der Migros zurück und nutzte sie für gewerbliche Zwecke – neben einer Keramikwerkstätte fanden eine Werbeagentur und verschiedene Ateliers Platz. Den leer stehenden, unbeheizten Dachstock entdeckte vor rund zehn Jahren das im Nachbargebäude untergebrachte Tanzhaus Zürich. Auf der Suche nach zusätzlichen Übungsräumen waren die Tänzer von der Atmosphäre des Dachstocks so begeistert, dass sie diesen trotz starker Temperaturschwankungen und der viel zu niedrigen Raumhöhe als Übungssaal nutzten. Auch die umgebauten Räume der ehemaligen Keramikwerkstätte im Untergeschoss nahmen sie in Beschlag. Als vor ein paar Jahren die Werbeagentur als ehemalige Hauptmieterin auszog, nutzte die Stadt
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