archithese
6.2011
Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur
Das Feste und das Fest
International thematic review for architecture
Räume des Spektakels Spanish Fiesta as a political urban tool Eucharistische Blickmaschinen des Barock Festliches Licht Gesichtsverlust der Architektur Bühnenzauber und Liebestod – Olympia 1936 Höhenrausch.2 Rummelmanifest Jane’s Carousel, Jean Nouvel Stadtfeste in Indien Monsoon Club, Serie Architects Zwanzig Jahre Clubkultur in Berlin Diller Scofidio + Renfro Lincoln Center, New York Max Dudler Erweiterung und Umbau Hambacher Schloss
Festarchitekturen Architecture & Celebration
Editorial
Festarchitektur Auf den ersten Blick mag es erstaunlich erscheinen, fernab der Zeiten einer Hochkonjunktur ein Heft über Feste vorzulegen – steht doch das Fest im allgemeinen Verständnis für Überschwang, Opulenz, Luxus und Müssiggang und benötigt einen zu feiernden Freudengrund. Doch nicht allein weil dieses Heft in die Weihnachtszeit fällt, sehen wir die Wichtigkeit, einmal das Fest und seinen architektonischen Ausdruck im weitesten Sinne zu untersuchen. Die das Jahr 2011 markierenden Protestwellen bezeugen, dass das öffentliche Fest keineswegs von der Welt losgelöst ist, sondern im Gegenteil hochpolitischer Ausdruck. Das Hambacher Fest aus der Zeit des deutschen Vormärz (1832) und die Fête de la Fédération zum ersten Jahrestag des Sturms auf die Bastille (1790) verankern diese Beziehung in der Geschichte. Wenn Politik für das Volk wichtiger wird, so gibt es Gründe für Zusammenkünfte, für Feiern und Proteste. Doch wie steht es um die Relevanz des Festes in Bezug auf die Architektur? Bislang wurde das Fest in seiner Bedeutung zumeist auf Pavillons, Expos und das gegenreformatorische barocke Zeitalter reduziert. In diesen Refugien war das Fest erlaubt, hier wurde es isoliert von der ernsten, eigentlichen Architekturproduktion – und somit seiner Relevanz entkleidet. Wer Farbe, Rausch und Flüchtigkeit suchte, durfte sich in die Geschichte retten oder sich auf den zeitgenössischen Festwiesen tummeln. Diese Isolationshaft steht im Widerspruch zum landläufigen Verständnis: Feste sind überwiegend positiv konnotiert, markieren Momente des Erfolgs – wenn auch mitunter verschleiert vom Kater danach. In der Architektur allerdings herrscht schon davor Katharsis: statt Rausch die graue Stadt. Doch würde jemand auf die Frage nach der Lieblingsfarbe antworten: Grau? Dazu geschlossene Körper, geprägt von Gitter- und Lochfassaden: ähnlich unattraktive Worte, die wir wählen, um vermeintlich städtische Ideale zu bezeichnen. Warum also wird das farbige, bunte, geschwungene Fest mit seiner heiteren Musik, mit seinem Schmuck, mit seinem Glanz, mit der Hingabe zum Ausdruck, mit seinem Luxus – mal teuer, mal billig imitiert – nicht mehr in die Architektur gelassen? Wegen der fehlenden Seriosität? Wegen stilistischen Querulantentums? Früher bildete sich der Lorbeerkranz als Festschmuck für städtische Paraden dauerhaft im steinernen Ornament der repräsentativen Fassaden ab – es war der Höhepunkt im Ausdruck wie im Leben, den es zu erhalten gab. Dieses Heft hat zum Ziel, den kreativen, stilistisch unzensierten Reichtum wieder etwas näher an die Architektur heranzuführen. Architektur ist keine hermetisch-autistische Disziplin und unterliegt keinem dauerhaften Stildiktat. Sie hat eine enge Beziehung zum Menschen und ist daher ebenso veränderlich. Kaum anderswo ist der freie menschliche Schaffensausdruck so direkt und gleichsam virtuos wie im Fest– es wäre verächtlich, dies nicht ernst zu nehmen. Die Redaktion wünscht frohe Festtage! Redaktion
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Architektur und Fest (Montage: Hannes Mayer)
ARchitektur Aktuell
Superblock für die Hochkultur
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1 Blick über die North Plaza in Richtung Hypar Pavilion. Im Hintergrund die Juilliard School (Fotos 1, 4 –10: Iwan Baan)
Das Lincoln Center nach den Eingriffen von Diller Scofidio + Renfro
Das Lincoln Center krankt am eigenen Massstab und seiner Monofunktionalität. Wenn er nicht dem abendlichen Opern- und Konzertpublikum als Aufmarschplatz dient, ist der architektonisch autistische Komplex sich selbst überlassen. Seine Therapie durch Diller Scofidio + Renfro erfolgte nicht ohne Komplikationen: Ehrgeizig, jedoch verzettelt führen ihre Massnahmen zu Konflikten mit der dem spätmodernen Ensemble eigenen Festlichkeit. Elizabeth Diller und Ricardo Scofidio blicken auf eine lange, New-York-typische Architektenkarriere zurück: Ihre Arbeit bewegte sich im Bereich von Installation und Bühnenbild, zuweilen im Dunstkreis von Konzeptkunst, Performance und Mode. Beide an der Cooper Union ausgebildet und während der Ära John Heyduk lange an der Schule lehrtätig, besetzten sie erfolgreich eine Nische innerhalb der geschützten Zone, wie sie für grosse Teile einer vor allem akademisch tätigen Architektenszene in den USA bestimmend war und immer noch ist. Doch in den vergangenen Jahren haben sich Diller + Scofidio, seit 2004 verstärkt durch ihren Partner Charles Renfro, als ein Büro durchgesetzt, das grosse öffentliche Aufträge wie das 2006 fertiggestellte Boston Institute of Contemporary Art durchführt. Als Wendepunkt von kleinen zu grossen Aufträgen kann das Blur Building in Yverdon-les-Bains, das Wahrzeichen der Expo.02., gesehen werden, mit dem Diller + Scofidio gleichsam in Kontinentaleuropa erste Bekanntheit erlangten. Im gleichen Jahr gewannen sie einen Studienauftrag zur Sanierung und Ergänzung des Lincoln Center in Midtown Manhattan. Als Standort der Metropolitan Opera bekannt, handelte es sich bei seiner Realisierung zwischen 1959 und 1969 um das weltweit grösste Zentrum für darstellende Künste. Rund um das Opernhaus als monumentalem Herzstück wurden damals Balletttheater, Philharmonie, Kammermusiksaal, Musikkonservatorium, Ballettschule und ein weiteres Sprechtheater sowie die Library for the Performing Arts zu einem spätmoder-
nen Superblock vereinigt. Im Süden schliesst ferner der Campus der Fordham University an, die hier in den Fünfzigerjahren die Gelegenheit erhielt, vom entlegenen Standort im Stadtteil Bronx nach Manhattan zu überzusiedeln. Trotz dieser Nutzungsmischung blieb das Lincoln Center stadträumlich stets isoliert und unnahbar. Die mit Solitärbauten bestückte Plaza über einem Garagensockel verkörperte das strahlende Bild der kurzen Blüte technokratischer Stadtplanung in den USA. Von einem schillernden Team entworfen, 15
YES, WE PARTY
Spanish Fiesta as a political urban tool It is normally thought that Spain is always partying. In the collective imaginary of western culture, Spain is the sanctuary of homo ludens, the land where parties proliferate on almost every corner and major public events are held to celebrate anything imaginable: the festivity of a certain Saint, the harvest of grapes, the three Wise Men, the feast of a Virgin, the Spring Festival, Carnival, Easter, the April Fair, May Cross, the Patios festival, Corpus Christi ...
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Authors: Francisco González de Canales and Nuria Álvarez
bulls, throwing tomatoes like crazy in the Tomatina or firing
Lombardero with María Aguilar Alejandre
noisy bangers to scare the kids in Fallas. In the conscious-
Spain is a monstrosity in light of the political correctness
ness of Europe, Spain represents a mix of sensuality and re-
and glorified labour efficiency of unified Europe. The western
pulsion, a forgotten Dionysian rite that seems to bring back
corner of Europe – where Hercules left his columns to mark
the dark origins of Mediterranean civilization, where disgust
the end of the world – has become a repository for the inad-
and truth are difficult to separate.
missible, gathering together everything that may disturb and
If this monstrous Spain were to be named the Cyclops of
disrupt what is commonly accepted as good, balanced, rea-
Europe, Andalusia would be its eye. At the heart of Spain’s
sonable and appropriate. Spaniards are commonly imagined
most celebrated folklore, Spaniards complain about Anda-
as lying lazily half naked under the sun, drinking cheap tinto
lusia as much as they do about the economic crisis. How
de verano, speaking loud, sweating for hours under strident
is it possible to have all these endless parties, more public
music, and preferably restraining themselves from doing any-
holidays than any other region, while having staggering un-
thing of profit for as long as possible. Visitors to Spain expect
employment rates? It is a shame for the country! A Catalan
to merge into the crowds of popular celebrations, running
politician said quite recently that the ruin of Spain was that
totally drunk and dirty through towns followed by San Fermín
Andalusians were always at the bar. Soon buried beneath a
1 Tomatina in the Village of Bu˜nol (Photos 1, 3, 4, 8 – 12: Archive Francisco Gonzáles de Canales) 2 Women in typical Sevillana dresses in front of the «casetas» at the Feria de Abril in Seville 2006 (Photo: REUTERS / Marcelo Del Pozo) 3 + 4 Feria de Abril, Seville
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Ephemere Präsenz
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Zu eucharistischen Blickmaschinen des Barock In den Jahren 1640 und 1646 inszenierten die Jesuiten in der römischen Kirche Il Gesù das Sakrament der Eucharistie mithilfe aufwendiger Festarchitekturen. Diese sogenannten Quarant’oreApparate waren festlich mediale Anreize für einen sanktionierten Animismus, der auf die Verteidigung der durch den Protestantismus angegriffenen Realpräsenz Christi fokussierte und nebenher kirchenpolitische Inhalte transportierte.
Text: Joseph Imorde 1640 liess eine jesuitische Kongregation zum hundertsten Jahrestag der Bestätigung des Ordens in der römischen Kirche Il Gesù eine besonders aufwendige Festarchitektur errichten – eine Attraktion, die die Gläubigen während des römischen Karnevals von den Vergnügungen der Strasse abziehen und den Gnadenquellen der Katholischen Kirche zuführen sollte. Im Zentrum des riesigen Aufbaus stand der real präsente Christus in Form einer konsekrierten Hostie. Die gesegnete Brotscheibe wurde für vierzig Stunden – für quarant’ore – zur Anbetung – ausgesetzt, wie es heisst. Der
apparato oder auch die machina, die ein zeitgenössischer Stich zeigt, war circa 40 Meter hoch, 35 Meter breit und 15 bis 20 Meter tief und füllte damit den gesamten Chor der römischen Jesuitenkirche aus. Der Aufbau bestand vor allem aus kunstvoll in die Tiefe gestaffelten Leinwänden, die an einer komplex organisierten Tragkonstruktion befestigt waren. Was die Begriffe apparato oder machina für diesen und andere vergleichbare Prospekte 46 archithese 6.2011
späterer Jahre rechtfertigte, war die Tatsache, dass hinter den farbig gefassten Leinwänden unzählige Lichter verborgen waren, die dafür Sorge zu tragen hatten, den für das vierzigstündige Gebet gänzlich verdunkelten Kirchenraum scheinbar aus einem einzigen Punkt zu beleuchten, nämlich aus der Eucharistie. Wie man dem zum Anlass erschienenen Festbericht des Autors Antonio Gerardi entnehmen kann,1 kamen mehr als viertausend Lichter zum Einsatz. Dabei handelte es sich einerseits um Kerzen, deren Schein die teilweise diaphanen Leinwände – ähnlich wie etwa bei den späteren Dioramen – von innen erhellten, und andererseits um unzählige Öllampen, die ihr durch Spiegel verstärktes und teilweise durch farbige Glasscheiben temperiertes Licht auf die tiefer liegende Bildschicht werfen sollten. Wie diese Lichtführung und damit auch Blicklenkung vorgenommen wurde, lässt sich einem Lehrbuch zur Perspektivmalerei entnehmen, nämlich der perspective practique des französischen Jesuiten Jean Dubreuil, das zwischen 1642 und 1649 in drei Bänden erschien.2 In einer Illustration des dritten Bandes findet sich die schematische Anleitung zur Herstellung eines Altaraufbaus, die bemerkenswerterweise auch den Aus- oder besser vielleicht Einblick in eine mit Engeln besetzte Wolkenszenerie zeigt. Antonio Gerardi berichtete in seiner achtseitigen Relatione del solenne Apparato vor allem von dem Erfolg, den
diese riesige Blickmaschine beim gläubigen Publikum hatte. Eröffnet wurde das Quarant’ore-Gebet am Sonntag, dem 17. Februar 1640, mit einer Messe, in der man die später anzubetende Hostie in feierlichster Weise konsekrierte. Vor siebzehn Kardinälen und einer gewaltigen Menschenmenge senkte sich nach dem Gottesdienst ganz langsam ein Vorhang aus roter und gelber Seide herab, um den Blick auf die strahlende machina und vor allem auf die in der Mitte ausgesetzte Eucharistie freizugeben. Um die Wirkung des künstli-
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chen Lichtes zu verstärken, wurden, noch während der Vorhang fiel, in der Kirche alle Fenster mit schwarzen Tüchern verhängt. Was dem Berichterstatter besonders auffiel, war die Tatsache, dass von den mehr als viertausend Lichtern
wohldurchdachte und symmetrisch angelegte Konstruktion
kein einziges vom Kirchenschiff aus zu sehen war. Allein
kam da zum Vorschein, die die privilegierten Betrachter be-
das Durchscheinen und der Widerschein des den Gläubigen
sonders durch die Anlage der verschiedenen Ebenen und
wortwörtlich verborgenen Lichtes erhellte das Gotteshaus,
durch die diversen Vor- und Rücksprünge der Gemälde in
wobei es schien, als sei die Eucharistie die sonnengleiche
grösstes Erstaunen versetzte. Bewundernswürdig fand man
Quelle dieser Helligkeit.
auch die vielen wohl angeordneten Treppen, die einerseits
Um die beeindruckende Lichtwirkung der wie aus sich
den Helfern erlaubten, ihrer Arbeit vollkommen unbemerkt
selbst heraus leuchtenden machina für die Zeit des Gebets
vom Publikum und weitestgehend geräuschlos nachzugehen,
aufrechtzuerhalten, waren mehr als vierzig Personen ange-
andererseits aber den Besuchern ermöglichten, alles genau
stellt worden. Deren Aufgabe bestand zum einen darin, die
in Augenschein zu nehmen und selbst die Decke des Gesù
vielen Kerzen zu ersetzen und die Öllampen immer wieder
zu berühren.
nachzufüllen, doch waren sie zum anderen auch dazu aufge-
1 Niccolò Menghini: Quarant’ore-Apparat in der Kirche Il Gesù, Rom 1640 (Abbildungen: Archiv Joseph Imorde) 2 Illustration aus: Jean Dubreuil, La perspective practique, III, Paris 1649
Was der Prospekt dem betenden Normalgläubigen inhalt-
boten worden, Wache zu halten, um im Falle des Falles das
lich darbot, war die bekannte biblische Historie vom zwei-
Ausbrechen einer Feuersbrunst rechtzeitig zu verhindern.
ten Herabsteigen Moses’ vom Berge Sinai, aufzufinden im
Nicht wenigen hochgestellten Persönlichkeiten – so wusste
Kapitel 34 des Buches Exodus. Auf dem Berg hatte der in
der Berichterstatter – war es ermöglicht worden, einen Blick
einer Wolke verborgene Gott Moses vierzig Tage und vierzig
hinter die Kulissen des kolossalen teatro sacro zu werfen.
Nächte lang die Zehn Gebote in die Gesetzestafeln meisseln
Dieser Blick auf die innere Organisation verzauberte dabei
lassen, was deutlich genug auf die vierzig Stunden des Ge-
ebenso wie der auf das äussere Erscheinungsbild, denn eine
betes anspielte. Bemerkenswerterweise wurde der in der 47
Bühnenzauber und Liebestod Die Olympischen Spiele in Berlin 1936 Das heissblütig-freudige Fest des höfisch-luxuriösen Überschwangs als Ausdruck der Überlegenheit wandelte sich mit dem Propagandawerk des Dritten Reichs zu einer kühl-perfektionistischen Stimmungsproduktion unter Regie von Riefenstahl und Speer. Freudlos, aber beindruckend.
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Text: Florian Dreher Mit der Entscheidung des IOC von 1931, die Olympischen Spiele nach Berlin zu vergeben, sollte der jungen Demokratie der Weimarer Republik der Wiedereinstieg in die Völkergemeinschaft nach der Niederlage des Ersten Weltkriegs erleichtert werden. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten durch die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler 1933 sollte aus heutiger Warte diese hehre Vorstellung alsbald durchkreuzen. Nach anfänglichem Desinteresse formierten sich rasch Pläne, aus den Sportwettkämpfen eine gigantische Propagandainszenierung der nationalsozialistischen Ideologie zu veranstalten: Als Austragung von Wettkämpfen boten die Spiele jene Bühne, auf der Nazi-Deutschland gegenüber den anderen Nationen die vermeintliche Stärke und Überlegenheit der arischen Rasse demonstrieren konnte. Kurz zuvor war Sport integraler Bestandteil des NS-Körperkults und des Rassenwahns vom «neuen arischen Menschen» geworden. Als spielerisches Instrumentarium wurde die sportliche Betätigung in den Alltag von Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädel, eigentlich zur Kriegsvorbereitung, eingeführt – Kampfeswille und Siegesdurst wurden antrainiert. Von der wiedergekehrten militärischen Grösse Deutschlands konnte man sich bereits 1935 beim Testeinsatz im Spanischen Bürgerkrieg zur Unterstützung General Francos überzeugen. Preussischer Stil oder: Neue Ruinen für den Führer
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Auf den Fundamenten des Deutschen Stadions aus dem Kai-
Klenze den Preussischen Stil – wie zuvor von Arthur Moeller
serreich sollte nun im Westen Berlin-Charlottenburgs nach
van den Bruck in seiner 1931 erschienenen Publikation gefor-
Plänen von Werner March die neue zentrale Austragungs-
dert – zum Nationalstil zu erheben. Mit Friedrich Gillys legen-
stätte für die Olympischen Spiele entstehen. Marchs Entwurf
därem Denkmal für Friedrich den Grossen auf dem Leipziger
einer filigranen Stahlbetonkonstruktion genügte in seiner
Platz wurde das Sinnbild jenes neuen Ideals gefunden, wor-
Anmutung und Wirkung jedoch nicht dem neuen Selbstver-
auf sich die Staatsarchitektur des NS-Regimes beziehen sollte.
ständnis einer Architektur für das Tausendjährige Reich. Al-
Gillys Entwurf gebliebenes Glanzstück strotzt vor steinerner
bert Speer, nach dem Tode Ludwig Troosts inzwischen zu
Kraft durch seine grossen und klaren Kubaturen und findet
Hitlers Reichsarchitekt aufgestiegen, bewirkte, dem Stadion
seine Anklänge in der französischen Revolutionsarchitektur.
durch eine nachträgliche Granitverkleidung das monumen-
Stellt man Speers neoklassizistische Planungen in den inter-
tale Antlitz einer antiken Arena zu verleihen. In seiner neuen
nationalen Kontext, so finden sich Parallelen unter anderem
Erscheinung folgte es in Ausdruck und imposantem Ewig-
zu den Projekten des französischen Beaux-Arts-Architekten
keitsanspruch Speers Verständnis einer Ruinenästhetik von
Paul Cret. Dessen bekanntestes Bauwerk, die Federal Re-
1 Arthur Grimm, Die Deutsche Olympia-FilmExpedition 1936. Leni Riefenstahl dreht ihren Film in Griechenland. Fackelläufer auf dem Weg, Kameras in Position (© bpk, United Archives, Arthur Grimm) 2 Leni Riefenstahl, Das Blaue Licht, 1932 (Foto: Archiv Florian Dreher)
serve Bank in Washington, ist ebenfalls geprägt von der Re-
erhabener Grösse. Albert Speer, ehemaliger Assistent von Heinrich Tessenow an der Technischen Hochschule Charlottenburg, sah
duktion auf eine massig-klare Volumetrie (starved classicism); der liebliche Festschmuck weicht kerniger Monumentalität.
sich als Architekt in der Nachfolge Schinkels und als dessen
Speers Anfänge als Regimearchitekt waren anfangs noch
legitimen Erben, denn kein weiterer Architekt nach Schinkel
weit von der Ewigkeit entfernt – er baute vielmehr Improvisa-
hätte bisher einer Epoche seinen Gestaltungswillen in dieser
tionsarchitekturen für Kundgebungen und Aufmärsche. Als
Pracht und Blüte aufzwingen können. Er verpflichtete sich
Empfehlung an den Führer und gleichzeitig Erstlingswerk
der Tradition der Berliner Klassizisten und versuchte durch
fertigte Speer 1933 für die Kundgebung auf dem Tempelho-
die Abkehr vom Münchener Klassizismus eines Leo von
fer Flugfeld einen Tribünenentwurf an, welcher – architek-
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Rummelmanifest Bunte Hunde oder: Entwerfen im Discofieber
Text: Hannes Mayer, Fotos: Oliver Godow Gedankt sei dem anonymen Dunkelarchitekten, der mich auf einer «Architektenparty» darauf hinwies, dass ihm «Leute, die Pullis mit bunten Querstreifen tragen, suspekt sind». Eine modische Urangst, Entsprechung der sprachlich unsauberen Gleichung: Wer nicht baut, ist kein Architekt; stattdessen: Zirkusdirektor! Sofortige Erleichterung im Gesicht des anderen, Entspannung – keine Gefahr für die Profession, Vermutung bestätigt. Der Rummel ist dem Zirkus verwandt, allerdings ist man selbst das Tier, das eingespannt in hydraulische Apparaturen Kunststückchen vollführt. Aus der Sicht akademischer Stilkunde steht der Rummel deshalb für tierischen Geschmack. Dabei zeigt der Rummel ein durchaus menschliches Antliz im Vergleich zum Stein als Haus. Der Rummel lebt, er bewegt sich in seinen Attraktionen dank Gelenken wie Skelette, er ist mobil und reist. Er ist nicht geruchlos – duftet und stinkt, wäscht sich manchmal tagelang nicht und riecht nach süssem Puder. Er ist weich an der Oberfläche und verführerisch, manchmal kleidet er sich geschmacklos und manchmal ist er gar nackt. Er ist einladend und offen, laut und reisserisch, leuchtet, strahlt, glänzt, blitzt – und er ist äusserst sozial und inklusiv, er richtet sich an alle Klassen; erlaubt Reichtum und Vergnügen für Jedermann. Architektonisch betrachtet ist der Rummel ein Teil seiner selbst: Tombola – viele Nieten, einige Hauptpreise. Sein grösster Vorteil ist, dass er alles hat: Form, Bewegung, Sinnlichkeit und Ingenieursleistungen, die jeden Statiker erblassen lassen, denn: Nichts ist statisch, alles ist in Bewegung, fährt in den Magen – der Kritiker muss kotzen. Der Rummel fristet fälschlicherweise ein Schattendasein, vermutlich weil die meisten Kritiker von ängstlicher Natur sind und schlechte Tänzer dazu. Schliesslich löst der Rummel das grösste Mysterium im Verhältnis von Architekturproduktion zu -produkt: Gestaltet von der Armee der Architekten, Kopfhörer auf, Musik tagein, tagaus, marschiert die graue Lochfassade in die Welt. 1, 2, 1, 2 und wir suchen die Musik, sie dröhnt auf dem Rummel, Flash Gordon approaching. Rummel ist die Heilung vom professionellen Stumpfsinn. Rummel ist das YEAH! der Architektur; man muss schreien, wenn es abwärts geht.
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