archithese 6.12 - Architektur  / Architecture

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archithese

6.2012

Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

Jacques Blumer: «Yes, Anna, there is a Santa Claus»

International thematic review for architecture

Luigi Snozzi: Es lebe der Widerstand Mario Botta: Architettura e Spazio Sacro Truman Show: Das Vermeintliche der Schweiz Georgien – Architektur der modernen Seidenstrasse Benedikt Boucsein: Architektur und Modus Hannes Stiefel: Der Auftrag Under Tomorrow’s Sky: A fictional city of the future Grafton: Approaching the unknown from the common The Dissimulating Façade Die gesellschaftliche Dimension der Architektur Erlösungs- und Verdammungsarchitekturen Markus Lüscher: Die Insel einer Insel Autonome und absolute Architektur Die Geschichte des IAUS, New York Ein Abschied mit Rückblick und Ausblick Restaurierung des Hauses Tugendhat, Brünn Eun Young Yi Stadtbibliothek Stuttgart 6. Architekturgespräch in Einsiedeln Anna Viebrock: Das Mansion am Südpol

Architektur / Architecture


EDITORIAL

Architektur «Architektur und ...» Eines Tages stellten wir fest, dass wir als Redakteure an Architektur interessiert sind, aber sie nie zum Thema machen. Dabei ist es Architektur, worüber wir schreiben und nachdenken wollen; Architektur ist, was wir verändern, verbessern wollen, wofür wir uns verantwortlich fühlen. Wir sind keine Anhänger der Idee einer autonomen Disziplin, aber wir sind auch nicht allein am Digitalen, am Material, an einer Zeichnung, an einem Bild interessiert – es sei denn, es geht eine intensive Beziehung mit der Architektur ein oder könnte eine solche eingehen; könnte selbst zur Architektur werden. Wir sind auf der Suche nach Impulsen, die den Weg der Architektur fortschrei-

In eigener Sache:

ben. Dennoch – und da sind wir vielen Architekturzeitschriften ähnlich – fühlen

Nach 15 Jahren verlässt unser Redaktor Hubertus Adam mit

wir die ständige Notwendigkeit, bei der Themenwahl der Architektur etwas hin-

diesem Heft die archithese, um seine neue Herausforderung

zuzufügen oder im Detail zu suchen: Architektur und Kunst, Architektur und

als Direktor des Schweizer Architekturmuseums anzuneh-

Biologie, Architektur und Ingenieur, Architektur und Alkohol, … Alternativ wird

men. Auf Seite 86 blickt er auf seine Zeit bei der archithese

das Thema auf ein Fragment oder Element, auf ein Material, Dächer, Scripting,

zurück. Trotz seines Abschieds wird er uns und Ihnen als

Farbe, eine Funktion reduziert – als ob die jeweiligen Elemente unabhängig be-

Autor der archithese erhalten bleiben. Wir danken Hubertus

trachtet werden könnten. So entstand die Idee, ein Heft «nur» über die Architektur

für den langjährigen leidenschaftlichen Einsatz und wün-

zu machen, um unseren Enthusiasmus dafür zu verdeutlichen und das häufig

schen ihm für die neue Aufgabe viel Kraft sowie weiterhin

bemängelte Selbstbewusstsein unseres breit angelegten Metiers zu stärken.

Visionen und Scharfsicht für eine prägnante Themensetzung.

Handelt es sich also um das ultimative Heft? Zumindest versuchen wir die Profession in ihrer Gesamthaftigkeit zu verstehen, um der Verunsicherung durch eine sich rasant entwickelnde Spezialisierung als Resultat einer fortschreitenden Professionalisierung entgegenzuwirken. Zu beobachten ist hierbei eine konservative Tendenz, welche sich an den Begriff der Disziplin klammert und so den Herausforderungen aus zwei Jahrzehnten Globalisierung zu begegnen versucht. Doch kann diese Rückbesinnung auf den klassischen Begriff der Architektur die Entwicklung aufhalten? Oder ist es möglicherweise allein eine Illusion, welche den Fortschritt, die Macht der Veränderung zu kaschieren versucht – wie jüngst auf der Biennale geschehen? Architektonische Meisterwerke mögen dennoch eine Hilfestellung bieten, denn sie verdeutlichen uns, dass Architektur tatsächlich berühren kann, die Wirkung der Architektur spürbar ist, einen Wert erhält und dass diese Qualität nicht allein der Traum von nach Weltmacht strebenden Architekten ist. Das weist auf die innige Beziehung von Mensch und Architektur hin und führt zur sozialen Dimension der Architektur, ohne die letztlich auch die Form ihre Legitimität verliert. Hilfreich ist darüber hinaus der Blick auf das, was misslang, auf das schlecht Bewertete – ermöglicht es doch oft Einblicke in das dahinterstehende, solche «Leistungen» begünstigende System. Darüber hinaus werden unterschiedliche Begriffe und Kategorien genauso wie die Kunst des Entwerfens untersucht. Letztere wirft die Frage auf, was denn heute den Unterschied zwischen Bauen und Architektur ausmacht. Was und wer gehört also noch zur Profession der Architektur? Und welche Rollen spielen dabei die Schulen, Universitäten und die Ausbildung? Bedeutet die jungen Generationen zu unterrichten, einen Blick in die Zukunft zu erhaschen – oder nur Wissensvermittlung? Findet man die Zukunft mittlerweile gar in der Praxis, also am anderen Ende? archithese fragt, was Architektur ist und sein könnte. Wo fängt die Architektur an und wo hört sie auf? Die Redaktion

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ARCHITEKTUR AKTUELL

Ich baue um der Architektur Willen

1

ZUR RESTAURIERUNG DES HAUSES

Elemente in Erscheinung: einem künstlichen Pla-

nen Tisch in der Bibliothek zu, der wie der Schreib-

TUGENDHAT

teau, einer Dachplatte über einer Stütze, einer

tisch des Hausherrn erscheint, doch öffnet sich

Das von Mies van der Rohe entworfene Haus

nichttragenden, membranhaft gespannten Milch-

plötzlich eine weiträumige Wohnlandschaft. Durch

strahlt wieder in neuem Glanz – als sei es

glaswand sowie einem monumentalen Kamin-

die Möglichkeit, die Glaswände per Knopfdruck in

gerade erst erbaut. Nach langem Ringen

schacht.

den Boden zu versenken, lässt sich auch dieser

hatte sich die Position durchgesetzt, sämt-

Gottfried Semper hatte in seinem Buch Die vier

zentrale Raum in eine offene Terrasse transformie-

liche zerstörten Elemente akribisch nach-

Elemente der Baukunst die Elemente «Erdaufwurf

ren. Der Raum erscheint als ein Gesamtkunstwerk,

zubilden, sodass nicht mehr erkennbar ist,

oder Terrasse», «Dach», «Wand» und «Herd» mit

da Haus und Möblierung als Einheit konzipiert

was neu und was alt ist. Die musealisierte

jeweils unterschiedlichen Materialien in Beziehung

sind. Mies entwarf nicht nur speziell für diesen Bau

Architektur wird zur Ausstellung – und

gesetzt. Auch wenn nicht zu klären ist, inwieweit

eigene Möbel wie den Brno-Stuhl und den Brno-

sie stellt sich selbst aus.

sich Mies mit dieser Theorie auseinandergesetzt

Sessel, sondern legte auch deren Platzierung fest.

hatte, kann sie dennoch helfen, seine Architektur

Sogar der runde Esstisch ist im Boden verankert.

Autor: Carsten Krohn

zu analysieren. Auch bei der Neuen Nationalgalerie

Über den Bauherrn äusserte sich Mies später:

Das an einen steilen Hang gebaute Haus kehrt dem

sind Podium, Dach, Glaswand und Versorgungs-

«Er sagte, dass er den offenen Raum nicht möge;

öffentlichen Strassenraum den Rücken zu. Die

schächte, welche durch Metallgitter wie zwei riesi-

es wäre zu störend; Menschen wären zugegen,

Öffnung des Bauwerks zum Garten ist so kompro-

ge Kamine erscheinen, klar voneinander abge-

wenn er sich mit seinen wichtigen Gedanken in der

misslos umgesetzt, dass sich die Zugangsseite

setzt. Semper hob den nichttragenden Charakter

Bibliothek aufhielte. Er war ein Geschäftsmann,

komplett vor Einblicken abschottet. Sogar die

der Wand hervor. Dach und Tragwerk stellen das

glaube ich. Ich sagte, gut, wir werden es auspro-

Haustür liegt versteckt. Dennoch geht von der

gleiche Element dar, während das Wesen der

bieren. Falls er es wünsche, könnten wir die Räume

Zugangssituation eine Sogwirkung aus, denn es

Wand einen textilen Ursprung habe. Semper

auch wieder schließen. Wir könnten Glaswände

wird ein gerahmtes Panorama präsentiert, mit ei-

schrieb: «Die Ausdrücke Wand und Gewand sind

einbauen. Das wäre das gleiche. Und wir testeten

nem Ausblick über die Dächer der Stadt bis zur weit

einer Wurzel entsprossen. Sie bezeichnen den ge-

es. Wir bauten Holzgerüste auf. Er horchte in seiner

entfernten Burg auf einem Berg am Horizont. Es

1

webten oder gewirkten Stoff, der die Wand bildet.»

Bibliothek, und wir unterhielten uns in normaler

ist ein offenes Belvedere geschaffen. Der Bau tritt

Zum Wohngeschoss des Hauses führt eine

Lautstärke. Er hörte nichts. Später erklärte er mir:

durch unterschiedliche, klar voneinander getrennte

Treppe hinab. Dieser Weg führt zwar direkt auf ei-

‹Nun willige ich allem zu, nur nicht den Möbeln.› Ich

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1 Zugangsseite (Alle Fotos: Carsten Krohn) 2 Blick aus der Bibliothek

2

sagte, ‹das ist sehr schade›, und entschloss mich,

standteil seiner Architektur begriff, sondern auch,

als Einheit verloren. Als eine Ikone der Architektur

Möbel von Berlin nach Brünn zu schicken. Ich sag-

dass er das Architektonische für kaum vermittelbar

verbreitete sich das Haus hauptsächlich durch Fo-

te meinem Lieferanten: ‹Warten Sie mit den Möbeln

hielt. «Sprich nie mit einem Bauherren über Archi-

tos und Texte: «Wand des Wohnraums goldgelber

bis kurz vor Mittag, und teilen Sie ihm dann mit, Sie

tektur», sagte er. «Ich baue nicht für mich selbst,

und weißer Onyx; Wand des Essraums schwarzge-

seien vor seinem Haus mit den Möbeln. Er wird

nicht für meine Bauherren. Ich baue um der Archi-

streiftes und blassbraunes Makassar-Ebenholz;

sehr aufgebracht sein, aber damit müssen Sie

tektur willen.» Tatsächlich löste das Haus eine

Vorhänge schwarze und beigefarbene Rohseide;

rechnen.› Er sagte dann auch, ‹schaffen Sie diese

Kontroverse über die Frage aus, ob man in ihm

weißer Samt; Teppich Schafwolle; Bodenbelag

sofort wieder raus›, noch bevor er sie gesehen hat-

wohnen könne, auch wenn sich die Bewohner ge-

weißes Linoleum; Stuhlbezüge weißes Pergament,

te. Nach dem Mittagessen gefielen sie ihm. Ich

gen den Vorwurf eines «Ausstellungswohnens»

naturfarbenes Schweinsleder und blassgrünes

denke, wir sollten unsere Bauherrn wie Kinder be-

wehrten. Nachdem sie nur wenige Jahre später aus

Rindsleder.»4

trachten, und nicht wie Architekten.»2

dem tschechischen Brünn emigrieren mussten und

Das Haus Tugendhat präsentiert sich heute als

3

Trotz des anekdotischen Charakters zeigt diese

der Bau den Plünderungen der Nationalsozialisten

wäre es gerade erst erbaut. Von all dem, was es in

Geschichte nicht nur, wie sehr Mies den offenen

zum Opfer fiel, wurde er unterschiedlich genutzt.

seiner über achtzigjährigen Geschichte durchma-

Grundriss und die Möblierung als integralen Be-

Die ursprüngliche Materialität und Farbigkeit ging

chen musste, sind kaum mehr Spuren zu sehen. 13


GEORGIA MIRACLE Architektur der modernen Seidenstrasse Georgiens Aufschwung der letzten zehn Jahre gleicht einem Rausch. Vehement untermauert der scheidende Präsident Saakaschwili sein Fortschrittsmantra mit einem unermüdlichen Bauboom. Dieser konfrontiert das kaukasische Land mit hyperzeitgenössischer Architektur – und unterstreicht Georgiens geopolitische Bedeutung als Transitland.

Autoren: Steffen Hägele und Moritz Hörnle

anderen Georgien künden. Analogien zu den schillernden

Fast immer liegt Georgien am äussersten Rand. Landkarten

Bauten Chinas und den Tigerstaaten Asiens drängen sich

von Europa enden meistens zwischen dem Schwarzen und

auf. Gleichzeitig erfährt man auf den Bautafeln, dass viele

dem Kaspischen Meer. Karten aus Asien zeigen Georgien

Projekte mit europäischen Fördergeldern finanziert werden.

sogar vom Erdrund verzerrt. Es lohnt sich allerdings, die kau-

Die Flughafenstrasse wiederum trägt seit 2005 den Namen

kasische Region ins Zentrum zu rücken, um deren vermit-

des damaligen US-Präsidenten: President George W. Bush

telnde, aber auch trennende Bedeutung zu erkennen: zwi-

Street. Georgien gibt sich als postsowjetischer Musterschü-

schen Asien und Europa, dem Orient und Okzident, der

ler. Fragt man den italienischen Architekten Massimiliano

islamischen und christlichen Hemisphäre. Historisch fällt

Fuksas, der hier wichtige Bauten realisiert, ob er Georgiens

Georgien diese eurasische Mittlerrolle durchaus zu, denn der

architektonische Entwicklung dem Westen oder der asiati-

nördlichste Arm der sagenumwobenen Seidenstrasse führte

schen Welt zuordnet, antwortet er ohne zu zögern: «Asien!»

durch das Land. Ein Umstand, der die georgische Kultur ent-

Sind es somit die gleichen Phänomene wie in den teils

scheidend prägte. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion

autokratischen Staaten Asiens, wo Architektur als Imponier-

erlangte Georgien erneut eine grosse Bedeutung als Transit-

gehabe die eigentlichen Probleme im Land verschleiert und

land – nun nicht mehr für gemächliche Karawanen, sondern

mit spektakulären Bauten dem Volk Demokratisierung vor-

als Güter- und Rohstoffbrücke für Öl und Gas zwischen

gaukelt? Oder wie in Russland, der Ukraine und Kasachstan,

Europa und Zentralasien. Die jahrhundertealte Kultur bezie-

wo Investoren ganze Stadtteile mit geistloser Glasarchitek-

hungsweise der junge Staat Georgien sieht sich somit erneut

tur überformen? Dies scheint nicht zur gemeinhin gelobten

mit einem geopolitischen Tauziehen konfrontiert, bei dem es

Demokratie in Georgien zu passen. Was aber unterscheidet

um Macht, Rohstoffe und kulturelle Dominanz geht – und

Georgien und diese neue Architektur von seinen Nachbarn?

strebt nach Bedeutung zwischen Asien, Russland und dem Westen.

Blickt man zehn Jahre zurück, sieht man das Land am Rande des Ruins: Die Armut ist gross, die Infrastruktur desolat; Korruption und Politikverdrossenheit sind in der

Wider das postsowjetische Trauma

Gesellschaft weit verbreitet. In dieser festgefahrenen Situa-

Die Überschneidung der Einflüsse zeigt sich auf dem Weg

tion kam 2003 eine Bewegung auf, die mit der Rosenrevolu-

vom internationalen Flughafen Tiflis ins Zentrum der geor-

tion eine friedliche Ablöse der alten Riege erreichte – ange-

gischen Hauptstadt eindrücklich. In langen, grauen Zeilen

führt von jungen, im Westen ausgebildeten Exilgeorgiern.

reihen sich die Wohnsilos als sowjetisches Erbe an der

Deren schillernde Führungsgestalt Michail Saakaschwili

Schnellstrasse auf. Dazwischen erstrahlen jedoch spektaku-

wurde zum neuen Präsident. Saakaschwili lässt seit seinem

läre Neubauten, die in expressiver Formensprache von einem

Amtsantritt keinen Zweifel daran, was seine politischen Ziele sind: Fortschritt, Wachstum und der Westen! Der

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Staatsapparat wurde gestrafft und in weiten Teilen von Korruption befreit, was bereits an ein Wunder grenzt. Alte Kader wurden ab gesetzt und in einem Mammutprojekt unter anderem 12 000 Verkehrspolizisten fristlos entlassen. Auf diese Weise gelang es Georgien im Korruptionswahrnehmungsindex vom 124. auf den 64. Rang vorzurücken und wichtiges internationales Vertrauen als Partnerland zu gewinnen. Russland steht im Vergleich auf Rang 143; die Tendenz ist fallend.1 Staatsarchitektur und Nation Building Der Architektur kommt in dieser Politik eine ungewöhnlich grosse Bedeutung zu: Mit seinem Faible für zeitgenössische Architektur hat Saakaschwili sie zur Chefsache erklärt und gleichzeitig das Bauen ideologisch stark aufgeladen. Die 38

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2

politischen Bestrebungen des Korruptionsabbaus, die Ab-

optimistischer Rücksichtslosigkeit erhebt sich seit diesem

kehr von der Sowjetzeit und Russland sowie die Öffnung in

Jahr die von Fuksas entworfene Public Service Hall am Fluss

Richtung Westen und Asien werden im aktuellen Bauboom

Kura. Ein elfblättriges Dach spannt einen öffentlichen Raum

in eine hyperzeitgenössische architektonische Formenspra-

auf, der Saakaschwilis Wunsch nach Öffentlichkeit, Expressi-

che übersetzt, Architektur als Symbol der politischen Erneu-

vität und Transparenz eindrucksvoll nachkommt. Eine Fluss-

erung verstanden. Umgekehrt soll die gesellschaftliche Er-

biegung stromabwärts verbindet die mehrfach geschwun-

neuerung durch Architektur ebenfalls gefördert werden

gene Bridge of Peace von Michele de Lucchi die Ufer der Kura.

– Architektur als Heilsbringerin.

Zusammen mit einem angrenzenden Kasino überblendet

Als am 26. Mai 2012 das georgische Parlament erstmals

diese mit einem Inferno aus LED-Lichtverläufen – unter ande-

unter der gläsernen Linse des Neubaus in Kutaissi tagte,

rem Morsenachrichten für den Weltfrieden – nachts die an-

brachte es Saakaschwili auf den Punkt: «This new building

grenzende Altstadt. Am anderen Brückenkopf befindet sich

of a Parliament is also a perfect symbol of our country in

mit dem Rhike-Park eine Mischung aus begehbarer Skulptur

many respects. Just like the new Georgia – this building is

und Kirmes, zu der sich in Kürze das Tbilisi Music Theatre von

also modern, impressive and transparent. [...]This building

– erneut – Fuksas gesellt. Über dieser architektonischen Spiel-

is a symbol of the open democracy, which we are building.»

wiese thront der neue Präsidentenpalast – ein Abklatsch des

Architektur als Sinnbild des Nation Building.

Berliner Reichstags, welcher an die groben Spritzgusspro-

Es spricht Bände, dass Saakaschwili einen georgischen

1 Karte des Kaukasus 2 Blick über die Altstadt von Tiflis zu den Neubauten (© Studio Fuksas)

dukte der Souvenirläden erinnert.

König aus dem 12. Jahrhundert glorifiziert, der sich auf-

Bei Bauten wie dem Präsidentenpalast kippt die Symbol-

machte, das georgische Volk zu einen: David der Erbauer. Mit

architektur ins Plumpe. Das Bestreben, den geläuterten,

diesem selbstgewählten Vergleich rechtfertigt Saakaschwili

transparenten Staat durch eine gläserne Architektur zu re-

seine Gestaltungswut, die sich in den neuen Gebäuden ma-

präsentieren, wirkt unbeholfen, ja verdächtig. Man misstraut

nifestiert. Die Liste der Neubauten – fast alles öffentliche

diesem Heilversprechen – gerade mit Blick auf Nachbarländer

Bauten – entspricht so auch der Erneuerung des Staatsappa-

wie Aserbeidschan, obwohl in Georgien ein ernst zu nehmen-

rats. Dies erinnert an die Neugestaltung Berlins als Haupt-

der gesellschaftlicher Wandel zu beobachten ist. Fest steht

stadt des vereinigten Deutschlands. Im Unterschied dazu

allerdings, dass die Besucher in Tiflis ihre helle Freude ha-

geschieht der georgische Boom aber wesentlich schneller

ben, sich an diesem glamourösen Stadtraum zu berauschen.

und in seiner konsequenten Analogie von Form und Ideologie noch radikaler.

Theming am Schwarzen Meer

Martialisch erscheint der Umgang mit der bestehenden

Der Rausch lässt sich auch in Batumi am Schwarzen Meer

Stadt. Im Herzen von Tiflis prallen Welten aufeinander. Dort

leicht finden. «Batumi Miracle» lautet der Wahlspruch. Hin-

kontrastieren mehrere Neubauten die beschauliche Um-

ter diesem verheissungsvollen Namen versteckt sich ein

gebung der topografisch sehr reizvoll gelegenen Altstadt. Mit

Masterplan von Michele de Lucchi. Dieser sieht vor, das be39


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UNDER TOMORROW’S SKY A fictional city of the future. Speculative architect Liam Young has assembled a think tank of scientists, technologists, futurists, illustrators and science fiction authors to collectively develop this imaginary place, the landscapes that surround it and the stories it contains. The city forms a stage set for a collection of fictions, emerging infrastructures and design experiments. It is an imaginary landscape extrapolated from the wonders and possibilities of emerging biological and technological research. A speculative fiction as a critical tool, an extraordinary vision of tomorrow that is at the same time a provocative examination of the pertinent questions facing us today.1

Author: Liam Young

changes and expressways. What was once the imagined

We wander through the city. It has been a long time since we

landscape of a possible 1960 is now a dusty ruin, an archae-

have seen anyone else. Looking around I see a place I know

ology of the social and technological ambitions of the time in

but at the same time find utterly unfamiliar. She asks me

which it was made. She tells me she has seen this place be-

where we are.

fore, in vintage YouTube clips, tinged with the quaint nostal-

I reach down and pick up a small round badge from the

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gia of retro futurism and archive footage.

rubble. I pin it to her coat. It reads “I have seen the future”.

We walk on, past the rusted hulks of an Archigram Walk-

It was a souvenir once given to visitors after their voyage

ing City, now propped up on blocks. Their massive metal

through time onboard the General Motors’ Futurama ride at

bodies have been stripped down to their frame by futurist

the 1939 World Fair. Sitting on an automated conveyor belt,

souvenir hunters and steel salvage yards. The dozers have

visitors would travel through a model of the City of Tomor-

moved in on what remains of the cruciform foundations of the

row, its skyscrapers, traffic lights, and tangles of inter-

Radiant City. Their concrete corners have been worn smooth


2

from decades of skateboard grinds and graffiti removal

rently inhabit. Only in these accounts of the future are we

teams. We can make out the words “LC was here 1967”

able to discern, “through the walls and towers destined to

amidst the scrawls and tags of an age of archi-tourists. The

crumble, the dreams to remain unfulfilled, the tracery of pat-

players of New Babylon have closed their show, packed their

terns that we can follow through the unmappable.” Beyond

ladders and drawn the curtains. The endless grid of the

the dig sites of obsessive paleofuturists, the speculative city

Superstudio’s super surface that once stretched beyond the

has been abandoned for some time now. “It is a desperate

horizon has been pulled up and resurfaced. The blinding

moment when we discover that this empire, which had

white has mildewed and tree roots have skewed and cracked

seemed to us the sum of all wonders, is an endless, formless

the measured lines. The tiled landscape has been reclaimed

ruin.”3

and now paves the food courts of distant strip malls, soaking up spilt milkshakes.

Is our city still a city anymore?

I tell her we are walking through a city of failed utopias

We walk on and come to the edge of a new territory. We look

and constructed dreams. It is a city of nowheres, a city of

out across an evolving fragment, in endless construction.

follies, a city of our hopes and dreams, our most intimate

There the traditional infrastructure of roads, buildings and

desires and our collective fears. As I tell her about the city

public squares are giving way to ephemeral digital networks,

I once knew, I can tell she is listening but doesn’t really

biotechnologies and cloud computing connections. The

believe everything I tell her. She has stopped trying to

physical city we know is destroying itself. She asks, “Is our

recognise the cities I am describing. “There is melancholy

city still a city anymore?” At the very least, the architect of

and relief as we give up any thought of knowing and under-

this city is being redefined. Architects once speculated on

standing them.” They weren’t built for that purpose. They

the impacts of industrialisation and then mass production.

weren’t designed to be constructed. Just to be explored, to

Walking through this history of futures suggests to us alter-

be discussed, to be loved and hated, fought over or wished

native forms of spatial practice whereby architects can again

for. The cities of what’s to come do not just anticipate but

play a critical role in speculating on the implications and con-

actively shape technological futures through their effects on

sequences of emerging technologies. We begin a short walk

the collective imagination. They are one of the few places

through the landscapes of this Brave New Now. It is not clear

that offer a critical view back to the familiar cities we cur-

to her what is fact and what is fiction, the two intertwine.

2

1+2 Urban Tectonics, Under Tomorrow’s Sky Concept Art, Daniel Dociu, 2012 Game concept artist Daniel Dociu was invited to join the Under Tomorrow’s Sky Think Tank and contributed digital paintings that developed with the design discussions

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1

DIE GESELLSCHAFTLICHE DIMENSION Fragen zum Selbstverständnis von Entwerfenden «Don’t discuss politics and religion»: Das Politische ist heute ein Thema, das man in der Architektur lieber meidet – an den Hochschulen ebenso wie in der Öffentlichkeit. Gesellschaftliche Fragen auszusparen bedeutet jedoch kein ausreichendes Gespür für die Bedingungen und Konsequenzen der eigenen Arbeit zu entwickeln. Begreifen wir Demokratie als etwas grundsätzlich Gefährdetes, dann stellt sich die Frage: Was kann die Architektur für die Demokratie tun?

1 SAAL-Wohnanlage Bouça in Porto, Álvaro Siza 1973– 1977, renoviert und fertiggestellt 2001–2006 Einer der Wohnhöfe ist als dezidiert öffentlicher Raum ausgeformt, der an ein Theater oder Parlament erinnert. Man könnte sozusagen von jeder Wohnungstür aus eine Rede an die Öffentlichkeit halten (alle Fotos: Christian Gänshirt)

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Autor: Christian Gänshirt

sign hingegen mag der Massstab zwar kleiner sein und

Von allen Entwurfsdisziplinen scheint die Architektur ge-

Entscheidungen mögen zunächst nur einzelne Personen

genwärtig diejenige zu sein, die sich dem Ratschlag folgend

betreffen – manche Objekte werden jedoch millionenfach

am wenigsten mit gesellschaftlichen Fragen beschäftigt.

multipliziert und können von daher enorme gesellschaftliche

Als die Zeitschrift Du einmal ein Heft über «Luigi Snozzi und

Auswirkungen haben.

das Politische in der Architektur» veröffentlichte, machte

In der Architektur allerdings ist das Politische heute ein

schon der Titel deutlich, wie ungewöhnlich es ist, dass ein

Thema, das man lieber meidet. In der Öffentlichkeit umschif-

Architekt sich diesem Thema widmet.1 Im Städtebau und

fen Architekten dergleichen, um potenzielle Auftraggeber

sogar im Design ist eine politische Dimension präsenter.

nicht zu vergraulen. Mitunter nicht zu Unrecht, denn politi-

Städtebauliche und landschaftsplanerische Entscheidungen

sches Engagement kann durchaus einen hohen Preis haben.

betreffen weitaus grössere gesellschaftliche Gruppen. Schon

Álvaro Sizas Einsatz für eine partizipatorische Form sozialen

allein die Ableitung des Begriffs vom griechischen Wort po-

Wohnungsbaus in der Zeit nach der Nelkenrevolution 1974

lis, das Stadt und zugleich Staat bedeutet, verweist auf die

hat ihn nach dem politischen Machtwechsel 1976 auf Jahre

politische Dimension städtebaulichen Entwerfens. Im De-

hinaus in der eigenen Stadt zur Persona non grata werden


2

lassen. Andererseits haben gerade diese Projekte ihm Glaub-

men meiner beruflichen Möglichkeiten definierte, ohne dass

würdigkeit verliehen und erste internationale Anerkennung

mir dessen Bedeutung immer bewusst gewesen wäre – an-

verschafft.

gefangen bei meiner Mitarbeit an einem grossen Projekt für

Selbst an den Hochschulen gilt es mit Vorsicht zu agieren,

das Madrider Verteidigungsministerium, welches durch den

um nicht in Verdacht zu geraten, seinen Lehrauftrag für po-

Beginn des ersten Golfkriegs ein jähes Ende fand, bis zum

litische Propaganda zu missbrauchen. «Oh, sind Sie sicher,

Ruf an eine Universität in Kairo kurz nach dem Fall Muba-

dass er keine politische oder soziale Agenda verfolgt? Wir

raks, den ich nicht anzunehmen wagte. Die aufregenden

haben gehört, er liest mit seinen Studenten Texte von Ai

Nachwendejahre in Berlin sind ohne die politische Verände-

Weiwei. Ist das nicht ein Dissident?» Dass diese keineswegs

rung, die sie mit sich brachten, nicht denkbar – genau wie

frei erfundene Frage ausgerechnet an einer US-amerikani-

die bemerkenswerte Entwicklung Spaniens und Portugals

schen Universität gestellt wurde, gibt zu denken.

seit ihrem Beitritt zur Europäischen Union.

Was bringt mich also dazu, mich diesem ungeliebten

Sicher, das waren makropolitische Ereignisse, auf die ich

Thema zu widmen? Im Rückblick auf mein bisheriges Berufs-

als einzelne Person keinen Einfluss hatte. Aber verbirgt sich

leben stelle ich fest, dass das Politische oft genug den Rah-

hier vielleicht etwas Grundlegendes, das sich unseren Bli-

2 Plakatentwurf und Siebdruck von Harry Rosenbaum, basierend auf dem Gemälde von Jean Leon Gerome Ferris (1863–1930) Das Original zeigt Thomas Jefferson (rechts), Benjamin Franklin (links) und John Adams (Mitte) beim Verfassen der Unabhängigkeitserklärung

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DAS ARCHITEKTONISCHE PROJEKT Bildung und Kultur am Institute for Architecture and Urban Studies (New York, 1967 bis 1985) Wie kaum eine andere Einrichtung in den USA ist das Institute, nicht zuletzt wegen Oppositions, in die Architekturgeschichte als eine Denkfabrik, als Geburtsort einer US-amerikanischen Architekturdebatte eingegangen. Unter der Leitung von Peter Eisenman hat es vor allem mit seiner Arbeit als Architekturschule und Kultureinrichtung die kulturellen Konfigurationen einer postmodernen Architektur geprägt.

1 Blick von der Empore in die Haupthalle des Institute in der 8 West 40th Street, Anfang der 1970er (Fotos 1+2: Suzanne Frank)

Autor: Kim Förster

aufgrund seines charismatischen Führungsstils, der unter-

Das Institute wurde im Herbst 1967 gegründet, nachdem Ei-

nehmerischen Haltung und dem intellektuellen Anspruch,

senman eine Festanstellung in Princeton verwehrt worden

schon früh als eine Dienstleistungseinrichtung, als Mittler

war. Tatkräftige Unterstützung erhielt er von Arthur Drexler,

zwischen verschiedenen Interessengruppen positionieren.

damals Leiter der Architektur- und Designabteilung des

Anfang 1970 erhielt das Institute dann einen hoch dotierten

Museum of Modern Art und Colin Rowe, der zu diesem Zeit-

Auftrag des US-Department for Housing and Urban Develop-

2 Die Haupthalle des Institute

punkt das Urban Design Studio an der Cornell University

ment zur Analyse und Gestaltung der innerstädtischen

leitete. Mit seiner Anerkennung als Bildungseinrichtung war

Strasse – ein entscheidendes Projekt, das darin resultierte,

das Institute institutionell gut verankert, anfangs wurde es

dass die Strukturen des Institute professionalisiert wurden.

gar als Ableger des MoMA gesehen: als Vorsitzender beab-

Es überraschte sicher nicht, dass sich Eisenman nicht

sichtigte Drexler nach der The New City. Architecture and

zuletzt wegen seiner Begeisterung für Publikationen wie

Urban Renewal-Ausstellung vom Frühjahr 1967 über das

Paraphernalien der Architekturmoderne der Strategien von

Institute Einfluss auf das lokale Baugeschehen auszuüben;

Avantgardebewegungen durchaus bewusst war. Bemer-

Eisenman dagegen ging es als Institutsleiter darum, in New

kenswert war jedoch, inwiefern er bereits in der Anfangszeit

York einen neuen institutionellen Rahmen aufzubauen, um

das Institute als einen Arbeitskontext zu nutzen wusste, um

überhaupt als Architekt arbeiten zu können. Der Name des

sich parallel zur Lehre und Forschung der Neubewertung der

Institute, mit dem Anspruch auf Expertise in zwei Diszi-

Architektur als einem formalen Spiel und der Verbreitung

plinen erhoben wurde, war bewusst gewählt. So forderte

eines theoretisch Ansatzes zu widmen: sei es mit seinen

Eisenman Anfang Oktober 1967 in The New York Times von

Houses, der Cardboard Architecture, den analytischen Zeich-

Architekten eine aktivere Rolle ein, um gesellschaftliche

nungen zu ausgewählten Gebäuden von Giuseppe Terragni

Missstände anzugehen. Das Institute sei, so Eisenman da-

oder den beiden Versionen der «Notes on Conceptual Archi-

mals, gegründet worden, «to make architecture more relevant

tecture», mit denen er sich, ganz Agent Provocateur, mit der

to social ideas and problems». Dabei sollte jedoch Eisenmans

blossen Angabe bibliografischer Referenzen als Theoretiker

strategisches Kalkül nie vergessen werden; später koket-

gab und gleichzeitig für das Institute warb.

tierte er gern mit einer apolitischen Haltung. Seit Beginn

Eine Zeit lang organisierte Eisenman parallel zum Insti-

seiner intellektuellen Karriere, zunächst in seiner Disserta-

tute auch die CASE-Untergruppe New York, eine lose Grup-

tion The Formal Basis of Modern Architecture (1963), hatte

pierung junger Architekten, die sich 1965 als Conference of

sich Eisenman ausschliesslich für das architektonische Ob-

Architects for the Study of the Environment zusammenge-

jekt interessiert, ihm ging es, ob als Architekt oder Autor,

funden hatte – mit der Ambition, erstmals eine genuin US-

vornehmlich um die Generierung von Formen.

amerikanische Architekturvantgarde zu begründen. Mit der Publikation von Five Architects stand Eisenmans Karriere

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Architecture und Urban Studies

1972 schliesslich vor dem grossen Durchbruch. Die Publika-

Kurze Zeit nach der Gründung machte Eisenman das Insti-

tion, ein eindrucksvolles Zeitdokument des formalistischen

tute schnell zu seinem eigenen Projekt; zunächst arbeitete

Ansatzes und der gezielten Fehlinterpretation, richtete das

er mit nur wenig Personal und Studenten als Forschungs-

internationale Interesse auf New York und führte zur Lager-

assistenten an urbanistischen Projekten im Auftrag von

bildung in der Architekturszene.

städtischen, staatlichen und bundesstaatlichen Behörden.

Diese inszenierte, bewusst herbeigeführte Polemik zwi-

Die Architekturausbildung konnte sich anfänglich dadurch

schen den Whites (um Peter Eisenman) und den Grays (um

auszeichnen, dass durch die Mitarbeit an konkreten For-

Robert Venturi oder Robert Stern), das heisst, die Gegen-

schungsprojekten Theorie und Praxis zumindest im Ansatz

überstellung einer sich radikal gebenden, formalistischen

auf innovative Weise miteinander verbunden wurden. Eisen-

und einer populär argumentierenden, historistischen Hal-

mans Akquise für Forschungs- und Entwurfsprojekte war

tung hat Anfang der Siebzigerjahre die Architekturdebatte

breit angelegt, und so konnte er das Institute, nicht zuletzt

in den USA massgeblich geprägt. Strategisch gesehenen


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unterschieden sich die beiden Positionen allerdings kaum

Neubewertung der Architektur als Kunstform, das mit der

voneinander. Der Selbstbezug der Architektur mit der für die

Selbstermächtigung einer neuen Architekturelite in New

Postmoderne typischen Mischung aus Selbstreferenzialität

York und an den Ivy League -Universitäten einherging und

und Selbstbewusstsein war ein prominente narrative Strate-

später auch auf eine Debatte über die Autonomie der Diszip-

gie in der Architektur der Siebzigerjahre. Eisenman verstand

lin bzw. des Entwurfs umschwenkte, lässt sich allerdings

es dabei als Publizist und Impressario auf eindrucksvolle

nicht nur architektur- und kunsthistorisch oder allein psy-

Art, seine Rollen als Institutsdirektor und Architekt mitein-

choanalytisch, ideengeschichtlich oder medienwissen-

ander zu verbinden. Mit seiner architektonischen wie textu-

schaftlich erklären. In institutioneller Hinsicht stellte das

ellen Praxis setzte er auf eine Intellektualisierung der De-

Institute einen neuen epistemischen Raum in der Architek-

batte und war darauf bedacht, von sich das Bild eines

tur dar, der sich durch komplexe Akteurnetzwerke und trans-

Künstler-Architekten zu zeichnen – was ihm angesichts der

atlantische Wissenskulturen auszeichnete.

eingeforderten Bewunderung, die ihm seine Fans bereitwillig zuteil werden liessen, auch gelang.

Der Erfolg des Institute, der Einfluss auf Architekturdebatten und -ausbildung war langfristig darin begründet,

Das architektonische Projekt der Siebzigerjahre, das Auf-

dass Eisenman es als Direktor vermochte, den Kreis an Insti-

kommen eines Formalismus bzw. eines Historismus und die

tutsmitgliedern, Mitarbeitern und Studierenden gezielt zu 79


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