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Neue Serie: Foto des Monats
from ERKER 01 2022
by Der Erker
Rathaus-Erker wird neu errichtet
Das interessante Sterzinger Rathaus vom Jahr 1468 ist gegenwärtig seiner baufälligen Frontmauer beraubt. Die beiden Erker mussten abgetragen werden, um den schadhaften Eckpfeiler zu stabilisieren. Er steht nur auf bloßem Sanduntergrund, weshalb jetzt ein neues Fundament angelegt wird und die schönen dreistöckigen Erker samt ihrer Frontmauer im gleichen Stil wieder aufgebaut und verstärkt werden. Der prächtige marmorne Prunk-Erker wurde bekanntlich 1524 nach den Plänen Jörg Kölderers fertiggestellt, des genialen Hofbaumeisters von Kaiser Maximilian I.
Die erneuerte Fassade mit den beiden Erkern und dem verstärkten Eckpfeiler (Federzeichnung R. Anheisser 1908) Der Bezirksgerichtsadjunkt (Gerichtsgehilfe) und Amtsleiter Franz Engl wird am 20. November 1889 zum Bezirksrichter ernannt. Das Bezirksgericht in Sterzing besteht seit 1850 und befindet sich im Jöchelsthurn. Es ist als Gerichtsbehörde dem Kreisgericht Bozen unterstellt und ist zuständig für Zivil- und Strafabteilung und das Grundbuchamt. Franz Engl, geboren am 24. November 1848 in Lienz in Osttirol, beginnt seine Sterzinger Jahre als Adjunkt im Jahr 1882 und prägt für ein Vierteljahrhundert das Gesellschaftsleben in seiner zweiten Heimatstadt, wofür er am 15. Oktober 1904 das Ehrendiplom der Stadt Sterzing überreicht bekommt. Der ungemein beliebte Unparteiische ist hochge-
achtet und ein begnadeter Tenorsänger dazu. Er übernimmt 1882 die Chorleitung der Sterzinger Liederkranz, die bereits 1860 gegründet worden war und damit zu einem der ältesten Gesangsvereine des Landes gehört. Der Verein wird in „Männergesangsverein Sterzing“ umbenannt und qualitativ und quantitativ aufgewertet. Zudem übernimmt er 1888 die Leitung Perlagger-Männerrunde am 8. Dezember 1889: der „Dilettanten-TheaBezirksrichter Franz Engl (8. v. l.) hat nur 17 tergesellschaft“ (1833 „Schlechtpunkte“, der Arzt Dr. Stanislaus Piwocky (4. v. l.) hingegen 61, er zahlt am meisten. gegründet). Am 27. November 1889 findet im Gasthaus „zur Rose“ ein von der Stadt und dem Männergesangsverein veranstalteter Festabend statt. Zuvor spielt die Feuerwehrkapelle vor dem Gasthaus „zum Schwarzen Adler“ ein Ständchen, um dem neuen Bezirksrichter zu gratulieren.
Häuserbrand in der Altstadt
28. August 1889 Die Gilfenklamm wird erschlossen
18931896
Am 28. August 1889 brennt es in der Altstadt von Sterzing. Ein vom Brenner kommender Güterzug gibt das erste schrille Feuersignal um 10 Uhr abends, worauf auch die Stadtglocke die Bevölkerung aus den Betten holt. Sofort wird um Hilfe nach Gossensaß und Brixen telegraphiert. Inzwischen versucht die Sterzinger Feuerwehr den Brand zu löschen, unterstützt von der hochwürdigen Geistlichkeit, den Kapuzinerpatern, Bürgern und Bauern. Die Feuerwehren von Gossensaß und Elzenbaum sowie die gut bedienten Spritzen von Tschöfs, Thuins und Wiesen rücken an und sichern die bereits brennenden Nachbarhäuser. Gebälke und Brandobjekte werden herabgerissen und bespritzt. „Glücklicher Weise hatte der Wind der letzten Tage aufgehört, sonst wäre mindestens die Hälfte der Stadt ein Trümmerhaufen“ (Der Burggräfler vom 31. August 1889). Die schon bis Franzensfeste heraufgekommene Brixner Feuerwehr wird verständigt, dass ihre Hilfe nicht mehr nötig sei. Gegen 6 Uhr können die meisten Feuerwehrleute nach Hause gehen. Zwei Wirtschaftsgebäude und drei Hausbedachungen werden ein Raub der Flammen, sie sind teilweise versichert. Die Brandursache bleibt unbekannt.
Hinter dem Dorf Stange in westlicher Richtung befindet sich der Einstieg in die Klamm, die von der Sektion Sterzing des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins zur Förderung des Fremdenverkehrs touristisch erschlossen wird. 1893 beginnt die Sektion auf Anraten des Wirtes in der Stange, Karl Wiedner, und des Sterzinger Bezirksrichters Franz Engl mit eigenen Mitteln die Gilfenklamm auszubauen. Bisher war die „Gülfenklamm“ (Gülf = Flussmündung, Meeresbucht, wassergefüllte Felsbucht) nur einzelnen Holzknechten bekannt, die an langen Stricken in Körben in die Schluchten niedergelassen wurden, um das angestaute Brennholz weiterzustoßen. Es ist ein Ein Ausschnitt der neu Mammutwerk; 33 Felssprengungen müs- erschlossenen Gilfenklamm sen durchgeführt werden, 500 m Wegan- (Postkarte 1897) lagen werden täglich von acht bis zehn Arbeitern angelegt. Zahlreiche Brücken, Galerien, Stege und Treppen werden durch die riesigen weißen Marmorschluchten gezogen. Die Klamm gliedert sich in verschiedene Teile: das „Kampl“ (62 m tief), die „Kirche“ (69 m), der „Taubenschlag“ und der „Kessel“ (je 63 m), das „nasse Tal“ (40 m), die „Schwebe“ (70 m) und das „Kanzele“ (20 m). Die Eröffnung verzögert sich um einige Jahre und kann endlich, nachdem die Kosten auf 10.000 Kronen angestiegen sind, am 5. Juli 1896 zur Besichtigung freigegeben werden. Die Hälfte der Kosten zahlt die Zentralkasse des Alpenvereins, den Rest steuern private Spender, darunter Franz Engl, bei. Er tritt bei der Einweihung auch als Redner auf und berichtet von den mühsamen Arbeiten. Am 25. Juli 1898 wird die Gilfenklamm im Rahmen eines dreitägigen Festes mit Freischießen und Festzug in „Kaiser-Franz-Josefs-Klamm“ umbenannt. Dieser Name ist umständlich auszusprechen und auch nur einige Jahrzehnte in Gebrauch. In der Zeit der beiden Weltkriege ist sie geschlossen und zerfällt zusehends. Die Gilfenklamm muss 1961 für die Wiedereröffnung an vielen Punkten erneuert werden. Eine zweite Sanierung erfolgt 1991. Sie gilt heute als eindrucksvollste begehbare Felsschlucht Südtirols und ist seit 1983 ein geschütztes Naturdenkmal.
1890 n. Chr.
Das Hundesteuergesetz ist seit 1875 in Kraft und sieht eine jährliche Steuer von 3 Gulden für jeden über sechs Monate alten Hund vor. Die Gemeinde Sterzing erhöht diese Hundesteuer 1890 auf 5 Gulden. Im Vergleich dazu verdient ein Maurermeister einen Tageslohn von 1 Gulden.
1892 n. Chr.
Ein Teil des Sterzinger Stadtarchivs wird als Leihgabe dem Museum Ferdinandeum in Innsbruck überlassen. Diese „Sterzinger Sammlung“ umfasst beinahe 10.000 Einzelblätter vom Zeitraum 1500 bis 1848 (226 Tiroler Landtagsakten und 492 Tiroler Regierungsverordnungen). Dort werden sie auf Kosten des Ferdinandeums in 35 Großfolio-Lederbände eingelagert. Erst 1920 kehren diese Akten nach Sterzing zurück.