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Interview: Architekt Paul Volgger über nachhaltiges Bauen

Bauen & Sanieren

Nachhaltiges Bauen

Nachhaltigkeit ist nicht nur in der Transport-, Verpackungs- und Lebensmittelbranche ein Dauerbrenner, sondern auch im Bauwesen. Paul Volgger, seit 2016 als Architekt bei Mader Immobilien tätig, gibt einen Einblick in das Thema Nachhaltigkeit am Bau. Interview: Nadine BrunnerI

Erker: Herr Volgger, was ist nachhaltiges Bauen?

Paul Volgger: Nachhaltiges Bauen lässt sich nicht allein auf die verwendeten Materialien herunterbrechen, sondern hängt auch mit dem bewussten Umgang von Flächen und Landschaft zusammen. Es gilt etwa, bestehende Zentren zu verdichten und den Generationenbau zu fördern. Natürlich spielt auch der verantwortungsvolle Umgang mit den verwendeten Ressourcen eine Rolle. Dabei müssen die Herkunft der Materialien, der Energieaufwand bei Produktion und Verbauung berücksichtigt werden, ebenso wie die Entsorgung der Materialien. Nachhaltiges Bauen zeigt sich auch in der Verwendung von einheimischen Materialien oder in der Zusammenarbeit mit ortsansässigen Firmen.

Welche Materialien können als nachhaltig bezeichnet werden?

Nachhaltigkeit bei Materialien hängt mit dem Energieverbrauch bei der Produktion bzw. Verbauung, Herkunft, Behandlung (u. a. Pestizide) und Entsorgung zusammen. Die in den letzten Jahren viel verbauten EPS/XPS-Platten besitzen gute Dämmeigenschaften und sind preisgünstig, werden aber aus Rohöl hergestellt. Somit sind sie nicht nur schwer recyclebar, der Energieaufwand bei der Herstellung ist zudem groß. Um die Gebäudedämmung umweltfreundlicher zu gestalten, bieten sich Materialien wie Holzfaserdämmplatten, Steinwolle, Holzwolle oder Hanf an. Besonders letzterer besitzt gute Dämmeigenschaften, gilt als schnell nachwachsender Rohstoff, dessen Energieaufwand bei der Herstellung sehr gering bleibt. Zudem ist die Pflanze robust und nicht anfällig für Schädlinge, so ist auch keine Nachbehandlung mit Pestiziden notwendig. Steinwolle gilt ebenso als guter Mitspieler hinsichtlich Nachhaltigkeit. Sie weist einen niedrigen Energieverbrauch bei der Herstellung auf, dient als Isolierung, ist feuerresistent und ein erprobtes Material, mit dem schon seit einigen Jahren gearbeitet wird. Aus diesem Erfahrungswert entsteht natürlich Sicherheit und das Material wird ähnlich gerne verwendet wie die belastende Styropordämmung.

Wo steht Südtirol im Hinblick auf Nachhaltigkeit im Bauwesen?

Nachhaltigkeit und Klimaschutz nehmen zurzeit einen enormen gesellschaftlichen und politischen Stellenwert ein. Das Bewusstsein der Menschen für einen schonenderen Umgang mit der Natur wächst zusehends – auch in der Baubranche. In Südtirol erfreuen sich nachhaltige Alternativen immer größerer Beliebtheit. Hinderlich ist hierbei aber meist der große Preisunterschied zwischen herkömmlichem konventionellem Bauen und nachhaltiger Bauweise: Nicht jeder kann sich umweltfreundliches Bauen leisten. Ich denke, hier wird in Zukunft viel passieren. Durch die Ölkrise werden die EPS-Preise wahrscheinlich steigen. Zudem sollen die Entsorgungskosten der Platten

in den Kaufpreis miteinfließen, das könnte alternatives Bauen attraktiver machen. Auch das Land bietet Förderungen an. Nachhaltiges Bauen soll durch den Erhalt von Kubatur beim Neubau eines Klimahaus Nature interessanter werden. Insgesamt werden einem Bauherrn bei der Planung eines Klimahaus Nature zehn Prozent mehr Volumen zugesprochen. Zu erwähnen ist, dass bei natürlichen Dämmprodukten meist auch mehr Material gebraucht wird, also mehr Platz für die Dämmung einkalkuliert werden muss. Das Endprodukt unterscheidet sich somit natürlich vor allem in der Qualität.

Wie wird Nachhaltigkeit bemessen?

Die Klimahausagentur in Bozen war in diesem Bereich sicherlich ein Vorreiter und hat mit dem Klimahaus Nature ein Werkzeug zur besseren Messung und Förderung nachhaltiger Bauweisen geschaffen. Nachhaltiges Bauen wird anhand verschiedener Parameter kalkuliert: Dämmmaterialien, Energiequellen, Wasserwirtschaft, Belichtung und Fensterflächen werden berechnet, aber auch die Akustik fließt hier mit ein. Immer interessanter wird auch die Regenwasseraufbereitung einer Wohnanlage oder eines Wohnhauses. Wir haben diese bereits bei einigen Kondominien verbaut. Das Regenwasser wird so nicht in die umliegenden Gewässer abgeleitet, sondern kommt wieder in den Kreislauf des Hauses, etwa für die Bewässerung der Gärten.

Wie wird Nachhaltigkeit im

Baubereich garantiert?

In diesem Bereich gilt eine zertifizierte Nachhaltigkeit. Beim Klimahaus Nature werden Datenblätter für die verwendeten Materialien erstellt, aus denen der Energiebedarf für die Herstellung derselben und für die Errichtung des Gebäudes abgelesen werden kann. Auch die Materialien haben Güte und Ökosiegel, die nachgeprüft werden können. Anhand dieser Datenblätter kann ein Gebäude auf seine Nachhaltigkeit bemessen werden, muss also am Ende einem Durchschnittswert entsprechen. Fällt der Wert zu hoch aus, kann auch keine Nature-Zertifizierung vergeben werden. Gute Planung ist hier also das A und O.

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Wie wird Nachhaltigkeit firmenintern behandelt?

Wir arbeiten natürlich auch an nachhaltigen Bauweisen und versuchen zunehmend, auf alternative Dämmmaterialien umzusteigen. Im nächsten geplanten Kondominium wird deshalb nur Steinwolle verbaut. Auch bei uns gilt es, Styropordämmungen zu vermeiden, künftig könnte vielleicht vermehrt mit Hanf oder Flachs gearbeitet werden. Nachhaltigkeit ist ein laufender Prozess mit viel Entwicklungspotenzial. Dazu gehört auch, kleinere Ideen umzusetzen. So wird angedacht, künftig Fruchtbäume anstelle von Laubbäumen bei den Kondominien zu pflanzen, um etwas Essbares zu erhalten. Auch Gründächer und Bienendächer gehören zum Nachhaltigkeitsgedanken. Begrünte, mit Blumen bepflanzte Dächer helfen den Bienen bei der Bestäubung. Das Regenwasser wird in der angelegten Substratschicht gespeichert und wieder in die Umwelt abgegeben. Dadurch wird der Überhitzung der Gebäude entgegengewirkt, das Wasser läuft nicht einfach in umliegende Gewässer ab und die Umwelt wird so unterstützt. Begrünte Dächer werden immer beliebter. Ob die Umsetzung möglich ist, hängt aber vom Standort des Gebäudes und der Dachform ab.

Ist Südtirol auf einem guten

Weg, nachhaltig zu bauen?

Ja, die Landesregierung hat mit dem Verbot der Bebauung landwirtschaftlichen Grüns gute Arbeit geleistet. Die Klimahaus trägt zudem einen wesentlichen Teil dazu bei. Sie begleitet und unterstützt Bauprojekte auf ihrem Weg zu mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Im Allgemeinen wird Nachhaltigkeit mittlerweile besser kommuniziert als in der Vergangenheit. Früher wurde sie oft verpönt und als nicht funktionsfähig oder wenig qualitativ angeprangert, wobei Inhalte der Öffentlichkeit schlicht falsch vermittelt wurden, die Meinung hielt sich aber hartnäckig. Die junge Generation besitzt ein großes Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit, deshalb wird es kein vorübergehender Trend sein, sondern eine neue Richtung, die sich ständig entwickelt. Neue Materialien und Bauweisen erfordern Zeit zum Kennenlernen. Erfahrungswerte, besonders positive, sind für eine stetige Weiterentwicklung wichtig. Wenn wir in Südtirol hier am Ball bleiben, sind wir auf einem guten Weg.

I

INNERHOFER

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