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Titelgeschichte: Der Fall Faistnauer
from ERKER 10 2021
by Der Erker
Der Fall Faistnauer und seine Folgen
Faistnauers Chalets: Derzeit laufen Verfahren zu zwei möglichen Übertretungen.
Selten hat ein Zeitungsartikel im Wipptal derart viel Staub aufgewirbelt wie jener, der die Karriere des Landtagsabgeordneten Peter Faistnauer im Team K auf einen Schlag beendete. Beschuldigt wird Faistnauer darin u. a., auf seinem Hof in Abweichung zur Baukonzession gebaut zu haben.
Der Landtagsabgeordnete, ehemals im Team K und nun als unabhängiger Mandatar im Landtag vertreten, streitet dabei nicht ab, Fehler gemacht zu haben. Aber nachdem der Bau noch nicht abgeschlossen ist, könne man juristisch gesehen nicht von einem Bauvergehen sprechen, so Faistnauer. „Fehler können passieren, und solange sie im Rahmen des Gesetzes sanierbar sind, können sie behoben werden.“ Um welche „Fehler“ es sich genau handelt, darauf können, nachdem es sich um ein laufendes Verfahren handelt, weder die Gemeinde Freienfeld noch Peter Faistnauer selbst eingehen. Aus rechtlichen Gründen sind derzeit auch keine schriftlichen Unterlagen, Dokumente oder Protokolle einsehbar. Somit wird eine detaillierte Aufarbeitung erst nach Freigabe der Unterlagen möglich sein. Doch von Anfang an: Am 20. August, an einem Freitag, erschien in der Neuen Südtiroler Tageszeitung der Bericht „Faistnauer Chalets“, in welchem dem Landtagsabgeordneten vorgeworfen wird, in Abweichung von der Baukonzession statt vier konventionierter Wohnungen vier Chalets mit acht Wohneinheiten für touristische Zwecke errichtet zu haben. Darüber hinaus seien sie ohne Benutzungsgenehmigung bereits an Touristen vermietet worden. Fakt ist, wie die Gemeindeverwaltung Freienfeld mitteilt, dass derzeit drei Bauanträge laufen: einer zum Abbruch von landwirtschaftlichem Volumen und Wiederaufbau mit Umwidmung in Wohnvolumen, ein zweiter zur Errichtung eines Naturbadeteiches und ein dritter zur Errichtung einer Stützmauer. Die erhobenen Vorwürfe beziehen sich auf den ersten Bauantrag, mit dem Faistnauer unter Nutzung des alten Raumordnungsgesetzes, das bis Ende Juni 2020 Gültigkeit besaß, die Kubatur eines landwirtschaftlich genutzten Stadels in Wohnkubatur umgewidmet hat. Eine Ausnahme erlaubte es, die Wohnkubatur für touristische Zwecke bzw. für Urlaub am Bauernhof zu nutzen. Dass Faistnauer bereits seit Längerem plante, Chalets zu errichten, ist dabei beileibe kein Geheimnis. Daraus hat der Landwirt und Landtagsabgeordnete auch nie einen Hehl gemacht. Im November 2019 wurde darüber sogar umfangreich in der Tageszeitung berichtet, auch die Pläne zum Bauantrag wurden veröffentlicht sowie die Ausweisung einer Tou-
rismuszone in „Fraxen“ erwähnt, die Faistnauer 2018 eingereicht, aber nicht mehr weiterverfolgt hat. Trotz anderslautender Gerüchte wurde offiziell nie Anzeige gegen die Bautätigkeit von Peter Faistnauer erstattet, wie Bürgermeisterin Verena Überegger auf Anfrage mitteilte. Im Rahmen eines Lokalaugenscheins Mitte Juni wollte sich die Bürgermeisterin selbst ein Bild vor Ort machen, nunmehr laufen Verfahren zu zwei möglichen Übertretungen: ein Verfahren hinsichtlich der Bauausführung und ein Verfahren für die Benutzung ohne Benutzungsgenehmigung bzw. Bezugsfertigkeit. Faistnauer hat nun die Möglichkeit, Projektvarianten einzureichen, die von der Baukommission begutachtet, genehmigt oder abgelehnt werden.
Viel Porzellan zerschlagen
Was auf den Artikel folgte, kam für die einen überraschend, für die anderen war es schlichtweg politische Logik. Am Freitag war Faistnauer noch Abgeordneter des Team K, bereits am Montag folgte der Austritt bzw. Rausschmiss. Abgerechnet wurde öffentlich und laut. „Im Endeffekt wurde viel Lärm um nichts gemacht, bei dem am Ende nur ein Scherbenhaufen übrig geblieben ist und das Team K erheblich geschwächt wurde“, sagt Faistnauer. Getrieben von der Dynamik habe er gespürt, dass er keinen Rückhalt mehr im Team hatte. Um die Partei vor größerem Schaden zu bewahren, sei er ausgetreten. „Angesichts dessen, dass ich vorverurteilt wurde, blieb mir nichts anderes übrig, obwohl mir die Arbeit im Team K sehr viel Spaß gemacht hat.“ Unverständlich sei für den Landtagsabgeordneten die Ungleichbehandlung. Im An-
Stellungnahme von Peter Faistnauer „Gerüchte und Vermutungen“
„Zu Beginn bestand das Problem der Berichterstattung darin, dass mir vorgeworfen wurde, ich würde konventionierten Wohnraum für Urlaub am Bauernhof zweckentfremden. Natürlich sorgen solche Anschuldigungen in der Öffentlichkeit für Aufsehen und Empörung, denn konventioniert heißt ja Ansässigen vorbehalten. Laut dem zur Zeit der Einreichung geltenden Raumordnungsgesetz war es aber ausdrücklich erlaubt, landwirtschaftlich nicht mehr genutzte Kubatur abzureißen und sie für Urlaub am Bauernhof zu nutzen. Ich bin nicht so naiv und baue etwas, was gesetzlich nicht erlaubt ist. Dieser Vorwurf war dann nach einigen Tagen auch vom Tisch. Zudem ist mit der Titelseite ‚Der Bauernschlaue‘ vor rund zwei Jahren in der Tageszeitung ein Artikel erschienen, in dem es um meine Forderung ging, den Anteil der Kubatur, die für touristische Zwecke genutzt werden kann, von 1.500 m3 auf 1.100 m3 zu beschränken. Der Betriebsinhaber sollte die Möglichkeit haben, Wohnkubatur für die eigene Familie zu verwenden. Im selben Artikel ist auch mein Projekt beschrieben, mit dem ich drei Wohnungen für UaB errichte und eine Wohneinheit für private Zwecke. Nach zwei Jahren zu behaupten, dass niemand von den Chalets gewusst hat, ist nicht besonders glaubwürdig. Ich bin es gewohnt, mit negativen Schlagzeilen konfrontiert zu werden, und ich kann durchaus damit leben, solange es nicht zu einer Hexenjagd ausartet und die Folgen der Anschuldigungen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit meiner Familie haben. Wenn Sanierungsmaßnahmen getroffen werden müssen, werde ich natürlich dafür geradestehen – so wie jeder andere auch.“
„Es gibt dringendere Probleme!“
Über die Trennung von Peter Faistnauer sei bereits alles gesagt worden, teilte Team-KChef Paul Köllensperger auf Anfrage mit. Man habe gemeinsam beschlossen, hart und schnell zu reagieren: „Peter Faistnauer hat die Chance bekommen, sich zu rechtfertigen und die Vorwürfe zu entkräften, sie aber nicht genutzt.“ Jede weitere Äußerung darüber, während das Verfahren noch im Laufen sei, wäre nicht korrekt, so Köllensperger weiter. Zudem gebe es wichtigere Probleme in der Südtiroler Politik als die Trennung von einem Parteimitglied. Er spricht damit das „Parteizwang-Denken“ an, das jede fraktionsübergreifende Zusammenarbeit verhindere. Sämtliche Diskussionen, und wenn sie noch so unideologisch geführt würden, würden politisiert. „Fast jeder Vorschlag, der von uns oder einer anderen Oppositionspartei kommt, wird abgelehnt – aus Prinzip abgelehnt, oft mit fadenscheinigen Argumenten. Die SVP verharrt im Parteidenken und betrachtet den Landtag – die erste Macht im Land – als Anhängsel der Landesregierung“, so Köllensperger. Mit diesem Parteidenken schade die Regierungspartei auch ihren eigenen Abgeordneten, siehe der peinliche Fall Deeg-Ladurner, aber vor allem der Demokratie in Südtirol. „Wenn der Landtag nur dazu dient, Regierungsgesetze durchzuwinken, fragt man sich, welchen Sinn eine politische Betätigung in der Legislative überhaupt noch hat. Diese Erfahrung, die wir im Landtag machen, wird übrigens von den Bürgerlisten-Parteien auf Gemeindeebene genauso und wohl noch schlimmer durchgemacht“, so Köllensperger. Frustrierend sei das. Eine Antwort auf die zunehmende Politikverdrossenheit der Bürger könne nur in pragmatischen und zeitnahen Lösungen liegen – dafür reagierten der politische wie der bürokratische Apparat allerdings viel zu langsam. schluss an die Corona-Bonus-Affäre von Paul Köllensperger habe es Aussprachen über die Schwere der Vorwürfe und über einen möglichen Rücktritt unter den Mitgliedern gegeben. „Bei mir hingegen nicht. Es war nicht ungesetzlich, um den Corona-Bonus anzusuchen, aber unmoralisch – in meinem Fall kann man sich fragen, ob es unmoralisch ist, eine Sanierungsvariante einzureichen“, so Faistnauer. Einige Mitglieder des Team K hätten diese Ungleichbehandlung ebenfalls wahrgenommen und seien in der Folge aus der Saubermann-Partei ausgetreten. Insgesamt seien in der öffentlichen Kommunikation einige große „Blutzer“ passiert, die erheblich am Image des Team K und der Politik insgesamt nagten. An eine Rückgabe des Mandats, wie von Paul Köllensperger gefordert, habe er allerdings nie gedacht. „Erwiesenermaßen hat gleiches Recht für alle zu gelten – auch für Politiker“, ist der Landtagsabgeordnete überzeugt. Die Forderung, dass ein Politiker bereits auf den bloßen Verdacht hin zurücktreten müsse, könne er nicht nachvollziehen.
Bis zur Klärung der Fakten habe für jeden die
Unschuldsvermutung zu gelten.
Wie geht es weiter?
Kurz nach dem Austritt aus dem Team K gründete Peter Faistnauer die Liste „Perspektiven für Südtirol“. Gemeinsam mit seinen Teilzeit-Mitarbeitern möchte der Landtagsabgeordnete nun jene Themen voranbringen, die er vorher nicht umsetzen konnte. Eines dieser Themen ist das Feldschutzgesetz, das den Schutz des bäuerlichen Grundeigentums vor Verschmutzungen etwa durch Hundekot oder die widerrechtliche Nutzung als Picknick-Platz vorsieht. „Bereits vor einem Jahr habe ich dazu die Gesetzesvorlage verfasst, habe sie aber bisher nicht veröffentlichen können, da sich viele vor dem öffentlichen Diskurs dieser sensiblen Thematik scheuten“, erklärt Faistnauer. Ein weiterer Beschlussantrag, den er demnächst einbringen will, betrifft die Einrichtung von Bezirksbauernläden. Dabei handelt es sich um konkrete Vorschläge zur Stärkung der Direktvermarktung unter Ausschaltung des Handels. Angesprochen auf den Aufbau einer Bezirks- oder landesweiten Struktur winkt Faistnauer ab. Das klinge wieder zu sehr nach Partei. „Wenn sich eine Zusammenarbeit ergibt, werde ich dieser sicher positiv gegenüberstehen.“ Rückmeldungen diesbezüglich seien bereits eingegangen. Pläne für die kommenden Landtagswahlen gebe es aber derzeit keine, das sei noch zu früh. „Die Resonanz, die ich erhalte, stimmt mich positiv. Ich sehe allerdings auch das ‚Ungesunde‘ in der Politik. Die bisweilen an den Tag gelegte Brutalität dieses Geschäfts ist es nicht wert, die Familie dafür aufs Spiel zu setzen“, so Faistnauer.
Freienfelder Whistleblower
Während sich nach der Veröffentlichung des ersten Artikels in der Neuen Südtiroler Tageszeitung die Berichterstattung auf die vermeintlichen Bauvergehen und die anschließende Schlammschlacht zwischen Team-K-Chef Paul Köllensperger sowie dem geschassten Wipptaler Abgeordneten konzentrierte, blieb eine wichtige Frage ausgespart: Wer hat die Unterlagen, die eigentlich dem Amtsgeheimnis unterliegen, an die Tageszeitung weitergeleitet? Und vor allem warum? Wollte der oder die Betreffende skandalöse Bausünden aufdecken? Damit zeigen, dass ein Politiker nicht mit allem durchkommt? Oder steckt noch etwas anderes dahinter? Bis dato ist diese Person nicht an die Öffentlichkeit gegangen, weshalb man über etwaige Motive nur spekulieren kann. So wie der Absender der Unterlagen bleiben auch die Namen jener Nachbarn anonym, die behaupten, dass die Chalets ohne Benutzungsgenehmigung bereits an Touristen vermietet werden, sowie das Mitglied der Interessentschaft Trens, das Interna über eine Abstimmung zu einer Anfrage Faistnauers ausgeplaudert hat. Das Zusammenleben und Zusammenarbeiten dürfte in Zukunft in Trens also nicht einfacher werden. Auf diese Situation angesprochen, erklärte Bürgermeisterin Verena Überegger, dass dieser Fall natürlich viel Staub aufgewirbelt hat. „Als Gemeindeverwaltung setzen wir alle vorgesehenen Schritte, dabei ist mir eine korrekte und saubere Vorgehensweise wichtig“, so Überegger.
Politische Logik
Wie schnell ein beschädigtes Image einen Politiker in Misskredit bringen kann, zeigt das Beispiel Peter Faistnauer. Zum Verhängnis wurde dem Wipptaler Landtagsabgeordneten ein Bericht der Neuen Südtiroler Tageszeitung über dessen angebliche Bauvergehen. Welche Folgen solche Skandale für die politische Landschaft und die Gesellschaft haben können, darüber spricht Politologe Hermann Atz mit dem Erker.
Interview: Astrid Tötsch
Erker: Herr Atz, das Karriereende von Peter Faistnauer beim Team K kam doch etwas überraschend und relativ schnell.
Hermann Atz: Der Bericht der Neuen Südtiroler Tageszeitung über den Landtagsabgeordneten Peter Faistnauer war natürlich ein Gau für das Team K, das mit dem Wahlversprechen angetreten ist, es besser zu machen als die anderen bzw. eine saubere Politik zu machen. Genau solche Verquickungen von Politik und Interessen wollte das Team K aufdecken und nun betrifft es plötzlich die eigenen Reihen. So eine Geschichte stellt natürlich eine große Gefahr für das Image dieser Partei dar und insofern hat es mich nicht überrascht, dass die Trennung so schnell erfolgt ist. Solche Entscheidungen müssen sofort getroffen werden, damit sie in der Öffentlichkeit irgendeinen Effekt haben.
Dem vorausgegangen ist die
Umfrage des Institutes Apollis, dem Sie als wissenschaftlicher Leiter vorstehen. Dieser zufolge hat das Team K in der
Wählergunst eingebüßt. Befand sich das Team K unter
Zugzwang? Erst recht mit so einem Skandal im Nacken?
Ich würde hier keinen Zusammenhang sehen und ich glaube auch nicht, dass Faistnauer ein –
Hermann Atz: „Ich glaube, dass es um das Saubermann-Image ging, das die Partei nicht verlieren wollte.“
im wahrsten Sinne des Wortes – „Bauernopfer“ war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er geopfert wurde, um das angeschlagene Image der Partei aufzupolieren. Meiner Einschätzung nach fühlte sich das Team K in die Defensive gedrängt und versuchte zu retten, was noch zu retten ist.
Bei der Art und Weise, wie die verschiedenen Akteure mit dieser Situation umgegangen sind, spielte möglicherweise die noch relativ junge Ge-
schichte des Team K eine gewisse Rolle.
Ich glaube nicht, dass man das Verhalten und die Entscheidungen so interpretieren kann, als müsste das Team K erst politische Erfahrung sammeln und aus Fehlern lernen. Natürlich kann eine Partei wie die SVP mit ihrer Tradition auf gewachsene Strukturen zurückgreifen, in der die Abläufe eingespielt sind. Potentielle Kandidaten werden bereits im Vorfeld zu einer Wahl abgeklopft und dahingehend ausgewählt, ob sie überhaupt zur SVP passen. Vor allem wissen aber auch die Kandidaten, worauf sie sich einlassen. Bei einer eilig zusammengestellten Oppositionsliste, wie es beim Team K der Fall war, wissen auch die Kandidaten nicht unbedingt, wohin die Reise geht. Strukturen müssen erst wachsen und nicht nur die Partei als gesamtes Gebilde muss lernen, sondern auch die einzelnen Mitglieder müssen sich in ihren Meinungen, Werten und Haltungen annähern und herausfinden, ob es das ist, was sie suchen. Salopp gesagt handelte es sich beim Team K um einen bunten Haufen, der sich erst zusammenraufen musste. Ich gehe davon aus, dass es in diesem famosen Sommer 2018 gewisse Vorentscheidungsprozesse gab, wer beim Team K als Kandidat in Frage kommen könnte. Faistnauer als Bürgerlisten-Vertreter und Bürgermeister einer ländlichen Gemeinde stand sicher auf der Wunschliste von Köllensperger. Während bei Josef Unterholzer relativ bald klar war, dass er von seiner politischen Grundausrichtung nicht in das Team K gepasst hat, gibt es beim neuen Programm, das Faistnauer nach seiner Parteigründung vorgestellt hat, in sachlicher Hinsicht kaum Differenzen. Ich glaube, dass es in dieser Situation wirklich um das Saubermann-Image ging, das die Partei nicht verlieren wollte. Eine andere Geschichte ist, was sich zwischen Freitag und Montag hinter verschlossenen Türen abgespielt haben mag, darüber kann man allerdings nur spekulieren. Dabei stand möglicherweise auch die Frage im Raum, weshalb Faistnauer seine Parteikollegen nicht bereits im Vorfeld über die Diskussionen rund um seine Bautätigkeit informiert hat. Es wäre doch mehr als vernünftig gewesen, wenn er von vornherein erklärt hätte, was sich hier vielleicht als Problem abzeichnen könnte. Er hätte wissen müssen, dass sowohl er als auch seine Partei dadurch angreifbar sind. Wie den verschiedenen Stellungnahmen zu entnehmen war, haben auch sie die Geschichte erst aus der Presse erfahren. Dieser „Vertrauensbruch“ wurde u. a. als Grund genannt, weshalb die Entscheidung für den Hinauswurf so schnell gefallen ist.
„Es ist nun einmal eine Tatsache, dass sich heute ein großer Teil der Gesellschaft ein gewisses Verhalten von den Politikern erwartet.“
Sachlich betrachtet ist der
Bauakt des Landtagsabgeordneten Faistnauer noch nicht abgeschlossen: Es gibt noch keine Anklage, keinen Prozess und keine juristische Verurteilung. Bevor eine solche überhaupt im Raum steht, hat aber bereits eine öffentliche Verurteilung stattgefunden.
Das ist immer das Problem, wenn Politiker in solche Geschichten involviert sind. Bereits der Hauch eines Verdachts bedeutet einen schweren Image-Schaden; dass Politiker Prozesse „aussitzen“, ist eigentlich so nur in Italien möglich, siehe der Fall Berlusconi. In anderen europäischen Ländern reicht bereits der Verdacht aus, damit jemand, der mit solchen Vorwürfen konfrontiert ist, seine Ämter bis zur Klärung der Sachlage niederlegen muss. Das erwartet sich heute die Öffentlichkeit von einem Politiker.
Sollte unsere Gesellschaft an diesem Idealbild festhalten oder die Realität, die eben auch einschließt, dass Politiker nicht anders handeln als
Otto Normalverbraucher, verwerfen?
Ich kommentiere nicht, was die Gesellschaft tun sollte, sondern ich beobachte und beschreibe die Situation. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass sich heute ein großer Teil der Gesellschaft ein gewisses Verhalten seitens der Politiker erwartet. Blickt man nach Österreich, haben wir dort einen ähnlichen Fall rund um Kanzler Sebastian Kurz, in dem es allerdings um angebliche Falschaussagen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss geht. Auch dort wird darüber diskutiert, ob ein Rücktritt schon vor einer allfälligen Verurteilung angemessen wäre, allein aufgrund der Tatsache, dass ein begründeter Verdacht besteht. Als Gegenargument wird u. a. die Unschuldsvermutung genannt, die für einen Politiker genauso wie für jeden Bürger gelten sollte. Aber in der Politik gelten nun einmal andere Regeln. Von der Opposition wurde Kurz jedenfalls nahegelegt, bei Anklageerhebung sein Amt niederzulegen. Die politische Tätigkeit ruhen zu lassen, bis derartige Vorwürfe geklärt sind, gilt allgemein als „Ethikregel“ in der Politik. Als ich den Bericht in der Tageszeitung gelesen habe, war mir sofort klar, dass Faistnauer rücktrittsreif ist. Das entspricht schlichtweg der politischen Logik. Außer man will ihm aus Böswilligkeit etwas anhängen und die Anschuldigungen sind völlig aus der Luft gegriffen. Es kommt vor, dass Politiker angeschwärzt werden und die erhobenen Vorwürfe nichts anderes als Fake News sind. Am Ende bleibt dann trotzdem irgendetwas hängen. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus bzw. die ganze Geschichte „stinkt“ ein wenig. Faistnauer mag am Ende juristisch unbeschadet aus der Sache herauskommen, aber in der Politik gelten andere Maßstäbe als vor Gericht. Ähnlich liegt der Fall bei Landesrätin Waltraud Deeg, die auf dem Papier zwar „Bäuerin“ und damit rein rechtlich auch in Ordnung ist, trotzdem gibt es kein gutes Bild ab, und zwar deshalb nicht, weil die Meinung vorherrscht, dass die Politiker erstens genug verdienen und zweitens es sich richten, wie sie es brauchen, während einfachen Leuten, die nicht Einblick in die bürokratischen Abläufe haben, ständig Prügel zwischen die Beine geworfen werden. Die nicht gerade hohe Meinung über die Politiker lautet: „Sie finden immer ein Schlupfloch!“ Deshalb steht die Aussage „Politiker sollen behandelt werden wie jeder normale Bürger!“ im Konflikt zur Erwartungshaltung der öffentlichen Meinung.
„Nun gibt es einen Politiker mehr, der sich beweisen und im Alleingang Aktionen setzen muss, um die Wähler auf sich aufmerksam zu machen. In einem Team wäre das natürlich einfacher.“
Welche Folgen können solche Skandale für die Politiker selbst, aber auch für die
Glaubwürdigkeit der Politik haben?
Die Antwort darauf steckt bereits in der Frage. Alles, was in der Öffentlichkeit als Skandal thematisiert und von vielen Leuten wahrgenommen wird, ist natürlich nicht gerade förderlich für das Image der Politik. Deshalb würde es dem politischen Berufsstand nutzen, wenn ein beschuldigter Politiker bereits auf den bloßen Verdacht hin zurücktritt. Es ist verständlich, dass jemand, der sich zu Unrecht beschuldigt fühlt, sich nicht in die Ecke des Verurteilten stellen lassen will. Die Tatsache, dass Faistnauer nicht zurückgetreten ist, bestätigt allerdings die Vorurteile derjenigen, die behaupten, dass Politiker reine Sesselkleber und nur darauf bedacht sind, möglichst viele Vorteile aus ihrer politischen Tätigkeit zu ziehen.
Im Landtag sitzen nun zwölf Parteien und sechs
Ein-Mann-Fraktionen. Welche
Bedeutung hat eine derart zersplitterte Opposition?
Ob es nun fünf oder sechs Ein-Mann-Fraktionen sind, macht für die Oppositionspolitik keinen großen Unterschied. Natürlich war das Team K mit sechs Abgeordneten bedeutend stärker als mit vier Abgeordneten. Eine ernst zu nehmende Größe war diese Partei
bis dato aber nicht, weil sich die Regierungskoalition sehr kompakt präsentiert und die Lega nie ausgeschert ist. Ob nun vier oder sechs Abgeordnete gegen die Anträge der SVP stimmen, spielt keine Rolle, solange die Regierungsmehrheit geschlossen dahinter steht. Von daher sehe ich keine großen Auswirkungen auf die Stärke der Opposition insgesamt. Für das Team K ist der Abgang des Wipptaler Landtagsabgeordneten dahingehend ein Verlust, weil er der prominenteste Bürgerlisten-Vertreter war; zudem deckte er mit dem Schwerpunkt Landwirtschaft einen Bereich ab, der dem Team nun fehlt. Das Team K wird noch mehr zu einer städtischen Partei. Schwierigkeiten für die Opposition insgesamt könnte es geben, wenn geschlossen gemeinsames Handeln und Agieren gefragt sind, wie etwa damals, als alle Oppositionsparteien lautstark gegen das Übergehen des Landtags bei wichtigen Entscheidungen während der Corona-Pandemie protestierten. Man kann die Ereignisse allerdings auch von einer anderen Perspektive aus betrachten: Nun gibt es einen Politiker mehr, der sich beweisen und im Alleingang Aktionen setzen muss, um die Wähler auf sich aufmerksam zu machen. In einem Team wäre das natürlich einfacher.
Die SVP scheint von den Querelen rund um den Zerfall des Team K profitiert zu haben …
Ja, allerdings eher indirekt. Die Regierungspartei ist genauso handlungsfähig wie vorher, profitiert aber vom Imageschaden des Team K, frei nach dem Motto „Die sind auch nicht besser!“.
Nun stellt sich auch die Frage, welche längerfristigen Zukunftschancen Ein-Mann-Fraktionen wie jene von Josef
Unterholzner oder Peter Faistnauer haben, die nicht wie
Alessandro Urzì auf die Unterstützung durch nationale Parteien zählen können.
Das hängt natürlich vom Ehrgeiz und vom Geschick des jeweiligen Politikers ab. Es stellt sich die Frage, was die wirklichen Ziele von Peter Faistnauer sind, ob er langfristig eine neue politische Kraft aufbauen will oder diese Legislaturperiode durchzieht, um sich gleichzeitig zu rehabilitieren. Als Einzelkämpfer wird er es sehr schwer haben und die Wahrscheinlichkeit, dass er einen Wiedereinzug in den Landtag schafft, ist nicht sehr hoch. Dafür muss er entweder eine Struktur aufbauen oder ein Bündnis mit anderen Parteien eingehen. Andreas Pöder Mitte Juli veröffentlichte die Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ) eine Umfrage zur politischen Stimmung in Südtirol. An der Umfrage, die vom Institut für Sozialforschung und Demoskopie „Apollis“ durchgeführt wurde, haben 1.001 Personen teilgenommen. Während die SVP mit 43 Prozent etwas zulegen konnte, war der Zuwachs der Grünen mehr als deutlich: von 6,8 auf 13 Prozent. Als eindeutiger Verlierer stellte sich das Team K heraus, dessen Umfragewerte auf 9 Prozent sanken (2018: 15,2 %). Basierend auf diesen Umfragewerten wäre das Team K von sechs auf drei Mandate gerutscht. Nicht mehr in den Landtag geschafft hätten es Josef Unterholzner (mittlerweile Fraktion Enzian), Maria Elisabeth Rieder und Peter Faistnauer (Perspektiven für Südtirol).
„Welche Partei würden Sie wählen, wenn am Sonntag Landtagswahlen wären?“
SVP Team K Lega Grüne Freiheitliche Süd-Tiroler Freiheit Partito Democratico Movimento 5 Stelle Fratelli d’Italia
Umfrage 2021 (%)
43 9 10 13 4 7
Wahlergebnis 2018 (%)
41,9 15,2 11,1 6,8 6,2 6
6 3,8
2 2,4
2 1,7*
* Alto Adige nel cuore Fratelli d’Italia uniti
beispielsweise hat das recht gut verstanden und im Laufe seiner politischen Karriere mehrere Parteien und Bündnisse genutzt, um immer wieder in den Landtag einzuziehen.
… und Themen gewählt hat, die sonst keiner anfassen
wollte.
Dieser Vergleich würde eher zu Josef Unterholzner passen, der sich Themen aussucht, von denen er glaubt, sie wären verwaist. Peter Faistnauer wird sich schwertun, hier etwas Passendes zu finden.