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Vor 100 Jahren
from ERKER 12 2022
by Der Erker
Vor hundert Jahren ... 1922
Zusammengestellt von Karl-Heinz Sparber
03.12.1922 Im Schneesturm tödlich verunglückt
Wie aus Obernberg berichtet wird, ist der 36-jährige Leopold Hirber aus Giggl-Berg bei Gossensaß am Sandjoch während eines Schneesturmes in den felsigen Bergwänden abgestürzt und erlitt so schwere Verletzungen, daß er denselben erlag. Volksblatt für Stadt und Land
07.12.1922 Raminges bei Sterzing
Lieber Botenmann! Muss dir schon auch einmal von unserem stillen Ramingerberg ob Sterzing etwas berichten. Am 1. Dezember hat man einen braven Familienvater hinuntergetragen in den Friedhof zur ewigen Ruhe, den Pichlerbauern Michael Pichler. In den schönsten Jahren, erst 45 Jahre alt, ist er nach langer, schwerer Krankheit seiner Familie entrissen worden. Mitte Oktober wurde er nach Brixen ins Sanatorium zur Operation gebracht, wo er am 28. November gestorben ist. Die Leiche wurde in die Heimat überführt. Allgemeines Mitleid bringt man der Witwe mit ihren neun unmündigen Kindern entgegen, wovon das älteste noch in die Schule geht. Volksbote
17.12.1922 Reiseeindrücke
Anfangs Mai d. J. kam ein Kollege zu mir ins Büro und sagte: „In einigen Wochen wird die Bahn wieder teurer, wir müssen trachten in Urlaub zu kommen, und zwar nach Tirol.“ Ja über den Brenner, wo der Kollege in der Kriegszeit bei der Bahnwache war. (…) Freitag früh 7 Uhr ging es fort von Innsbruck über den Brenner, vorerst nach Brennerbad: in Steinach wurden uns die Pässe abgenommen, vorüber fuhren wir bei Matrei, wo in Kriegszeit 40 Häuser ein Raub der Flammen wurden. In der Station Brenner, die höchste Spitze dieses Berges, zeigte sich uns das erste italienische Bild. Italienisches Militär und Gendarmerie, genannt Carabinerie, spazierten auf und ab und hielt ich letztere für Mitglieder einer Leichenbestattungsgesellschaft. In obiger Station erhielten wir unsere Pässe wieder. Die nächste Station ist Brennerbad, ein vor Kriegszeit sehr gut besuchtes Bad für mittlere Klassen, die Therme ist 28 Grad Celsius. Im Gasthaus Vetter mit Namen, wo mein Kollege sich außer seiner Dienststunden viel aufhielt, fanden wir freundliche Aufnahme und Quartier. Eine alte Frau die Besitzerin, der Vater war vor vier Wochen gestorben, drei Söhne und zwei sehr liebe Töchter waren die Bewohner dieses Hauses. Zu Mittag gab es kein Fleisch, da Freitag war, aber dafür Nudeln gebacken mit Milch und einen Topfenstrudel. Dieses Haus besitzt zirka 15 Stück Kühe, von denen nur eine 20 Liter Milch täglich gab, alle anderen aber auch 10 bis 15 Liter, die nach Gossensaß und Sterzing verkauft wird. Am Nachmittag besichtigten wir die Hotels, es sind deren zwei, eines für den Mittelstand, das zweite nur für reiche Leute; in beiden war alles kleingehauen, Betten, Tische, Kasten, Spiegel, ja es war ein Greuel zu sehen, was Menschen in ihrem Verwüstungstaumel leisten. Da werden wohl Jahrzehnte vergehen, bis all die Verwüstung wieder in Ordnung kommt. (...) Am Samstag gingen wir nach Gossensaß und Sterzing. Da es bergab ging, war es Der Bezirksbote
19.12.1922 Wintersportliche Veranstaltungen zu Weihnachten und Neujahr
keine besondere Leistung. In Sterzing sah ich den ersten Heldenfriedhof, 50 Gräber an der Zahl, alle mit einfachem schwarzen Kreuz versehen und Namenstafeln, es waren Italiener. Die Kirche in Sterzing ist berühmt, ihr Hochaltar etwas, was ich noch nie gesehen habe; wir besuchten dann noch das Marmorwerk Hauser, wo man anstatt 80 Arbeiter 7 beschäftigte, darunter einen Ingenieur, einen Werkmeister, einen Buchhalter. Sonntag morgens mußten wir weiter, ich hatte ja durch die paar Tage den Brenner in Frühjahrs-
stimmung kennengelernt, die Schafwollsocken taten gute Dienste. Nun ging es an das Abschiednehmen mit dem Versprechen wieder zu kommen, freundlichen Dank sagend, im Winken, da stand schon der Zug, einsteigen nach Bozen über Franzensfeste. (…) Franzensfeste ist ja bekanntlich eine Verkehrsstation, aber höchst interessant ist die Festung. Man kommt dort aus dem Engpaß und ein ganz anderes Bild rückt vor unsere Augen. Nicht lange dauert es und man hat Brixen, diese Bischofsstadt, vor sich. Jetzt heißt es die Schafwollsocken ausziehen und weiter geht es. (…) Während der Feiertage finden (…) folgende größere Veranstaltungen statt: 26. Dezember Bobrennen um die Meisterschaft der Jaufenstraße und den Wanderpreis der Stadt Sterzing; 31. Dez.: Pferdeschlittenrennen Gasteig - Sterzing; (…) Die neu gegründete Bobsektion des Sportklubs Tirol trifft jetzt ihre Vorbereitungen, um mit zwei Bobs, die Herr Greiner (Gasthof Breinößl) zur Verfügung stellt und die mit Mannschaften des Sportklubs besetzt werden, beim großen Bobrennen auf der Jaufenstraße am 26. Dezember in Sterzing um den Preis Gasthaus Vetter mit Veranda, rechts hinten der Stadt Sterzing und um die das am 22. November 1922 abgebrannte Hotel Brennerbad Meisterschaft der Jaufenstraße zu starten. Die Mannschaften werden allerdings einen sehr harten Stand haben, um unter den ersten abzuschneiden, da bei großer Beteiligung (es werden 40 - 50 Bobmannschaften erwartet) der Sieg jedenfalls nicht leicht sein wird. Es werden starten: auf Bob Greiner I: Pötzelberger, Wurmhöringer, Erhart und Salabascheff und auf Bob Greiner II: Neuhauser, Mayr, Srnka, Tonny Guggenberg und Moser. - Auch bei anderen Bobmannschaften wird die Frage der Teilnahme an diesem großen Rennen erwogen. Allgemeiner Tiroler Anzeiger