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GESCHICHTE HAUTNAH

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Historisches Museum Saar, Saarbrücken

Das Historische Museum Saar gehört zu den bedeutendsten Museen des Saarlandes. Seine landesgeschichtliche Sammlung bietet einen einzigartigen Überblick über die Geschichte und Kultur des kleinsten deutschen Flächenlandes von 1870 bis 1959 und hält so manche Überraschung bereit.

Am Saarbrücker Schlossplatz liegt, eingezwängt zwischen Schloss und Talstraße, ein lang gestrecktes Gebäude mit gestuftem Tonnendach. Mit seiner ungewöhnlichen Architektur wirkt es neben dem barocken Schlossgebäude wie ein Kirchenschiff. Architekt war kein Geringerer als Gottfried Böhm, der auch den gläsernen Mittelrisalit des Schlosses ersann. Das merkwürdige Gebäude, das man an der Stirnseite zum Platz betritt, ist Sitz des Historischen Museums Saar. Im Inneren ist man erst einmal beeindruckt von der Halle, die für kunst und kulturgeschichtliche Wechselausstellungen genutzt wird. So richtig spannend wird es im Untergeschoss des Gebäudes. Der halbe Schlossplatz und einige Keller des Schlosses gehören zum Museum. Wie in einem Maulwurfsbau durchzieht ein Labyrinth aus Gängen, Kabinetten und Ausstellungssälen den Hügel unter dem Schloss. Zwischen barocken Gewölbekellern und 1950er JahreCharme flaniert man auf 2.700 Quadratmetern durch die Geschichte des Saarlandes vom DeutschFranzösischen Krieg 1870/71 bis zur Wiedereingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1959. Dabei werden wesentliche Aspekte der wechselvollen saarländischen Geschichte anschaulich: Die erste Hochphase der Montanindustrie in der Region während des Deutschen Kaiserreichs, die Zeit des Völkerbundmandats, der Anschluss ans Deutsche Reich zur Zeit des Nationalsozialismus und die Phase der Unabhängigkeit, die in der Saarabstimmung im Jahr 1955 gipfelte

Blick in die unterirdische Saarbrücker Burganlage aus Mittelalter und Renaissance, Foto: Oliver Dietze

und mit der wirtschaftlichen Angliederung im Jahr 1959 endete. Eine wechselvolle Geschichte, die so in Europa einmalig ist und dazu führte, dass mancher Saarländer in seinem Leben fünf verschiedene Pässe hatte. „Das besondere Konzept des Museums ist seine Mischung aus Originalschauplätzen und musealer Präsentation“, erläutert Museumsdirektor Simon Matzerath, der das Haus seit vier Jahren leitet. Tatsächlich bietet das Museum weit mehr als nur die museale Aufbereitung der Zeitgeschichte. In einem Keller ist eine kleine GestapoZelle mit Kritzeleien und Zeichnungen von Insassen erhalten geblieben. Es ist ein beklemmendes Gefühl, in dem nur wenige Quadratmeter großen Raum zu stehen. Aufregend auch der Übergang in die mittelalterliche Geschichte: Durch eine gläserne Tür betritt man eine Aussichtsplattform in einer riesigen Halle. Sie liegt 14 Meter unter dem Schlossplatz und beherbergt Teile der mittelalterlichen Burganlage der Stadt. Geht man die Treppe hinunter, steht man im ehemaligen Burggraben. Das Bauwerk ist erstaunlich gut erhalten und ermöglicht einen Spaziergang durch Treppenaufgänge, Räume und Kasematten. Eine sehenswerte Rarität ist ein eher unscheinbarer Platz, der mit Steinplatten ausgelegt ist. „Wir stehen hier auf einem der ältesten erhaltenen Tennisplätze der Welt“, so Matzerath und führt aus: „Hier stand einst im Burggraben ein Ballhaus, wo die Söhne des Grafen Ludwig von NassauSaarbrücken ab 1610 einen Vorläufer des modernen Tennis spielten.“ Der Museumsleiter glaubt an die Qualität des Museums und der 30.000 Exponate: „Vor gut 20 Jahren sollte das Saarland für Natur und Wandertourismus erschlossen werden, aber nur wenige haben dieses Potenzial damals erkannt. Heute steht das Saarland als einmalige Kulturlandschaft erst davor, auch seine eigene Kultur, Geschichte und Archäologie wertzuschätzen und deren Qualität zu erkennen. Im Ergebnis wird sich das Saarland hoffentlich bald als Region für hochwertigen und abwechslungsreichen Kulturtourismus etablieren.“ Dabei sieht er das Historische Museum Saar als eine treibende Kraft. Längst hat mit dem Umbau vom regional zum landesgeschichtlichen Museum der Wandel begonnen. Immerhin 40.000 Besucher kommen pro Jahr – Tendenz steigend. Damit ist das Haus nach der Modernen Galerie des Saarlandmuseums das bestbesuchte Museum der Landeshauptstadt. Matzerath möchte die Präsentation in den nächsten Jahren deutlich verbessern, plant bauliche Maßnahmen und eine Neupräsentation, die deutlich moderner und konsequenter werden soll: „Der historische Ausschnitt von 1870 bis 1959 ist zu schmal. Wir möchten die Geschichte der Region von der Zeit der Kleinstaaten in der Zeit des Barocks beginnend am Anfang des 18. Jahrhunderts erzählen und die Geschichte des Landes auch über 1959 hinaus darstellen.“ Zu erzählen gibt es viel, denn das Saarland musste den langsamen Niedergang von Kohle und Stahl verkraften und überwinden.

BÜLENT GÜNDÜZ

www.historisches-museum.org

Museumsdirektor Simon Matzerath, 2019,

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