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BELLINZONA, LUGANO, MENDRISIO

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TERMINE

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Bellinzona, Lugano, Mendrisio: Kunst im südlichen Dreieck

Im Tessin verbindet der neue CeneriBasistunnel

ab Dezember 2020 den nördlichen mit dem südlichen Kantonsteil.

Das beschleunigt auch eine Kunstreise vom Norden in den Süden.

Die Burg von Sassa Corbaro, erbaut 1479 von Benedetto Ferrini, Foto: © Bellinzonese e Alto Ticino Turismo

Bellinzona bezeichnet sich seit der Eröffnung des GotthardBasistunnels im Jahr 2016, des längsten Eisenbahntunnels der Welt, als „Tor zum Süden“. Bellinzona ist folglich der erste Halt auf unserer Bahnreise zur Kunst von Basel ins Tessin. Nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt führt neben der architektonisch umstrittenen Piazza del Sole (Architekt Livio Vacchini) ein in den Fels eingelassener Lift in die Höhe zum Castelgrande, der größten der drei Burganlagen Bellinzonas, die seit genau 20 Jahren Weltkulturerbe der UNESCO sind. „Die Wehranlagen gehören zu den bedeutendsten Zeugen der mittelalterlichen Befestigungsbaukunst in der Schweiz“, lautete die Begründung zur Aufnahme in diese prestigereiche Liste. Allerdings sind die Burgen nicht nur historische Zeugnisse aus dem 13. Jahrhundert, sondern fest in das Kulturleben der Stadt integriert. Hier finden Kongresse, Ausstellungen und sogar Open AirVeranstaltungen statt. Das Castelgrande wurde in den 1990erJahren vom bekannten Architekten Aurelio Galfetti sorgfältig und einfühlsam restauriert. Von Bellinzona führt ein Abstecher in 30 Minuten SBahnFahrt nach Locarno und per Bus weiter zum Monte Verità nach Ascona. Eine alternative und vegetarische Gemeinschaft lebte hier im frühen 20. Jahrhundert − heute würde man von „Aussteigern“ sprechen. Ihr Lebensprojekt strahlte nach ganz Europa aus. Künstler, Anarchisten, Philosophen und Denker, aber auch illustre Gäste wie Hermann Hesse kamen hier zusammen. Später kaufte der deutsch schweizerische Bankier und Kunstsammler Baron Eduard von der Heydt den Hügel von Ascona und ließ 1928 ein Hotel im BauhausStil errichten, das nach umfassender Renovierung nun in neuer Frische erstrahlt und dem Verband „Swiss Historic Hotels“ gehört. Übernachten in einem Bauhaus Hotel? In Ascona ist es möglich. Ein über den Hügel verteilter Museumskomplex erzählt darüber hinaus die faszinierende Geschichte des Monte Verità. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Dauerausstellung „Monte Verità: Die Brüste der Wahrheit“ in der restaurierten Casa Anatta zu, die der legendäre Ausstellungsmacher Harald Szeemann im Jahr 1978 als Wanderschau konzipiert hatte. Erzählt wird die utopische Geschichte des Monte Verità und seiner Umgebung seit dem 19. Jahrhundert. Von November bis März hat die Casa Anatta leider geschlossen, aber ganzjährig kann man auf dem Hügel spazieren gehen und sogar noch Sportgeräte entdecken, an denen sich die MonteVeritàner einst körperlich ertüchtigten. Ebenfalls möglich ist im Winter – aber nur samstags und sonntags − eine Einkehr in das Teehaus („Casa del Tè“), in dem Zeremonien mit Tees aus eigener Produktion angeboten werden. Die kleine Teeplantage auf dem Monte Verità geht auf das Jahr 2005 zurück und verdankt sich dem Pioniergeist des Heilpflanzenexperten Peter Oppliger.

Unsere Reise durch das südliche Tessin führt weiter nach Lugano. Dank des neuen CeneriBasistunnels können wir das Wirtschafts und Finanzzentrum des Kantons von Locarno aus umsteigefrei in 30 Minuten erreichen (ab dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2020). Vom Bahnhof geht es mit der Drahtseilbahn oder zu Fuß hinab ins Stadtzentrum und weiter durch die Luxusmeile Via Nassa ins nahe gelegene LAC. Das 2015 eröffnete und vom Architekten Ivano Gianola entworfene Kulturzentrum (Lugano Arte e Cultura) beherbergt das Kunstmuseum der italienischen Schweiz (MASI), das in diesem Winter in Zusammenarbeit mit dem Kesselhaus Josephsohn in St. Gallen eine Hommage zum 100. Geburtstag des Bildhauers Hans Josephsohn präsentiert – eine Ausstellung mit bewusst provisorischem Charakter und ohne Anspruch auf retrospektive Vollständigkeit (bis 21. Februar 2021). Im Tessin ist Josephsohn kein Unbekannter. In Giornico im Leventinatal steht seit 1992 „La Congiunta“, ein futuristischer Museumsbau mit rund 30 Plastiken von Hans Josephsohn. Das MASI verfügt seit diesem Mai mit dem Palazzo Reali über einen zweiten Standort im Zentrum von Lugano. Drei Jahre lang war dieser Gebäudekomplex aus dem 15.Jahrhundert restauriert worden. Passend zum Konzept widmet sich nun eine der ersten Ausstellungen dem Luganeser Fotografen Vincenzo Vicari (1911−2007), der mit seinen Bildern die Transformation des Tessins von einer ländlich geprägten Region der Nachkriegszeit in eine urbane Gesellschaft eindrücklich dokumentierte. Gezeigt wird eine Auswahl von 100 SchwarzWeiß und Farbaufnahmen („Vincenzo Vicari: Das Tessin im Wandel der Zeit“, bis 10. Januar 2021).

Das Gipfelgebäude „Fiore di pietra“ von Mario Botta, Fotos: @ Monte Generoso

Transparente und Prozessionen während der Karwoche in Mendrisio, 2019, Foto: © Mendrisiotto Turismo, Luca Crivelli

Weiter im Süden gelangen wir in den Bezirkshauptort Mendrisio, der 2019 international Aufmerksamkeit erlangte, weil die dortigen KarwocheProzessionen in die UNESCO Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurden. Während der traditionellen Prozessionen – 2020 wurden sie wegen des Coronavirus leider abgesagt − werden die Lichter in der Stadt gelöscht und die Straßen sind nur durch das Leuchten der „Trasparenti“ erhellt. Diese von innen illuminierten und durchscheinenden Gemälde werden seit dem 18. Jahrhundert in einer speziellen Technik hergestellt und sind eine Besonderheit der Prozessionen. Im Museum für „Trasparenti“ in der Casa Croci von Mendrisio können besonders schöne Exemplare dieser Laternen ganzjährig angeschaut werden (Do + Sa 14−18 Uhr). Im Stadtteil Rancate von Mendrisio stoßen wir hingegen auf die kantonale Pinakothek Züst, ein echtes Kompetenzzentrum für Kunstwerke von Tessiner und lombardischen Malern. Diese Pinakothek überrascht immer wieder mit originellen Sonderausstellungen, etwa zu Themen wie „Mitgift“ oder „Lesen“ in der Kunst des 19. Jahrhunderts, dem Thema „Pferd“ in der Kunstgeschichte oder Präsentationen außergewöhnlicher Sammlungen, beispielsweise von Spazierstöcken. Der bekannteste, aber auch umstrittenste italienische Kunstkritiker Vittorio Sgarbi macht keinen TessinBesuch, ohne sich in die Pinakothek Züst zu begeben. Unweit von Rancate erreicht man das malerische Dorf Meride, ein idealer Ausgangspunkt für die Erkundung des Monte San Giorgio, der wegen seiner Fossilien seit 2003 zum UNESCOWeltnaturerbe gehört. Die hier gefundenen Versteinerungen von Fischen sowie wirbellosen Tieren wie Insekten und Reptilien gelten weltweit als einzigartig. Doch für Besucher dieser Welterbestätte gab es lange nichts zu sehen außer einen veralteten Ausstellungsraum von 45 Quadratmetern im Gemeindehaus von Meride. Erst seit dem

Umbau des Nebengebäudes durch den international bekannten Architekten Mario Botta erhielt die Weltnaturerbestätte im Südtessin ein adäquates Besucher und Ausstellungszentrum mit 200 Exponaten. 2012 wurde es eröffnet und seither sind auf vier Stockwerken 200 Millionen Jahre Erdgeschichte zu bestaunen. Während Mario Botta in Meride eine Architektur verwirklichte, die von innen erkundet sein will, hat er auf der gegenüberliegenden Seeseite, etwas unterhalb des Gipfels des Monte Generoso, auf 1.700 Metern über dem Meer eine echte „Landmarke“ geschaffen – ein von Weitem sichtbares Wahrzeichen. Es handelt sich um ein mehrstöckiges Restaurant neben der Bergstation der MonteGenerosoZahnradbahn, das 2017 nach mehrjähriger Bauzeit seine Pforten öffnete und inzwischen zu einem Anziehungspunkt über die Region des Mendrisiotto hinaus geworden ist. Botta hat ein achteckiges Gebäude mit einzelnen „Blütenblättern“ gebaut, das unverwechselbar seine Handschrift trägt. Aufgrund der Anordnung der einzelnen Bauelemente entsteht eine Gruppe fünfgeschossiger Türme, unten mit einer leichten Auskragung, die sich nach oben hin wieder schließt. Daher der Name des Gebäudes: „Steinblume“. „Ein imposantes, unverwechselbares, geometrisches Gebäude im Kontrast und gerade deswegen im Dialog mit dem organischen Verlauf der hiesigen Landschaft“, sagt Botta selbst über seine „Fiore di pietra“.

GERHARD LOB

www.bellinzonese-altoticino.ch www.luganoregion.com www.mendrisiottoturismo.ch

Transparente und Prozessionen während der Karwoche in Mendrisio, 2006, Foto: © Mendrisiotto Turismo, Jacques Perler

Mercato Bellinzona, Foto: Remy Steinegger, © Ticino Turismo

HOP IN BELLINZONA Stay & Eat

*von Nina Czayka

RESTAURANTS

Ristorante Locanda Orico

Via Orico 13 T +41 (0) 91 8251518 www.locandaorico.ch

Das Locanda Orico befindet sich in einem Palais am Rande der Altstadt. Mit einem Michelin-Stern und 16 Gault-MillauPunkten ausgezeichnet, ist es das kulinarische Aushängeschild Bellinzonas. Chefkoch Lorenzo Albrici, Schüler der Schweizer Kochlegende Frédy Girardets, entdeckte seine Leidenschaft für das Kochen bereits in Kindheitstagen. Er kombiniert italienische und französische Geschmacksrichtungen und legt besonderen Wert auf die Qualität. Dabei setzt er auf leichte Gerichte, die natürliche Zutaten und Aromen unverfälscht zur Geltung bringen.

Grotto San Michele

Salita al Castello T +41 (0) 91 8148781 castelgrande.ch

Bei einer Reise ins Tessin darf der Besuch eines Grotto, einer typischen Tessiner Weinschänke, nicht fehlen. Traumhaft zwischen den eindrucksvollen Mauern und Weinbergen des Castelgrande liegt das Grotto San Michele. Der Panoramablick von seiner Außenterrasse auf Bellinzona ist einmalig. Hier oder im urigen Gewölbekeller serviert man traditionelle Tessiner Gerichte zu erschwinglichen Preisen. Großer Wert wird auf zuvorkommenden und persönlichen Service gelegt. Das Grotto San Michele hat vom 26. Dezember 2020 bis 21. Januar 2021 Winterferien und ist geschlossen.

Osteria Sasso Corbaro

Via Sasso Corbaro T +41 (0) 91 8255532 osteriasassocorbaro.ch

Südöstlich der Stadt, auf dem höchsten Punkt eines Felsrückens, erhebt sich die Feste Sasso Corbaro. Das Castello ist die kleinste der drei Burgen Bellinzonas, doch der Aufstieg lohnt sich, denn der Blick von den zwei Türmen ist unvergleichlich. Doch nicht nur das Auge wird hier angesprochen, sondern auch der Magen. Ob draußen auf der Terrasse im Burghof oder im intimen Saal, die Osteria Sasso Corbaro bietet große Küche – Grillspezialitäten, Fisch, Wild, Risotto, Gemüse – sowie eine Auswahl exzellenter Weine.

CAFÉ/BAR

Buletti

Piazza Rinaldo Simen 6 T +41 (0) 91 8258980 Piazza Indipenza 2 T +41 (0) 91 2087337 buletti.com

Seit 25 Jahren werden im Familienbetrieb Buletti handgefertigte Leckereien von höchster Qualität hergestellt. Die BulettiSchokoladenspezialitäten werden im eigenen Piotta-Labor kreiert, sogar die Schokolade wird hier eigenständig aus Kakaobohnen produziert. Das BulettiAngebot umfasst neben Pralinen, Schoko laden und Gebäcken auch frisches Brot und saisonale Spezialitäten wie die Weihnachtskuchen Panettone Gottardo und Pandoro oder das Ostergebäck Colomba. In Bellinzona kann man diese himmlischen Geschmackserlebnisse in zwei Geschäften probieren.

HOTELS

punkt, um das Tessin zu entdecken. Die Räume und Säle des aus dem 18. Jahrhundert stammenden Palazzo Scalabrini wurden mit viel Liebe zum Detail restauriert und um einen neuen Flügel erweitert. Eine gelungene Kombination von historischem Flair und modernem Design zeichnen den Charme dieses Traumhotels aus. Das Restaurant bietet modern interpretierte italienische Küche. Mit einem Fokus auf saisonale Gerichte wird alles selbst hergestellt: Pasta, Saucen, Eintöpfe, Fleisch- und Fischgerichte, ergänzt mit Gemüse aus dem eigenen Garten.

Hotel La Tureta

Piazza Grande 43 T +41 (0) 91 8574040 latureta.ch

Das Boutique-Hotel La Tureta im Stadtteil Giubiasco, mitten im Herzen der italienischen Schweiz, ist der ideale Ausgangs-

Hotel & SPA Internazionale

Viale Stazione 35 T +41 (0) 91 8254333 hotel-internazionale.ch

Nur wenige Schritte vom historischen Stadtkern entfernt befindet sich das Hotel & SPA Internazionale.

© Hotel La Tureta

Das Hotel, Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut, präsentiert sich komplett renoviert und luxuriös eingerichtet. Die Zimmer und Suiten bieten je nach Lage eine wunderbare Aussicht auf die drei Burgen Bellinzonas, den Bahnhof, die Berge oder die Magadinoebene. Das 250 Quadratmeter große Wellnesscenter lädt mit einer finnischen Sauna, einem türkischen Bad, einer Entspannungszone sowie einem Beautybereich zum Verweilen und Erholen ein. Auf der Karte des hauseigenen Ristorante Internazionale stehen mediterrane Küche und lokale Spezialitäten.

Locanda Marco

Via Nocca 20 T +41 (0) 91 2908497 locandamarco.ch

Klein, aber fein ist das Locanda Marco, das seinen Gästen vier Zimmer mit einem herrlichen Ausblick auf die mittelalterlichen Burgen der Stadt bietet. Auch Menschen mit Behinderung sind willkommen, denn eines der Zimmer wurde behindertengerecht ausgestattet. In dem vollständig renovierten historischen Gebäude verbinden sich Tessiner Holz, Stein und Beton zu einem einladenden Wohlfühlambiente. Der leidenschaftliche Koch Luca Merlo ist bei Feinschmeckern für seine kreative Küche bekannt, die vor allem auf die Verwendung von lokalen Produkten setzt. Im Locanda Marco kann man auch wunderbar Kaffeepausen und leckere Snacks genießen.

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