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Pforzheim + Berlin PERGAMON – Eine antike Erfolgsgeschichte
EINE ANTIKE ERFOLGSGESCHICHTE
Mit der Eröffnung von PERGAMON erhält das Gasometer Pforzheim im März 2023 ein weiteres Panorama von Yadegar Asisi: ein Panorama der Antike mit einer ganz besonderen Geschichte.
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Spiegel-Installation in der ersten PERGAMON-Ausstellung 2011 in Berlin.
Als eine Delegation der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin vor mehr als 15 Jahren das Panorama ROM 312 im Panometer Leipzig betrachtete, war noch nicht absehbar, welche einzigartige Symbiose von Kunst und Wissenschaft aus diesem Besuch erwachsen würde. Aus der ersten Kontaktaufnahme zu Yadegar Asisi wurde bald ein konkreter Plan: Die jahrzehntelangen Bemühungen der Antikensammlung um die wissenschaftliche Aufarbeitung, Erforschung und Erhaltung ihrer pergamenischen Fundstücke sollte erstmals in der Neuzeit in einer Ausstellung zusammengeführt werden. Eine Kombination aus aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen mit künstlerischen Visualisierungen sollte die seit 2000 Jahren vergangene Welt der hellenistischen Kulturmetropole erlebbar machen – so die Grundidee.
Die archäologische Sonderausstellung mit einem Panoramabild Yadegar Asisis wurde in Rekordzeit von nur wenigen Jahren geplant und umgesetzt. Für das Bild wurde eigens ein Rundbau im Hof des Pergamonmuseums auf der Museumsinsel errichtet. Originale Antiken aus den Archiven der Sammlung vervollständigten in neuer Inszenierung und Kontextualisierung das Ausstellungskonzept. So wurde etwa die Darstellung der Olympischen Götter in Ergänzung zu den gezeigten Götterstatuen als Spiegel-Installation realisiert, um Besuchern die Größe des antiken Götterkosmos zu verdeutlichen. Das 360°-Panorama führt in das Jahr 129 n. Chr. in die Stadt Pergamon in der römischen Provinz Asia Minor, an die Westküste der heutigen Türkei. Die griechisch geprägte Stadt war in der hellenistischen Epoche nach dem Tod Alexander des Großen zur Kulturmetropole und einem selbstständigen Königreich aufgestiegen, fiel jedoch durch Erbschaft an Rom. Dargestellt ist die römische Zeit unter Kaiser Hadrian, dessen Besuch für die Zeit belegt ist. Eingebettet in die Terrassen der Akropolis auf dem 300 Meter hohen Burgberg, fügen sich die monumentalen Bauwerke mit ihren Tempeln und dem Theater in die hügelige Landschaft ein. Am Fuße des Burgbergs erstreckt sich die römische Stadtanlage, am Horizont ist das Mittelmeer zu erahnen. Mehr als 1,5 Millionen Besucher aus aller Welt sahen die einjährige Sonderausstellung nach ihrer Eröffnung 2011, was die Schau zu einer der erfolgreichsten deutschen Ausstellungen überhaupt machte.
Nach dem ersten großen Erfolg der Kooperation verwundert es nicht, dass die Verbindung aus Panorama und Antiken-Ausstellung schon wenige Jahre später ein Comeback erlebte. Im Zuge der temporären Teilschließung des Pergamonmuseums durch den Umbau des Museumsbaus erhielt das Projekt einen eigens erbauten Ausstellungsort in Form einer Rotunde direkt
gegenüber der Museumsinsel. Für die Eröffnung des neuen Ausstellungsbaus im November 2018 wurden sowohl das Gesamtkonzept der Ausstellung als auch das Panorama überarbeitet.
Da der große Pergamonaltar während der Baumaßnahmen für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sein würde, wurde dieser nun besonders aufwendig inszeniert. Der Altar zeigt auf mehreren Reliefs altgriechische Götter- und Heldensagen, die Legende von Telephos als Gründungsgeschichte der Stadt und den Kampf der Giganten gegen die Olympischen Götter. Teile des großen Frieses, des kleineren Telephos-Frieses, eine zeichnerische Rekonstruktion des gesamten Nordfrieses von Yadegar Asisi sowie die Neuinszenierung im Panorama fanden ihren Weg in die aktualisierte Ausstellung. Der weltberühmte Altar, das Besucher-Highlight des Pergamonmuseums, ist in der ersten Version des Panoramas von 2011 noch mit Pflanzen bewachsen. Jetzt wurde er in seiner ursprünglichen Funktion als Opferaltar dargestellt, inklusive Tieropfern und deren Verbrennung durch die Priesterschaft. In minutiöser zeichnerischer Detailarbeit rekonstruierte Yadegar Asisi in einem erstmaligen Versuch den Nordfries des Altars in seiner gesamten Länge. Gefunden hatten die Archäologen stets nur Reste der pergamenischen Skulpturen und Friesplatten, da diese über die Jahrhunderte nicht nur der Witterung ausgesetzt waren, sondern auch umgenutzt und zum Beispiel zur Verteidigung der Stadt in der byzantinischen Mauer verbaut wurden.

Neben der künstlerischen Vervollständigung der Lücken in der wissenschaftlichen Forschungsarbeit, war Asisi bemüht, möglichst vielen weiteren Ausstellungsobjekten visuellen Kontext zu verschaffen und diese einmaligen Fundstücke in ihrer vormaligen Umgebung zu zeigen. So finden sich in der 2018er-Ausstellung einige Zeichnungen, Gemälde und Studien zu Funden der Antikensammlung, die dem Besucher eine gänzlich andere und vor allem emotionalere Erfahrung der Originale ermöglichen. Ebenfalls für Kontext sorgte eine neuartige Installation einer weiblichen Gewandstatue, deren Gewand mithilfe von Projection Mapping in verschiedenen Farbversionen illuminiert wurde und somit die echte Farbigkeit antiker Skulpturen verdeutlicht. Diese waren nicht monochrom oder weiß, sondern bunt und lebensecht bemalt, was sich durch Farbpigmente auf den Oberflächen vieler Skulpturen nachweisen lässt.
Abbildung links:
Besucher vor der zeichnerischen Rekonstruktion des Pergamonaltars mit dem Altar im Panorama im Hintergrund.
Abbildung unten:
Blick auf die farbig inszenierte Gewandstatue und kontextualisierende Zeichnungen von Yadegar Asisi. Das mit mehreren Auszeichnungen vom Red Dot Award, Iconic Award und dem ADC Deutschland prämierte Projekt wird nun erstmals auch im süddeutschen Raum zu sehen sein. Im Gasometer Pforzheim werden dann nicht nur das Panorama, sondern auch Elemente der begleitenden Ausstellung mitsamt einiger Installationen gezeigt.
Damit wird auch die Brücke zur eigenen historischen Vergangenheit geschlagen, wurde Pforzheim doch selbst unter dem Namen Portus (lat. für „Hafen“) von den Römern gegründet und gehörte über Jahrhunderte zum römischen Weltreich. Die Siedlung war zwar keine Kulturmetropole wie das tausende Kilometer östlich gelegene Pergamon, aber dennoch durch die günstige Lage an der Enz eine kleine Verkehrs- und Handelsstadt in der Provinz Obergermanien. Wie Pergamon war jedoch auch Pforzheim nicht gefeit vor den Umbrüchen und Zerstörungen der Spätantike und Völkerwanderungszeit.
So ist es umso wichtiger, das Gefühl dieser heute für viele Menschen nicht mehr fassbaren Zeit zu vermitteln und wirklich erfahrbar zu machen. Mit diesem Ziel vor Augen wird die Antike ab März 2023 mit PERGAMON auch in Pforzheim wieder lebendig.
