ALEŠ TACER
WUNDERBAUM UND ZAUBERLÖFFEL ILLUSTRIERT VON LEJA PELC
In einem kleinen Häuschen am Dorfrand wohnte ein kleiner Junge namens Jan. Er wusste es nicht so recht, wie lange schon, aber sein Papa und seine Mama hatten ihm gesagt, dass er schon sieben sei. Und sieben Jahre sind kein Fliegendreck! Sieben Jahre sind eine lange Zeit! In dieser Zeit kann so manches passieren. Und eines schÜnen Tages passierte Jan auch wirklich etwas ganz Seltsames.
„Was soll ich heute nur kochen?“ klagte am
Morgen seine Mutter. „Ich habe nichts, was ich in den Topf tun könnte. Und dazu ist mir auch noch dieser abgeschabte Holzlöffel, den ich immer zum Kochen nehme, zerbrochen.“ Mama ging nicht zur Arbeit, und Jan wusste, was das bedeutete: Mama war arbeitslos. „Ach, irgendwie schaffen wir es schon“, versuchte Papa Mama zu trösten, „und auch
den Kochlöffel werde ich dir ersetzen. Warte ein, zwei Tage, bis ich die Zeit finde.“ Jan hörte das alles und wurde nachdenklich. Er wusste, dass kein Geld im Haus war und dass seine Mutter deshalb im Laden nur das Allernötigste kaufte. In diesem Augenblick reifte in seinem Kopf ein geheimer Plan heran. Er beschloss, sich auf die Suche nach einem neuen Kochlöffel für seine Mutter zu machen. Damit würde er ihr bestimmt eine Freude machen. Dann könnte sie laute gute, leckere Sachen kochen. Ach, und wie es dann rings ums Haus duften würde! „Ich werde für Mama einen neuen Kochlöffel suchen“, flüsterte er seinem Vater ins Ohr.
Der nickte ihm verschwörerisch zu. Jan legte den Finger auf die Lippen, zog sich leise die Schuhe an und huschte hinaus in den Hof.
Als er sich drei Mal suchend um sich selbst gedreht hatte, blickte er auch in die Höhe. Durch die Krone des Baumes hindurch konnte er die Wolken sehen, wie sie über den Himmel jagten. Er breitete die Arme, und ein Gefühl grenzenloser Freiheit überkam ihn. Ihm war, als würden ihn die Wolken aufheben und mit sich nehmen in den Himmel. Einfach quer über die Wiese rannte unser Held, als ihn plötzlich etwas anhalten ließ. Er wusste nicht, was es gewesen war, aber sein Schritt hielt einfach an. Er sah sich um und stellte fest, dass er auf der weiten Wiese ganz allein war. Vor ihm stand nur ein großer Baum in vollem Laub. Er wusste, dass es ein Lindenbaum war, denn die Mutter oft seine Blüten für einen süßen gesunden Tee gepflückt.
Jan wollte es scheinen, als würde sich auch der mächtige Baum ganz ungewöhnlich benehmen. Er schien ihm besondere Zeichen zu machen, doch so ganz konnte er es nicht glauben. Erst als er genauer hinblickte, sah er, dass es sich wirklich so verhielt. Die belaubten Äste winkten, sie zwinkerten ihm zu und luden ihn zu sich ein. Einer unter ihnen war besonders hartnäckig:
„Komm her zu mir, Jan, steig hinauf in unsere Krone, und du wirst staunen, welche Wunder dich hier erwarten.“
Jan zögerte. Er wusste nicht, ob das, was er sah, glauben sollte, oder ob er alles zusammen nur träumte. Auf der einen Seite lockte es ihn, mitten zwischen die Äste zu klettern, und wie es ihn lockte, auf der anderen Seite wiederum wusste er nicht, was er machen sollte. Zu Hause hatte er niemandem von seinem Vorhaben erzählt. Er sah zum Haus zurück. Alles war still, auch seine Mutter, die sich sonst fast immer im Garten aufhielt, war nirgends zu sehen. Er fasste Mut, trat an den Baum und versuchte zum ersten Ast hinaufzuklettern. Aber seine Arme waren viel zu kurz, als dass sie den mächtigen Baum hätten umfassen können.
„Tritt in meine Hand“, rauschte es aus der Höhe, und der mächtige Ast neigte sich
ganz bis zu ihm herab. „Ich würde es ja gern tun, aber ich muss für meine Mama einen neuen Kochlöffel finden“, zögerte Jan. „Den bekommst du, wenn du unsere Wünsche erfüllst. Du wirst einen wundersamen Kochlöffel bekommen. Wie geschaffen für deine Mama.“
Jetzt überlegte Jan nicht länger. Er setzte sich auf den Ast, und wie in einem Fahrstuhl hob es ihn empor.