6 minute read
Wie Mobility as a Service (MaaS) die Mobilität der Zukunft prägt
from aFLEET 02/2022
Wie Mobility as a Service die Mobilität der Zukunft prägt
Drei Trends verändern die Firmenmobilität: Innovation, Digitalisierung und Flexibilität. Denn nicht erst seit der Corona-Krise sind Dienste gefragt, die es den Mitarbeitenden ermöglichen, flexibel mobil zu sein und Transportmittel zu kombinieren – Mobility as a Service (MaaS) lautet das Zauberwort, welches die Zukunft der Unternehmensmobilität prägen wird. Text: Rafael Künzle
Mobility as a Service (MaaS) entspricht einem wachsenden Bedürfnis. Unternehmen und ihre Mitarbeitenden wünschen sich eine grössere Auswahl, um nicht ausschliesslich auf das Auto angewiesen zu sein, vor allem wenn es um die Nachteile geht. Dazu gehören unter anderem die steigenden Kosten, Parkplatzprobleme, Umweltverschmutzung, Staus sowie eine erschreckend hohe Alleinnutzung bei der Absolvierung des Arbeitsweges mit dem Auto.
Corona-Krise als Chance für Innovationen
Die Coronavirus-Krise hat eine weltweite Überprüfung von Arbeit und Reisen ausgelöst, wobei flexibles Arbeiten mit Telekonferenzen kombiniert wird, um eine hybride Umgebung zu schaffen. Viele Unternehmen haben die Lockdown- und Homeofficepflicht-Erfahrung genutzt, um ihre Geschäftsreisebedürfnisse und die Art und Weise, wie Reisen durchgeführt werden, zu überdenken. Eine Untersuchung des öffentlichen Dienstes für Mobilität und Transport in Belgien kam beispielsweise zum Schluss, dass MaaS das Potenzial hat, eine wichtige Transportlösung zu werden, auch wenn dafür erhebliche Veränderungen erforderlich sind. Man geht davon aus, dass MaaS bis 2027 weltweit einen Umsatz von rund 50 Milliarden Franken generieren wird – eine Verzehnfachung im Vergleich zu heute.
In Belgien argumentiert man, dass die zunehmende Flexibilität am Arbeitsplatz und Alternativen zum Firmenwagen, wie das Mobilitätsbudget, die Nachfrage nach flexiblen und massgeschneiderten Mobilitätslösungen erhöhen werden. Eine Sprecherin sagte: «Während wir uns darauf vorbereiten, dass sich Gesellschaft und Wirtschaft von der Covid-19-Krise erholen, gab es nie einen besseren Zeitpunkt für die Einführung nachhaltigerer Modelle. In diesem Zusammenhang wollen wir innovative Mobilitätsdienste fördern und ihre Einführung erleichtern.»
Zahlreiche Studien ergaben, dass europäische Unternehmen bereit sind, an Alterna-
tiven zum Pendeln mit dem Auto zu arbeiten. Trotz sehr unterschiedlicher beruflicher Kontexte und Arbeitssituationen teilen die Firmen den Wunsch, den Anteil der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, die mit dem Auto ohne Mitfahrer zurückgelegt werden, zu verringern.
In seinem Bericht mit dem Titel «Attraktivität von MaaS im B2B-Kontext» hält Belgiens öffentlicher Dienst für Mobilität und Verkehr fest: «MaaS hat das Potenzial, ein Instrument zur Förderung einer flüssigen und nachhaltigeren Mobilität durch ein erschwingliches, komfortables, flexibles und leicht zugängliches intermodales Verkehrsangebot zu sein.»
Mobilitätsbudget als Haupttreiber für die Einführung von MaaS
Mobility as a Service zeichnet sich überdies dadurch aus, dass alles, was für die Fortbewegung benötigt wird, Teil des Pakets sein kann, einschliesslich des Betankens oder Aufladens von Fahrzeugen, der Pannenhilfe und des Ersatzes in unerwarteten Situationen. MaaS kann somit nicht nur das Auto ersetzen, sondern es auch ergänzen. Die grössten Chancen für die Einführung von B2B-MaaS sehen die britischen Fleet-Software-Spezialisten Bynx gemäss ihrem Fleet-Zukunfts-Bericht in Unternehmen, in denen die Arbeitnehmenden eine grosszügige Mobilitätsförderung erhalten, entweder direkt mit einem Firmenwagen oder über ein bestehendes Mobilitätsbudget. Infolgedessen kommt Bynx zu dem Schluss, dass die Chancen für Veränderungen im privaten Sektor am grössten sind. Eine wichtige Triebkraft des Wandels sieht Bynx im Mobilitätsbudget, das den Mitarbeitenden die Möglichkeit gibt, mithilfe eines vom
Arbeitgeber bereitgestellten Budgets ihre eigene Verkehrsmittelwahl zu treffen. Dieses Konzept dürfte in grossem Umfang angenommen werden. Aber nur, wenn das vorgeschlagene Produkt einfach zu benutzen und zu verwalten ist. Denn Komplexität ist ein Hindernis für die Akzeptanz. Während Mitarbeitende ein einfaches Benutzererlebnis wünschen, benötigen Arbeitgeber sofortige Einblicke, eine breite Palette von Berichten und wenig Papierkram, zum Beispiel durch eine konsolidierte Rechnungsstellung. Experten warnen jedoch, dass es unvermeidlich sei, dass Arbeitgeber einen hohen Wert auf den Preis legen, wenn sie einen Vertrag mit einem MaaS-Anbieter abschliessen.
Die Herausforderung für Mobilitätsanbieter besteht nun darin, ein ausreichendes Volumen auf einer konstanten Basis zu generieren, um ein profitables Geschäft zu betreiben. Eine Studie des französischen Mobilitätsspezialisten Cerema hat mehrere wichtige Faktoren identifiziert, um eine hohe Nachfrage zu erreichen: • Leistungsstarke Software auf der Grundlage zentraler Informationen. • Schneller und offener Datenaustausch zwischen den Beteiligten für alle Bereiche von MaaS (z. B. Berechnung, Reservierung usw.). • Offene Systeme, die es MaaS-Anbietern ermöglichen, Tickets für verschiedene
Dienste einfach zu buchen. • Ein gutes Mobilfunknetz oder eine gute
Wi-Fi-Abdeckung. • Physische Verbindungen zwischen den
Verkehrsträgern, um die Intermodalität zu unterstützen.
Zusammengefasst wünschen Kunden einfache Lösungen, die multimodale Mobilität leicht machen, sodass sie nur ein Ziel eingeben müssen und die Software sämtliche Prozesse wie das Bereitstellen von Tickets, Preisen, Buchungen und Kommunikation übernimmt. Experten zufolge ist dies ohne eine tief greifende Integration und Zusammenarbeit zwischen den Dienstleistern nicht zu erreichen.
Die vier Zukunftsszenarien
Die französischen Consultingspezialisten Capgemini stellten diesbezüglich jedoch fest, dass die Gefahr einer Disintermediation zwischen den Verkehrsunternehmen und ihren Kunden besteht. In ihrem Bericht «The future of mobility as a service» weisen mehrere Mobilitätsanbieter auf Hindernisse hin wie z.B. den Wunsch, Kundenbeziehungen aufrechtzuerhalten oder sensible Daten, wie z.B. die Preisgestaltung, zu schützen. Capgemini argumentiert, dass MaaS eine grosse Zukunft hat, aber die Richtung, in die es gehen wird, ist unklar. Deshalb werden vier mögliche Szenarien für die Zukunft skizziert:
Szenario 1: Datenreiche Unternehmen gewinnen alles
MaaS beruht auf dem Zugang zu Daten (Reiserouten, Mobilitätsdienste, Fahrpläne, Verfügbarkeit von Verkehrsmitteln in Echtzeit, Preise usw.), sodass im Szenario «Der Gewinner bekommt alles» datenreiche Unternehmen (Google, Apple etc.) den Markt
dominieren würden, die stark in benutzerfreundliche Plattformen investieren, welche die Reiseplanung und -buchung vereinfachen.
Szenario 2: Arbeitgeberzentrierte Mobilität
Da immer mehr europäische Länder von ihren Arbeitgebern verlangen, aktiv zur Verringerung ihres CO2-Fussabdrucks beizutragen, könnten sich Mobilitätspläne von MaaS-Anbietern im Unternehmensumfeld rasch ausbreiten. Ihr B2B-Modell richtet sich direkt an Arbeitgeber, indem es ihnen geschlossene Plattformen für das Fahrtenmanagement zur Verfügung stellt, die durch ein Mobilitätsbudget und spezielle Zahlungskarten unterstützt werden.
Szenario 3: Lokale Behörden führen die Mobilitätspolitik an
MaaS ist ein leistungsfähiges Instrument der öffentlichen Politik, da Reisende Alternativen zum Auto entdecken, die schnellere und kostengünstigere Methoden des Stadtverkehrs darstellen. Lokale Behörden verfügen bereits über eine Fülle von Daten, die Aufschluss über den öffentlichen Verkehr und das Verkehrsaufkommen geben. Wenn sie MaaS-Plattformen entwickeln, könnten die Behörden auch als «Kontrollturm» fungieren, um flexible Mobilitätsstrategien umzusetzen, z. B. mit Routenempfehlungen, die an die Bedürfnisse der Stadt angepasst werden, einschliesslich der Förderung des öffentlichen Verkehrs. Die erweiterten Daten, die durch die Bereitstellung von MaaS generiert werden, würden auch wichtige Erkenntnisse für künftige Verkehrsinvestitionen liefern.
Szenario 4: Ein vielfältiges Ökosystem
Im wahrscheinlichsten Szenario wird eine Vielzahl verschiedener MaaS-Modelle für Verbraucher, B2B und den öffentlichen Sektor nebeneinander bestehen. Dies erfordert jedoch ein gewisses Mass an Interoperabilität der Plattformen (zwischen Plattformen und Mobilitätsbetreibern) und eine Standardisierung der Daten. Den lokalen Behörden kommt in diesem Szenario eine Schlüsselrolle zu, indem sie den Zugang zu den Daten des öffentlichen Nahverkehrs für das gesamte Ökosystem öffnen, nicht nur für zugelassene Anbieter. Sie fordern die Behörden auf, ein MaaS-«Backend» zu entwickeln, an das sich alle MaaS-Plattformbetreiber anschliessen können, um ihre Dienste auf der Grundlage gemeinsamer Daten anzubieten.