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Gastkolumne auto-schweiz
from aFLEET 05/2021
Neue Antriebe bei Nutzfahrzeugen: Die Batterie ist nicht genug
Unter dieser Rubrik äussert sich François Launaz, Präsident von auto-schweiz, zu aktuellen Themen der Verkehrspolitik und zum Marktgeschehen.
Die Elektrifizierung der automobilen Antriebe ist derzeit in aller Munde – und natürlich macht sie nicht bei Personenwagen halt. Doch während mittlerweile jeder zehnte Schweizer Neuwagen vollelektrisch über unsere Strassen rollt, liegt der Marktanteil bei Lieferwagen noch etwas tiefer. So stehen die batterieelektrisch angetriebenen Modelle bei den leichten Nutzfahrzeugen bei rund 4 % Marktanteil. Die Tendenz ist aber ähnlich positiv wie bei den Personenwagen, mit einer mehr als verdoppelten Stückzahl an Neuimmatrikulationen im Vergleich zum Vorjahr. Das entsprechende Modellangebot wächst stetig, die Reichweiten der Fahrzeuge haben enorm zugelegt und die Einsatzmöglichkeiten im Alltag vervielfältigen sich entsprechend.
Kein Wunder, mögen kritische Beobachter dieses Wachstums nun einwenden, schliesslich müssen die Schweizer Nutzfahrzeugimporteure seit 2020 auch mit ihren neuen Lieferwagen einen durchschnittlichen CO2Zielwert einhalten. Und hier helfen Modelle, bei denen keine Emissionen anfallen, nun mal besonders, um die Vorgaben sanktionsfrei einzuhalten. Das stimmt, allerdings bieten elektrisch angetriebene Transportfahrzeuge eben auch Vorteile gegenüber dem nach wie vor dominanten Diesel. Die Kosten für die Betriebsenergie (hier: den Strom) sind geringer, der Aufwand für Service zumeist auch. Und viele Unternehmen haben mittlerweile konkrete Ziele zur Verkleinerung ihres ökologischen Fussabdrucks, die sie mithilfe einer (schrittweisen) Umstellung ihrer Fahrzeugflotten erreichen können. Dieser Trend wird sich in den kommenden zehn Jahren enorm verstärken.
Neue Antriebe sind gefragt
Um dieser wachsenden Nachfrage gerecht zu werden, entwickeln die Fahrzeughersteller neue Antriebskonzepte. Dabei gibt es neben dem batterieelektrischen System noch zahlreiche andere Optionen, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, wie etwa Biogas, synthetische
François Launaz, Präsident auto-schweiz, Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure.
Treibstoffe oder die Brennstoffzelle mit Wasserstoff als Energieträger. Besonders Letztere steht in der Schweiz vermehrt im Fokus, schliesslich rollen bereits die ersten Lastwagen eines koreanischen Herstellers über unsere Strassen und absolvieren ihren Alltagsdienst souverän und zuverlässig, wie man hört. Grundlage ist das entsprechende H2-Tankstellennetz, das durch einen Förderverein aufgebaut wird. Mittlerweile sind bereits acht Wasserstofftankstellen schweizweit in Betrieb, wodurch die Trucks mit rund 400 Kilometern Reichweite und einzig Wasserdampf als Emission problemlos genutzt werden können.
Eine nicht neue Entwicklung ist nun, die verschiedenen Antriebskonzepte miteinander zu kombinieren. Was schon seit geraumer Zeit mit Hybridmotorisierungen vor allem bei Personenwagen gang und gäbe ist, kommt nun auch bei Nutzfahrzeugen vermehrt zum Einsatz – aber anders, als vielleicht zunächst vermutet. Während bislang zumeist ein Benzin- oder Dieselmotor mit einem Elektroaggregat und einer (kleineren oder grösseren) Batterie kombiniert wurde, kommt nun die Brennstoffzelle als Range Extender ins Spiel. Dieses Antriebssystem zeichnet sich durch einen rein elektrischen Fahrzeugantrieb mit einer Batterie aus, die nicht nur über das Stromnetz geladen werden kann, sondern auch über einen «Generator» an Bord, den Range Extender.
Emissionsfreier Warentransport auf der Strasse
In den wenigen Modellen, in denen dieses System bislang zum Einsatz kommt, produziert ein Benzinmotor elektrische Energie und speist sie in die Batterie für die Nutzung durch das E-Aggregat ein. Nun übernimmt die Rolle des «Stromaggregats» eine Brennstoffzelle mit Wasserstoff als Energieträger, was einen (lokal) vollständig CO2-freien Betrieb ermöglicht. Zwei grosse Hersteller haben die zeitnahe Markteinführung entsprechender Lieferwagen angekündigt – und ich glaube, die Schweiz wird ein wichtiger Markt für diese Modelle werden. Denn mit der bereits bestehenden Tankinfrastruktur sind diese Fahrzeuge sofort praktikabel einsetzbar: Über Nacht oder in der Mittagspause mit Strom geladen und bei Bedarf für längere Strecken in kurzer Zeit mit Wasserstoff betankt. So kann die Schweiz erneut zu einem Pionierland für emissionsfreien Warentransport auf der Strasse werden – abgesehen von ein bisschen Wasserdampf.