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Interview Christoph Krienen Renault Suisse SA
from aF 03/2022
aboutFLEET-Chefredaktor Rafael Künzle im Gespräch mit Christoph Krienen, Vertriebs- und Flottendirektor bei der Renault Suisse SA.
Im Februar 2022 übernahm Christoph Krienen als neuer Vertriebs- und Flottendirektor bei der Renault Suisse SA. Im Exklusivinterview mit aboutFLEET erklärt der 38-Jährige, was ihn an der neuen Herausforderung reizt, weshalb Dacia keine Flottenabteilung benötigt oder wie Renault der grünste Hersteller Europas wird. Interview: Rafael Künzle
aboutFLEET: Sie sind seit Februar 2022 neuer Vertriebs- und Flottendirektor der Renault Suisse SA. Wie verlief Ihr Start? Christoph Krienen: Mein Start bei Renault Suisse war sehr dynamisch. Neben dem gesamten neuen Umfeld mit den verschiedenen Marken Renault, Alpine und Dacia darf ich auch gleich das nächste Kapitel unserer EV- Strategie mit dem neuen Megane E-Tech Electric und auf LCV-Seite mit dem neuen Kangoo E-Tech Electric mitschreiben. Parallel dazu gibt es auch bei Dacia mit dem Jogger ein neues, sehr interessantes Modell. Und all das ist eingebettet in die Herausforderungen einer stark unter Druck stehenden Branche. Aber ich mag die Herausforderung, und mit dem lokalen Team hier macht es Spass.
Was reizt Sie an der neuen Aufgabe? Wie schon erwähnt, steht die Branche vor grossen Herausforderungen: einerseits mit der Transformation hin zu nachhaltiger Mobilität, andererseits mit den durch die coronabedingten Unsicherheiten einhergehenden Verschiebungen in den Lieferketten aller Hersteller. Und in diesem Spagat gleichzeitig für unsere Kunden und unser Händlernetz den bestmöglichen Service zu bieten, das reizt mich. Hinzu kommen im Speziellen die Ausrichtungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, die unser Markenportfolio mit Dacia, Renault und Alpine bietet.
Zuvor waren Sie Verkaufsleiter bei Allianzpartner Nissan. Nehmen Sie mit dem Markenwechsel auch eine andere Philosophie wahr, oder anders gefragt: Inwiefern unterscheiden sich Nissan und Renault? Die Grösse von Nissan im globalen Kontext der Allianz hat man im Vergleich zu Renault in der Schweiz nicht gespürt. Auch wenn Nissan mit seiner Produktion in England «europäischer» geworden ist, so merke ich nun, dass Renault seit über 120 Jahren in Europa verwurzelt und etabliert ist und der Fokus natürlich stark auf dem breiten Produktangebot liegt. Ich stelle aber auch auf Renault-Seite fest, dass beide Marken von der Allianz profitieren und Synergien nutzen.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen bei Renault? Mit dem «Renaulution»-Strategieplan hat Luca de Meo den Fahrplan für die Zukunft vorgelegt. Als Vorreiter der Elektromobilität gilt es unseren Vorsprung bezüglich Ökosystem Elektromobilität (vom Training der Mitarbeiter und des Handels bis hin zu Recycling) zu nutzen. Für den Wechsel auf Elektroautos benötigen Kunden Vertrauen. Wir haben die Erfahrung, das generiert das nötige Vertrauen.
Die Renault Group hat sich von der Idee des weltweiten, grossen Volumenwachstums verabschiedet: Die Marken der Gruppe sind heute profilierter, das steigert auch den Wert für die Kunden, und diese Richtung gilt es weiter auszubauen.
Die Renault Fleet Division wird neu ebenfalls dem Vertriebsdirektor, also Ihnen, unterstellt. Hat dies Auswirkungen für die Flottenkunden?
Die Renault-Flottenkunden werden davon wenig merken. Und so soll es auch sein. Denn sie wurden und werden bei Renault vorbildlich betreut. Die Zusammenlegung der RenaultVertriebsorganisationen ermöglicht es uns, im Team flexibler auf die Anforderungen des Marktes und der Kunden zu reagieren. Diese Organisation ist nichts Neues: Bis vor zwei Jahren waren wir auch so organisiert.
Welches sind die wesentlichen Unterschiede im Vertrieb von Fahrzeugen für Flottenkunden im Vergleich zu demjenigen für Privatkunden? Vorneweg: Man kann nicht von «dem Flottenkunden» sprechen. Es gibt grosse Unterschiede zwischen den Geschäftskunden. Die Anforderungen einer Schweizer Post als globaler Logistikfirma sind anders als die eines kleinen Handwerkerbetriebs. Der Vorteil ist, dass wir die Flottenkunden meist sehr gut kennen und sie dadurch, gemeinsam mit dem Handel, persönlich beraten und betreuen können. Während wir, beim Importeur, die Privatkunden selten persönlich kennen lernen. Direkten Kontakt haben wir meist nur auf unseren sozialen Medien, im Interessentenmanagement oder im Kundendienst. Das heisst aber nicht, dass wir uns für sie nicht genauso ins Zeug legen!
Wie wichtig sind die Flottenkunden für Renault, und welchen Anteil machen sie aus? Flottenkunden machen rund ein Drittel unserer Verkäufe aus. Ihre Loyalität und das Vertrauen, das sie uns entgegenbringen, schätzen wir enorm.
Schon heute kauft fast jede/-r dritte Renault Neuwagenkunde/-in ein Hybrid- oder Elektroauto, dies will Renault Schweiz künftig weiter auszubauen. Können Sie uns bereits etwas über die neuen elektrifizierten Modelle verraten? Renault-Kunden können heute bereits wählen, wie elektrisch sie fahren möchten: Clio und Arkana mit Vollhybrid, der nicht an die Steckdose muss. Demnächst folgt auch der Captur als Vollhybrid, den gibt es ja schon als Plug-in-Hybrid, genauso wie den Megane ETech Plug-in-Hybrid. Oder voll elektrisch mit Twizy, Twingo, Zoe, Kangoo oder Master. Und auch das neue Kompakt-SUV Austral wird als Vollhybrid auf den Markt kommen, mit sehr guten Verbrauchs- und Emissionswerten. Die neue Generation des Kangoo Van E-Tech Electric steht jetzt in den Startlöchern und kann schon bestellt werden, die PW-Version folgt Ende Jahr. Über kurz oder lang wird es von allen leichten Nutzfahrzeugen rein elektrische Versionen geben, und ab 2023 auch Wasserstoff-Elektro-Hybrid-Versionen.
Eine Fleet Division führt Dacia, deren Verkauf und Händlernetzentwicklung Sie ebenfalls verantworten, bislang nicht. Weshalb? Dacia als Marke hat einige wenige Grundsätze, die sie ausmachen. Neben dem besten PreisLeistungs-Angebot (durch kategorische Kostenziele in der Entwicklung) ist es die Einfachheit in der Vermarktung. Dazu gehört, dass es keine Rabatte gibt. Für niemanden. Flottenkunden können gerne Dacia-Fahrzeuge kaufen. Viele Gemeinden oder Kleinbetriebe haben sich bereits für Dacia entschieden und schätzen ihr robustes, verlässliches, einfach zu bedienendes Auto – die niedrigen Kosten und den hohen Wiederverkaufswert. Aber die meisten DaciaKunden sind Privatkunden, auch weil die Marke keine leichten Nutzfahrzeuge im Angebot hat.
Auch bei Dacia hat man mit dem Spring kürzlich den Schritt in die Elektrifizierung gewagt. Wie geht es da weiter? Dacia setzt auf vier Pfeiler in der Produktstrategie: das SUV Duster, den Neuen Sandero und Sandero Stepway, den Neuen Jogger, den günstigsten 7-Sitzer auf dem Markt, und den rein elektrischen Spring, der vielen Kunden/-innen den Einstieg in die Elektromobilität ermöglichen wird. Wir haben bereits angekündigt, dass es vom Dacia Jogger Anfang 2023 eine Vollhybrid-Version geben wird, mit der er 80 % der Zeit in der Stadt rein elektrisch gefahren werden kann.
Welche Rolle spielen die Unternehmenskunden bei der voranschreitenden Elektrifizierung, und wie offen sind diese für die neue Technologie? Je nach Einsatz der Fahrzeuge, sprich dem konkreten Nutzerprofil, gibt es hier natürlich auch unterschiedliche Überlegungen, die eine Rolle spielen. Viele Firmen haben aber erkannt, dass sie sich wandeln müssen. Vorreiter können sich damit auch noch profilieren.
Bis 2030 will man der grünste Hersteller Europas sein … Nein – halt! Bis 2025 schon wollen wir den grünsten Antriebsmix in Europa anbieten.
Ab 2030 werden wir nur noch rein elektrische Fahrzeuge auf den Markt bringen. Unter Ihrer Leitung wird auch der neue Bereich «Mobilize – Mobility- und EnergyServices» aufgebaut, der unterschiedliche Dienstleistungen umfassen soll. Könnten Sie uns etwas mehr darüber erzählen? Sehr gerne. Renault hat bereits heute die grösste elektrische Carsharing-Flotte in Europa auf den Strassen, unter allen Herstellern. In der neuen Business Unit Mobilize werden Carsharing-Aktivitäten, die Kreislaufwirtschaft, Energielösungen und Ladeinfrastruktur-Angebote zusammengefasst werden. Wir werden zum Beispiel mit dem Megane E-Tech Electric eine neue Ladekarte auf den Markt bringen, die europaweit funktionieren wird.
Bei Ihrem Antritt nannten Sie die Umsetzung des «Renaulution»-Strategieplans eine «grossartige Herausforderung». Was beinhaltet dieser Strategieplan? Ich hatte es vorhin schon angedeutet. Er umfasst die Transformation des Gesamtkonzerns, dazu gehören die Innovation, die Produkt- und Produktionsplanung, die Marktplanung, die Markenführung bis hin zur Neuqualifizierung des Personals, einfach alles. Die Rückeroberung des grössten Teils des Marktes, des Kompaktsegments, haben wir mit Arkana erfolgreich gestartet. Für die Kunden bedeutet es: attraktive Autos und Mobilitätsangebote zu einem fairen Preis.
Elon Musk liess verlauten, seine Fahrzeuge künftig nur noch vermieten statt verkaufen zu wollen. Was denken Sie als Vertriebsleiter mehrerer Automobilmarken darüber? Die «Pay as a Service»-Angebote setzen sich in vielen Bereichen bereits durch. Als Visionär hat er wahrscheinlich einen Punkt: Es ist vielleicht auch eine Generationenfrage. Mieten statt Besitzen. Wir bieten das auch heute bereits an, gehen Sie auf abo. Renault.ch oder nutzen Sie unsere attraktiven Leasingraten mit Wartungsvertrag, Versicherung, zum All-inclusive-Preis sozusagen.
Wie stellen Sie sich den Vertrieb von Automobilen im Jahr 2050 vor? In den urbanen Gebieten werden viele Händler zu Renault-Flottenbetreibern werden, deren Fahrzeuge über die My Renault-App vorgebucht oder gerufen werden können. In den ländlichen Gebieten wird man – schon allein aufgrund der zu langen Anfahrtszeiten – noch immer das Auto in der Garage haben wollen, um dann losfahren zu können, wenn es einem passt. Der Autokauf wird online, mit Live-Consulting durch den/die Verkäufer/-in und einer Probefahrt beim Händler, funktionieren. Die Auslieferung nach Hause oder ins Büro wird wahrscheinlich zum Standard werden. Mal sehen …