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Rückblick Rolls Royce

Rückblick

Der Mann am Fenster

Einmal wollten die Männer von Rolls-Royce etwas völlig anderes probieren. Ein Auto für Leute, die selber fahren. Das musste einem schon etwas Wert sein, auch wenn die Inspiration fast schon frappierend aus Italien kam.

text: Roland Scharf, Fotos: Werk

Rolls-Royce – das beste Auto der Welt. So einen Spruch klopft man nicht einfach so. Gebaut für die Ewigkeit und für die besser Betuchten unter uns hatten diese Fahrzeuge bis in die Siebziger-Jahre aber alle eines gemeinsam: Der Besitzer fuhr eigentlich nie selbst damit.

südliche steppen

Zu dieser Zeit poppten in England immer mehr Autos auf, die aber genau diese Klientel adressierten. Herrenfahrer wollten ein sogenanntes „personal car“, zugeschnitten auf ihre Bedürfnisse – elegant, schlicht, fahrerorientiert. Alles, was Rolls-Royce nicht im Programm hatte. Deren Kunden saßen traditionell hinten links, was aber einem Ingenieur nicht wirklich gefiel. Da müsse es doch eine Lösung geben, dachte er sich, als er sinnierend aus seinem Bürofenster auf den Parkplatz blickte – und einen Fiat 130 sah. Nicht aber die Limousine, sondern das Coupé, das überaus stimmig und anziehend wirkte. Jedenfalls dermaßen, dass besagter Ingenieur sich den Wagen genauer ansah und mehr als nur ein paar Inspirationen für einen völlig neuen Royce fand: den Camargue. Das Inspirieren-lassen ging sogar so weit, dass das 1975 fertige Auto sogar bei der Absteppung der Sitze und des Innenhimmels dem italienischen Vorbild aus Turin sehr, sehr ähnlich war. Ebenso bei der sehr – sagen wir – reduzierten Linienführung, aber man möchte mit seinem Personal Car ja auch nicht auffallen.

doppelte dosis

Von der Technik her war dieses Projekt von Anfang an nicht übertrieben innovativ. Man bediente sich der Plattform des Corniche, vertraute auf den üblichen V8 mit exakt 6,75 Liter Hubraum. Dennoch geriet dieses Projekt irgendwie aus dem Ruder, denn im Endeffekt war der Camargue zu seiner Lancierung 1975 das teuerste Serienauto überhaupt. Das musste man natürlich irgendwie rechtfertigen, was man zum einen mit der überhaupt allerersten Zweizonen-Klimaautomatik versuchte. Oder aber mit einem servounterstützten Automatikwählhebel. – Wo gibt es so etwas sonst schließlich? Eben. Zur Überraschung aller kostete der Wagen dennoch doppelt so viel wie ein Silver Shadow. Und dass der Preis von Jahr zu Jahr heftig anstieg, lag an den zahlreichen Nachbesserungen, die die anderen Modelle, die parallel zum Camargue gefertigt wurden, erhielten. Was die Sache auch nicht einfacher machte, war der Umgang in der Fabrik. Es herrschten seinerzeit noch ziemlich chaotische Zustände, von einer Fließbandfertigung war man damals noch weit entfernt. Und so konnte es schon passieren, dass ein Monteur den anderen fragte, ob er noch zufällig ein paar Türgriffe in seiner Werkzeugkiste hat, er würde im Lager keine mehr finden. Dennoch hielt es der Camargue elf Jahre aus und wurde 531-mal produziert – und das, obwohl er durchwegs mit heftiger Kritik zu kämpfen hatte. Kaum eine Umfrage, die den Wagen nicht in irgendwelchen halblustigen Listen der hässlichsten Autos der Welt führten. Vergleiche wurden aufgestellt mit der Ausstrahlung eines Pub-Besuchers mit Schweinenase, der aber durchaus gut angezogen war. Da half es auch nichts mehr, dass man etwas später versuchte, dem Bristol Beaufighter Paroli zu bieten, indem man dem Camargue ebenso einen Turbolader einpflanzte, was aber aufgrund thermischer Probleme (und das im unterkühlten England) schnell wieder verworfen wurde. Und als undankbarer Treppenwitz blieb zum Ende auch noch die Tatsache, dass der Corniche Saloon nicht nur nicht mit Lancierung des Camargue eingestellt, sondern sogar noch bis 1995 im Programm blieb. •

Beim Camargue dachte Rolls-Royce das erste Mal daran, dass der Käufer vielleicht auch selber einmal mit seinem auto fahren möchte; bei der stammklientel kam diese idee aber gar nicht so gut an, man ließ sich lieber chauffieren

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