bahn manager #02/2019

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# 02 — 2019 16,50 Euro Österreich 16,50 € Schweiz 18,10 SFR BeNeLux 16,50 € www.bahn-manager.de

DIE HEIßEN EISEN VON MORGEN

Schwerpunkt Innovativer Bahnbau // BIM4RAIL Ergebnisse // Solaris: Leader im ÖV // Interview: Martin Burkert // Im Gespräch: Claus Weselsky // Women in Mobility // Stadler Pankow: Fokusmarkt Deutschland // Cyber-Attacken auf EVU // Tunnelinspektion


I N H A LT

10 Innovativer Bahnbau

Inhalt

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Editorial Top-Meldungen

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Augmented Reality Nachhaltiger Wissenstransfer spielt im demografischen Wandel der deutschen Wirtschaft eine große Rolle

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Planungsbeschleunigung Sollen die ambitionierten Pläne zur Modernisierung und Optimierung des Bahnnetzes gelingen, müssen die Planungsprozesse deutlich schneller verlaufen

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Das Schweizer Bahnnetz 2040 werden in der Schweiz knapp zwei Millionen Menschen pro Tag mit der Bahn fahren – fast 50 Prozent mehr als heute

Innovativer Bahnbau Titelmotiv Aluminothermisches Gießschmelzverfahren: Der Begründer des aluminothermischen Gießschmelzverfahrens war Hans Goldschmidt. Er entdeckte den Zusammenhang, durch den es möglich war, über eine mit einem Zündstab eingeleitete chemische Reaktion Stahl und Schlacke aus einer definierten Pulvermischung (Fe2O3 und 2 Al) zu gewinnen. Die Schienen werden vor dem Schweißen zueinander ausgerichtet, und abhängig vom Verhältnis der Neutraltemperatur zur Schienenoberflächentemperatur wird bei der Verspannungsschweißung eine Lücke zwischen den Schienen hergestellt.

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IAF-Kongress Münster Bürgermeisterin Karin Reismann stellt die Bedeutung für die Stadt Münster dar und gibt einen Überblick

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Berlins Norden Streckenmodernisierung für das nördliche Schienennetz Berlins mit dem „MAMMUT“

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BIM4RAIL Prof. Markus König der Ruhr-Universität Bochum stellt die Ergebnisse der DB-BIM-Pilotprojekte vor

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BIM im Bestand Der hochgenaue digitale Zwilling als Planungsgrundlage für die Infrastrukturplanung

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Personenverkehr 40

Interview I: Solaris Im Gespräch mit dem Leader der Elektromobilität im ÖV


58 Politik & Recht

62 Märkte & Player

Politik & Recht 58

Interview II: Martin Burkert In unserer Reihe „Politik im Gespräch“ äußert sich der Bahnexperte der SPD zum Investitionsstau uvm.

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Interview III: Claus Weselsky Wie sollte sich das System Bahn in Deutschland entwickeln, damit es seine Aufgabe wahrnehmen kann? Hier kommen Antworten

Industrie & Zulieferer FOTOS: ADOBE STOCK / GDL / STADLER

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Eine vernetzte Welt Beim Thema Digitalisierung steht die Bahnindustrie am Anfang einer revolutionären Entwicklung

Personal & Management 54

Women in Mobility Ein Gespräch über den Einstieg und die Ausbildungsmöglichkeiten im Schienensektor

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Rechtliche Aspekte: Homeoffice Fachanwalt Dr. Sebastian Schröder (AQUAN Rechtsanwälte) über das gesetzliche „Recht auf Homeoffice“

Bahnmarkt Europa 60

Interview IV: Rhätische Bahn AG Im Gespräch über die Frage: Wie lassen sich Tourismusverkehr und regionale Verkehrsaufgaben zusammenführen?

Märkte & Player 62

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Interview V: Claude Mandart Wir sprachen mit dem Alstom-Gewerkschafter über die geplatzte Fusion mit Siemens Stadler Pankow CEO Jure Mikolcic zum aktuellen Stand und der Zukunftsperspektive für den zweitgrößten Standort der Gruppe

Forschung & Entwicklung 70

Multisensoren Innovationen im Bauwesen sollen auch die nötigen Zustandsprüfungen bei genutzten Bauwerken optimieren

Restverkehr 72

Kim Jong Un Der Nordkoreanische Staatsführer ist mit Herz und Seele für den ÖPNV

Innovationsszene 76

So vielfältig wie Berlin Julia Holze zu den Innovationslabs der Mobilitätsbranche

80 74 75

Termine Impressum Vorschau


TO P - M E L D U N G E N

Über 3000 Jobs auf bahn-manager.de // NEWS // Arriva-Verkauf // Marktplatz für den Sektor //

WIR SIND ONLINE: ÜBER 3000 JOBS Der Norden verbindet – der Hanse-Medien Verlag und das Hamburger Softwareunternehmen Wollmilchsau schließen eine zukunftsorientierte Job-Kooperation ab. Ohne Zweifel fehlen in der Bahnbranche Fachleute. Seit heute ist die Kooperation erfolgreich online. Auf der Internetseite des Fachmagazins „bahn manager“ (www.bahn-manager. de) werden nun in einer neuen Rubrik „Jobs“ über 3000 Stellenanzeigen des größten Players am Markt zu finden sein. Die Stellenangebote reichen von Praktika und Ausbildungsplätzen über Jobs für Quereinsteiger bis zu Stellen für BWLer, Logistiker oder Ingenieure. „Wir gehen hier einen Schritt weiter und wollen unseren Lesern, aber auch Interessierten einen weiteren Mehrwert bieten. Online passiert ganz viel – das müssen auch wir als klassisches Print-Heft beachten. Durch unsere klare Ausrichtung können wir gezielter potentielle Bewerber/Innen ansprechen. Als Fachmedium genießen wir hier ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Dennis Peizert, Herausgeber und Geschäftsführer des bahn manager Magazin. bahn manager wird durch die Kooperation keine Jobbörse, bietet der Zielgruppe aber den Komfort einer interessenspezifischen Jobsuche. Für potentielle Bewerber könnte es nicht einfacher sein, denn mit nur einem Klick gelangt dieser direkt zum Unternehmen und kann sich problemlos bewerben oder Kontakt aufnehmen. Top-Stellenanzeigen werden unter anderem in der bahn manager App veröffentlicht. Hierbei können diese ganz bequem auf dem Smartphone oder Tablet aufgerufen werden.

ARRIVA VERKAUF DB BEAUFTRAGT AUFSICHTSRAT Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG hat in seiner regulären Sitzung am 27 März in Berlin den Vorstand des Unternehmens beauftragt, verschiedene Optionen eines Arriva-Verkaufes voranzutreiben. Das in Großbritannien ansässige Personenverkehrsunternehmen ist eine hundertprozentige Tochter der DB AG und wurde im Jahr 2010 von der Deutschen Bahn vollständig erworben. Arriva erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 5,44 Milliarden Euro und

beschäftigte in Europa 53.000 Mitarbeiter (Vollzeit). Dem heutigen Beschluss des Aufsichtsrates zufolge soll das Management nun den Verkauf von bis zu 100 Prozent an einen oder mehrere Investoren sowie einen Börsengang prüfen. Die verschiedenen Optionen eines Arriva-Verkaufes, so teilte die DB weiter mit, würden einen Beitrag zur Begrenzung des Verschuldungsanstieges ermöglichen und gleichzeitig Arriva in die Lage versetzen, weitere finanzielle Spielräume für Wachstum zu generieren. Der Vorstand wird dem Aufsichtsrat fortlaufend zum Stand der Transaktion berichten.

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StationOne, Alstoms unabhängiger OnlineMarktplatz für den Bahnsektor, ist offiziell für alle Käufer eröffnet. Wie auf der InnoTrans im September 2018 angekündigt, ist der Marktplatz heute online gegangen mit einer großen und ständig wachsenden Zahl von registrierten Herstellern von Teilen und Komponenten auf dem internationalen Markt. StationOne verbindet Spezialisten in der Bahnindustrie und soll die größtmögliche Palette an Mobilitätsprodukten und -dienstleistungen effizient vermarkten. Der Marktplatz bietet Teile und Güter für den Mobilitätssektor an – mit einer Spezialisierung in allen Bereichen des Bahnsektors, einschließlich Zügen, Infrastruktur, Depots und Bahnhöfen/Haltestellen. StationOne ist einzigartig im Bahnsektor und stärkt Alstoms Position in einer schnell voranschreitenden Digitalisierung der Industrie. „Wir freuen uns sehr über das große Interesse an StationOne, das viele Akteure aus der gesamten Mobilitätsbranche in der kurzen Zeit seit der Ankündigung im letzten Jahr gezeigt haben. Wir sind stolz darauf, mit dieser Plattform eine Vorreiterrolle einzunehmen, die den Beschaffungsprozess für Betreiber erleichtern und verschiedenen Verkäufern Zugang zu Kunden in der ganzen Welt über eine einzige Online-Plattform verschaffen wird”, sagte Didier Bohin, Präsident von StationOne. StationOne möchte Betreibern helfen – unabhängig davon, woher ihre Flotten stammen. Die Plattform arbeitet unabhängig und gewährleistet somit absolute Neutralität gegenüber den gelisteten Produkten und Dienstleistungen sowie absolute Vertraulichkeit dank moderner Datensicherheit. StationOne ist offen für Produkte und Dienstleitungen aller Verkäufer im Bahnsektor.

FOTO: HANSE-MEDIEN VERLAG

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I A F - KO N G R E S S

„WIR ERREICHEN MÜNSTER/ WESTFALEN. DER AUSSTIEG BEFINDET SICH IN FAHRTRICHTUNG LINKS – ODER RECHTS.“

SEHR GEEHRTE DAMEN UND HERREN, WELCHEN AUSSTIEG SIE AUCH NEHMEN, EGAL WIE SIE ZU UNS ANREISEN UND WARUM SIE ZU UNS KOMMEN- ICH HEIßE SIE IN MÜNSTER HERZLICH WILLKOMMEN. WIR FREUEN UNS ÜBER IHREN BESUCH. Münster ist die Stadt, in der Tradition und Moderne kein Widerspruch sind, sondern ebenso das Lebensgefühl prägen wie die Balance aus mittelalterlichen Giebelhäusern und avantgardistischer Architektur. Unsere Stadt mit ihren über 310.000 Einwohnern aus 160 verschiedenen Nationen wurde im Jahr 793 gegründet und ist heute aufgrund unserer Bevölkerungsstruktur eine junge, lebendige Stadt. Egal, wo Sie sich befinden, egal wohin Ihr Weg Sie führt- überall treffen Sie auf dieses besondere Zusammenspiel zwischen Tradition und Moderne. Jung und Alt, Ruhe und Betriebsamkeit, Innovation und Historie – dies ist der reizvolle Mix, der den Charme unserer Stadt aus-

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macht: das Neben- und Miteinander von ehrwürdiger Geschichte und weltoffener Internationalität. Wenn Sie unsere Innenstadt besuchen, fallen Ihnen die vielen Cafes, die weiten Plätze und engen Gassen auf. Die Außengastronomie entlang der Einkaufsstraßen und an den größeren Plätzen wie Domplatz, Stubengasse und Prinzipalmarkt prägt das Stadtbild und lädt Sie ein, sich in Ruhe hinzusetzen, den Straßenmusikern zuzuhören und fast schon mediterranes Flair zu erleben. „Wir haben zurzeit 10 Minuten Verspätung, aber wir werden uns bemühen, unser Ziel rechtzeitig zu erreichen…“ Sehr geehrte Damen und Herren, prägend für die Stadtentwicklung und das Leben in Münster war auch der historische Friedensschluss 1648 zum „Westfälischen Frieden“. Ein Geschenk auch und vor allem für Europa. Durch den „Westfälischen Frieden“, gelang es vor 370 Jahren zum ersten Mal, in Europa den grausamen 30 jährigen Krieg auf dem Verhandlungswege zu beenden. Die Verhandlungsführer lebten damals in Münster und in Osnabrück, rundherum tobte der Krieg. Viele Jahre des Feilschens und Taktierens vergingen und die berittenen Boten trugen die Depechen zwischen den beiden Städten hin und her. Macht- und Rangfragen erschwerten die Verhandlungen- aber letztendlich ist es gelungen, durch Kompromiss- und Dialogfähigkeit den Konflikt zu lösen. Die Zeit der grausamen Konfessionskriege war beendet, und es entstand eine Friedensordnung zwischen gleichberechtigten, souveränen Staaten- ein Prinzip, das Europa und das moderne Völkerrecht bis heute prägt. Die zahlreichen Gespräche zum Westfälischen Frieden stellten wohl die erste Tagung in Münsters Geschichte dar. Wir alle wünschen uns, dass die Dialogfähigkeit und die Kompromissfähigkeit, die damals die Friedensverhandlungen zu einem guten Ende führten, auch bei den heute schwelenden Konflikten in Europa und der Welt zu einer friedlichen Lösung beitragen mögen. „Sie haben Anschluss an...“ Sehr geehrte Leserinnen und Leser, bei uns liegt der Bahnhof sehr zentral in der Innenstadt. Neu eröffnet im Jahr 2017 bietet zumindest die bereits fertiggestellte Front ein schönes Bild. Von dort aus erreichen Sie die City fußläufig in weniger als 10 Minuten, im Minutentakt bringen Sie aber auch die Busse dort hin und natürlich in unsere 45 Stadtteile. Oder Sie gehen gleich ins Fahrradparkhaus und steigen auf das Lieblingsverkehrsmittel der Münsteraner

um, das Fahrrad. Die Münsteraner nutzen ihre Leeze, wie das Fahrrad bei uns liebevoll genannt wird, für etwa 400.000 Fahrten täglich. Das sind fast 40 Prozent aller Wege – und es gibt fast doppelt so viele Fahrräder wie Bewohner. Das Rad ist das flexibelste innerstädtische Verkehrsmittel und davon profitieren wir alle. Keine Abgase, weniger Lärm, weniger Platzverbrauch, Schnelligkeit und ein Stück Gesundheit. Bahnhof, Fahrradparkhaus, Parkhäuser für den Individualverkehr- das ist nicht alles. In Münster gibt es auch einen Hafen. Noch heute sehen Sie dort die Gleise, auf denen früher die Ladungen der Schiffe über Eisenbahnkräne gelöscht wurden. Im 2. Weltkrieg wurde der Hafen immer wieder bombardiert, und 1945 wurde er als völlig unbrauchbar beschrieben. Der Wiederaufbau erfolgte dann aber sehr schnell, und insbesondere in den 70 er und 80 er Jahren war die Bedeutung des münsterischen Hafens enorm. Bedingt dadurch, dass die am Dortmund- Ems- Kanal liegenden Firmen und Betriebe ihre eigenen Kais immer mehr nutzen, sank die Nutzung des Stadthafens. Bald schon standen viele Lagerhallen leer, die Betriebsgelände wurden nicht mehr genutzt, und brachliegende Grundstücke prägten das Bild. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, das lockte kreative Menschen an. Alternative Firmen entdeckten den


nationalen Gästen aktuelle Themen und neueste Entwicklungen präsentiert werden – dabei wird das Spektrum der technischen Neuheiten ebenso abgedeckt wie aktuelle Forschungen und Entwicklungen der Infrastrukturen. Bei den internationalen Spezialisten – Ausstellern und Besuchern – ist die Veranstaltung direkt mit Münster als Standort für diese Thematik verbunden. Der Kongress hat für unsere Stadt einen hohen Stellenwert. Um dies entsprechend zu würdigen, wurde der Veranstalter in Person von Herrn Dr.-Ing. Siegfried Krause 2016 mit dem Kongresspreis der Stadt Münster ausgezeichnet. Wir freuen uns, dass Münster als Kongress- und Tagungsstadt u.a. durch den Bau neuer Hotels mit ca. 1500 Betten bis 2021 wächst und dadurch weiterhin attraktiv bleibt. Und noch mehr freue ich mich, den iaf Kongress BahnBau erneut und auch hoffentlich in Zukunft in Münster willkommen heißen zu können.

KARIN REISMANN Die sportbegeisterte Marathonläuferin ist seit dem Jahr 2000 ehrenamtliche Bürgermeisterin. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Marketing, Gesundheit und Umwelt. Neben der Arbeit im Rat der Stadt Münster engagiert sie sich in Stiftungen, Beiräten und Kuratorien.

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FOTOS: STADT MÜNSTER

Hafen als günstigen Gewerberaum und Künstler freuten sich über Räume, die sie weitgehend ungestört als Ateliers oder Proberäume nutzen konnten. Inmitten verfallender Gebäude, im Grau der damaligen Firmengebäude und unter den hohen Industriehallen entstand ein neuer Lebensraum. Ab 1997 begann die Stadt Münster damit, alternative Nutzungskonzepte für den Stadthafen zu entwickeln. Der Kreativkai entstand. Ziel war eine Mischung aus kultureller Nutzung, Gastronomie und hochwertigen Dienstleistungen. Die hafentypischen Gebäude wurden saniert, die Hafenzeile wurde durch Neubauten ergänzt, die Ladekräne verschwanden. Heute finden Sie am Hafen Verlage, Architekturbüros, Kanzleien, die Ausstellungshalle für zeitgenössische Kunst, das Wolfgang-Borchert-Theater und viele Clubs und Gastronomiebetriebe. Sie flanieren am Wasser entlang, und im Sommer sitzen die Münsteraner und ihre Besucher auf den Restaurantterrassen oder auf den Kaimauern und schauen auf die gegenüberliegende Hafenseite, die inzwischen ebenso im Wandel ist oder auf unser Messe und Congress Centrum Halle Münsterland. „Wir haben unser Ziel erreicht…“ Im Messe und Congress Centrum Halle Münsterland finden jährlich bedeutende Kongresse mit bis zu 3000 Teilnehmern statt. Darunter ist auch der iaf Kongress BahnBau, der in diesem Jahr nach 2011 und 2015 zum dritten Mal bei uns zu Gast ist. Während auf der iaf – der internationalen Ausstellung für Fahrwegtechnik – alle 4 Jahre die großen Entwicklungen und Innovationen präsentiert werden, garantiert der iaf Kongress BahnBau im Zeitraum zwischen den Messen den internationalen Erfahrungsaustausch in Sachen Gleisbau und Fahrwegtechnik. So können den inter-


Weil wir bei Hemmschuh nicht an den Orthop채den denken

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INNOVATIVER BAHNBAU

FOTO: ADOBE STOCK

DIGITALES BAUPLANUNGSMANAGEMENT, PLANUNGSBESCHLEUNIGUNG, AUGMENTED REALITY IN DER EISENBAHNERSCHULUNG, MODERNE GLEISBAUMASCHINEN, LASER BEI DER TUNNELÜBERWACHUNG – DIE FOLGENDEN SEITEN BIETEN EINE GEBALLTE LADUNG AN INNOVATIONEN.

Schiene bleibt Schiene – doch alles um sie herum wird sich zukünftig drastisch verändern.

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S C H W E R P U N KT

BERLINS NORDEN: STRECKENMODERNISIERUNG MIT DEM „MAMMUT“ BERLIN-NORDKREUZ-KAROW-BERNAU SIND DIE ECKPUNKTE FÜR ZAHLREICHE STRECKENERNEUERUNGS-MAßNAHMEN, MIT DENEN BIS 2025 DAS NÖRDLICHE SCHIENENNETZ BERLINS AUF MODERNEN STAND GEBRACHT WIRD.

zur Modernisierung dieses Knotens wurden schon 1992 getroffen“, erklärte bei einer Baustellenbesichtigung gegenüber bahn manager Jens Kulecki, Projektleiter der DB Netz AG. „Nach der Vereinigung der beiden Teile Berlins war eine grundlegende Neuordnung des Schienennetzes in der Berliner Hauptstadtregion unumgänglich.“ 2004 wurde ein Teil der geplanten Arbeiten, auch in Karow, wegen fehlender Finanzen gestoppt. Doch inzwischen wird mit Druck gebaut. Spannend war im letzten Jahr die Verschiebung von Neubau-Brückenteilen in der Sommerpause. Zwei Brückenkonstruktionen der Kreuzung über den Berliner Außenring und über die Verbindung von Stettiner Eisenbahn und dem Außenring in Richtung Rostock bestehen aus zwei Hälften, von denen jede zwei Gleise für die S-Bahn und die Fernbahn trägt. Jeder Brückenabschnitt wiegt ungefähr 3.000 Tonnen. Die Kolosse wurden durch hydraulische Kraft Zentimeter um Zentimeter in die Lücken gestoßen, die nach dem Abriss der alten Brücken entstanden. Um den S-Bahn-Verkehr so wenig wie möglich zu stören, wurde vor Ort nur ein Brückenabschnitt hergestellt. Die anderen drei wurden in unmittelbarer Nähe produziert und zum Einbauzeitpunkt angeliefert. Im Bereich Nordkreuz-Karow sind bis 2020 acht Eisenbahnüberführungen zu erneuern. Zwischen Berlin-Buch und Bernau (bei Berlin) stehen weitere 14 Überführungen au der Bauliste. Die DB begründet diesen Austausch damit, dass diese Brücken nach über 100 Jahren das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer er-

Um Streckensperrungen so kurz wie möglich zu halten, sind umfangreiche Logistikleistungen und der Einsatz von Spezialmaschinen nötig. Zudem wurden die Baumaßnahmen in zahlreiche Einzeletappen aufgeteilt. Sie betreffen sowohl Fernbahnstrecken – die zum polnischen Szczecin führende „Stettiner Bahn“ sowie die Fernbahnstrecke Berlin Gesundbrunnen-Stralsund – als auch Strecken der Berliner S-Bahn. In der ersten Bauphase wurde ein 4,6 Kilometer langer Abschnitt zwischen den Stationen Berlin-Pankow und Blankenburg um ein zweites Gleis erweitert und für Geschwindigkeiten bis 160 Stundenkilometer ausgebaut. Zu diesem Zweck wurden zwei Eisenbahnviadukte erneuert, der Streckenabschnitt wurde mit Elektronischer Stellwerkstechnik (ESTWTechnik) ausgerüstet und die Oberleitungsanlage neu gebaut. Derzeit wird die zweite Baustufe realisiert. Wichtiges Etappenziel waren im letzten Herbst die Wiederaufnahme des Verkehrs der S-Bahn-Linien S2 und S8 nach einer siebenwöchigen Unterbrechung sowie die Inbetriebnahme des neuen Fernbahngleises am Karower Kreuz. „Die ersten Entscheidungen

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reicht haben. Man ahnt, warum derzeit viel von nötigen Brückenrenovierungen und Erneuerungen im deutschen Streckennetz gesprochen wird: So viele Brücken sind es alleine in einem kleinen Bereich des Berliner Nordens, und alle haben ihre technische Lebensdauer erreicht. „Das alte Stellwerk Karow wird nächsten Sommer abgerissen“, erklärt Projektleiter Kulecki. „Es wird durch ein neues elektronisches Stellwerk, die Verkehrleitszentrale der S-Bahn in Zepernick, ersetzt. Derzeit verfügt die S-Bahn über zwei Sicherheitssysteme, das alte mechanische und das neue digitale, das wir derzeit auf neuen Gleisabschnitten implementieren. Hier in Karow stoßen beide Systeme aufeinander. Das macht die Arbeit natürlich nicht

leichter, weil wir bis zur völligen Umstellung den Betrieb beider Systeme aufrecht erhalten müssen.“ Gewährleistet werden muss die Kommunikation mit den bereits vorhandenen sieben Nachbarstellwerken – da heißt es, fleißig Kabel zu verlegen und hernach umfangreiche Testläufe durchzuführen. Nach Beendigung aller Arbeiten wird dieser Abschnitt für Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h nutzbar sein. Um in Zukunft die Lärmbelästigung für die Bewohner zu begrenzen, sind aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen geplant. Zum aktiven Schallschutz zählen beispielsweise Lärmschutzwände entlang der Strecke und das „Besonders überwachte Gleis“. Bei diesem Verfahren werden auf den Gleisabschnitten regelmäßig akustische Messfahrten durchgeführt und anschließend die Rollgeräusche

zwischen Rad und Schiene durch Schienenschleifen deutlich reduziert. Dort, wo aktiver Schallschutz nicht ausreicht, werden zusätzlich passive Maßnahmen eingesetzt: vor allem der Einbau von Schallschutzfenstern oder speziell konstruierten Schallschutzlüftern. Ein wichtiges As im Ärmel der Trassenbauer ist ein Kraftpaket namens „MAMMUT“. Das ist eine Maschine zur schnellen Rekonstruktion von Gleisen des österreichischen Herstellers Plasser und Teurer mit dem Kürzel SUM 314. Mit dem neuen Gerät können Streckengleise doppelt so schnell verlegt werden wie durch ihre Vorgänger. Der 300 Tonnen schwere und 83 Meter lange Koloss kann bis zu 350 Meter Gleise pro Stunde erneuern. Die Maschine kostet rund neun Millionen Euro. (hfs) – ANZEIGE –


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Der „MAMMUT“ besteht aus Kranwagen, Portalkränen für den Schwellentransport, Antriebswagen und Verarbeitungsanlage für Schienen und Schwellen in Fließbandtechnik.

FOTOS: CONTEMPO ZEITRAFFER FILMPRODUKTION / SCHMIDTENDORF (2)

Die Verbindungskurve BerlinGesundbrunnenKarow-Bernau während des Verschubs im Juli 2018.


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KUNDENORIENTIERTER UND WIRTSCHAFTLICHER AUSBAU DES SCHWEIZER BAHNNETZES 2040 WERDEN IN DER SCHWEIZ KNAPP ZWEI MILLIONEN MENSCHEN PRO TAG MIT DER BAHN FAHREN – FAST 50 PROZENT MEHR ALS HEUTE. SEIT 1998 IST DER PERSONENVERKEHR AUF DER SCHIENE UM RUND 60 PROZENT GEWACHSEN.

Das Schweizer Bahnnetz, das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs, ist eines der meistbefahrenen Bahnnetze der Welt. Auf der Infrastruktur der SBB verkehren täglich über 10.000 Züge, die rund 1.2 Millionen Reisende befördern und 205.000 Tonnen Güter transportieren. Die Verkehrsprognosen des Bundes gehen bis 2030 im Personenverkehr von einem Wachstum von rund 60 Prozent aus. 2040 werden knapp zwei Millionen Menschen pro Tag mit der Bahn fahren – fast 50 Prozent mehr als heute. In Ballungsräumen und zu Spitzenzeiten wird die Nachfrage überdurchschnittlich steigen. Beim Güterverkehr ist ebenfalls von einem Wachstum in ähnlicher Grössenordnung auszugehen. Dazu wird auch die Eröffnung der neuen Flachbahn durch die Alpen im Jahr 2020 beitragen.

Im alpenquerenden Schienengüterverkehr wuchs die transportierte Menge ebenfalls deutlich, von 19.3 auf 23.8 Millionen Tonnen pro Jahr, nicht zuletzt dank der Eröffnung des Gotthard Basistunnels. Mit der neuen Regelung zur Finanzierung und zum Ausbau der Bahninfrastruktur wurde die Basis geschaffen, das Schweizer Bahnsystem leistungsfähig zu halten. Mit dem damit gegründeten Bahninfrastrukturfonds ist die Finanzierung der künftigen Ausbauschritte, aber auch des Unterhalts von Gleisen, Brücken, Tunneln, Fahrleitungen und anderen Anlagen auf lange Sicht gesichert. Das ist einmalig in Europa.

KLARER ENTSCHEID DES STIMMVOLKS Die Schweizer Bahninfrastruktur leistet einen wesentlichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit und Lebensqualität in den Regionen und im ganzen Land. Die räumliche, wirtschaftliche und touristische Entwicklung in der Schweiz

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soll in einem langfristig verlässlichen Rahmen verlaufen. Um das prognostizierte Mobilitätswachstum aufzufangen und gleichzeitig das hohe Qualitätsniveau des Schweizer Bahnsystems sicherzustellen, geht der Planungshorizont des Bahninfrastrukturfonds „Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur“ (FABI) deutlich über den Zeitraum von 2030 hinaus. Das Schweizer Stimmvolk hat der FABI-Vorlage am 9. Februar 2014 mit 62 Prozent Ja-Stimmen zugestimmt.

FOTOS / GRAFIK: SBB AG

FABI – SICHERE FINANZIERUNG FABI stellt die langfristige Finanzierung von Gleisen, Brücken, Tunneln, Fahrleitungen und anderen Anlagen sicher. Der Bahninfrastrukturfonds verfügt über zweckgebundene Einnahmen – unter anderem Schwerverkehrsabgabe für LKW-Transporte – und sichert damit den Bau und Unterhalt der Bahninfrastruktur auf lange Sicht. Ausgegeben werden kann nur so viel, wie an Einnahmen zur Verfügung steht. Dies stellt eine europaweit einmalige Verknüpfung von finanziellen Mitteln und Bauprogrammen dar, die zu einer hohen und volkswirtschaftlich sehr wertvollen Pla-

nungs- und Finanzierungssicherheit führt. Zugleich wird das Risiko beseitigt, dass die Betriebskosten grosser Investitionen später nicht gedeckt werden können. GRUNDLAGE ENTWICKELN Mit FABI wird – neben dem Bahninfrastrukturfonds – ein langfristiges strategisches Entwicklungsprogramm der Eisenbahninfrastruktur (STEP) definiert; die darin enthaltenen Projekte sind nach Dringlichkeit geordnet. Die Umsetzung des Programms beziehungsweise der weitere Infrastrukturausbau erfolgen rollend in Ausbauschritten (AS). Dies vereinfacht die Planung, Anpassungen an neue Entwicklungen sind außerdem flexibler möglich. Dafür sind in FABI strategische Leitlinien definiert worden: ● Vervollständigung des mit Bahn 2000 eingeführten Knotensystems ● Erhöhung des Verkehrsangebots, Erweiterung der Beförderungskapazitäten ● Erhöhung der Geschwindigkeit auf ausgewählten Strecken Am 1. Januar 2016 trat die FABI-Vorlage und mit ihr der AS 2025 in Kraft. Mit dem ersten Ausbauschritt (AS 2025) werden Projekte im Umfang von rund 6.4 Milliarden

Franken bis 2025 realisiert. Die darin definierten Projekte kommen den Reisenden und dem Güterverkehr direkt zugute und setzen dort einen Akzent, wo in Zukunft die grösste Nachfrage zu erwarten ist. Die ersten Projekte werden bereits 2019 realisiert. AS 2035 IM PARLAMENT Für den nächsten Ausbauschritt, den AS 2035, hat der Schweizer Bundesrat dem Parlament eine Vorlage im Umfang von rund 12 Milliarden Franken unterbreitet. Das Angebot soll sowohl im Fern- wie im Regionalverkehr ausgebaut werden. Für den Güterverkehr sind neue Express-Trassen vorgesehen. Die Vorlage wird 2019 im Schweizer Parlament abschließend beraten. Falls das Referendum ergriffen wird, hat das Schweizer Stimmvolk das letzte Wort.

VOLLE FAHRT IN DIE ZUKUNFT AS 2025 bringt Mehrwert für Kunden in der ganzen Schweiz und allen Regionen. Die folgende Grafik zeigt die Kapazitätsausbauten und Leistungssteigerungen innerhalb der Ballungsräume und im Agglomerationsverkehr des schweizerischen Städtenetzes sowie im nationalen Güterverkehr. Enthalten sind auch Massnahmen für die bessere Erschliessung des Alpenraums und der Tourismusregionen.

ANDREAS BRUNNER Er ist Mitglied der Geschäftsleitung SBB Infrastruktur sowie Leiter Geschäftsbereich Projekte.


PERSONENVERKEHR

STAATSSEKRETÄR FERLEMANN (CDU) MEINT, ES KÖNNE NICHT DER NORMALFALL SEIN, MIT DER BAHN FÜR 19 EURO QUER DURCH DEUTSCHLAND ZU FAHREN. WAS SAGT DER FAKTENCHECK?.

ter. Dies entspricht einer Fahrt von Hannover nach Köln. Pro Fahrt zahlt ein Fahrgast im Durchschnitt 34 Euro. Nach Abführung der Mehrwertsteuer verbleiben rund 29 Euro pro Fahrgast und Fahrt bei dem Bahnunternehmen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtest sind Bahntickets in den letzen Jahren teurer geworden. Seit 2015 verteuerten sich Fernverkehrsfahrten um 3,1 Prozent. Stärker stiegen die Preise im Nahverkehr. Aktuell müssen Fahrgäste im Schnitt 12,4 Prozent mehr für die Fahrt mit Regionalzügen bezahlen als vor drei Jahren. (Quelle: Statistisches Bundesamt 10/2018) Philipp Kosok, VCD-Referent für Bahnverkehr dazu: „Es ist keineswegs so, dass man ständig Bahntickets zu Schleuderpreisen erhält. Die Bahn ist nicht Ryanair. Dazu soll sie auch nicht werden, aber Bahnfahren muss bezahlbar bleiben. Ticketpreise zu erhöhen ist der falsche Weg. Ich kann jedoch die Intention des Staatssekretärs Ferlemann nachvollziehen. Mehr Geld muss in das System Bahn. Schließlich müssen zusätzliche Angebote, mehr Personal und neue Fahrzeuge finanziert werden.“

Richtig ist: Die DB AG bietet immer wieder Tickets für 19,90 Euro an. Diese sind an eine bestimmte Zugfahrt gebunden. Meist handelt es sich um Fahrten, bei denen andernfalls eine geringe Nachfrage zu erwarten wäre. Falsch ist: Für Fahrgäste sei es normal, für 19 Euro quer durch Deutschland zu fahren. Ein Blick in den Geschäftsbericht der DB Fernverkehr AG für das Jahr 2017 zeigt ein anderes Bild. Im Durchschnitt zahlt ein Fahrgast rund zwölf Euro pro 100 Kilometer Reisestrecke. Neben dem eigentlichen Ticketpreis sind auch weitere Kosten wie Sitzplatzreservierungsgebühren, Bahncard-Kauf und 19 Prozent Mehrwertsteuer enthalten. Ein Fahrgast reist aber weder nur 100 Kilometer noch stets quer durch Deutschland. Eine typische Reisestrecke beträgt 285 Kilome-

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FOTO: PIXABAY

DIE BAHN IST NICHT RYANAIR


Dies teilte die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) und der Bremer Senator für Umwelt, Bau und Verkehr am 27. März mit. Die Nordwestbahn/Transdev erhielt den Zuschlag für den Betrieb ab Dezember 2022 bis Dezember 2036. Mit dem neuen Vertrag wächst das Netz im Umfang von 6,25 Millionen Zugkm/a: Die Linie nach Wilhelmshaven gehört nun dazu und eine neue Expresslinie zwischen Bad Zwischenahn und Bremen. Auch die Linie RB 76 Rotenburg – Verden wird Teil des Verkehrsvertrages. Dazu kommen zusätzliche Züge auf den an-

deren Linien. Noch ist der Zuschlag aber nicht rechtskräftig, zehn Tage lang können noch Nachprüfungsanträge gestellt werden.

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POLITIK & RECHT

„DER VERKEHRSTRÄGER SCHIENE MUSS PRIORITÄT BEKOMMEN!“

MARTIN BURKERT

Kanzleramt gesehen – unabhängig vom Bundesminister des Verkehrs. Es ist jetzt so, aber es ist gut, dass er überhaupt da ist. Wir haben es darüber hinaus geschafft, dass es wieder eine Eisenbahnabteilung im Verkehrsministerium gibt – unter Minister Ramsauer war das ja alles abgebaut worden. Also auch ein richtiger Schritt. Entscheidend sind das Geld und die Rahmenbedingungen. Wir konnten erreichen, dass bis 2025 70 Prozent aller Strecken elektrifiziert werden sollen, um nur ein Beispiel zu nennen. Auch die Ausstattung mit finanziellen Mitteln – im Augenblick die Verhandlungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, aber auch zur Ausgestaltung der digitalen Welt, von ETCS, um Stellwerkstechniken zu erneuern – sind Themen des Koalitionsvertrages. Die Schiene ist darin sehr prominent vertreten.

bahn manager Magazin: Die jetzige Große Koalition hat sich als erste seit vielen Jahren dezidiert dargestellt als Pro-Bahn-Regierung, eine tolle Entwicklung. Was hat sich da in dem Gefüge inzwischen verändert? Martin Burkert: Entscheidend ist der Koalitionsvertrag. Er ist Grundlage des Handelns – auch für den Sektor Schienenpolitik. Dort haben wir sehr viele Punkte hineingebracht: Die Einführung eines Bahnbeauftragten war ein wichtiger Punkt, eine Forderung der SPD. Ich persönlich hätte ihn gerne im

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FOTO: DEUTSCHER BUNDESTAG / HERMANN J. MUELLER

Er ist seit seinem Eintritt in den Deutschen Bundestag 2005 Bahnbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion. Mitglied des Bundestags-Verkehrsausschusses, dem er von 2014 bis 2017 vorsaß. Vorsitzender der bayerischen Landesgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion seit 2010.

IN UNSER REIHE „POLITIK IM GESPRÄCH“ ÄUßERT SICH DER LANGJÄHRIGE BAHNEXPERTE DER SPD-BUNDESTAGSFRAKTION MARTIN BURKERT ZUM INVESTITIONSSTAU, DER TRENNUNG VON BETRIEB UND INFRASTRUKTUR, DEM AUSBAU DES SCHIENENFERNVERKEHRS UND ZU BENACHTEILIGUNGEN DES SYSTEMS SCHIENE.


In den letzten Jahren sind ja tatsächlich bestimmte Dinge liegen geblieben. Es muss gehandelt werden. Was ist aus Ihrer Sicht, aus Sicht der SPD, jetzt das Wesentlichste sowohl bei der Infrastruktur als auch dem Bundeskonzern Deutsche Bahn? Entscheidend ist, dass der Koalitionsvertrag umgesetzt wird. Dass die finanziellen Mittel kommen. Dass die Rahmenbedingungen geschaffen werden, 25 Jahre nach der Bahnreform. Man muss sich die Strukturen anschauen – auch das ist eine Aufgabe. Wir sind dabei zu prüfen, ob noch alles richtig strukturiert ist. Aber entscheidend sind die Mittel der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung bis 2024, um die Instandhaltung sicherzustellen. 50 Milliarden Euro an Investitionsstau haben wir mindestens. Das ist kaum auflösbar. Die Schiene ist 179 Jahre alt. Wir müssen es aber schaffen, dass durch das Geld, das jetzt in den Gleiskörper für Instandhaltung, Ausbau, Neubau fließt, die Schiene verjüngt wird. Der Bundesrechnungshof hat angemahnt, es müsse mehr Kontrolle stattfinden bei der Ausgabe der erfreulich hohen Summen, die jetzt für diese Zwecke da sind. Welche Art Kontrolle ist nötig, und wo sollten sich Politiker oder Ministerien eher zurückhalten?

Ich mache seit 2005 Verkehrspolitik im Deutschen Bundestag. Heute haben wir die Möglichkeit sehr detailliert – in Ampelform – Einsicht auf 1,5 Kilometer lange Streckenabschnitte zu nehmen: grün bedeutet alles in Ordnung, gelb bedeutet Handlungsbedarf, rot heißt sofort handeln. Diese Kontrolle ist da. Wir haben uns auf Brücken spezialisiert. Das heißt: 9 000 von 25 000 Brücken sind überwiegend älter als hundert Jahre. Wir haben ein Brücken-Sanierungsprogramm aufgelegt, das auch kontrolliert und nachgehalten wird. Wir kontrollieren mit Schienenfahrzeugen auch, was den Gleiskörper an den Streckenabschnitten angeht. Vernachlässigt wurden wohl die regionalen Netze im Schienen-Personennahverkehr im ländlichen Raum. Darauf kann man einen neuen Schwerpunkt legen. Kontrolle ist entscheidend und wichtig. Aber wichtig ist auch, dass es im Verkehrsministerium wieder eine Eisenbahnabteilung gibt, die einen Blick darauf hat, dass nicht alles irgendwohin vergeben wird oder man der Deutschen Bahn AG von Haus aus alles glauben muss. Mit dem vorhandenen Instrumentarium könnte man diese Frage lösen, die Institutionen müssen nur so ausgebaut werden,

wie es geplant ist? Der Verkehrsminister ist in der Hauptversammlung ganz alleine. Er gibt die Ziele für den Aufsichtsrat vor, aber auch für den Bahnvorstand. Es müssen nicht nur betriebswirtschaftliche Ziele sein. Den Einzelwagen-Güterverkehr aufrechtzuerhalten ist verkehrspolitisch ein wichtiges Ziel, um nicht noch mehr Lkws auf den Straßen zu haben. Das bedeutet aber, dass man keine Gewinne damit einfährt. Aber das ist eine politische Aufgabe, die man dem Aufsichtsrat und dem Vorstand gibt. Ansonsten hat der DB-Vorstand Verantwortung für seine Führungskultur, aber auch für seine Mitarbeiterzuführung. Es muss nicht sein, was Manche fordern, jetzt gleich komplett die Infrastruktur mit Bahnhöfen und Energie abzutrennen und eine neue Firma zu gründen, die dann vom Ministerium geleitet würde, wahrscheinlich von derselben Abteilung, die das jetzt sowieso kontrollieren soll? Wir werden die Trennung von Netz und Betrieb nicht zulassen, auch das ist Teil des Koalitionsvertrages. Der Verkehrsträger Schiene muss aber bei der Verkehrswende höchste Priorität bekommen. Ich erinnere an das Pariser Abkommen: Null Emissionen – ANZEIGE –

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POLITIK & RECHT

aus dem Verkehrsbereich. Da spielt die Schiene eine entscheidende Rolle. Deswegen plädiere ich dafür, der Straße mal das Nachsehen zu geben. Gibt es bestimmte Dinge, die Sie sich als SPD gerne für die Zukunft wünschen könnten, aber die im Koalitionsvertrag so nicht unterzubringen waren? Wir hätten uns im Vergabegesetz im Schienen-Personennahverkehr gewünscht, dass die Beschäftigten mit übergehen müssen. Das ist heute noch ein Sollen, um auch Beschäftigungssicherheit herbeizuführen. Im Fernreisebusmarkt sind wir der Meinung, dass eine Bemautung jetzt angezeigt wäre, um die Infrastruktur auch für den Fernreisebus vernünftig zu machen. Das sind aber Dinge, die im Koalitionsvertrag leider keinen Niederschlag gefunden haben. Stichwort Europa. Ein ganz wichtiges Erfolgserlebnis der Europäischen Union ist die Möglichkeit für alle Bürgerinnen und Bürger, frei zu reisen ohne Pass und Zollkontrolle. Und dazu gehört natürlich auch sicherlich eine genügende Anzahl von Zugverbindungen über die Grenzen? Der Koalitionsvertrag hat auch eine Fernverkehrsstrategie: Es werden im ersten Schritt alle Städte über 100.000 Einwohner angebunden. Ziel muss es aber sein, alle Städte über 50.000 Einwohner anzubinden. Wenn wir mit den Nachbarstaaten sprechen – vor kurzem war der Nationalständerat der Schweiz bei uns, wir waren aber auch in Tschechien und in den Niederlanden – dann hören wir schon die Klagen, dass im eigenen Land viel passiert, aber in Deutschland die Verträge so gut wie nicht eingehalten werden. Wir werden jetzt, Gott sei Dank, auf der Strecke München-Zürich, zu der die Schweiz 50 Millionen Euro beisteuert, auch in unserem Land das Projekt einhalten. Aber wenn ich an die Rheinschiene denke, die Zuführung zum Gotthard-Tunnel:

Sie ist versprochen, aber nicht gemacht. Das nächste Großprojekt ist der Brenner-Basistunnel: Österreich und Italien werden spätestens Mitte 2020 fertig werden. Und wir müssen klären, wie wir die Zuführung und Abführung durch das Inntal regeln, mit über 17 Bürgerinitiativen. Das sind schon Herausforderungen. Das gleiche gilt im ehemaligen Ostblock. Viele sprechen vom Seidenzug nach China. Wir haben Züge in Saudi-Arabien. Aber entscheidend ist, dass man auch zum Beispiel nach Warschau vernünftig kommen muss. Oder in meiner Heimatstadt Nürnberg: Seit 30 Jahren ist die Strecke Nürnberg-Marktredwitz-Prag im vordringlichen Bedarf. Auch da wird es allerhöchste Zeit, dass man in die Umsetzung kommt. Könnte man ernsthaft überlegen, ob auch der Bund einmal bestimmte Kosten für grenzüberschreitende Züge in Einzelfällen mitträgt? Dass man nicht von vornherein sagt, sobald es Fernverkehr über die Grenze ist, geht ein Bundeszuschuss nicht. Der Bundesverkehrswegeplan unterscheidet nicht zwischen inländischem Fernverkehr und grenzüberschreitendem Fernverkehr. Wir haben diesen im vordringlichen Bedarf, vor allen Dingen die Strecke MünchenNürnberg-Prag. Wenn wir in Deutschland im Fernverkehr mal so weit sind, das wir alle Städte mit 50.000 Einwohnern angeschlossen haben, dann kann man sicherlich auch darüber nachdenken, ob man Sonderfonds für grenzüberschreitende Strecken einrichtet. Generell scheint der Schienenverkehr weiter benachteiligt zu sein gegenüber Straße und Flugverkehr. Wir haben dem Bahnverkehr geholfen: Im Schienengüterverkehr ist uns die Halbierung der Trassenpreise gelungen – im Übrigen langfristig, nicht terminiert – und wird auch zu großen Teilen an den Kunden weitergegeben. Der Marktanteil aller Güterverkehre

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beträgt heute aber nur 17 Prozent. Das ist weit zu wenig. Wir bräuchten eigentlich eine Verdoppelung. Die deutschen Bahnen müssen auf deutschem Schienennetz den vollen Mehrwertsteuersatz bezahlen – das gibt es sonst nirgends in ganz Europa. Wir haben die Stromsteuer. Da kann man sicherlich darüber nachdenken, wo noch Entlastung möglich ist, um Wettbewerbsgleichheit zu schaffen. Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Hermann Schmidtendorf.


Die Bahnverbände zeigen sich enttäuscht angesichts der Haushaltsansätze, die sich im jüngsten Eckwertebeschluss zu allen Zukunftsthemen des Bahnverkehrs finden. Die Verpflichtung der Bundesrepublik, ihre Treibhausgasemissionen im Verkehr bis 2030 um mindestens 40 Prozent zu senken, sei so nicht zu erfüllen. Die Politik müsse für die zahlreichen Infrastrukturprojekte im Eisenbahnsektor jetzt die entscheidenden Umschichtungen im Haushalt vornehmen – nicht irgendwann. „Statt der bisherigen gut fünfeinhalb Mrd. Euro pro Jahr brauchen wir absehbar das Doppelte an jährlichen Mitteln für klimaneutrale Mobilität auf der Schiene. Der Investitionshochlauf für die Schiene muss jetzt beginnen. Was wir feststellen, ist aber das Gegenteil: Die Mittel sollen gegenüber dem, was bereits vereinbart war, wieder zurückgehen,“ bringen es die Verbände auf den Punkt. „Das neue Klimakabinett

hat nun die Chance, eine erste wegweisende Entscheidung zu treffen, indem es das erforderliche Investitionsgesamtpaket in Angriff nimmt und die Planungen für 2019 und die Folgejahre entsprechend korrigiert.“ Der Eckwertebeschluss bleibe bei entscheidenden Fragen Antworten schuldig. Die Einführung des Deutschland-Takts, ein Bundesverkehrswegeplan, dessen Schienenvorhaben auch gebaut werden können, die Digitalisierung von Signalund Stellwerkstechnik, Kapazitätsausbau, weitere Streckenelektrifizierung, 1000 Bahnhöfe-Programm oder eine Schienenverkehrsforschung und Innovationsförderung, die den Namen verdient – das alles soll und muss gemacht werden, um die Zahl der Fahrgäste und der die Güterverkehrsleistung bis zum Jahr 2030 zu verdoppeln. Alles Ziele aus dem Koalitionsvertrag, die die acht Bahnverbände sehr begrüßt haben.

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B A H N M A R KT E U RO PA

DIE RHÄTISCHE – TRADITIONSBAHN IN WUNDERSCHÖNER LANDSCHAFT ÜBER 384 KILOMETER LÄNGE SCHLÄNGELN SICH DIE METERSPURIGEN LINIEN DER RHÄTISCHEN BAHN DURCH DAS SCHWEIZER KANTON GRAUBÜNDEN. BAHN MANAGER IM GESPRÄCH ÜBER DIE FRAGE: WIE LASSEN SICH TOURISMUSMUSVERKEHR UND REGIONALE VERSORGUNGSAUFGABEN ZUSAMMENFÜHREN?

DIETER DUBKOWITSCH Er ist Marktverantwortlicher für Deutschland und Österreich bei der Rhätischen Bahn AG.

bahn manager Magazin: Herr Dubkowitsch, Sie vertreten eine wunderbare Eisenbahn in der Schweiz, die Rhätische Bahn. Nun sagt man ja ein wenig bonmothaft, was woanders Schmalspur ist, ist in der Schweiz normal. Und Sie haben auch mit einer Bahn wie der Ihren eine spezifische zweigeteilte Aufgabe: Einerseits fahren Sie Touristen durch eine wunderbare Landschaft, aber zum anderen sind Sie auch schlicht und einfach wie andere Bahnen auch Dienstleister der Region für Pendlerinnen und Pendler. Wie stellt sich diese Zweiteilung der Aufgabe bei Ihnen konkret dar? Dieter Dubkowitsch: Das ist sehr einfach für uns. Wir sind die Kantonsbahn des Kantons Graubünden als grösster Kanton der Schweiz. Daher haben wir gemeinwirtschaftliche Aufgaben. Wir haben Pendler-

Man sollte auch sagen, dass Sie offensichtlich sehr begeisterte Kunden haben. Sie haben alle zwei Jahre eine Publikumsbefragung, und das Ergebnis war auch im letzten Jahr wieder besonders positiv. Absolut. Die Publikumsbefragungen oder die Kundenbefragungen geben uns Recht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber nicht nur die Kundenbefragungen, auch in Mitarbeiterbefragungen wurden wir jetzt in unserer Kategorie als drittbestes Unterneh-

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FOTO: HFS

verkehr, wir haben im Regionalbereich Güterverkehr, aber zusätzlich unsere im Ausland bekanntesten beiden Produkte Bernina Express und Glacier Express. Das sind touristische Bahnen, nicht zu vergleichen mit dem restlichen Produkt. Daher stellt sich meine Aufgabe relativ einfach dar. Ich präsentiere die touristischen Produkte, die zwei Panoramabahnen, und weniger das klassische restliche Geschäft.


men der Schweiz ausgezeichnet. Das kommt auch daher, weil die Mitarbeiter zur Rhätischen Bahn stehen. Und das merkt man. Das wirkt sich dann eins zu eins auf den Kunden aus, und darauf bin ich sehr stolz. Was haben Sie denn im touristischen Segment anzubieten? Sie nennen das Stichwort Panoramabahn, Panoramawagen. Das heisst, man hat einen besonders schönen Ausblick. Ja, einen besonders schönen Ausblick haben Reisende zum Beispiel aus dem Bernina Express. Der fährt von Chur nach Tirano, was mehr oder weniger eine Alpenüberquerung von Nord nach Süd ist. Der zweite Panorama-Zug, der vielleicht noch bekannter ist, nicht nur in Deutschland, sondern bis in die Fernmärkte, ist der Glacier Express von Zermatt nach Sankt Moritz. Das sind qualitativ hochwertigste Züge. Höhepunkte bei der Fahrt mit den Panoramawagen sind auf der einen Seite natürlich die Schönheit der Landschaft, die die Züge durchfahren. Das zweite ist die Qualität der Züge mit den grossen bekannten Panoramafenstern. Der Blick aus den Panoramafenstern ist einmalig und nicht zu vergleichen mit den klassischen Fenstern, die wir aus anderen Zügen her kennen. Bei den Panoramafenstern haben Gäste einen ganz anderen Blickwinkel durch die Offenheit und den Lichteinfall. Wir fahren mit diesen Panorama-Zügen um des Reisens willen, um etwas zu sehen, und nicht, um schnell von A nach B zu kommen. Und das ist ein aussergewöhnliches Merkmal der beiden Züge. Sie haben in letzter Zeit eifrig investiert in neues Rollmaterial... ...und wir investieren weiter. Ja, richtig, wir haben investiert. Zum einen in die Regionalbahnen und aktuell in den GlacierExpress mit seiner neuen Excellence Class. Wir haben sehr viel Neues angeschafft und werden auch in Zukunft investieren. Das geht sicherlich noch die nächsten drei, vier, fünf

Jahre weiter, es wird laufend erneuert. Das ist aber natürlich notwendig. Man muss am Puls der Zeit bleiben. Und an Bord muss man nicht verdursten und verhungern. Nein! Gerade beim Glacier Express, das ist eine Tagesreise von Sankt Moritz nach Zermatt, fährt man über acht Stunden. Es gibt eine eigene Bordküche, in der die Speisen Essen frisch zubereitet werden. Der Koch schneidet sein Zürcher Geschnetzeltes direkt im Zug, bereitet das Gemüse dazu vor, und es wird am Platz serviert. Es gibt keinen Speisewagen, sondern Reisende essen direkt am Platz mit Blick auf das Panorama.. Auch hier gibt es immer wieder Kundenbefragungen. Die Bordküche ist ein USP, ein Alleinstellungsmerkmal, der Panoramazüge. Wie finden Anreise und Abreise zu Ihren Zügen im Schnitt statt, auch mit den schweizerischen Bahnen? Das ist sehr unterschiedlich – eigentlich mit allen Verkehrsmitteln. Entweder reisen unsere Gäste per Flugzeug an, gerade Gäste aus Übersee, die natürlich den Besuch meist mit einer Europareise verbinden. Dann fliegen sie nach London oder Rom und steigen entweder in den Bus oder kommen mit der Bahn. Gerade aus dem deutschen Raum kommen natürlich Viele mit dem eigenen Auto und parken es an den entsprechenden Bahnhöfen. Sie haben natürlich einen ganz großen Pluspunkt. Sie sind klassifiziert als UNESCO-Welterbe. Was bedeutet das für Sie? Die Strecke am Albula und am Bernina-Pass hat jetzt seit über zehn Jahren das Label des UNESCO-Welterbes. Das ist eine Kombination aus Natur und Kultur, spricht für die architektonische Meisterleistung der Ingenieure, die damals die Strecke gebaut haben, und natürlich für die landschaftliche Schönheit

der Strecke, die die Züge durchfahren. Die Auszeichnung hat einen sehr hohen Stellenwert für uns. Denn es ist nicht nur sehr schwer, das UNESCO-Label zu bekommen, es ist noch viel schwerer, das Label auch zu halten. Die Auszeichnung steht für hohe Qualität, viel Tradition und eine lange Geschichte. Das wollen wir natürlich auch in der Kommunikation mit den Kunden vermitteln. Es gibt ja auch spezielle Schweiz-Tickets für den kombinierten Verkehr, die praktisch überall gültig sind, das gilt natürlich auch bei Ihnen? Ja, die General-Abonnements, die es in der Schweiz gibt für den Schweizer, die gelten natürlich bei uns. Aber auch für den Touristen gibt es die Swiss Travel-Pässe, die über eine bestimmte Dauer allen öffentlichen Verkehr in der Schweiz beinhalten. Das ist ja auch eine Besonderheit. Man kann in Graubünden in den Zug einsteigen und in Luzern in die Strassenbahn oder am Genfersee ins Schiff, und alles ist in einem Ticket enthalten Das ist sicherlich ein Grund, warum der öffentliche Verkehr in der Schweiz so gut genutzt wird. Können Sie ungefähr sagen, wie verteilt sich denn die Kundenzahl zwischen Tourismus und einheimischer Bevölkerung? Grundsätzlich ist der klassische, einheimische Verkehr auf der Rhätischen Bahn sehr hoch. Alleine die Pendlermassen – wir haben insgesamt rund zehn Millionen Gäste im Jahr. Und auf den Expresszügen sind es gemeinsam zwischen 500 und 600.000. Somit dominieren die einheimischen Gäste, die in den Regionalzügen fahren. Denn der Pendler, der von Davos nach Chur fährt, fährt täglich. Unsere touristischen Gäste kommen im Schnitt nur einmal pro Jahr.

Das Interview führte Hermann Schmidtendorf


RESTVERKEHR

BEI DER BESICHTIGUNG NEUER S-BAHNEN UND O-BUSSE ERINNERTE NORDKOREAS STAATSFÜHRER KIM JONG UN, ER HABE EIN „SCHWERES HERZ“ GEHABT, ALS NOCH „ALTE ÖFFENTLICHE VERKEHRSMITTEL BEDEUTETEN, DEN MENSCHEN UNANNEHMLICHKEITEN ZU BEREITEN“.

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HILFT KREML-ASTROLOGIE? Klappt das auch in Nordkorea? Die erste Straßenbahngesellschaft Pjöngjangs wurde 1905 gegründet, damals stand das Land unter japanischer Besatzung. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Straßenbahnnetz in eigener Regie ausgebaut, erlebte jedoch einen

FOTO: KCNA

KIM JONG UN: „MIT HERZ UND SEELE“ FÜR DEN ÖPNV

Jetzt aber sehe er „die helle Perspektive“ und sei zufrieden. Den eintägigen Ausflug des obersten nordkoreanischen Führers in die öffentliche Verkehrswelt – zur Nachtzeit leitete Kim Jong Un sogar persönlich Versuchsfahrten der neuen Fahrzeuge! – vermeldete die staatliche Presseagentur KCNA am 4. August 2018. In der Hauptstadt Pjöngjang sind Tram, O-Busse und Metro unverzichtbare Transportmittel der 3,3 Millionen Einwohner. Zu meiner Studienzeit war ich als Student des Russischen und der Osteuropäischen Geschichte auch als Dolmetscher für sowjetische Komsomol-Gruppen tätig. Zur Vorbereitung dienten offizielle Verlautbarungen sowjetischer Presseorgane. Doch um diesen Texten mehr als Floskeln zu entnehmen, bedurfte es der „Kreml-Astrologie“. Welche Parteioffiziellen werden in welcher Reihenfolge genannt, wer fehlt? Warum gibt es plötzlich keine Kennziffern zur Weizenproduktion? Klar, eine Missernte! Oder blieben die maroden Lkws für den Abtransport des wertvollen Guts wegen Ersatzteilmangels massenhaft liegen? Wer zwischen den Zeilen las, konnte genussvoll spekulieren.


Niedergang. Der Neubeginn fand am 15. April 1991 statt, dem 79. Geburtstag von Kim Il-sung, dem „Großen Führer und Genossen“ des Landes zwischen 1948 und 1994. Heute gibt es zwei normalspurige und eine meterspurige Straßenbahnlinie mit insgesamt etwa 54 Kilometern Streckenlänge. Die Untergrundbahn der Stadt wurde am 6. September 1973 eröffnet und war damit die erste U-Bahn auf der Koreanischen Halbinsel. Sie umfasst heute 2 Linien mit 22,5 Kilometern Länge und 16 Tunnelstationen. Trolleybusverkehr gibt es seit dem 30. April 1962. Bei der jetzigen Lokalvisite wurde Kim Jong Un an der Straßenbahnstation Songsan eine, wie es hieß, „neue Straßenbahn“ vorgestellt, die laut KCNA „von Amtspersonen, Forschern, Technikern und Facharbeitern der Busreparaturfabrik“ erbaut wurde. Wie in offiziellen nordkoreanischen Verlautbarungen üblich, wurde der Kommentar des Obersten Führers in der dritten Person zitiert: „Er war erfreut, den von den Amtspersonen vorgelegten Bericht zu hören, dass sie einen Wechselstrom-Elektromotor mit geringeren Herstellungs- und Betriebskosten installiert hatten und bei dem neuen Straßenbahntyp einen Steuerkonverter der Elektromotoren sowie Steuerungssoftware einführten zur Verbesserung der spezifischen Merkmale ihrer Mobilität, der Geschwindigkeit und der Bremse und zur Bedienung des Komforts der Passagiere, und dass sie die lokale Produktion der meisten mechanischen und elektrischen Armaturen und Ausrüstungen einschließlich Glas, Rückspiegel, Gummiboden, dekoratives plastisches Sperrholz und Sitze sicherstellten.“ „Die lokale Produktion der meisten mechanischen und elektrischen Armaturen und Ausrüstungen“! Ja, es tut noch gute Dienste, das gute alte Text-Interpolieren. „Der meisten“! Das impliziert, dass nicht alle Teile lokal produziert wurden. Doch wo kämen sie sonst her? Aus dem Ausland,

richtig? Doch noch am 19. November 2015 hatte sich Kim Jung Un ziemlich deutlich implizit gegen jedweden Import gewandt, indem er erklärte, „Weltklasse-U-BahnRollmaterial“ solle eigenständig entwickelt werden, um „durch das Import-Fieber infizierten Leuten“ zu zeigen, dass alles „wertvoller und glänzender“ sei, was mit einheimischer Technologie „durch patriotische Wissenschaftler und Techniker“ gebaut werde. Bis heute gilt die vom ersten Präsidenten Kim Il-sung entwickelte „Juche-Ideologie“ als Staatsdoktrin Nordkoreas. Juche oder auch Chuch’e bedeutet im Koreanischen Autarkie oder Selbständigkeit. Diese Selbständigkeit sollte auch in der Wirtschaft erreicht werden. Also wurde selbst bei offensichtlichen Importprodukten die ausländische Herkunft nicht genannt. Insofern könnte die Aussage, dass (nur…) „die meisten“ Elemente der Straßenbahn landeseigene Produkte sind, durchaus als vorsichtige Öffnung zur Realität gesehen werden. Die einheimische Bevölkerung, die ja auch „zwischen den Zeilen“ lesen kann, versteht dann: Aha, Glasscheiben können wir jetzt herstellen, sagt der Oberste Führer, aber er sagt nichts von der Klimaanlage auf dem Dach. Also stammt die vielleicht noch aus dem Ausland… Was ja nicht weiter schlimm wäre. Der Oberste Führer könnte ja die Staatsdoktrin weiter schöpferisch fortentwickeln und eventuellen Zweiflern so den Wind aus den Segeln nehmen. STRAßEN- UND U-BAHN 1990 hatte Pjöngjang laut www.strassenbah nen-online.de 45 neue dreiteilige Zweirichtungs-Gelenktriebwagen des tschechoslowakischen Herstellers ČKD Tatra vom Typ KT8D5 erworben. Die Triebwagen erhielten in Pjöngjang die Nummern 1001 bis 1045. Diese Fahrzeuge wurden jetzt offenbar grundmodernisiert. Neue Front einschließlich moderner Leuchten und Digitalanzeige, neue Farbgebung, neue Türen und Fenster –

in der Tat präsentiert sich das jetzt vorgeführte Fahrzeug optisch wie ein Neufahrzeug. Nicht nur Kim Jong Un – auch Gunnar Lindemann hat ein Herz für den ÖPNV. Gunnar wer? Naja, Lindemann! Der Abgeordnete der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus wollte per Schriftliche Anfrage Details über einen anderen „Nordkorea-Deal“ erfahren. Am 3.4.2018 antwortete die Senatsverwaltung, was sie von der BVG in Erfahrung bringen konnte: „Im Jahr 1999 wurden von der BVG 108 Doppeltriebwagen der Baureihe D (Baujahre 1957–1965) an eine Schienenfahrzeuggesellschaft (Zwischenhändler) verkauft und ausgeliefert. Die Fahrzeuge waren in gebrauchtem Zustand und wurden verkauft bzw. wie stehend und besichtigt. Die 108 Doppeltriebwagen der Baureihe D wurden für damals knapp 3 Millionen DM (zzgl. MwSt.) verkauft. Die Fahrzeuge der Baureihe D waren bereits 1988–1990 überzählig und der BVB in Ost-Berlin überlassen worden. Mit der Wende kamen sie wieder in den Bestand der BVG… Hätte sich kein Käufer gefunden, wären die Fahrzeuge vermutlich verschrottet worden.“ 2015 wurden die Berliner U-Bahn-Züge von den Kim-Chŏng-tae-Elektrolokomotivwerken runderneuert. Dabei wurde unter anderem ein markanter neuer Fahrzeugkopf angebaut mit neuen Scheinwerfern und Digitalanzeigen. Auf dem Dach wurde eine Klimaanlage montiert, auch die Inneneinrichtung wurde komplett erneuert. Bei seiner Besichtigung nannte Kim Jong Un als weitere Novitäten „moderne Fahrmotoren, Bremsen, Steuerungen und Fahrgastinformationssysteme“. Styling und Farben seien „richtig ausgewählt wurden, um den Spezifikationen und modernen ästhetischen Anforderungen für den öffentlichen Verkehr zu entsprechen“. Na also, Herr Lindemann, seien Sie beruhigt. Da wurden garantiert keine Berliner Steuergelder verschwendet. (hfs)


IMPRESSUM

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Verlag Hanse-Medien Verlag GmbH Munstermannskamp 1 21335 Lüneburg Telefon 04131 78 98 144 www. hanse-verlag. de Registergericht und Registernummer Amtsgericht Lüneburg HRB 206117 Steuernummer 33/206/02227 Geschäftsführer / Herausgeber Dennis Peizert Hauptstadtrepräsentanz Hermann Schmidtendorf Bruchsaler Straße 3 10715 Berlin E-Mail Schmidtendorf@bahn-manager.de Redaktion Dennis Peizert (V.i.S.d.P.) Telefon 04131 78 98 145 E-Mail redaktion@bahn-manager. de Internet www. bahn-manager. de Anzeigen und Aboverwaltung Dennis Peizert (verantwortlich) Telefon 04131 78 98 144 E-Mail vertrieb@bahn-manager. de Grafik/Design MPDesigns Druck Kössinger AG, Schierling Erscheinungsweise 6 x jährlich ISSN 2367–1998

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VORSCHAU

DIE NÄCHSTE AUSGABE ERSCHEINT AM 05. JUNI 2019. 75

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EFFIZIENTE INFRASTRUKTUR


I N N O VAT I O N S S Z E N E

BERLIN GILT ALS EINE DER INNOVATIVSTEN STÄDTE DEUTSCHLANDS. DIE STARTUP-SZENE TUMMELT SICH IN DER STADT, ONLINEPLATTFORMEN WIE AMAZON TESTEN HIER NEUE SERVICES WIE FRESH, BEVOR SIE AM MARKT AUSGEROLLT WERDEN UND DER IOT (INTERNET OF THINGS) HUB DER BUNDESREGIERUNG BEFINDET SICH HIER. Hinzukommen unzählige Co-Working Spaces, in denen neue Arbeitsmodelle gelebt werden können. Kein Wunder also, dass sich auch Innovationsschmieden der großen Mobilitätsanbieter hier angesiedelt haben. Für viele Unternehmen sind Labs der erste Schritt in die Digitalisierung. Und so vielfältig wie die Digitalisierungsstrategien sind, so vielfältig sind auch die Aufgabenstellungen und Ziele in diesen Labs.

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SO VIELFÄLTIG WIE BERLIN – DIE INNOVATIONSLABS DER MOBILITÄTSBRANCHE


So steht zum Beispiel in der DB Mindbox die Gründerförderung im Zentrum. Mittlerweile seit drei Jahren befindet sich der Co-Working Space auf 720qm in den S-Bahn-Bögen der Jannowitzbrücke. Zusammen mit Startups arbeiten zehn DB Mitarbeiter als Startup Manager an innovativen Technologien, digitalen Anwendungen und Lösungen für Bahnkunden, die die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs weiter erhöhen sollen. Das Themenspektrum reicht von Instandhaltungsservices bis hin zu Personal und Marketing. Die Startups werden 100 Tage lang dabei unterstützt, ihre Anwendung auf den Markt zu bringen. Dazu können sie die Co-Working Arbeitsplätze nutzen, erhalten Coachings und Mentorings wie bspw. Pitch-Trainings und können Live-Tests ihrer Prototypen durchführen. Darüber hinaus erhalten sie ein Startkapital von 25.000 Euro sowie den Zugang zum DB-Netzwerk mit seinen Kunden, Experten, Daten und Märkten. Nicht nur für die Gründer ist das attraktiv, sondern auch für die Deutsche Bahn: Bisher haben sich weit über 1.000 Startups aus rund 30 Ländern für das Programm beworben. Mehr als 60 dieser Startups haben bereits eine Förderung erhalten, und mit rund 30 arbeitet die DB an konkreten Neuerungen rund ums Bahnfahren. Zusätzlich dazu werden die Möglichkeiten der sog. Open Innovation und Development Szene genutzt. Regelmäßig finden in der DB Mindbox Hackathons statt, bei denen Entwickler, Mitarbeiter und Bahnfans zusammenkommen, um gemeinsam neue Lösungsansätze für verschiedenste Mobilitätsanforderungen zu finden. Dazu werden Datensätze genutzt, die die DB seit 2015 unter freier Lizenz auf dem DB Open Data Portal zur Verfügung stellt. Sowohl die Hackathons als auch die Pitch-Veranstaltungen des Startup Programms sind öffentlich zugänglich, so dass die gesamte Bahnbranche profitieren kann, indem Themen gemeinsam weiter vorangetrieben werden können. Wenden wir den Blick auf die Automobilbranche, sticht sofort das VW Digital Lab an der Stralauer Allee ins Auge. In den ehemaligen Fernsehstudios von MTV arbeiten heute rund 60 Mitarbeiter an Softwarelösungen für die VW Group, also über den gesamten Konzern hinweg. Das Lab ist nur eines von mehreren, die das Unternehmen aufgesetzt hat, um digitale Lösungen zu entwickeln. Seit 2016 arbeiten hier Entwicklerteams im sog. Pair-Programming zusammen. D.h. zwei Entwickler arbeiten gleichzeitig und gleichberechtigt an einer Aufgabe

– einer schreibt den Code, während der andere parallel die Qualitätssicherung durchführt. Im Team werden quasi in Echtzeit Entscheidungen getroffen, und sollte ein Mitarbeiter ausfallen, so braucht es keine lange Einarbeitung. Das gesamte Lab ist nach dem Lean Startup-Ansatz aufgebaut, angefangen beim optionalen gemeinsamen Frühstück über das tägliche Stand Up aller Mitarbeiter, um für die Teams relevante Informationen auszutauschen oder Hilfestellung geben zu können, bis zu den einzelnen Teams, welche die am Tag anstehenden Arbeitspakete für alle erläutern bis zum Feierabend um 17h. Aufgrund des Pairings herrschen klare Arbeitszeiten. Disziplin und Transparenz werden an allen Stellen großgeschrieben. Die aus Entwickler, Designer und Produktmanager bestehenden Teams zeigen den Status ihres Produktes an ihrer Teaminsel für alle sichtbar. In sog. Retros wird jeweils teamintern besprochen, was in der Woche gut gelaufen ist und wo Verbesserungspotential ist. So lernen alle voneinander. Mein regelmäßiger Arbeitsplatz befindet sich in der Factory Berlin. Hierbei handelt es sich um eine Gemeinschaft von etwa 3.500 internationalen Innovatoren aus unterschiedlichsten Fachbereichen: Vom Yogalehrer über agile Coaches bis hin zu Blockchain Experten. Die Mitglieder bewerben sich mit ihren Fähigkeiten und ihrem Know-how um eine Mitgliedschaft. Die Welt ein bisschen besser zu machen ist ihr gemeinsames Ziel. Hauptgedanke der Factory ist es, möglichst unterschiedliche Menschen zusammenzubringen, um die Stärken der unterschiedlichen Experten zu verknüpfen und durch querdenken sowie das Ändern des Blickwinkels etwas Neues zu schaffen. Die Siemens Mobility hat dort im November 2017 ein Innovation Hub und Projekt Lab eröffnet. Ein etwa 45qm großer Raum mit zwei großen Schreibtischen und je sieben Sitzplätzen sowie viel Whiteboardfläche an den Wänden. Es ist der Raum, wo für die Organisation die digitale Transformation startet. Dazu haben insgesamt rund 20 Mitarbeiter eine Factory Mitgliedschaft erhalten, um an Innovationen für ihren Fachbereich zu arbeiten. Die Definition, wie die einzelnen Mitglieder die Factory nutzen ist ihnen, und ihren Führungskräften vorbehalten. Wichtig ist nur, dass eine Win-Win-Situation für den Fachbereich und das Lab und damit die Factory Community entsteht. So finden beispielsweise regelmäßig Kreativworkshops statt, bei denen die Factory Mitglieder moderieren und so die Kollegen für agile Arbeitsweisen begeistern.


I N N O VAT I O N S S Z E N E

nehmens in das Lab zu tragen und umgekehrt. Inwiefern dieser Weg erfolgreich ist, hängt von der Aufgabenstellung und Zielsetzung der Innovationseinheit sowie dem Digitalisierungsreifegrad des Unternehmens ab. Es bleibt spannend zu beobachten, wie stark sich die Arbeitsweisen der Labs zukünftig auch in den Organisationen wiederfinden werden.

JULIA HOLZE Sie ist Head of Product Marketing bei Siemens Mobility und Co-Gründerin von Feed your rebel. Ihr Herz schlägt für digitale Innovationen und Design Thinking.

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Oder es werden zu konkreten Fragestellungen Experten aus der Community und als Partner in Projekten hinzugezogen, deren Kompetenzen im Unternehmen nicht vorhanden sind. Dabei entstehen einerseits neue Produkte und Lösungen rund um die Schieneninfrastruktur und das intermodale Reisen, hinter denen oftmals neue Geschäftsmodelle stehen oder neue Technologien rund um IoT und Blockchain, die in der Mobilitätsbranche bisher nur selten zum Einsatz kommen. Auch an cross-industriellen Angeboten wie Musik in Kombination mit Mobilität arbeiten die Teams. Andererseits haben sämtliche Mitarbeiter des Unternehmens die Möglichkeit, für sie neue Arbeitsweisen und -methoden wie Design Thinking, Lean Startup oder auch Co-Creation kennenzulernen und die Erfahrungen daraus zurück in ihre Fachbereiche zu tragen. Dies sind nur drei Beispiele, wie ein Innovation Lab aussehen kann. Was sie gemeinsam haben: Alle sind so aufgebaut, dass sie bewusst andersartig sind als andere Unternehmensbereiche und so traditionelle Formen der Zusammenarbeit aufbrechen, und doch spiegeln sie gleichzeitig den Charakter des Unternehmens wider. So finden sich zum Beispiel in manchen Labs die gleichen Kaffeemaschinentypen oder auch Standardmöbel wie in der Unternehmenszentrale in Kombination mit kreativen Arbeitsmitteln und -methoden. Auch arbeiten in allen Innovationseinheiten Mitarbeiter aus Linienfunktionen der Konzerne, die zusammen mit Menschen außerhalb der Unternehmen bzw. neu rekrutierten Mitarbeitern etwas Neues schaffen. So wird versucht, die Identität des Unter-


Termine in der Innovationsszene Eine Vielzahl von Meetups, Konferenzen und Messen rund um das Thema Digitalisierung und Innovation haben Mobilität als Schwerpunkt. Hier finden Sie eine kleine Auswahl für das Jahr 2019. Termine ohne Gewähr: •Future Mobility Summit, 8./9. April 2019, Berlin •Camp Q, 10. April 2019, Berlin •Mobility Meetup Düsseldorf, 11. April 2019, Düsseldorf •Re:publica, 6.-8. Mai 2019, Berlin •Dreiländerhack, 7./8. Mai 2019, Bern •High Level Konferenz der Allianz pro Schiene, 8./9. Mai 2019 •Webit.Festival, 13.-15. Mai 2019, Sofia, Bulgarien •Brand eins Zukunftskonferenz, 23. Mai 2019, Hamburg •We are Developers World Congress, 6./7. Juni 2019, Berlin •Heureka, 12. Juni 2019, Berlin •NOAH Conference, 13./14. Juni 2019, Berlin •TEDxBerlin, 16. Juni 2019, Berlin •Digital Leadership Summit, 26. Juni 2019, Köln •TOA, 2.-5. Juli 2019, Berlin •Digital Rail Summit, 29.-31. August 2019, Mascot, Australien •NEXT Conference, 19./20. September 2019, Hamburg •IdeaLab!, 4./5. Oktober 2019, Vallendar •Future Female Force, 12. Oktober 2019, Berlin •Slush, November 2019, Helsinki, Finnland •Web Summit, 4.-7. November 2019, Lissabon •Think.Beta, 19. November 2019, Bremen Für folgende Veranstaltungen sind leider noch keine Termine für 2019 veröffentlicht worden: •Digital Gipfel des BMWi •Future Logistics Meetup, Berlin •Berlin Smart Mobility Meetup, Berlin •Future Mobility Meetup, Berlin •XCamp 2019 •Handelsblatt Pathfinder 2019 •Digital Mobility Conference 2019, Berlin •Startup Night 2019, Berlin •Me Convention


FUTURE MOBILITY SUMMIT

DER FÜHRENDE KONGRESS FÜR MOBILITÄTSENTSCHEIDER FUTURE MOBILITY 2019 IST DER ZENTRALE KONGRESS DER MOBILITÄTSENTSCHEIDER AUS POLITIK, WIRTSCHAFT, WISSENSCHAFT, VERBÄNDEN, NGOS UND GEWERKSCHAFTEN. Er wird 2019 zum neunten Mal vom Tagesspiegel und erstmals in Kooperation mit der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) ausgerichtet und von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eröffnet. Der Kongress adressiert die brennenden Umsetzungsfragen der Mobilitätswende und zeigt vom 8. bis 9. April 2019 die neuesten Lösungen von Industrie, Wissenschaft und öffentlichem Sektor auf dem EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg. Ein besonderer Fokus liegt auf der Rolle der Kommunen als lokale Umsetzer.

2018 besuchten 1200 Teilnehmer, 75 Referenten und 60 Medienvertreter die zweitägige Veranstaltung. FORMAT 2 Tage, 20 Foren, 1200 Teilnehmer, alle Leitthemen, Testfahrten, Ausstellung. Der Kongress ist gegliedert in das Hauptprogramm im Plenum sowie zum Teil parallel stattfindende Foren und Workshops, die sich mit den großen Leitthemen (u.a. Arbeit, Antrieb, Digitalisierung und Klimaschutz) beschäftigen. Future Mobility 2019 wird begleitet von den Ausstellungen Future Mobility Street (Außenfläche), Walk (Innenfläche) und Test Drive (Testfahrten: mit und ohne Straßenzulassung). VERANSTALTUNGSORT Der Kongress findet auf dem EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg statt und wird vom Tagesspiegel als Veranstalter realisiert. Das

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Areal rund um den ehemaligen Schöneberger Gasometer ist ein internationales Zentrum der Mobilitäts- und Energieforschung sowie -anwendung und bietet hervorragende Tagungs- und Ausstellungsmöglichkeiten. In der Kongresshalle, dem Gasometer, wurde viele Jahre die TV-Talkshow von Günther Jauch aufgenommen. Das Areal ist Privatgelände und eignet sich für Testfahrten, auch mit Prototypen oder Technologieträgern ohne Straßenzulassung. Weitere Informationen finden Sie unter futuremobilitysummit.de


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MIT BIG DATA DEN BAHNBETRIEB OPTIMIEREN AM 28. UND 29. MAI IN MÜNCHEN

Die perfekte Plattform, um Menschen mit Fragen und Antworten zusammenzubringen.

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„Der Aufstieg des Internets der Dinge und der Big Data im Bahnwesen“ – unter diesem Motto findet am 28. und 29. Mai in München eine hochaktuelle Konferenz statt. Bereits die Vorgängerkonferenz zu diesem Thema im letzten Jahr war überaus gut besucht. Neue Technologien erfordern einen vermehrten Informationsaustausch. „Schnelle Einführung von Innovationen, neue intelligente Technologien und auf Künstlicher Intelligenz basierende Systeme sind jetzt die Schlüsselanforderungen, um Probleme im Bahnbetrieb zu lösen“, ist sich Ben Holliday vom Konferenzveranstalter Rotaia Media sicher. „Neue Technologien werden benötigt, um beispielsweise Kapazitätsprobleme zu lösen, ohne teure und zeitaufwändige Investitionen in neue Infrastrukturen zu tätigen.“ Für Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnverkehrsunternehmen, die bereits Datenerfassungssysteme implementiert haben, besteht die Möglichkeit zu prüfen, wie ihre aktuellen Anwendungen auf die nächste Ebene gebracht werden können, und natürlich die Möglichkeit, Best Practices und Herausforderungen mit einem interessierten Branchenpublikum zu teilen. „Es gilt zu verstehen, wie man riesige Datensätze aus jedem Aspekt des Betriebs sammeln und richtig nutzen kann, um Kosten zu reduzieren, Ausfallzeiten zu minimieren, die Kapazität zu erhöhen und die Services zu verbessern“, unterstreicht der Veranstalter. Zu den Unterstützern und Besuchern der Konferenz gehören Banedanmark, ProRail, RFI, NMBS / SNCB, Trenitalia, MRS Logistica, SNCF-Logistik, die VR-Gruppe, BAN NOR, DB Netz, Unife, BVB, die Irische Eisenbahn und die Litauische Eisenbahn. Unter den Top-Referenten befinden sich Marcus Frantz, Chief Information Officer der ÖBB, Arne Benox, Leiter der Telekommunikation bei den SBB, Thomas Peter Jaeger, Leiter Flottenentwicklung, Digitalisierung und Projekte bei DB Cargo, Pieter Linden, Team Lead Data Science bei Infrabel und Paul Barnes, Chefingenieur für Intelligente Infrastruktur bei Network Rail. Nähere Informationen zu Programm und Teilnahme finden sich unter www.iotandbigdatainrail.com. bahn manager hat die Media-Partnerschaft übernommen und wird über die Konferenz berichten. (hfs)

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