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Prof. Dr. Michael Naumann
Klang und Bild
Für die Hansestadt Hamburg, das Tor zur Welt mit dem kleinstmöglichen Kunstmuseum und den klügsten Museumsleitern (vorbei, vorbei!), und für die alles in allem humorlosen Hamburger war es ein Glücksfall, dass sich der amerikanische Maler/Bildhauer/ Kinetik-Künstler und Zeichner Stephan von Huene in das Land seiner Vorfahren verirrte, sein längst vergessenes Deutsch der Kindheit auffrischte, sich in die Kunstkritikerin der ZEIT, in Petra Kipphoff verliebte, heiratete – und blieb.
Stephan von Huenes Klangskulptur Lexichaos, die zum ersten Mal im Sommer 1990 in der Hamburger Kunsthalle gezeigt wurde, gehört gleichsam natürlich in den Berliner Konzertsaal seines kalifornischen Zeitgenossen und Freundes Frank Gehry – hier passt sich die verspielte Idee seines Kunstwerks dem heiteren Charakter der Architektur an.
In Paris trieben zu von Huenes Lebzeiten die zu Unrecht fast vergessenen, malenden „Lettristen“ ihr buchstabentreues, kabbalistisches Unwesen, aus den USA drang die Fluxus-Bewegung in die deutschen Avantgarde-Galerien an Rhein und Ruhr – und mit ihr die ersten Versuche, Klang und Bild, rätselhaftes Geräusch und optischen Lärm zu vermitteln. Auf Vernissagen durfte damals gelacht werden, Happenings hießen die ersten Treffen von Künstlern mit potentiellen Sammlern, auf denen gemeinsam der vorübergehende Ausbruch aus ästhetischen Traditionsfesseln geprobt wurde. Zu kaufen gab es eigentlich nichts, zu erleben alles. Dada meldete sich mit späten Lebenszeichen.
Und mittendrin Stephan von Huene. Als sein kalifornischer Freund Allan Kaprow eines Tages in den purpurfarbenen Hügeln von Los Angeles einen wohnzimmergroßen Kubus von Eisblöcken in die Sonne stellte, um das Vergehen aller Künste zu demonstrieren, war die Fluxus-Idee auf ihren kühlen Begriff gekommen: Es geht um die schöne Vergänglichkeit, oder, mit Karl Heinz Bohrer gesprochen, um die unverstellte Erfahrung von „Jetzt“.
Was der Bewegung fehlte, war die Flüchtigkeit von „Sound“. Jedes Geräusch, jeder Ton vergeht wie Eis in der Sonne, seine Voraussetzung und sein Ende – so sieht es Daniel Barenboim – sind Stille. Und so war es wohl unvermeidlich, dass der großgewachsene Kalifornier die Klangskulptur erfand. Einige erregten bundesweites
Aufsehen – die große Trommel, die Tisch Tänzer – und einige landeten in den Depots der führenden Museen des Landes. Das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe, das die meisten Arbeiten Stephan von Huenes besitzt, ist da eine fabelhafte Ausnahme – es versteckt sie nicht im Keller. Im Gegenteil.
Lexichaos gehört – buchstäblich – der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihrer Leitung hat die Barenboim-Said Akademie zu danken: Sie hat uns die Exponate zur Verfügung gestellt. Es war ein wenig zu still um diesen Künstler geworden. Wir danken Petra Kipphoff und allen Kennern und Zeitgenossen, aber auch den Bewahrern der Arbeit von Stephan von Huene. Man wird von ihm noch einiges zu hören und zu sehen bekommen – im Lauf der Zeit. Marvin Altner hat die Ausstellung kuratiert.
Prof. Dr. Michael Naumann
Rektor, Barenboim-Said Akademie