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EULieferkettenrichtlinie

Mit dieser Lieferkettenrichtlinie riskiert die EU eine massive Beeinträchtigung der notwendigen Transformation seiner Industrien.

Am 23.2.2022 hat die EU-Kommission einen Entwurf für eine Richtlinie für Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 vorgelegt. Für die europäischen Unternehmen ergeben sich aus den geplanten EUVorschriften weitreichende Pflichten, inklusive finanzieller Sanktionen im Falle von Verstößen sowie einer zivilrechtlichen Haftung für entstandene Schäden, die ihre globale Wettbewerbsfähigkeit deutlich gefährden.

Die beiden Co-EU-Gesetzgeber Rat und Europäisches Parlament (EP) beraten seit Beginn intensiv und mit starkem politischem Druck über ihre Position zu dem Kommissionstext. Die Trilog-Verhandlungen beginnen im Juni 2023. Ziel ist, das Legislativverfahren möglichst bis Jahresende 2023 und damit vor den EP-Wahlen 2024 zum Abschluss zu bringen.

Position des Rates

Im Dezember 2022 hat der Rat im Eiltempo eine Allgemeine Ausrichtung angenommen, eine politische Einigung zu wesentlichen Eckpunkten des Vorschlags. Die Wirtschaft hatte zuvor mehrfach ihre deutliche Kritik an dem Vorschlag kommuniziert. Im Rat hatte es bis zuletzt keine Übereinstimmung zu vielen Punkten der Richtlinie gegeben, da viele Mitgliedstaaten noch keine abschließende Position zu allen Punkten hatten. Auch die deutsche Bundesregierung hat der Allgemeinen Ausrichtung schlussendlich nur unter Vorbehalt zugestimmt, da der politische Druck zur Abstimmung auf EU-Ebene sehr hoch war.

Eckpunkte der Allgemeinen Ausrichtung im Überblick:

. Anwendungsbereich: Einführung des Begriffs der sog. Aktivitätskette als vermittelnder Kompromiss zur Frage, ob der Anwendungsbereich die Wertschöpfungsoder Lieferkette umfassen soll.

. Schwellenwerte wie im KOM-Vorschlag: Die Richtlinie soll für Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und mindestens 150 Mio. EUR Jahresumsatz gelten; bei sog. Risikosektoren für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und mindestens 40 Mio. € Jahresumsatz.

. Gesellschaftsrecht: Streichung der Vorschriften über Sorgfaltspflichten der Mitglieder der Unternehmensleitung und deren Kontrolle, Art. 25, 26 sowie Streichung der Bestimmungen über die Vergütung der Unternehmensleitung bzgl. der Eindämmung des Klimawandels,

Artikel 15 Abs. 3 (im Gegensatz zum Kommissionsvorschlag).

. Zivilrechtliche Haftung: Der Pflichtenverstoß muss vorsätzlich oder fahrlässig gewesen sein und die betroffene Norm muss auf den Schutz von natürlichen oder juristischen Personen abzielen. Ein Unternehmen kann nicht haftbar gemacht werden, wenn der Schaden nur von seinem Geschäftspartner in seiner Aktivitätskette verursacht wurde. Überkompensierung (insbesondere Strafschadenersatz und Mehrfachentschädigung) ist ausgeschlossen. Eine strengere nationale oder europäische anderweitige Haftung bleibt möglich.

Position des EP

Das Plenum des Europäischen Parlaments (EP) hat am 01.06.2023 über die EU-Lieferkettenrichtlinie abgestimmt und damit seine Position für die anstehenden interinstitutionellen Verhandlungen festgelegt. 366 Abgeordnete befürworteten die Richtlinie, 225 Abgeordnete votierten dagegen und 38 Abgeordnete enthielten sich. Bereits am 25.04.2023 hatte der Rechtsausschuss des EP (JURI) über seinen Bericht abgestimmt. Alle im JURI-Bericht enthaltenen Änderungsanträge wurden angenommen.

Eckpunkte der EP-Position im Überblick:

. Insgesamt Verschärfung des Kommissionstextes.

. Erweiterter Anwendungsbereich: Tätigkeiten in der gesamten Wertschöpfungskette, die negative Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt haben, die sie verursacht haben, zu denen sie beigetragen haben oder mit denen sie in direktem Zusammenhang stehen; weite Definition der Wertschöpfungskette in Art. 3g) im Vergleich zu KOM und Rat.

. Reduzierte Schwellenwerte: Sämtliche Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten (statt 500 im KOM-Text) und einem

Umsatz von 40 Mio. EUR. (statt 150 Mio. EUR. im KOM-Text); keine speziellen Vorschriften für Risikosektoren.

. Gesellschaftsrecht, wie im KOM-Text: Sorgfaltspflichten der Mitglieder der Unternehmensleitung, die kurz-, mittelund langfristigen Folgen ihrer Entscheidungen für Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen, nebst Haftung für Verstöße gegen diese Pflichten (Art. 25 und 26).

. Neu: Art. 3a) führt eine Binnenmarktklausel ein, die die Mitgliedstaaten zur Koordinierung bei der Umsetzung der Richtlinie verpflichtet sowie vorschreibt, dass sechs Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie überprüft werden soll, ob sie in eine Verordnung umgewandelt werden sollte.

. Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2: Ausdehnung der Klimaschutzziele (1,5-Grad-Klimaziel, Klimaneutralitätsziel 2050, Klimaziele 2030); Einführung eines sog. Übergangsplans (Transitionplan) eines Unternehmens zur Einhaltung der Klimaschutzziele mit detaillierten und umfangreichen Anforderungen an dessen Inhalte.

. Art. 15 Abs. 3: Verschärfung der Verknüpfung der Verantwortung der Unternehmensleitung für die Einhaltung der Klimaschutzziele; Verpflichtung von Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern, dass ein Teil der variablen Vergütung der Unternehmensleitung an den Übergangsplan gebunden ist.

. Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung, Art. 22: Einbeziehung der Haftung eines Unternehmens für die von einem Tochterunternehmen verursachten Schäden; Einführung von Verjährungsfrist von mindestens 10 Jahren für Schadensersatzklagen; Verpflichtung, Verfahrenskosten gering zu halten, damit Kläger zu ihrem Recht kommen können; Einführung des Rechts von NGOs, vor Gericht Klage für Opfer zu erheben.

BDI-Einschätzung

Den beteiligten EU-Institutionen scheint bei der CSDDD das Augenmaß für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen in der Krise und mit Blick auf die strategisch notwendige Diversifizierung der Lieferketten zu fehlen. Mit dieser Lieferkettenrichtlinie riskiert die EU eine massive Beeinträchtigung der notwendigen Transformation seiner Industrien. Gefährdet sind Aufbau alternativer und resilienterer Wertschöpfungsketten und damit die Versorgungssicherheit von Wirtschaft und Gesellschaft. Statt den Zugang zu neuen Bezugsquellen zu erleichtern und in der Anzahl auszubauen, erschwert die Lieferkettenrichtlinie die wichtige Diversifizierung der Lieferketten auch in risikoreiche Länder deutlich. Das gemeinsame Ziel von Politik und Unternehmen, existierende Abhängigkeiten zu reduzieren, wird verfehlt. So wird Europa im geopolitischen Wettbewerb nicht mithalten. Die Achtung der Menschenrechte und der Schutz unserer Umwelt sind ein Anliegen, das Politik und Wirtschaft eint. Angesichts der Größe der Herausforderung ist es falsch, die Aufgabe des Schutzes von Menschenrechten und Umwelt in dieser Form allein auf die Unternehmen abzuwälzen. Die Unternehmen wollen Nachhaltigkeit in den Lieferketten und tun schon heute das ihnen Mögliche, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass Partnerländer Deutschlands die Regelungen als protektionistisch empfinden. Sinnvoller ist es, über entwicklungspolitische Maßnahmen Lieferanten aus Partnerländern zu befähigen. Keine der bisher abgestimmten Positionen erfüllt die Erwartungen und Forderungen der Wirtschaft. Ob die Position des Rates in Form der Allgemeinen Ausrichtung während der Trilog-Verhandlungen beibehalten oder geändert wird, scheint aktuell fraglich. Im Vergleich mit den Positionen von Kommission und Rechtsausschuss des EP ist sie in Verbindung mit der deutschen Protokollerklärung die Position, die für Unternehmen die praktikabelste Lösung darstellen könnte.

Die Kernforderungen der Wirtschaft werden nicht erfüllt:

1. Vollharmonisierung

Zwar ist positiv, dass der JURI-Text in Art. 3a eine eigene Binnenmarktklausel enthält sowie, dass sechs Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie überprüft werden soll, ob sie in eine Verordnung umgewandelt werden sollte. Allerdings ist ein „level playing field“ nur zu erreichen, wenn bei der mitgliedstaatlichen Umsetzung ein Maximalmaß an Harmonisierung vorgeschrieben wird. Die Unsicherheiten inklusive möglicher Verschlechterung eines erneuten Gesetzgebungsverfahrens, das notwendig wäre, um die Richtlinie in eine Verordnung umzuwandeln, sollten nicht verschoben werden. Vielmehr muss das jetzige Gesetzgebungsverfahren so ausgestaltet werden, dass am Ende eine in der Praxis direkt funktionsfähige und für Unternehmen handhabbare Regelung vorhanden ist.

Zwar enthält der JURI-Text eine überarbeitete, engere Definition der Wertschöpfungskette als noch frühere JURIEntwürfe. Die Definition ist aber immer noch zu weit und in dieser Weite für Unternehmen nicht handhabbar. Die Einhaltung von handhabbaren Sorgfaltspflichten muss sich auf die direkten Zulieferer beschränken. Nur hierauf haben Unternehmen Kontrolle und Einfluss: den eigenen Betrieb, die Tochtergesellschaften und die Lieferanten der ersten Ebene der vorgelagerten Lieferkette. Die Sorgfaltspflichten sollten sich auf die Teile der Lieferkette konzentrieren, die am meisten von negativen Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt bedroht sind - also auf vorgelagerte Tier-1-Lieferanten mit Sitz außerhalb von Mitgliedsstaaten der EU, der EFTA oder Ländern mit vergleichbaren Standards, also auf Länder, in dem seitens des betroffenen Staates ein hinreichender Schutz der Menschenrechte nicht sichergestellt ist. In der EU gibt es allerdings ein funktionierendes staatliches System zum Schutz der Menschenrechte (einschließlich effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten), so dass ergänzende zivilrechtliche Vereinbarungen nicht notwendig sind, um eine fehlende staatliche Garantie der Grundrechte/Menschenrechte zu substituieren.

3. Keine Verknüpfung von Klimaschutzzielen mit variabler Vergütung, Art. 15, 25, 26

Die gesonderten Vorgaben für Mitglieder der Unternehmensleitung stellen eine überflüssige Doppelung zu den geforderten Sorgfaltspflichten der Unternehmen dar und sind daher zu streichen. Es ist nicht notwendig, die Pflichten der Direktoren auf EU-Ebene zu regeln, da sie auf der Ebene der Mitgliedstaaten ausreichend geregelt sind. Eingriffe in nationale Corporate-Governance-Modelle und in die Geschäftsmodelle und Strategien von Unternehmen sind unverhältnismäßig.

4. Schwellenwert dauerhaft mindestens bei 1000 Mitarbeitern, Art. 2

Der JURI-Text sieht vor, dass die Richtlinie für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und 40 Mio. Jahresumsatz gelten soll, Art. 2. Zwar enthält Art. 30 Übergangsfristen für die Anwendung der Richtlinie, die nach Unternehmensgrößen gestaffelt sind. Dies ist aber nur eine zeitliche Verschiebung nach hinten. Die Überwachung diverser Sorgfaltspflichten ist aufwendig und personalintensiv; daher sind nur größere Unternehmen in der Lage, die Vorgaben der Richtlinie umzusetzen. Zudem schafft der Vorschlag keine gleichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen aus Drittländern. Der Schwellenwert des Anwendungsbereichs sollte daher dauerhaft bei mindestens 1.000 Mitarbeitern liegen.

5. Keine zusätzlichen Haftungsvorschriften, Art. 22 Eine zivilrechtliche Haftung muss sich im Kern nur auf die eigenen zurechenbaren Handlungen beschränken; so sehen es bereits die nationalen Rechtssysteme in der EU vor. Gerade in diesem Bereich sind im Hinblick auf die Rechtssicherheit klare Definitionen unverzichtbar für Unternehmen. Handlungen und Unterlassungen unabhängiger Dritter, wie direkter oder indirekter Geschäftspartner (z. B. Lieferanten), dürfen nicht zu einer zivilrechtlichen Haftung der Unternehmen führen. Unternehmen können nur für ihre eigenen Aktivitäten in der Lieferkette haftbar gemacht werden, nicht für die ihrer direkten oder indirekten Geschäftspartner. Daher sehen sowohl das deutsche Lieferkettengesetz als auch die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP) keine zivilrechtliche Haftung vor. Die Bestimmungen in Art. 22 würden zu unverhältnismäßigen und unbeeinflussbaren zivilrechtlichen Haftungsrisiken für Unternehmen führen. Wie die Kommission vor der Veröffentlichung ihres CSDDD-Vorschlags verkündete, sollte das Ziel jeder neuen Regelung die Befähigung und nicht der Rückzug sein: "Bleiben und verbessern, statt sich zurückzuziehen". Die zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen in Art. 22 sind mit diesem Ziel nicht vereinbar.

Ausblick

Die Trilog-Verhandlungen beginnen noch im Juni unter schwedischer Ratspräsidentschaft und werden ab 01.07.2023 unter spanischer Ratspräsidentschaft fortgesetzt werden. Bis spätestens Jahresende 2023 und vor der nächsten EP-Wahl (Mai 2024) soll der endgültige Text zwischen den drei EUInstitutionen vereinbart werden.

Der BDI wird sich auch mit Blick auf die Plenumsabstimmung sowie die anschließenden Trilog-Verhandlungen weiter für eine wirtschaftsfreundliche und für Unternehmen handhabbare EU-Lieferkettenrichtlinie einsetzen. .

Dr. Stefanie Espitalier s.espitalier@bdi.eu Verena Westphal v.westphal@bdi.eu

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