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Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie
Die Verbände plädieren für einen frühen Zeitpunkt, bis wann das Opt-In – die aktive Anmeldung von Verbrauchern zu Verbandsklagen – erfolgen muss.
Eigentlich müsste die EU-Verbandsklagerichtlinie schon seit Ende 2022 in nationales Recht umgesetzt sein; am 29. März 2023 wurde nun der Regierungsentwurf hierfür veröffentlicht. Dessen Inhalte standen im Mittelpunkt einer rechtspolitischen Diskussion am 18. April, die live übertragen wurde und hier abrufbar ist.
Die EU-Richtlinie von 2020, die unter anderem auch Möglichkeiten für zivilrechtliche Verbandsklagen auf Abhilfe ("Sammelklagen") beinhaltet, lässt den EU-Mitgliedsstaaten großen Spielraum bei der Umsetzung. Wie eine aus Sicht der deutschen Unternehmen ausgewogene Ausgestaltung der neuen Klagemöglichkeit unter angemessener Berücksichtigung der Interessen von Verbrauchern und Unternehmen aussehen könnte, hatte bereits 2021 ein vom BDI und 13 anderen Wirtschaftsverbänden in Auftrag gegebenes Umsetzungskonzept gezeigt.
Inwieweit der nun vorliegende Entwurf eines „Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetzes" (VRUG) diesen Vorstellungen entspricht, war Thema der Veranstaltung "EUVerbandsklagerichtlinie – Umsetzung in deutsches Recht: Was ist für ein faires Verfahren wichtig?".
Nach einer kurzen Vorstellung des Gesetzentwurfs und einer politischen Einordnung aus Sicht der Wirtschaft diskutierten die Berichterstatterinnen und Berichterstatter der Bundestagsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und CDU/CSU, worauf es aus ihrer Sicht bei einem Interessensausgleich ankommt.
Die Verbände plädieren für einen frühen Zeitpunkt, bis wann das Opt-In – die aktive Anmeldung von Verbrauchern zu Verbandsklagen – erfolgen muss. Für das bei der Verbandsklage auf Beklagtenseite stehende Unternehmen ist es von hoher Relevanz, die Tragweite des Verfahrens frühzeitig erkennen zu können und damit eine Entscheidungsgrundlage für eine vergleichsweise Lösung sowie Rückstellungsbildung zu haben. Eine Schadensschätzung ist ohne abschließende Kenntnis der angemeldeten Verbraucheransprüche kaum möglich. Aus Sicht der Verbände kommt ein Opt-In daher nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung in Betracht und nicht, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, nach Ablauf einer willkürlich gewählten Frist von zwei Monate nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung.
Die Absenkungen im Regierungsentwurf hinsichtlich der Klagebefugnis sowie bei der Streitwertdeckelhöhe – 420.000 Euro statt zuvor 500.000 Euro – und darüber hinaus die Frage nach der Zulässigkeit einer Prozessfinanzierung durch Dritte wurden ebenfalls kritisch diskutiert. Die Ermöglichung der Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG bei bereits grober Fahrlässigkeit war ebenfalls strittig, sie ist von der EU-Richtlinie nicht vorgesehen. Angesichts der bereits abgelaufenen Umsetzungsfrist der Richtlinie im Dez. 2022 und dem deshalb gegen Deutschland eingeleiteten EU-Vertragsverletzungsverfahren sollte das Gesetzgebungsverfahren nicht durch die Debatte zu weiteren, von der Richtlinie nicht vorgegebene Aspekten verzögert werden.
Aufgrund des Zeitdrucks für die Umsetzung wird das Gesetzesvorhaben im Bundestag auch als besonders eilbedürftig (Art. 76 Abs. 2 GG) behandelt. Deshalb fand noch vor der Behandlung des Entwurfs im Bundesrat am 10. Mai eine Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages statt. Hierzu war u. a. Prof. Dr. Bruns, der im Sommer 2021 das Umsetzungskonzept erarbeitet hatte, geladen. In der Anhörung waren vor allem der Zeitpunkt für das Opt-In sowie die Anforderungen an die Klagebefugnis Gegenstand. Bis wann das OptIn erfolgen soll, wurde verschiedentlich gesehen. Während z. B. Bruns sich für den Beginn der mündlichen Verhandlung aussprachen, vertraten andere Sachverständige, dass der Zeitpunkt weiter nach hinten verschoben werden soll, ggf. sogar bis nach Urteilsverkündung. Die im Regierungsentwurf vorgesehen Absenkung bei der Klagebefugnis – Angleichung an § 4 Abs. 2 UKlaG – sowie die Zulässigkeit der Drittfinanzierung von Verbandsklagen wurden ebenfalls unterschiedlich bewertet.
Am 12. Mai 2023 beschloss dann auch der Bundesrat im ersten Durchgang seine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Er spricht sich u. a. dafür aus, dass ein Opt-In bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich sein soll und bittet, eine Ausweitung der Verjährungshemmung auf Ansprüche nicht angemeldeter Verbraucher zu prüfen. .
Sebastian Freimuth s.freimuth@bdi.eu
Claudia Voss c.voss@bdi.eu