WINGbusiness Heft 01 2023

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Normenintegration als Voraussetzung einer effizienten Umsetzung des Green Deal

ISSN 0256-7830; 56. Jahrgang, Verlagspostamt A-8010 Graz; P.b.b. 02Z033720M 1/23 businessWING
20 Vom ESG-Reporting zu mehr Nachhaltigkeit in Bauprojekten 13 Green
– Nachhaltigkeitsberichterstattung
Interview mit Dipl.-Ing. Hubert Wetschnig, CEO der HABAU GROUP 10
Deal
im Bauwesen

Mit dem Wissen der Zukunft.

Wir beweisen Vielfalt. Und das in Österreich schon seit 120 Jahren.

Über 2.000 fleißige Hände und Denker sind tagtäglich für unsere innovativen und erfolgreichen Projekte engagiert bei der Sache. In einem Unternehmen mit Tradition, in dem Sie nicht nur das Heute, sondern auch das Morgen im Hochbau, Tiefbau und Betonbau mit(auf)bauen können. Willkommen bei uns!

Bauunternehmung GRANIT

Zentrale: 8020 Graz, Feldgasse 14

T 0316 / 27 11 11, zentrale@granit-bau.at

Green Deal – Nachhaltigkeitsberichterstattung im Bauwesen

Grundvoraussetzung für einen wirtschaftlichen Einsatz der Produktionsfaktoren sind). Besonders die Aspekte der Lebenszyklusorientierung erfahren in diesem Rahmen eine umfassendere Berücksichtigung. Diesbezüglich gilt es, Anreizsysteme (z.B. Vorteile in der Bewertung von Bauwerken, bessere Beurteilung der Vorgaben der EU-Taxonomie) hinsichtlich des lebenszyklusorientierten sowie ressourcenschonenden Planens, Bauens und Betreibens zu schaffen und diese zu forcieren.

Um hierbei eine seriöse und tiefgreifende Nachhaltigkeitsstrategie etablieren zu können, hebt Hubert Wetschnig, CEO der HABAU GROUP, im nachfolgenden Interview die Wichtigkeit einer einheitlichen, aussagekräftigen und leicht verständlichen Messmethode hervor, welche die Basis für einen Vergleich von Unternehmen innerhalb der Bauindustrie darstellt.

Liebe Leserin, lieber Leser, die Themen Green Deal und Nachhaltigkeitsberichterstattung bilden den zukunftsweisenden Rahmen für das vorliegende Heft. Das Planen, Bauen und Betreiben von Bauwerken ist unweigerlich und zunehmend mit Nachhaltigkeitsaspekten verknüpft und durch die Einhaltung von Klimazielen geprägt. Dabei muss Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die alleinige Betrachtung des ‚magischen‘ Dreiecks – aufgespannt zwischen den Parametern Zeit, Kosten und Qualität – nicht mehr ausreicht, um die Klimaziele einzuhalten sowie die dafür geschaffenen und damit auf uns zukommenden Forderungen aus der EU-Taxonomie, der CSRD (Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, Corporate Sustainability Reporting Directive) und der CSDDD („Europäisches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ – Corporate Sustainability Due Diligence Directive) zu erfüllen. Wir müssen uns weiterentwickeln –der zielführende Weg verläuft vom ‚magischen‘ Dreieck (bauprojektorientierte Betrachtung von Kosten, Zeit und Qualität) hin zum ‚systemischen‘ Sechseck (lebenszyklusorientierte Betrachtung von Kosten, Zeit, Qualität, Prozessen, Störungspotenzialen und Quantität). Dieser Fortschritt kann nur vor dem Hintergrund der Forcierung eines ressourcenschonenden Planens, Bauens, Betreibens, Nutzens, Nachnutzens, Rückbauens, Recycelns und Entsorgens gelingen.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei in der qualitätsvollen integralen sowie kooperativen Planung und Bauausführung: Alle, die in diesem Sinne denken, fühlen und handeln, werden davon merklich profitieren – so auch die Umwelt und damit einhergehend das Klima sowie in weiterer Folge die Allgemeinheit.

Um im Bauwesen Nachbesserungen aufgrund von Mängeln zu vermeiden, ist die Baubarkeitsoptimierung primär darauf ausgerichtet, die Erbringung der Bauleistungen zu erleichtern, die gewünschte Qualität zu gewährleisten, die Arbeitssicherheit und Produktivität zu verbessern, die Umweltbelastungen nachhaltig zu reduzieren sowie die Bauzeiten für alle Beteiligten zu optimieren (im Sinne der Vorgabe von normalen Bauzeiten, welche

Um eine rechtliche Umgebung zu schaffen, wurde unter anderem der europäische Rechtsrahmen in den letzten Jahren fortlaufend adaptiert und angepasst. Johannes Wall und Katharina Aspalter erläutern im zweiten Beitrag des Heftes die grundlegenden rechtlichen Rahmenwerke und zeigen deren Auswirkungen auf Bauprojekte sowie die Bedeutung der Einflussnahme in frühen Projektphasen auf.

Vertiefend dazu geben darauffolgend Sascha Wiehager und Elvira Bodenmüller von der BWI-Bau GmbH eine detaillierte Übersicht über die wesentlichsten Normen und beleuchten diese in Hinblick auf Bauunternehmen. Dabei betonen die Autor*innen, dass Prozesse und Normen stärker zusammenwachsen müssen, um die neuen Nachhaltigkeitsvorgaben mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand umsetzen zu können.

Im vierten Beitrag weisen Peter Krohn, Alexander Harnisch und Martin Stopfer auf die große Bedeutung des Lean Managements im Kontext der Nachhaltigkeit hin und unterstreichen die Vorteile anhand eines Praxisbeispiels, wobei hervorgehoben wird, dass die Ressourceneffizienz sowie die Kosten nicht nur in der Planung und Ausführung sondern über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu berücksichtigen sind.

Nachfolgend stellt Michael Dollmann die EU-Taxonomie in den Fokus der Betrachtung. Neben einer Erläuterung der wesentlichen Grundlagen und der Frage, wer ab wann berichtspflichtig ist, wird dabei auch der Einsatz von Key Performance Indikatoren (KPI) näher beleuchtet. Abschließend hebt Melanie Ulz die große Bedeutung des richtigen Umganges mit Daten zur Identifikation von Treibhausgasemissionen hervor. Im Rahmen von standardisierten Prozessen stellt unter anderem die Datenvisualisierung in Form von Berichten bzw. Dashboards eine effiziente Möglichkeit dar, THG-Emittenten in Bauprozessen aufzudecken, um in weiterer Folge eine Reduktion dieser zu veranlassen.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und verbleibe im Namen des gesamten Redaktionsteams mit freundlichen Grüßen

3 WINGbusiness 1/2023 EDITORIAL
Assoc.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Christian Hofstadler Vorstand des Instituts für Baubetrieb und Bauwirtschaft
4 WINGbusiness 1/2023
Green Deal – Nachhaltigkeitsberichterstattung im Bauwesen Christian Hofstadler Interview mit Dipl.-Ing. Hubert Wetschnig CEO der HABAU GROUP 10 Johannes Wall, Katharina Aspalter Vom ESG-Reporting zu mehr Nachhaltigkeit in Bauprojekten 13 Sascha Wiehager, Elvira Bodenmüller Normenintegration als Voraussetzung einer effizienten Umsetzung des Green Deal 20 Peter Krohn, Alexander Harnisch, Martin Stopfer Lean Management im Kontext der Nachhaltigkeit am Beispiel A2 Südautobahn Bauvorhaben Lärmschutzwand Biedermannsdorf/Laxenburg (BVH LSW A2) 27 Michael Vitus Dollmann Der Einfluss der EU-Taxonomie auf die Baubranche 31 Melanie Ulz Umgang mit Daten zur standardisierten Identifikation von Treibhausgasemissionen auf Baustellen 36
Top-Thema:
5 WINGbusiness 1/2023 Inhaltsverzeichnis EDITORIAL Green Deal – Nachhaltigkeitsberichterstattung im Bauwesen 3 Führung/Profession Klaus Fankhauser Mein Berufsweg als Wirtschaftsingenieur 6 Das Potential eines Wirtschaftsingenieurstudiums – ein persönlicher Rückblick Uninachrichten Christian Ramsauer Ein Netzwerk das verbindet 9 Alumni-Plattform des Institutes für Innovation und Industrie Management Marion C. Unegg Innovation Gala 2023 34 Johannes Dirnberger Supply-Management-Tagung unter dem Motto „Einkauf 2023: Balanceakt zwischen Preiskampf und Supply-Chain-Resilienz“ 41 WINGNET Felix Wiegele WINGnet Graz – Jahresrückblick Aller Anfang ist schwer, jedoch nicht unmöglich! 40 WING-INTERN WINGMentoring-Programm Durch Erfahrung zum Erfolg 43 IMPRESSUM Impressum 42

Mein Berufsweg als Wirtschaftsingenieur

Das Potential eines Wirtschaftsingenieurstudiums – ein persönlicher Rückblick

Einleitung

In einem langen Leben tauchen immer wieder Erinnerungen an markante Ereignisse auf, die Wendepunkte mit Neuausrichtungen waren. Soweit dies meine berufliche Entwicklung betraf, spielten dabei stets Elemente meines Studiums mit. Das technisch-wirtschaftlich-organisatorische Wissen und Können eröffnete ein weites Berufsfeld, das ich in meinem Beitrag zur Ermutigung kommender Studentengenerationen darlegen möchte. Aber auch ein zweites Anliegen bewegt mich, anlässlich der 75-Jahrfeier Wirtschaftsingenieur-Studium an der TU Graz diesen Artikel zu schreiben: Bei einer mir kürzlich gewährten Landesehrung betonte der Landeshauptmann, dass der Dank nicht nur für die beruflichen und ehrenamtlichen Leistungen gilt, die mit Energie und Leidenschaft erbracht wurden, sondern auch dem Umfeld und den Menschen, die den Weg unterstützt haben. Das Umfeld, dem ich besondere Förderung verdanke, ist die TU Graz mit ihrem Wirtschaftsingenieur (WING)-Studium!

Eine intensive Ausrichtung auf ein technisches Fachspektrum stellt die Grundlage dar, andererseits wird eine breite Schau über den Tellerrand geboten, mit dem Anreiz noch weitere Erkundigungen zu tätigen und sich fortzubilden.

Genauso sollte sich das Arbeitsleben jedes Einzelnen abspielen: Die Grundaufgabe des Arbeitsplatzes

muss bestmöglich erfüllt werden, keine/r werkt für sich allein. Die Verknüpfungen und Abhängigkeiten sind zu berücksichtigen, je genauer diese erkannt sind, desto besser gelingt das Gesamtwerk. Auch bei Aufstieg in höhere Führungspositionen soll nie der Bezug zu den fachlichen Grundpfeilern verloren gehen. Der Erfolg kann nur mit vollem permanentem Einsatz erreicht und gehalten werden.

Diese Aussage möchte ich mit einigen Stationen meiner Berufslaufbahn untermauern, den Bezug zum WINGStudium aufzeigen und bei allen derzeitigen und kommenden Studierenden Neugier und Freude wecken.

Dazu möchte ich auf fünf Stationen meines Berufsweges als Wirtschaftsingenieur näher eingehen:

1. Der Berufseinstieg über die technische Entwicklung im Puchwerk ab 1965:

Nach den Erkenntnissen des letzten Studienabschnittes und den Erfahrungen vieler Ferialjobs strebte ich eine berufliche Position im betriebswirtschaftlichen Bereich an. Ich bewarb mich bei den Puchwerken in Graz und wurde zum damaligen Betriebsdirektor geladen, dem ich meinen Wunsch vortrug. Seine Aussage war: “Bei uns fängt jeder Ingenieur in der technischen Entwicklung an“. Ich besann mich auf den Maschinenbauteil meines Studiums, stieg darauf ein und konnte die „Pinzgauer“-Geländefahrzeugentwicklung bis zur Erprobung der ersten drei Prototypen

beim Österr. Bundesheer in Allentsteig begleiten. Als Nebeneffekt ergab sich mein Aufstieg zum Oberleutnant dhmtD. Die praktisch-technische Basis meiner beruflichen Voraussetzungen war gelegt und eine wesentliche Hilfe und Unterstützung bei vielen der folgenden Aufgaben und Projekten.

Die betriebswirtschaftliche Seite ließ mir aber keine Ruhe. So initiierte ich Ansätze einer begleitenden Kostenkontrolle für das neue Fahrzeug und unterstützende Funktions- und Festigkeitsberechnungen, erstmals mit EDV-Unterstützung. Damit war der Start für die spätere Berechnungsabteilung und das Engineering bei Steyr-Daimler-Puch in Graz gelegt.

2. Die Aufnahme in Konzernzentralen und die Erlangung einer technisch-wirtschaftlichen Führungsposition ab 1968:

Aus familiären Gründen (heute mit meiner Frau: 7 Kinder, 7 Schwiegerkinder, 18 Enkelkinder) strebte ich eine Anstellung in Wien an. Die österreichische Industrie errichtete Zentralen in Wien, um vor allem bei Finanzen und Märkten international stärker präsent sein zu können. Vorerst startete ich bei der Simmering-Graz-Pauker AG. (SGP) in der Organisationszentrale, wo der Produktionsanlauf der neu entwickelten „Rollenden Landstraße“ (Transport von LKW-Zügen mit der Bahn) im Fertigungsverbund dreier Betriebe in Wien und Graz abzuwickeln war.

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Fotocollage: Dr. Klaus Fankhauser

Das entscheidende Know-How lag in dem Patent und der Fertigung von klein dimensionierten Rädern für Niederflurwaggons, auf welche die LKWs auffuhren.

Gerade als die ersten 12 Waggons vom Stapel liefen, erreichte mich eine Anfrage der Steyr-Daimler-Puch AG (SDP), die ihre Zentrale in Wien erneuerte und erweiterte. Der Konzern im Eigentum der Creditanstalt-Bankverein (CA) wurde neugeordnet.

Das für Österreich sehr große Unternehmen (ca. 20.000 Mitarbeiter/ innen (MA)) hatte viele Produktlinien, fast jede war für sich aber so klein, dass sie international, schon bei der EFTA-Erweiterung, keine Überlebenschance hatte. Neue Produkte, Kooperationspartner für die bestehenden und neue Märkte wurden gesucht. Zur Bewältigung dieser Aufgaben nahm die Konzernleitung eine Konzentrierung übergreifender Aufgabenstellungen vor. Darunter fielen eine Projektabteilung für die Errichtung ausländischer Stützpunkte und Kooperationen (Polen, Griechenland, Nigeria, Indien, Spanien), eine zentrale Investitionsplanung und -kontrolle, die zentrale Einführung von Wertanalyse und betrieblichem Vorschlagswesen, Patent- und Markenwesen und eine zentral gesteuerte Entwicklungsplanung. Ich konnte mich in mehrere Gebiete einarbeiten, in der WKO wurde ich als Leiter des österreichischen Arbeitskreises für Wertanalyse eingesetzt. Schließlich wurde ich mit der Leitung der zentralen Investitionsplanung und -kontrolle der SDP betraut, das jährliche Investitionsvolumen betrug mehrere hundert Millionen Schilling. Ausschlaggebend war dafür sicher meine auf die Wurzeln des Studiums zurückgehende Fähigkeit, auf Basis von Investitionsrechnung und technischem Wissen Investitionsentscheidungen gezielt und wirtschaftlich zu treffen.

3. Leitung eines Produktionsbetriebes mit ca. 6000 Mitarbeitern/ innen: Operative Herausforderung mit großer Personalverantwortung in vielschichtigem Umfeld 1982 bis 1992

Nach einem Verkaufseinbruch der Fahrrad- und Moped-Sparte in Graz

mit großen Verlusten für den Konzern, wurden die Führungsmannschaft ausgetauscht und neue Zielsetzungen vorgegeben. Im Zusammenhang mit einer Allradfertigung für VW (Transporter Syncro) war die Zweiradfertigung zu ersetzen und eine reine Automobilfertigung und -entwicklung am Standort Graz der neu gegründeten Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik GmbH (SFT) einzurichten. Zusätzlich sollten die Produktionskapazitäten auch für Zulieferungen an Automobilhersteller genutzt werden.

Auf Grund meiner bisherigen Tätigkeiten im Konzern, entschieden Aufsichtsrat und Vorstand der SDP AG mich als Betriebsdirektor der SFT in Graz einzusetzen. Nun kamen für mich wesentlich neue Managementaufgaben hinzu, vor allem die Führungsverantwortung für bis zu 6000 MA. Gewerbe- und personalrechtliche Fragen waren zu bewältigen, z.B. eine faktische und rechtliche Bereinigung von Grundwasserverschmutzungen aus dem 2. Weltkrieg. Der Bezug zu Organisation und Recht war eine Herausforderung, allerdings nichts Abschreckendes, sind die Grundlagen dazu ja schon beim Studium gelegt worden. Als gewerberechtlicher Geschäftsführer wurde ich zum Obmann der steirischen Fahrzeugindustrie in der WKO gewählt.

Der Erfolg stellte sich u.a. bei der Zusammenarbeit mit Firmen wie Daimler Benz, VW, Chrysler und Magna heraus. Der Betrieb wurde angehalten selbst Marketing zu betreiben und sein Know-How in neue Produkte umzusetzen. Ausgangspunkt war die Allradexpertise. Beliefert wurden u.a. Fiat (Panda 4x4), VW (Syncro-Modelle), Honda, Opel, Chrysler (Minivan 4x4). So entstand eine selbständige Komponentenfertigung als Zulieferer für andere Fahrzeugwerke. Sie wurde später in SteyrPowertrain übergeführt. Die SFT war nun das Herzstück des steirischen Autoclusters.

Am Fahrzeugsektor setzten wir die Produktionen des Pinzgauers und des G-Modells mit Mercedes fort.

Mit Chrysler konnte ein neues Werk (Eurostar) für die Diesel- Minivanfertigung (Voyager) errichtet werden, in dem später auch der Anlauf des BMW X3 erfolgte.

Die Führungsmannschaft hatte das Ziel für die Umstellung der früheren „Puchwerke“ erreicht. Die SFT war zu einem anerkannten Partner in der Automobilbranche geworden, wesentlich mitgetragen von dem großartig gewachsenen Engineering.

Kein Wunder, dass die Fa. Magna kurz darauf bei ihren Expansionsplänen SFT und ganz Steyr im Visier hatte und bei Bekanntwerden der Verkaufsabsichten der Eigentümerbank als Käuferin einstieg.

4. KAGes Vorstand: Bewältigung einer Umbruchsituation eines öffentlichen Unternehmens des Gesundheitswesens mit Überleitung in eine privatwirtschaftliche Gesellschaftsstruktur 1992 bis 2003

Die ursprünglich 23 steiermärkischen Krankenanstalten inkl. der Universitätsklinik sind 1984 privatisiert worden (KAGes). Führungsprobleme führten 1992 zu einer Neuausschreibung eines der beiden Vorstandspositionen. Zielvorgabe für die neue Leitung war vor allem eine bestmögliche Versorgung der Patienten/innen zu ermöglichen und dabei dennoch die explodierenden Ko -

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sten einzudämmen. Dieser klassisch wertanalytische Ansatz war für mich so verlockend, dass ich eine Bewerbung abgab. Tatsächlich wurde ich von der Landesregierung nach einem Hearing auf den ausgeschriebenen Posten bestellt und damit Vorstand für die Fachgebiete Medizin und Personal (rd. 16000 MA). Diese Bereiche waren die Entscheidenden, um über die Leistungsplanung, -steuerung und -erbringung den erwünschten Auftrag zu erfüllen. Eine besonders vordringliche Aufgabe war, die bettenorientierte, nach Liegedauer im Spital berechnete Finanzierung auf die Abrechnung nach den für die Patienten/innen erbrachten Leistungen umzustellen. Das Ergebnis zeigte sich in der Reduktion der Akutbetten (in den steirischen Spitälern um 1/3) mit Erhöhung der Kapazitäten der Pflege-, Reha- und Remobilisierungseinrichtungen. Damit konnten wir höherwertige medizinische Leistungen konzentrieren und mit neuen Ressourcen ausstatten. Die Patienten/innen kommen jetzt wesentlich schneller in den aktiven Gesundungsprozess und können ihr selbständiges Leben wieder aufnehmen.

Gesetzliche Regelungen wurden angestoßen und abgeschlossen z. B. die leistungsorientierte Finanzierung, das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, die Neuordnung der Krankenanstalten-Standorte und deren Leistungsangebote. Äußerst unterschiedliche Arbeitszeitregelungen in den Krankenanstalten führten zu Unzufriedenheit und oft auch zur Überlastung vieler Berufsgruppen. Ich war sogar in einen Prozess vor dem EuGH verwickelt, wo ich eine Strafe nur abwenden konnte, weil bewiesen wurde, dass dem Patientenwohl Vorrang vor dem Dienstnehmerschutz gegeben wurde. Jedenfalls zeigte sich die Dringlichkeit für ein neues Gesetz, das bald darauf in Form des österreich-einheitlichen KrankenanstaltenArbeitszeitgesetzes in Kraft trat.

Das steirische Zentralkrankenhaus, das LKH-Universitätsklinikum Graz, war in die Jahre gekommen und bedurfte dringend einer baulichen, einrichtungsmäßigen und organisatorischen Erneuerung. Die Umorganisation der Kliniken und die damit verbundene neue organisatorische und räumliche Struktur der medizinischen

Universität Graz (LKH 2000) wurde in einem Vertrag zwischen Bund (Wissenschaftsministerium), Land Steiermark (Gesundheitsressort) und KAGes (Vorstand) ausverhandelt. In vielen Detailschritten begann dann die Umsetzung entsprechend den Grundzügen des Hauptvertrages. Da dies längere Zeit in Anspruch nahm, waren Vertragsanpassungen und -ergänzungen erforderlich, im Wesentlichen konnte der Kosten-Terminplan für die Umsetzung aber eingehalten werden.

In mein Ressort fielen die Auswahl und Bestellung der Führungskräfte. Mit einem transparenten, auf festen Vorgehensweisen beruhenden, objektiven Auswahlverfahren konnte ich die Besetzungen praktisch ohne Einsprüche oder Beschwerden, auch ohne Interventionen von Politikern abwickeln.

Besondere Empathie empfand ich für die Health-Technology-Assessments, deren Stärkung ich sehr förderte. Nur durch Abwägung des Aufwandes neuer Behandlungsmöglichkeiten zu deren Nutzen für die Patienten/innen, kann eine sinnvolle Weiterentwicklung des Gesundheitswesens gewährleistet werden.

5. Ehrenamt Pius-Institut Bruck a.d. Mur: Überleitung der klösterlichen Führung einer Behinderteneinrichtung in einen Betrieb mit weltlicher Organisationsstruktur 2004 bis 2010

Für die Führung der traditionellen Behinderteneinrichtung der Kreuzschwestern in Bruck a.d. Mur (120 Menschen mit Handicap, 120 Bedienstete) stand 2004 keine Kandidatin aus dem Orden mehr zur Verfügung. Schon in Pension, bot ich an, vorübergehend die Leitung zu übernehmen und den Einstieg eines weltlichen hauptamtlichen Geschäftsführers/ in vorzubereiten. Vorerst galt es, die öffentliche Finanzierung im Rahmen einer neuen Gesetzgebung nach Leistungsbedarf der Klienten/innen mit Handicap abzusichern. Parallel konnte ich die zentral auf das Ordensmitglied zugeschnittene Organisation in eine nach Aufgaben und Betreuungsarten dezentrale Form umstellen. Das Kirchenrecht blieb Grundlage dieses Instituts. Ein Statut habe ich auf die-

ser Basis ausgearbeitet und mit der Ordensleitung in Kraft gesetzt. Mit den staatlich zur Verfügung gestellten Behindertenförderungen konnte bei angepassten, aber ausreichenden Leistungsangeboten eine langfristige Absicherung des Pius-Instituts gewährleistet werden. Die bestehende Sonderschule bestärkte ich auf ihrem Weg von Integration zu Inklusion und gründete neue Gruppen zur Beschäftigung von Menschen mit Handicap. Hervorzuheben ist „Mundwerk“, eine Musikband, die auch öffentlich auftritt. Mitglied ist u.a. ein Blinder, der selbständig aus Graz zum Arbeitsplatz nach Bruck kommt. „Mundwerk“ spielt auch auf dem in Bruck beliebt gewordenen Pius-Ball. Zusätzlich rief ich eine neue Einrichtung für Schwerstbehinderte ins Leben. Schließlich konnte ich die Leitung des Pius-Instituts einem externen weltlichen Mitarbeiter übergeben.

Resümee

Ich habe versucht, mein Berufsleben möglichst spannend und abwechslungsreich darzulegen und bei Wirtschaftsingenieurinteressenten/innen Neugierde für diese Laufbahn zu wecken. Natürlich gab es bei mir viele Höhen und Tiefen, die nur zwischen den Zeilen zu erahnen sind. Der größte Einschnitt in meiner Berufslaufbahn ereignete sich in meinem 41. Lebensjahr. Ich war gut etablierter Oberingenieur/ Hbv. in der SDP AG Konzernzentrale, Kärntnerstraße in Wien (die übrigens kurz danach abbrannte), weltweit viel unterwegs und gerade mit meinem Lieblingsprojekt, dem BMW-Steyr Motorenwerk, befasst. Nach Produktionsanlauf waren noch Engineering-Details zu klären. Mein Chef, der damalige Generaldirektor, rief mich in Steyr an und teilte mir aus heiterem Himmel mit: „Sie sind ab sofort Betriebsdirektor der Grazer Werke.“ Ich wusste natürlich, dass dieser Betrieb, die „Puchwerke“ auf einem Tiefststand war, von Schließung gemunkelt wurde und die Führungsmannschaft ausgetauscht werden musste. Ich war inzwischen in Wien integriert, mit meiner Frau, drei Kindern, das vierte war unterwegs (war dann überraschend 4 + 5). Ich konnte kurzfristig nicht aussteigen

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und das Angebot ablehnen, das quasi ein Auftrag war. Zwei Jahre pendelte ich zwischen Wien und Graz, bis wir, das neue Grazer Team, ein neu gegründetes Unternehmen konsolidiert hatten und Innovationen zum Anlauf brachten, die eine zukunftsträchtige Entwicklung und Ausweitung ermöglichten, die bis heute mit Magna anhält. Meine Familie kam nach Graz und lebte sich an dem neuen Wohnort bestens ein. Die Erwähnung der Hilfe der Familie ist mir ein Herzensanliegen!

Damit möchte ich allen WINGAbsolventen/innen aufzeigen, dass auch bei schwierigen Bedingungen mit der „Mitgift“ des Studiums die nötige Kraft und der Mut aufgebracht werden können, (mit ein bisschen Glück dazu), sich den unvermeidlichen Widrigkeiten des Berufslebens zu stellen und diese mit positivem Ergebnis zu überwinden.

Ich danke allen, die mir den Weg bereitet und mich begleitet haben, und wünsche dem Studienzweig Wirtschaftsingenieurwesen, in welcher Ausrichtung auch immer, für die Zukunft viel Erfolg und gute Weiterentwicklung!

Autor

Dipl.Ing. Dr. Klaus Fankhauser Studium Wirtschaftsingenieur-Maschinenbau an der TU Graz (19591965); ab 1965 Entwicklungsingenieur bei Steyr-Daimler-Puch (SDP) in Graz; 1968 Simmering-Graz-Pauker Wien und anschließend Steyr-Daimler-Puch Konzernzentrale Wien, ab 1974 Leiter

SDP-Konzern-Investitionsplanung; 1978 Dissertation „Wertanalyse in der Investitionsplanung“ an der TU Graz; 1982 bis 1992 Betriebsdirektor SDP Fahrzeugtechnik in Graz; 1992 bis 2003 Vorstand Medizin und Personal in der Stmk. Krankenanstalten GesmbH (KAGes); Pensionierung und ehrenamtliche Übernahme der Führung des Pius-Instituts/Kreuzschwestern Bruck a.d.Mur (2004-2010).

UNINACHRICHTEN

Ein Netzwerk das verbindet

Alumni-Plattform des Institutes für Innovation und Industrie Management

In der über 50-jährigen Geschichte des Institutes für Innovation und Industrie Management (vormals Institut für Industriebetriebslehre) verfassten mehr als 580 Diplomanden bzw. Masteranden sowie über 80 Doktoranden ihre Abschluss- bzw. Doktorarbeit an unserem Institut. Während dieser Zeit haben viele Studierende enge Freundschaften geschlossen. Insbesondere durch individuelle berufliche Werdegänge, wird die Aufrechterhaltung dieser Kontakte zumeist erschwert.

Die stetig wachsende Anzahl an Alumnis und die daraus resultierenden persönlichen Kontakte und Freundschaften bieten eine großartige Chance sich auch nach dem Studium fachlich auszutauschen und sich wieder physisch an der TU Graz zu treffen.

Aus diesem Grund wurde 2021 gemäß dem Motto „Ein Netzwerk das verbindet“ eine institutseigene AlumniPlattform gestartet, welche die nachhaltige Vernetzung aller Absolventen sicherstellt. Wir planen für unsere Alumnis regelmäßige Treffen an der TU Graz. Die Plattform steht exklusiv Absolventen des Institutes zur Verfügung, welche ihr Diplombzw. Masterstudium oder ihr Doktorat am Institut abgeschlossen haben.

Frau Daniela Neukam (Tel.: +43 316 873 9531

E-Mail: daniela.neukam@tugraz.at) betreut das Alumni-Netzwerk und steht bzgl. der Anmeldung zur Alumni-Plattform oder bei etwaigen Fragen jederzeit zur Verfügung.

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Dipl.-Ing. Dr. Klaus Foto: Prof. Ramsauer und Prof. Wohinz; © Oliver Wolf / TU Graz

Interview mit Dipl.-Ing.

Wirtschaftsingenieur

Nach Stationen bei Stuag, STRABAG und PORR ist Hubert Wetschnig seit 2017 CEO der HABAU GROUP. Der TU-Graz-Absolvent verantwortet nicht nur das Geschick der aus 15 Bauunternehmen bestehenden Gruppe, sondern treibt auch mit großem Erfolg interne Change-Prozesse und den Bereich der Digitalisierung voran.

Das Interview führte Prof. Christian Hofstadler

13 nachhaltige Fragen an einen CEO

1. Wofür steht Ihre Unternehmensgruppe HABAU GORUP?

Die HABAU GROUP befindet sich seit mittlerweile 110 Jahren in Familienbesitz. Nachhaltiges Wachstum und eine partnerschaftliche Projektabwicklung bilden das Rückgrat unseres Erfolges. Wie für einen Baukonzern üblich bilden wir alle Bereiche einer stabilen und modernen Bauindustrie gemeinsam mit unseren Konzernunternehmen ab. Aufgrund unserer langfristig angelegten Expansionsstrategie ist es uns gelungen, mittlerweile 15 Traditionsunternehmen innerhalb unserer „construction family“ nachhaltig im Konzern zu vereinen, um gemeinsam anspruchsvolle Aufträge mit höchsten Qualitätsansprüchen im In- und Ausland zu akquirieren und erfolgreich umsetzen zu können. Den höchsten Stellenwert nehmen aber unsere mittlerweile über 6.500 Mitarbeiter*innen ein, denen wir die besten Voraussetzungen für das Gelingen ihrer persönlichen Leistungsbereitschaft zur Verfügung stellen

wollen. Denn eines ist klar: Nachhaltiger Wohlstand gelingt nur mit ehrlicher Leistung im fairen Wettbewerb. Wenn eins und eins etwas anderes als zwei ergibt, dann stimmt etwas nicht.

2. Welche drei generellen Themen sehen Sie für die nächsten 10 Jahre als die wichtigsten an?

Wir wissen heute, dass insbesondere das Jahr 2030 ein wichtiger Meilenstein nicht nur in der Geschichte der HABAU GROUP, sondern auch für die gesamte Bauindustrie sein wird, denn es gilt: 55 % weniger CO2 entlang der gesamten österreichischen Wertschöpfungskette im Vergleich zu 1990 zu emittieren.

Ökologie, Soziales und Ökonomie bilden dabei die drei Säulen der Nachhaltigkeit. Um dauerhaft nachhaltig agieren zu können, müssen alle drei Säulen im Einklang miteinander stehen. Aufgrund dessen ist es nicht mehr möglich allein den ökonomischen Aspekt isoliert zu betrachten.

Aus dieser Überlegung heraus ergeben sich für die HABAU GROUP folgende Themen- und Handlungsfelder:

1. DIGITALISIERUNG – darunter fallen alle Maßnahmen zu Effizienzsteigerung im gesamten Prozessgeschehen der HABAU GROUP

2. FORSCHUNG – Entwicklung zukunftsweisender Technologien zur Steigerung der Ressourceneffizienz

3. NACHHALTIGES BAUEN – eine Strategie zur Erreichung nachhaltiger Baustellen

4. MOBILITÄT

5. ERNEUERBARE ENERGIEN

3. Welche Chancen und Risiken hinsichtlich der Nachhaltigkeit sehen Sie für Ihr Unternehmen?

Die HABAU GROUP ist seit ihren Anfängen an ihren Herausforderungen gewachsen. Daher blicken wir selbstbewusst in die Zukunft und sehen die aktuellen, disruptiven Entwicklungen unserer Zeit – insbesondere den Klimaschutz – grundsätzlich als Chance.

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Foto: © Joel Kernasenko HABAU GROUP
Hubert Wetschnig
CEO der HABAU GROUP

Wir müssen jedoch prüfen, welches Risiko sich hinter jeder Chance verbirgt. Klar ist aber immer, dass ein Baukonzern mit der Verantwortung für rund 6.500 Mitarbeiter*innen nicht so agil wie ein Startup-Unternehmen bewegt werden kann und daher viele Möglichkeiten von langer Hand überprüft und geplant werden müssen, um eine ausreichende Stabilität und Qualität sicherstellen zu können.

Das Thema Nachhaltigkeit – darunter verstehen wir eigentlich das „Nachhaltige Bauen“ – gewinnt immer mehr an Bedeutung, wobei anzumerken ist, dass die gesamte Branche diesbezüglich nach wie vor am Anfang steht. Um nachhaltig agieren zu können, müssen umweltfreundliche und ressourcenschonende Standards erst entwickelt werden.

Ein nachhaltiger Ansatz kann dazu beitragen, die Attraktivität für potenzielle Kunden zu erhöhen. Neben den ökologischen Vorteilen können auch die Kosten gesenkt werden, indem beispielsweise Ressourcen geschont und die Energieeffizienz erhöht wird.

4. Wie identifizieren Sie die relevanten Nachhaltigkeitsthemen für Ihr Unternehmen? (z.B. mit einer Wesentlichkeitsmatrix, Umweltzuständen, Stakeholder-Befragungen)

Im Rahmen einer Stakeholder-Analyse haben wir alle jene, die an der Wertschöpfung der HABAU GROUP beteiligt sind (Mitarbeiter/innen, Eigentümer, Lieferanten sowie Kunden und Investoren) befragt, um ein Bild darüber zu bekommen, was von uns im Bereich ESG (Environmental, Social, Governance) erwartet wird. Die Themenchampions in den einzelnen Bereichen sind folgende:

„ Nachhaltiges Bauen sowie Ressourcen- und Abfallmanagement im Bereich Environmental (kurz: E)

„ Arbeitssicherheit- und Gesundheitsschutz im Bereich Soziales (kurz: S)

„ Fairness im Bereich der Governance (kurz: G)

Auf Basis der Stakeholder-Analyse konnten anschließend die wesent-

lichen Indikatoren identifiziert sowie der Datenerhebungsprozess entwickelt und organisiert werden.

5. Welche nachhaltigkeitsbezogenen Themen sehen Sie als die zentralsten für ihr Unternehmen an? Wo sehen Sie die größten Nachhaltigkeitspotentiale (umweltbezogen, wirtschaftlich, sozial) Ihrer Branche?

Auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit konnten wir insgesamt 12 Handlungsfelder ableiten. Folgende Themen, die den unterschiedlichen Bereichen zuzuordnen sind, haben das größte Potential:

„ Umweltbezogene Handlungsfelder Nachhaltige Gebäude und Infrastrukturen, Verwendung von ökologisch wertvollen Baumaterialien, Energieeffizienzsteigerung und Verwendung von erneuerbaren Energien, Einsparung von Materialressourcen sowie Kreislaufwirtschaft im Abfallmanagement, aber auch eine durchgängige Mobilitätsstrategie für alle Fahrzeuge, Maschinen und Geräte.

„ Sozialer Bereich

Hier spielen insbesondere die Arbeitssicherheit, Chancengleichheit, die Aus- und Weiterbildung sowie die Arbeitgeberattraktivität eine entscheidende Rolle.

„ Governance

Im Bereich Governance wurden vor allem die Themen Compliance sowie Forschung und Technologieentwicklung identifiziert.

6. Welche Strukturen besitzt Ihr Unternehmen derzeit im Nachhaltigkeitsmanagement und welche planen Sie zukünftig aufzubauen?

Wir bei der HABAU GROUP denken das Thema Nachhaltigkeit zu Beginn als offenes System, um laufend auf Impulse unterschiedlicher interner und externer Stakeholder reagieren und sie anschließend für unseren Konzern umsetzen zu können. Zentrale Stelle bilden bei uns sogenannte Themen-Champions, welche als Manager, Unterstützer und Partner in den jeweiligen Bereichen der Bauindustrie fungieren. Hier sind wir intern also gut aufgestellt, wenn es

darum geht, auf nachhaltigkeitsbezogene Themen zu reagieren.

In Zukunft ist es denkbar, dass anstelle des offenen Systems eine zentrale Stabstelle für Nachhaltigkeit mit Reporting-Verantwortung integriert wird.

7. Spielen ESG-Kriterien in Ihren Finanzentscheidungen eine Rolle? Wenn ja, welche? (beispielsweise bei der Akquise von Projekten oder in der variablen Vergütung von Mitarbeitenden)

Bei den meisten unserer Projekte können wir als Bauunternehmen nicht frei entscheiden, was und wie gebaut wird. Das wird vom Auftraggeber festgelegt. Wir als HABAU GROUP versuchen jedoch unser Nachhaltigkeits-Know-how stets bei Bauherren einzubringen, um möglichst früh in der Planungsphase einen Einfluss darauf zu haben, wie nachhaltig geplant und in weiterer Folge gebaut (Strategie: Nachhaltiges Bauen) wird.

Ansonsten haben ESG-Kriterien eine wesentliche Rolle bei all unseren Entscheidungen, da diese Themen stark in unserem Leitbild und unserer Strategie verankert sind. Beispielsweise ist Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung sowie Nutzung von erneuerbaren Energieträgern auch bei unseren eigenen Gebäuden ein wichtiges Kriterium. Ebenso achten wir bei der Auswahl von Lieferanten auf soziale Aspekte entlang der gesamten Lieferkette und evaluieren laufend, wie die Bedingungen für Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen noch weiter verbessert werden können.

Und im Bereich Governance kräftigen wir unsere Position eines fairen Geschäftspartners beispielsweise durch Zertifizierungen nach ISO 37001 und ISO 37301.

8. Wie lassen sich Ihrer Meinung nach wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele miteinander vereinbaren?

Eine mögliche Strategie die drei Ziele der Nachhaltigkeit (ESG) zu errei-

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chen, wäre beispielsweise mithilfe einer integralen Planung, die alle Aspekte der Nachhaltigkeit von Beginn der Planung an berücksichtigt. Dadurch können alle Dimensionen des Planungsprozesses von Anfang an miteinander abgestimmt und in Einklang gebracht werden. Dabei ist wichtig zu beachten, dass die Vereinbarung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ziele ein kontinuierlicher Prozess ist, der über die gesamte Dauer eines Projekts hinweg fortgesetzt werden muss und nicht bei Übergabe des Gebäudes oder des Bauwerkes an den Betreiber endet.

9. Die EU will bis 2050 klimaneutral sein und dafür in bereits sieben Jahren, also bis 2030, ihre THGEmissionen um 55 % (im Vergleich zu 1990) gesenkt haben. Wie sieht Ihr persönlicher Unternehmensweg zur Klimaneutralität aus? (Meilensteine etc.) Ist dieser realisierbar?

Das Ziel der 55 %-Reduktion stellt ja grundsätzlich eine Bedingung dar, mit der das übergeordnete 1,5°-Ziel erreicht werden kann. Daher setzen wir uns in der HABAU GROUP natürlich mit Thema Klimaneutralität intensiv auseinander und haben auch einen 7 Punkte-Plan ausgearbeitet, der die Basis einer möglichen „Transition 2 Zero Strategy“ der HABAU GROUP ist.

Im Wesentlichen beinhaltet der 7 Punkte-Plan die Entwicklung einer Carbon Accounting, sowie Digitalisierungs- und Technologie-Strategie in enger Abstimmung mit den aktuell gültigen Verordnungen der EU-Taxonomie.

Die Realisierbarkeit des 7 PunktePlans hängt auch davon ab, wie sehr sich die Rahmenbedingungen bis 2030 gestalten. Zum Gelingen tragen hier sowohl einheitliche politische Strategien auf allen Ebenen als auch stabile wirtschaftliche und soziale Verhältnisse bei.

10. Welche Rolle spielen Mitarbeitende in Ihren Nachhaltigkeitsprozessen? Wie werden diese eingebunden?

Als Baukonzern nehmen wir uns selbst in die Pflicht – für unsere Lebensgrundlagen sowie für unsere Mitarbeiter*innen. Wir verfolgen die Strategie, durch Innovationen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit miteinander zu verbinden. So sichern wir Jobs für unsere construction family und nehmen unsere Verantwortung wahr – in ökologischer, ökonomischer sowie sozialer Hinsicht.

Viele Mitarbeiter*innen der HABAU GROUP sehen sich bereits heute sozusagen als Botschafter*innen für eine lebenswerte Zukunft und bringen sich auch aktiv mit ihren Ideen und Tätigkeiten den Klimaschutz betreffend ein. Dadurch nimmt unsere Strategie „Transition 2 Zero“ für Nachhaltiges Bauen erst Gestalt an und verleiht dieser zudem einen persönlichen Charakter.

Die zahlreichen Ideen werden in der eigenen Forschungs- & Entwicklungsabteilung der HABAU GROUP gesammelt und analysiert. Nicht selten entsteht dabei auch das ein oder andere Patent.

11. Wo sehen Sie bei den derzeitigen Nachhaltigkeitsvorschriften den größten Handlungsbedarf? Wo wünschen Sie sich mehr Klarheit bzw. mehr Informationen?

Die EU-Taxonomie ist ein gutes Instrument des europäischen GreenDeals, um Investitionen hin zu ökologisch nachhaltigen Tätigkeiten zu lenken. Die Verordnung soll Anreize schaffen, Kapitalflüsse in der EU nachhaltiger zu gestalten. Die Verordnung bildet dabei die Grundlage aller Gesetze, welche bereits ab 2025 für österreichische Baukonzerne gelten werden. Darunter fällt u.a. auch die Bilanzierung aller CO2 Emissionen, welche durch die eigene Geschäftstätigkeit verursacht werden. Dies mit dem Ziel, die Transparenz voranzutreiben, in der Absicht Unternehmen mit einer grünen Performance zu stärken. Vor diesem Hintergrund stellt die Etablierung einer seriösen und tiefgreifenden Nachhaltigkeitsstrategie eine besondere Herausforderung dar.

Hier würden wir uns eine einheitlich, aussagekräftige leicht verständliche Messmethode wünschen, welche die Unternehmen der Bauindustrie untereinander vergleichbar macht. Der Nachhaltigkeitsbericht ist unserer Meinung nach, nur bedingt geeignet.

12. Wie stellen Sie sich eine nachhaltige Zukunft 2050 vor und welche Rolle spielt dabei Ihr Unternehmen?

2050 bzw. eigentlich schon 2040 bedeutet für Österreich, dass wir keine klimaschädlichen Emissionen mehr produzieren, welche das 1,5°C-Ziel gefährden. Ob uns dies tatsächlich gelingen wird, können wir heute nicht seriös beantworten, da dies nicht einzig und allein von uns abhängt. Grundsätzlich aber gilt, dass wir Teil der Lösung sein wollen.

Eines aber kann heute schon gesagt werden – und das gilt heute wie morgen gleichermaßen: Wir sind daran gewöhnt auf neue Herausforderungen zu reagieren und dies mit einem gewissen Anspruch!

Klimaaktivist*innen wird es vielleicht auch nach 2050 noch geben, denn dann müssen wir uns den nächsten Aufgaben bis vielleicht 2100 stellen, nämlich der Reduktion von CO2 aus der Atmosphäre, welche ja bekanntlich ca. 13-fach mit Emissionen übersättigt zu sein scheint.

13. Wo sehen Sie die HABAU GROUP in 10 Jahren?

Die HABAU GROUP wird auch in zehn Jahren ein Traditionsunternehmen sein, deren Leistungen im Inund Ausland aufgrund ihrer hohen Qualität stark nachgefragt werden.

Best- und Billigstbieterprinzipien werden um hoch gewichtete Klimakriterien ergänzt. Die Kompetenz der Konzernunternehmen liegt nach wie vor im Bauwesen, jedoch wird sie um mindestens eine Abteilung erweitert, nämlich der des Nachhaltigen Bauens, welche zentrale Anlaufstelle für Klimafragen sein wird, und eine entsprechende Qualitätssicherung diesbezüglich sicherstellt.

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Vom ESG-Reporting zu mehr Nachhaltigkeit in Bauprojekten

Klimaschutz voranzubringen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Klimawandel zu verzögern oder sich anzupassen, sind mittlerweile allgegenwärtig. Auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft nimmt das Thema mehr und mehr Raum ein - nicht zuletzt aufgrund der veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen. Die Berücksichtigung dieser Nachhaltigkeitsanforderungen bereits in der Planung eines Bauprojekts, abgeleitet auch von den Bedürfnissen der späteren Nutzung und des Betriebs, haben Auswirkungen auf die Lieferketten. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten sind in den damit verbundenen Wirtschaftsaktivitäten der Bau- und Immobilienwirtschaft verstärkt anzutreffen. Ebenso verändern sich diesbezüglich die rechtlichen Anforderungen von Seiten der Europäischen Union derzeit erheblich.

Green Deal und der europäische Rechtsrahmen

Der Green Deal stellt den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft in der Europäischen Union (EU) dar. Bis 2050 sollen demnach keine Netto-Treibhausgase mehr in der EU ausgestoßen und das Wachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt werden. Dieses Ziel – Klimaneutralität bis 2050 – erhält durch das Europäische Klimagesetz verbindlichen Rechtscharakter. Damit dies gelingt, wurde mit dem Rechtssetzungspaket „Fit for 55“ bis zum Jahr 2030 das Klimaziel von „netto mindestens 55 %“ THG-Reduktion gegenüber 1990 festgelegt.

Für die Zielerreichung ist es notwendig, nachhaltiges Wachstum im Einklang mit den Entwicklungszielen

der EU zu finanzieren. Dazu bedarf es der zielgerichteten Lenkung von Kapitalflüssen. Besonders private Investitionen sind für die nachhaltige Transformation des Wirtschaftssystems entscheidend. Unter Berücksichtigung von Umwelt- (E), Sozial(S) und Governance-Erwägungen (G) (ESG) bei Investitionsentscheidungen soll durch den Finanzsektor eine Lenkungsfunktion ausgeübt werden, um Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu fördern.

Dementsprechend ist es notwendig, Investitionsentscheidungen im Hinblick auf ihren Nachhaltigkeitsbeitrag zu bewerten und zu forcieren. Hier wurde mit der EU-TaxonomieVerordnung ein wesentlicher Schritt gesetzt, um durch die Klassifizierung der Wirtschaftsaktivitäten langfristig Investitionen in Nachhaltigkeit

zu steigern (vgl. Sustainable Finance Action Plan).

Neben der EU-Taxonomie-Verordnung gibt es weitere Verpflichtungen im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ein wichtiger Meilenstein wurde hier bereits 2014 mit der NFRD (Non-Financial Reporting Directive) gesetzt, welche in Österreich durch das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) ihre Umsetzung in nationales Recht findet und seit 2017 anzuwenden ist.

Dieses Gesetz besagt, dass große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden und Unternehmen von öffentlichem Interesse (u.a. Banken, Versicherungen und börsennotierte Unternehmen) verpflichtet sind, über nicht-finanzielle Themen zu berichten. Dazu gehören Umweltschutz, Sozial- und Arbeitnehmerbelange,

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Foto: Adobe Stock überarbeitet

Menschenrechte, Antikorruption und Diversität.

Neben diesen Belangen (laut NaDiVeG) bildet die sogenannte Wesentlichkeitsanalyse die Basis im Nachhaltigkeitsmanagement und in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dazu gibt es zwei Perspektiven, zum einen die inside-out- und zum anderen die outside-in-Perspektive. Bei der inside-out-Perspektive werden die tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens auf Wirtschaft, Umwelt und Menschen, einschließlich der Auswirkungen auf Menschenrechte, in einem ersten Schritt identifiziert, hinsichtlich ihrer Wesentlichkeit bewertet und anschließend priorisiert. Die Bewertung der Wesentlichkeit von Auswirkungen geschieht anhand der drei Dimensionen Ausmaß, Tragweite sowie Behebbarkeit. Die outside-in-Perspektive hingegen betrachtet jene Auswirkungen, die von außen auf das Unternehmen wirken. Das Ergebnis dieses Vorgangs ist eine Liste der wesentlichen Themen der Organisation. Diese dient als Ausgangspunkt für das Setzen von Managementmaßnahmen, aber auch Zielen, und muss sich so auch in der Berichterstattung wiederfinden.

ESG Reporting

Die NFRD findet nun mit der im Januar 2023 in Kraft getretenen CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) ihre Nachfolge. Diese Richtlinie (EU 2022/2464) sieht eine Neuausrichtung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU vor, mit der auch ein Paradigmenwechsel einhergeht: von der Nicht-finanziellen Berichterstattung hin zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Für einen Übergang in ein vollständig nachhaltiges und inklusives Wirtschafts- und Finanzsystem ist eine transparente Darstellung der Auswirkungen von Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft notwendig, und diese Transparenz soll mit der CSRD geschaffen werden. Die CSRD steht darüber hinaus im Einklang mit dem europäischen Green Deal, einschließlich des Klimaneutralitätsziels, und den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Durch den Ersatz der NFRD durch

die CSRD wird der Adressatenkreis in den nächsten Jahren, beginnend mit dem Geschäftsberichtsjahr 2024, deutlich erweitert, denn immer mehr Unternehmen unterliegen dieser Verpflichtung. Wurden die Angaben zur NFRD in einem Nicht-finanziellen Bericht im Geschäftsbericht oder in einem separaten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, erfordert die CSRD nun, dass die Unternehmen alle erforderlichen Angaben in einem separat identifizierbaren Abschnitt des Lageberichts offenlegen. Gibt es derzeit keine Verpflichtung, den Bericht durch eine unabhängige Partei prüfen zu lassen, ist mit der CSRD eine Prüfungspflicht gegeben, die sich langfristig von einer begrenzten Sicherheit zu einer hinreichenden Sicherheit entwickeln wird.

In der CSRD werden klare Vorgaben an die Berichtsinhalte gemacht. Die Konkretisierung der Berichtsinhalte erfolgt durch verpflichtend anzuwendende, europäische Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die sog. European Sustainability Reporting Standards (ESRS), deren finale Version vonseiten der EU in den nächsten Monaten veröffentlicht werden soll.

EU-Taxonomie

Als weiteres Schlüsselelement, wie bereits eingangs erwähnt, gilt die EU-Taxonomie-Verordnung. Diese definiert klare Kriterien in Form eines EU-Klassifizierungssystems für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten (Taxonomie), um eine gemeinsame

Sprache für alle Akteure zu schaffen. Denn benötigt werden Kriterien und Standards, die es einerseits ermöglichen, den Beitrag einer Investition für eine nachhaltige Entwicklung zu beurteilen und andererseits über die Aktivitäten der Realwirtschaft entsprechend berichten zu können.

Mit dem Inkrafttreten der EU-Taxonomie-Verordnung im Juli 2020, wurde die Grundlage für die Umsetzung des Aktionsplans „Sustainable Finance“ geschaffen. Betroffen von dieser Verordnung sind all jene Unternehmen, die der oben genannten und derzeit noch geltenden Non-Financial Reporting Directive (NFRD) unterliegen. Durch die Offenlegungsverordnung sollen die Geschäftsaktivitäten der Akteure in Bezug auf die Ziele bis 2050 kommuniziert werden. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung müssen nun Angaben hinsichtlich EU-Taxonomie geleistet werden, die darlegen, ob und in welchem Umfang Wirtschaftstätigkeiten im Sinne der EU-Taxonomie als ökologisch nachhaltig einzuordnen sind.

Die Umweltziele der EU-Taxonomie spannen einen Rahmen auf, um ökonomisch nachhaltige Aktivitäten bewerten zu können. Unternehmen haben damit die Verpflichtung, im Zuge der Nachhaltigkeitsberichterstattung weitere Angaben zu ihren Wirtschaftsaktivitäten transparent darzulegen.

Für die Anwendung der EU-Taxonomie sind derzeit die technischen Bewertungskriterien für zwei der sechs Umweltziele, ausformuliert:

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Abbildung 1: Sechs Umweltziele der EU-Taxonomie

1. Klimaschutz

2. Anpassung an den Klimawandel

Die weiteren vier Ziele:

3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen

4. Übergang zur Kreislaufwirtschaft

5. Reduzierung der Umweltverschmutzung

6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme werden voraussichtlich im Laufe des Jahres 2023 sukzessive definiert und veröffentlicht werden (vgl. Abb. 1).

Für jedes dieser Umweltziele werden mittels delegierter Verordnungen der EU, Wirtschaftsaktivitäten und technische Bewertungskriterien definiert. Wenn Geschäftsfelder eines Unternehmens unter die Definition für die jeweilige Wirtschaftsaktivität fallen, handelt es sich um taxonomiefähige Aktivitäten, andernfalls um nichttaxonomiefähige Aktivitäten. Taxonomiefähige Wirtschaftsaktivitäten werden in einem weiteren Schritt auf Grundlage der technischen Bewertungskriterien darauf geprüft, inwieweit die Aktivitäten ökologisch nachhaltig sind.

Eine Wirtschaftstätigkeit gilt dann als ökologisch nachhaltig, wenn ein wesentlicher Beitrag zu mindestens einem Umweltziel geleistet wird, die anderen Umweltziele nicht wesentlich beeinträchtigt werden und die Wirtschaftstätigkeit unter Einhaltung der Mindestschutzkriterien durchgeführt wird. Ob ein wesentlicher Beitrag zu einem Umweltziel geleistet wird bzw. keine wesentliche Beeinträchtigung der Umweltziele nach sogenannten „Do no significant harm“(DNSH)Kriterien erfolgt, wird anhand der von der EU-Kommission detailliert vorgegebenen technischen Bewertungskriterien ermittelt. Die Kriterien und Voraussetzungen müssen allesamt kumulativ erfüllt sein.

Die Anforderungen aus den delegierten Rechtsakten fokussieren hauptsächlich auf Umweltkriterien (Environment), also E von ESG, sowie die Anforderungen, die aus dem Mindestschutz entstehen, die Bereiche S (Social) und G (Governance).

Unternehmen müssen die in den beiden Umweltzielen definierten Wirtschaftstätigkeiten anhand der festgelegten Kriterien auf Taxonomie-

Konformität untersuchen und zusätzlich zu den taxononomiefähigen Anteilen auch die taxonomiekonformen Anteile an Umsatz, Investitions- und Betriebsausgaben ermitteln und veröffentlichen.

Die Anwendung der TaxonomieKonformität konzentriert sich im Bausektor derzeit auf Neubau, Sanierungen (Bauen im Bestand) und Schieneninfrastruktur sowie den Ankauf bzw. die Transaktion von Immobilien.

Da die neuen Anforderungen an die Berichterstattung mehrere Herausforderungen mit sich bringen, ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der Analyse hinsichtlich der EUTaxonomie-Konformität auch in der Projektentwicklung und der weiteren Umsetzung notwendig.

Auswirkung auf Bauprojekte

Derzeit sind folgende Aktivitäten im Hochbau- und Immobiliensektor von den Anforderungen der EU-Taxonomie im Wesentlichen betroffen:

„ Neubau,

„ Renovierung von Gebäuden,

„ Erwerb und Eigentum von Immobilien.

Dahingehend sind berichtspflichtige Unternehmen angehalten, die Anforderungen zum Umweltziel "Klimaschutz" und „Anpassung an den Klimawandel“ durchzuführen.

Konkret könnte die Anwendung der Taxonomie-Konformität auf den Neubau bedeuten, dass der Energiebedarf des Gebäudes den aktuellen GEG-Standard in Deutschland um 10 %, bzw. in Österreich nach Maßgabe der OIB, unterschreiten muss. Gleichzeitig darf der Neubau keinem der anderen der fünf Umweltziele (Anpassung an den Klimawandel, Wasserschutz, Kreislaufwirtschaft, Umweltschutz und Biodiversität) widersprechen. Es erfolgt eine Einordnung, inwieweit die gesetzten Umweltaspekte vom berichtspflichtigen Unternehmen, bezogen auf seine je-

weilige Wirtschaftstätigkeit, berücksichtigt werden.

In Abbildung 2 ist die Funktionsweise einer Bewertung der EU-Taxonomie-Konformität für eine Wirtschaftstätigkeit dargestellt.

Die Mindestschutzanforderungen umfassen die Einhaltung der Menschenrechte und Sicherstellung sozialer Mindeststandards, welche im deutschsprachigen Raum durch die Gesetzgebung vorausgesetzt werden können. Der wesentliche Beitrag bezieht sich auf eines der sechs Umweltziele. Die konkreten Anforderungen ergeben sich aus den Ausformulierungen im technischen Annex bzw. den einschlägigen Kommentierungen. Zusätzlich darf kein weiteres der restlichen fünf Ziele beeinträchtigt werden (DNSH). Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Wirtschaftsaktivität als EU-Taxonomie-konform bezeichnet werden.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass keine Kompensation durch Übererfüllung eines anderen Umweltziels erfolgen kann.

Um die Funktionsweise und bauprojektspezifischen Zusammenhänge zu verdeutlichen, ist es hilfreich zu verstehen, dass ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz über den Energiebedarf erfolgt. Ein Neubau muss einen Netto-Primärenergiebedarf ausweisen, der mindestens 10 % unter dem in den nationalen Regularien vorgeschriebenen NiedrigstenergieNiveau (nZEB) liegt. Diese Anforderung hat Auswirkungen auf die Architektur sowie weitere Überlegungen zum Energieversorgungskonzept des Gebäudes und wirkt sich auf die Planungsinhalte der Architekten und Fachexperten/-planer aus. Diese Zusammenhänge unterstreichen die große Bedeutung der frühen Projektphasen für eine lebenszyklusorientierte Optimierung des Bauvorhabens. Bereits in diesen Projektphasen werden wesentliche Grundlagen für die weitere Taxonomie-Konformität von Projekten geschaffen. Es ist da-

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Abbildung 2: Funktionsprinzip der EU-Taxonomie

her von den am Planungs- und Bauprozessbeteiligten dafür Sorge zu tragen, dass vom Entwurf bis zur Inbetriebnahme von Gebäuden keine Informationen verlorengehen, um die gewünschte Nachhaltigkeitsperformance des Gebäudes sicherstellen zu können. Insbesondere Generalunternehmen, die Projekte bereits in frühen Phasen übernehmen und durch die Planung begleiten, sind wesentlich für den Informationsfluss verantwortlich. Digitalisierung ermöglicht dabei den leistungsphasenübergreifenden Austausch und die Weitergabe von Informationen zwischen den relevanten Akteuren in der Planung und Umsetzung.

Es empfiehlt sich, bei der Implementierung der EU-Taxonomie in die Geschäftstätigkeit nicht nur die Mindestanforderungen abzuhaken, sondern dies zur ganzheitlichen, lebenszyklusorientierten Optimierung der Immobilie zu nutzen und dabei den Fokus nicht nur auf das Planen und Bauen zu legen, sondern auch den Betrieb und die damit verbundenen Anforderungen aus der avisierten Nutzung zu berücksichtigen. Die Organisation der Umsetzung bedarf somit auch durchgehender Begleitung, also integraler Planungs- und Abwicklungsprozesse.

Bedeutung früher Projektphasen in Bezug auf Nachhaltigkeit

Die Einschätzung und Bewertung von Projekten hinsichtlich ihrer EUTaxonomie-Konformität ermöglicht es, in frühen Projektphasen die Nachhaltigkeitsperformance wesentlich zu beeinflussen und zu steigern. In folgender Abbildung 3 wird der derzeit

oft anzutreffende Fall der baubegleitenden Implementierung von Nachhaltigkeitsaspekten verdeutlicht. Eine umfassendere/ganzheitlichere, auf den Lebenszyklus ausgerichtete Planung muss bereits in früheren Projektphasen ansetzen.

Im Rahmen einer Generalunternehmerbeauftragung stellt sich bereits während der Angebotsbearbeitung die Frage, ob bzw. in welchem Umfang Nachhaltigkeitsanforderungen der EU-Taxonomie in der Entwurfsplanung bereits berücksichtigt wurden. Ebenso damit verbunden ist die gewünschte Übernahme dieser Anforderungen als Zielparameter für die Planung in den weiteren Projektphasen. Damit Klarheit herrscht, inwieweit diese Anforderungen als Projektziele in die Entwurfsplanung übernommen wurden, bedarf es einer systematischen Statusbewertung der ausgeschriebenen Nachhaltig-

keitsperformance. Die davon abhängigen weiteren Planungsleistungen bzw. eine entsprechende Abklärung mit dem Bauherrn würden weitere Beratungsleistungen bis hin zum Hinzuziehen von Fachplanern mit sich bringen, um die Nachhaltigkeitsanforderungen für die weitere Projektbearbeitung berücksichtigen zu können. Diese Vorgehensweise kann als Chancen- und Risikomanagement verstanden werden. Sie stellt die Basis für die Kalkulation und Koordination im weiteren Projektverlauf bis zur baulichen Umsetzung und Inbetriebnahme dar und wird somit auch Teil des Vertrags. Mit Blick auf die Ausführungsplanung, die inhaltlich auf die Entwurfsplanung aufsetzen muss, ist es notwendig, die bereits getätigten Überlegungen zu kennen. Eine frühzeitige Abfrage der berücksichtigten Nachhaltigkeitsaspekte für die Angebotsselektion kann zugleich

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Abbildung 3: Bedeutung der frühen Projektphasen für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten. Abbildung 4: Pre-Assessment/Potenzialanalyse in der Projektbeschaffungsphase

aufzeigen, welcher Stellenwert dem Thema Nachhaltigkeit im bisherigen Projektverlauf eingeräumt wurde. Bei unzureichender Berücksichtigung in frühen Planungsphasen, insbesondere in der Entwurfsplanung, kann ein Generalunternehmen hieraus Rückschlüsse auf möglicherweise anstehende Projektrisiken in Bezug auf Ausführungs- und Betriebsqualitäten ziehen.

Die Anforderungen aus der EU-Taxonomie bezüglich Klimaschutz und Klimawandelanpassung rücken die spätere Nutzung der Immobilie und die avisierte Betriebsführung in den Fokus. Steigende Vorgaben an Energieeffizienz mit dem Ziel des Nullemissionsgebäudes 2030 im Neubau verlangen integrale Planungsprozesse und frühzeitige Kollaboration der beteiligten Akteure - von späteren Nutzern, Betreibern über Bauherren bis zu den Experten der Fachplanungen. Es gilt, die gesamte Lebenszyklusperformance von Immobilien zu betrachten.

Eine frühzeitige und aktive Auseinandersetzung sowie Abstimmung über die weitere Zielverfolgung sind unumgänglich. Im Zuge einer Abklärung relevanter Nachhaltigkeitsanforderungen könnten folgende Punkte kontrolliert werden:

„ Mindeststandards

„ Nachhaltigkeitsanforderungen aus Vorgaben des Bauherrn (Ausbaustandards)

„ Anforderungen der EU-Taxonomie

„ Förderungsvoraussetzungen

„ Zertifizierungen (z.B. DGNB/ ÖGNI, LEED)

Diese Punkte sind vor Vertragsabschluss auf Erreichbarkeit zu überprüfen und für die weitere Bearbeitung abzustimmen. Daraus ergibt sich die weitere Vorgehensweise, um diese Themen in Abhängigkeit der Kenntnis und Absicht des Auftraggebers/Bauherrn im weiteren Planungsprozess als Qualitätsanforderungen zu berücksichtigen. Dies bietet auch die Möglichkeit, einen Beratungsprozess zu imitieren, um in einen integralen Planungsprozess einzusteigen. Anhand des Pre-Assessments wird es möglich, Einflussnahme zu identifizieren, durch die eine Verbesserung

der Nachhaltigkeitsperformance bezogen auf den Lebenszyklus erfolgt. Für stabile Ausführungsprozesse sind abgeschlossene Planungsprozesse eine wesentliche Grundvoraussetzung. Nicht zuletzt aufgrund der Transaktionen von Immobilien wird es notwendig sein, die in der Planung avisierte lebenszyklusorientierte Performance abzubilden. Dies könnte anhand einer Qualitätssicherungsmaßnahme, wie beispielsweise einer Gebäudezertifizierung (DGNB, ÖGNI etc.), erfolgen.

Zusammenfassung und Fazit

Durch die EU-Taxonomie-Verordnung, die nachvollziehbar macht, wann eine Wirtschaftsleistung als „nachhaltig“ bezeichnet werden kann, wird die Grundlage für ein gemeinsames Verständnis der Begrifflichkeit geschaffen. Die Anwendung der EU-Taxonomie soll helfen, Investitionen hinsichtlich ihres Beitrags zur (vorerst nur ökologischen) Nachhaltigkeit auf Bauprojektebene sowie auf soziale Kriterien (Mindestschutzanforderungen) in der Bauausführung zu bewerten und so für Investor:innen eine einheitliche Bewertungsgrundlage zu schaffen, um „Greenwashing“ zu vermeiden. Die ersten Anforderungen der EU-Taxonomie thematisieren auf Bauprojektebene hauptsächlich die Umweltthemen, welche sich auch in der Berichterstattung im Bau- und Immobiliensektor wiederfinden. Die ab 2025 stattfindende Ausweitung der Berichterstattung beispielsweise auf Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden wird die Thematik noch stärker in den Mittelstand (KMU) hineintragen. Sich diesen Entwicklungen zu entziehen bzw. diese auszublenden wird nur schwer möglich sein, zumal auch die regulatorischen Vorgaben, z.B. Nullemissionsgebäude im Jahr 2030, eine differenzierte Beschäftigung mit dem Thema erfordern.

In Anbetracht der mehrjährigen Projektvorlaufzeiten von zwei bis drei Jahren ist von einer geänderten Marktsituation nach Fertigstellung der Immobilien auszugehen. Neben den gesellschaftlichen Bedürfnissen ändern sich auch die finanzwirtschaftlichen Randbedingungen und spiegeln ein anderes Marktumfeld

wider als zum Zeitpunkt der Projektentwicklung. Es stellt sich für die Beteiligten die Frage, welche geänderten Anforderungen erfüllt werden müssen bzw. können. In der Projektabwicklung rücken die Anforderungen an die EU-Taxonomie-Konformität zusehends ins Bewusstsein der Projektbeteiligten. Spätestens zum Zeitpunkt, zu dem die Immobilie auf den Markt trifft, stellt sich die Frage, ob diese auch marktfähig, wertstabil und zukunftsfähig geplant und errichtet wurde.

Durch die sukzessive Ausformulierung der Umweltziele wird die Bauund Immobilienbranche derzeit von einer bisher ungekannten Dynamik getroffen, die durch die spezifischen Anforderungen umfassende Informationen aus den Projekten abfordert.

Dies stellt die Branche bei der Umsetzung vor neue Herausforderungen, da durch die Komplexität angesichts geopolitischer Überlagerung, gestörten Lieferketten und angespannter Energiesituation zusätzlicher Druck auf die Akteure ausgeübt wird. Perspektivisch wird sich dieser Druck noch erhöhen, wenn in einigen Jahren auch das Thema der CO2-Bepreisung ansteht.

Die derzeitigen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie auf Bauprojektebene, umfassen noch keine Anforderungen für ökonomische und soziale Aspekte, die Teile eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitsverständnisses sind. Daher ist es notwendig, diese bei den anstehenden Planungsaufgaben für Bauprojekte mitzudenken. Gebäudezertifizierungssysteme bieten eine Möglichkeit, diese Themen umfassender zu berücksichtigen. Dadurch kann eine zukunftsfähige, wertstabile Immobilie, die beispielsweise über ihre Nutzungsdauer hinweg unterschiedliche Verwendungen durch ihre Flexibilität zulässt, anhand von Labels ausgewiesen werden. Auch Themen der Kreislaufwirtschaft werden sukzessive ausformuliert und aufgegriffen.

Es ist anzunehmen, dass sich ökonomische und soziale Aspekte auch in den weiteren Ausformulierungen der EU-Taxonomie wiederfinden werden. Diesbezüglich ist es wichtig, laufende Erfahrungen einfließen zu lassen und die Interpretation der technischen Aspekte nicht allein den Kontrollor-

17 WINGbusiness 1/2023 TOP-THEMA

ganen der Berichterstattung (Wirtschaftsprüfern) zu überlassen. Es braucht hierzu das Verständnis techno-ökonomischer Zusammenhänge, um praktikable, technisch zuträgliche Rahmenbedingungen für nachhaltige Immobilien formulieren zu können.

Literatur

EU-Verordnung: https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2020/852/oj?locale=de [Zugriff: 20.02.2023]

HDB: https://www.bauindustrie.de/ fileadmin/bauindustrie.de/Media/ Veroeffentlichungen/EU-Taxonomie_ final.pdf [Zugriff: 20.02.2023]

Deloitte: iGAAP fokussiert Nachhaltigkeitsberichterstattung. In: IFRS and Corporate Reporting Centre of Excellence: https://www.iasplus.com/ de/publications/german-publications/ igaap-fokussiert/2022/esrs-ec [Zugriff: 20.02.2023]

Konsolidierter nichtfinanzieller Bericht 2021: https://www.strabag. com/databases/internet/_public/files. nsf/SearchView/09556C33FF83EAB FC1258833001B8099/$File/STRABAG%20SE_Konsolidierter%20 Nichtfinanzieller%20Bericht_2021_ DE.pdf [Zugriff: 20.02.2023]

STRABAG Geschäftsbericht 2021: https://www.strabag.com/databases/ internet/_public/content.nsf/web/DESTRABAG.COM-gb2021.html [Zugriff: 20.02.2023]

Autoren:

Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dr. techn. Johannes Wall, BSc.

Johannes Wall studierte Bauingenieurwesen und Wirtschaftsingenieurwesen und promovierte an der TUGraz. Nach seinem Eintritt in die Ed. Züblin AG war er für die Koordina-

tion der Nachhaltigkeitsthemen in schlüsselfertigen Hochbauprojekten verantwortlich. In seiner derzeitigen Rolle entwickelt und steuert er die Nachhaltigkeits-Roadmap für die Klimaneutralität der ZÜBLIN-Gruppe bis 2040.

Mag. DI Katharina Aspalter

Seit September 2020 als Function Lead im Sustainability Management bei STRABAG. Davor 8 Jahre einschlägige Berufserfahrung im Umwelt- und Nachhaltigkeitsconsulting. Masterabschlüsse in Umwelt- und Bioressourcenmanagement und Internationaler Entwicklung mit starkem strategisch-analytischem und interdisziplinärem Denken. Motiviert vom Ziel, Nachhaltigkeit und im Speziellen Klimaverträglichkeit, und unternehmerisches Handeln in Einklang zu bringen.

Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dr. techn. Johannes Wall, BSc. Stabsbereichsleiter Nachhaltigkeit, Ed. Züblin AG

Mag. Dipl.-Ing. Katharina Aspalter

Function Lead und Function Coordinator Sustainability Management, STRABAG

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19 WINGbusiness 1/2023 INSERAT

Normenintegration als Voraussetzung einer effizienten Umsetzung des Green Deal

Selbst für interessierte Nachhaltigkeitsexpert*innen ist die aktuelle Entwicklung rund um die ESG-Reglementierung [Environmental, Social, Governance (ESG)] kaum noch überschaubar, zumal es auch zwischen unterschiedlichen Normen zu Überschneidungen und Widersprüchen kommen kann. Generell müssen die Nachhaltigkeitsaktivitäten (Strategien, Richtlinien, Verordnungen, delegierte Rechtsakte, Best Practice) der Europäischen Union von den Unternehmen kombiniert eingeführt bzw. in die bestehenden Organisationen integriert werden: Durch Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), Taxonomie, European Sustainability Reporting Standards (ESRS) etc. erhalten Unternehmen die Möglichkeit, stabile Margen und gleichzeitig Nutzenzuwächse für alle Marktteilnehmer*innen zu erzielen. Neue Preisbestandteile helfen dabei, das unternehmenseigene Portfolio zu diversifizieren. Eine Entwicklung weg vom reinen Preiswettbewerb scheint möglich.

Aufgrund des erheblichen Verwaltungsaufwands in Hinblick auf die neuen Bestimmungen dürfen Unternehmen keine Parallelprozesse schaffen, sondern müssen die neuen Normen in bestehende Prozesse integrieren. Nachhaltigkeit muss durch Normenintegration zur Selbstverständlichkeit werden, damit nachhaltige Erträge und Nutzenzuwächse erzielt werden können (unmittelbare Normenintegration). Zugleich sind die Markteilnehmer*innen gezwungen, die Normenanforderungen des jeweils anderen Players auch wechselseitig in die eigenen Prozesse einzubauen (mittelbare Normenintegration). Die Unternehmen selbst legen durch die Integration von Normen allerdings nur einen Teil der Strecke hin zu einer gesellschaftlich fest verankerten Nachhaltigkeit zurück. Ein erheblicher weiterer Teil ist nur durch die systemische Integration in gesellschaftliche Sphären möglich, wie beispielsweise in die Kultur einer Gesellschaft, in die öffentliche Verwaltung, in diverse Gesetze (zum Beispiel Steuerrecht, Vertragsrecht), in die Rechtsprechung und nicht zuletzt in die Ausbildung der Menschen.

1. Nachhaltigkeit: Vom Naturgesetz zum Bestimmungsfaktor unternehmerischen Handelns

Die häufig fragmentarische Diskussion des Themenkomplexes Nachhaltigkeit, zum Beispiel über nachhaltige Energiegewinnung, Baustoffalternativen oder Materialrückgewinnung, verdeckt, dass Nachhaltigkeit an sich als übergeordnete Dimension für jegliches

Handeln gelten sollte. Sie ist - vor dem Hintergrund des einzig bekannten belebten Planeten Erde - ein "Naturgesetz". Dieses Naturgesetz wird jedoch häufig durch ein zentrales "Menschengesetz" ausgehebelt, nämlich das des Austausches von Waren und Dienstleistungen auf den unterschiedlichen Märkten. Bisher gewährleistete dieser Austausch das Entstehen von Wohlstand, sei es über Effizienzgewinne

und Allokationssynergien, über das Ausnutzen von Informationsasymmetrien ("Friktionen") oder Rohstoffvorkommen aller Art.

In dem Moment, in dem Menschen nun Gesetze unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit gestalten, kommt es zu einer Trennung zwischen dem ursprünglichen Naturgesetz der Nachhaltigkeit und den Menschengesetzen zur Nachhaltigkeit. Beide müssen

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Sascha Wiehager, Elvira Bodenmüller Foto: © Sascha Wiehager

nicht zwangsläufig deckungsgleich sein! Bei weitem nicht alles, was mit dem Logo Nachhaltigkeit versehen wird, entspricht einer ursprünglichen Nachhaltigkeit. Sobald Nachhaltigkeit zu einer Bewertungsgröße im Austausch von Gütern und Dienstleistungen auf dem Markt wird, wird sie instrumentalisiert.

Aufgrund der Vielzahl von Einflüssen auf unternehmerisches Handeln muss es das oberste Ziel sein, die neuen Regeln des Green Deal effizient in der Unternehmensrealität zu verankern und effektive Wege der Umsetzung zu finden.

- Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Unternehmen die vorhandenen externen Schnittstellen und Standardsetter kennen, ihre Interessen beim Vorantreiben nachhaltigkeitsbasierter Normierungsstrategien richtig einschätzen können und erste Netzwerkansätze unterstützen. Auch zwischen Lehre und Praxis. In diesem Sinne erhält Strategiearbeit eine noch größere Bedeutung, als dies bisher bereits der Fall war.

- Eine zweite Voraussetzung für eine an Nachhaltigkeitsaspekten orientierte Arbeit liegt in einer offenen Herangehensweise, die es erlaubt, heute noch nicht bekannte zukünftige Entscheidungen und Entwicklungen agil in die heute geschaffenen/vorhandenen Strukturen und Prozesse zu integrieren. Trotz der langen Geschichte der Nachhaltigkeit handelt es sich aus Unternehmenssicht schließlich um einen noch sehr "jungen" Entscheidungshintergrund.

- Die dritte und wesentlichste Voraussetzung liegt in der Verfügbarkeit geeigneter Daten hinsichtlich sowohl Quantität als auch vor allem Qualität. Die alles umfassende Natur des Themenkomplexes Nachhaltigkeit erzwingt regelrecht ein systematisches und konzentriertes Datenmanagement bzw. viel mehr noch eine effiziente Datenintegration. Die bisher in vielen Unternehmen verbreitete Praxis, verschiedene (normenbasierte) Management-Systeme separiert nebeneinander laufen zu lassen (Qualitätsmanagement [Das Qualitätsmanagement wird durch Nachhaltigkeit faktisch erweitert, neben die Anspruchsgruppe Kunde tritt die Anspruchsgruppe Gesellschaft.], Arbeitssicherheit, Abfallwirtschaft usw.), wird durch die alles

durchdringende Natur von Nachhaltigkeit ad absurdum geführt.

Wesentliches Merkmal aller Nachhaltigkeitsbestrebungen ist die allumfassende Durchschlagskraft. Das bedeutet, dass es nicht darum geht, zum x-ten Mal ein neues Management-System einzuführen, sondern sämtliche bisher vorhandenen Systeme unter einem übergeordneten Kriterium miteinander zu verweben. Daraus folgt, dass die Unternehmen all ihre Prozesse durchleuchten müssen, um die ihnen innewohnenden relevanten Parameter für Nachhaltigkeit zur identifizieren.

Aus diesem Grund müssen alle vorhandenen Systeme unter Federführung des Nachhaltigkeitsgedankens zusammengeführt werden, denn nur durch die Integration dieser Normierungssysteme als Ganzes in die Strukturen und Prozesse lässt sich ein nachhaltiges Unternehmen etablieren, ohne dass die Verwaltungskosten in den Unternehmen als Folge eines nicht wertschöpfenden und nicht nutzenstiftenden Mehraufwands unverhältnismäßig „eskalieren“. Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass dieser Schritt nicht ohne Strategie, Organisation und Budget vollzogen werden kann. Das heißt, Unternehmen sollten nicht zu spät anfangen, Daten zu erfassen.

Ein Parameter für Nachhaltigkeit ist zum Beispiel der CO2-Fußabdruck, da CO2 sich gut messen lässt, wenn man einmal von bestehenden Standardisierungsproblemen in Bezug auf die Stammdaten zur Bewertung der Bewegungsdaten absieht. So können Wechselwirkungen analysiert werden. Allerdings ist CO2 nicht der einzig relevante Parameter. Allein die ESRS verlangen unter anderem verpflichtend mehr als 400 Datenpunkte (im aktuellen Entwurf von November 2022).

Um die Datenpunkte korrekt auszuweisen, bedarf es nachvollziehbarer, vollständiger und richtiger Informationen - dies ist beileibe keine neue Erkenntnis. Neu ist nur, dass die Qualität der Informationen [Vgl. IDW EPS 352 (Stand August 2022).] nunmehr davon abhängt, ob im Unternehmen die richtigen Daten in der benötigten Qualität und Quantität ordnungsgemäß generiert wurden.

[ Wiehager, S.: Auszug aus dem Ta-

gungsband des 31. Kassel-Darmstädter Baubetriebsseminars Schalungstechnik, ISSN-Nr.1867-3783 (Mit Genehmigung durch die GFBWSchalung: www.gfbw-schalung. de).] Dies kann man aber nur dann feststellen, wenn man zunächst sehr viele Daten sammelt und diese auch einer übergreifenden Analyse zur Gewinnung von Kennzahlen bzw. KPIs (Key Performance Indicators) zugänglich macht. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Anwender den Bedarf an Daten nur zielführend klären können, wenn sie wissen, welche Informationen ein Unternehmen am Ende tatsächlich gewinnen möchte. Dazu müssen Unternehmen aber in einem ersten Schritt klären, wo sie überhaupt in puncto Nachhaltigkeit stehen.

2. Der Finanzsektor als Starthilfe zur Umsetzung des Green Deals

Europa möchte mit dem Green Deal bis 2050 Klimaneutralität erreichen. Schon bis 2030 möchte die EU ihre Nettoemissionen um 55 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 1990 senken. Ein Impuls zur Umsetzung dieses Ziels soll unter anderem durch die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) initiiert werden. Diese wurde 2019 eingeführt.

Wichtig: Bei allem unternehmerischen Handeln unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ist nur das Ergebnis, nämlich nachhaltige Strukturen und Prozesse, relevant und nicht zuallererst die Tauglichkeit für einen späteren Lagebericht. [Vgl. Simon, Frank, in: EU-TAXONOMIE, hrsg. vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie 2022, S. 36 (Download als PDF-Datei).]

Durch die SFDR sollen Finanzdienstleister*innen eine erhöhte Transparenz von Investitionen in Bezug auf Chancen und Risiken in Zusammenhang mit Nachhaltigkeit gewährleisten. So sollen unter anderem Anreize geschaffen werden, nachhaltige Finanzgeschäfte (die ihre Grundlage natürlich auch teilweise in der Realwirtschaft haben) zu fördern. Somit ist die Finanzwelt vor die exakt gleichen Herausforderungen wie auch die Unternehmen der Realwirtschaft

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gestellt. Die Finanzdienstleister*innen müssen allerdings den Anfang machen, denn neben der SFDR von 2019 mussten Finanzdienstleister*innen schon im Jahr 2022 für 2021 die Taxonomie-Verordnung anwenden und den Anteil nachhaltiger Umsätze, nachhaltiger Investitionen und sonstiger Kosten festhalten.

Ein alleiniger Fokus auf SFDR und Taxonomie reicht in diesem Zusammenhang allerdings nicht aus. Nachhaltigkeit findet hauptsächlich über zwei Stoßrichtungen Eingang in den Bankenbereich bzw. Finanzsektor: Zum einen über die Anforderung an eine Finanzmarktstabilität, zum anderen über die direkte Aufnahme von Nachhaltigkeitsparametern als „alternative Währung und Wertung". Diese beiden Strömungen liegen eng beieinander und vermischen sich regelrecht. Insgesamt wird ein neuer Bewertungsraum geschaffen, in dem verschiedene Richtlinien aufeinander Bezug nehmen und somit kaum voneinander zu trennen sind. Neben Taxonomie und SFDR sind somit beispielsweise das Bankenpaket 2021 sowie weitere Vorschriften zur Finanzmarktstabilität relevant. [ Zum Beispiel Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II, Markets in Financial Instruments Regulation – MiFIR, Market Abuse Regulation – MAR.]

Zum Verständnis des Wirkungsweges seien hier die Zusammenhänge in Kürze dargestellt (vgl. Abb. 1):

Zunächst triggert die Europische Zentralbank die Finanzdienstleister*innen in Europa durch Vorgaben bei der Refinanzierung, die auf europäischer Ebene über die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) kontrolliert werden. In Deutschland werden die Finanzdienstleister*innen durch die BaFin [BaFin = Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.]

kontrolliert bzw. beaufsichtigt. Beide Institutionen haben den Verbraucherschutz zu gewährleisten.

Um die praktische Arbeit im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und einer entsprechenden Informationspflicht (der Finanzdienstleister*innen) zu fördern, existieren unter anderem sog. technische Regulierungsstan-

dards (RTS). Bei der Offenlegung von Finanzprodukten in der sog. SFDR erfolgte die Umsetzung via delegierter Verordnung über die sog. "Regulatory Technical Standards – RTS", die den Finanzdienstleister*innen grundsätzlich bei der Darstellung ihrer Angebote helfen sollen. Zudem wird eine bessere Vergleichbarkeit von Informationen gefördert. Dabei enthalten eben diese RTS-Angaben

„ zu taxonomiebezogenen Darstellungen / DNSH (Do Not Significant Harm),

„ zu Principal Adverse Impacts –PAIs (Nachhaltigkeitsindikatoren für nachteilige Auswirkungen),

„ zur Transparenz vorvertraglicher Informationen / Werbung (Art. 8 SFDR) sowie

„ zu Besonderheiten der Transparenz bei sog. „darkgreen" Investments. [Fonds mit klar definiertem Nachhaltigkeitsziel; Art. 9 SFDR.]

Problematisch ist, dass diese vermeintlich klaren RTS noch Lücken aufweisen. Die fehlende Vollständigkeit bzw. auch Klarheit bei den Anforderungen führt zu Schwierigkeiten bei den Finanzdienstleister*innen, die eigenen Ansprüche gegenüber den Partner*innen in der Realwirtschaft zu formulieren bzw. es bestehen Herausforderungen bei der Einschätzung von Unternehmen aus der Realwirtschaft, aber auch bei Transaktionen im Finanzsektor selbst.

Zudem fehlt es an Benchmarks und Informationsquellen, die einen Abgleich der Unternehmens- und Produktkennzahlen ermöglichen (wie es bei den bekannten finanziellen KPI bereits üblich ist). Solange das sog. ESAP (European Single Access Points) noch nicht online ist, sind Vergleiche und Analysen nur eingeschränkt möglich. Dies gilt auch dann, wenn die Daten dort hinterlegt worden sind, denn gute Benchmarks verlangen nicht nur nach Datenqualität, sondern auch nach einer erheblichen Datenmenge.

Ergebnis der Betrachtung des Finanzsektors:

„ Finanzdienstleister*innen sollen Impulsgeber für die Realwirtschaft sein.

„ Die marktwirtschaftlichen Zusammenhänge sollen "gegen" sich selbst gerichtet werden, indem Nachhaltigkeit unter anderem über das Rating ein "Preisschild" erhält.

„ Die Taxonomie ist nicht alleiniger Taktgeber, SFDR und ESRS sind ebenso von Bedeutung wie das Bankenpaket 2021 und weitere Vorschriften.

„ Die Bankenaufsicht hat mittelbaren Einfluss auf die Realwirtschaft (Beispiel BaFin).

„ Die Datenqualität muss für die RTS-Angaben präzise sein, aber die Anforderungen an die Datenqualität und das Datenmanagement sind in Teilen unklar.

„ Benchmarks fehlen in weiten Teilen und müssen aufgebaut werden.

„ Die bisherigen Vorgaben für die Banken sind neben den "eigenen Vorschriften" ein guter Anhaltspunkt für die Unternehmen der Realwirtschaft.

3. Anforderungen an die Strukturen und Prozesse der Bauwirtschaft

Da der Fokus des Finanzsektors auf Strukturen und Prozessen liegt, können Unternehmen bei klugem Handeln zu ihrem eigenen Wohl davon profitieren, auch wenn die Anforderungen aus dem Finanzsektor zunächst ohne Frage eine Steigerung der Verwaltungskosten bewirken. Aktivitäten der Unternehmen müssen dabei zum Nebenziel haben, Leerkosten im Sinne von nicht wertschöpfenden Dokumentationsmaßnahmen zu vermeiden.

Bauen ist in der überwiegenden Anzahl an Fällen um ein Vielfaches komplexer als das Erbringen von Dienstleistungen. [Vgl. Ökonomie des Bauens, Teil I: Volkswirtschaft-

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Abbildung 1 – Wirkungsweg Umsetzung Nachhaltigkeit i.S. des Green Deal

liche Grundlagen - Der zweipolige Baumarkt, hrsg. vom BWI-Bau, Düsseldorf/Wiesbaden 2022.] Aufgrund der hohen Arbeitsteiligkeit der Prozesse in Bauunternehmen kommt es zu einem erhöhten Steuerungs- und Koordinationsaufwand, um Prozesse zu beherrschen, zu dokumentierten und zu bewerten. Ein gutes Managementsystem bzw. Prozessmanagement in Kombination mit Nachhaltigkeit kann hinsichtlich einer Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Bauwerken zu einem Mehrwert führen.

Taxonomie, CSRD und ESRS fordern spezifische Schritte bei der Dokumentation im Lagebericht bzw. bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Eine Umsetzung dieser Informationen über Parallelprozesse in den Bauunternehmen ist per se zum Scheitern verurteilt, denn für diese zusätzliche Arbeit fehlen schlicht jegliche Kapazitäten, und zwar sowohl bei den bereits stark belasteten Akteur*innen im Unternehmen als auch bei den zahlreichen Arbeitspartner*innen. Schon jetzt müssen sich Unternehmen die faktische Auslagerung von Arbeitsleistung mit kostspieligen Maßnahmen im Bescheinigungswesen von Nachunternehmer*innen teuer erkaufen.

Auch aus dem Bereich des Informationsmanagements ergeben sich neue Herausforderungen, nicht nur durch die Kommunikation zu den Finanzdienstleister*innen. Nachhaltigkeitsbezogene Informationen müssen an alle Funktionsbereiche gelangen, denn auch Einkaufsentscheidungen können beispielsweise nicht mehr nur anhand von monetären Betrachtungen erfolgen, sondern hängen nunmehr auch von der Beachtung von Nachhaltigkeitsparametern ab. Darüber hinaus entstehen immer weitere Stakeholder, die ein Interesse an Nachhaltigkeitsinformationen entwickeln (zum Beispiel bei den Auftraggebern im Baugewerbe, den Versicherungen etc.).

So wie die Banken stärker kontrolliert und zu Präzision "gezwungen" werden, so sind also auch die Unternehmen der Bauwirtschaft angehalten, durch die neuen Nachhaltigkeitsvorschriften eine hohe Datenqualität zu gewährleisten. Doch schon jetzt

bestehen beim Datenmanagement und der Datenintegration erhebliche Probleme. Softwarelösungen lassen sich in der Bauwirtschaft nur schwer zusammenführen. Viele Bauunternehmen müssen sich aufgrund ihrer Anforderungsprofile zwei ERP-Lösungen leisten, um technische und kaufmännische Herausforderungen zu meistern. Wenn dann noch multidimensionale Datenmodelle gefüllt werden müssen, ist es kein Wunder, dass andere Industriezweige ganze Abteilungen neu gründen, die nichts weiter tun, als Daten zu managen. Das Zauberwort heißt neuerdings "Business Intelligence" (BI). Unternehmen sollten die Komplexität von BI-Lösungen nicht unterschätzen. In der Regel können Unternehmen des Mittelstands mit solchen Tools nur schwer umgehen, denn es sind erhebliche Kenntnisse der Datenstrukturen nötig. Controlling-Systeme können hier Abhilfe schaffen. [Die PC Ins bietet in Kooperation mit der BWI-Bau GmbH die Softwarelösung Build My Report an.]

4. Check-up Nachhaltigkeitsstrategie in Bauunternehmen

Normenintegration bei gleichzeitiger Normenunsicherheit verlangt agile Organisationen, sowohl digital als auch analog. Unter dem zentralen Ziel, im Bereich der Finanzierung eine positive Ausgangssituation des eigenen Unternehmens zu sichern, sollten Unternehmen einen eigenen Stufenplan erarbeiten. Zudem können Unternehmen Share- bzw. Stakeholder über den Lagebericht informieren, der schlussendlich mit Informationen bestückt werden muss.

Beispielfall: [BWI-Bau: Arbeitshilfe Lagebericht, hrsg. von der Bauindustrie NRW e. V. (2023) sowie Checkup Lieferkette (2022), hrsg. vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (Download als PDF-Datei).]

1. Festlegung einer Nachhaltigkeitsstrategie des eigenen Unternehmens.

Bauunternehmen können sich Abschlüsse von anderen, veröffentlichungspflichtigen Unternehmen ansehen oder zum Beispiel über den

Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) Informationen einholen. Generell ist der DNK sehr gut geeignet, sich dem Thema Nachhaltigkeit anzunähern. Der GRI-Katalog ist ebenfalls ein guter Startpunkt, da es hier zahlreiche Überschneidungen mit den ESRS gibt. Eine weitere Annäherung ist hier in der Zukunft zu erwarten.

Beispiel (Auszug): Unser Unternehmen XY hat bisher seinen Fokus auf die Erfüllung betriebswirtschaftlicher Hauptkennzahlen gelegt. Im Kontext der aktuellen Nachhaltigkeitsentwicklung sind wir bemüht, uns noch stärker einer ganzheitlichen und nachhaltigen Unternehmensstrategie zu verschreiben. Dabei möchten wir mit einer Optimierung im Bereich der CO2-Emissionen vorhandene Einsparpotentiale identifizieren und nutzen. Zudem wollen wir uns vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung einer nachhaltigen Personalstrategie widmen, um der Herausforderung des Fachkräftemangels besser begegnen zu können.

2. Betrachtung des Unternehmensumfelds und wesentlicher Einflussfaktoren (die doppelte Wesentlichkeit)

Die ESRS verlangen neben einer Strategie folgende Betrachtung der doppelten Wesentlichkeit:

a. Das Unternehmen muss analysieren, wie hoch die Auswirkung des eigenen Unternehmens auf Umwelt und Soziales ist.

b. Umgekehrt muss analysiert werden, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte auf das Unternehmen auswirken.

Beispiel:

„ Ein Unternehmen sieht in seiner CO2-Emission ein hohes Risiko (inside out): Bei gleichbleibend fortschreitender CO2-Emission wird das Unternehmen im Branchenvergleich keinen Beitrag zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels leisten.

„ Der demografische Wandel bedroht die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens (outside in): Ein Standort in Deutschland wird bei fortschreitender Alterung der

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Belegschaft in 10 Jahren nicht mehr zu halten sein. Die Schaffung eines neuen Standorts wird das Unternehmen mit Kosten in Höhe von x EUR belasten.

3. Maßnahmen

Das Unternehmen muss Maßnahmen beschreiben, die Risiken aus den oben genannten Schritten zu minimieren. Eine Erfassung von Mengeneinheiten ist unbedingt nötig.

Beispiel:

„ Das Unternehmen XY führt ein Berichtswesen ein, um die Nachhaltigkeitsinformationen besser tracken zu können. Reisekosten sollen durch eine fortschreitende Digitalisierung verringert werden.

„ Der Vertrieb erhält Vergütungsanteile, die sich an einer CO2Einsparung orientieren.

„ Durch gezielte Gewinnung weiblicher Fachkräfte sollen die freiwerdenden Stellen besetzt werden. Der bisherige Anteil von Arbeitnehmer*innen muss in Zukunft erhöht werden. Im Vergleich zum Branchendurchschnitt ist dieser aktuell noch zu gering.

6. Identifikation fehlender Nachhaltigkeitsinformationen [Nutzung der Überschriften in den ESRS zur Orientierung]

7. Schrittweise Bildung von Kennzahlen

Beispiel: Equal Pay [Vgl. ESRS S 1, AR 100 (Pay Gap).]

„ Datenqualität, Datenmanagement und Datenintegration sind eine zentrale Aufgabe.

„ Eine Normenintegration senkt Verwaltungskosten.

„ Vermeintlich alte Standards aus der Prüfung können auch im Bereich Nachhaltigkeit Anwendung finden (zum Beispiel Ausführung zu den IKS oder zum Thema Daten; siehe IDW-Prüfungsstandards).

Das Unternehmen muss herausarbeiten, welche Daten schon vorliegen und wie man mit diesen die vorgesehenen Maßnahmen untermauern kann.

Beispiel:

„ Zum Thema Arbeitssicherheit werden Seminare durchgeführt.

„ Die Arbeitszeiten werden kontrolliert. Ein Zeiterfassungssystem checkt automatisch die Stunden der Arbeitnehmer*innen und signalisiert Verstöße gegen die gesetzliche Arbeitszeit.

„ Validierung der Maßnahmen durch KPI

5.

Die zentrale strategische Aufgabe liegt dann für die Bauunternehmen darin, Nachhaltigkeitsinformationen, Prozesse und Strukturen zu verknüpfen (auch diejenigen, die eigentlich für die Finanzinstitute ausgelegt sind, zum Beispiel die PAI). So sind beispielsweise die PAI geeignet, im Bereich der Akquisition Projekte zu identifizieren, die ggf. zu vermeiden sind. Die ESRSDatenpunkte zeigen ggf. eine nachhaltige Tätigkeit, können aber gleichzeitig auch im Kosten-Controlling genutzt werden. Genaue Daten im Bereich der Materialbestandteile, die ggf. bei der Taxonomie zur Überprüfung von Anforderungen der REACH [REACH = Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals (Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien) -Verordnung) eine Rolle spielen, können zugleich helfen, Potenziale für eine etwaige Substitution in der eigenen Wertschöpfungskette zu schaffen (zum Beispiel bei Lieferengpässen durch Diversifikation der Lieferkette; Optimierung des SupplyChain-Management).

Ein gutes Bescheinigungsmanagement der Nachunternehmer*innen sichert das Unternehmen vor zusätzlichen Kosten und Kalkulationsfehlern ab.

Ergebnis der Betrachtung der Bauwirtschaft:

„ Prozesse rücken in den Fokus von Finanzdienstleister*innen.

„ Um gegenüber Finanzdienstleister*innen eine gute Ausgangsposition zu bewahren, sollte eine Betrachtung der Anforderungen, zum Beispiel der SFDR, der PAIs etc. erfolgen.

„ Verwaltungsaufwendungen werden steigen.

„ Modelle aus der KLR Bau funktionieren in Teilen auch bei der Nachhaltigkeit.

„ Nachhaltigkeitsinformationen und herkömmliches Controlling sind kein Widerspruch.

5. Strategische Herausforderungen für Bauunternehmen

In der Regel sind Bauunternehmen Bauleistungsanbieter, das heißt, sie bieten auf eine kund*innenseitig vorgegebene Leistungsbeschreibung ihre Leistungsfähigkeit an, die Kund*innenwünsche zu erfüllen. Damit fehlt es an der Möglichkeit, die eigenen Leistungen von denen der anderen Wettbewerbern abzugrenzen. Durch die unzureichenden Diversifizierungsmöglichkeiten und die Vorgaben der öffentlichen Auftraggeber im Rahmen der Vergabeverfahren sind Bauunternehmen zumeist einem reinen Preiswettbewerb ausgesetzt. Weitere Parameter kommen derzeit noch selten zum Tragen. Aufgrund eines klaren Marktumfelds erlangen Unternehmen Aufträge teilweise nur durch ein gegenseitiges Unterbieten. Als Resultat entstehen nicht auskömmliche Preise und unabgestimmte Wertschöpfungsketten. Wenn Nachhaltigkeit im Lebenszyklus von allen am Markt beteiligten Parteien als zwingender Preisbestandteil einkalkuliert werden muss, also im öffentlichen Vergaberecht ebenso verbindlich gefordert wird wie in der Privatwirtschaft, so stünde dem reinen Preiswettbewerb auf Submissionsmärkten ein Preiskorrektiv entgegen, über das auch auf Bauleistungsmärkten eine Erweiterung hin zu vielseitigeren Marketingund Absatzmöglichkeiten entstünde.

[Vgl. Ökonomie des Bauens, Teil I: Volkswirtschaftliche Grundlagen –Der zweipolige Baumarkt, hrsg. vom

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4. Validierung der Maßnahmen durch KPI Zuordnung der Erkenntnisse in die Systematik der ESRS
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BWI-Bau, Düsseldorf/Wiesbaden 2022.]

Es lässt sich noch nicht klar identifizieren, wo die neuen Kosten der Nachhaltigkeit letztendlich ihren Niederschlag finden. Jeder Funktionsbereich muss unter Berücksichtigung einer möglichst umfänglichen Datenbeschaffung und Datenintegration untersucht und strukturiert werden. Da Unternehmen dabei auch einen stärkeren Fokus auf die Erfassung und Auswertung von Mengengerüsten legen müssen, kann gleichzeitig auch die Kommunikation von technischen und kaufmännischen Bereichen optimiert werden. So sind zum Beispiel Schadstoffe in Lieferscheinen auszuweisen oder CO2-Emissionen über Mengen zu berechnen. Bei den Methoden zur Berechnung sollte möglichst mit objektivierten bzw. anerkannten Daten gearbeitet werden. Dann taucht jedoch unweigerlich die Frage auf, welche Datengrundlagen letzten Endes von verschiedenen Adressat*innen akzeptiert werden.

Nachhaltigkeit und eine diesbezügliche Prüfbarkeit von Strukturen und Prozessen ist nur möglich, wenn die Strukturen und Prozesse von der Datenqualität über das Datenmanagement bis hin zur Datenintegration transparent sind. Datenqualität, Datenmanagement und Datenintegration sind ebenfalls Voraussetzungen für multidimensionale Modelle, ohne die nachhaltiges Handeln in komplexen Systemen nicht möglich ist. So wird zum Beispiel die Nachhaltigkeitsthematik aller Voraussicht nach die Einführung der Methode BIM [BIM = Building Information Modeling, Integration einer Lebenszyklusanalyse (oder auch Umweltbilanz, Ökobilanz; Englisch life cycle assessment - LCA)] als ProjektmanagementTool beschleunigen.

Aus der genauen Kenntnis von Strukturen und Prozessen leitet sich auch eine bessere Kenntnis der Selbstkosten mit und ohne Projektbezug ab (bewertet in EUR, CO2, Stickoxiden etc.).

Auftraggeber*innen haben ein Interesse an klaren Wirkungszusammenhängen, damit die daraus resultierenden Preise eine ausreichende

Berechenbarkeit erhalten. Aber auch die Auftragnehmer*innen haben Interesse an einer vorhandenen Berechenbarkeit. Bei einer fehlerhaften Darstellung von Wirkungszusammenhängen drohen Fehlallokationen, zum Beispiel bei der Bewertung von CO2-Verbräuchen im Konstruktionsprozess.

Dabei geht es nicht nur um eine Abbildung von Nachhaltigkeit über den gesamten Prozess, sondern auch um die Notwendigkeit, Nachhaltigkeit vollständig, richtig und nachvollziehbar in Werte zu überführen. [Vgl. IDW EPS 352 (Stand August 2022).] Eine hohe Transparenz im Bereich Nachhaltigkeit geht somit einher mit einer erhöhten Transparenz der Kostenstruktur. Es kann aber nicht im Interesse der Auftragnehmerseite sein, die eigene Kostenstruktur gegenüber Auftraggeber*innenn und Konkurrent*innen so transparent zu machen, dass nur noch Preise nahe am Marktgleichgewicht eines vollkommenen Wettbewerbsmarktes realisiert werden können. Eine Gesellschaft als Ganzes hat bei Preisen mit geringen Margen keine Chancen auf Innovation und Produktivitätssteigerungen.

Höhere Margen werden auf Märkten aber nur erzielt, wenn Auftragnehmer*innen ein gewisses Recht auf Informationsfriktionen haben. Die Auftraggeberseite darf ihren Informationsbedarf nicht "übertreiben". Die Effizienz von Prozessen und Strukturen schlägt sich letztendlich in Preisen nieder und es ist im gesamtwirtschaftlichen und -gesellschaftlichen Interesse, keine vollkommene Preistransparenz zuzulassen. Aus diesem Grunde existiert auch ein Kartell- und Wettbewerbsrecht, um Marktungleichgewichte durch einen vollständigen Informationsaustausch zur Preisbildung zu verhindern.

„ Die Untergrenze des Informationsanspruchs liegt in der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, Wettbewerbsrecht, Datensicherheit und Datenschutz. Zudem darf seitens der Auftragnehmer*innen nicht mit Nachhaltigkeitsparametern "gespielt" werden. [Annahmen und

Werte müssen nachvollziehbar im Sinne der kaufmännischen GoB (Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung) sein.]

„ Die Obergrenze für den "Verschlüsselungsanspruch" liegt beim Risiko, dass die Auftragnehmer*innen ihre Daten nicht mehr zuordnen können und damit Fehlleistung und Leerkosten als zurechenbare AGKs/BGKs ausweisen. Auch bei der Obergrenze sind die beiden Themen der Einhaltung des Wettbewerbsrechts sowie der Verhinderung von Spekulationen zu berücksichtigen.

Das Management von Daten in Bezug auf Nachhaltigkeit sowie deren Integration ist in diesem Zusammenhang eine besondere Herausforderung.

Fazit

Auch wenn sich eine angemessene "Übersetzung" bei der Umrechnung von Nachhaltigkeitsparametern in allgemeingültige Bewertungsschemata auf absehbare Zeit noch problematisch gestaltet, so ermöglichen zusätzliche Nachhaltigkeitsparameter doch Spielräume bei der Preisfindung, denn über entsprechende Nachhaltigkeitskomponenten kann der gesamtgesellschaftliche Nutzen weiter erhöht werden. Gleichzeitig können Bauunternehmen sich von einer reinen Preisorientierung lösen. Darüber hinaus gerät der gesamte Produktlebenszyklus stärker in den Mittelpunkt. Nachhaltigkeit muss vom Ergebnis her verstanden werden. Nur so lassen sich das Naturgesetz Nachhaltigkeit und die Nachhaltigkeitsbemühungen der Menschen miteinander in Einklang bringen bzw. nur so lässt sich Nachhaltigkeit objektivieren.

Multidimensionale Datenmodelle steigern den Druck auf Auftraggeber*innen und Auftragnehmer*innen, die Einführung von BIM stärker zu betreiben.

Das Spannungsfeld zwischen Informationstransparenz und Informationsfriktionen sollten vor allem auch Politik und Wirtschaft nicht aus dem Blick geraten.

Auch Nachhaltigkeitsparameter können schlussendlich wettbewerbsund kartellrechtlich relevant sein.

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Autor*in:

Dipl.-Kfm. Sascha Wiehager, CISA Geschäftsführender Institutsleiter des BWI-Bau.

Ausbildung zum Steuerfachangestellten (bereits mit ersten Kontakten zu Kunden aus der Baubranche); Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Wirtschaftsprüfung an der Universität Duisburg. Nach Abschluss des Studiums mehrjährige Tätigkeit in der Wirtschaftsprüfung mit weite-

ren Projekten in der Baubranche (Jahresabschluss, IT-Revision, Risikomanagement); berufsbegleitender Erwerb des US-amerikanischen Abschlusses zum Certified Information Systems Auditor (IT-Revision).

Dipl.-Kfm. Elvira Bodenmüller Aufgewachsen in einem Bauunternehmen und Ausprägung eines vertieften Verständnisses für die besonderen Probleme von Bauunternehmen. Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln mit den

Schwerpunkten Organisation, Finanzierung und Versicherungswissenschaft.

Seit 1987 im BWI-Bau, zunächst als Referentin für Fortbildung und Forschung, seit 1989 als Ressortleiterin für den Fachbereich "Baubetriebliches Personalwesen"; seit 2006 als Prokuristin. Zuständig für Grundlagenarbeiten in den BWI-Bau-Leistungsbereichen Weiterbildung und Information.

Mitglied des Prüfungsausschusses Baufachwirt der IHK Köln

Dipl.-Kfm.

Sascha Wiehager, CISA

Geschäftsführer und Institutsleiter BWI-Bau

Dipl.-Kfm.

Elvira Bodenmüller

Prokuristin BWI-Bau

Ressortleiterin Personalwesen / Beschaffungsmanagement

SAVE THE DATE: WING-Forum am 2. Juni 2023

Das WING-Forum wird als neues Veranstaltungsformat alternierend zum WING-Kongress eingeführt. Dadurch besteht jedes Jahr die Möglichkeit, sich auf einer Präsenzveranstaltung persönlich zu treffen. Das erste Forum mit dem Thema „Energiewende“ findet bereits am 02. Juni 2023 in Wien statt:

Ort: Österr. Post AG, Rochusplatz 1, 1030 Wien Zeit: 9:00 bis ca.13:00 Uhr

Mit namhaften Vortragenden sollen die technischen, betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Aspekte der Energiewende in Europa/Österreich beleuchtet werden. Nähere Informationen folgen zeitgerecht.

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Lean Management im Kontext der Nachhaltigkeit am Beispiel A2 Südautobahn Bauvorhaben Lärmschutzwand Biedermannsdorf/Laxenburg (BVH LSW A2)

Um dem Handlungsprinzip der Nachhaltigkeit zu folgen, sind (Bau-)Firmen ab einer gewissen Umsatzgröße spätestens mit dem Nachhaltigkeitsbericht ab dem Geschäftsjahr 2025 dazu verpflichtet, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Im Fokus der drei Säulen der Nachhaltigkeit

„ Ökonomie, „ Ökologie und „ Soziales/Kulturelles

gilt es dabei nicht nur in der Planung und Ausführung die Ressourceneffizienz und die Kosten zu betrachten, sondern diese für den gesamten Lebenszyklus zu berücksichtigen, da der Einsatz von optimalen Bauprodukten sowie die eingesetzten Mittel (Wasser, Gas, Strom etc.) sowohl in der Herstellung als auch während der Nutzung einen erheblichen Einfluss auf das Ausmaß der Belastung der Umwelt darstellen. Neben den ökologischen und ökonomischen Faktoren kommt der dritten Säule der Nachhaltigkeit, der sozialen bzw. kulturellen Bewertung, eine weitere tragende Rolle zu. Dabei steht der Mensch mit seinen kulturellen und sozialen Gewohnheiten sowohl als

Herausforderung als auch als Chance im Mittelpunkt. Der Fokus in der österreichischen Bauwirtschaft liegt dabei auf dem Gesundheitsschutz, dem Arbeitsschutz sowie der nachhaltigen Implementierung von Fachkräften –sowohl im Angestellten- als auch im Arbeiter*innenbereich.

In der Gesamtbetrachtung stellen somit der sorgsame Umgang mit Rohstoffen, die Reduktion der Treibhausgase, das Setzen auf innovative Systeme und das Übernehmen der sozialen Verantwortung der Mitarbeiter*innen und Stakeholder*innen die grundlegenden zukünftigen Herausforderungen für die österreichische Bauwirtschaft dar. Dies erfordert Bewusstsein und Verständnis für die Mitmenschen sowie eine transparente Kommunikation und Kooperation mit allen Projektbeteiligten.

Wie bereits im Bericht der Energie- und Umweltforschung vom BMK 36/2021 unter dem Titel „Die CO2

neutrale Baustelle – Ein Beitrag zum Klimaschutz der österreichischen Bauwirtschaft“ festgehalten, liegen die größten Potentiale zur Reduktion von Emissionen im Wesentlichen in folgenden Sphären:

„ Organisatorische Maßnahmen

Bsp.: Verlegen der Bauzeit (Reduktion der CO2-Emissionen in Hinblick auf Heizen und Kühlen), Taktung, gezielte und vorausschauende Einsatzplanung und Arbeitsvorbereitung, Einsatz von BIM, Digitalisierung bzw. Einsatzmöglichkeiten von Softwarelösungen allgemein, Schulung von Personal, Planung und Einsatz von nachhaltigen Materialien etc.

„ Baumaschinen und Geräte

Bsp.: Lieferlogistik, Just-in-Time-Gedanke, Nutzung von Synergien von Baustellen im Hinblick auf die Standorte und den Bedarf von Verfuhrmaterial, herkömmliche Kraftstoffe (Diesel, Benzin) vs. alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff oder Strom, Schulung von Personal etc.

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Peter Krohn, Alexander Harnisch, Martin Stopfer
Foto: ©ASFINAG

„ Effizienzsteigerung durch Technologie

Bsp.: Abschaltautomatik, Rekuperation – Rückgewinnung von „überschüssiger“ kinetischer Energie, Abschaltung nicht-aktiver Maschinenelemente, intelligente Verdichtungswalzen etc.

„ Abfallwirtschaft

Abfallentsorgung, Wiederverwendung von Materialien, Wiederverwertung und Aufbereitung von Abbruchmaterial, Planen und Einsetzen von nachhaltigen Materialien etc.

„ Heizen

„ Erzeugung von erneuerbarer Energie auf der Baustelle

Ein wesentlicher Aspekt der Reduzierung von Emissionen wird den organisatorischen Maßnahmen zugeschrieben. Hierbei ist in den vergangenen Jahren ein Managementsystem bzw. eine Änderung der Denkweise auf dem Vormarsch, welche das Potential hat, dem Handlungsprinzip der Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Das der Lean-Gedanke nicht nur ein Werkzeug, sondern ein Mindset ist, wird nachfolgend am bereits umgesetzten Bauvorhaben (BVH) Lärmschutzwand (LSW) an der A2 von den Projektbeteiligten berichtet, welches eines der ersten Pilotprojekte der ASFINAG unter dem Einsatz von Lean darstellt.

Nachhaltigkeit am Beispiel BVH

LSW A2

Bei diesem Pilotprojekt handelt es sich um das bereits an der A2 Süd Autobahn gelegene, fertiggestellte Projekt „LSW Biedermannsdorf/ Laxenburg“, welches im Wesentlichen den Abtrag von bestehenden (Höhen bis zu 6 m) und die Herstellung von neuen Lärmschutzwänden (Höhen bis zu 10 m) für einen besseren Schallschutz im Bereich der Gemeinden Biedermannsdorf und Laxenburg umfasste. Die Herstellung durch die ARGE HABAU –BERNEGGER erfolgte in einem auf beiden Richtungsfahrbahnen vierstreifig mit Pannenstreifen und baulicher Mitteltrennung ausgebauten Streckenabschnitt der A2 unter laufendem Betrieb, was zur Folge hatte, dass eine 6+2-Verkehrsführung einzurichten und vorzuhalten war.

Aufgrund der Vielzahl an Taktabschnitten und einer knappen Bauzeit von ca. neun Monaten wurde seitens der ASFINAG entschieden, LeanConstructionManagement (LCM) einzusetzen, um das rund 24 Millionen Euro teure Projekt effizient und effektiv abwickeln zu können. Unter der Projektleitung von Ing. Alexander Harnisch (ASFINAG), der bereits bei der Erstellung der ÖBV-Richtlinie „Lean Planen, Bauen & Betreiben“ mitwirkte und dem Bmstr. Ing. Martin Stopfer (LEAN.WIEN) in der Funktion als Lean-Experte, der beim Projekt von der ARGE HABAU – BERNEGGER gestellt wurde, ist das Pilotprojekt erfolgreich mit LCM abgewickelt worden, sodass sich die ASFINAG entschieden hat, LCM in weiteren Pilotprojekten anzuwenden.

Die ASFINAG ist als innovative und nachhaltige Mobilitätsanbieterin Österreichs eine unverzichtbare Partnerin in der Klimawende. Daher setzt das Unternehmen bereits seit vielen Jahren unter anderem auf ressourcenschonendes Bauen und den Einsatz alternativer Energie zur Eigenstromversorgung. Das Ziel der ASFINAG ist es, bis 2030 bilanziell energieautark zu sein. Und auch bei der Materialrecylingquote zeigt sich, dass beispielsweise Beton- und Asphaltabbruch mit mehr als 90 Prozent wieder in den Verwertungskreislauf gebracht werden. Aber auch in anderen Bereichen wie der Bauprojektplanung und dem Bauprojektablauf kann und wird der Fokus auf Effizienz, Nachhaltigkeit und Umweltschonung gelegt. Damit das zukünftig noch besser gelingt, setzte die ASFINAG bei der Errichtung des Lärmschutzes für Biedermannsdorf/Laxenburg erstmals auf Lean Construction Management (LCM). Hierbei wurde besonders darauf Wert gelegt, dass jederzeit ein klarer Einblick in laufende Prozesse gegeben ist, um so Leistungsstörungen, Missverständnisse und damit Fehler deutlich reduzieren zu können. Das Fazit des Ersteinsatzes ist durchwegs positiv. Wobei generell gilt, dass mehr Vertrauen in die Methode diese noch effizienter und zielgerichteter funktionieren lässt. Denn um zukunftsorientiert, un-

ter Berücksichtigung der sich rasch ändernden Anforderungen zu wirtschaften, ist auch ein zeitgemäßer Umgang aller Projektbeteiligten miteinander erforderlich. Ergänzend zu den umfangreichen Vorschriften und Vorgaben wird daher diese innovative Methode des LCM und deren Vorteile, die letztlich sowohl der ASFINAG aber in einem hohen Maße auch den Kundinnen und Kunden zu Gute kommen, in der Projektbearbeitung aufgegriffen.

Was bedeutet Lean (engl. “schlank”)?

Das Toyota Production System, welches außerhalb Japans als Lean Management bekannt ist, wurde von Toyota nach 1945 in einer Zeit der Not entwickelt. Japan war nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkt an Material- und Personalressourcen und fokussierte dadurch insbesondere den Ansatz, ressourcenschonend und verschwendungsarm zu produzieren. Dabei wird nach den folgenden acht Verschwendungsarten unterschieden:

1. Wartezeiten

2. Fehler, Mängel

3. Lagerbestand

4. Überproduktion

5. Ungeeignete Prozesse

6. Ineffiziente Bewegungsabläufe

7. Transport

8. Ungenutztes Mitarbeiterpotenzial

Im Bauwesen sind die häufigsten Verschwendungsursachen Wartezeiten (z.B. Vorleistung nicht zeitgerecht fertig, fehlende Entscheidungen des Bauherrn, Behördenverfahren, verspätete Anlieferung von Material), Fehler bzw. Mängel (z.B. Planungsfehler, Ausführungsmangel) und ineffiziente Bewegungsabläufe (z.B. Suche nach Informationen oder Geräten oder Material, suboptimale Baustelleneinrichtung).

Der zweite wesentliche Ansatz von Lean Management ist die Etablierung oder Verbesserung einer “Kultur der Zusammenarbeit”. Gemeinsam werden Störungs- oder Fehlerursachen identifiziert und durch einen integralen Lösungspro -

28 WINGbusiness 1/2023 TOP-THEMA

zess wird versucht diese zu eliminieren.

Auswirkungen von Lean Management auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit

Im Vergleich zu den Umständen, in denen sich Toyota nach dem Krieg wieder fand, erleben wir aktuell eine Zeit, in der die Ressourcen knapp sind. Fachkräftemangel oder Lieferkettenprobleme beeinflussen unter anderem die Bauproduktion. Deswegen ist die Vermeidung von Verschwendung im Bauprozess enorm wichtig. Werden die Planungs- und Ausführungsaktivitäten effizienter gestaltet, so ist eine monetäre Einsparung für die Prozessbeteiligten sofort messbar. Damit wird das Bauen billiger und in manchen Fällen sogar wieder leistbar.

Zusätzlich hat fast jede Verschwendung einen CO2-Fußabdruck. Unter dem Aspekt, dass der Bausektor und das Betreiben von Bauwerken für etwa 38 % des weltweiten CO2Ausstoßes verantwortlich sind, wird es noch offensichtlicher, welche positiven Auswirkungen auf die Umwelt eine Reduktion in diesem Bereich mit sich führt. Der positive “Nebeneffekt” von Lean Management ist, dass nicht nur ein ökonomischer Mehrwert geschaffen wird, sondern auch ein ökologischer.

Transparenz und Zusammenarbeit

Als projektbegleitende/r Lean Manager*in obliegt es einem insbesondere, ein Team zu formen und den Mehrwert dieser Zusammenarbeit mit den Werten, Prinzipien, Methoden und Werkzeugen verständlich zu machen. Da beim Pilotprojekt der ASFINAG die Initiative zu Lean vom Bauherrn kam und damit alle Projektbeteiligten involviert werden konnten, gestaltete sich die Umsetzung vergleichsweise einfach. In der Vorbildfunktion wurde vom Projektteam der ASFINAG bei Baubeginn der Wissensstand aus der Planungsund Vorbereitungsphase transparent dargelegt und so dem Baustellenteam der ARGE HABAU - BERNEGGER die Abstimmung mit dem Projektumfeld erleichtert. Besonders hervorzuheben ist, dass neben den

Subunternehmer*innen auch die Hauptlieferant*innen eingebunden waren. Dies schaffte mehr Klarheit und Abstimmungsmöglichkeiten für die Schnittstellen aller Projektbeteiligten. Trotz der schwierigen Randbedingungen (Covid-19-Pandemie, Ukraine-Krieg) konnte eine zeitgerechte Fertigstellung ohne besondere Forcierungsmaßnahmen erzielt werden.

Schlussendlich erzeugt die kollaborative bzw. kooperative Abwicklung in der Regel eine positive Projektstimmung. Aus der Erfahrung der Autoren, sind solche Projekte erfolgreicher hinsichtlich der Einhaltung von Budget, Zeit und Qualität. Durch die Streitreduktion haben die Projektbeteiligten mehr Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten, was sich in weiterer Folge positiv auf das Projekt auswirkt. Daraus resultieren auch eine höhere Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen.

ASFINAG goes Lean

Beim Lean Management hat die ASFINAG als erste öffentliche österreichische Auftraggeberin im Straßenbau die Anwendung von Lean-Methoden in der Bauphase als Pilotprojekt ausgeschrieben. Bei der Errichtung der Lärmschutzwand auf der A2 hat sich herausgestellt, dass die Einbeziehung aller Projektbeteiligten (Auftragnehmerin, Subunternehmer*innen, Planende, ÖBA, Lieferant*innen etc.) in den Lean-Besprechungen erhebliche Vorteile mit sich bringt. Die Arbeitsschritte wurden von den Verantwortlichen aller beteiligten Unternehmen aktiv bei den wöchentlichen Meetings in der Gruppe besprochen, sodass man auf das Wissen aller Projektbeteiligten zurückgreifen konnte. Das Ergebnis waren ein effektiver Abstimmungsprozess und ein positives Gesprächsklima mit einem gemeinsamen Ziel – „das Beste für das Projekt“ (best for project).

Im direkten Vergleich mit anderen Bauvorhaben kann festgehalten werden, dass die Auftraggeberin tiefere Einblicke in Prozesse erlangen konnte und damit einzelne Schritte und kleinere Probleme bei der Abwicklung sichtbar wurden. Durch

die Einbindung der Auftraggeberin, der Planenden und der ÖBA, konnte im Gegenzug auch die Auftragnehmerin und deren Subunternehmende vom Wissen aus der Planungsphase profitieren. Bei allen Projektbeteiligten wurde durch die transparente Abwicklung das Gesamtprojektverständnis gefördert. Dadurch ist das gegenseitige Verständnis der Projektpartner*innen zueinander gestiegen, wodurch das Miteinander automatisch gestärkt wurde. Die Ausführungsphase war trotz schwieriger Rahmenbedingungen (Lieferketten, Ressourcenverfügbarkeit, Ukrainekonflikt) sehr erfolgreich, sodass sowohl der Kostenrahmen als auch Terminvorgaben eingehalten werden konnten.

Die Lärmschutzwand schützt seit Dezember 2022 die Bewohner*innen in den zwei Anrainergemeinden Biedermanndorf und Laxenburg und hat damit auch einen hohen sozialen Wert. Die Betrachtungsweise - „das Beste für das Projekt“ - ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Abwicklung jeglicher Art von Projekt. Die Verwendung von Lean-Methoden unterstützt die Abwicklung sämtlicher Planungs- und Bauprojekte. Bei großen, komplexen Projekten ist die Unterstützung von externen unabhängigen Spezialistinnen und Spezialisten äußerst wertvoll. In der ASFINAG sind daher weitere Lean-Einsätze vorgesehen. Durch die damit erzielte Effizienzsteigerung und die gleichzeitige Reduktion nicht wertschöpfender Tätigkeiten kann ein wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet werden.

Neben Lean Construction (= Lean in der Bauphase) wird seit kurzem auch bei Planungsprojekten Lean Design (= Lean in der Planungsphase) angewendet. Schon bei den ersten

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Foto: © HABAU GROUP

Schritten wie der Gesamtprozessanalyse und der Meilenstein- und Phasenplanung zeigt sich die Effizienz der Lean Methode auch im Planungsprozess. In der ASFINAG ist die Umsetzung weiterer Lean-Einsätze für Projekte geplant, um auf den bisherigen positiven Erfahrungen aufzubauen.

Mehrwert als ausführende ARGE

Beim Bauvorhaben Lärmschutzwand A2 ist aus Sicht der HABAU GROUP hervorzuheben, dass durch die gemeinsame Betrachtung des Gesamtprozesses in Lean-Besprechungen die Zusammenhänge von Anfang an für alle Projektbeteiligten transparenter und frühzeitiger erkannt sowie verstanden wurden. Neu dabei ist das Einbinden aller Mitwirkenden in den Prozess. Dabei liegt der Mehrwert in der frühzeitigen Steuerung und dem Abfedern etwaiger Probleme, die für alle Projektbeteiligten in der LeanBesprechung transparent und klar angesprochen werden. Im Vergleich zu herkömmlich gelebten Projektabwicklungen liegt der Fokus verstärkt auf dem Projekterfolg sowie dem gemeinsamen Blick auf das Werk und dem Verständnis für das Gegenüber.

Entscheidend war dabei die Kommunikation und dass alle einen wesentlichen Überblick über die entscheidenden Prozesse hatten. Dabei war

es nach wie vor unabdingbar, dass man komplexe Themen (technische Fragen etc.) weiterhin in direkten Abstimmungen im Kontext der LeanPrinzipien außerhalb der wöchentlich stattgefundenen einstündigen LeanBesprechungen abhandeln musste.

In der Zukunft wird der Fokus verstärkt auf der Wandlung des Mindsets liegen, da es allgemein eines Veränderungsprozesses in unseren gelebten Strukturen bzw. in unserer (Bau-) Kultur bedarf, um unsere Komfortzone sukzessive zu erweitern, damit eine kooperative Projektabwicklung möglich ist. Die bloße Anwendung von Werkzeugen wie beispielsweise dem LastPlannerSystem wird nicht zu einer nachhaltigen Veränderung der jahrzehntelang gelebten Strukturen und Prozesse führen. Das Schaffen von Verständnis und ein transparentes Kommunizieren unter der Berücksichtigung einer positiv gelebten Fehlerkultur werden zu einer Optimierung der Prozesse führen und somit einen nachhaltigen Beitrag zur Reduktion von Emissionen leisten.

Autoren:

Dipl.-Ing. Peter Krohn, BSc Peter Krohn ist seit Mitte 2022 die zentrale Anlaufstelle für Lean Management in der HABAU GROUP. Krohn schloss sein Studium für

Bauingenieurwesen an der TU Wien ab und war zuvor in einem Zivilingenieurbüro für bauwirtschaftliche Fragestellungen, ÖBA-, BK- und PS-Tätigkeiten tätig. Während des Studiums sammelte der gebürtige Wiener branchenübergreifende Erfahrungen vom Architekturbüro über Tragwerksplaner bis hin zur Baufirma.

Ing. Alexander Harnisch

Ing. Alexander Harnisch ist Projektleiter und schloss das Camillo Sitte Bautechnikum in Wien ab. Nach einigen Jahren bei einem Zivilingenieurbüro für Baumanagement, bei dem er als Leiter der Örtlichen Bauaufsicht tätig war, wechselte er zur ASFINAG und ist seither dort als Projektleiter tätig.

Bmstr. Ing. Martin Stopfer

Zertifizierter Lean Manager

Martin Stopfer war in der Bauindustrie fast 30 Jahre im Bereich Infrastruktur-, Kraftwerks-, Tunnel- und Spezialtiefbau tätig. Seit 2019 leitet er das Bauherrnmanagement der FH CAMPUS WIEN, ist geschäftsführender Gesellschafter der LEAN CONSTRUCTION MANAGEMENT GmbH (www.lean.wien) und Co-Founder des KI-Software-Unternehmens CONBRAIN SOLUTIONS GmbH (www.conbrain.solutions).

Bmstr. Ing.

Martin Stopfer

Zertifizierter Lean Manager,

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Dipl.-Ing Peter Krohn, BSc Lean Management HABAU GROUP Ing. Alexander Harnisch Projektleiter ASFINAG Bauherrnmanagement der FH CAMPUS WIEN

Der Einfluss der EU-Taxonomie auf die Baubranche

Die Nachhaltigkeitswelle der Europäischen Union kommt mit immer größerer Dynamik auf die österreichische Baubranche zu. Der European Green Deal wird dabei durch diverse Nachhaltigkeitsgesetze und -vorschriften die Zukunft skizzieren. Nachstehend wird mit der EU-Taxonomie jenes Instrument vorgestellt, welches europäische Wirtschaftstätigkeiten in nachhaltigere Bahnen lenken soll.

Index Terms – EU-Taxonomie, European Green Deal, Nachhaltigkeit, Berichterstattung, Key Performance Indikatoren (KPI), CSRD, taxonomiekonform, nachhaltiges Wirtschaften, Transparenz und technische Bewertungskriterien

I. Was ist die EU-Taxonomie – Eine kurze Einführung

Mit der Taxonomie-Verordnung sollen Finanzströme gegenwärtig und zukünftig in Richtung nachhaltiger Investitionen gelenkt werden, indem ein einheitliches Verständnis zu ökologisch-nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten aufgebaut wird. Im Zuge dessen findet eine Entwicklung von technischen Bewertungskriterien statt, auf deren Basis transparent, mess- und somit nachvollziehbar veranschaulicht werden kann, ob und wie nachhaltig der Umsatz, ein konkretes Investment oder eine betriebliche Ausgabe tatsächlich ist.

Dabei legt die Verordnung die sechs in Abbildung 1 dargestellten Zielkategorien fest.

Diese Ziele umfassen jene Umweltthemen, die sich auch in anderen Dokumenten des Green Deals, wie der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), finden. Die ersten

beiden Punkte umfassen Themen des Klimawandels sowie der Anpassung an diesen. Hierzu zählen jeglicher Ausstoß von Treibhausgasen (CO2, Methan etc.) sowie der unternehmensspezifische Umgang mit Energieressourcen. Als drittes Ziel wird ein nachhaltiger Umgang mit Wasserressourcen angepeilt. Generell birgt der Umgang mit unseren Ressourcen ein enorm hohes Potential an Einsparungen, sowohl in ökologischer als auch in finanzieller Hinsicht. Im Zuge dessen wird mit dem Ziel „Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft“ der Ansatz verfolgt, Materialien möglichst oft wiederzuverwenden, zu recyceln oder notfalls aufwandsarm zu entsorgen.

Die beiden weiteren Ziele behandeln einerseits die Vermeidung der Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden und andererseits die natürliche Umwelt des Unternehmens (biologische Vielfalt sowie die Ökosysteme). Mit diesen sechs Themenfeldern soll der positive bzw. negative

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Foto: © Michael Vitus Dollmann Abbildung 1: Die sechs Umweltziele der EU-Taxonomie

Einfluss einer Organisation auf seine Umwelt aufgezeigt werden.

II. Wer muss ab wann berichten?

Im Zusammenhang mit diesen Zielen stellt sich die wichtige Frage, wer überhaupt berichten muss. Derzeit fallen unter die Verordnung (EU) 2020/852 jene Unternehmen, welche auch der nichtfinanziellen Berichterstattungspflicht nach Artikel 19a und 29a der Richtlinie 2013/34/EU (in Österreich: Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG)) unterliegen. Diese müssen 2023 für das vorangegangene Jahr (01.01.2022-31.12.2022) zu den ersten beiden Zielsetzungen aus Abbildung 1 Erklärungen veröffentlichen.

Für die bereits berichtspflichtigen Organisationen gilt dann ab dem 01.01.2023, dass sie Informationen zu allen sechs Umweltziele der EU-Taxonomie offenlegen. Mit Inkrafttreten der CSRD-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, deren Berichtspflicht ab 2024 für das Berichtsjahr 2025 greift, erweitert sich die Berichtspflicht auf jegliche Unternehmen, welche zwei der nachfolgenden drei Kriterien erfüllen:

„ Bilanzsumme > 20 Millionen €

„ Umsatz > 40 Millionen €

„ Mehr als 250 Beschäftigte

Dadurch erweitert sich die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen noch einmal deutlich, da nicht nur mehr große Unternehmen direkt, sondern in Folge von globalen und länderübergreifenden Wertschöpfungsketten auch immer mehr KMU indirekt betroffen sein werden.

III. Wie wird eine Wirtschaftstätigkeit taxonomiekonform?

Wie bereits erwähnt, werden bei der EU-Taxonomie technische Bewertungskriterien genutzt, um qualitativ und quantitativ nachzuweisen, ob eine Wirtschaftstätigkeit die Anforderungen erfüllt und somit als taxonomiekonform gilt. Dabei wird eine Formel genutzt, um die Überprüfung durchzuführen (siehe Abbildung 2).

Eine Tätigkeit muss dabei im ersten Schritt einen wichtigen Beitrag zu

mindestens einem, im Idealfall mehreren Umweltzielen leisten. Ist dies der Fall, so darf dabei keines der übrigen Ziele negativ beeinflusst werden. Das wird als DNSH-Prinzip („Do not significant harm“) bezeichnet. Mit dem dritten und abschließenden Kriterium wird sichergestellt, dass im Zuge der Wirtschaftstätigkeiten soziale Mindeststandards nach anerkannten Leitlinien (z.B. UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen) eingehalten und passende technische Bewertungskriterium verwendet werden.

Werden diese drei Faktoren erfüllt, ist der Umsatz, die Investition oder Betriebsausgabe gemäß der Verordnung taxonomiekonform. Ist eine Wirtschaftstätigkeit nach den gezeigten Schritten grundsätzlich bewertbar, wird sie als taxonomiefähig geführt. Im Zug der Ergebnisse aus der Analyse der eigenen Geschäftstätigkeiten erhält ein Unternehmen abschließend eine prozentuale Verteilung an taxonomiekonformen sowie taxonomiefähigen Wirtschaftstätigkeiten, welche für interessierte Stakeholder berichtbar sind. Eine beispielhafte Tabelle ist weiterführend zu sehen (Tabelle 1):

IV. Einfluss der Taxonomie auf die Baubranche – Ein Beispiel

Die Technischen Bewertungskriterien umfassen 14 Bereiche. Für Bauunternehmen ist dabei vor allem das Kapitel 4 für Ingenieurbauwerke und das Kapitel 5 für Gebäude relevant. Am Beispiel 5.1 „Bau neuer Gebäude und umfassende Renovierung von Gebäuden für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft“ soll gezeigt werden, wie der Aufbau für eine Bewertung aussehen kann. Im genannten Beispiel müssen die folgenden Kriterien (nach dem Kriterienkatalog der Platform on Sustainable Finance: Technical Working Group) erfüllt werden:

1. Mindestens 90 % der nicht gefährlichen Bauabfälle sind recycelbar bzw. wiederverwendbar;

2. Ökobilanzierung gemäß Level(s) und EN 15978;

3. Baupläne und -techniken unterstützen die Kreislaufwirtschaft, Ermöglichung von Wiederverwendung und Recycling durch ressourceneffiziente, anpassungsfähige, flexible und leicht demontierbare Konzepte;

4. Mindestens 30 % der eingesetzten Materialien stammen aus Recycling, Wiederverwendung oder -aufbereitung (sofern dies technischen Normen entspricht und nicht intensiver an CO2-Emissionen ist als ein neues Material);

5. Das Design fördert die Materialund Ressourceneffizienz (Nutzung von Best-Practice-Beispielen);

6. Asbestfreie Baustoffe, welche keine besonders besorgniserregende Stoffe enthalten

7. Einsatz digitaler Werkzeuge, die die Erhaltung und Verlängerung der Lebensdauer sowie Wiederverwendung fördern (z.B. Digital Twins, Wartungspläne).

Im nächsten Schritt wird dann überprüft, ob und in welcher Form andere Umweltziele beeinflusst werden. Zum Beispiel soll das Gebäude nicht auf einer grünen Wiese mit anerkannt hohen Wert an biologischer Vielfalt gebaut werden, denn dadurch werden die Biodiversität und Ökosysteme (sechstes Umweltziel) negativ beeinträchtigt und somit das „Do not significant harm“-Kriterium nicht erfüllt. Erst wenn alle Umweltziele gemäß DNSH-Prinzip auf potentielle und tatsächliche negative Aspekte überprüft und davon freigesprochen wurden, ist dieses Kriterium erfüllt.

Mit diesen Überprüfungen kann somit, passend für das ressourcenintensive Bauwesen, aufgezeigt werden, wie durch Wiederverwendung und Recycling, Ökobilanzierungen und

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Abbildung 2: Formel zur Überprüfung der Taxonomiekonformität

weitere Methoden Umwelt-Hotspots identifiziert und Bauwerke nachhaltiger geplant, errichtet, genutzt und entsorgt werden können. Zudem geht aus diesem kurzen Beispiel eindrucksvoll hervor, welcher Aufwand sich im Zuge der Berichterstattung nach EUTaxonomie ergibt. Die Bauunternehmen stehen dabei vor der Aufgabe, entsprechende Nachhaltigkeitsstrukturen zu entwickeln, um mit diesen gesetzlichen Entwicklungen mitzuhalten. Wie kann einem Unternehmen das gelingen?

V. Der Einsatz von Key Performance Indikatoren (KPI)

Essenziell dafür sind nachhaltigkeitsbezogene Daten und Informationen, um die eigenen Auswirkungen auf die Umwelt sowie die Einflüsse der Umwelt auf die Organisation zu verstehen. Der Einsatz von Key Performance Indikatoren im Zuge eines entsprechenden (umweltbezogenen) Kennzahlenmodells kann dabei helfen, diese Themen qualitativ und quantitativ messbar zu machen. Damit wird, aufbauend auf die Unternehmensziele, zunächst der Datenbedarf ermittelt und dann ein Plan entworfen, wie diese aufgenommen und verarbeitet werden sollen.

Dieses Vorgehen bietet auch den Vorteil, dass in Meetings mit den relevanten Stakeholdern belastbare Werte vorliegen und diese Parteien zielgerichtet über die Nachhaltigkeitsbestrebungen informiert werden können und sich diesbezüglich ausgetauscht werden kann. Alle erhobe-

nen Messwerte dienen weiterführend der verpflichtenden Berichterstattung nach der CSRD oder EU-Taxonomie, womit die Organisation ein angesprochenes Kennzahlenmodell zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Nachhaltigkeitsanforderungen nutzen kann. Neben den externen Verpflichtungen besteht außerdem die Möglichkeit eigene intern gesteckte Ziele zu definieren und die Auswahl der KPI an diese Zukunftsvisionen anzupassen.

Für die Einbindung der EU-Taxonomie in ein solches Modell kann die Auswahl von Key Performance Indikatoren (Daten) und benötigten Informationen folgendermaßen aussehen (Abbildung 3):

Im ersten Schritt werden dabei technische Bewertungskriterien je

Umweltziel aufgebaut und als Informationen für die Datenaufnahme der KPI zur Verfügung gestellt. Dann wird mit der ersten Kennzahl überprüft, inwieweit ESG-Kriterien in die Finanzentscheidungen der Organisation miteinbezogen werden. Daraufhin kann identifiziert werden, wie viele der Wirtschaftstätigkeiten grundsätzlich taxonomiefähig (KPI 2) sind und welche davon im Zuge der Bewertung als taxonomiekonform bezeichnet werden können. Mithilfe dieser drei Indikatoren wird ersichtlich, wo die Nachhaltigkeitsstärken und -schwächen eines Unternehmens liegen und welche Verbesserungsmaßnahmen ergriffen werden sollen. Am Ende dieses Prozesses liegt schlussendlich ein schlüssiger und nachvollziehbarer Bericht der ökologischen Nachhaltigkeit im Zuge der Wirtschaftsleistung eines Unternehmens vor.

VI.Abschließendes

Es dürfen auch weiterhin Bauwerke errichtet werden, welche nicht die Anforderungen der EU-Taxonomie erfüllen. Die EU-Taxonomie zeigt dabei jedoch deutlich, wohin die Entwicklung der europäischen Wirtschaft gehen soll und wird. Die Anzahl an ökologisch-nachhaltigen Gebäuden und Bauwerken wird weiter zunehmen und darauf müssen sich die österreichische Baubranche und ihre Unternehmen einstellen.

VII. Referenzen

1. Europäische Union 2020. Amtsblatt der Europäischen Union: L 198 Verordnung (EU) 2020/852 13-43

2. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. 2022. Die EU-Taxonomie: Eine Einführung für Bauunternehmen.

Abbildung

3. Platform on Sustainable Finance: Technical Working Group 2021. Part B – Annex: Full List of Technical Screening Criteria August 2021 601-606

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Tabelle 1: Beispielhafte visuelle Darstellung der Wirtschaftskonformität 3: Daten- und Informationsbedarf im Zuge der Pflichterfüllung der EU-Taxonomie

Autor:

Michael Vitus Dollmann , BSc

Bachelorstudium Bauingenieurwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Graz, Abschluss 2021. Masterstudium Wirtschaftsingenieurwesen – Bauwesen an der Technischen Universität Graz, laufend. Bachelorstudium Betriebswirtschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz, laufend.

Michael Vitus Dollmann, B.Sc. ist studentischer Projektmitarbeiter an der Technischen Universität Graz am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft in der Arbeitsgruppe Chancen-Risikomanagement und Digitalisierung.

Innovation Gala 2023

Innovation Gala

7. Juni 2023, 16:00-18:30 Uhr Schumpeter Labor für Innovation, Inffeldgasse 11 / III

DieInnovation Gala wird am 7.Juni 2023 im Schumpeter Labor für Innovation unter dem Motto "Innovation in Academia" stattfinden. Zusätzlich wird sie auch wieder weltweit via Livestream übertragen. Die Innovation Gala ist der Höhepunkt des internationalen und interdisziplinären Projekts Product Innovation.

Ursprünglich inspiriert wurde das Format durch das einjährige Programm ME310 in Design Thinking an der d.school der Stanford University in Kalifornien (USA). Nach dem Konzept des Experience Based Learning bietet das Projekt den Studierenden die Möglichkeit, an realen Aufgabenstellungen von Industrie-Partnern zu arbeiten. Die Teams erhalten ein Projektbudget von bis zu €10.000 zur Entwicklung und prototypischen Umsetzung ihrer Konzepte.

Michael Vitus Dollmann, BSc

Studentischer Projektmitarbeiter an der Technischen Universität Graz am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft

Uninachrichten

Einige dieser Ideen haben bereits zu neuen Produkten und Patenten geführt. Die Studierenden haben die Möglichkeit ihr Wissen in verschiedensten Bereichen, wie beispielsweise in der Produktentwicklung, oder dem Prototyping zu vertiefen, sowie auch die individuellen Soft Skills weiterzuentwickeln. Neben den erlernten theoretischen Hintergründen sammeln die Studierenden nicht nur ECTS sondern auch praktische Erfahrungen in enger Kooperation mit unseren Industriepartnern.

Seit 2006 wurden mehr als 63 Projekte mit 34 österreichischen Unternehmen durchgeführt. Über 500 Studierende aus 57 Nationen hatten die Möglichkeit, diesen einzigartigen Kurs zu erleben. Die 26 teilnehmenden Studierenden aus den diesjährigen fünf Teams stellten sich den Herausforderungen unserer Industriepartner Andritz, AVL, Fronius, Palfinger und TDK.

Team Andritz sucht nach Lösungen für eine ökologisch nachhaltigere Nutzung der Energie im Faserstoffproduktionsprozess. Team AVL befasst sich mit der universellen Anwendbarkeit von Sensoren für die Messung zukünftiger Antriebssysteme. Team Fronius beschäftigt sich mit Extended Reality Anwendungen der Produktentwicklung von Morgen. Team Palfinger spezialisiert sich auf die Sicherheit von Hebebühnen bei LKWs und Team TDK sucht Anwendungen der akustische Datenverbindung durch ultraschallbasierte Energie- und Datenübertragung durch Metall.

Wir freuen uns Sie bei der diesjährigen Innovation Gala begrüßen zu dürfen! Die Anmeldung zur Veranstaltung wird ab Anfang Mai über unsere Website verfügbar sein.

Bis dahin scannen Sie für mehr Einblicke in das Projekt den QR-Code und besuchen Sie uns online.

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© Lunghammer -TU Graz

Mit dem Mut zur Innovation.

Wir beweisen Vielfalt. Und das in Österreich schon seit 120 Jahren.

Über 2.000 fleißige Hände und Denker sind tagtäglich für unsere innovativen und erfolgreichen Projekte engagiert bei der Sache. In einem Unternehmen mit Tradition, in dem Sie nicht nur das Heute, sondern auch das Morgen im Hochbau, Tiefbau und Betonbau mit(auf)bauen können. Willkommen bei uns!

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Zentrale: 8020 Graz, Feldgasse 14

T 0316 / 27 11 11, zentrale@granit-bau.at

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Umgang mit Daten zur standardisierten Identifikation von Treibhausgasemissionen auf Baustellen

Bei der Umsetzung von Bauprojekten entstehen unzählige Daten und Informationen. Von der Erfassung dieser Daten bis hin zur Generierung aussagekräftiger Ergebnisse und neuer Erkenntnisse bedarf es standardisierter Prozesse. Datenanalysen und Datenvisualisierungen in Form von Berichten bzw. Dashboards können wesentlich dazu beitragen Treibhausgasemissionen messbar zu machen und in weiterer Folge große THG-Emittenten in Bauprozessen aufzudecken und eine Reduktion dieser zu veranlassen.

TRANSFORMATION VON VERFÜGUNGS- IN ORIENTIERUNGSWISSEN

Bei der Ermittlung der Treibhausgasemissionen einer Baustelle ergibt sich aus der Individualität eines jeden Bauprojektes und den wechselnden Einflussfaktoren während des Bauprozesses die Notwendigkeit einer geeigneten Modellbildung. Berechnungsmethoden für die Ermittlung von THG-Emissionen hängen davon ab, welche Daten zur Verfügung stehen. Somit spielen die Datenerhebung und der anschließende Umgang mit Daten eine zentrale Rolle.

Im Laufe der Bauzeit entstehen kontextbezogene Daten und Informationen in Form von Verfügungswissen, welches unstrukturiert vorliegt. Dieses bildet die Grundlage für zuverlässige Auswertungen in Bezug auf Bauprojekte. Das Verfügungswissen wird mit Hilfe der Datenaufbe-

reitung einer Veredelung unterzogen und somit in Orientierungswissen transformiert. Um standardisierte Berechnungen durchführen zu können, bedarf es der Erstellung geeigneter Modelle (Hofstadler, 2021).

Bei solchen Modellen ist zu beachten, dass stets eine Wechselwirkung zwischen dem Modellsubjekt und dem Modellobjekt vorliegt, wobei das Modellsubjekt, sprich der/ die Ersteller*in oder auch der/die Nutzer*in des Modells ein Verständnis für notwendige Prozesse und Systeme aufweisen muss, um wichtige Zusammenhänge und Details erkennen zu können. Das Modellobjekt ist ein Bauwerk, ein Baulos oder ein einzelnes Bauteil (Hofstadler, 2021).

Betrachtet man in diesem Zusammenhang die einzelnen Prozesse im Datenlebenszyklus (Abbildung 1) liegt es nahe, dass die notwendige Transformation von Verfügungswissen in Orientierungswissen zum einen Fach-

wissen aus der IT und zum anderen Fachwissen bezogen auf den Bauprozess und die Bewertung von Nachhaltigkeit erfordert. Die sogenannte SelfService Business Intelligence bietet die Möglichkeit relativ einfach mit einem demensprechenden Interface, Datenanalysen auch von nicht IT-spezialisierten Anwender*innen durchführen zu lassen. Da der richtige Umgang mit Daten auch für Bauleiter*innen, Bautechniker*innen etc. von Bedeutung ist, tut sich anhand dieser BI-Tools ein gewisser Vorteil bzw. eine Chance für die Baubranche auf. Wichtig ist jedoch, dass eine einfache Handhabung auch die Gefahr birgt, dass individuelle Lösungen entstehen.

Der einheitliche Umgang im Rahmen des Datenlebenszyklus von der Erfassung/Gewinnung bis hin zur Archivierung oder Löschung muss durch entsprechendes Datenmanagement und unternehmensweite Richtlinien gegeben sein.

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Foto: © Melanie Ulz Melanie Ulz

DATENERFASSUNG

Zuerst muss definiert werden, welche Daten für eine standardisierte Identifikation von THG-Emissionen benötigt werden. Es ist nicht zielführend, wahllos Daten zu erheben und anschließend zu eruieren, welche Daten für die Berechnung eingesetzt werden, da die Datenerfassung ein aufwendiger Schritt ist. Wie verlässlich eine Auswertung ist, wird maßgeblich vom Prozess der Datenerhebung beeinflusst.

Laut Greenhouse Gas Protocol werden Daten auf zwei Arten gesammelt. Direkte Emissionsdaten, die durch direktes Messen oder Modellieren erhoben werden oder durch das Sammeln von Aktivitätsdaten (z.B. Gewicht eines Materials, zurückgelegte Kilometer, verbrauchte Energie etc.) und der anschließenden Multiplikation mit einem entsprechenden Emissionsfaktor (Bhatia et al., 2011).

Bei der Datenerfassung kann in Primärdaten und Sekundärdaten unterschieden werden. Unter ersterem versteht man Daten, die aus spezifischen Prozessen im Lebenszyklus des betrachteten Bauwerks erhoben werden. Beispielsweise sind das Materialmengen, der Kraftstoffverbrauch oder Kilowattstunden an Strom die für den bestimmten Prozess des spezifischen Bauwerks aufgewendet werden. Sekundärdaten hingegen stammen nicht aus dem spezifischen

Prozess im Lebenszyklus des untersuchten Bauwerks.

Diese Daten werden entweder aus externen Quellen wie Lebenszyklusdatenbanken entnommen, können aber auch aus anderen Prozessen des Unternehmens oder von Lieferanten stammen, welche stellvertretend für eine Aktivität im Lebenszyklus des Bauwerks herangezogen werden (Bhatia et al., 2011).

Bei der Beurteilung, welche Daten für eine Berechnung notwendig sind, ist es erforderlich Abgrenzungen festzulegen. Abbildung 2 zeigt beispielhafte Systemgrenzen für Stahlbetonarbeiten bei einem Hochbauprojekt.

Hierbei kann der Bauprozess in fünf emissionsverursachende Bereiche (Ressource, Personal, Gerät, Abfall und Logistik) gegliedert werden. Unter Ressource wird Material verstanden, das auf der Baustelle eingebaut wird und somit dort verbleibt. Dieses verursacht unter anderem Emissionen durch den Abbau von Rohstoffen, durch Prozesse bei der Herstellung im Werk etc. Die eingesetzten Geräte - Leistungsgeräte sowie Vorhaltegeräte im Rahmen der Realisierung des Bauprojektes – verbrauchen ebenso Energie (Kraftstoff, Strom). Ein weiterer Bereich ist dem Personal zugeschrieben. Durch die Personallogistik von elementarem sowie dispositivem Personal entstehen ebenfalls THG-Emissionen. Auch die Material-, Geräte- und Abfalllogistik muss Berücksichtigung finden. Emissionen, welche durch die Abfallbehandlung von Abfällen entstehen, werden auch miteinbezogen.

Woher stammen nun Daten für die Auswertung? Aktivitätsdaten stammen aus Lieferscheinen, Rechnungen, Leistungsverzeichnissen, Plänen, digitalen Bauwerksmodellen, Bautagesberichten, Fahrtenbüchern etc. Der Einsatz von Gadgets, welche beispielsweise an Firmenfahrzeugen

und Geräten angebracht werden, ermöglicht es den Energieverbrauch zu messen bzw. zurückgelegte Strecken zu erheben und die Daten direkt an die Datenbank bzw. an das BI-Tool zu übergeben (Richter, 2022). Diese Automatisierung stellt einen großen Mehrwert im Rahmen der Datenerhebung dar. Emissionsfaktoren können aus Lebenszyklusdatenbanken wie beispielsweise der ÖKOBAUDAT oder ecoinvent entnommen werden. Betrachtet man die Datenherkunft, wird ersichtlich, dass es viele Daten aus unterschiedlichen Quellen zu kombinieren gilt, dafür sind BI-Tools prädestiniert.

Vor der Datenerhebung sollte ein Konzept erstellt werden, das definiert welche Informationen ein Dashboard der/dem Anwender*in zu liefern hat. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Möchte man Betonlieferungen konkreten Bauteilen zuweisen, erfordert dies schon bei der Erfassung der Daten eine Zuordnung zu solchen. Damit kann dann durch eine Zeitachse am Dashboard in Kombination mit Lieferscheinen und dem digitalen Bauwerksmodell, das Betonieren in zeitlicher Abfolge visuell dargestellt werden. Dazu ist schon vor der Datenerhebung festzulegen, in welchem Detaillierungsgrad Daten für eine solche Darstellung benötigt werden.

DATENQUALITÄT

Betrachtet man den Datenlebenszyklus, ergibt sich die Notwendigkeit einer Überprüfung der Datenqualität schon sehr früh, nämlich im Rahmen der Datenerfassung (Grillenberger, 2021). Auch das GHG-Protokoll fordert die Datenqualitätsbewertung schon während der Datensammlung (Bhatia et al., 2011).

Ein Datenmanagementplan ist ein unterstützendes Instrument während der Datenerfassung. Dadurch wird eine Dokumentation der Datenerhebung (Datenquellen) und des Bewertungsprozesses bezüglich der Datenqualität vorgenommen. Durch ein Daten-Screening können maßgebende Prozesse im Lebenszyklus des Bauwerks aufgedeckt werden, dabei empfiehlt das GHG-Protokoll ein erstes Schätzen von Emissionen anhand von Sekundärdaten. Durch ein Ranking der verursachten THG-Emissionen

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Abbildung 1: Datenlebenszyklus (Vgl.: Grillenberger, 2021; Hofstadler, 2021)

können Tätigkeiten, die einen großen Einfluss im Lebenszyklus eines Produktes bzw. Bauwerks haben, identifiziert werden. Bei der Datenerhebung kann dadurch hinsichtlich der bedeutenden Prozesse gezielt der Fokus auf die Erfassung von Primär- oder hochwertigen Sekundärdaten gelegt werden. Das GHG-Protokoll verwendet bei der Bewertung der Datenqualität eine qualitative Methode. Dabei werden Bewertungskriterien für jeden Qualitätsindikator eingesetzt (Bhatia et al., 2011).

Daten müssen zeitlich, geografisch sowie technologisch repräsentativ sein (Bhatia et al., 2011; Austrian Standards International, 2022). Der Normenentwurf ÖNORM EN 15941:2022 definiert Kriterien und Aspekte der Datenqualität für die Erfassung der Umweltqualität von Produkten und Bauwerken. Dabei sollen bei der Bewertung der Datenqualität auf Produkt- und Gebäudeebene die Aspekte Präzision, Vollständigkeit, Repräsentativität, Konsistenz und Datenquellen beurteilt werden (Austrian Standards International, 2022).

DATENMODELLIERUNG

Um standardisierte Auswertungen von THG-Emissionen durchführen zu können, müssen komplexe Informationen und Zusammenhänge der Wirklichkeit in ein System überführt werden, das eine vereinfachte und reduzierte Darstellung dieser Realität zulässt. Das kann durch eine Modellbildung bewerkstelligt werden. Dies verlangt, wie eingangs erwähnt, ein Modellsubjekt, welches durch seine Kombinationsfähigkeit und Möglichkeit zur Kontexteinbettung in der Lage ist, den Daten und Informationen Bedeutung zuzuweisen (Hofstadler, 2021).

Die Daten müssen dabei sinnvoll strukturiert werden. Die Informatik bezeichnet diesen Prozess als Datenmodellierung. Dabei erfolgt eine gegliederte Beschreibung der in Prozessen eingesetzten Informationsobjekte, wobei Zusammenhänge der Daten durch das Festlegen von Beziehungen definiert werden (Gadatsch, 2019).

Betrachtet man die Datenmodellierung für die Identifikation von

THG-Emittenten werden Abläufe, welche Emissionen verursachen, vereinfacht und reduziert abgebildet. Diese Abstrahierung ist notwendig, um eine Auswertung überhaupt erst zu ermöglichen. Dabei sollte die Zuordnung von Daten zu Lebenszyklusphasen eines Bauwerks, wie es in der ÖNORM EN 15643:2021 (Nachhaltigkeit von Bauwerken – Allgemeine Rahmenbedingungen zur Bewertung von Gebäuden und Ingenieurbauwerken) definiert ist, gegeben sein, um eine notwendige Transparenz zu gewährleisten. Durch Datenstrukturierung werden Vergleiche und die Bewertung von Alternativen einfacher umgesetzt. Bei der Berechnung von THG-Emissionen kommen Emissionsfaktoren zum Einsatz, wobei durch die Ablage von Quellen im Datenmodell die Nachvollziehbarkeit von Berechnungsergebnissen erhöht wird.

DATENVISUALISIERUNG

BI-Tools haben ihre Stärken nicht nur in der Kombination von verschiedensten Datenquellen, sie ermöglichen es auch Datenvisualisierungen anhand von Dashboards vorzunehmen, wobei Berechnungen im Hintergrund durchgeführt werden.

Beispielsweise führt die Einbindung des digitalen Bauwerksmodells

dazu, dass eine Auswertung der THG-Emissionen auf Bauteilebene stattfindet. Das kann so weit gehen, dass per Mausklick auf ein Bauteil, konkret die verursachten Treibhausgase ausgeben werden. Dabei versteht es sich Transparenz zu gewährleisten und auch Daten darzustellen, die solch ein Ergebnis auf Bauteilebene berechnen. Auf keinen Fall dürfen Datenpräsentationen dazu führen, dass Ergebnisse ohne jeglichen Kontext dargestellt werden. Dies würde zu Fehlinterpretationen führen und bei dem/der Anwender*in berechtigte Zweifel bezüglich der Richtigkeit der Ergebnisse aufkommen lassen. Gerade solche Szenarien sollten durch richtig angewendete Datenvisualisierung verhindert werden. Hier ist der/ die Dashboard-Ersteller*in gefragt, welche/r die benötigten Informationen definiert, um die notwendige Transparenz zu gewährleisten. Es wird angemerkt, dass eine Nachvollziehbarkeit von Ergebnissen nicht nur bei Dashboards wichtig ist, sondern jegliche Form der Datenpräsentation betrifft.

Außerdem können Karten am Dashboard integriert werden um die Lage von Lieferanten, die Lage der Baustelle und zurückgelegte Transportstrecken zu visualisieren. Dies ist zum einen wichtig, um – wie schon erwähnt – Transparenz zu gewährlei-

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Abbildung 2: Beispielhafte Systemgrenzen für die Stahlbetonarbeiten einer Baustelle (Quelle: Dollmann, Ulz)

sten, zum anderen aber auch um zu erkennen, ob bestimmte Lieferungen von anderen, günstiger gelegenen Standorten/Lieferanten bezogen werden können.

Des Weiteren ist bei der Datenvisualisierung darauf zu achten, geeignete Diagramme zu verwenden. Nicht jeder Diagrammtyp eignet sich für jede Art von Daten. Die International Business Communication Standards (IBCS) bieten Gestaltungsregeln beim Einsatz von Diagrammen, Präsentationen und Dashboards.

FAZIT

Wer sich mit der Identifikation von THG-Emissionen beschäftigt, wird schnell merken, dass ein datengetriebener Lösungsansatz, zielführend ist. Der gesamtheitliche Umgang mit Daten vom Anfang bis zum Ende (Datenlebenszyklusbetrachtung) wird hier als Erfolgsfaktor gesehen, vor allem wenn es darum geht Glaubwürdigkeit und Transparenz der Berechnungsergebnisse sicherzustellen.

Die einfache Verknüpfung unterschiedlicher Quellen bietet einen großen Mehrwert. Wenn ein BIMModell vorhanden ist, kann dieses in die Datenanalyse-Software implementiert werden. Dadurch ergibt sich ein großer Mehrwert bei der Auswertung.

REFERENZEN

Austrian Standards International. (2022). Nachhaltigkeit von Bauwerken – Datenqualität für die Erfassung

der Umweltqualität von Produkten und Bauwerken

– Auswahl und Anwendung von Daten (ÖNORM

EN 15941:202210-15). https:// effects.austrianstandards.at/action/de/private/details/721857/

OENORM

EN_15941_2022_10_15

Bhatia, P., Brown, A., Cummis, C., Draucker, L., Lahd, H. & Rich, D. (2011). Product Life Cycle Accounting and Reporting Standard. World Resources Institute and World Business Council for Sustainable Development.

Gadatsch, A. (2019). Datenmodellierung. Einführung in die Entity-Relationship-Modellierung und das Relationenmodell (2. Auflage). Springer Vieweg.

Grillenberger, A. (2021). Big Data aus Perspektive der Informatikdidaktik. LOG IN, 41(1), 18-24. Hofstadler, C. (2021). Multisystemische Hybridpyramide für den agilen Baubetrieb. System- und Prozessinteraktionen mit der Digitalisierung. In C. Hofstadler & C. Motzko (Hrsg.), Agile Digitalisierung im Baubetrieb. Grundlagen, Innovationen, Disruptionen und Best Practices (S. 3-45). Springer Vieweg. Richter, N. (2022). CO2 – FUSSABDRUCK DER STAHLBETONARBEITEN IM HOCHBAU (Unveröf-

Studentische Projektmitarbeiterin an der Technischen Universität Graz am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft

fentlichte Masterarbeit). Technische Universität Graz.

Autorin:

Melanie Ulz, BSc BSc Bachelorstudium Architektur an der Technischen Universität Graz, Abschluss 2017. Bachelorstudium Bauingenieurwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität Graz, Abschluss 2020. Masterstudium Wirtschaftsingenieurwesen – Bauwesen an der Technischen Universität Graz, laufend.

Melanie Ulz, BSc BSc ist studentische Projektmitarbeiterin an der Technischen Universität Graz am Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft in der Arbeitsgruppe Chancen-Risikomanagement und Digitalisierung. Weiters beschäftigt sie sich im Rahmen ihrer Tätigkeit beim Unternehmen Ulz Bau-Sanierung GmbH unter anderen mit der Umsetzung digitaler Konzepte für die Bauausführung.

39 WINGbusiness 1/2023 TOP-THEMA

WINGnet Graz – Jahresrückblick

Aller Anfang ist schwer, jedoch nicht unmöglich!

Dies konnte der Studierenden-Verein WINGnet Graz dieses Jahr beweisen und die Ergebnisse können sich sehen lassen

Aufgrund der COVID-19 Krise musste der Verein starke Einbußen an aktiven Mitgliedern bewältigen. In der Generalversammlung im März 2022 stand das WINGnet Graz kurz vor der Auflösung, glücklicherweise entschieden sich ein paar junge mutige Neumitglieder die Herausforderung anzunehmen und die Vorstandspositionen weiterzuführen. Der neue Vorstand sah das riesige Potenzial des WINGnets und schöpfte dieses zur Fülle aus.

Die erste Herausforderung war es, neue Mitglieder zu generieren. Da zur Zeit der Amtsübergabe weniger als zehn aktive Mitglieder bestanden, wurden mehrere „WELCOME DAYS“ veranstaltet, in denen sich der Verein vorstellen konnte. Dank des ambitionierten Vorstandsteams traten somit innerhalb von einem Monat mehr als 30 neue Mitglieder bei.

Der erste Meilenstein war also geschafft, doch nun musste sich der Vorstand einen Plan überlegen, wie sie ihre Ressourcen nutzen können, um den Verein wieder ins Rampenlicht zu rücken. Aus diesem Grund wurde der alljährliche WINGnet Spritzerstand veranstaltet, und zwar größer als je

zuvor. Mit etwas Glück war das Wetter beständig und der Innenhof der Inffeldgasse füllte sich immer mehr, es war ein voller Erfolg!

Durch den ersten großen Schritt wurde der Zusammenhalt aller Mitglieder gestärkt und das Team freute sich schon auf das nächste große Event, den WING-Kongress 2022. Dank der Hilfe des WINGnets konnte der Kongresstag erfolgreich über die Bühne gebracht werden und es baten sich viele neue Chancen für Firmen an, mit den Jungen Wirtschaftler*innen zusammenzuarbeiten.

Aufgrund der zahlreichen Gespräche mit hochrangigen Firmen am Kongress, konnte das WINGnet wichtige Kontakte aufbauen. Dies führte zur Einladung der Firma TDK für eine Werksführung und Firmenpräsentation. Des Weiteren konnte der Verein dank seiner Reichweite ein Online LookIN für P&G beisitzen und promoten.

Das erste Semester war geschafft, doch auf die WINGnets warteten noch einige große Events. Im Oktober wurden in Zusammenarbeit mit ESTIEM eine Exchange mit den

Münchner Kollegen veranstaltet, welcher beim Council Meeting in Istanbul als bester Exchange des Jahres gekrönt wurde.

Im November war es dann wieder so weit, weihnachtliche Stimmung kommt auf und Studierende dürstet es nach Glühwein. Aus diesem Grund veranstaltete der Verein einen Glühweinstand mit mehr Kapazitäten, um jedes Bottleneck zu vermeiden. Trotz des schlechten Wetters waren die Teilnehmerzahlen unglaublich und ein weiterer Meilenstein war geschafft.

Nun ist das Jahr 2022 vorbei und das WINGnet Graz erstrahlt wieder in voller Pracht. Von den anfänglichen 10 Mitgliedern gelang es dem Vorstandsteam sage und schreibe 66 neue aktive Mitglieder anzuwerben. Trotz des großen Erfolges ist die Arbeit der WINGnets jedoch noch nicht getan, es stehen nämlich noch zahlreiche LookINs und Firmen-Workshops am Plan. Des Weiteren bereitet sich das aktuelle Vorstandsteam darauf vor, ihre potenziellen Nachfolger einzuschulen, um die Erfolgsrate des WINGnets hochzuhalten oder gar zu erhöhen.

40 WINGbusiness 1/2023 WINGNET
Felix Wiegele Foto: © Clemens Nestroy

Supply-Management-Tagung unter dem Motto

Nach dem Powerday Zoll & Exportkontrolle Anfang März, der ganz im Zeichen aktueller Sanktionen und Embargos stand, findet am 26.04.2023 das nächste VNLEvent für Supply-Chain-begeisterte Wirtschaftsingenieur:innen an der FH JOANNEUM in Kapfenberg statt. Aufgrund der jahrelangen Kooperation zwischen dem Verein Netzwerk Logistik (VNL) und dem Industrial Management Club Kapfenberg (IMC), genießen alle Mitglieder vom WING als auch vom IMC Vorzugskonditionen und können zum VNLMitgliederpreis teilnehmen. Das diesjährige Programm im Überblick:

Workshop am Vormittag: Nachdem die letzten Jahre stark von Lieferengpässen, gepaart mit hohen Preissteigerungen seitens der Lieferanten

geprägt waren, rücken die Themen Pricing und Cost-Down-Maßnahmen 2023 wieder weit nach oben auf die Agenda der Einkaufsmanager:innen. Aber die Weltmärkte haben sich noch lange nicht erholt. Um als Einkauf den Balanceakt zwischen aktivem Preismanagement und Versorgungsabsicherung bestmöglich zu meistern, geben Jörg Schweiger und Rudolf Hollmann mit ihrer jahrzehntelangen Einkaufserfahrung Praktiker:innen eine Toolbox für effektive Verhandlungs- und Lieferantenmanagementstrategien an die Hand.

Vorträge, Worldcafé & Netzwerken ab Mittag: Ab 13:00 teilen Expert:innen aktuelle Entwicklungen zu Markt- und Preisentwicklungen in der Lieferkette. Außerdem findet erstmalig ein World-Café statt, bei

dem die Teilnehmer:innen in moderierten Kleingruppen gegenwärtige Herausforderungen intensiv diskutieren können. Abschließend geht es zum Get-together & Networking mit Kolleg:innen aus unterschiedlichen Branchen. Durch den Tag führt Uwe Brunner, Leiter des Master-Lehrgangs International Supply Management am Institut für Industrial Management.

Anmelden können Sie sich ab jetzt online unter: www.vnl.at/de/veranstaltungen/powerday/supply-management-2023/

Um von den vergünstigten Konditionen profitieren zu können, geben Sie bitte bei der Anmeldung Ihren Status als WING- oder IMC-Mitglied bekannt!

41 WINGbusiness 1/2023 UNINACHRICHTEN Foto: © VNL
Johannes Dirnberger
„Einkauf 2023: Balanceakt zwischen Preiskampf und Supply-Chain-Resilienz“

WING to your success

…wir sind für Sie garantiert von Nutzen … Gerade in Zeiten wie diesen stellen ein reizvoller Workshop, das Verteilen von lukrativen Flyern oder eine interessante Firmenpräsentation effiziente und kostengünstige Möglichkeiten zur Werbung für Unternehmen in Fachkreisen dar. Hervorzuheben ist der Zugang zur Technischen Universität als Innovations- und Forschungsstandort der besonderen Art, denn im Zuge von Bachelor- und/oder Masterarbeiten können Sie Studenten in Ideen für Ihre Firma miteinbeziehen und mit ihnen innovative Lösungen ausarbeiten. Nicht zuletzt wird auf diesem Weg auch für die Zukunft vorgesorgt.

Denn schließlich sind es die heutigen Studenten der Technischen Universität, die morgen als Ihre Kunden, Händler oder Lieferanten fungieren. Mit WINGnet-Werbemöglichkeiten kann man diese nun schon vor dem Eintritt in das Berufsleben von sich und seiner Firma überzeugen und somit eine gute Basis für eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit schaffen. WINGnet Wien veranstaltet mit Ihrer Unterstützung Firmenpräsentationen, Workshops, Exkursionen sowie individuelle Events passend zu Ihrem Unternehmen. WINGnet Wien bieten den Studierenden die Möglichkeit- zur Orientierung, zum Kennenlernen interessanter Unternehmen und Arbeitsplätze sowie zur Verbesserung und Erweiterungdes universitären Ausbildungsweges. Organisiert für Studenten von Studenten.Darüber hinaus bietet WINGnet Wien als aktives Mitglied von ESTIEM (European Students of Industrial Engineering and Ma-

WINGbusiness Impressum

Medieninhaber (Verleger)

Österreichischer Verband der Wirtschaftsingenieure

Kopernikusgasse 24, 8010 Graz

ZVR-Zahl: 026865239

Editor Heft 1/2023

Assoc- Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Christian Hofstadler

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Redaktion/Layout

Chefin vom Dienst & Marketingleiterin: Mag. Beatrice Freund

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E-Mail: florian.schierlinger-brandmayr@tugraz.at

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E-Mail: andreas.kohlweiss@tugraz.at

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E-Mail: philipp.miklautsch@unileoben.ac.at

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Tel. +43 (0)316 873-7795, E-Mail: office@wing-online.at

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nagement) internationale Veranstaltungen und Netzwerke. In 24 verschiedenen Ländern arbeiten 66 Hochschulgruppen bei verschiedenen Aktivitäten zusammen und treten so sowohl untereinander als auch zu Unternehmen in intensiven Kontakt. Um unser Ziel - die Förderung von Studenten - zu erreichen, benötigen wir Semester für Semester engagierte Unternehmen, die uns auf verschiedene Arten unterstützen und denen wir im Gegenzug eine Möglichkeit der Firmenpräsenz bieten. Die Events können sowohl in den Räumlichkeiten der TU Wien als auch an dem von Ihnen gewünschten Veranstaltungsort stattfinden. Weiters können Sie die Zielgruppe individuell bestimmen. Sowohl alle Studienrichtungen als auch z.B. eine Festlegung auf Wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen ist möglich. Außerdem besteht die Möglichkeit eine Vorauswahl der Teilnehmer, mittels Ihnen vorab zugesandten Lebensläufen, zu treffen.

Auf unserer Webseite http://www.wing-online.at/de/ wingnet-wien/ finden Sie eine Auswahl an vorangegangenen Events sowie detaillierte Informationen zu unserem Leistungsumfang

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Auflage: 1.800 Stk.

Titelbild: (c) Melanie Ulz

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Erscheinungsweise

4 mal jährlich, jeweils März, Juli, Oktober sowie Dezember. Nachdruck oder Textauszug nach Rücksprache mit dem Editor des „WINGbusiness“. Erscheint in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit den einschlägigen Instituten an den Universitäten und Fachhochschulen Österreichs. Der Wirtschaftsingenieur (Dipl.-Wirtschaftsingenieur): Wirtschaftsingenieure sind wirtschaftswissenschaftlich ausgebildete Ingenieure mit akademischem Studienabschluss, die in ihrer beruflichen Tätigkeit ihre technische und ökonomische Kompetenz ganzheitlich verknüpfen. WING - Österreichischer Verband der Wirtschaftsingenieure ist die Netzwerkplattform der Wirtschaftsingenieure. ISSN 0256-7830

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Hintergrundfoto: Shutterstock (erworben)

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