Behörden Spiegel August 2017

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VIII / 33. Jg / 31. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / August 2017

www.behoerdenspiegel.de

Studium parallel zur Ausbildungn

“Ohne Netflix ziehen sie in die Stadt”

Mit viel Atmosphäre und Eindruck

Michel Golibrzuch

Christian Haase fordert Abteilung

Kathrin Sündermann ist

zur Nachwuchsgewinnung ...................... Seite 6

Kommunales im Kanzleramt .................... Seite 14

Restauratorin in Frankfurt/Main ............. Seite 44

Landshut kehrt zurück (BS/rup) In der Nacht vom 18.Oktober 1977 startete in Mogadishu die Operation “Feuerzauber”, die erfolgreiche Befreiung von 90 deutschen Geißeln aus der Hand eines palästinensischen Terrorkommandos durch die GSG 9. Die Boeing 737-200 mit der Flugnummer LH 181 trug den Namen Landshut. Ihre Odyssee ging weiter. Nach weiterer Nutzung wurde sie auf einem Platz in Brasilien stillgelegt und verrottete. Für 20.000 Euro kaufte sie zu Jahresbeginn das AA und die LH. Nach ihrer Rückführung soll sie ins Luft- und Raumfahrtmuseum nach Friedrichshafen, wohl weil die benachbarte Dornier Stiftung mitfinanziert. Die Renovierung wird aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien teilfinanziert. Um publikumswirksam im historischen Kontext an das Geschehen zu erinnern hatte das Haus der Geschichte vergebens auf die Tür gehofft, die als erste bei der Befreiung gesprengt wurde.

Finanzlage der Kommunen (BS/lkm) Die kommunalen Spitzenverbände haben ihre Prognose zur Finanzlage der Kommunen veröffentlicht. Für 2017 gehen sie von Einnahmesteigerungen von 5,6 Prozent und Ausgabenerhöhungen um 5,9 Prozent aus. Für 2018 wird eine Steigerung der Einnahmen um lediglich 1,8 Prozent erwartet. Ursache hierfür seien die nahezu stagnierenden laufenden Zuweisungen von Bund und Ländern. Der kommunale Finanzierungssaldo ist im Jahr 2017 voraussichtlich positiv. In den kommenden Jahren sei aber mit sinkenden Finanzierungssalden zu rechnen. Für 2019 prognostizieren die Kommunalverbände ein Defizit.

Neue Zulassungen (BS/jf) Die Bundesregierung arbeitet an der Zulassung von elektrisch betriebenen Kleinstfahrzeugen im Straßenverkehr. Dazu hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) eine Studie erstellt, die derzeit ausgewertet wird. Damit wurde die BASt beauftragt, “sich einen Marktüberblick über Elektrokleinstfahrzeuge zu verschaffen und zu prüfen, ob national eine Einteilung in Kategorien möglich ist”, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Ziel ist, die Kategorisierung für die Zulassung im Straßenverkehr zu nutzen. Ein zweiter Bestandteil der Studie ist eine Übersicht bereits bestehender Regelungen in anderen Ländern. Weitere laufende Forschungsprojekte zu diesem Thema sind nicht bekannt.

Gesetz verbogen Droht nach Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Tarifeinheitsgesetz ein Häuserkampf? (BS/Jörn Fieseler) Das Streikrecht bleibt. Auch für Minderheitengewerkschaften. Ebenso das Recht, eigene Tarifverträge abzuschließen. Nur Berufsgruppen in Schlüsselfunktionen dürfen ihre Stellung nicht ausnutzen, um einen ökonomischen Vorteil gegenüber den übrigen Beschäftigten zu erzielen. Das Tarifeinheitsgesetz bleibt ebenfalls bestehen – in weiten Teilen. Am Ende steht nach dem Karlsruher Richterspruch die Befürchtung, dass es weniger Friede in den Betrieben geben wird. Schwierigkeiten der Arbeitgeber, die sich daraus ergeben, mit mehreren Gewerkschaften zu verhandeln, rechtfertigen eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit nicht, heißt es im Urteil. Der Staat sei zur Neutralität verpflichtet. Zugleich sei es jedoch ein legitimer Zweck, die Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie herzustellen. Insbesondere Berufsgruppen in Schlüsselpositionen hätten kein Recht auf unbeschränkt tarifpolitische Verwertbarkeit der eigenen Position. Deshalb könne der Gesetzgeber Regelungen erlassen, die das Verhältnis der Tarifvertragsparteien auf derselben Seite treffen. Die Regelung, dass Tarifverträge der Mehrheit den der Minderheit verdrängen, ist deshalb nicht zu beanstanden, so die Argumentation der meisten Richter des Senats. Das sehen Prof. Dr. Dr. h.c. Susanne Baer – immerhin Berichterstatterin des Verfahrens – und ihr Kollegen Prof. Dr. Andreas L. Paulus, anders. Sie sind der Auffassung, das Urteil verkenne, dass das Gesetz “deutlich über das Ziel hinausschießt” (siehe dazu Seite 4). Die übrigen Senatsmitglieder haben nur Bedenken hinsichtlich der Verdrängung. Diese darf aber nicht dazu führen, dass etwa Leistungen, auf die Arbeitnehmer ihre Lebensplanung

Für manchen hat Karlsruhe das Gesetz zum Tarifeinheitsgesetz – ähnlich wie dieses Glasprodukt – sehr verbogen. Die praktischen Auswirkungen werden sich in der Zukunft zeigen. Foto: BS/© aetb, Fotolia.com

ausgerichtet haben, gestrichen werden. Deshalb muss der Gesetzgeber nachbessern: Für die Berufsgruppen, deren Tarifvertrag verdrängt wird, müssen Schutzvorkehrungen getroffen werden. In diesem Punkt ist das Gesetz verfassungswidrig, weil sie fehlen. Um das zu ändern, hat die neue Bundesregierung

bis 31. Dezember 2018 Zeit. Bis dahin muss die Mehrheitsgewerkschaft dies in ihrem Tarifvertrag sicherstellen. Aber wie? “Wir sollen also nicht nur für unsere Mitglieder zuständig sein, sondern auch noch für die anderen mitdenken”, meint der Leiter der Verdi-Rechtsabteilung Prof. Jens Schubert. Das

Gericht habe die Verfassungskonformität bejaht, wenn es so ausgelegt werde, wie im Urteil beschrieben, die Einzelfragen aber an die Arbeitsgerichte verwiesen, sagt Willi Russ, Zweiter Bundesvorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik im DBB Beamtenbund und Tarifunion. Die müssen in Zukunft nicht

Kommentar

Ändert sich dein Leben oder endet es? (BS) Es ist nicht nur der Albtraum für den Rechtsstaat, sondern mittlerweile auch der Albtraum eines jeden Bürgers. In allen Alltagssituationen kann man Opfer eines Anschlags werden. Die Wirkung ist gleich, egal ob es sich um einen von langer Hand geplanten Terroranschlag, einen Amokläufer handelt. Tod, Schwerverletzung und Traumatisierung, es bleibt das Gefühl der absoluten Unsicherheit in bisher sicher geglaubten Umgebungen. Der Gemütszustand hierzulande ist diesbezüglich noch erstaunlich unterkühlt. Doch die Zweifel wachsen, es macht sich mehr und mehr ein erodierendes Gefühl in Bezug auf die Sicherheit breit. Die Mehrheit (54 Prozent) der Bevölkerung glaubt sowieso, das wegen des Flüchtlingszustroms die Gefährdung der Inneren Sicherheit wächst. Von Krankheiten einmal abgesehen, sterben bei Verkehrsunfällen jährlich 3.000 Menschen – mehr als bei allen terroristischen Anschlägen. Doch es sind Unfälle, unvorhersehbar, und meist bleibt es ein privates Ereignis. Zudem: Hierzu gibt es detaillierte Statistiken. Bei Flüchtlingsdelikten gibt es jedoch

überhaupt keine bundesweite Statistik. Doch ein Blick in die Regionalpresse Deutschlands macht deutlich, dass es eine signifikant gestiegene Wahrnehmung bei Kriminalitätsdelikten durch Flüchtlinge gibt. Mehr Polizei ist die Idee aller Parteien, das macht auch Sinn. Aber es muss auch mehr Konsequenzen haben. Mehr Polizei bedeutet im Kern nur mehr Abstellung der Ruhestörung. Folgt kein konsequentes Rechtsverfahren, auf das sich der Rechtsstaat beruft, bleibt bei den Tätern der Eindruck, sie könnten weitermachen wie bisher, wie die Vorstrafenregister der Täter der Kölner Silvesternacht belegen. Zurück zur Täterstatistik: Je

genauer man die Täterherkunft erfasst, desto einfacher und glaubwürdiger lässt sich allen Vorurteilen wie auch ernsten Sorgen entgegentreten. Wer dies nicht tut nährt Zweifel, wer “dunkelhäutig” oder “südländisch“ aus den Polizeiprotokollen streichen lässt, schafft zum “Schutz” der Minderheiten alternative Fakten. Rückhaltlose Transparenz ist nicht immer Stärke der Inneren Sicherheit. Zuviel Parteienpolitik wurde immer versucht, auf diesem Feld zu machen. Wer Vorurteile gegenüber Migranten, Ausländern und Flüchtlingen ausräumen will, sollte auch unbequeme Tatsachen ans Licht kommen lassen! R. Uwe Proll

Alternativlos

nur Mehrheitsverhältnisse feststellen, sondern sich auch mit der Frage befassen, ob die Minderheit im Mehrheitstarifvertrag ausreichend berücksichtigt wurde. “Wie sollen die Arbeitsgerichte das feststellen?”, fragt Andrea Kocsis, stellvertretende Verdi-Bundesvorsitzende. Vor allem sei dann der Instanzenweg noch offen. Mehr Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten sei die Folge. Das sei nicht praktikabel, so Russ. Das Gesetz insgesamt kaum noch anwendbar. Sofern es überhaupt dazu kommt. Denn es ist tarifdispositiv. Beide Seiten können sich auf die Nichtanwendung einigen. Wie bei der Deutschen Bahn und den Eisenbahngewerkschaften geschehen. Stattdessen rät Russ der künftigen Bundesregierung, das Gesetz wieder abzuschaffen. Wenn nicht, wird nicht nur seine Organisation versuchen, die eigenen Mehrheiten zu verbessern. Vor allem dort, wo es sehr knappe Mehrheitsverhältnisse zwischen verschiedenen Gewerkschaften gibt, wird der Wettbewerb um Mitglieder zunehmen. “Und der wird nicht immer lautlos vonstattengehen”, weiß der Tarifpolitiker aus Erfahrung. Selbst ein Häuserkampf sei nicht auszuschließen. Der Marburger Bund hat bereits eine neue Kampagne gestartet.


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / August 2017

Fokus Mitarbeiter Abstand halten Gewerkschaften begrüßen Urteil / Gesetzgeber setzt auf Dialog ....................................................................................... Seite 3

“Zu scharf” Abweichende Meinung vorerst ohne Folgen ..................................................................................................................... Seite 4

Stress lass nach Wie sich Mitarbeiter vor ungesundem Stress schützen können ..................................................................................... Seite 12

Kampf im Cyber-Raum Was wäre der Öffentliche Dienst ohne seine Beschäftigten – Beamte wie Angestellte gleichermaßen? Der Mitarbeiter steht im Zentrum guter Verwaltungsleistung, weshalb Vater Staat als attraktiver Arbeitgeber nicht nur die Besoldung und Personalvertretung zu gestalten hat, sondern sich auch um die Gesundheit seiner Staatsdiener kümmern muss. Ebenso wie um die Fortbildung. Denn der Mitarbeiter kann auch eine Schwachstelle sein, wenn persönliches Fehlverhalten, z. B. Schadsoftware, die Computer beeinträchtigt.

Zahlen, Daten, Fakten zum Cyber-Crime ......................................................................................................................... Seite 32

Foto: BS/ © Jakub Jirsák, Fotolia,com

Digitale Infrastruktur Daran können wir anschließen Schleswig-Holstein plant, von den Dörfern in die Städte zu “glasfaserefizieren”............................................................ Seite 19

“Unser Topseller sind 250 Mbit/s” Stadtwerke Neumünster wollen 25 Prozent der schleswig-holsteinischen Landkreise mit Glasfaser ausbauen ........... Seite 20

Breitbandausbau Kosten und fehlendes Personal verzögern Flächendeckung ........................................................................................... Seite 27

Eine Frage des Vertrauens Datenschutzkonformes Cloud Computing für Unternehmen und Behörden ................................................................... Seite 33 Von Nord nach Süd, von West nach Ost – der Ausbau von Datenautobahnen ist allerorts die Grundlage für die Digitalisierung von Prozessen, Dienstleistungsangeboten für den Bürger und die Nutzung von Speicherkapazitäten in der Cloud. Dabei sind Investitionen das eine, Vertrauen in die Technik das andere. Foto: BS/ © Nuamfolio, Fotolia.com

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innenspiegel

Herbstliches Event-Feuerwerk Behörden Spiegel-Kongresse von September bis November (BS/ein) Nach der Sommerpause startet der Behörden Spiegel im September gleich mit drei zweitägigen Kongressen. Dabei stehen jeweils die Themen IT-Sicherheit, Katastrophenschutz und die kommunale Ordnung im Fokus. Zahlreiche weitere Veranstaltungen folgen bis Ende November. Den Anfang macht am 12./13. September die diesjährige PITS (www.public-it-security.de) in Berlin, die zum zweiten Mal im weltbekannten Hotel Adlon stattfindet und in diesem Jahr unter der Überschrift “Vernetzte Welt – Vernetzte Sicherheit” steht. Referenten und Teilnehmer werden zwei Tage intensiv über die wachsenden Herausforderungen für den Bereich der IT-Sicherheit in der öffentlichen Verwaltung diskutieren.

In der darauffolgenden Woche steht beim 13. Europäischen Katastrophenschutzkongress (www.katastrophen schutzkongress.de) in Berlin das Thema “Neue Anforderungen an den Zivil- und Bevölkerungsschutz” im Fokus. Das Fachpublikum aus Deutschland und dem europäischen Ausland kommt hierzu am 20./21. September im andel‘s Hotel in Berlin zusammen.

Am Ende des September-Triples steht am 27./28. September der dritte Bundeskongress Kommunale Ordnung (www. kommunale-ordnung.de) dieses Jahr in Wolfsburg an, der mittlerweile zu einer führenden Veranstaltung für Vertreter der Kommunalen Ordnungsdienste und der Polizei geworden ist. Ein Klassiker des Behörden Spiegel, der Verwaltungsmodernisierungskongress eNRW (www.e-nrw.info), geht

am 9. November an den Start – aufgrund des großen Besucherzustroms der vergangenen Jahre erstmals in der Stadthalle Neuss. Mit dem dritten Kongress Zukunft Dienstrecht (www.zukunftdienstrecht. de) am 21./22. November beginnt im Bonner Maritim Hotel ein fulminantes Jahresveranstaltungsfinish, das am 28./29. November von der 16. Berlin Security Conference (www. euro-defence.eu) und dem 12.

Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur (www.oeffent liche-infrastruktur.de) unter dem Motto “InfrastrukturAgenda 2020” am 30. November im Berliner andel‘s Hotel komplettiert wird.

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Fieseler Foto 2: BS/Einhaus Foto 3: BS/Einhaus

www.polizeitage.de

Veranstaltungsübersicht

POLIZEITAGE 2017

18. Oktober // Dresden

6. Dezember // München

Eine Veranstaltung des Behörden Spiegel und der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Updates zu Themen und Termin en: www.poliz eitage.de

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Julian Einhaus (Kommunal- und Energiewirtschaft, ÖPP), Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Jenn Tran Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100%


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / August 2017

Abstand halten

KNAPP Im Kern unverändert

Gewerkschaften begrüßen Urteil / Gesetzgeber setzt auf Dialog (BS/Jörn Fieseler) “Das Abstandsgebot stellt einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums dar, der in enger Anbindung zum Alimentationsprinzip und zum Leistungsgrundsatz steht”, formuliert das Bundesverfassungsgericht seinen ersten Leitsatz in seinem Beschluss zur Angleichung der damaligen “Ostbesoldung” an das Westniveau im sächsischen Besoldungsgesetz. Neben der Nachbesserung für die sächsischen Beamten hat das Urteil auch Relevanz für die Übertragung künftiger Tarifergebnisse auf die Beamtenbesoldung. “Der Beschluss ist auf jeden Fall ein positives Signal”, sagte Nannette Seidler, Landesvorsitzende des Beamtenbunds und Tarifunion Sachsen (SBB). Der sächsische Besoldungsgesetzgeber hatte 2008 beschlossen, die Beamten- und Versorgungsbezüge gestaffelt an das Niveau der Besoldung in den westlichen Ländern anzugleichen. Lediglich die Gehälter in den Gruppen A2 bis A9 sollten 2008 angehoben werden, ab A10 erst in einem zweiten Schritt zwei Jahre später. Als Grund wurde damals angegeben, die besondere Situation im Zuge der Wiedervereinigung rechtfertige diesen Schritt. Dabei hatte sich das Land an den Regelungen des Bundes orientiert, der selbst eine gestufte Erhöhung vorgesehen hatte. Diese aber bereits nach drei Monaten revidierte. Allerdings nach Erlass des sächsischen Gesetzes. Generell sind lineare Erhöhungen die beste Möglichkeit für Be-

Der Abstand zwischen den Besoldungsgruppen muss erhalten bleiben und darf auch nicht schleichend reduziert werden. Foto: Geralt, pixabay.com

soldungserhöhungen im Sinne einer fortlaufenden Besserstellung, da die prozentualen Abstände immer gleich bleiben, so die Richter des Zweiten Senats unter dem Vorsitz von Gerichts-

präsident Prof. Dr. Andreas Voßkuhle. Anders bei absoluten Erhöhungen, bei denen die monatlichen Bezüge um denselben Betrag angehoben werden. Dieses Vorgehen führt in höheren

Gemeinsam erkämpft GEW und TBB streiten in Thüringen für Regelschullehrer (BS/jf) Die Eingruppierung von Lehrkräften ist seit Langem Streitthema zwischen den Gewerkschaften einerseits und den Dienstherren bzw. öffentlichen Arbeitgebern andererseits. In Thüringen haben sich beide Seiten nun auf einen ersten Schritt bei den Lehrkräften an Regelschulen geeinigt. Ab 1. Januar 2018 erhalten diese eine Zulage in Höhe von 50 Prozent der Differenz von der Besoldungsgruppe A 12 zur A 13 bzw. im Tarifbereich von der Entgeltgruppe E 12 zur E 13. Darauf haben sich Finanzministerin Heike Taubert und Bildungsminister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff mit Kathrin Vitzthum, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Thüringen, und Helmut Lieber-

mann, Landesvorsitzender des TBB Beamtenbundes und Tarifunion Thüringen, verständigt. Für Hoff ist die Entscheidung ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Thüringer Bildungslandschaft, nachdem bereits befristete Arbeitsverträge von Lehrern mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ-Lehrer) entfristet und Lehrkräfte verbeamtet wurden. 8,5 Mio. Euro sind im Landeshaushalt für die Zulage vor-

gesehen. Für Taubert stellt dieser Schritt eine Lösung gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Leistungsgrundsatz dar. Das Ergebnis ist “ein wichtiger erster Schritt, der ohne die Kompromissfähigkeit beider Seite nicht möglich gewesen wäre”, unterstreichen Vitzthum und Liebermann. Das Ziel bleibe aber die Eingruppierung aller Lehrer in die A 13 bzw. E 13.

Besoldungsgruppen zu geringeren Steigerungen. “Damit wird ein einmal aufgetretener Abschmelzungseffekt dauerhaft im Besoldungsgefüge konserviert”, heißt es in dem Beschluss. Aber: Das Abstandsgebot darf vom Gesetzgeber nur verändert werden, wenn er in “dokumentierter Art und Weise von seiner Befugnis zur Neueinschätzung der Ämterwertigkeit und Neustrukturierung des Besoldungsgefüges Gebrauch macht”, so der zweite Leitsatz des Beschlusses. Dazu zählt die Angleichung der Ostbesoldung an das Westniveau, bei der es sich um die Ausgestaltung einer Systementscheidung handelte. Eine zeitliche Verzögerung kann sich jedoch “ temporär erheblich abstandsverkürzend auswirken”, so die Richter. Im Ergebnis reduzierte sich durch das Vorgehen in Sachsen der Abstand zwischen den Gruppen A9 und A10 von vorher durchschnittlich 10,66 Prozent (223,75 Euro) auf 2,36 Pro-

zent (55,88 Euro). Eine solche schleichende Abschmelzung bestehender Abstände, welche außerhalb der zulässigen gesetzgeberischen Neubewertung und Neustrukturierung stattfindet, ist aber verboten. Im Umkehrschluss dürfen damit auch ausgehandelte Mindest- und Sockelbeträge in den Tarifrunden nicht mehr übernommen werden. Und auch die Gewerkschaften wären gut beraten, eine solche Übernahme nicht mehr zu fordern. Stattdessen könnte es zu mehr Einmalzahlungen kommen. Die haben nämlich keine nachhaltige Wirkung und tangieren bestehende Abstände zwischen den Besoldungsgruppen nur vorübergehend.

Gespräche am 9. August Mit dem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts in der vorherigen Instanz aufgehoben und die beiden Verfahren an dieses wieder zurückverwiesen. Wie der Beschluss umgesetzt wird, welche Kosten und in welcher Zeitschiene diese Umsetzung erfolgt, ist noch nicht absehbar. Bis zum 1. Juli 2018 hat der Gesetzgeber Zeit für eine Umsetzung. Sachsens Staatsminister der Finanzen, Prof. Dr. Georg Unland, hat zum Gespräch eingeladen. Am 9. August 2017 trifft er sich mit den Spitzen von Deutschem Gewerkschaftsbund Bezirk Sachsen, Sächsischem Beamtenbund und Tarifunion und dem Sächsischen Richterverein. “Die Vergangenheit hat gezeigt, dass gemeinsam gefundene Lösungen tragfähig sind und bei unseren Kollegen auf Akzeptanz stoßen”, so die SBB-Vorsitzende abschließend.

(BS/jf) Das vom Bundesverfassungsgericht in weiten Teilen bestätigte Tarifeinheitsgesetz mahnt zur Kooperation im Gewerkschaftslager. Eine Pflicht ist damit aber nicht verbunden. Für den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der an den Verhandlungstisch bei Bund und Ländern strebt (siehe Behörden Spiegel Juli 2017, Seite 4), hat sich die Lage deshalb nicht verändert, ganz im Gegenteil. “Die letzte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 2017 hat eher weitere Argumentationsansätze geliefert, die für unsere Auffassung sprechen”, so der Bundesvorsitzende des BDK, André Schulz. Der einfachste Weg wäre ein Beitritt zur Verhandlungsgemeinschaft. Der scheint aber aufgrund der Haltung der etablierten Polizeigewerkschaften nahezu utopisch. “Wir werden im November unserem höchsten Beschlussgremium die Konsequenzen aus dem Urteil und unser weiteres Vorgehen vorstellen und anschließend höchstwahrscheinlich eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen, notfalls durch alle Instanzen”, so Schulz.

Mehr Geld und neue Förderrichtlinie (BS/jf) “Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, brauchen unseren unbedingten Schutz!”, unterstreicht Niedersachsens Gleichstellungsministerin Cornelia Rundt. Deshalb soll die Arbeit von Beratungsstellen weiter ausgebaut werden. Dazu sind im Haushalt die Mittel um 2,75 Mio. Euro auf 8,65 Mio. Euro erhöht worden. Zudem ist rückwirkend zum 1. Januar 2017 eine neue Förderrichtlinie in Kraft getreten, mit der Einrichtungen mehr Geld erhalten können, die von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder unterstützen.

Zukunft Dienstrecht

Arbeits-, tarif- und beamtenrechtliche Entwicklungen 21. – 22. November 2017, Maritim Hotel, Bonn

§

Mit Beiträgen u. a. von:

Christoph Tillmanns, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – Fluch oder Segen für die Personalpraxis?

Karin Spelge, Richterin am Bundesarbeitsgericht (6. Senat): Aktuelle Rechtsprechung des 6. Senats zum TVöD und TV-L

Weitere Informationen zur Tagung „Zukunft Dienstrecht“ sowie zu den einzelnen Referenten unter: www.zukunft-dienstrecht.de

Dr. Rüdiger Linck, Vizepräsident des Bundesarbeitsgerichts: Aktuelle Rechtsfragen der Arbeitsvergütung

Eine Veranstaltung des


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Wochen statt Monate

“Zu scharf”

Berlin: Personalmaßnahmen für Standesämter

Abweichende Meinung vorerst ohne Folgen

(BS/jf) Lange Wartezeiten auf dem Weg ins Eheglück sind vielen Berliner Heiratswilligen ein Dorn im Auge. Der Zeitverzug bis zur standesamtlichen Trauung in einigen Bezirken der Bundeshauptstadt war vor allem der Personalsituation geschuldet. Es fehlte, an Standesbeamten. Das wird sich nun kurzfristig ändern.

(BS/Jörn Fieseler) Mit sechs zu zwei Stimmen hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Teilen über das Tarifeinheitsgesetz (TEG) entschieden. Prof. Dr. Dr. h.c. Susanne Baer und Prof. Dr. Andreas L. Paulus begründeten in ihrer Stellungnahme in deutlichen Worten, warum sie das gefällte Urteil teilweise für falsch halten.

Es kann wieder geheiratet werden: Um dem Personalmangel in Berlins Standesämtern und Trauzimmern zu begegnen, hat der Senat mehrere Maßnahmen beschlossen. Foto: BS/Ingrid Ruthe, pixelio.de

“Wir müssen die Situation in den Standesämtern schnell in den Griff bekommen, damit die Bürgerinnen und Bürger in Berlin die Dienstleistungen bekommen, die sie zurecht erwarten”, forderte die für die Weiterentwicklung der Bürgerdienste zuständige Staatssekretärin Sabine Smentek aus der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Vor allem in den beiden Bezirken Mitte und Pankow ist die Situation besonders angespannt. Deshalb wird nun verstärkt von der Möglichkeit der Notfallbestellung Gebrauch gemacht. Diese Möglichkeit bietet das Personenstandsgesetz (PStG), wenn ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Danach kann innerhalb von 48 Stunden eine bezirksübergreifende Unterstützung durch Standesbeamte organisiert werden. Im Rahmen dieser Möglichkeit ist vom Senat beschlossen worden, dass jeder Bezirk nun einen Standesbeamten für die beiden Bezirke abstellt. Außerdem sollen ab dem 1. September 2017 acht Regierungsinspekteure seitens der Senatsverwaltung entsandt werden. Diese werden vor Ort eine Grundausbildung zum Standesbeamten erhalten. Zudem sind zwölf bereits pensionierte Standesbeamte wieder reaktiviert worden.

Weitere 24 Interessierte absolvieren ab September ebenfalls einen Grundlehrgang. Statt der üblichen sechsmonatigen Ausbildung im hessischen Bad Salzschlirf, wird der Lehrgang in Berlin stattfinden und auf sechs Wochen reduziert, um bestimmte Qualifikationen zu erwerben und direkt umzusetzen. Etwa bei der Umwandlung von Lebenspartnerschaften in die “Ehe für alle”. Die schnelle Hilfe für die Bürger wird seitens des DBB Berlin ausdrücklich begrüßt. Zugleich warnt der Landesvorsitzende Frank Becker, dass dadurch die Personalprobleme nicht in andere Bezirke verschoben werden dürften. Deshalb brauche es mehr Personal – nicht nur in den Standesämtern. Ein Vorhaben, das aus seiner Sicht ohne eine leistungsgerechte Bezahlung und eine gebührende Wertschätzung der Kollegen nicht möglich sei. “Auch bei den Standesämtern holt uns die Einsparpersonalpolitik des Wowereit-Senats wieder ein, sodass hier nun pensionierte Beschäftigte wieder aushelfen sollen. Diese Personalnotsituation hatten wir bereits bei der Bearbeitung im Rahmen der damaligen Betreuung der Flüchtlinge”, merkt der Personalvertreter an.

“Art. 9 Abs. 3 GG erteilt auch Hoffnungen auf ordentliche Verhältnisse, die letztlich auf die Einheitsgewerkschaft zielen, eine deutliche Absage. Dasselbe gilt für die vom Gesetzgeber hingenommene Einschränkung der Arbeitskampfrechte durch die Hintertür. Der Gesetzgeber darf sich nicht dafür hergeben, Arbeitgeber vor einer Vielzahl der Forderungen konkurrierender Gewerkschaften zu schützen”, schreiben die beiden Mitglieder des Ersten Senats in der zwölfseitigen Stellungnahme. Der Senat unterschätze die tatsächlichen Belastungen und Gefahren, die das TEG für die grundrechtlich garantierte Freiheit der Gewerkschaften mit sich bringe und überschätze zugleich die Einschätzungsspielräume des Gesetzgebers.

Kein Grund zum Fortbestand Das Ziel des Gesetzgebers sei legitim – darin sind sich alle einig – aber Baer und Paulus sind der Ansicht, das “Urteil verkennt in den Wertungen zur Zumutbarkeit und in der Entscheidung über die Rechtsfolgen, dass das Gesetz deutlich über das Ziel hinausschießt”. Insbesondere die Sanktion in Form der Verdrängung des Tarifvertrages der Minderheit sei “zu scharf”. Ebenso stimmen die beiden der Entscheidung zu, dass die Rechte der Minderheitengewerkschaft geschützt werden müssten und der Gesetzgeber hier nachzubessern habe. Gleichwohl halten Sie die Entscheidung für nicht gerechtfertigt, dass die defizitären Regelungen fortbestehen sollen. “Erst recht fehlen Gründe für die Anordnung einer Übergangsregelung.”

Nicht zu übersehen Zudem beruhe das Urteil auf Einschätzungen der sozialen Wirklichkeit, an denen durchaus Zweifel bestünden, kritisieren Baer und Paulus. Außerdem hätten die Gewerkschaften, die sich gegen eine gesetzlich mittelbar erzwungene Kooperation

Für eine Karriere im Öffentlichen Dienst Zwei Jahre Studium an der Harvard Kennedy School (BS/Dr. Lars Peters*) Hochqualifizierte Studierende aller Fächer können sich noch bis zum 1. November 2017 um ein McCloy-Stipendium der Studienstiftung bewerben, mit denen zweijährige Masterstudien an der Harvard Kennedy School gefördert werden. Eine Bewerbung ist für Nachwuchskräfte ab dem Bachelorabschluss ebenso möglich wie für berufserfahrene Masterabsolventen, die eine Karriere im Öffentlichen Dienst oder in internationalen Organisationen anstreben. Eine vorhergehende Förderung durch die Studienstiftung ist keine Voraussetzung. An der Harvard Kennedy School in Cambridge stehen den Stipendiatinnen und Stipendiaten verschiedene Masterprogramme zur Auswahl – dazu zählen insbesondere Kurse aus der Ökonomie, Politik und Ethik. Das McCloy-Stipendium deckt die kompletten Studiengebühren an der Harvard Kennedy School in Höhe von mehr als 50.000 US-Dollar pro Jahr ab; dazu kommen Zuschüsse zu den Reisekosten sowie ein monatliches Lebenshaltungsstipendium. Das McCloy-Stipendium ist eines der ältesten und renommiertesten auslandsbezogenen Programme der Studienstiftung und zählt zu den traditionsreichsten internationalen Fel-

lowships in Harvard. Seit 1983 können sich Stipendiatinnen und Stipendiaten im Rahmen des McCloy-Programms für künftige Führungsaufgaben in öffentlichen und internationalen Organisationen qualifizieren. Darüber hinaus fördert das Angebot die transatlantische Verständigung und bietet den McCloy-Stipendiaten über das zweijährige Studium hinaus ein dauerhaftes Alumninetzwerk. Die Alumni des Programms sind heute in wichtigen Positionen im öffentlichen und privaten Sektor tätig. Finanziert wird das Stipendienprogramm durch die Harvard University, die McCloy-Stipendien-Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als Verwalter des ERP-Sondervermö-

gens und die Haniel Stiftung. Bewerbungsfrist ist der 1. November 2017. Nach einer Vorauswahl werden 30 Kandidatinnen und Kandidaten zu einem Auswahlseminar nach Berlin eingeladen, das Anfang 2018 stattfinden wird. Die ausgewählten Kandidatinnen und Kandidaten werden einige Wochen nach dem Auswahlseminar über das Ergebnis informiert. Studienbeginn in den USA ist 1. September 2018. Weitere Informationen zum Programm, zu den Bewerbungsmodalitäten und die Bewerbungsunterlagen finden Sie unter: www.studienstiftung. de/mccloy * Dr. Lars Peters arbeitet bei der Studienstiftung des deutschen Volkes (l.peters@studienstif tung.de).

fassungsrichter eine Unterwerfung unter fremde Verträge ohne jedes eigene tarifpolitische Profil.

Kein kollektives Betteln

Für viele Menschen sind die kleinen roten Habaneroschoten zu scharf. Auch beim Tarifeinheitsgesetz seien die Sanktionen zu scharf – so die abweichende Meinung. Foto: BS/Hans, pixabay.com

wehrten, in der Vergangenheit eine solche aus bestimmten Gründen beendet: Nämlich weil die Interessen ihrer Berufsgruppe in den Branchengewerkschaften untergegangen seien. Zudem hätten gerade die klagenden Arbeitnehmervertretungen an dem ursprünglichen Kompromiss der Bundesvereinigung

Deutscher Arbeitgeberverbände und dem Deutschen Gewerkschaftsbund nicht mitgewirkt. Deren Verfassungsbeschwerden würden somit eindrucksvoll belegen, dass kein gesetzgeberischer Handlungsspielraum gesehen werde. In der Möglichkeit zur Nachzeichnung sehen die zwei Ver-

Dieses sei aber durch das Grundgesetz geschützt: “Das Freiheitsrecht des Art. 9 Abs. 3 GG schützt auch die Unterschiedlichkeit der Interessen im Koalitionspluralismus und rechtfertigt keinen Akt der Unterwerfung im Zuge kollektiven Bettelns.” Stattdessen sei die Pluralität notwendige Folge und geradezu Kennzeichen eines freiheitlichen Systems. Die abweichende Meinung ist im Urteil zwar enthalten, hat für die Praxis allerdings erst mal keine Relevanz. Allerdings wäre es möglich, dass sich ein späterer zweiter Senat, mit einer anderen Personenkonstellation, auf diese Meinung beruft und die dann frühere Rechtsprechung kippt. Dies geschieht allerdings selten. Bislang sind nur sehr wenige Einzelfälle bekannt.

“Alter Wein in neuen Schläuchen”? Das neue Mutterschutzgesetz (MuSchG) (BS/Jürgen Kutzki*) Das neue Mutterschutzgesetz (MuSchG) soll den Arbeitsschutz verbessern. Arbeitsverbote gegen den Willen der Mutter sind dann unzulässig. Der Arbeitgeber soll die Arbeitsplätze besser gestalten. Mütter erhalten Mitsprache bei der Arbeitszeit, das strikte Nachtarbeitsverbot fällt. Mutterschutz ist der besondere Schutz von arbeitenden Frauen in der Schwangerschaft und nach der Geburt. Hierzu gehören der Schutz werdender Mütter und ihrer ungeborenen Kinder vor Gefahren für Leben und Gesundheit, der Schutz vor mutterschaftsbedingten finanziellen Einbußen und der besondere Kündigungsschutz. Die Regelungen zum Mutterschutz sind im Mutterschutzgesetz (MuSchG) verankert. Das Gesetz in 2017 einige Ergänzungen und Neuregelungen erfahren. Der überwiegende Teil dieser Änderungen tritt zum 01.01.2018 in Kraft. So gilt der Mutterschutz gem. § 1 MuSchG nicht mehr nur für Arbeitnehmerinnen und Frauen in einem Berufsausbildungsverhältnis, sondern es wird nunmehr auf den Begriff des “Beschäftigungsverhältnisses” abgestellt. Insbesondere gilt das Gesetz zukünftig also auch für Praktikantinnen i.S.d. § 26 BBiG, Schülerinnen und Studentinnen. Auch behinderte Mitarbeiterinnen in Werkstätten für Behinderte gehören zukünftig zum geschützten Personenkreis. Des Weiteren gilt das Gesetz – bis auf einige wenige Regelungen – ab 2018 für Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.

Beschäftigungsverbote und Schutz vor Tätigkeiten Ein generelles Beschäftigungsverbot sieht § 3 Abs. 1, 2 MuSchG vor. Hiernach dürfen werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung und in den acht Wochen (bei Frühund Mehrlingsgeburten zwölf Wochen) nach einer Entbindung nicht beschäftigt werden. Dieses generelle Beschäftigungsverbot umfasst jede Art der Tätigkeit. Es gilt nicht, wenn sich die werdende Mutter ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit erklärt. Sie kann ihre Erklärung allerdings jederzeit widerrufen. Gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 gilt im Rahmen der Neuerungen beim Mutterschutz eine Schutzfrist von 12 Wochen nach Entbin-

dung, wenn bei dem Kind eine Behinderung festgestellt wurde. Gem. § 4 MuSchG darf eine werdende oder stillenden Mutter keine Mehrarbeit leisten. Mehrarbeit ist gem. § 4 Abs. 1 MuSchG dabei jede Arbeit, die die Arbeitszeit von acht Stunden täglich oder 80 Stunden in der Doppelwoche (bei Frauen unter 18 Jahren) oder sonst 8,5 Stunden täglich oder 90 Stunden in der Doppelwoche überschreitet. Des Weiteren dürfen werdende Mütter gem. § 11 MuSchG nicht mit schweren körperlichen Arbeiten und nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Staub, Gasen oder Dämpfen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Erschütterungen oder Lärm ausgesetzt sind.

Gefährdungsbeurteilung und Kündigungsschutz Gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 MuSchG muss der Arbeitgeber neue bzw. geänderte Pflichten im Zusammenhang mit der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen bei (werdenden) Müttern beachten. Damit wurden u. a. auch die bisherigen Bestimmungen der MuSchArbV in das MuSchG integriert. Zunächst besteht gem. § 10 Abs. 1 MuSchG die Pflicht, überhaupt die besonderen Gefährdungen von Mutter und Kind im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG zu berücksichtigen. Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung darf das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber gem. § 17 MuSchG nicht gekündigt werden. Das Verbot erfasst Kündigungen jeder Art und damit auch die Änderungskündigung. Der Arbeitgeber muss allerdings im Zeitpunkt der Kündigung Kenntnis von der Schwangerschaft oder der Entbindung haben. Für den Fall, dass die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber nicht über ihre Schwangerschaft/Entbindung in Kenntnis gesetzt haben sollte, muss dem Arbeitgeber die-

se Kenntnis innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt werden.

Auf was ist zu achten? Die Gewährung des Mutterschutzes ist nicht von einem Antrag der Beschäftigten abhängig, sondern unterliegt den gesetzlichen Vorgaben und ärztlichen Anordnungen. Sofern kein Arbeitsverhältnis vorliegt, kann die Wirkung eines Beschäftigungsverbots aus rechtlichen Gründen nicht eintreten. Daher bestimmt § 2 Abs. 3 MuSchG nunmehr, dass eine arbeitnehmerähnliche Person i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG in den oben genannten Fällen von der vertraglichen Leistungspflicht befreit wird. Die Beschäftigte kann allerdings gegenüber dem Vertragspartner erklären, die vertraglichen Dienste dennoch erbringen zu wollen. Nach den Neuerungen des MuSchGs ist die Kündigung einer schwangeren Frau bis zu einem Ablauf von vier Monaten jetzt auch nach einer Fehlgeburt unzulässig, wenn die Schwangerschaft zuvor mindestens zwölf Wochen bestanden hat. Zudem wird der Schutz auch auf Vorbereitungshandlungen des Arbeitgebers zur Kündigung ausgedehnt, d. h. er kann während der Schutzfrist z. B. auch keine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG wirksam einleiten. *Rechtsanwalt Jürgen Kutzki ist Dipl.-Verwaltungswirt und Mediator in Karlsruhe.

Für die Praxis Zusammen mit dem Behörden Spiegel erläutert der Autor in einem Seminar am 5. Dezember 2017 in Bonn die Neuregelungen aus dem Mutterschutzgesetz und gibt praktische Tipps, worauf zu achten ist. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www. fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “Mutterschutz”


Bund

Behörden Spiegel / August 2017

D

as sogenannte “Haus 1” in der Mauerstraße 29 in Berlin Mitte wird der neue Dienstsitz für die über 680 Beamten und Tarifbeschäftigten des Bundesgesundheitsministeriums. Die Hälfte davon sitzt bislang an vier unterschiedlichen Standorten in der Hauptstadt. Sie sollen alle in dem Gebäudekomplex untergebracht werden. Ein Umzug von Bonner Mitarbeitern nach Berlin ist damit jedoch nicht verbunden, teilte eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage des Behörden Spiegel mit. Ursprünglich handelt es sich bei dem Gebäude um den Stammsitz der Deutschen Bank in Berlin, der 1872 errichtet wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg nutzte das Ministerium des Innern der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik die Liegenschaft. Seit 1990 war die Adresse mit einer Bruttogrundfläche von 38.000 m2 Sitz verschiedener Bundesbehörden.

Sanierung und Forschungsneubau Hohe Anforderungen durch Denkmalschutz / Offizieller Spatenstich (BS/Jörn Fieseler) Den Mitarbeitern des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und einigen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ist eins gemeinsam: 2020 bekommen sie neue Adressen. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten. Denn während auf dem Campus der PTB ein Neubau in Eigenbauvariante entsteht, ziehen die Beschäftigten des BMG in ein Dienstgebäude, das in Form einer Öffentlich Privaten Partnerschaft (ÖPP) restauriert und anschließend betrieben wird.

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Bedingungen geschaffen werden. “Der Name passt”, sagte PTB-Präsident Prof. Dr. Joachim Hermann Ullrich vor dem symbolischen Spatenstich. Der Namensgeber forschte 1927 selbst auf dem Gelände der damaligen PhysikalischTechnischen Reichsanstalt zu supraleitenden Elementen und deren Verhalten in einem Tieftemperaturlaboratorium. Zugleich ist er Namensgeber des Meißner-Ochsenfeld-Effekts. Dieser Physikern auch heute noch bekannte Effekt ist das Kriterium für den Nachweis von Supraleitung.

Spitzenforschung braucht Spitzenbauten

Kernstück des Hauses mit einer Bruttogrundfläche von rund 6.560 m2 ist ein Laborbereich, an den höchste Anforderungen an die Schwingungsfreiheit und die Temperaturkonstanz gestellt werden. Die Planung erfolgt als Bis 2020 sollen sie fertig sein: Der zukünftige Dienstsitz des Bundesgesundheitsministeriums in der Mauerstraße 29 (links) und der Walther-Meißner-Bau Pilotprojekt des Building InforNovum: Lebenszyklusmodell (rechts). mation Modeling, (BIM) in 3D, Fotos: BS/Fieseler im Denkmalschutz berichtete Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamtes für Die Sanierung des denkmalden technischen und prozessu- Bauwesen und Raumordnung geschützten Gebäudes erfolgt hatte die BImA eine vorläufige gegenüber einer Eigenrealisie- gen wurden. Nach knapp vier Jahren Er- alen Leistungen bewertet”. (BBR). Eine meterdicke Bogrundlegend und umfasst den Wirtschaftlichkeitsuntersu- rung ein erheblicher Kostenvordenplatte dämpft mechanische Hochbau und sämtliche tech- chung (WU) durchgeführt, in teil erreicht werde. Ausführen- richtungszeit wird das GebäuSchwingungen, dazu kommt einische Anlagen, teilt Thorsten der die sogenannte Eigenbau- der Partner ist ein Konsortium de anschließend 25 Jahre von Rund um Temperatur und Supraleitung ne hinsichtlich Isolierung und Grützner, Pressesprecher der variante der Variante als ÖPP- bestehend aus der Hochtief PPP den privaten Partnern betrieben maßgeBundesanstalt für Immobilien- Projekt gegenübergestellt wur- Solutions GmbH und der BAM werden. Trotz der hohen AnforHöchsteAnforderungenwerden Temperaturregelung derungen des Denkmalschutzes auch an das neue Forschungs- schneiderte Gebäudezonierung, aufgaben (BImA) mit. 379 Bü- de. Dabei wurden entsprechend Deutschland GmbH. wird der Dienstsitz anhand der gebäude für die Physikalisch- ergänzte Eckart Rhode, Inhaber roarbeitsplätze, Konferenz- und dem Lebenszyklusansatz nicht Kriterien des Bewertungssys- Technische Bundesanstalt ge- des Architekturbüros RhodePresseberichte sowie weitere nur die Investitionskosten, 20 Monate Verfahren – 25 Jahre Laufzeit tems für Nachhaltiges Bauen für stellt. Die PTB forscht einerseits can aus Dresden, der als Siefunktionale Bereiche sollen im sondern auch die Betriebs-, InZuge der Sanierung entstehen standhaltungs- und RisikokosDie Bietergemeinschaft setzte Bundesgebäude (BNB) erneu- auf dem Gebiet der Temperatur- ger aus einem vorgeschalteten und auf Vordermann gebracht ten während der Vertragslauf- sich in einem EU-weit ausge- ert. Nach diesem System wird er messung, andererseits rund um Architektenwettbewerb hervorwerden. Und das im Rahmen zeit miteinander verglichen. “Da schriebenen Verhandlungs- den Standard “Silber” erreichen. die supraleitende Sensorik. Da- ging. Besonders die Luftkooreines ÖPP-Projektes. die Kosten zu unterschiedlichen verfahren mit vorgeschaltetem Das heißt, der Erfüllungsgrad zu gehört auch die Herstellung dinierung und Partikelreinheit Im Vorfeld der Ausschreibung Zeiten anfallen, werden sie mit Teilnahmewettbewerb durch. für Nachhaltiges Bauen wird von supraleitenden Quantenin- sowie die Fernversorgung mit einem Rechenmodell zu einem Hier hat sich die Immobilienan- zwischen 65 und 80 Prozent terferenzdetektoren (SQUIDs), Kälte, Wärme und Strom über Barwert zusammengeführt”, er- stalt bewusst Zeit gelassen. Im liegen. Dazu werden “in einer mit denen kleinste Magnetfel- das Technikum der PTB stellen klärt der Sprecher der BImA. Oktober 2015 ausgeschrieben, Gesamtnote die ökologischen, der gemessen werden können. weitere Herausforderungen dar. MELDUNG Das Gebäude ist Teil eines Anschließend erfolgte die Aus- dauerte es 20 Monate, bis der ökonomischen und soziokultu- Für beides sollen im neuen rellen Belange im Kontext mit Walther-Meißner-Bau optimale 2009 verabschiedeten Masterschreibung in einem EU-weiten Zuschlag erteilt wurde. Fokus Gesundheit plans für die Entwicklung der Vergabeverfahren. “Da wir hier ein sehr komplexes gesamten Liegenschaften der “Das Verfahren der BImA hat Bauvorhaben ausgeschrieben (BS/jf) Zwei Drittel aller SpenPTB, der bis 2035 umgesetzt den – 65,6 Mio. Euro von 92,1 gezeigt, dass es auch in guten hatten und die Erstellung des werden soll. Das BBR hat dazu Zeiten Angebotes erhebliche PlanungsMio. Euro – entfallen auf den baukonjunkturellen in einem Referat zwei zusätzBereich Gesundheit und Prä- möglich ist, anspruchsvolle leistungen erforderte, haben wir liche Stellen erhalten, erläuvention und damit auf den Projekte als Lebenszyklusmo- den Bietern ausreichend Zeit terte Wesseler. Gemäß diesem Geschäftsbereich des Bun- dell umzusetzen”, sagte Henner gelassen, ein Angebot zu erstelPlan soll der 37 Mio. Euro teure desgesundheitsministeriums. M. Puppel, federführender Part- len”, erläutert Grützner das VerBau in drei Jahren abgeschlosDies geht aus dem siebten ner der beratenden Kanzlei Lu- fahren. Die eigentliche Verhandsen sein. “Wir schaffen das Bericht des Bundesinnenmi- ther Rechtsanwaltsgesellschaft lungsrunde begann im Oktober Projekt über die Ziellinie”, so nisteriums über Sponsoring- mbH. Der Rechtsanwalt ist sich 2016, umfasste elf runden und Wesseler.”Spitzenforschung leistungen an die Bundesver- sicher, dass sich das Modell für dauerte drei Monate. “In dieser und Spitzendienstleistungen die öffentliche Hand rechne und intensiven Phase haben wir eiwaltung hervor. brauchen auch Spitzenbauten”, ne erhebliche Verbesserung in schloss Ullrich während der ZeBezug auf die Bauqualität und remonie vor dem Spatenstich die Wirtschaftlichkeit erreicht.” im Beisein von Stefan Schnorr, Mitte April 2017 mussten die Abteilungsleiter für Digital- und finalen Angebote abgegeben werden, die abschließend einer Und weg damit: Architekt Eckart Rhode, BBR-Präsidentin Petra Wesseler, PTB- Innovationspolitik im Bundesvon Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Wirtschaftlichkeitsuntersu- Präsident Prof. Dr. Joachim Hermann Ullrich und BMWi-Abteilungsleiter Stefan ministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). chung und Bewertung unterzo- Schnorr beim offiziellen ersten Spatenstich für den PTB-Neubau. In Deutschland ist das Auto heilig, ganz gleich wie groß, Dr. Stefanie Lejeune ist Präschnell oder alt es ist. Zwar sidentin des nimmt in Großstädten CarVereins qanuun sharing und damit der Verzicht – Institut für interauf das eigene Kfz zu, aber die disziplinäre Kormeisten wissen ihren fahrbaruptionsprävention in der Verwalren Untersatz zu schätzen. Das tung e. V. In jeder Ausgabe des zeigen nicht nur der anhaltenBehörden Spiegel kommentiert de Trend zu SUV’s, in denen die sie aktuelle Entwicklungen rund Kleinfamilie durch den städum die Themen Compliance und tischen Dschungel chauffiert Korruptionsprävention. wird, sowie die stets verstopften Hauptverkehrsstraßen, Foto: BS/www.qanuun.org sondern auch die beständige Weigerung, auf Autobahnen des Klima- und Umweltschutzes gepflegt haben, zulasten Tempo 130 einzuführen. Dieser anhaltenden Begeiste- der Verbraucher und der Umrung konnte selbst der beson- welt. Die Kartellwächter werden die ders in den USA sanktionierte Abgas-Skandal nicht wirklich Vorwürfe prüfen und auch die etwas anhaben. Die Verkaufs- Frage, ob Daimler sich durch zahlen von VW fielen etwas eine Selbstanzeige tatsächlich zurück, aber eine öffentliche eine Sanktionserleichterung Konsumentenempörung blieb verschaffen konnte. Doch aus und auch die deutsche Po- ganz gleich, welches Ergebnis litik tat sich mit Sanktionen das Kartellverfahren hat, am schwer. Nach der Manipula- Ende steht eine forensische tion mit Abgaswerten sind die Untersuchung. Die Ursachen deutschen Autobauer erneut werden die Fachöffentlichkeit in das Blickfeld der kritischen besonders interessieren, verÖffentlichkeit und mehr noch schweigen doch alle fünf Konder Brüsseler Kartellbehörde zerne nicht, wie wichtig ihnen geraten. VW, Audi, Porsche, ihre aufwendigen ComplianceBMW und Daimler sollen über Management-Systeme sind 20 Jahre einen intensiven Ge- und wie gut sie funktionieren, dankenaustausch über Ver- wenn sie denn funktionieren. kaufspreise sowie über Fragen

qanuun-aktuell

Heilige Kühe


Länder

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B

ehörden Spiegel: Herr Golibrzuch, wie ist die Personalsituation in Ihrer Behörde? Golibrzuch: Die aktuelle Situation spiegelt die politischen Einsparvorgaben früherer Jahre wider. Seit 2005 musste die Vermessungs- und Katasterverwaltung (VKV) in Niedersachsen rund ein Drittel ihres Personals abbauen. Es gab nur sehr wenige Einstellungsmöglichkeiten pro Jahr, was die Altersstruktur der VKV bis heute stark prägt. Derzeit liegt das Durchschnittsalter bei knapp 51 Jahren, in der Laufbahngruppe zwei sogar deutlich höher. Spätestens ab 2019 sind wir hier mit einer hohen Zahl von Altersabgängen konfrontiert. Seit 2015 ist das Landesamt frei von größeren Einsparvorgaben. Wir haben aktuell rund 2.000 Beschäftigte und können über unser Personalkostenbudget insoweit frei verfügen, dass Nachbesetzungen von Altersabgängen möglich sind. Behörden Spiegel: Wie ist der Stand hinsichtlich der Bewerberzahlen und der Qualität der Bewerbungen?

Golibrzuch: Die Zahl der Bewerber ist nach wie vor hoch und deren Qualität gut. Zu beachten ist: Unser Landesamt ist in neun Regionaldirektionen mit insgesamt 53 Standorten gegliedert. Hinzu kommt der Landesbetrieb Landesvermessung und Geobasisinformation als Teil des Landesamtes am Sitz Hannover. Jedes Jahr stellen wir 60–70 Auszubildende für das Berufs-

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Studium parallel zur Ausbildung Neue Wege der Nachwuchskräftegewinnung in Niedersachsen (BS) Die Abgangszahlen von Beamten und Tarifbeschäftigten sind im Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN) beträchtlich. Um geeignete Nachwuchskräfte zu gewinnen, setzt die Behörde vor allem auf die Ausbildung junger Leute. Hierzu bietet sie eigens ein sogenanntes biStudiumGeoIT und ein abiStudiumGeoIT an. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erläutert Michel Golibrzuch, seit 1. Juni 2017 Präsident des Landesamtes, die Personalsituation in seiner Behörde, Hintergründe zu den Studiengängen und mit welchen weiteren Maßnahmen zukünftig Personal gewonnen werden soll. Zugleich wünscht er sich die Abschaffung der Stellenobergrenzen und ein Einwanderungsgesetz. Die Fragen stellte Jörn Fieseler. Bewerbungen kommen auf eine Stelle? Golibrzuch: Wir haben auf eine Ausbildungsstelle sechs bis acht Bewerber, je nach Region. Ich denke, dass unser Ausbildungsberuf vor allem für junge Leute attraktiv ist, die eine Affinität zu den Naturwissenschaften oder zur Mathematik haben. Allerdings müssen wir zwischen den Ausbildungsberufen und den Dienstposten mit Hochschulabschluss unterscheiden. Im Bereich der Geoinformatiker und Geodäten, egal ob Bachelor oder Master, ist absehbar, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber nicht mehr ausreichen wird, um alle freien Stellen bei uns nach zu besetzen. Behörden Spiegel: Was unternehmen Sie dagegen?

Golibrzuch: Wir intensivieren unsere eigenen Anstrengungen im Bereich der Hochschulangebote. Zum einen können junge Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung nach ihrer Ausbildung in der VKV seit 2014 ein von uns unterstütztes Studium der Geodäsie, der Geomatik oder der Geoinforma“Die künstliche Verknappung tik absolvieren. gerade hochwertiger Planstellen Dieses sogenannwiderspricht der allgemeinen te biStudiumGeoIT ist ein zeitErkenntnis, für moderne Berufslich befristeter bilder immer höherwertigere Teilzeitvertrag. Abschlüsse zu benötigen.” Das bieten wir flächendeckend bild des Vermessungstechni- an all unseren Standorten an. kers neu ein, allerdings sind Dazu kooperieren wir mit der Nachfrage und Angebot regional Universität Hannover, mit der unterschiedlich. Wir haben in Hafencity Universität in HamNiedersachsen die besondere Si- burg und besonders mit der tuation, von einer rückläufigen Jade Hochschule in Oldenburg. Bevölkerungsentwicklung in der Dort werden zwei StudiengänFläche nicht gleichmäßig betrof- ge angeboten, an den übrigen fen zu sein. Mit den Landkreisen Standorten jeweils einer. Zum anderen haben wir in dieCloppenburg und Vechta liegen – gemessen am Altersdurch- sem Jahr, zunächst nur für die schnitt – bundesweit zwei der Regionaldirektion Oldenburgjüngsten Landkreise in unseren Cloppenburg, die Möglichkeit Landesgrenzen. Wir haben aber eines von uns so genannten auch mit dem Landkreis Goslar abiStudiumsGeoIT an der Jaund dem bis vor Kurzem selbst- de Hochschule geschaffen. Hier ständigen Landkreis Osterode, integrieren wir Ausbildung und jetzt mit Göttingen fusioniert, Studium, beides wird parallel bundesweit zwei der ältesten absolviert. Dazu haben BerufsLandkreise. Dementsprechend schule und Jade Hochschule unterscheidet sich auch die Be- eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. In Vorlesungswerberlage. zeiten wird so Rücksicht auf die Behörden Spiegel: Wie viele Berufsausbildung genommen

“Beim abiStudiumsGeoIT integrieren wir Ausbildung und Studium, beides wird parallel absolviert”, erläutert Michel Golibrzuch, Präsident des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen (LGLN). Foto: BS/Fieseler

und ein Berufsschulvormittag in der Woche integriert. Dieses Angebot richtet sich an besonders engagierte junge Menschen, denn durch die Integration von Ausbildung und Studium wird der Eintritt ins Berufsleben vorgezogen. Ganz aktuell ist, dass wir das Angebot für das abiStudiumGeoIT nicht mehr nur auf die Regionaldirektion OldenburgCloppenburg beschränken, sondern sich die Regionaldirektionen Aurich und Otterndorf ebenfalls daran beteiligen. Das setzt aber eine gewisse Mobilität bei den jungen Menschen voraus. Auch überlegen wir, Studierenden aus anderen Landesteilen über die VKV vermittelte Unterkünfte in Oldenburg zur Verfügung zu stellen. Behörden Spiegel: Wie gewinnen Sie junge Leute für diese Ausbildungsmöglichkeiten? Golibrzuch: Wir ermöglichen Schulpraktika und präsentieren uns auf regionalen Messen sowie im Rahmen des bundesweiten Zukunftstags. Wir zeigen uns aber auch bei überregionalen Veranstaltungen, etwa der Ideen-Expo, die kürzlich in Hannover stattfand. Gerade diese Messe stellt für uns einen ganz wichtigen Erstkontakt dar, sind die Besucherzahlen dort doch höher als zuletzt bei der Cebit. Aber wir wollen verstärkt neue Wege gehen, um Jugendliche auf unsere Fachverwaltung aufmerksam zu machen. Bisher funktioniert es noch, Ausbildungsplätze klassisch per Zeitungsanzeige auszuschreiben, weil Eltern und Lehrer diese lesen und die Jugendlichen darauf ansprechen. Die Jugendlichen selber lesen die Zeitung ja nicht mehr. Wir sind

deshalb als VKV auf Facebook unterwegs und seit Juli auch auf Instagram. Wir wollen uns künftig aber auch in anderen Sozialen Netzwerken wie Pinterest präsentieren und Youtube nutzen. Wir haben als technische Verwaltung durchaus etwas zu zeigen, das möchten wir in kurzen Videos darstellen, etwa die Arbeit eines Vermessungstrupps im Außendienst. Durch die Nutzung der Sozialen Netzwerke wollen wir die jungen Menschen direkt ansprechen und für uns interessieren. Behörden Spiegel: Was ist für die nächsten zwei bis fünf Jahre geplant? Golibrzuch: Neben den verstärkten Anstrengungen im Bereich der Ausbildung steht vor allem der Wandel durch die Digitalisierung an. Hier werden für unsere Verwaltung gänzlich neue Berufsbilder entstehen. Das Liegenschaftskataster mit den darin enthaltenen Informationen wird sich weiterentwickeln zu einer Art Daseinsvorsorgekataster. Wir werden neue Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln, mit denen wir uns als zentraler Geodatendienstleister für die gesamte Landesverwaltung und auch für die Kommunen positionieren. Dazu werden wir unsere Geodaten verstärkt mit Fachdaten verschneiden, modellieren und visualisieren. Anstatt der Bereitstellung von analogen Karten wird das Geodatenmanagement ein neuer Kernbereich werden, auch im Sinne von Politikberatung. Ich finde es durchaus bemerkenswert, dass die öffentliche Verwaltung all ihre Geobasisdaten und eine Vielzahl von Fachdaten künftig maschinen-

lesbar ins Internet stellt, die mit Big-Data-Analysen möglichen Rückschlüsse daraus im Regelfall aber gar nicht kennt. Diese Daten haben ja nicht nur einen ökonomischen Wert, sondern auch einen Erkenntniswert, der über deanonymisierte ZensusDaten weit hinausgehen kann. Dieses Verschneiden von Daten wollen wir künftig als Portfolio unserer Fachverwaltung vorhalten, anbieten und in der Diskussion mit den anderen Landesbehörden gemeinsam entwickeln, auch, um möglichst bereits im Vorfeld einer Veröffentlichung dafür zu sensibilisieren, welche Erkenntnisse damit verfügbar gemacht werden. Auch bei einer unserer zentralen Aufgaben, der Grundstückswertermittlung, wird sich einiges verändern. Unsere Aufgabe ist es, für Transparenz auf dem Grundstücksmarkt zu sorgen, und da wird von uns zu Recht erwartet, dass wir nicht nur einmal im Jahr einen Grundstücksmarktbericht vorlegen, sondern unterjährig darüber informieren, wie die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt für eine Region verläuft. Weg von der Jährlichkeit, hin zu mehr Aktualität, lautet die Devise, daran arbeiten wir. Behörden Spiegel: Wo sehen Sie Handlungsbedarfe, um auch künftig weiterhin qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen? Golibrzuch: Noch sind Zahlen und Qualität der Bewerber gut, gleichwohl sind die Abschlussnoten im Schnitt der letzten Jahre gesunken. Natürlich können wir unsere Anforderungen nicht drastisch reduzieren, aber wir werden uns mit Lerninhalten und Prüfungsstoffen auseinandersetzen müssen. Die VKV wird

die Ausbildung weiter verbessern, um den geänderten Anforderungen Rechnung zu tragen. Mit Blick auf Hochschulabsolventen wie Geoinformatiker bzw. Geodäten werden wir trotz unserer beiden Studienangebote nicht sämtliche Altersabgänge in den nächsten Jahren kompensieren können. Wir können uns aber auch nur bei dem Personal bedienen, das auf dem Arbeitsmarkt verfügbar ist. Zwar beschäftigen wir aktuell bereits anerkannte Asylbewerber mit entsprechendem Abschluss, aber das sind natürlich Einzelfälle. Wünschenswert wäre ein Einwanderungsgesetz, das an ökonomischen Kriterien orientiert ist. Die bisherigen Regelungen zu Green- und Blue-Card gehen an der Realität vorbei, weil zu hohe Einkommensgrenzen verlangt werden. Behörden Spiegel: Und mit Blick auf das Dienst- und Tarifrecht? Golibrzuch: Da brauchen wir vor allem attraktive Tarifsysteme und mehr Flexibilität. Bei der Digitalisierung werden wir mit unserem jetzigen Dienstund Tarifrecht ins kurze Gras kommen. Wir werden in Zukunft Datenspezialisten benötigen, darauf wird von politischer Seite ebenfalls hingewiesen. Diese Datenspezialisten müssen wir aber auch angemessen bezahlen können, und genau das wird durch das Dienstrecht aktuell erschwert. Wir brauchen im Laufbahnrecht eine größere Durchlässigkeit mit Aufstiegsmöglichkeiten für technisches Fachpersonal. Es macht keinen Sinn, IT-Spezialisten nach acht oder zehn Jahren am Ende ihrer Laufbahngruppe zu erklären, dass sie nun erstmal zwei Jahre Ausländerrecht machen müssen, um sich danach für einen Aufstieg bewerben zu können. Für die IT sind sie danach vermutlich nicht mehr zu gebrauchen. Und wir brauchen mitunter deutlich mehr höherwertige Planstellen. Der Stellenkegel ist nicht unbedingt passend für die künftigen Anforderungen. Ein wichtiges Stichwort ist in diesem Zusammenhang die Stellenobergrenzenverordnung, die bestimmte Korridore zuweist. Hier wäre eine größere Flexibilität wünschenswert. Noch besser wäre es, die Verordnung ganz abzuschaffen und die Behörden allein über Beschäftigungsvolumen und Budget zu steuern. Die künstliche Verknappung gerade hochwertiger Planstellen widerspricht der allgemeinen Erkenntnis, für moderne Berufsbilder immer höherwertigere Abschlüsse zu benötigen. Das vollständige Interview lesen Sie auf www.behoerdenspie gel.de, Suchwort “Golibrzuch”.

NEUE VERANSTALTUNG des Behörden Spiegel

BUNDESKONGRESS: Strafvollzug und Justizverwaltung 17. Oktober 2017, Bonn Auch der Straf- und Justizvollzug muss mit der Zeit gehen und sich den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen stellen. Die wichtigsten Themen, die der „Bundeskongress Strafvollzug und Justizverwaltung“ am 17. Oktober behandelt, sind dabei: ► Islamismus im Vollzug ► Zukunft des Berufsbildes des Justizvollzugsbeamten ► Künftige Entwicklungen in der Vollzugsgestaltung

www.justizverwaltung.eu


Finanzen

Behörden Spiegel / August 2017

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Investitionsverpflichtung für den Staat

Raus aus den Schulden

Hilft eine Investitionsregel gegen den Investitionsstau?

Hessen übernimmt sechs Milliarden Euro kommunaler Kassenkredite

(BS/lkm) SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will eine Investitionsverpflichtung für den Staat einführen. Statt primär Schulden zu tilgen, sollen die Überschüsse vornehmlich investiert werden. Mit der Investitionsregel soll ein Gegenstück zu der im Grundgesetz festgeschriebenen Schuldenbremse geschaffen werden, die das Staatsdefizit nach oben hin begrenzt. Ökonomen und die Finanzwirtschaft zeigen sich skeptisch. Aber es gibt auch positive Resonanzen.

(BS/lkm) Das Land Hessen hat ein neues Programm zur Entschuldung seiner Kommunen und zur Förderung kommunaler Investitionen aufgelegt, die Hessenkasse. Das Land bietet den Kommunen an, rund sechs Milliarden Euro kommunaler Kassenkredite abzulösen und deren Abbau zu organisieren. “Ein bundesweit einmaliges Angebot! Wir ermöglichen hunderten von Kommunen in Hessen damit einen Neustart”, sagte Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer.

“Mit der im Grundgesetz verankerten “Schuldenbremse” gibt es eine Obergrenze für das gesamte deutsche Haushaltsdefizit, ohne dass damit Vorgaben für die Ausgaben einhergehen”, kritisiert Schulz in seinem Zukunftsprogramm. Als Ergänzung zur “Schuldenbremse” soll es daher auch eine “Mindestdrehzahl” für Investitionen geben, die in der mittelfristigen Finanzplanung fest verankert wird. Die Investitionsverpflichtung soll sich an den Spielräumen des Haushalts orientieren und so für eine verlässliche Investitionsplanung sorgen. Schulz will in der kommenden Legislaturperiode vor allem in schnelle Glasfaserverbindungen, in die Energiewende, in Forschung und Entwicklung, in Schienen und Straßen, in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, aber vor allem in Kitas, Schulen und Hochschulen investieren. Der Staat, so Schulz, dürfe keine Defizite machen. Er müsse aber auch sein Geld nach einer verbindlichen Vorgabe für die Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur einsetzen, erklärt der Kanzlerkandidat. Bisher sollten Überschüsse in die Schuldentilgung fließen. Die Sozialdemokraten wollen aber, dass Überschüsse investiert und damit produktiver verwendet werden als bisher.

Mit dem neuen Entschuldungsprogramm soll nicht nur Kommunen geholfen werden, die Kassenkredite angehäuft haben, sondern auch denen, die ohne Kassenkredite ausgekommen sind. Für finanz- oder strukturschwache und zugleich sparsame Kommunen ohne Kassenkredite legt das Land deshalb ein Investitionsprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro auf. Mehr als die Hälfte aller Kreise, Städte und Gemeinden in Hessen leben seit Jahren im Minus. Rund sechs Milliarden Euro betragen die Kassenkredite der hessischen Städte und Gemeinden. Spitzenreiter ist hier Bad Karlshafen. In der hessischen Kurstadt betragen die Kassenkredite mehr als 4.000 Euro je Einwohner. “Wir bieten den Kommunen nun an, ihnen diese Schulden zum 1. Juli 2018 auf einen Schlag abzunehmen, die Tilgung zu organisieren und auch Landesgeld dafür in die Hand zu nehmen. Das ist nicht nur bundesweit einmalig, es ist vor allem für viele Kommunen die Chance, den Reset-Knopf zu drücken”, sagten Finanzminister Schäfer und Hessens Innenminister Peter Beuth.

Reihenfolge ändern Der Vorschlag einer “Mindestdrehzahl” für öffentliche Investitionen stammt wesentlich von Henrik Enderlein und Jean Pisani-Ferry, beide Wirtschaftsprofessoren an der Hertie School of Governance in Berlin. Enderlein hat 2014 zusammen mit Jean Pisani-Ferry, dem jetzigen Chefberater von Emmanuel Macron, Reformvorschläge für den damaligen Wirtschaftsminister Macron erarbeitet. “Eine marode Infrastruktur belastet zukünftige Generationen stärker als Schulden”, erklärt Enderlein. Es liege damit auf der Hand, dass es zur Schuldenregel auch eine Investitionsregel geben müsse. “Die Haushaltspolitik des Staates mache es sich sehr leicht: Zuerst werde die Schuldenbremse eingehalten, dann fließe das Geld für konsumtive Ausgaben von den Sozialausgaben über die Renten bis zu

Allein die Kommunen haben einen geschätzten Investitionsrückstand von 126 Milliarden Euro. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will den Staat deswegen zu mehr öffentlichen Investitionen verpflichten. Foto: BS/Bernd Sterzl, pixelio.de

den Subventionen. Und was am Ende übrig bleibe, gehe dann eben in die Investitionen. Diese Reihenfolge müsse sich ändern: “Erst die Schuldenbremse einhalten, dann die Investitionsregel, dann die konsumtiven Ausgaben”, fordert der Ökonom. Wer glaube, nur die Schulden würden zukünftige Generationen belasten, irre gewaltig. “Ist es nicht noch ungerechter, die jungen Menschen heute in maroder Infrastruktur groß werden zu lassen und sie dann morgen zusätzlich noch für den dann deutlich teureren Wiederaufbau dieser Infrastruktur zur Kasse zu bitten?” Ähnlich sieht es Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Deutschland brauche einen rechtlich bindenden Investitionsschutz des Volksvermögens. Fratzscher spricht sich deshalb für eine haushaltsrechtliche Verpflichtung zum Schutz öffentlicher Investitionen aus.

Warnung vor “Sozialstaatbremse” und Fehlinvestitionen Dr. Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion, warnt, dass eine Investitionsverpflichtung des Staates, ohne Steuererhöhungen zur Finanzierung der Ausgaben, verherende negative Folgen haben könne: “Würde eine Investitionsquote gesetzlich festgeschrieben, aber gleichzeitig die Schuldenbremse aufrechterhalten und höhere Steuern für große Unternehmen und Reiche ausgeschlossen, dann läuft dies auf eine “Sozialstaatsbremse” hinaus. Die öffentliche Infra-

struktur würde ausgerechnet auf Kosten der Schwächsten der Gesellschaft saniert.” Auch der Bankenverband warnt vor negativen Folgen des Konzeptes: “Keine Frage: In Deutschland muss wieder mehr investiert werden, nicht nur staatlich, sondern auch privat. Eine gesetzliche Investitionspflicht für die öffentliche Hand ist aber nicht die richtige Medizin”, sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes. “Die Gefahr von Fehlinvestitionen wäre enorm.” Statt Zwang und vorgegebene Planzahlen brauche man für Investitionen in Deutschland insgesamt bessere Rahmenbedingungen. “Dazu gehören unter anderem schnellere öffentliche Planungs- und Genehmigungsverfahren, ein leistungsfähiges und stärker an einheitlichen Zielen orientiertes Bildungssystem sowie ein wirtschafts- und innovationsfreundliches Umfeld”, so Kemmer. In ihrem ARD-Sommerinterview betonte auch Kanzlerin Angela Merkel, dass das Hauptproblem nicht das Geld sei, sondern lange Vorlaufzeiten und häufige Verzögerungen bei Planungen und Genehmigungen: “Wir können zurzeit das Geld, was wir haben, nicht ausgeben.” Diese Meinung teilt auch Clemens Fuest, Präsident des Münchener ifo Instituts. Oft sei man schon an dem Punkt angelangt, dass das Geld nicht mehr ausgegeben werden könne, weil es an sinnvollen Projekten fehle. Am Ende könnte einfach nur Geld für Unsinniges ausgegeben werden, nur, um die Regeln einzuhalten sagte er dem “Handelsblatt”.

Erleichterter Zugang zu EU-Mitteln Regelungen sollen abgeschafft oder vereinfacht werden (BS/lkm) Es ist nicht immer leicht, sich im Dickicht der Rechtvorschriften von EU-Fonds zurechtzufinden. Die Gewährung von EU-Mitteln sollte deswegen ab 2020 weiter vereinfacht werden. Zu diesem Schluss kommt eine von der EU-Kommission beauftragte Expertengruppe. “Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von der EU, dass sie mehr tut – doch das Budget der EU schrumpft. Dieses Dilemma können wir nur lösen, wenn wir jeden ausgegebenen Euro bestmöglich verwenden”, sagte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Nach Auffassung der Experten ist der derzeitige Rechtsrahmen zwar gut strukturiert, muss aber entrümpelt werden. Am einfachsten seien Rechtsvorschriften dann, wenn es wenige davon gebe. Deshalb macht die Gruppe Vorschläge dazu, welche Regelungen ganz abgeschafft oder radikal vereinfacht werden könnten. “Weniger und einfachere Vorschriften, das bedeutet weniger Fehler und bessere Ergebnisse”, erklärte EU-Regionalkommissarin Corina Creţu. In Bezug auf staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge und Methoden der Kostenerstattung sollten die Rechtsvorschriften für die verschiedenen EU-Fonds und

-Instrumente harmonisiert werden, damit Synergieeffekte erzielt und Antragsteller in die Lage versetzt werden können, für dasselbe Projekt EU-Mittel aus unterschiedlichen Quellen zu beantragen. Ein noch einfacherer Rahmen sollte allen Mitgliedsstaaten und Regionen zur Verfügung stehen, die eine Reihe von Kriterien erfüllten, nämlich zuverlässige Verwaltungs- und Kontrollsysteme, umfangreiche nationale Kofinanzierung als Motivation zur sinnvollen Verwendung der Mittel sowie Ermittlung wichtiger durchzuführender Strukturreformen und Konzentration auf einige vorrangige Gebiete, damit

dort entsprechende Ergebnisse erzielt werden könnten. Die Gruppe regt an, die Regelungen auf EU-Ebene in diesem Fall auf strategische Investitionsprioritäten und Grundsätze für die Verwendung der Mittel zu beschränken. Bei der Auszahlung der EU-Mittel kämen die vorhandenen nationalen Verwaltungsverfahren zur Anwendung und die Kommission würde keine umfangreichen Prüfungen durchführen. Die Mitgliedstaaten und die Kommission würden sich darüber einigen, welche Strukturreformen durchgeführt werden müssten und welche konkreten Ergebnisse zu einer Kostenerstattung führen würden.

Striktere Bedingungen für Kassenkredite

Für die Kommunen sei das Hessische Entschuldungsprogramm “die Chance, den Reset-Knopf zu drücken”, so Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer. Foto: BS/Patrick Lauke, cc by nc nd 2.0, flickr.com

nicht am Ziel sind, übernimmt die Hessenkasse komplett die noch ausstehende Tilgung. “Dies dürfte nach unseren derzeitigen Schätzungen auf rund 30 der höchstverschuldeten Kommunen zutreffen”, rechnet der Finanzminister vor. Damit es in Hessen nicht mehr zu einer derartigen Verschuldung aufgrund von Kassenkrediten kommt, soll die Genehmigung strikter werden. Auch soll es eine grundsätzliche Verpflichtung zur umgehenden Rückzahlung der Kredite geben. Hessen werden, die hierfür erforderlichen Maßnahmen treffen, kündigte Innenminister Beuth an.

Kritik an Verteilungsgerechtigkeit Kommunen, die am Entschul-

dungsprogramm teilnehmen, müssen zur Begleichung ihrer Schulden im Durchschnitt rund ein Drittel des Betrags aufbringen, den sie selbst an Tilgung und Zinsen dafür gezahlt hätten. Den Rest organisiert das Land. “Der Eigenbetrag liegt bei 25 Euro pro Einwohner pro Jahr”, sagte Schäfer. Bei Kommunen, die nach 30 Jahren durch die eigenen Zahlungen und die der Hessenkasse noch

Der Hessische Städtetag begrüßte das Entschuldungs- und Investitionsprogramm der Landesregierung. Kritisierte aber, dass damit in erster Linie den Landkreisen und den kreisangehörigen strukturschwachen Gemeinden mit hohen Kassenkrediten geholfen werde. Auch seien noch Fragen der Verteilungsgerechtigkeit zu klären. So kritisiert der Hessische Städtetag, dass die gewerbesteuer-

starken Städte und Gemeinden in überdurchschnittlicher Weise zur Finanzierung der Hessenkasse beitragen sollen. Noch deutlichere Kritik an der Hessenkasse kommt aus der Opposition. Die Hessenkasse sei eine “gigantische BadBank”, durch die dem Landeshaushalt jährlich 200 Millionen Euro entzogen würden, beanstandet der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag Dr. JörgUwe Hahn. Sie sei zudem “völlig unausgewogen und unfair”, da von dem Entschuldungsprogramm auch Städte profitieren würden, die sich trotz “riesiger Gewerbesteuereinnahmen kräftig verschuldet haben”. Diese Städte würden nun fürs Schuldenmachen belohnt. Kommunen, die sparsam gewirtschaftet hätten, würden hingegen leer ausgehen. Vor einer Übernahme der Kassenkredite müsste zwingend eine Prüfung der Schuldentragfähigkeit stehen, fordert Hahn. “Es kann doch nicht sein, dass das Land auch für Schulden von Städten und Kreisen aufkommt, die diese Schulden problemlos selbst abtragen könnten.”

MELDUNGEN

Wirksamere Entwicklungszusammenarbeit (BS) Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) testet für den transparenten Einsatz von Haushaltsmitteln die Blockchain-Technologie. Diese ermöglicht es, sämtliche Arbeitsund Genehmigungsschritte im Rahmen der Beschaffung, der Vertragsgestaltung, der Ausschreibungen und Auszahlungsprozesse bei der Durchführung eines Projekts abzubilden. Alle beteiligten Parteien können

auf dieser Plattform zusammenarbeiten und verfolgen, wer welche Änderungen vornimmt. Die Vorgänge sind nicht nur transparenter nachvollziehbar, sondern können vor allem nicht nachträglich oder unbefugt manipuliert werden. Das minimiere die Risiken einer Mittelfehlverwendung aufseiten der Institutionen, an die ausgezahlt wird. “Mängel im Management öffentlicher Finanzen gehören zu

den größten Hemmnissen für wirtschaftliche Entwicklung und gefährden regelmäßig auch die Wirksamkeit der Finanziellen Zusammenarbeit”, sagte Dr. Norbert Kloppenburg, Mitglied des Vorstands der KfW Bankengruppe. In einer Pilotphase soll der existierende Prototyp der Software zunächst bei laufenden Investitionsprojekten getestet und weiterentwickelt werden.

VÖB stellt Förderstatistik 2016 vor (BS) Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) hat Mitte Juli seinen Förderbericht vorgestellt. Der Bericht gibt einen Überblick über die öffentlichen Gelder, die über Förderbanken ausgereicht wurden. Demnach stieg das Gesamtvolumen neu ausgereichter

Zuschüsse 2016 mit 7,5 Milliarden Euro deutlich gegenüber dem Vorjahr (6,4 Milliarden Euro) an. Die Darlehenszusagen sind von 65 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf knapp 70,5 Milliarden Euro 2016 gestiegen. Die Bewilligungen bei Bürgschaften und Haftungsfreistellungen

bleiben mit 1,41 Milliarden Euro im Jahr 2015 annähernd im Bereich des Vorjahres (1,44 Milliarden Euro). Die Schwerpunkte der Förderung lagen 2016 bei Gewerbeund Kommunalfinanzierung sowie im Städte- und Wohnungsbau.

Werner Hoyer bleibt EIB-Chef (BS) Werner Hoyer wird die Europäische Investitionsbank (EIB-Gruppe) für eine zweite sechsjährige Amtszeit ab dem 1. Januar 2018 führen. Der Rat der Gouverneure der EIB hat seine Wiederbestellung Ende Juli bestätigt. Hoyer hat sein Amt an der Spitze der EU-Bank 2012 angetreten. Seit 2012 ist das jährliche Finanzierungsvolumen der EIB-Gruppe von 55 auf 84 Mrd. Euro gestiegen. In der gleichen Zeit nahm das von der EIBGruppe mobilisierte jährliche Investitionsvolumen von 169 auf

287 Mrd. Euro zu. Diese Ausweitung des Geschäfts ist zu einem Teil auf die Investitionsoffensive für Europa, den Juncker-Plan, zurückzuführen. Dieser Plan ist in enger Zusammenarbeit zwischen Jean-Claude Juncker und Hoyer entstanden. “Es war mir eine Ehre, in diesen herausfordernden Zeiten als Präsident der EU-Bank zu dienen”, sagte Hoyer. “Neue Herausforderungen liegen vor uns, nicht zuletzt das Ausscheiden Großbritanniens aus dem Kreis der Mitglieder der EU-Bank. Aber ich bin mir

Der 65-jährige Hoyer wird die EIB noch bis Ende 2023 führen. Foto: BS/EIB

sicher, dass wir auch auf diese Herausforderungen gute Antworten finden werden.”


Beschaffung / Vergaberecht

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Zwischen Effizienz und Kundenfokus

► Entscheidungen zum Vergaberecht ► MINDESTLOHN

Wenn der Zoll irrt… …schaut der Bieter in die Röhre Der Auftraggeber beabsichtigt, Estrich schleifen zu lassen. Mehrere Bieter verstehen darunter reine Bodenbelagsarbeiten. Der Auftraggeber hält sich jedoch an die Auskunft des Hauptzollamtes und ordnet die Tätigkeit dem Bauhauptgewerbe zu. Diese Einordnung hat weitreichende Konsequenzen, denn sie führt zu unterschiedlichen Mindestlöhnen. Der preislich führende Bieter wurde ausgeschlossen, weil er mit dem niedrigeren Mindestlohn für Bodenbelagsarbeiten angeboten hatte. Er verlangt nun Schadenersatz, weil er den Ausschluss für rechtwidrig hält. Damit scheitert er vor dem OLG Köln. Das OLG stellt klar, dass ein Schadenersatz aus vorvertraglichen Pflichtverletzungen nur bei Verschulden des Auftraggebers infrage kommt. Da sich der Auftraggeber aber auf die Auskunft des Zolls verlassen hatte, trifft ihn kein Verschulden, selbst dann nicht, wenn er tatsächlich mit einem zu hohen Mindestlohn gerechnet hätte. Verschuldensunabhängig kommt dem Bieter nur ein Anspruch zu, wenn der Auftraggeber gegen bieterschützende Vorschriften verstoßen hätte. Mindestlöhne schützen aber nicht die Bieter, sondern die Arbeitnehmer. Somit fehlt dem geprellten Bieter jede Anspruchsgrundlage. OLG Köln (Urt. v. 21.12.2016, Az.: 17 U 42/15)

► URKALKULATION

Nachforderung nötig Sperrvermerk kein Ausschlussgrund Oftmals haben Bieter Sorgen, dass ihre Urkalkulationen in falsche Hände geraten könnten. Sie versehen die Umschläge daher mit dem Sperrvermerk “Nur in Beisein des Bieters zu öffnen!” Bisher führt diese Vorsicht regelmäßig zum Angebotsausschluss, weil darin eine unzulässige Bedingung und daher eine Abweichung von den Vergabeunterlagen gesehen wurde. Das OLG Oldenburg beurteilt die Lage anders. Im Unterschwellenverfahren war der Bieter wegen eines solchen Sperrvermerks ausgeschlossen worden. Er begehrt nun vor dem Zivilsenat Schadenersatz, weil er den Ausschluss für unrechtmäßig erachtet. Der Senat folgt der Argumentation des Bieters. Der Sperrvermerk auf der Urkalkulation stelle vielmehr einen formalen Mangel eines einzureichenden Nachweises dar. Ein solcher formaler Fehler unterliege der seit 2012 bestehenden Nachforderungspflicht der VOB/A. Der Auftraggeber hätte dem Bieter also zunächst die Gelegenheit zur Vervollständigung des Angebotes geben müssen. OLG Oldenburg (Urt. v. 25.04.2017, Az: 6 U 170/16)

►FACHLOS

der Nasszellen aber nicht in einem eigenen Fachlos aus, sondern will diese Leistung nur im Zusammenhang mit den Rohbauarbeiten vergeben. Hiergegen wendet sich ein Fertignasszellenhersteller mit dem Argument, für seine Produkte gebe es einen eigenen Anbietermarkt, weswegen dafür ein Fachlos hätte gebildet werden müssen. Der Auftraggeber bestreitet schon das Vorhandensein eines solchen Marktsegmentes. Er finde lediglich zwölf Firmen in Deutschland, die diese Leistung erbrächten. Das genüge nicht, um ein eigenständiges Marktsegment anzunehmen. Die Vergabekammer gibt, was die Marktbeurteilung angeht, dem Bieter Recht: Die Zahl der Marktteilnehmer erfordere die Aufstellung eines eigenen Fachloses. Im konkreten Fall aber steht der Abteilung dieses Fachloses eine bauliche Besonderheit entgegen. Weil das Gebäude keine Unterkellerung aufweist, ist die standardisierte Abwasserableitung im Erdgeschoss nicht möglich. Der Nasszellenbauer sei daher nicht in der Lage, die Erdgeschosszellen einzubauen. Deswegen sei die Gesamtvergabe gemeinsam mit dem Rohbau gerechtfertigt. VK Bund (Beschl. v. 18.11.2016, Az: VK 1-98/16)

► AUFTRAGSWERT

Deflation? Es geht auch billiger Dass Kosten auch sinken können, zeigt der Fall einer Kreispolizeibehörde in NRW, die das Abschleppen von Fahrzeugen neu ausschreiben musste. Die letzte Ausschreibung lag deutlich über dem europäischen Schwellenwert. Die Neuausschreibung nimmt die Behörde als beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb vor. Dies rügte ein Bieter als Verstoß: Weil bereits die Vorausschreibung über dem Schwellenwert lag, müsse auch der neue Auftrag europaweit ausgeschrieben werden. Außerdem sei die Ausschreibung intransparent. Da der Auftraggeber dem nicht abhalf, beantragte er die Nachprüfung. Damit scheitert er in beiden Instanzen. Denn seine Hochrechnung vom alten auf den neuen Auftragswert war nicht möglich. In der Zwischenzeit hatte die Behörde nämlich intern erhebliche Umstrukturierungen vorgenommen. Dadurch sei der Aufwand für die Abschleppleistungen deutlich geringer geworden. Dies war im Vergabevermerk ausführlich begründet und nachvollziehbar berechnet. So erwartet die Behörde Einsparungen von über 35 Prozent. Der Auftragswert sinkt von jährlich über 50.000 Euro auf knapp über 30.000 Euro. Selbst die nunmehr sechsjährige Laufzeit des neuen Vertrages überschreitet den Schwellenwert jetzt nicht mehr. Damit fehlt es an der Voraussetzung für die Nachprüfung. OLG Düsseldorf (Beschl. v. 02.11.2016, Az.: VII-Verg21/16)

Kalte Dusche Es gibt einen Markt für Nasszellen 99 Duschbäder werden für ein Unterkunftsgebäude benötigt. Da liegt es nahe, standardisierte Fertignasszellen einzubauen. Das sieht auch der Auftraggeber so, schreibt die Lieferung und den Einbau

Behörden Spiegel / August 2017

► DOKUMENTATION

Schablonen und Raster Barocke Malerei nur mit barocker Technik? Über Geschmack lässt sich streiten, nur meist ohne Erfolg. Das zeigt auch das einen Auftrag zur barocken Fassa-

dengestaltung betreffende Nachprüfungsverfahren. Der Auftraggeber hatte für die Bieter extra eine Musterplatte anfertigen lassen, mit der er gezeigt hatte, wie er sich die Umsetzung “einer im Duktus der ursprünglichen barocken Gestaltung erstellten illusionistischen Architekturmalerei” vorstellt. Die Bieter hatten dazu eine komplette Fassadenachse als Muster zu bemalen. Diese Muster dienten der Entscheidung über die Auftragsvergabe. Allerdings haben die Bieter die Musterplatte höchst unterschiedlich interpretiert. So stritten sie darum, ob die Verwendung von Schablonen bei der Erstellung der Fassadengemälde im Barock üblich und daher zulässig gewesen sei. Gleiches gilt für eine Rasterung der Grautöne. Die Vergabekammer allerdings löst den Streit ganz anders auf. Sie stellt fest, dass man nur deswegen über den Geschmack streite, weil in den Vergabeunterlagen nicht erläutert worden war, was die Wertungsgrundlagen für die Muster sein sollten. Das gehe nicht einmal aus der Entscheidungsdokumentation hervor, die lediglich darlege, dass die Gutachter sich für einen Bieter entschieden hätten, nicht aber warum. So wird der wechselseitige Ausschluss von Bietern abgelehnt. Statt dessen ist das ganze Verfahren zu wiederholen. VK Nordbayern (Beschl. v. 17.03.2017, Az: 21.VK-3194-01/17)

► LEITPRODUKT

Was ist gleichwertig? Kriterienkatalog erforderlich Der Auftraggeber will seine Straßenbeleuchtung auf LED umstellen. In der Markterkundung findet ein bestimmtes Produkt seinen Gefallen. Dies setzt er als “Orientierungsfabrikat” in das LV ein und bestimmt, dass gleichwertige Alternativen zugelassen seien, sofern dessen technische Daten, Design und Beleuchtungstechnik gleich seien. Dazu schrieb er als Mindestanforderung das technische Datenblatt seines Orientierungsproduktes ab. Offenbar fiel ihm aber auf, dass damit der Wettbewerb auf genau dieses eine Produkt eingeschränkt werden könnte. Deswegen findet sich eine Seite weiter hinten im LV eine Aufzählung technischer Mindestanforderungen, die gelten sollten, wenn nicht das Orientierungsfabrikat angeboten wird. Das ist für die Bieter unverständlich, findet die Vergabekammer Thüringen. Denn so ist nicht mehr klar, in welchen Fällen nun vom Leitprodukt abgewichen werden darf, und in welchen nicht. Vor allem war nicht mehr klar, inwieweit sich auch das Design unterscheiden darf, denn darüber war in der zweiten Tabelle gar nichts mehr ausgesagt. Der Ausschluss von Bietern, die ein abweichendes Design und eine abweichende Lichttechnik (Reflektor statt Linse) anboten, ließe sich daher nicht rechtfertigen. Vielmehr muss das ganze LV widerspruchsfrei überarbeitet werden. VK Thüringen (Beschl. v. 06.06.2017, Az: 250-4002-4513/2017-N-008-NDH)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

Wie Unternehmen Textbausteine im Individualangebot richtig verwenden (BS/Patrick Hofstadt) Unternehmen, die sich regelmäßig an Ausschreibungen beteiligen, müssen einen schwierigen Spagat beherrschen. Auf der einen Seite müssen sie eingehende Anfragen effizient beantworten und besitzen mit steigender Produktlastigkeit eine immer größere Anzahl von vorgefertigten und zeitsparenden Textbausteinen. Auf der anderen Seite müssen sie den Kundenfokus und den durch das Produkt oder die Lösung geschaffenen Kundenmehrwert auch auf der schriftlichen Ebene ausreichend darstellen. Dies wiederum ist auf einer kundenindividuellen Basis – also insbesondere im Lösungsgeschäft – nur mit individuell geschriebenen Texten möglich. Unternehmen, die eine umfangreiche und aktuelle Datenbank von Textbausteinen besitzen, neigen oft dazu, dieses Werkzeug zu unbedacht zu verwenden. Die umfassende Verwendung von generischen Texten führt im Zweifel dazu, dass ein Kunde sich nicht verstanden oder nicht ernstgenommen fühlt. Denn Kunden können aus allgemeinen Bausteinen den individuellen Mehrwert eines Produkts oder einer Lösung für die eigene Situation oft nicht von allein herauslesen. Der Anbieter besitzt nicht ohne Grund einen Wissensvorsprung gegenüber seinem Kunden. Diesen Vorsprung muss er im Angebot aktiv überbrücken. Wer sich bei der Beantwortung einer Ausschreibung darauf verlässt, dass die beauftragende Seite den aus den generischen Texten resultierenden Mehrwert von allein zu erkennen in der Lage ist, verzichtet im Zweifel auf wertvolle Bewertungspunkte.

Sensibel und strukturiert vorgehen Das umfangreiche Schreiben kundenindividueller Texte hingegen ist mit hohem Zeitaufwand verbunden. Es setzt eine ausreichende vertriebliche Vorarbeit voraus und das nicht immer leichte Herstellen einer in Technik und Vertrieb einheitlichen Sicht auf den Angebotsgegenstand. Die qualitativ ausreichende Umsetzung der Texte in der gegebenen, limitierten Zeit wird oft erschwert durch paralleles Projektgeschäft, einzuhaltende interne Fristen sowie sonstige organisatorische Anforderungen (verteilte ProjektTeams, geringe Verfügbarkeit bestimmter Experten etc.). Unternehmen, die den beschriebenen Spagat beherrschen wollen, sollten zwei Voraussetzungen erfüllen: Zum einen müssen ihre Mitarbeiter eine ausreichende Sensibilität für die Risiken von Textbausteinen besitzen und entsprechend handeln, zum anderen sollten die Unternehmen ein strukturiertes Vorgehen zur Verwendung von Bausteinen besitzen. Bezüglich der Risikosensibilität ist es zwingend nötig, den mit der Ausarbeitung von An-

lich. Um dieses Wissen in Handeln zu überführen, ist ein strukturiertes Patrick Hofstadt ist selbstständiger Angebotsberater Vorgehen hilfund international zertifizierreich, das bei der ter, langjährig erfahrener AnAuswahl, Aufgebotsmanager. bereitung und Verwendung der BS/privat Bausteine hilft. Ziel muss es sein, die generigeboten beauftragten Mitarbei- schen Texte so in eine kundentern die Gefahren von und den fokussierte Struktur einzupasrichtigen Umgang mit Textbau- sen, dass sie nicht mehr wie steinen zu vermitteln. Textbausteine wirken. Unternehmen erreichen dies nicht, Kundenproblem fokussieren indem sie bei der Beantwortung Bieter müssen beispielsweise einer Frage zunächst recherin der Lage sein, den starken chieren, welche Textbausteine Produkt-/Technik-Fokus gene- zum entsprechenden Kontext rischer Texte um den fehlenden vorliegen und dann darauf die Kundenfokus zu ergänzen. Da- Antwort aufbauen. So ist es zu muss ein Bezug zum hinter allerdings leider vielfach noch der technischen Anforderung üblich. Stattdessen sollten die Unterstehenden Business-Problem des Kunden erzeugt werden. nehmen zuerst stichpunktartig Erst auf dieser Basis lässt sich beantworten, welche Informatider für den Kauf entscheidende onen für den Kunden tatsächKundenmehrwert darstellen. lich relevant sind und in welFür eine optimale Umsetzung cher Priorisierung. Auf dieser sind zudem die Bausteine nach Basis sollten sie die Struktur der Priorisierung des Kunden eines Antwortkapitels oder die umzustrukturieren und Irrele- Inhalte einer Antwort festlegen. vantes herauszufiltern, damit Der erste Abschnitt der Antdas eigentlich Wichtige deut- wort sollte individuell verfasst lich genug zutage tritt. Auch sein und die Brücke zwischen hierzu ist ein grundlegendes der vertrieblichen, mehrwertArgumentation Verständnis des Kunden und orientierten seiner Problemwelt unerläss- und der später folgenden, sachorientiert-technischen Argumentation schlagen. Zur Unterfütterung dieser Argumentation werden im weiteren Verlauf die dann passenden Passagen aus In einem Seminar des Beder Textbaustein-Datenbank hörden Spiegel vom 17.–20. eingefügt. Oktober 2017 in Frankfurt am Mit der beschriebenen SensiMain thematisiert der Autor u. bilität und einem Vorgehen, das a. Techniken und Werkzeuge den Fokus auf den Problemen zur besseren Mehrwertdarstelund Interessen des Kunden lung, Handlungs-Best-Practices hält, anstatt darauf, was an für die erfolgreiche Umsetzung generischen Texten bereits vorvon Antworten auf komplexe handen ist, können existierenAusschreibungen sowie zahlreide Bausteine gewinnbringend che wertvolle Anregungen für die Optimierung der unternehverwendet werden. In welcher mensinternen AngebotsproAusprägung und Intensität diezesse. ser Ansatz gelebt wird, können Unternehmen natürlich auch Weitere Informationen und von der Bedeutung der einzelAnmeldung unter: www. nen Ausschreibung abhängig fuehrungskraefte-forum.de, machen. Die notwendige SensiSuchwort “Angebotsmanagebilität für die Zusammenhänge ment” zu besitzen, schadet in keinem Fall.

Save the Date

5.000 Euro Preisgeld Bewerbungsphase läuft bis 30. September 2017 (BS/jf) Bereits zum achten Mal vergeben das forum vergabe e. V. und Ministerialdirigentin a. D. Brigitte KrauseSigle den International Public Procurement Award (IPA). Damit werden herausragende wissenschaftliche Arbeiten zum nationalen, europäischen oder internationalen Vergaberecht gewürdigt. Für den IPA 2018 können sich junge Autoren aus Europa im Alter bis zu 35 Jahren bewerben, die in der Zeit vom 1. April 2016 bis 30. September 2017 ihre Master- oder Diplomarbeit, Dissertation, Habilitationsschrift oder Monografie fertiggestellt haben. Als Datum der Fertigstellung gilt bei Arbeiten zur Erlangung eines Abschlusses oder wissenschaftlichen Grades entweder das Datum der mündlichen Prüfung oder des Zweitgutachtens. Für Monografien das der erstmaligen Einsendung des Manuskriptes an einen Verlag.

Arbeit, Gutachten und Lebenslauf Interessierte Bewerber müssen spätestens bis 30. September 2017 ihre Arbeit in zweifacher

Professor Dr. Oliver Dörr, LL.M., Universität Osnabrück; Uwe Scharen, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a. D.; sowie Professor Martin Trybus, LL.M., Ph.D., Universität Birmingham.

Preisverleihung 2018 Auswertung in englischer oder deutscher Sprache an das forum vergabe e. V. schicken. Ebenso vorliegende Gutachten sowie einen Lebenslauf. Sämtliche eingereichten Arbeiten werden von einer hochkarätig besetzten Jury bewertet. Die IPA-Jury unter Leitung von Minister a. D. Garrelt Duin, Vorsitzender des forums vergabe e. V., setzt sich zurzeit zusammen aus: Professor David Capitant, Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne;

Die Preisverleihung des mit 5.000 Euro dotierten Awards erfolgt im Rahmen der forum vergabe Gespräche vom 18.–20. April 2018 in Fulda. Im Rahmen der Veranstaltung erhält der Preisträger die Möglichkeit, die Ergebnisse seiner Arbeit den Teilnehmern aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Anwaltschaft vorzustellen. Weitere Informationen unter: www.forum-vergabe.de


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / August 2017

B

ehörden Spiegel: Wie definieren Sie Pro-bono-Leistungen?

Krolle: Pro-bono-Leistungen sind unentgeltliche Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen. Unentgeltlich heißt in diesem Zusammenhang aus der Sicht des Dienstleisters, keine Gegenleistung vom Empfänger der Leistung zu erwarten – auch später nicht. Auch keine zusätzlichen, dann entgeltlichen Aufträge. Pro bono meint auch, dass sowohl der Zweck dem Gemeinwohl dient, als auch der Empfänger mit der Leistung keinen Profit erzielt. Wenn Unternehmen oder Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, die nicht nur gemeinnützig sind (z. B. Entsorgungs- oder Versorgungsbetriebe), Empfänger von solchen Leistungen sind, kann es sich nicht um Pro-bono-Leistungen handeln. Pro-bono-Projekte resultieren aus der sozialen Verantwortung von Unternehmen – neudeutsch Corporate Social Responsibility (CSR) –, es handelt sich nicht um eine spezielle Form von Vertriebstätigkeit. Das auseinanderzuhalten, ist unser Anliegen. Behörden Spiegel: Sie sagten, der Empfänger muss gemeinnützig tätig sein. Was ist mit der öffentlichen Hand?

M

it Inkrafttreten der UVgO ändert sich vor allem der Anwendungsbereich. Anders als bisher in der VOL/A umfasst das neue Regelwerk auch die Vergabe von freiberuflichen Leistungen. Zudem kann der Auftraggeber künftig auch im Unterschwellenbereich als vorläufigen Beleg der Eignung und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen die Vorlage einer Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung verlangen (§ 35 Abs. 3 UVgO). Nach § 26 UVgO kann der Auftraggeber Unternehmen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen auffordern, bei Angebotsabgabe die Teile des Auftrags, die sie im Wege der Unterauftragsvergabe an Dritte zu vergeben beabsichtigen sowie – falls zumutbar – die vorgesehenen Unterauf-

Für ein klares Labeling Peter Krolle fordert klare Trennung zwischen Pro bono und Vertriebstätigkeit (BS) “Die öffentliche Hand darf keine unentgeltliche Leistung entgegennehmen, wenn sie einen öffentlichen Auftrag ersetzt”, betont Peter Krolle, Vorstandsmitglied des Fachverbandes Öffentlicher Sektor im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e. V. (BDU). Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erläutert er die Unterschiede zwischen Pro-bono-Leistungen und Vertriebstätigkeiten von Unternehmensberatungen und fordert mehr Transparenz bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Die Fragen stellte Jörn Fieseler. Krolle: Die anerkannte Gemeinnützigkeit ist das einfachste Unterscheidungsmerkmal, ähnlich wie im Steuerrecht. Die öffentliche Verwaltung ist nicht per se gemeinnützig. Aber es gibt auch Beispiele für Probono-Leistungen für die öffentliche Hand. Etwa beim Jahrhunderthochwasser an der Oder, wo auch BDU-Beratungsunternehmen Pro-bono-Leistungen vor Ort geleistet haben. In diesem Zusammenhang zählen ehrenamtliche Tätigkeiten auch zum Bereich des Pro bono. Etwa im Bildungs- oder Kitabereich, die finanziell so schlecht ausgestattet sind, dass und ohne Pro-bono-Aktivitäten kaum ein ansprechendes Leistungsniveau erreicht werden kann. Als Auftraggeber für Leistungen von Unternehmensberatungen kommen solche Einrichtungen eher nicht infrage. Behörden Spiegel: Wie kön-

nen Aufträgen gar nicht besteht. Aber auch dort sind die Projekte gemeinwohlorientiert und dienen nicht dem Profitstreben eines Unternehmens oder eines Einzelnen. In Deutschland geht das Engagement häufig auf die Initiative einzelner Mitarbeiter zurück. Das wird durch Unternehmen unterstützt, indem z. B. ein Arbeitstag im Jahr genutzt werden kann, um Empfängern solche Leistungen zukommen zu lassen.

Fordert eine vollständige Transparenz über öffentliche Auftragsvergaben: Peter Krolle, Vorstandsmitglied des Fachverbandes Öffentlicher Sektor im BDU. Foto: BS/Sopra Steria Consulting

nen Pro-bono-Leistungen in Unternehmen gehandhabt werden? Krolle: Öfter werden Pro-bono-Leistungen im Ausland erbracht, damit die Nähe zu eige-

Behörden Spiegel: Wenn Probono-Leistungen doch in einem Bereich fallen, wo Leistungen über öffentliche Aufträge erbracht werden, wie lange sollte dann der zeitliche Abstand zwischen dem Pro-bono-Projekt und der entgeltlichen Beauftragung sein? Krolle: Das kann man nicht genau sagen. Vielmehr darf kein inhaltlicher und zeitlicher Bezug existieren. Wenn ein Un-

Krolle: Die öffentliche Hand darf keine unentgeltliche Leistung entgegennehmen, wenn

(BS/Bastian Haverland) Mit der Unterschwellenvergabeordnung ist die Rechtslage im Bereich der Dienstleistungs- und Lieferaufträge unterhalb der Schwellenwerte an die im Oberschwellenbereich angeglichen worden. Die UVgO ersetzt die VOL/A und tritt als Haushaltsrecht für den Bund erst durch die Neufassung der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 55 der Bundeshaushaltsordnung und für die Länder jeweils durch einen Erlass der zuständigen Landesregierung in Kraft. Damit ergeben sich wesentliche Änderungen für die Auftragsvergabe im Unterschwellenbereich. tragnehmer zu benennen. Von Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, kann der Auftraggeber vor Zuschlagser-

teilung verlangen, die Unterauftragnehmer zu benennen und nachzuweisen, dass ihnen die erforderlichen Mittel dieser Unterauftragnehmer zur Verfügung stehen. Nach § 26 Abs. 6 UVgO kann der Auftraggeber Bastian Haverland ist Fachvorschreiben, anwalt für Vergaberecht und dass alle oder Partner der Kanzlei Leinebestimmte Aufmann und Partner. gaben bei der Foto: BS/privat Leistungserbringung unmit-

telbar vom Auftraggeber selbst oder im Falle einer Bietergemeinschaft von einem Teilnehmer der Bietergemeinschaft ausgeführt werden. § 47 UVgO verweist für die Auftragsänderungen auf § 132 GWB. Damit erfordern auch im Unterschwellenbereich wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit grundsätzlich ein neues Vergabeverfahren. Allerdings ist eine Änderung ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, wenn

(BS/Lisa Hellgermann*) “Die Hose sitzt nicht wirklich gut”, “Sieht irgendwie unvorteilhaft aus, der Halsausschnitt”, “Wie sollen sich unsere Mitarbeiter in dieser Jacke bewegen?”… Bei der Beschaffung von Dienstkleidung ist mangelnde Passform leider häufig ein wiederkehrendes Thema. Kleidung, die ihren Zweck nicht optimal erfüllt, und Kosten, verursacht durch Retouren und Nachbesserungen: Um diese zu vermeiden, setzen Beschaffer verstärkt auf die Kooperation mit den Experten für Bekleidungs- und Schnitttechnik der Hohenstein Group. Deren Motto: “Together we make textiles fit”.

Zum anderen wissen unsere Experten mit langjähriger Industrieerfahrung, worauf es in der Praxis ankommt. So ist die Schnittführung der Schlüssel zur Passform. Hohenstein-Spezialisten entwickeln Basis- und Modellschnitte, die samt ihrer Gradierung als Fundament für den perfekten Sitz und klare Instruktionen für den Hersteller dienen.

Behörden Spiegel: Pro-bonoLeistung und öffentlicher Auftrag dürfen nicht in Zusammenhang stehen. Wie kann es der öffentliche Auftraggeber sicherstellen?

Wesentliche Änderungen der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)

Der Schnitt- und Passformservice der Hohenstein Group spart Zeit, Geld und Nerven

Passformprüfung

ternehmen Leistungen erbringt, um sich in eine bessere Position bei der Auftragsvergabe zu bringen, dann ist es keine Pro-bonoLeistung mehr, dann ist es eine Vertriebsleistung. Wir haben nichts gegen unentgeltliche Vertriebsleistungen. Das dürfen auch Unternehmensberatungen machen. Häufig erwartet der öffentliche Auftraggeber solche Vertriebsleistungen auch, wenn in der Angebotsphase Teststellungen oder Konzepte vorgestellt werden sollen. Aber es dürfen Vertriebsleistungen nicht als Pro-bono-Leistungen apostrophiert werden.

Angleichungen und Vereinfachungen

Optimale Passform für Berufsbekleidung

Ob als Projektpartner, wenn es um die Ausstattung mit neuen Dienstuniformen geht, oder als Berater in puncto Leasing-Bekleidung – wenn nichts richtig passen will: Hohenstein verfügt über jahrzehntelange Erfahrung und einzigartiges, gebündeltes Know-how, um Beschaffer wie Lieferanten umfassend zu unterstützen. Zum einen mit fundierter Forschungskompetenz. Aus Reihenmessungen ermittelte Daten sowie für unterschiedliche Zielgruppen entwickelte Größentabellen bilden die wertvolle Grundlage für Schnitterstellung und Passformprüfung.

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Immer zu berücksichtigen bei der Passformgestaltung ist auch das subjektive Tragegefühl der Nutzer. Deshalb werden Passformprüfungen an realen Probanden durchgeführt. Hierzu steht ein Probanden-Pool von über 600 Personen zur Verfügung. So lässt sich die Passform praktisch für jede Konfektionsgröße, jede Zielgruppe und jedes Alter spezifisch ermitteln und evaluieren. Die geforderte Funktion eines Kleidungsstücks fließt ebenfalls mit ein in die Bewertung der Passform. Denn ob Polizei, Post, Feuerwehr oder kommunale Abfallentsorgung: Jedem Berufsbild sind typische Bewegungssituationen eigen. Ergänzend erstellt Hohenstein bei Bedarf auch technische Leistungsbeschreibungen, welche alle für die Auswahl bzw. Produktion von Berufskleidung notwendigen Anforderungen an ein Kleidungsstück dokumentieren. Mit der Beschreibung von Verarbeitung, Fertigmaßen, Materialien, Zutaten und Gebrauchstauglichkeit bilden

diese die optimale Grundlage z. B. für öffentliche Ausschreibungen.

Unterstützung in Entwicklung und Produktion Ursachen für Passform-Probleme können in allen Phasen der Produktentwicklung, bis in die textile Produktion hinein, ihren Ursprung haben bzw. auftreten. Selbst wenn Grund- und Modellschnitte fachkundig erstellt wurden: In der Herstellung kann das notwendige Know-how fehlen, um die Vorgaben in gewünschter Qualität umzusetzen. Darum gewährleistet Hohenstein effiziente Qualitätssicherung entlang der gesamten Produktionskette. Kürzere Entwicklungszeit, höhere Verlässlichkeit, niedrigere Kosten: Einkäufer und Beschaffer profitieren von dieser zielgerichteten Vorgehensweise. Die optimierten Schnitte und Maßtabellen schaffen bei der Auftragsbearbeitung eine exakte Kalkulationsbasis und die Retourenquote reduziert sich signifikant. Projektpartner sichern sich nachhaltig eine lie-

ferantenunabhängige, einheitliche Passform über alle Größen und Modelle hinweg. Das Ergebnis: Dienstkleidung, die “fit” ist für die berufliche Herausforderung – und glückliche Trägerinnen und Träger.

Workshop-Angebot Beschaffer können ihr Wissen in Workshops vertiefen. Ziel: Die möglichen Ursachen mangelnder Passform zu verstehen, sie in der Praxis zu erkennen und – beispielsweise Lieferanten gegenüber – erfolgreich zu kommunizieren. In den Workshops vermittelt das Hohenstein KompetenzTeam theoretische Grundlagen zu Schnitttechnik und Passform, die die Teilnehmer anschließend anhand mitgebrachter Muster konkret anwenden. Themen und Termine unter www.hohenstein.de/schnittworkshops-pbs * Lisa Hellgermann arbeitet im Bereich Marketing und Business Development der Hohenstein Laboratories GmbH & Co. KG

sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert und der Wert der Änderung nicht mehr als 20 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt. Rahmenvereinbarungen dürfen über einen längeren Zeitraum geschlossen werden. Statt der vier Jahre im Oberschwellenbereich darf die Laufzeit nach § 15 Abs. 4 UVgO höchstens sechs Jahre betragen. Aber: Nach § 46 UVgO unterrichtet der Auftraggeber jeden Bewerber und jeden Bieter unverzüglich über den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die erfolgte Zuschlagserteilung. Gleiches gilt hinsichtlich der Aufhebung oder erneuten Einleitung eines Vergabeverfahrens einschließlich der Gründe dafür. Der Auftraggeber unterrichtet erst auf Verlangen des

sie einen öffentlichen Auftrag ersetzt. Das müssen Vergabestellen erkennen, denn Unternehmen sind in den seltensten Fällen altruistisch. Allerdings schränkt dies gerade im Bildungsbereich vieles ein, was heute sehr gut funktioniert. Zum Beispiel bei Musikschulen, denen Musikinstrumente bereitgestellt werden. Theoretisch könnten diese auch ausgeschrieben werden, praktisch fehlen diesen Einrichtungen oftmals die notwendigen Mittel. Weil sie nicht durch Steuermittel unterstützt werden, und durch Beiträge und Gebühren kann nicht alles finanziert werden. Hier gilt es, genau abzuwägen. Und es muss transparent gemacht werden. Behörden Spiegel: Wie? Krolle: Weniger, indem jede Pro-bono-Leistung veröffentlicht wird. Wichtiger ist die vollständige Transparenz über Auftragsvergaben. Dort spielt die Musik. Schädlich wird es erst, wenn der Auftraggeber eine Leistung nicht mehr ausschreibt, oder ausschreibt und bereits vorher weiß, wer den Auftrag erhalten soll. Daher könnte die Veröffentlichung von Beauftragungen ohne Ausschreibungen ein wirksames Mittel sein, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Bewerbers oder Bieters die nicht berücksichtigten Bieter über die wesentlichen Gründe für die Ablehnung ihres Angebots, die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots sowie den Namen des erfolgreichen Bieters und die nicht berücksichtigten Bewerber über die wesentlichen Gründe ihrer Nichtberücksichtigung. Nebenangebote kann der Auftraggeber ebenfalls zulassen. Dazu schreibt die UVgO nicht die Benennung von Mindestanforderungen vor.

Save the date Diese und weitere Änderungen für die Vergabe von Aufträgen im Unterschwellenbereich thematisiert der Autor ausführlich in einem Seminar des Behörden Spiegel am 24. Oktober 2017 in Hamburg. Mehr unter www.fuehrungskra efte-forum.de , Suchwort “UVgO 2017”

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen


Diplomaten Spiegel

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D

iese gibt es auch seit Langem in den engen bilateralen Beziehungen der beiden Staaten nicht. Man versteht sich und letztere spielen in den internationalen Beziehungen Australiens eine wichtige Rolle, obwohl der Schwerpunkt der Außenpolitik des Landes im asiatisch-pazifischen Raum liegt. Dennoch geht es Botschafterin Wood darum, die Kontakte zu uns stetig auszubauen. “Das Bessere ist der Feind des Guten” (Voltaire). “Ich war im November 2015 dabei, als unser Premierminister Malcom Turnbull Kanzlerin Merkel in Berlin besuchte und konnte ganz unmittelbar miterleben, wie gut und vertraulich die Gespräche verliefen und wie viel Potenzial beide Regierungschefs in einem breiteren und tieferen Austausch zwischen unseren Ländern sehen.” Und da ist wohl noch viel “Luft” nach oben, zumal es im Kern darum geht, den Dialog zwischen der viert- und der zwölftgrößten Volkswirtschaft der Welt zu stärken und an die Welt des 21. Jahrhunderts anzupassen.

Aus Bonner Tagen sehr vertraut Ein Gespräch mit Australiens Botschafterin Lynette Wood in Berlin (BS/ps) Ihr Land, das sie seit September 2016 in Deutschland, Liechtenstein und der Schweiz vertritt, ist mit gut 7,5 Millionen km2 fast 20-mal so groß wie unseres – nur flacher. Verglichen mit den eidgenössischen Viertausendern und unserem (fast) Dreitausender Zugspitze, ist Australiens Mount Kosciuszko “nur” 2.228 Meter hoch. Aber oft ist weniger ja mehr, etwa an Platz. Die 24 Millionen Australier verteilen sich auf dem großen Kontinent mit drei Einwohnern pro Quadratkilometer recht großzügig. Lynette Wood, 53, seit September 2016 australische Botschafterin in Berlin, ist unser Land nicht fremd. “Es war eine große Freude für mich, nach Deutschland zurückzukehren – ich war ja Ende der 90er-Jahre bereits als Diplomatin in Bonn tätig. Deutschland ist mir also sehr vertraut, und ein besonderer Vorteil für mich ist, dass ich auch mit der deutschen Sprache keine Schwierigkeiten habe.”

Australia now 2017 in Germany Dazu kommt in diesem Jahr ein ganz besonderes australisches Kulturprogramm: “Australia now 2017 in Germany” mit vielen australischen Theater- und Tanzgruppen, Ausstellungen, Musik-, Literatur- und Filmveranstaltungen. “Umgekehrt wird auch Deutschland in Australien noch dieses Jahr mit einer ganz hochkarätigen GerhardRichter-Ausstellung präsent sein. Der 1932 geborene Maler, Bildhauer und Fotograf zeigt in Brisbane zahlreiche Werke, darunter viele aus seinem eigenen Kölner Archiv, die bislang noch nicht öffentlich zu sehen waren. Mein Arbeitsspektrum ist also sehr breit, es reicht von politischen Gesprächen, Kontakten mit Kulturinstitutionen und Medienvertretern hin zu einem regen Austausch mit vielen ganz “normalen” Deutschen aus allen

globalen oder auch regionalen Entwicklungen, aber generell sind wir pragmatisch eingestellt und wollen konstruktiv mit den Herausforderungen umgehen. Unsere Regierung wird immer eng mit den USA zusammenarbeiten, wir haben viele gemeinsame Interessen und viele gute Kontakte auf allen Ebenen.” Wahlverwandtschaften eben. Desgleichen wie mit uns. Nicht nur in der Politik, auch anderwärts in den Wissenschaften, bei Erfindungen und beim Wein.

Down-Under-Winzer exportieren 700 Mio. Liter

Anlaufstelle für Start-ups eingerichtet “Das reicht vom Ausbau unserer Handelsbeziehungen und wechselseitigen Investitionen über eine Intensivierung des Dialogs über strategische Fragen und Zusammenarbeit, wie im Entwicklungsbereich, bis hin zu einer engeren Kooperation in Wissenschaft und Bildung. Ein Beispiel dafür ist der Bereich Klimaforschung und Energieversorgung.” Hier geht es den Australiern darum, die Aspekte und Erfahrungen mit der Energiewende und Energieversorgung hierzulande gegebenenfalls für die eigene langfristige Energiesicherheit zu berücksichtigen. “In Berlin haben wir eine Kontaktund Anlaufstelle für Start-ups eingerichtet. Und einer der großen Bereiche, in denen wir nun schon seit mehreren Jahren eng zusammenarbeiten, ist eben der G-20-Gipfel.”

Behörden Spiegel / August 2017

“Ich empfinde es als Privileg, in dieser Position für mein Land tätig zu sein”, war die 53-Jährige als Diplomatin in Bonn tätig.

Botschafterin Rezept Lamingtons (Kokoswürfel): Zutaten für den Teig: 1/2 Tasse Butter, 1 Tasse Zucker, 1 Tasse Mehl, 3 Eier, 1 Teelöffel Backpulver, 4 Esslöffel Milch, Vanille oder Zitrone. Zubereitung: Butter und Zucker verrühren, dazu Eier mit Milch schaumig rühren, Mehl und Backpulver zugeben, mit Vanille oder Zitrone würzen. In passender Backform bei 180°C etwa 30 Minuten backen, dann auskühlen lassen. Mit einem Guss aus Puderzucker, Butter und Kakao überziehen, zum Schluss mit Kokosraspeln bestreuen.

Schichten und natürlich auch zu Begegnungen mit der großen australischen Expat-Community” (Auslandsgemeinde). Zu den Entwicklungen, Schieflagen, Uneinigkeiten, rechtsradikalen Tendenzen und “Kündigungen” in der EU gibt sich Frontfrau Lynette Wood diplomatisch knapp. “Wir verfolgen die Entwicklung in Europa natürlich sehr genau, schon allein wegen der vielfältigen historischen Beziehungen, die wir zu Großbritannien und auch zum Kontinent unterhalten. Wir haben immer eine starke Europäische Union als einen

willkommenen Partner im globalen Geflecht begrüßt.” “Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über” – um im Lutherjahr den Wittenberger als Übersetzer von Matthäus 12,34 zu zitieren – klingt eigentlich anderes. Australien ist eines der wohlhabendsten Länder der Welt. Beim Index der menschlichen Entwicklung (HDI) steht es 2016 nach Norwegen auf dem zweiten Rang (wir auf dem vierten). Es verfügt über eine hochmoderne Service- und Dienstleistungsökonomie und große Rohstoffvorkommen. Seine offene Kultur macht es zu einem attraktiven Ziel für Migranten.

Keine Diskriminierung nach Herkunft oder Religion

Das seit dem 1912 gültige Wappen Australiens zeigt einen sechsfeldigen Schild mit den Abzeichen der Bundesstaaten. Die Schildhalter sind rechts das Känguru und Nationaltier Australiens und auf der linken Seite ein Emu.

“Wir sind in der Tat seit sehr langer Zeit ein Einwanderungsland und haben in den letzten 50 Jahren unsere Bevölkerung, nicht zuletzt wegen der vielen Neueinwanderer, die aus allen Teilen der Welt zu uns gekommen sind, in etwa verdoppelt. Darunter waren auch viele Deutsche, aber unsere historischen Verbindungen gehen natürlich viel weiter zurück in der Geschichte, tatsächlich bis zu den Anfängen der Besiedlung Australiens

So erhält, z. B. 1945, der in Adelaide geborene Howard Florey, zusammen mit dem Schotten Alexander Fleming und dem deutschen Ernst Chain, den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung des Penicillins. 1956 erfindet der Australier David Warren den Flugschreiber (Black Box) und der Schwabe Arthur Fischer 1958 den Dübel usw... Dazu exportieren die Down-Under-Winzer mittlerweile fast 700 Millionen Liter Wein weltweit. Wir gerade mal 100 Millionen. Uns liefern sie eher Roten. Weißwein zu schicken, wäre ob der hiesigen Toplagen (Franken, Mosel, Pfalz, Rhein) so überflüssig, wie Eulen nach Athen zu tragen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte... Wie auch immer, neben allem “Guten und Schönen” stimmen auch das Bare und die Ware, im deutsch-australischem Handel und Wandel. Die Wirtschaft dort wächst seit über 25 Jahren in Folge und die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 5,5 sagt Australiens Botschafterin Lynette Wood. Bereits in den neunziger Jahren Prozent. Berlin ist für Canberra also ein ganz wichtiger Partner Fotos: BS/Dombrowsky auf Augenhöhe in Europa. Vice versa auch, zumal beide durch Europäer.” Der Kom- nen darunter fallen.” haushälterische Disziplin Und das ist nicht mehr so mandeur der Ersten Flotte, die und solide Staatsfinanzen 1788 in der Bucht von Sydney einfach. “Australians first” hegen und pflegen. “Wir eranlegte, Captain Arthur Phillip, – ein “America first light” leben Deutschland als eine war nämlich halb deutscher – soll nun in dem weiten wirtschaftlich starke NatiAbstammung. Sein Vater war Land auf der Südhalbkuon, die damit in Europa Buchhändler in Frankfurt a. M. gel gelten. Australische eine gewisse Führungsrol“Und nachdem mein Land an- Arbeiter sind demnach le hat. Bezüglich einer zufänglich vor allem durch eu- bei der Job-Vergabe zu kunftssicheren Gestaltung ropäische Einwanderer geprägt bevorzugen. Wer einen der globalen Wirtschaft und wurde, haben wir heute ein Pass will, sollte unbeFinanzen sehen wir es als ganz offenes Einwanderungs- dingt sehr gute Englischeinen willkommenen Geprogramm, das heißt, es gibt kenntnisse haben. Statt sprächspartner.” keine Diskriminierung nach bisher ein Jahr, muss Und mit dem verbindet Frau Herkunft oder Religion. Viel- man nun vier Jahre mit Botschafterin nicht nur tyAufentmehr gibt es drei Hauptkatego- permanenter pisch Deutsches wie Orgain rien, unter denen Einwanderer haltsgenehmigung ausgewählt werden: familiäre Australien gelebt haben nisationstalent, PünktlichVerbindungen, berufliche Qua- und den “Wertetest” bekeit und sonstiges “Made in lifikation, Flüchtlinge und hu- stehen. Erst dann gibt‘s Germany”, sondern auch “die die Staatsbürgerschaft. manitäre Fälle”. vielfältigen deutschen BackZum Land des Urhebers waren – was auch in Austra“Australians first” von “Wir zuerst”, vulgo lien angekommen ist. Einige – ein “America first light” “America first”, Donald deutsche Auswanderer haben dort Bäckereien eröffnet.” “Ohne jetzt eine detaillierte Trump, haben die EuLynette Wood ist in ihrem Liste mit Berufen anzuführen, ropäer, vorsichBotschafter-Beruf angelässt sich allgemein zum Be- tig ausgedrückt, gespaltekommen, sodass sie mit reich berufliche Qualifikati- ein niemandem tauschen onen sagen, dass bestimmte nes Verhältnis. meisten möchte. “Ich Fachleute nach wie vor gute Die Chancen in Australien haben sind entsetzt. “Baru” (Tier- und Menschengestalt) empfinde es Privileg, – wenn man konkretes Inter- Die Australi- vom Australischen Künstler Bakalun- als in dieser Posiesse hat, sollte man sich über er eher cool. gay Marawili, entstanden 1984. tion für mein die Website des “Department “Bei uns gibt of Immigration and Border Pro- es, wie in allen pluralistisch Land tätig zu sein.” Und das tection” informieren, ob die ei- geprägten Ländern, natürlich soll, wenn es nach ihr geht, genen beruflichen Qualifikatio- unterschiedliche Meinungen zu auch so bleiben.

Grenell soll Botschafter in Berlin werden US-Senat muss zustimmen, die Bundesrepublik ihr Agrément erteilen (BS/ein) Der 50-jährige Richard Grenell wird als neuer US-amerikanischer Botschafter in Berlin gehandelt. US-Präsident Donald Trump hat den Republikaner aber noch nicht offiziell nominiert. Das Amt des obersten US-Diplomaten in Deutschland ist seit sechs Monaten vakant. In den Sozialen Medien wurde vielfach über den wahren Grund gegrübelt, warum sich Grenell nach einem Besuch bei Trump scheinbar ohne Anlass beim US-Präsidenten bedankte hatte. Des Rätsels Lösung erklärt sich so: Der PR-Berater und regelmäßige Kommentator beim US-Sender Fox News soll neuer Botschafter in Berlin werden. Allerdings hat Trump den Re-

publikaner bislang weder offiziell als Kandidaten benannt noch seinen Namen an die amerikanische Botschaft in Berlin gesandt. In dem üblichen Verfahren wendet sich diese dann an das Auswärtige Amt, um ein “Agrément” zu erbitten – die Zustimmung des Gastlandes. Grenell war unter Präsident George W. Bush von 2001 bis 2008 und damit der zeitlich

längste Sprecher des US-Botschafters bei den Vereinten Nationen. Der Absolvent der Harvard Kennedy School ist in unterschiedlichen Medien als politscher Kolumnist aktiv und twittert täglich. Seit Ende der Amtszeit Barack Obamas leitet übergangsweise Kent Logsdon als Geschäftsträger die amerikanische Botschaft in Berlin.


Personelles

Behörden Spiegel / August 2017

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Staatskanzlei Schleswig-Holstein

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein Stand: Juli 2017

Hausanschrift

Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein Düsternbrooker Weg 104, 24105 Kiel

Büro des Ministerpräsidenten MPB Marcia Jankwitz -1903 PR Matthias Bigott -1905 MPB 1 Kristina Gudjons -5830 Sekretariat: Eva Plochocki -1901 Anita-Maria Wendorf -1806

Postfach 7122, 24171 Kiel Tel.: 0431/988-0 Fax: 0431/988-1960 E-Mail: vorname.nachname@stk.landsh.de

Regierungssprecher Peter Höver Presse- und Informationsstelle der Landesregierung P Peter Höver -1704 PV 1 Eugen Witte -1740 PV 2 Patrick Kraft -2054 PK 1 Christine Wiegandt -1804

Ministerpräsident Daniel Günther

Foto: BS/©Rolf Köhler

Büro Chef der Staatskanzlei CdS-B Kai-Michael Kugler -1719 Sekretariat: Anja Berndt -1902 Anita-Maria Wendorf -1806

P 20 Aktuelle Information Rolf Köhler

Minderheitenbeauftragter Johannes Callsen 5824

-1877

StK K Stabsstelle Koordinierung K N.N.

Bevollmächtigter des Landes SH beim Bund Staatssekretärin Ingbert Liebing

Projektgruppe Landesentwicklungsstrategie Frank Liebrenz Projektgruppe Landesplanung Wind Norbert Schlick

1734

Chef der Staatskanzlei Staatssekretär Dirk Schrödter Stv: Dr. Bodo Hasenritter

StK M Stabsstelle für Medienpolitik M Dr. Matthias Knothe -1713 StK S Stabsstelle für Sonderaufgaben S Raju Sharma -1743

-1701

-1731

Abteilung 2

Abteilung 3

Abteilung 4

Ressortkoordinierung, Kabinetts- und Landtagsangelegenheiten, Ministerpräsidentenkonferenz, Protokoll, Reden und Texte StK 2 Frank Trende -1702

Landesplanung, Personal, Haushalt Ernst Hansen

-1703

Zentrale IT-, Organisations- und Personalentwicklung StK 4 Dr. Bodo Hasenritter -1701

-1803 -1754 -1767

Sekretariat: Birgit Gross Vertretung COO: Heike Zogs Vertretung CIO: Sven Thomsen

Sekretariat: Maike Alleborn Vertretung: Dr. Friedhelm Boyken

-1802 -1720

StK 20 Kabinetts- und Landtagsangelegenheiten, Bund-Länder Koordinierung, St-Besprechungen, Norddeutsche Kooperation, Reden und Texte Dr. Friedhelm Boyken -1720 StK 21 Ressortkoordinierung Innen Martin Schmolz StK 22 Planung, Analysen, Schwerpunktthemen Vivika Lemke StK 23 Ressortkoordinierung Schule, Berufsbildung, Soziales, Gesundheit, Wissenschaft, Gleichstellung Ulf Daude

-1721

-2117

-1722

StK 24 Ressortkoordinierung Energiewende, Reaktorsicherheit Landwirtschaft, Umwelt, Ländliche Räume, Justiz, Kultur und Europa Heike Rotermund (m.d.W.d.G.b.) -1818 StK 25 Ressortkoordinierung Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie sowie Finanzen Sönke Steffen -1715 StK 26 Protokoll, Orden und Ehrenzeichen Mirja Ratjen StK 27 Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungsmanagement Dr. Dirk Stangenberg StK 28 Auswärtige Angelegenheiten und nationale Minderheiten Uwe Pauls

-1910

-1741

StK 3

Sekretariat: Susanne Adlung Vertretung: Reinhard Warnecke Vertretung LNI: Dietrich Oltmanns StK 30 Grundlagen der Landesentwicklung und Rauminformation Frank Liebrenz

COO Zentrale Organisations- und Personalentwicklung -1734

StK 31 Europäische Raumordnung, Grenzüberschreitende sowie regionsbezogene Landesentwicklung Anja-Verena Schmid -1738 StK 32 Regionalentwicklung und Regionalplanung Klaus Einig

-1845

StK 33 Koordinierung von Raumansprüchen und sektoralen Fachpolitiken, Rechtsangelegenheiten der Raumordnung Norbert Schlick -1731

-1801 -1927 -3005

Lenkungsgruppe KoPers, DLZP Sven Thomsen, Heike Zogs, Silke Ruck, Thomas Höhn, Stephan Bremer, Frank Muschke (FM)

CIO Zentrales IT-Management Chief Information Officer Sven Thomsen

ZO Zentrale Organisationsentwicklung und Verwaltungsmodernisierung Alexandra South

Z1 IT-Gesamtstrategie, IT-Finanzen, IT-Controlling und IT-Gremien Dr. Nils Trares-Wrobel -2922

ZPM Zentrales Personalmanagement Alexander Kraft

Z2 Standard-IT-Funktionalität, IT-Organisation, IT-Projektmanagement Christiane Coenen

OD Öffentliches Dienstrecht Ulf Bödeker

-1980

-1739

-1711

KoPers / KP Thomas Höhn

-1881

Projektgruppe Aufbau und Entwicklung Kooperatives Personalmanagement Heike Zogs -1927

Projektgruppe Neuaufstellung Regionalpläne Klaus Einig Projektgruppe Leitungsnetzinfrastruktur Dietrich Oltmanns

-1845

-1767

-1911

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

Dienstleistungszentrum Personal – DLZP – Silke Ruck

-4066

Z3 Standard-IT-Arbeitsplatz, Standard-IT-Infrastruktur, Kommunale IT Dr. Dirk Bornhöft -2915

StK 34 Personal der Staatskanzlei, Justitiariat, Organisation und IT der Staatskanzlei Reinhard Warnecke -1754 StK 35 Haushalt, Innerer Dienst Dr. Carola Drechsler

-3005

KOE Kompetenzzentrum Organisationsentwicklung Chief Operation Officer Heike Zogs -1927

-9500

Hauptpersonalrat Vorsitz: Ralf Klingler

0431/988-1798

Örtlicher Personalrat Vorsitz: Ralf Klingler

0431/988-1798

Örtliche Schwerbehindertenvertretung Petra Hänisch

0431/988-1815

Gleichstellungsbeauftragte Kirsten Neubauer

0431/988-4177

Arbeitsmedizin/Betriebsarzt Hauke Jürgens

0431/988-2899

Fachkraft für Arbeitssicherheit Cornelia Löffler-Naujocks

0431/888-6038


Gesundheit / Versorgung

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Stress lass nach

S

tress wird durch Belastungsfaktoren hervorgerufen, die von außen auf uns einwirken. Unter einer “Stressreaktion” verstehen wir die überlebensnotwendigen körperlichen und mentalen Anpassungen, ohne die wir nicht auf unsere alltäglichen Herausforderungen reagieren können. Adrenalin und Kortisol werden ausgeschüttet und lassen Puls, Blutdruck, Blutzucker und Muskelspannung ansteigen, die Atmung vertieft sich. Ist die Situation gemeistert, wird der körperliche Alarmzustand wieder auf ein normales Level zurückgefahren. Unser Stresssystem ist dafür eingerichtet, uns für kurzfristige Gefahren zu wappnen, nicht jedoch für eine dauerhafte Aktivierung. Wir müssen daher dafür sorgen, dass es sich ausreichend erholen kann.

• Innere Leere, Distanziertheit, Sarkasmus, Gefühle von Sinnlosigkeit, aggressive Reaktionen.

Wie sich Mitarbeiter vor ungesundem Stress schützen können

Was hilft, wenn die Stressbewältigung versagt? (BS/Dr. Thomas Kopf/Dr. Matthias Jacobi) Viele Menschen aus allen Berufen und Lebensbereichen fühlen sich heute zunehmend gestresst. Seit Jahren steigt die Zahl derer, die aufgrund psychischer Belastungen krank werden und deshalb nur noch eingeschränkt arbeiten können oder vor- Der Hausarzt sollte zunächst zeitig aus dem Berufsleben ausscheiden. Dies ist nicht nur ein Phänomen der Privatwirtschaft. Auch im Öffentlichen Dienst lassen sich seit Jahren organische Ursachen ausschlieintensive Anzeichen höherer psychischer Belastungen beobachten. Für den Arbeitsmedizinischen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg ist ßen. Kurse zur Stressbewältidies ein Grund, hier besonders aufmerksam zu sein. gung oder Achtsamkeit können

Dr. Thomas Kopf (oben) ist Facharzt für Arbeitsmedizin und stellvertretender Leiter des Arbeitsmedizinischen Dienstes im Landesbetrieb ZAF/AMD Hamburg, Dr. Matthias Jacobi (unten) ist Facharzt für Innere Medizin sowie Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie und arbeitet als Trainer und Coach im Landesbetrieb.

Positiver und negativer Stress und seine Ursachen Das Zusammenspiel der körperlichen und mentalen Anpassung ist so angelegt, dass wir ein gewisses Maß an Stress brauchen. Dann steigt unsere Leistungsfähigkeit, unser Belohnungssystem im Gehirn wird aktiviert, Lernvorgänge werden gefördert. Dies wird meist als positive Herausforderung oder Erfolgserlebnis empfunden, wir sprechen dann von “positivem Stress”. Bedenklich wird ein Stresszustand erst, wenn die privaten oder beruflichen Herausforderungen mit den eigenen Möglichkeiten nicht mehr zu bewältigen sind. Wir reden dann von “negativem Stress”. Dieser hat krankmachendes Potenzial, es droht eine chronische Überforderung, bis hin zu Burnout und Depression. Wir können Stress aus drei Perspektiven betrachten und nach Ursachen forschen: Die äußeren Anlässe (Stressoren): Welche Situationen setzen mich unter Druck? Was bereitet mir Stress? Die meisten Stressoren kommen aus den Bereichen Arbeit/Beruf, Beziehungen, den vielen kleinen und großen Nervigkeiten des Alltages (z. B. lange Anfahrtswege zur Arbeit) und den großen Lebenskrisen, wie Krankheiten, Trennungen und Verluste. Eigene Einstellungen (Stressverstärker): Wie gehe ich mit Herausforderungen um? Wie hoch sind meine Ansprüche an mich selbst (Stichwort Perfektionismus)? Kann ich meine Grenzen wahrnehmen und auch mitteilen (NEIN-Sagen)? Die Stresssymptome: Jeder Mensch hat sein besonderes Stressorgan, z. B. Schulter-

Behörden Spiegel / August 2017

Fotos: BS/Fotostudio Christian Anhalt (oben), Beatrice Hermann, www.beatricehermann.de (unten)

Nacken-Verspannungen, Magen-Darm-Störungen, Migräne oder Kopfschmerzen, aber auch Schwitzen, Herzrasen, Gereiztheit, Tunnelblick, Vergesslichkeit, niedergedrückte Stimmung. Unsere Arbeitsqualität sinkt, wenn der Stress zu groß wird.

Was dagegen unternommenwerden kann Die gute Nachricht ist – in allen drei Bereichen gibt es Wege, unsere Stressbelastung zu vermindern. Die äußeren Stressoren vermindern: Was lässt sich an meiner Arbeit anders organisieren? Kann ich mehr delegieren? Lege ich die anspruchsvollste Arbeit in die Zeit, in der ich am leistungsfähigsten bin? Sorge ich dafür dass ich bei schwierigen Tätigkeiten möglichst wenig unterbrochen werde? Brauche ich eine Fortbildung oder ein Coaching? Gibt es belastende Konflikte, zu deren Lösung ich beitragen kann? Wie gehe ich mit E-mails um? Was kann ich weniger tun (auch privat), um mich zu entlasten? Die mentale Stresskompetenz verbessern, z. B. Grenzen setzen, die eigenen Ansprüche hinterfragen (Stichwort 80/20 Regel). Gibt es Dinge die ich nicht ändern kann, über die ich mich oft ärgere? Was gehört zu meinem Beruf oder meiner Lebenssituation, was ich einfach akzeptieren muss? Beschäfti-

Der Hamburger Landesbetrieb ZAF/AMD (BS) Der Hamburger Landesbetrieb ZAF/AMD (Zentrum für Ausund Fortbildung/ Arbeitsmedizinischer Dienst) sorgt als zentraler Dienstleister für eine professionelle Personalauswahl und qualifizierte Ausbildung der Nachwuchskräfte der allgemeinen Verwaltung. Er fördert durch Fortbildung die Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten der Freien und Hansestadt Hamburg und leistet die arbeitsmedizinische Betreuung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dr. Thomas Kopf ist stellvertretender Leiter des Arbeitsmedizinischen Dienstes (AMD); Dr. Matthias Jacobi unterstützt als freier Trainer die Gesundheitsfortbildung Hamburgs.

MELDUNG

Neues Heilberufekammergesetz

(BS/jf) Der Berliner Senat hat den Weg für ein neues Heilberufekammergesetz frei gemacht. DamitsollendiebisherigenRegularien für die fünf Kammern zusammengeführt und gleichzeitig modernisiert werden. Das Gesetz gilt für rund 50.000 Ärzte, Apotheker und psychologische Therapeuten sowie Veterinäre. Das geltende Kammergesetz von 1978 wird abgelöst.

ge ich mich auch mit Dingen, die in meinem Leben gut laufen? Hier hilft manchmal ein kleines Ritual am Ende des Tages: Nehmen Sie sich drei Minuten Zeit und denken Sie an drei Dinge, die für Sie positiv waren oder Ihnen Freude gemacht haben. Regenerative Stresskompetenz: Zu den negativen Auswirkungen von Stress gehört, dass wir oft in alte Muster zurückfallen: Wir sorgen

dann nicht gut für uns, essen zu viel Fast Food oder Süßes, trinken nicht ausreichend, hören auf uns zu bewegen. Behandle ich meinen Körper wie einen guten Freund? Mache ich genug Pausen? Kann ich mich gut entspannen? Sollte ich ein Entspannungsverfahren wie das Autogene Training lernen oder einen Kurs in Achtsamkeit besuchen? Entspannungsfähigkeit ist lernbar und wird mit Übung immer besser. Sorge ich für genug Schlaf, im abgedunkelten Schlafzimmer, vor Lärm geschützt und möglichst ohne Alkohol vor dem Einschlafen (der den Tiefschlaf verhindert)? Erlaube ich genügend Pausen von Smartphone und Computer, besonders vor dem Einschlafen?

Pflege ich meine Freundschaften und Beziehungen?

Wie entsteht Burnout? Burnout steht für den Endpunkt einer längeren Erschöpfungsspirale, die meist in eine manifeste Depression mündet. Häufig werden die Anzeichen von den Betroffenen nicht rechtzeitig wahrgenommen. Folgende Symptome gehen über eine normale Stressbelastung hinaus und können auf einen drohenden Burnout hinweisen: • Versagensängste, das Gefühl nur unter höchstem Einsatz noch alles bewältigen zu können, Überforderungsgefühle. • Chronische Erschöpfung, Schlafstörungen, mangelnde Erholungsfähigkeit, Infekte.

ebenfalls hilfreich sein. In Hamburg, aber auch anderswo halten viele Behörden interne Angebote vor, bei denen in einem orientierenden Gespräch geklärt werden kann, ob und in welcher Form eine professionelle Begleitung Sinn macht. Darüber hinaus bietet z. B. das Hamburger Zentrum für Aus- und Fortbildung (ZAF) spezielle Seminare zur Stressbewältigung an. Hierzu gehören z. B. Trainings zu Resilienz, zum Zürcher Ressourcenmodell, zur WorkLife-Balance und zum Stressmanagement.Seit April bieten Psychotherapeuten Sprechstunden an, die den Zugang erleichtern sollen und eine Einschätzung erlauben, ob therapeutische Hilfe erforderlich ist. Manchmal ist auch ein Coaching sinnvoll und ausreichend.

Nach Pflege nun Ärzte Mehr administrative Kräfte gegen den “Dokumentationswahn” (BS/jf) “Ärztinnen und Ärzte erleben täglich die Unterbesetzung auf den Stationen und wissen aus eigenem Erleben, wie wichtig funktionierende Teams in Krankenhäusern sind”, unterstreicht Dr. Rudolf Henke, Erster Vorsitzender des Marburger Bundes (MB). Nachdem in der Pflege verbindliche Personaluntergrenzen gesetzlich vereinbart wurden (siehe Behörden Spiegel, Mai 2017, Seite 14), soll es nun auch verbindliche Vorgaben für Ärzte geben. Dabei beruft sich die Gewerkschaft auf die Meinung ihrer Mitglieder. Erste Schritte werden bereits unternommen.

Vor allem durch die Entbürokratisierung erhoffen sich Mediziner eine Entlastung der Arbeit. Die Digitalisierung spielt hingegen eine geringere Rolle. Grafik: BS/Marburger Bund Monitor 2017

Mehr ärztliches Personal, mehr Entlastung von Verwaltungsarbeiten durch nicht-ärztliches Personal und der Abbau von Bürokratie stehen bei über 6.200 befragten angestellten Ärztinnen und Ärzten ganz oben auf der Agenda (siehe Grafik). Dies geht aus der Umfrage des Marburger Bundes “MB-Monitor 2017” hervor.

20 Prozent wollen aufhören Mit diesen Forderungen wollen die Mediziner mehr Zeit für die eigentliche Aufgabe, die Arbeit am und mit den Patienten, erhalten. Denn 66 Prozent der Befragten geben in der vom Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) durchgeführten Online-Befragung an, für diese Aufgabe zu wenig Zeit zur Verfügung zu haben. Überhaupt führen die hohe Arbeitsbelastung, der ökonomische Druck, Personaleinsparungen der jüngsten Vergangenheit und die empfundene ausufernde Bürokratie dazu, dass jeder Fünfte mit dem Gedanken spielt, seine medizinische Tätigkeit gänzlich zu beenden. Dies spiegelt sich auch in den Antworten zur Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen wider: 24 Prozent gaben an, diese seien schlecht oder sogar sehr schlecht (fünf Prozent), für

weitere 49 Prozent sind sie mittelmäßig. Damit sind 73 Prozent mit den Bedingungen nicht zufrieden.

Bürokratie erstickt ärztliche Arbeit Vor allem die Verwaltungsarbeiten sind den meisten ein Dorn im Auge. Täglich verbringen rund 33 Prozent ein bis zwei Stunden ihrer Arbeitszeit diese Tätigkeiten, weitere 29 Prozent zwei bis drei Stunden und 26 Prozent sogar mehr als drei Stunden pro Tag – zusammen 88 Prozent. “Durch den grassierenden Kontroll- und Dokumentationswahn wird ungeheuer viel ärztliche Arbeitskraft gebunden und wertvolle Arbeitszeit verschwendet, die wir für die Patientenbehandlung brauchen”, betont Henke. Er verstehe die Ergebnisse des MB-Monitors 2017 deshalb auch als Auftrag an Politik und Selbstverwaltung, die Entbürokratisierung der ärztlichen Tätigkeit endlich stärker voranzutreiben.

Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit Die jetzige Situation spiegle sich auch in der tatsächlichen Arbeitszeit wider. 62 Prozent der Befragten gaben an, inklusive aller Dienste und Überstunden

im Durchschnitt mehr als 48 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die meisten Mediziner (40 Prozent) sind 49 bis 59 Stunden pro Woche im Einsatz, jeder fünfte hat sogar eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 60 bis 80 Stunden. Weitere 23 Prozent arbeiten zwischen 40 und 48 Stunden pro Woche. Diese Arbeitszeit wünschen sich hingegen 51 Prozent der Ärzte. Weitere 30 Prozent plädieren für durchschnittlich 30 bis 39 Stunden pro Woche, besondere Dienste und Überstunden eingerechnet. Durch die jetzige Situation werde auch die Dienstplangestaltung schwierig. “Die kurzfristigen Inanspruchnahmen von Ärzten, die eigentlich dienstfrei haben, nehmen überhand. Wenn etwa die Hälfte der Ärzte immer wieder bis zu zwei Mal im Monat zu solchen außerplanmäßigen Einsätzen gerufen wird, bleibt von den freien Wochenenden nicht mehr viel übrig”, gibt der MB-Vorsitzende zu Bedenken. Denn auch Mediziner würden auf eine Work-Life-Balance Wert legen. “Hier müssen die Krankenhäuser dringend umdenken, sonst laufen ihnen die Ärzte weg”, warnt Henke.

Fokus Notfallversorgung “Wir sind uns einig, dass die Ärztinnen und Ärzte in den Not-

aufnahmen der Krankenhäuser entlastet werden müssen”, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen. Gemeinsam mit dem Marburger Bund wolle seine Organisation die Verantwortung für eine integrierte Notfallversorgung übernehmen. “In die Reform der Notfallversorgung müssen alle Beteiligten einbezogen werden. Dazu zählen die Niedergelassenen genauso wie Krankenhäuser, Kassenärztliche Vereinigungen sowie Rettungsdienste und Rettungsleitstellen”, so Gassen weiter. Viele Patienten in den Rettungsstellen könnten genauso gut im Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen oder unmittelbar von niedergelassenen Ärzten versorgt werden.

Politik gefordert Beide Seiten favorisieren eine gemeinsame und zentrale Anlaufstelle, in der eine erste Einschätzung des Patienten erfolgen sollte. Darin soll sowohl der Rettungs- als auch der vertragsärztliche Bereitschaftsdienst einbezogen werden. Doch dazu ist die Politik gefordert, bislang bestehende gesetzliche Hürden abzubauen. “Kooperation ist das Gebot der Stunde”, bringt es Henke abschließend auf den Punkt.


Kommune Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / August 2017

Diesel-Ticket zum halben Preis

KNAPP

Stuttgarter Urteil zur Stickoxid-Debatte: Kleine Maßnahmen reichen nicht / Landeshauptstadt vor Fahrverboten

Gute Straßen in Stadt und Dorf

(BS/Julian Einhaus) Die Rheinbahn reagierte schnell: Seit Ende Juli bietet die Düsseldorfer Verkehrsgesellschaft ein “Diesel-Ticket” an – zum halben Preis für “geplagte Diesel-Fahrer”. Anlass ist das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts im Verfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen die Bezirksregierung Stuttgart als Vertreter der Landesregierung. (BS/ein) Mit dem Papier “Gute Demnach ist die einfache Fortschreibung des Luftreinhalteplans – eine Mixtur aus vielen kleinen Maßnahmen inkl. Nachrüstungen – für die baden-württembergische Landeshauptstadt Straßen in Stadt und Dorf” hat unzureichend, um die Stickoxid-Immissionen maßgeblich zu verringern. Es drohen Fahrverbote. Womöglich nicht nur im “Ländle”. der Deutsche Verkehrssicher-

D

ie deutschen Großstädte stecken bei der “DieselDiskussion” in einem Dilemma: Täglich pendeln Tausende Arbeitnehmer über ihre Grenzen, nicht nur, um in Büros, als Handwerker oder Warenauslieferer zu arbeiten, sondern auch, um selbst zu konsumieren. Im Wettstreit mit dem Internet müssen Einkaufsstraßen und Malls bequem erreichbar bleiben. Gleichzeitig ist die Automobilbranche großer Arbeitgeber in einigen Städten und Deutschland nicht zuletzt AutoLand Nummer eins: Es geht um Arbeitsplätze und Standortpolitik, national wie kommunal. Das ist die eine Seite. Die Kommunen sind aber auch für die Gesundheit ihrer Bürger zuständig. Laut Stuttgarter Gerichtsurteil, das noch nicht rechtskräftig ist, muss der Gesundheitsaspekt höher wiegen. Im Vergleich zur globalen CO2Frage rufen Stickoxide hierzulande nämlich jährlich Tausende Todesfälle hervor. Das ist die zweite Seite des kommunalen Dilemmas. Die EU-Grenzwerte gelten seit 2010, werden an Dutzenden Tagen im Jahr und an vielen Straßen weiterhin überschritten. Eine klare Sache.

Nachrüstung nur eine Kosten-Frage? Bei dem Versuch, effektive und verhältnismäßige Maßnahmen zu erlassen, sehen sich die Kommunen aber in mehrfacher Weise allein gelassen. Die bisherigen Labor-Tests spiegelten nicht die faktischen Abgaswerte der Fahrzeuge wider. Bei den Immissionsmessungen auf der Straße sind diese aber maßgeblich. In anderen Worten: Offiziell saubere, tatsächlich aber dreckige Autos sind kaum zu beanstanden und nicht im Sinne der Umweltplakette von irgend-

Es reicht nicht, auf Versprechungen der Auto-Industrie zu bauen: Das Stuttgarter Verwaltungsgericht fordert wirksame Maßnahmen zur Reduktion gesundheitsschädlicher Stickoxid-Immissionen. Foto: BS/© hec, Fotolia.com

etwas auszuschließen. Zudem hält die deutsche Automobilindustrie an ihren lange ausgereiften Diesel-Antrieben fest. Bis auf Nachbesserungen bei nachgewiesener “Betrugs-Software” war kein Hersteller bereit, an seinen Fahrzeugen Hardware nachzurüsten. Die tatsächliche Wirkung wäre aber je nach Euro-Klasse und befragten Experten ohnehin umstritten. Schließlich sind die Städte beim zuständigen Bundesverkehrsministerium regelmäßig vor eine Mauer gefahren, wenn es um die Einführung einer einheitlichen blauen Plakette ging. Daran konnten weder das Bundesumweltministerin noch das Umweltbundesamt etwas ändern. Grundsätzlich haben Bundesregierung und nachgeordnete Behörden die deutschen AutoHersteller in vielerlei Hinsicht gewähren lassen. Es wird sich zeigen, ob es weitere AbgasManipulationen gegeben hat und was am aktuellen KartellVerdacht sowie an den Vorwürfen gegen das Kraftfahrtsbundesamt dran ist. All das sind

keine positiven Zeichen, weder für den Standort Deutschland und schon gar nicht für die vielen Kommunen, die seit Jahren daran arbeiten, ihre Mobilität weiterzuentwickeln und sich zukunftsfest aufzustellen. Städte wie München oder Tübingen fahren ihre eigenen kleinen Förder- und Abwrackprogramme. Hamburg, Berlin, Stuttgart und Düsseldorf haben sich zusammengetan, um E-Busse künftig gemeinsam zu beschaffen. Kleinere Kommunen etwa aus dem Allgäu binden E-Mobilität in die Vermarktung ihrer Region ein. Bundesweit existieren Tausende öffentliche Maßnahmen und kommunale Einzelprojekte. Aus kommunaler Sicht sollte es sich bei der Stickoxid-Problematik also nur um einen kleinen Nebenschauplatz handeln. Denn neben dem gesundheitlichen Aspekt muss es nun eigentlich darum gehen, ein großes Dach über diese vielen “E-Aktivitäten” vor Ort zu bauen. Es gilt, Mittel bereitzustellen und durch gezielte Maßnahmen und umfassendere Konzepte die

Mobilitätsangebote für morgen fortzuentwickeln und miteinander zu verknüpfen.

Langfristige Programme notwendig “Eine Milliarde Euro mehr würde viel bewegen”, erklärte Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly nach dem Stuttgarter Urteil. Der stellvertretende Präsident des Deutschen Städtetags geht davon aus, dass sich der ÖPNV mit aktuell 1,6 Mrd. Euro Fördergeldern nicht zukunftsweisend aufstellen lässt. Das ist aber notwendig. Zwar könnten abgasfreie Busse, Bahnen und Taxen nicht die gesamten Emissionen aus dem (dieselbetriebenen) Individualverkehr kompensieren. Durch die hohen Fahrleistungen ergibt sich durch die gezielte Umrüstung weniger Fahrzeuge innerorts großes Einsparpotenzial. Das gilt für die Umrüstung von Diesel-Bussen, den Kauf von Elektro- und Wasserstoff-Bussen sowie neue Taxi-Flotten auf Basis von Hybrid- oder Erdgasverträglichen Motoren. Das kostet erst einmal zusätzliches Geld.

Die bisherigen Förderprogramme haben hier an der einen oder anderen Stelle geholfen, reichen aber bei Weitem nicht aus. Damit mehr geplant und umgesetzt wird, braucht es langfristige Fördertöpfe. Schließlich sprechen wir bei der Energiewende von einer “Jahrhundertaufgabe” (OTon Angela Merkel), mindestens Dekaden dürfte auch die Mobilitätswende dauern. Beides ist nicht getrennt voneinander zu sehen. Ohne effektive Kopplung der beiden Sektoren bleibt die Mobilitätswende von fossilen Brennstoffen abhängig. Und der Energiewende fehlt ohne Einbezug des Verkehrs ebenso ein großer Baustein, um die CO2Emissionen zu reduzieren – die Klimaziele wären nicht zu erreichen. Wenn schon kein Ministerium für Verkehr und Energie, so braucht es zumindest ein starkes nationales Gremium für Energie- und Mobilitätsmanagement. Es bleibt abzuwarten, ob es nach der Bundestagswahl gelingt, eine solche Instanz zu installieren. Zuvor treffen sich Industrie, Bund und Länder Anfang August zum “Diesel-Gipfel”. Noch spannender für viele Städte dürfte die schriftliche Urteilsbegründung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts werden, die ebenfalls im August veröffentlicht werden soll. Als Klägerin kündigte die DUH bereits an, einem möglichen Antrag auf Sprung-Revision des Regierungsbezirks Stuttgart zuzustimmen. Damit wäre in absehbarer Zeit ein höchstrichterliches Urteil aus Leipzig zu erwarten. Spätestens dann könnten neben Rheinbahn noch mehr kommunale Verkehrsgesellschaften auf den Gedanken kommen, “Diesel-Tarife” für frustrierte Fahrer anzubieten.

heitsrat (DVR) sieben Beispiele veröffentlicht, wie Straßen sicher gestaltet werden können, um die Unfallbilanz zu verbessern. Zielgruppen der Referenzsammlung sind Fachleute und Interessierte wie Stadt-, Verkehrs- und Landschaftsplanende, Straßenverkehrsbehörden, Polizei und Politiker. Alle Fälle seien ausführlich hinterlegt und zeigten detaillierte dahinterliegende Überlegungen und Planungen sowie Ergebnisse der umgesetzten Maßnahmen. Die Dokumentation soll in den kommenden Jahren erweitert und auch auf verschiedene Straßentypen und Verkehrswege ausgedehnt werden.

Gebietsreform in Niedersachsen (BS/ein) Seit Anfang Juli sind die niedersächsische Stadt Helmstedt und ihre kleine Nachbargemeinde Büddenstedt freiwillig fusioniert. Landesinnenminister Boris Pistorius spricht von einem wichtigen Schritt, um die örtlichen Strukturen zu stärken. “Diese Fusion wird sich dauerhaft positiv auf die Haushaltslage auswirken und die Verwaltungs- sowie Finanzkraft stärken”, sagte der Minister bei einem Besuch vor Ort. Das Land hat die Fusion durch eine “Hochzeitsprämie” von rund 18 Millionen Euro unterstützt. Durch den Zusammenschluss soll Helmstedt als Mittelzen-trum gestärkt und öffentliche Einrichtungen wie die Agentur für Arbeit und das Finanzamt in der Stadt sollen erhalten bleiben. Insgesamt hat das Land Niedersachsen etwa 92 Mio. Euro für freiwillige Fusionen bereitgestellt. Im vergangenen Jahr waren es elf Fälle, darunter als größte Maßnahme die Neubildung des Landkreises Göttingen.

Zukunft Abfallwirtschaft Effizient.Kooperativ.Nachhaltig 10. Oktober 2017, Maritim Hotel, Bonn www.zukunft-abfallwirtschaft.de

Entsorgungswirtschaft zwischen Energie- und Ressourcenwende Zukunft des Dualen Systems Behördliche und wettbewerbliche Strukturen Abfallwirtschaft 4.0 Neue Geschäftsmodelle Eine Veranstaltung des:


Kommunalpolitik

Seite 14

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ehörden Spiegel: Herr Haase, braucht es einen eigenen Kommunalausschuss im Deutschen Bundestag? Haase: “Kommunales” ist ein Querschnittsthema. Ich selbst sitze im Umwelt- und Bauausschuss, in dem sehr viele kommunale Themen wie Planen, Naturschutz und Emissionen stattfinden. Gleiches gilt etwa für den Sozial- oder den Verkehrsausschuss. Einen eigenen Ausschuss “Kommunales” halte ich nicht für sinnvoll. Es ist aber wichtig, die Fühler in möglichst viele Bundestagsausschüsse auszustrecken, damit keine relevanten Entwicklungen an uns vorbeigehen. Das tun wir durch die Mitglieder unserer “AG Kommunales” der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, die in ihren Ausschüssen als Obmann oder Obfrau fungieren und Bericht erstatten. Behörden Spiegel: Wie ist das innerhalb der Bundesverwaltung? Haase: Ich würde mir eine Abteilung “Kommunales” im Bundeskanzleramt wünschen! Das müssen keine hundert Mitarbeiter sein, es wäre aber wichtig, um kommunale Belange frühzeitig in die Abstimmung zu bringen. Behörden Spiegel: Arbeiten Sie mit den kommunalpolitischen Sprechern der anderen Fraktionen zusammen? Haase: Gerade innerhalb der Koalition ist es gut, wenn man sich zuvor mit dem Sprecher in der anderen Fraktion austauscht und möglichst auch abstimmt. Schließlich sind wir es, die bei jeglichen Belangen darauf achten, was Gesetze für Konsequenzen vor Ort haben können. Die kommunalpolitischen Sprecherinnen der Oppositionsfraktionen soll das nicht ausschließen, auch hier ziehen wir thematisch oft am gleichen Strang. Behörden Spiegel: Oft ist ja die Rede von den “klebrigen Fingern” der Länder, wenn es um Bundesfördermittel geht, die nicht direkt an die Kommunen gezahlt werden dürfen. Wie steht es denn um die Wertschätzung der Kommunen in den Bundesländern? Haase: Einige Länder nehmen die Bedeutung der Kommunen

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esundheit wird von vielerlei Faktoren beeinflusst. Dazu gehören neben genetischen Faktoren u. a. das Gesundheitsverhalten, etwa Ernährung und Bewegung, die Lebens- und Arbeitsbedingungen oder das soziale Umfeld. Dies bedeutet, dass nicht der Gesundheitsbereich alleine, sondern angrenzende Felder wie Bildung, Jugend, Soziales oder Stadtplanung und Verkehr ebenso Einfluss auf die Gesundheit haben. Sollen Maßnahmen der Gesundheitsförderung nachhaltig und ganzheitlich umgesetzt werden, braucht es eine gute Struktur, die Synergien schafft.

Bündelung lokaler Initiativen und Akteure Damit dies gelingt, müssen viele verschiedene Fachbereiche, Verwaltungseinheiten und weitere Akteure zusammenarbeiten. Die Bündelung dieser lokalen Initiativen und Akteure ist jedoch eine herausfordernde Aufgabe. Aber gerade das Zusammenwirken aller Verantwortlichen – ob aus den Bereichen Jugend, Soziales, Umwelt oder auch Bau- und Verkehrsplanung ist die Basis für den Aufbau einer gesunden Kommune.

Behörden Spiegel / August 2017

“Ohne Netflix ziehen sie in die Stadt” Haase: 5G-Flächenausbau! / Abteilung “Kommunales” im Bundeskanzleramt (BS) Kurz vor Ende der Legislaturperiode hat MdB Christian Haase die Funktion des kommunalpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion übernommen. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel unterstreicht der ehemalige Bürgermeister die Rolle von Städten und Gemeinden, der in Bund und Ländern stärker Rechnung getragen werden muss. Für den ländlichen Raum fordert der Ostwestfale mehr Mittel für zusätzliche Infrastruktur, ein Fachkräftezuweisungsgesetz und vor allem einen Digitalisierungsschub: Es brauche einen zweistelligen Milliardenbetrag für Glasfaser und die Verpflichtung, 5G flächendeckend auszubauen. Die Fragen stellte Julian Einhaus. Haase: Die Themen Asyl und Fachkräftezuwanderung müssen grundsätzlich getrennt werden. Ich glaube aber, dass manch ländliche Region anerkannte Asylbewerber auf dem Arbeitsmarkt gebrauchen kann. Auch wenn das Bildungsniveau nicht mit unserem vergleichbar ist, sind viele Flüchtlinge handwerklich geschickt. Dafür braucht es aber eine gezielte Förderung ländlicher Räume. Es müssen Strukturen aufgebaut werden, vielleicht sogar Beschäftigungsgesellschaften, um die Menschen erst mal an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Bei den hohen Anforderungen, die wir an unsere Fachkräfte stellen, dürfen wir die Menschen nicht im Stich lassen.

ein Thema auch für kleinere Kommunen? Haase: Das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen ist auf dem Land genauso ausgeprägt wie in der Stadt. Natürlich müssen große Infrastrukturen wie Flughäfen anders bewacht werden als kleinere Strukturen auf dem Land. Vielerorts haben wir hier aber zu sehr gespart. Es darf nicht sein, dass die Polizei in Flächenkreisen mit mehreren hundert Quadratkilometern nur einen Streifenwagen zur Verfügung hat und sich Diebesbanden ausrechnen können, mit entsprechender Taktik nicht gefasst zu werden. Behörden Spiegel: Um ländliche Räume attraktiv zu halten, spielt die Versorgung mit breitbandigem Internet eine immer größere Rolle. Was erwarten Sie von der nächsten Bundesregierung an Förderung für schnelle Netze?

Haase: Um den Glasfaserausbau zu forcieren, braucht es bis 2025 in jedem Fall eine zweistellige Milliardensumme. Das subChristian Haase ist kommunalpolitischer Sprecher der Uninosfraktion im Bundestag und stellt sich im November in jektive Lebensgefühl, insbesonBraunschweig zur Wahl des Bundesvorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung von CDU/CSU (KPV). Vorher, dere für die im September, will er bei der Bundestagswahl erneut direkt in den Bundestag einziehen. Foto: BS/Einhaus Behörden “Es müssen Strukturen aufge- j ü n g e r e n Generatioim Staatsaufbau leider als rei- rokratischen Prozess innerhalb sich jetzt aber für “ihre” Flücht- S p i e g e l : nen Unterbau wahr. Das habe kurzer Zeit an zentralen Stel- linge vor Ort einsetzen und sich Wie könnte baut werden, vielleicht sogar nen, hängt Beschäftigungsgesellschaf- von der Erich schon öfter bei Bund-Län- len in den Ländern umsetzen. dagegen wehren, dass sie wieder eine solche F ö r d e r u n g ten, um die Menschen erst mal r e i c h b a r der-Verhandlungen erfahren, Diejenigen, die danach ein Blei- nach Hause geschickt werden. keit vor Ort aussehen? berecht haals es die an den Arbeitsmarkt ab. In andeBehörden Spiegel: Brauchen B u n d e s - “Um den Glasfaserausbau zu ben, werden heranzuführen.” ren Worten: Haase: Es r e g i e r u n g forcieren, braucht es bis 2025 dann auf die wir ein Einwanderungsgesetz? Wenn es braucht siKommunen war, die die in jedem Fall eine zweistellige verteilt. Das Haase: Wir können über Ein- cherlich einen dreistelligen Mil- kein Netflix gibt, ziehen sie in Position der Milliardensumme.” wäre der wanderung meines Erachtens lionenbetrag, den wir aber nicht die Großstadt. Kommunen ideale Ab- einen immer stärkeren und brei- mit der Gießkanne verteilen einbringen Behörden Spiegel: Im Mobilmusste. Viele Länder hatten lauf. Es darf nicht mehr sein, ten gesellschaftlichen Konsens sollten. Ich stelle mir ein Bunda nur ihren eigenen Vorteil im dass wir Flüchtlinge im Land erzielen. Der Fachkräftemangel desförderprogramm vor, ähnlich funk steht demnächst die 5GBlick. Als positiv bewerte ich in haben, von denen keiner weiß, ist allenthalben spürbar. Dafür demjenigen zur Ertüchtigung Ausschreibung an. Was erwardieser Sicht die Entwicklung im wo sie sind und was sie machen! müssen wir aber unsere Regeln der Bildungsinfrastruktur. Den ten Sie hier vom einem/einer für diejenigen setzen, die nach Rahmen sollte der Bund setzen, künftigen Bundesminister/-in Rahmen der Flüchtlingskrise, Behörden Spiegel: Funktio- Deutschland kommen. Wenn aber nicht zu starr. Denn Integ- für digitale Infrastruktur? währenddessen sich ein verration findet stärkter, fast institutionalisier- niert Integration im ländlichen wir die il“Wir können über Einwande- vor Ort statt, Haase: Zwar könnte man an der legale Einter Austausch zwischen Bund Raum? wanderung rung meines Erachtens einen die genaue einen oder anderen Stelle vielund kommunalen SpitzenverAusgestal- leicht auch noch ein paar JahHaase: In kleineren Gemein- in Deutschbänden ergeben hat. immer stärkeren und breiten tung muss re mit 3G oder 4G leben, aber den und Ortschaften geht es land im Griff gesellschaftlichen Konsens also dort er- selbst das ist an vielen Stellen im Behörden Spiegel: Auch wenn meist um wenige Menschen, die haben, werfolgen. Die ländlichen Raum noch gar nicht der Flüchtlingszustrom aktu- zu integrieren sind. Oft sind es den wir uns erzielen.” Kommunen angekommen! In meinem eigeell überschaubar ist, kann die nur ein bis zwei Familien. Sobald sehr schnell nächste Krise eine weitere Welle jemand in solchen Kommunen dem Thema Einwanderung wid- haben gezeigt, dass sie auch in nen Wahlkreis in Ostwestfalenauslösen. Wie sähe ein idealer ankommt, beginnt Integration men. Und dafür brauchen wir Krisenzeiten Aufnahme und In- Lippe muss ich diesen Umstand Ablauf zur Aufnahme von Asyl- – gewollt oder ungewollt. Man ein Einwanderungsgesetz bzw. obhutnahme können. Wir sollten leider immer wieder feststellen das honorieren und aufpassen, und meine Gesprächspartner setzt sich stärker mit den Men- Fachkräftezuweisungsgesetz. bewerbern aus? dass die Integrationsmittel nicht am Handy darüber informieren, schen auseinander. Sie glauben Behörden Spiegel: In einigen auf 16 Weisen in den Ländern dass die Verbindung wahrHaase: Asylbewerber müssen gar nicht, was für Zuschriften an den deutschen Außengren- ich nun von konservativen Wäh- Teilen Deutschlands werden hängen bleiben. scheinlich gleich wieder abzen erfasst und dann den Bun- lern bekomme, die mich vor an- schon jetzt Handwerker knapp. bricht. Das kann nicht sein! In Behörden Spiegel: Im nord- der 5G-Ausschreibung muss desländern zugewiesen werden, derthalb Jahren noch für die Inwiefern können auch die Asylwo die entsprechenden Verfah- Flüchtlingspolitik der Bundes- bewerber, die schon hier sind, rhein-westfälischen Wahlkampf also konkret stehen, dass der ren laufen. Wir müssen hier regierung ausgeschimpft haben. auf dem Arbeitsmarkt eine Lü- spielte das Thema Sicherheit ei- ländliche Raum verpflichtend ne große Rolle – ist das wirklich mit auszubauen ist! schneller werden und diesen bü- Es sind viele dieser Kritiker, die cke füllen?

Vom Nebeneinander zum Miteinander Weiterbildung “Kommunale Gesundheitsmoderation” (BS/Wiebke Kottenkamp*) Auf kommunaler Ebene existieren im Bereich der Gesundheitsförderung zahlreiche gute Ansätze, Projekte und Angebote. Häufig fehlt es jedoch an der Vernetzung der Akteure und der Bestandsaufnahme vorhandener Möglichkeiten. Dies kann dazu führen, dass es zu unnötigen Parallelstrukturen kommt. Mit dem Projekt “Kommunale Gesundheitsmoderation Ernährung, Bewegung, Entspannung IN FORM” wurde ein Weiterbildungsangebot entwickelt, in der die Teilnehmer lernen, strategisch arbeitende Netzwerke der regionalen Gesundheitsförderung aufzubauen und zu managen, damit interdisziplinär und ressortübergreifend eine gesunde Kommune entstehen kann. Für den Aufbau eines Netzwerks zur Gesundheitsförderung, das alle relevanten Partner aus der Kommune einschließt, bedarf es einer Moderation, die die verschiedenen Aktivitäten zielgerichtet steuert und koordiniert. Zu diesem Zweck wurde mit Förderung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Weiterbildung Kommunale Gesundheitsmoderation entwickelt. In fünf Modulen lernen die Teilnehmer, strategisch arbeitende, interdisziplinäre Netzwerke aufzubauen und zu managen. In enger Verzahnung von Praxis und Weiterbildung bringen sie eigene Vorhaben in die Weiterbildung ein und erproben Gelerntes zeitnah im kommunalen Umfeld. Im Zeitraum von ca. einem halben Jahr werden die Teilnehmer mit hohem Praxisbezug in die Handlungsfelder der Gesund-

Mit sämtlichem Handwerkszeug ausgestattet: Die Moderatoren lehren in den Experten-Workshops, strategisch zur arbeiten sowie Netzwerke regionaler Gesundheitsförderung aufzubauen und zu managen. Foto: BS/peb

heitsförderung auf kommunaler Ebene eingeführt und sind am Ende in der Lage, Qualitätskriterien für erfolgreiche Maßnahmen der Gesundheitsförderung anzuwenden. Die Weiterbildung wird bundesweit über verschie-

dene Bildungsträger angeboten und richtet sich vornehmlich an Mitarbeiter aus der Kommunalverwaltung mit dem Auftrag der Gesundheitsförderung und Prävention oder an Mitarbeiter freier Träger mit ähnlichem Auftrag.

Die Kosten für die Weiterbildung variieren, z. T. können unter bestimmten Bedingungen die Kurse kostenfrei angeboten werden. Die Inhalte der einzelnen Module gestalten sich wie folgt: Modul 1: Netzwerke für die Gesundheit erfolgreich managen (Gesundheit und Interdisziplinarität; Netzwerkmanagement, Erfolgsfaktoren), Modul 2: gesunde Lebenswelten in Kommune und Landkreis gestalten (Salutogenese, Kommune als Setting, Bedarfsanalyse), Modul 3: Netzwerkprozesse moderieren (Kommunikationsmodelle, Rolle des Moderators, Moderationstechniken), Modul 4: Qualität von Maßnahmen für die Gesundheit sichern (Maßnahmenplanung, Dokumentation, Evaluation), Modul 5: in Netzwerken kommunizieren (Gesprächsführung, Gruppenprozesse, Umgang mit

Konflikten und Widerstand), Um die langfristige Vernetzung der Absolventen der Weiterbildung sowohl untereinander als auch mit weiteren Akteuren der kommunalen Gesundheitsförderung zu stärken, werden im Rahmen des Projekts zudem Experten-Workshops zur kommunalen Gesundheitsförderung angeboten (die Teilnahme ist kostenfrei, Reisekosten können erstattet werden).

Bundesweite Experten-Workshops zur Vernetzung Die jeweils zweitägigen Veranstaltungen in Berlin, Köln und Augsburg bieten unter dem Motto “lernen voneinander” neben dem fachlichen Input ausreichend Raum, die eigenen Vorhaben und Netzwerke der Teilnehmer vorzustellen und zu diskutieren. Weitere Informationen zur Weiterbildung und den ExpertenWorkshops sind online zu finden auf www.kgm.pebonline.de. *Wiebke Kottenkamp ist Projektkoordinatorin “Kommunale Gesundheitsmoderation – Ernährung, Bewegung, Gesundheit IN FORM”.


Behörden Spiegel / August 2017

Kommunalpolitik / Personelles

Seite 15

Städte, Gemeinden und Landkreise

Stellenmarkt MELDUNGEN

Gribl einstimmig gewählt (BS/ein/mfe) Dr. Kurt Gribl ist neuer Vorsitzender des Bayerischen Städtetages. Der Augsburger Oberbürgermeister wurde ohne Gegenstimme von den Mitgliedern der kürzlich in Rosenheim tagenden Vollversammlung gewählt. Der 52-jährige CSU-Politiker war bereits seit Juli 2014 erster stellvertretender Vorsitzender. An der Augsburger Stadtspitze steht Gribl seit 2008. Seit 2015 ist der Kommunalpolitiker, der für die Nutzung von Überwachungskameras an gefährlichen

Orten plädiert, auch stellvertretender Vorsitzender der CSU. Bei der letzten Oberbürgermeisterwahl im März 2014 setzte sich der Jurist im ersten Wahlgang mit knapp 52 Prozent der Stimmen gegen acht Gegenkandidaten durch. Im Stadtrat kann Gribl, dem eine enge Kooperation zwischen kommunalen Ordnungsbehörden und der Landespolizei ein wichtiges Anliegen ist und der sich bei Fahndungen nicht nur auf Videoaufnahmen von Privatpersonen verlassen will, nach mehreren Fraktions-

Bürgerbegehren: 40 Prozent in Bayern wechseln auf insgesamt 47 von 60 Stimmen bauen. Das entspricht einer Dreiviertel-Mehrheit der CSU. Neuer erster stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Städtetages ist übrigens der Fürther Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung (SPD). Als zweiter stellvertretender Vorsitzender wurde der Erste Bürgermeister in der niederbayerischen Kreisstadt Dingolfing, Josef Pellkofer (Unabhängige Wählergemeinschaft), einstimmig wiedergewählt. Er amtiert bereits seit 2014.

Dr. Kurt Gribl ist neuer Vorsitzender des Bayerischen Städtetags. Foto: BS/Stadt Augsburg

(BS/ein) Der Freistaat Bayern belegt bei der Bürgerbeteiligung den bundesweiten Spitzenplatz. Seit Einführung des Bürgerbegehrens im Jahr 1995 fanden mehr als 2.700 Verfahren statt, erklärte Innenminister Joachim Herrmann. “Knapp 40 Prozent aller Bürgerbegehren in Deutschland gab es damit im Freistaat.” Unter den zehn deutschen Städten mit den meisten Bürgerbegehren sei der Freistaat neunmal vertreten. “Das zeigt, welche Bedeutung die unmittelbare Bürgerbeteiligung

bei uns in Bayern hat.” Befürchtungen, Entscheidungswege könnten komplizierter und langsamer werden, hätten sich nicht bestätigt, so Herrmann. “Unsere Erfahrung ist, dass Elemente der direkten Demokratie die Kommunalpolitik bürgernäher machen und beleben. Das schafft mehr Akzeptanz für Entscheidungen.” Vor allem niedrige Verfahrenshürden hätten im Freistaat dazu beigetragen, dass die Bürger häufiger von Bürgerbegehren Gebrauch machten.


Personelles / Kommunaler Haushalt

Seite 16

Behörden Spiegel / August 2017

“Löschwasserversorgung”

Kommunen müssen ihre Hand ins Feuer legen von Dr. Ulrich Keilmann

Bei der Universitätsstadt Gießen ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle der/des

Leiterin/Leiters des Hochbauamtes zu besetzen. Nähere Informationen zu dem Aufgabengebiet, dem Anforderungsprofil der angebotenen Stelle und den Bewerbungsmodalitäten (Bewerbungsschluss 31. August 2017) erhalten Sie unter: www.giessen.de/Stellenangebote oder unter den Telefonnummern des Haupt- und Personalamtes 0641/306-1026 (Herr Tröller) 0641/306-1039 (Herr Nachtigall). Online-Bewerbungen richten Sie bitte an bewerbung@giessen.de.

Die Kommunen sind Aufgabenträger der Löschwasserversorgung. Anders als bei der Trinkwasserversorgung handelt es sich dabei aber nicht um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, sondern um einen Teil der Gefahrenabwehr. Allerdings konnte lediglich ein Drittel der geprüften Kommunen nachweisen, dass im Brandfall ihren Feuerwehren ausreichend Löschwasser zur Verfügung steht. Regelmäßig wird die Löschwasserversorgung leitungsgebunden über die Anlagen zur Trinkwasserversorgung gewährleistet. Eine Rechtspflicht dazu besteht jedoch nicht. Maßgeblich ist vielmehr, dass im Brandfall entsprechend hohe Wassermengen mit einem ausreichenden Druck zur Verfügung gestellt werden können. Das ist aber in kleinen Gemeinden oft deswegen nicht der Fall, weil für den Zweck der Trink-

wasserversorgung möglichst kleine Dimensionierungen der Rohrleitungen zweckmäßig sind, um eine Stagnation von Wasser in den Leitungen und damit eine Verkeimungsgefahr zu vermeiden, während für die leitungsgebundene Löschwasservorhaltung größere Dimensionierungen zwingend notwendig sind. Insofern muss durch eine konkrete Rohrnetzberechnung oder Druck- und Mengenmessungen zumindest an kritischen Stellen der Löschwasserbedarf ermittelt werden. Diese Messungen konnten lediglich ein Drittel der untersuchten Gemeinden vorweisen. Konkrete Löschwasserbedarfspläne lagen kaum vor. Deswegen war insbesondere in diesen Kommunen nicht klar, ob tatsächlich der geforderte Löschwasserbedarf aus dem Trinkwassernetz bereitgestellt werden kann oder ob es alternativer Lösungskonzepte bedarf

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/Hessischer Rechnungshof

(z. B.: Entnahme aus Fließgewässern mit ausreichender Wasserführung und entsprechenden Entnahmereichweiten, separate Trockenleitungen, Löschwasserteiche, nur für die Löschwasserversorgung weiter betriebene alte Speicherbehälter und Zisternen aus ehemaligen Tankanlagen bis hin zu mobilen Löschwassercontainern). Trinkwasser- und Löschwasserversorgung stehen unabhängig nebeneinander und können sogar gemeinsam durch den Trinkwasserversor-

ger bedient werden. Allerdings dürfen die Kosten der Löschwasserversorgung nicht in die Kalkulation der Wassergebühren einbezogen werden, denn nicht nur das Hessische Brandund Katastrophenschutzgesetz regelt eindeutig, dass die Personal- und Sachkosten der Löschwasserversorgung von den Kommunen und nicht von dem Gebührenzahler zu tragen sind. Daran hielten sich jedoch lediglich rd. ein Viertel der untersuchten Kommunen. Knapp drei Viertel der Kommunen handhabten es anders und belasteten damit ihre Bürger zusätzlich.

Lesen Sie mehr zum Thema “Sicherstellung der Löschwasserversorgung” im Kommunalbericht 2016, Hessischer Landtag, Drucksache 19/3908 vom 2. Dezember 2016, S. 172 ff.


Personelles / Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / August 2017

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ie Kommunen in NRW weisen den mit Abstand höchsten Schuldenstand auf. Im ersten Quartal 2017 betrugen die Schulden der 396 NRW-Kommunen mehr als 55 Milliarden Euro. Die Kassenkredite machten davon rund 26 Milliarden Euro aus. Hinzu kommt, dass die öffentlichen Investitionen der NRW-Kommunen nach einem jahrelangen Rückgang seit etwa zehn Jahren bei etwa drei Milliarden Euro stagnieren. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung ist das Investitionsvolumen damit auf einen Wert gefallen, der nicht einmal mehr einem Drittel des Wertes von 1992 entspricht. Die bundes- und landespolitischen Unterstützungsmaßnahmen sowie die schmerzhaften Kürzungsmaßnahmen der Stärkungspakt-Kommunen hätten nur zur Linderung, aber keinesfalls zur Lösung der Finanzprobleme geführt, kritisiert der Verdi-Landesverband. Daher seien dringend zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen für die NRW-Kommunen notwendig. Die Lösung des Problems sieht Verdi in der Schaffung ei-

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Schuldenschnitt gefordert Verdi NRW: Stärkungspakt war keine Lösung (BS/lkm) Der nordrhein-westfälische Verdi-Landesbezirk fordert einen Schuldenschnitt für Kommunen. Ohne werde es nicht gelingen, den Kassenkreditbestand der NRW-Kommunen spürbar zu senken, erklärten Verdi-Landesleiterin Gabriele Schmidt und der Volkswirt Prof. Dr. Achim Truger von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin bei der Vorstellung des Verdi-Kommunalfinanzberichtes 2017 in Düsseldorf. nes “großvolumigen Entschuldungsfonds als Sondervermögen des Landes”. Der Fonds könnte durch Kreditaufnahme am Kapitalmarkt zu sehr günstigen Zinskonditionen finanziert werden. Ein wesentlicher Teil der kommunalen Schulden würde übernommen. So könne man Kommunen von künftigen Zinsrisiken entlasten und eine Gefährdung von Kommunalkrediten spürbar vermindern. Eine ähnliche Lösung gebe es im Rahmen des hessischen kommunalen Schutzschirmgesetzes. “Wir müssen die Probleme der Kommunen lösen, nicht nur lindern”, erklärte die Verdi-Landesleiterin Gabriele Schmidt.

Neues “Unheil” droht den kommunalen Kassen Für die öffentlichen Haushalte und vor allem für die Kommu-

nen in NRW werde die wichtigste Aufgabe der kommenden Jahre darin bestehen, spürbare Steuersenkungen zu verhindern. “Angesichts der Vehemenz, mit der das Thema im Bundestagswahlkampf von den Unionsparteien und der FDP – unterstützt von Wirtschaftsverbänden und

Medienkampagnen – geführt wird, ist dies keine leichte Aufgabe”, konstatiert der Kommunalbericht der Gewerkschaft. Das von der neuen Landesregierung ausgegebene Motto “Keine Kredite, weniger Steuern und höhere Investitionen” könne nicht funktionieren, so Schmidt. Auch

Truger warnte vor Steuersenkungen, die zusätzliche Löcher in die Kassen der Kommunen reißen würden. “Legt man das Konzept der CDU-Mittelstandsvereinigung zugrunde, kostet dies die Kommunen in NRW unter Berücksichtigung von Länderfinanzausgleich und kommu-

nalem Finanzausgleich im Jahr 2021 knapp 2,1 Mrd. Euro.” Dies würde weite Teile der unter dem Stärkungspakt erzielten Konsolidierungsmaßnahmen zunichtemachen, sagte Truger. Fakt sei, dass durch die einseitige Ausrichtung der Kommunen auf Ziele der Haushaltskonsolidierung soziale Ungleichheit und damit auch die Kinderarmut insbesondere im Ruhrgebiet weiter zunehmen. “Notwendig ist es, die Finanzausstattung der Kommunen dauerhaft zu verbessern. Grundsätzlich muss dazu das Konnexitätsprinzip “Wer bestellt, bezahlt” durchgesetzt werden”, so Truger.


Kommunale Infrastruktur / Mobilität

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Behörden Spiegel / August 2017

Infrastruktur für automatisiertes Fahren

Die letzte Meile – effizienter und grüner

Das operative Verkehrsmanagementsystem VAMOS der Region Dresden

Neue Logistiksysteme im Baukastenformat für Innenstädte

(BS/Prof. Reinhard Koettnitz/Prof. Jürgen Krimmling*) Das System VAMOS (Verkehrs-Analyse-, Verkehrsmanagement- und Verkehrsoptimierungssystem) agiert seit mehreren Jahren erfolgreich als das operative Verkehrsmanagementsystem der Stadt Dresden. Das im Rahmen eines Forschungsprojektes entwickelte Systemkonzept wurde entsprechend den Stadtratsbeschlüssen von 2003 und 2011 umgesetzt. VAMOS läuft im 24-Stunden-Betrieb und steuert bzw. koordiniert verschiedene Systeme zur Steuerung, Lenkung und Beeinflussung des Straßenverkehrs.

(BS/ein) Die Straßen sind verstopft: Ein Transporter oder Lkw steht in zweiter Reihe, mit oder ohne Blinklicht. Die anderen Fahrzeuge müssen warten, die Fahrbahn verengt sich – es kommt zum innerstädtischen Stau. Ein Szenario, das in vielen deutschen Städten täglich hunderte Male Ärger hervorruft. Das geht nicht nur auf die Nerven der Autofahrer, sondern versperrt Wege und Einfahrten und gefährdet alle Verkehrsteilnehmer. Bei immer weiter steigendem Online-Handel kann das so nicht weitergehen.

Die VAMOS-Grundaufgaben sind (siehe Abbildung): • Erfassung von Verkehrs- und Betriebsdaten, • Berechnung der aktuellen Verkehrslage, • Prognose der Verkehrslage, • kollektive Verkehrsinformation durch das Verkehrs- und das Elbrückeninformationssystem, • individuelle Information, • Verkehrsabhängiges Routing mittels dynamischer Wegweiser in der Stadt und in Verbindung der Stadtstraßen mit dem übergeordneten Autobahnnetz, • Erweiterung des klassischen Parkleitsystems durch ein zusätzliches verkehrslageabhängiges Routing, • Verkehrssteuerung durch Netzsteuerungsverfahren, • Einsatz kooperativer Lichtsignalanlagen (LSA) für eine qualitätsgerechte LSA-Steuerung, Datenlieferanten innerhalb der Landeshauptstadt Dresden sind: • 141 per Pegelzählstellen (PZS) erfasste Fahrstreifen an 40 PZS-Standorten, • 127 per Traffic Eye Unis (TEU) erfasste Fahrstreifen an 71 TEU-Standorten, • ca. 750 LSA-nahe Schleifendetektoren (über die angeschlossen LSA), • ca. 160 erfasste BAB-Fahrstreifen an 68 Messquerschnitten, • Signalisierungszustände der Lichtsignalanlagen. Weitere Daten werden von den Dresden umgebenden Bundesautobahnen, den Verkehrsbetrieben DVBAG und der Taxi-Genossenschaft in das System einbezogen: • VBA der Bundesautobahnen A4, A13 und A17 im Raum Dresden, • Tunnelsteuerungen von drei Tunneln der BAB A17 im Raum Dresden, • Netzsteuerung der Bundesautobahn am Autobahndreieck A4/A17 • rechnergestützte Betriebsleitzentrale der DVB, • Leitstelle der Taxigenossenschaft Dresden FCD (aller 5 s), • Verkehrsmeldungen der Landes Meldestelle (TMC). Somit steht für die Ermittlung der Verkehrs- und Betriebslage eine umfangreiche Datenbasis aus stationären und Bewegungsdaten zur Verfügung, die permanent erweitert wird. Folgende Aktorik-Komponenten sind im Einsatz und werden laufend erweitert: • 51 dynamische Wegweiserta-

Die ersten Lösungen sind schon länger in manchem Stadtbild zu beobachten: Angefangen bei den Radkurieren, immer mehr Cargo-Bikes (Lastenräder), sind mittlerweile auch größere E-Transporter und ganz kleine Paket-Roboter unterwegs. Zumindest in Pilot-Metropolen.

Standardisierte Boxen auf starkem Elektro-Dreirad

Grundaufbau des VAMOS-Systems

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feln an 23 Knotenzufahrten (zwölf Verkehrsknoten), zwölf Verkehrsinformationstafeln (VIS), vier EBIS-Anzeigetafeln des Elbe-Brücken-InformationsSystems, vier dynamisch von VAMOS angesteuerte Wegweiser-Pfeile im Rahmen des Parkleitsystems, 20 speziell angesteuerte LSAKnoten im Rahmen des NordSüd-Verbindungsprojektes, Zwei LSA-Koordinierungsstrecken mit verkehrsabhängiger Signalprogrammauswahl (VSPA).

Das VAMOS-System arbeitet weitestgehend autonom. So sind beispielsweise in der dynamischen Wechselwegweisung ca. 400 Strategien hinterlegt, die in Abhängigkeit der Verkehrslage einzeln oder durch ein wissensbasiertes System miteinander verbunden automatisch ausgewählt werden. Weitere Funktionalitäten, wie Schaltzeitprognosen verkehrsabhängig gesteuerter Lichtsignalanlage gehören ebenso zum Leistungsumfang von VAMOS wie ein Algorithmus zur Rückstaulängenschätzung als Basis für intelligente Annäherungsstrategien an LSA. Eine in dieser Form weltweit einmalige Lösung stellt die kooperative Lichtsignalsteuerung dar. Mittels eines multikriteriellen Gütekriteriums mit den Bestandteilen: • Fahrplanlage des ÖPNV, • Fahrzeugreihenfolgen (Einfädelvorgänge) des ÖPNV, • Anschlüsse im ÖPNV, • Verkehrslage des MIV (motorisierten Individualverkehrs), wird der jeweilige Steuerungseingriff für jedes ÖPNV-Fahrzeug online berechnet und realisiert. Auf dieser Basis wird dem Fahrer des ÖPNV-Fahrzeuges über ein Fahrerassistenzsystem das optimale Fahrregime mitgeteilt, um die folgenden

Grafik: BS/Kimmling

LSA-Knoten ohne Halt zu passieren. Dresden ist eine von sieben deutschen Modellstädten für die Demonstration des automatisierten Fahrens. Die intelligente verkehrstelematische Infrastruktur bildet ein Rückgrat für die Beispiele und praktischen Demonstratoren. In der Abbildung sind die Testkorridore dargestellt. Einige Beispiele erläutern nachfolgend die Möglichkeiten der Unterstützung des automatisierten Fahrens durch die Infrastruktur. In VAMOS ermittelte Grünzeitprognosen an LSA bilden zusammen mit Rückstaulängenschätzungen die Basis für effiziente Fahrmanöver im Zulauf zu Lichtsignalanlagen. Ein intelligentes Routing automatisierter Fahrzeuge auf Basis unterschiedlicher Kriterien (kürzeste, schnellste, energieeffizienteste Route) auf verkehrsrechtlich angeordneten Routen ist ein weiteres Feature. Im ÖPNV können die Empfehlungen des Fahrerassistenzsystems in ein automatisiertes Fahrregime umgesetzt werden. Die multikriterielle, qualitätsgerechte LSA-Steuerung ist problemlos erweiterbar um ein Kriterium zum automatisierten Fahren.

Erweiterung von Sensorik und Aktorik Im Rahmen der nächsten Entwicklungsstufe (VAMOS 3) erfolgen die inhaltliche Erweiterung der Sensorik und Aktorik, eine Qualifizierung der Simulation mit dem Ziel, Strategien vor ihrer Anwendung zunächst auch simultativ zu überprüfen, und eine räumliche Erweiterung der VAMOS-Wirksamkeit in den suburbanen Raum. *Prof. Reinhard Koettnitz ist Leiter des Straßen- und Tiefbauamtes der Landeshauptstadt Dresden und Prof. Jürgen Krimmling Leiter des Instituts für Verkehrstelematik an der TU Dresden.

MELDUNG

Breite Strecke und Grüne Welle: Radschnellweg in Osnabrück (BS/ein) Die Stadt Osnabrück baut gemeinsam mit dem Landkreis Osnabrück und der 13.000 Einwohner zählenden Nachbargemeinde Belm einen Sechs Kilometer-Radschnellweg. Die Trasse soll laut Stadtverwaltung zu einem Leuchtturmprojekt für den Masterplan “100 Prozent Klimaschutz” werden. Eine Machbarkeitsstudie geht davon aus, dass 1.700 Radfahrer die Strecke täglich nutzen werden und dadurch etwa 190 Tonnen Kohlenstoffdioxid im Jahr ein-

gespart werden können. Ziel sei es, schnelles Radfahren auf der Strecke so angenehm wie möglich zu machen. Dafür werde ein glatter, vier Meter breiter Weg errichtet, auf dem Radfahrer zu zweit nebeneinander fahren und trotzdem problemlos überholt werden könnten. Auf enge Kurven wird verzichtet, um Geschwindigkeiten von 30 Kilometern in der Stunde zu ermöglichen. Eine durchgehende Beleuchtung sowie Reinigungsund Winterdienste sollen für Si-

cherheit sorgen. Detektoren sollen dafür sorgen, dass Ampeln für Radfahrer zügig auf “Grün” springen – Radfahrer sollen nirgends länger als 30 Sekunden warten müssen, heißt es. Der Bau der Strecke ist mit insgesamt 7,5 Millionen Euro veranschlagt. Das erste Teilstück im Stadtgebiet fördert das Bundesbauministerium zu 90 Prozent. Für die weiteren Abschnitte ist eine Förderung von bis zu 75 Prozent durch den Bund und das Land Niedersachsen möglich.

Ob DHL, UPS, oder Hermes – die großen Transport- und Logistikunternehmen testen aber nicht nur neue Fahrzeuge, sondern arbeiten an innovativen Modellen für die Warenzustellung. Das Ziel: null Emissionen und weniger Verbrauch von öffentlichem Raum, Zeit und Mitteln. Der Schlüssel liegt hierfür in der smarten Verknüpfung neuer und althergebrachter technischer Möglichkeiten. Wie weit die Ideen auch von kleineren Unternehmen vorangetrieben werden, zeigt sich etwa in Bremen. In der Hansestadt testet der Infrastruktur-Dienstleister Rytle ein neues LogistikKonzept: Im Zentrum steht der “Movr” – ein dreirädriges E-Lastenrad, mit dem ein Fahrer standardisierte Boxen auf der Fläche einer Euro-Palette transportiert. Eine solche Box fasst bis zu mehrere Dutzend Pakete, dient als Laderaum und ist von der Fahrzeugrückseite her zu öffnen. Der Bote liefert aus, ist dabei im Vergleich zum früheren Paket-Transporter aber viel wendiger unterwegs, kann so Bürgersteige nutzen und verstopft keine Straßen. Es gibt noch einen Unterschied – das “Micro-Hub”. Diese kleinen Zwischenlager werden von Trans-

portern oder Lastwagen beliefert und dienen als Ausgangspunkt für die Warenzustellung auf der letzten Meile. Im Bremer Modell passen neun Boxen in ein Hub, das eine Fläche von zwei Parkplätzen belegt. Natürlich müssen hierfür Flächen im öffentlichen Raum gefunden oder entsprechende Gebäude angemietet werden – eine Aufgabe für Handel, Logistik und Kommunen.

Flächen finden für Micro-Hubs Sind solche Zwischendepots eingerichtet, können Kuriere ihre Boxen daraus standardisiert abholen und, ohne Einzelstücke zusammenzusuchen per Knopfdruck auf ihren Movr laden. Mit Muskelkraft und bis 25 km/h auch mit Leistung des E-Motors geht es dann direkt zum Kunden oder zum nächsten Paketshop. Per App erhält der Bote Infos zur effizientesten und schnellsten Route und weiß genau, welche

Fracht sich in seiner Box befindet. Im Hintergrund koordiniert eine Software nicht nur einen, sondern eine ganze Heerschar von Boten – so der Idealzustand.

Offenes System Der Hersteller betont den integrativen Charakter des Systems. “Wir bieten intelligent verknüpfte Hardware sowie Software und sind für sämtliche Kooperationsmöglichkeiten offen”, sagt Ingo Lübs. Der Geschäftsführer von Rytle wendet sich an alle, die ein eigenes Logistik-Konzept für Innenstädte aufbauen wollen. Mit der klassischen Fahrradtechnik und der SmartphoneVernetzung sei das System im Grunde offen für jegliche Kuriere. Lübs: “Der Nutzen liegt somit nicht ausschließlich beim Lieferdienst, sondern schafft eine einfache Verdienstmöglichkeit im Sinne des Crowdworkings.” Ab 2018 sollen erste Logistikdienstleister mit dem System ausgestattet werden.

Das Lastenrad “Movr”, eine standardisierte Frachtbox und ein mobiles MicroHub sollen dafür sorgen, dass Logistik und Warenverkehr in Stadtzentren effizienter und umweltfreundlicher ablaufen. Foto: BS/Rytle

Den Bestand managen Vom Gebäude zur Stadt – durchgehend digital (BS/Andreas Hofherr*) Straßen, Schulen, Brücken, Verwaltungsgebäude – die meisten Kommunen bewirtschaften sehr heterogene Liegenschaften. Mit privaten Häusern und dem Gebäudebestand von Unternehmen erhöht sich die Komplexität. Digitale Gebäudemodelle sollen zukünftig für das Management eines Bestandes oder gar einer ganzen Kommune bzw. Stadt miteinander verknüpft werden können. Gebäude bzw. ihre Nutzer interagieren mit ihrer urbanen Umgebung hauptsächlich durch die Nutzung städtischer Infrastruktur, wie Verkehrswege, die Versorgung mit Energie, Wasser und Telekommunikation, Brandschutz und Rettungswege, Reinigen von Gehwegen, beim Winterdienst und nicht zuletzt der Entsorgung von Abfall und Abwasser. Zukünftig werden vor allem in großen Städten auch weiterführende Umweltaspekte, wie z. B. Stoffkreisläufe oder Gewässerschutz, eine Rolle spielen und zur Nachhaltigkeit beitragen.

Entwicklung und Management von Smart-City-CDE Um die Relation zwischen dem einzelnen digitalen Gebäude und dem digitalen Stadtmodell als Ganzes aufzubauen und zu steuern, müssen zu übergebende Daten und Schnittstellen klar definiert werden. Building Information Modeling (BIMs) wird hier Basis dieser Informationsströme sein. Grundbestandteil der Informationslogistik in BIM sind Common Data Environments (CDEs). Neue Gebäuden werden zunächst als digitales Modell erstellt (“Digital Twins”). Bei Bestandsgebäuden steigt der Bedarf, auch diese nachträglich digital zu erfassen, um Baumaßnahmen besser planen zu

können. Im Management einer Kommune werden neben den klassischen Aufgaben, wie z. B. Verkehrsplanung sowie Verund Entsorgung, direkte Umweltaspekte wie Bodennutzung oder Luftemissionen und deren Steuerung eine wichtige Rolle spielen. Noch sind die Kommunen selbst, die ja oft größer sind als mittelständische Unternehmen, von der Einführung z. B. von Energiemanagementsystemen ausgenommen. Sie müssen sich zunächst auf Optimierungskriterien wie beispielsweise Nachhaltigkeitsziele einigen, um dann die entsprechenden Tools einzuführen. Die Aufgabe von Umweltmanagern kann dann in der Entwicklung und im Management von Prozessen in einer Smart-City-CDE bestehen. Durch Rückkopplung über die digitalen Zwillinge können Nachhaltigkeitsfaktoren, -kriterien und -werte in den physischen Gebäuden berücksichtigt werden.

Gebäudesimulation maximal Die heutigen CDE-Plattformen passen sich an neue Managementfunktionen (Umweltmanagement) und neue Modelloptionen (Stadtmodelle) an. Städte werden sich bezüglich der Aktualität und Verknüpfung von Daten dynamisch entwickeln. Denn die Einspeisung von Echtzeitdaten aus Sensoren, Video-

überwachungsanlagen oder Analysetools in das System ist nur dann sinnvoll, wenn der Datennutzer es ebenfalls ist. Gebäudeautomatisierungssysteme z. B. verfügen bereits über die Fähigkeit, Leistungsdaten von Gebäuden in Echtzeit zu erfassen und darauf zu reagieren. Aber Nachhaltigkeit betrifft das Bauwerk als Ganzes und Ziel ist, während der gesamten Lebensdauer eine umweltgerechte, ressourcenschonende Lösung zu erreichen, ohne die Wirtschaftlichkeit zu vernachlässigen. Mit BIM gelingt eine maximal mögliche Gebäudesimulation. *Andreas Hofherr ist General Manager Central Europe bei CONJECT – Aconex Group.

Was ist BIM? Digitale Gebäudemodelle, BIM (Building Information Modeling), sollen von der Planung über die Bau- und Nutzungsphase alle anfallenden Daten dokumentieren. Dabei ist das BIM-Model auch Träger weitergehender Informationen wie Zeit (4D-BIM) und Kosten (5DBIM), wobei beim 6D-BIM sogar Nutzungs- und Nachhaltigkeitsaspekte im Hinblick auf den Lebenszyklus hinzukommen.


Sonderteil Breitband

Behörden Spiegel / August 2017

“I

nsbesondere beim Ausbau der zukunftssicheren Glasfaserinfrastruktur bleibt Deutschland im internationalen Vergleich deutlich zurück.” Das ist ein Ergebnis des jüngst erschienenen “Digitalisierungsindikators 2017” des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI). Das gilt aber nicht für SchleswigHolstein. Gemeinden, kommunale Zweckverbände und Stadtwerke sind auf bestem Wege, bald ein Drittel des Landes mit Lichtwellenleitern erschlossen zu haben. Sie werden auch von der neuen Landesregierung unterstützt. Die Jamaica-Koalition in Kiel hat in ihrer Vereinbarung festgeschrieben, dass der Glasfaserausbau nun bereits “vor dem Jahr 2025 weitgehend abzuschließen” sei. Die zentrale Bedeutung zeigt auch die Aufgabenteilung über mehrere Ressorts und die Regierungsparteien. So fallen “Super-Minister” Dr. Robert Habeck (Grüne) mit seinem Ressort für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung die Verknüpfung mit der Energiewende, die breitbandige Erschließung von öffentlichen Einrichtungen sowie der gesellschaftliche Umgang mit dem Thema zu. Als Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus muss Dr. Bernd Buchholz (FDP) unbedingt daran interessiert sein, Gewerbetreibende in dem Flächen- und Tourismus-Land infrastrukturell anzuschließen. Gleiches gilt für den Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote. In den Geschäftsbereich des 62-Jährigen CDU-Politikers fallen die Kommunen – und damit die Hauptakteure des Glasfaserausbaus. Als langjähriger Oberbürgermeister der Stadt Norderstedt war Grote u. a. stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Wilhelm.tel, einer Tochtergesellschaft der

Daran können wir anschließen Schleswig-Holstein plant, von den Dörfern in die Städte zu “glasfaserefizieren” (BS/Julian Einhaus) Von Lauenburg bis Flensburg, von Sylt bis Fehmarn: Nirgends liegt so viel Glasfaser wie zwischen Nord- und Ostsee. Seit 2012 sieht die Breitbandstrategie des Landes vor, dass Schleswig-Holstein nicht mehr hinter bestimmten Bandbreiten herläuft, sondern bis 2030 auf flächendeckende Glasfaserversorgung setzt. Ein Infrastrukturziel, das die neue schwarz-grün-gelbe Landesregierung noch toppen will.

Die Karte zeigt die Akteursgruppen, die im Breitbandausbau in Schleswig-Holstein tätig sind.

Stadtwerke Norderstedt, die mittlerweile in und um Hamburg nicht nur den Glasfaser-, sondern auch den Ausbau mit WLAN-Hotspots vorantreibt. Neben Norderstedt bauen weitere Stadtwerke im ländlichen Umland und gemeinsam mit vielen kleinen Gemeinden aus. Die Kommunen gründen dafür oft einen Zweckverband, der die passive Netzinfrastruktur (Leerrohre und unbeschaltete Glasfaser) plant und baut. Für den Betrieb und die Ausstat-

tung mit aktiver Technik werden meist 20-jährige Konzessionen ausgeschrieben. Schon vor Beginn der eigentlichen Tiefbauarbeiten stimmen sich Zweckverbände stellvertretend für die Gemeinden mit dem künftigen Konzessionär ab, um auch die Strukturen zu schaffen, die langfristig effizient betrieben werden können. Der Betreiber trägt danach das wirtschaftliche und rechtliche Risiko, um die Bürger und Gewerbetreibenden auf Basis ih-

baumodell. Damit es sich lohnt, müssen zwischen 50 bis 60 Prozent der Haushalte im jeweiligen Ausbaugebiet Vorverträge für Internet und Telefon unterschreiben, erklärt der Leiter des BKZH, Richard Krause. “Es hat sich gezeigt, dass gut zehn Prozent der Verträge zusätzlich zustande kommen, wenn die Tiefbauarbeiten schon angefangen haben. Die Leute müssen es erst sehen.” Man spricht von “Verträgen am Bagger”, die aber teurer sind. Während man vor

Kommunaler Breitbandausbau, Gigabit-Netze und 5G (BS/ Dr. Ernst-Olav Ruhle*) In den letzten Jahren ist die Rolle der Kommunen beim Breitbandausbau stärker geworden. Je nach Bundesland ist die öffentliche Hand beim Breitbandausbau für bestimmte Wertschöpfungsstufen tätig. Dies kann sowohl die Organisation der Förderungen betreffen als auch Ausschreibungen für Leistungen von Netzbetreibern oder auch ein direktes Tätigwerden in Bezug auf die Errichtung passiver Breitbandnetze. diese Bandbreiten nicht ausreichen. Die Bundesregierung hat in den letzten Wochen zwei wesentliche Grundsatzdokumente veröffentlicht: • die konsequente Ausrichtung der Breitbandpolitik auf Gigabit-Netze und

• die 5G-Strategie, die in drei Richtungen (schnelleres mobiles Breitband / zeitkritische Dienste / Internet of Things) wirkt. Mobilfunk der 5. Generation hat das Potenzial, Kommunikation in vielen Märkten zu revolutionieren. Besseres und

Neues Kommunalnetz in Rheinland-Pfalz Umstellung für über 230 Verwaltungsstandorte (BS/Quoc-Binh Duong*) In Rheinland-Pfalz wird zum 1. April 2018 ein neuer Partner die Betreuung der exklusiv nutzbaren Weitverkehrsinfrastruktur (WAN) für die Verwaltungen der Kommunen im Land übernehmen. Im Auftrag der KommWis GmbH versorgt 1&1 Versatel die Verwaltungsstandorte künftig mit Breitband. Als IT-Dienstleister für Kommunen in Rheinland-Pfalz betreibt und betreut die KommWis GmbH, die Tochtergesellschaft der kommunalen Spitzenverbände, das kommunale Netz Rheinland-Pfalz. An dieses Verbundnetz sind alle 237 Anschlüsse der Kreis-, Stadt-, Gemeinde- und Verbandsgemeindeverwaltungen angeschlossen. Das Unternehmen berät und unterstützt die Kommunen in Rheinland-Pfalz bei der OnlineAbwicklung landeseinheitlicher Fachverfahren in den Bereichen Meldewesen, Personenstandswesen, Kfz-Zulassungswesen und Wahlen. Die Kommunen stellen über das Kommunalnetz den Zugang zu allen relevanten

rer jeweiligen Verträge mit Telekommunikationsleistungen zu versorgen. Die Konzessionsabgaben fließen an den Zweckverband zur Refinanzierung der Kosten der passiven Infrastruktur. Dieses System funktioniert – aber nicht ohne Engagement der kommunalen Familie vor Ort. Seit Jahren werben deshalb Kommunalpolitiker vielerorts gemeinsam mit dem Breitbandkompetenzzentrum SchleswigHolstein (BKZSH) für ihr Aus-

Grafik: BKZSH

Wohin geht die Reise?

I

n einem Positionspaper des deutschen Landkreistages wird auf die Notwendigkeit zum flächendeckenden Ausbau eines Glasfasernetzes hingewiesen, siehe www.landkreistag. de/images/stories/publikati onen/170620_Pospap_Breit band.pdf. Die deutsche Breitbandpolitik war zunächst stark auf das Ziel ausgerichtet, bis zum Jahr 2018 eine Versorgung mit 50-MBit/sAnschlüssen sicherzustellen. Digitalisierung, Industrie 4.0, Bewegtbild-Kommunikation und 4G haben aufgezeigt, dass

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Daten in den Rechenzentren der Verwaltungen sicher. Die zentrale Rolle des IT-Dienstleisters für die Kommunen hat hierbei die KommWis selbst. KommWis hat 1&1 Versatel mit der Vernetzung sämtlicher Stadtverwaltungen, Kreisverwaltungen und Verbandsgemeindeverwaltungen beauftragt. Die vier zentralen Standorte in Mainz werden dabei zu Beginn mit bis zu 300 MBit/s angebunden, die anderen großen Standorte zu Beginn mit 100 MBit/s. Die verfügbare Bandbreite für Anwendungen und Dienste wird somit deutlich erhöht und kann – da 1&1 Versatel die Anbindungen auf seinem Glasfasernetz realisiert – künftig flexibel aufge-

stockt werden. “Als langjähriger Partner des öffentlichen Sektors sind wir mit den spezifischen Anforderungen in der Verwaltung bestens vertraut”, so Dr. Jürgen Hernichel, Vorsitzender der Geschäftsführung von 1&1 Versatel. “Wir freuen uns deshalb sehr, nach Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr nun in Rheinland-Pfalz die E-Government-Strategie eines weiteren Flächenbundeslandes zu unterstützen und die Verwaltung auf ihrem Weg in die Digitalisierung maßgeblich zu begleiten.” *Quoc-Binh Duong ist Justiziar bei der KommWis – Gesellschaft für Kommunikation und Wissens-transfer mbH in Mainz.

schnelleres Breitband ist nur eine Dimension von 5G. Dazu kommt der Einsatz beim Internet der Dinge und in Bereichen, wo kurze Antwortzeiten und hohe Verfügbarkeit gefragt sind. Glasfaserausbau und Mobilfunk bedingen und ergänzen einander. 5G-Ausbau benötigt Glasfaseranbindungen der Sendeanlagen und 5G impliziert auch

eine beträchtliche Anzahl von neuen, jedoch kleineren Sendeanlagen. Somit unterstützt der 5G-Ausbau auch den Ausbau der Gigabit-Netze. 5G und Gigabit-Netze erfordern aber wiederum intensive Aktivitäten im Bereich des Netzausbaus. Die Zurverfügungstellung von Förderungen oder Aktivitäten im Bereich des passiven Netz-

der Bauphase nichts für seinen Anschluss zahlen muss, kostet es am Bagger schon 500 Euro. Bis zu 1.300 Euro werden fällig, wenn sich jemand später entscheidet und die Erde erneut aufgerissen werden muss. Wenn es so weitergehe, sagt Krause, könne man bis 2022 eine Versorgungsquote von 62 Prozent erreichen. “Danach läuft der Rest schneller, weil wir die Zentren dann anschließen können.” Während die Mittelstädte im Land heute noch gut versorgt sind, kann sich das mit dem nächsten Bundesförderprogramm noch ändern. Aus dem aktuellen Versorgungsziel (50 Mbit/s) werden nach der Bundestagwahl womöglich mehrere 100 Mbit/s und aus schwarzen wieder unterversorge “weiße Flecken”. Spätestens dann könnte die Strategie richtig Fahrt aufnehmen. “Wir dürfen in den Städten bislang zwar keine Haushalte anschließen, müssen aber schon BackboneInfrastruktur mitverlegen. Daran könnten wir künftig anschließen.” Anstatt also von der Stadt aufs Land, soll die Lichtwelle von den Dörfern ins Urbane schwappen. Krause blickt nicht nur deshalb optimistisch auf die kommenden Jahre. “Mit jedem neuen Förderprogramm konnten wir die Startbedingungen für die darauf folgenden Projekte verbessern.” Nun gelte es vor allem, an schon bestehende Infrastrukturen anzudocken und Synergien für den weiteren Ausbau auszuloten. Und Übergangslösungen für Örtlichkeiten “ab vom Schuss” zu finden. Als “Shared Media” bieten Richt- und Mobilfunk sie bei mehreren Nutzern, aber nur geringe Bandbreiten. In Schleswig-Holstein hat man, nach Abfrage am Markt, einen Anbieter aus Bad Segeberg gefunden, der Internet via Satellit anbietet. So können Haushalte, die voraussichtlich noch länger auf eine Glasfaser-Anbindung warten müssen, immerhin 30 Mbit/s ab rund 45 Euro beziehen.

ausbaus einerseits und die Entwicklung von lokalen/kommunalen 5G-Anwendungsfeldern und -Strategien einschließlich des koordinierten Ausbaus der Mobilfunksendeanlagen sind wesentliche Themen auf der Agenda, die sich für Städte und Kommunen nun stellen. Das Thema der Breitbandentwicklung lässt die Kommunen also nicht los, sondern es wird sich sogar noch intensivieren und auf die nächste technologische Ebene heben. *Dr. Ernst-Olav Ruhle ist Vorstand der SBR–net Consulting AG.


Sonderteil Breitbandausbau

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Behörden Spiegel / August 2017

“Unser Topseller sind 250 Mbit/s”

Mitverlegungsanspruch

Stadtwerke Neumünster wollen 25 Prozent der schleswig-holsteinischen Landesfläche mit Glasfaser ausbauen

Infrastrukturwettbewerb in Neubaugebieten

(BS) Im “Land der Glasfaser” beteiligen sich neben den kommunalen Zweckverbänden auch mehrere Stadtwerke am Aufbau des Glasfasernetzes. Die Stadtwerke der rund 80.000 Einwohner zählenden Stadt Neumünster wollen nicht nur ihre eigenen Bürger anschließen, sondern sind im Begriff hunderte Gemeinden in den Landkreisen in der Umgebung mit schnellem Internet zu versorgen. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel sehen die Geschäftsführer Thomas Junker und Tino Schmelzle im ländlichen Gebiet sogar mehr Bedarf für Glasfaser als in der Stadt. Und wollen künftig insgesamt ein Viertel der schleswig-holsteinischen Landesfläche mit Gigabits versorgen. Die Fragen stellte Julian Einhaus.

(BS/ein) Kommunen müssen Telekommunikationsunternehmen auch bei Tiefbaumaßnahmen für ein eigenes Breitbandnetz ermöglichen, ihre Leitungen mitzuverlegen. Das geht aus einer aktuellen Verfahrensentscheidung der Bundesnetzagentur (BNetzA) hervor.

Behörden Spiegel: Wie muss man sich Ihre Aktivitäten beim Breitbandausbau vorstellen? Junker: Wir haben 2009 mit einem Pilotprojekt im Umland von Neumünster angefangen, Glasfasernetze zu verlegen. Dies lief so gut, dass wir in den Folgejahren über 40 Gemeinden um Neumünster herum an das schnelle Netz anschließen konnten. Unsere strategische Ausrichtung war dabei immer: Wir bringen in die schlecht versorgten, ländlichen Gebiete Lichtgeschwindigkeit. Diese Strategie haben wir 2012 überprüft und dann auch mehrere europaweite Ausschreibungen von Zweckverbänden zum Glasfasernetzausbau in den Nachbarkreisen gewonnen. Wir setzen dabei ausschließlich auf die Glasfasertechnologie. Wir verlegen also Glasfaser bis ins Haus (FttH).

te. Wenige Jahre später konnten wir aber aufgrund bestehender Infrastruktur der hohen Nachfrage in einem Neubaugebiet nachkommen. Diese Chance wollte die Gemeinde für einen zweiten Anlauf nutzen. Wir sind dann mitgegangen und es hat – aktuell schon im ersten von drei Aktionsgebieten – geklappt. Behörden Spiegel: Gibt es denn schon heute eine entsprechende Nachfrage? Welche Preise können Sie bei solch hohen Bandbreiten aufrufen?

Prozent und mehr? Schmelzle: Ganz wichtig sind dabei die Kommunalpolitiker wie Bürgervorsteher und Bürgermeister. Als Multiplikatoren arbeiten wir eng mit ihnen zusammen, um die Quote vor Ort zu erreichen. Das Bewusstsein vieler Bürger in Schleswig-Holstein hat für das Thema in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Nicht zuletzt können Eigentümer von Immobilien diese finanziell aufwerten und Mietshausbesitzer – vor allem auf dem Land, wo die Leerstandsquote meist höher ist – mit Glasfaseranschlüssen werben.

Schmelzle: Wir haben unsere Produktpalette gerade um Angebote bis 1.000 Thomas Junker ist technischer Ge- Mbit/s erwei“Uns scheint der Bedarf in B e h ö r d e n Spiegel: Wie Inzwischäftsführer der Stadtwerke Neu- tert. schen ist un- dünn besiedelten Gebie- viel investieren münster. ser Topseller ten größer zu sein, weil Sie in den Glasgen für die gesamte aktive Tech- 250 Mbit/s, die Menschen dort bis- faserausbau? nik – wie z. B. den Router – beim die wir seit lang entweder gar nicht Schmelzle: Kunden. Im Endausbau werden Kurzem inSchmelzle: Wir haben diese wir rund ein Viertel der Fläche tensiver ver- oder nur sehr schmalban- Bis zum Jahr Technologie inzwischen in 180 Schleswig-Holsteins mit Glasfa- markten. Das dig angeschlossen sind.” 2017 haben wir als Stadtwerke betrifft vor alGemeinden erfolgreich ver- ser erschlossen haben. 65 Mio. Euro lem Ausbaumarktet. Behörden Spiegel: Die Aus- gebiete in der Nähe von Hamburg investiert. Zählt man die InvesBehörden Spiegel: Gehört für baugebiete müssen aber zuvor und rund um regionale Zentren. titionen unserer Partner hinzu, Sie Breitbandausbau zur Da- regulär ausgeschrieben werden. Wir können einen wettbewerbs- sind es sogar 120 Mio. Euro. Wir fähigen Preis entsprechend der rechnen damit, bis zum vollseinsvorsorge? ständigen Ausbau des Netzes in Schmelzle: Ja, Zweckverbän- Geschwindigkeit realisieren. den drei Kreisen insgesamt 420 Junker: Ja, ähnlich wie bei den de – also Zusammenschlüsse Behörden Spiegel: Wo sehen Mio. Euro zu investieren. anderen Energie- und Wasser- mehrerer Gemeinden – schreinetzen gehört aus unserer Sicht ben bei dem Betreibermodell Sie einen größeren Bedarf an Behörden Spiegel: Bekomauch die Breitbandversorgung europaweit den Glasfasernetz- Bandbreite, in der Stadt oder auf men Sie Fördermittel? zur kommunalen Daseinsvor- ausbau aus. Wir waren seit dem Land? 2012 in Ausschreibungen von sorge. Junker: Aktuell arbeiten wir Zweckverbänden in den Kreisen Junker: Uns scheint der Bedarf Behörden Spiegel: Als Stadt- Segeberg, Steinburg und Dith- in dünn besiedelten Gebieten ohne direkte Fördermittel. Die werke sind Sie im Rahmen der marschen sowie den Ämtern größer zu sein, weil die Men- Auflagen etwa zur Dimension Daseinsvorsorge erst einmal nur Hörnerkirchen und Flintbek er- schen dort bislang entweder gar und von Leerrohren, der Faseranzahl bei den Glasfaserbünzuständig für das eigene Stadt- folgreich. Wir gehen dann in der deln usw. erscheint uns überVermarktung schrittweise vor, gebiet... zogen und praxisfern. Indirekt indem wir einzelne Gemeinden profitieren wir von günstigen Junker: Auf unserem Stadt- zu Aktionsgebieten zusammenKommunalfinanzierungen, gebiet bauen wir sowohl die In- schließen. In allen Fällen arbeidie die Zweckverbände bei der frastruktur als auch die Aktiv- ten wir sehr eng mit den VerKfW und der Investitionsbank antwortlichen technik für die Schleswig-Holstein abrufen Glasfasernetze “Wir haben den Ehrgeiz in den Gekönnen. meinden zuschrittweiund fühlen uns den sammen und se auf eigene Kunden gegenüber Behörden Spiegel: Können Sie informieren Kosten aus. wirklich jedes Gehöft und jede Das heißt, verpflichtet, ein zusam- diese ausführOrtschaft anschließen? über unhier tragen wir menhängendes Gebiet lich ser Vorgehen. als Stadtwerflächendeckend zu er- Im Kreis SteinSchmelzle: Wir haben den ke sämtliche Ehrgeiz, in zusammenhängenburg bauen wir Kosten für den schließen.” zurzeit das 18., den Gebieten alle Kunden anAuf- und Auszuschließen. Im Moment tun bau des Netzes. Darüber hinaus in Dithmarschen das 4. Aktionswir das unter marktwirtschaftwollen wir bis 2022 aber auch im gebiet aus. Wir legen vor der Verlichen Gesichtspunkten. Desländlichen Raum um Neumüns- marktung Quoten fest, mit deren ter rund 300 Kommunen bzw. Erreichung die Wirtschaftlich- Tino Schmelzle ist kaufmännischer halb werden erst einmal einzel400.000 Einwohner durch so- keit sichergestellt wird. In der Geschäftsführer der Stadtwerke Neu- ne Haushalte dort übrig bleiben, genannte Kooperationsmodel- Regel müssen zwischen 40 und münster. Fotos: BS/Stadtwerke Neumünster wo die Bürger die Anschlusskosten nicht tragen wollen und wir le anschließen. All diese Netze 60 Prozent der Haushalte einen sind Gigabit-fähig und für die Vertrag unterzeichnen. Bisher nicht oder nur sehr schmalban- aktuell kein Geschäftsmodell Zukunft gerüstet. hat das immer gut geklappt – bis dig angeschlossen sind. In den für uns sehen. Gleichwohl haStädten, auch in Neumünster, ben wir den Ehrgeiz und fühlen auf zweimal. Behörden Spiegel: Wie funktisieht es ein bisschen anders uns auch den Kunden gegenonieren Ihre KooperationsmodelBehörden Spiegel: Sie mei- aus: Durch die Versorgung mit über verpflichtet, ein zusamle mit den Kommunen? Kabel- menhängendes Gebiet flächennen einen Aufschub, bis sich ein VDSL-Vectoring und höherer Bedarf nach Breitband- anschlüssen ist die Nachfrage deckend zu erschließen. Schmelzle: Die Kommunen versorgung bei den Bürgern ein- nach Glasfaser momentan noch Behörden Spiegel: Die Stadthaben sich in Zweckverbänden stellt? etwas schwächer. Aufgrund des zusammengeschlossen, mit steigenden Bedarfs an Band- werke Norderstedt haben mit ihdenen wir Verträge schließen. Junker: In der Regel gibt es kei- breite wird sich das unserer An- rer Tochtergesellschaft Wilhelm.Wir setzen hier auf das Betrei- nen Aufschub. Aber keine Regel sicht nach in den nächsten fünf tel schon vor längerer Zeit angekündigt, künftig verstärkt in bermodell. Die Zweckverbände ohne Ausnahme. Unsere direkte Jahren stark ändern. WLAN zu investieren und auch übernehmen die Kosten für den Nachbargemeinde Boostedt im Bau des Netzes und das Verle- Kreis Segeberg ist so eine AusBehörden Spiegel: Woran ist den neuen Mobilfunkstandard gen der Leitungen. Wir pachten nahme. Im ersten Anlauf schei- der Erfolg auszumachen: Wie 5G infrastrukturell mit vorantreidann das Netz zurück und sor- terte die Gemeinde an der Quo- kommt man auf Quoten von 60 ben zu wollen. Sie auch?

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Junker: Wir überlegen ebenso, stark in diese Richtung zu gehen. Im städtischen wie im ländlichen Bereich kann WLAN eine passende Ergänzung sein, um auch in der Umgebung vom superschnellen Netz zu profitieren. Wir machen dies bereits in der Innenstadt von Neumünster sowie in unseren Bussen. Für 5G braucht es ist eine Glasfaserinfrastruktur. Wir stehen hier aber noch vor der Entscheidungsphase, wie wir vorgehen.

Auch in Neubaugebieten und im Fall öffentlicher Betreibermodelle: Kommunen müssen dafür sorgen, dass Telekommunikationsgesellschaften Breitbandnetze mitverlegen können, wenn entsprechende Anfragen bestehen. Foto: BS/Hartmu910, pixelio.de

Konkret ging es um den Fall der Gemeinde Linkenheim-Hochstetten im Landkreis Karlsruhe, die sich geweigert hatte, den beiden Telekommunikationsgesellschaften Unitymedia BW und Telekom Deutschland die Mitverlegung eigener Infrastrukturen in einem Neubaugebiet zu gestatten. Während die Kommune die Wirtschaftlichkeit des von ihr initiierten Betreibermodells in Gefahr sah, betonten die Unternehmen, dass gerade im Fall eines Neubaugebiets die volkswirtschaftlich ineffiziente Dopplung von Tiefbaukosten verhindert werden könne, wenn eine Mitverlegung möglich ist. Neubaugebiete gelten im Breitbandausbau als attraktive Investitionsmöglichkeiten.

Kostenbeteiligung Laut BNetzA war die Koordinierung von Bauarbeiten bzw. die Mitverlegung im Fall der baden-württembergischen Gemeinde zumutbar. Allerdings unterstrich die Behörde, dass sich ausbauende Unternehmen aufgrund der zu wahrenden Investitionsanreize bei der Mitverlegung an Kosten beteiligen müssten. Grundsätzlich seien die Tiefbaukosten zwischen den beteiligten Telekommunikationsunternehmen aufzuteilen.

Im speziellen Fall LinkenheimHochstetten folgt aus der Finanzierung der Tiefbaukosten durch Erschließungskostenbeiträge der Grundstückseigentümer aber eine eingeschränkte Kostenteilung. Die Unternehmen müssen hier nur die Kosten tragen, die durch die Mitverlegung zusätzlich entstehen.

DigiNetz-Gesetz kommt erstmals zum Tragen “Wir ermöglichen mit diesen Entscheidungen einen effizienten Infrastrukturwettbewerb beim Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen, insbesondere auch in Neubaugebieten”, erklärte BNetzA-Präsident Jochen Homann. “Durch eine flankierende Kostenregelung stellen wir sicher, dass die Anreize für Erstinvestoren in vollem Umfang erhalten bleiben.” Die BNetzA entschied erstmals auf Basis des sogenannten DigiNetz-Gesetzes, das im November 2016 in Kraft trat. Es zielt darauf ab, dem flächendeckenden Breitbandausbau durch Synergien, wie z.B. durch eine gemeinsame Verlegung von Infrastruktur, den Weg zu bereiten. Auf Grundlage des Gesetzes nimmt die BNetzA u. a. die Aufgaben nationalen Streitbeilegungsstelle wahr.

“Mit Luftschnittstelle” Studie: 5G nur mit Glasfasernetzen (BS/ein) Als Basis für den Aufbau eines leistungsfähigen 5G-Mobilfunknetzes in Deutschland braucht es Glasfaseranschlussnetze. Insbesondere in der Fläche ermögliche Glasfaser überhaupt erst den Aufbau engmaschiger Netze des künftigen Mobilfunknetzes. Das geht aus einem aktuellen Paper hervor. Die Frequenzvergabe soll ab 2018, der Rollout für den künftigen Mobilfunkstandard “5G” voraussichtlich ab 2020/2021 erfolgen – aber nicht ohne Glasfaser. Um Geschwindigkeiten von bis zu zehn Gigabit pro Sekunde zu erreichen, brauche es ein langfristig angelegtes Infrastrukturziel bzw. “reine Glasfasernetze”, so die Untersuchung des Instituts für Infrastrukturökonomie & Management (IEM) in München und des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko).

Hohe Anzahl kleinzelliger Basis-Stationen “Ab dem Jahr 2020/2021 wird 5G eine zentrale Infrastruktur für die digitale Vernetzung darstellen”, sagt Prof. Dr. Nico Grove, CEO des IEM. Da 5G-Netze nichts anderes als mobile Glasfasernetze mit Luftschnittstelle seien, brauche es Glasfaseranschlüsse bis in jedes Gebäude (Fiber to the Home, FttH). Dazu sei wiederum eine hohe Zahl an kleinzelligen Basisstationen nötig, die durch Glasfaserkabel angebunden sein müssten.

Ohne entsprechende Anschlüsse leide die Leistungsfähigkeit pro Endgerät, wenn mehrere Nutzer über einen Zelle auf das Mobilfunknetz zugreifen (Shared-Medium-Effekt). Gleiches gelte grundsätzlich für Kupferleitungen sowie für Richtfunkmasten.

Shared-Medium-Effekt vermeiden “Die derzeitige Versorgungslage mit hochbitratigen Glasfaseranschlussinfrastrukturen”, heißt es in dem Papier, “kann weder für eine Digitalisierung des Standortes Deutschland auf das gewünschte Niveau noch für den Aufbau einer flächendeckenden 5G-Netzversorgung als ausreichend bezeichnet werden.” 5G sei auch selbst keine Alternative zu Glasfaser-Anschlüssen: Gerade für die stetig wachsenden Anforderungen vieler Mittelständler stelle 5G in erster Linie eine Ergänzung dar. Denn in Unternehmen, aber auch in Schulen und Verwaltungen werde der Bedarf durch die Digitalisierung und Innovationen weiter steigen.


Sonderteil Breitband

Behörden Spiegel / August 2017

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KEYMILE: Fokus Breitband-Systeme

“Pooling sehr interessant”

Grundlage für die Digitalisierung der regionalen Wirtschaft schaffen

Breitband-Fonds: Projekte ab 15 Mio. Euro / Mit Kommunen im Gespräch

(BS/Frank Beyrodt*) Nach dem Verkauf des Produktportfolios für Mission-Critical-Kommunikationsnetze an den ABB-Konzern konzentriert sich KEYMILE ausschließlich auf Breitband-Systeme. KEYMILE setzt zukünftig auf Lösungen für die Betreiber von Breitband-Netzen wie zum Beispiel Stadtwerke. Diese sind vielerorts die treibende Kraft für die Breitbandversorgung mittelgroßer Städte und deren Randgemeinden. Zusammen mit Kommunen schaffen sie die Grundlage für die Digitalisierung der regionalen Wirtschaft und bringen den Breitbandausbau entscheidend voran.

(BS/ein) Bald ist es soweit: Der erste private Fonds zur Finanzierung des Breitbandausbaus in Deutschland steht kurz vor der Finanzierung seines ersten Projekts. Die Anbietergesellschaft, Bouwfonds Investment Management, bringt Erfahrungen aus den Niederlanden mit, hat schon 100 Mio. Euro bei institutionellen Investoren eingesammelt und sieht viel Potenzial in Süddeutschland und Nordrhein-Westfalen.

Bislang umfasste das Portfolio des Unternehmens Systeme für den Breitband-Zugang und die Datenübertragung in MissionCritical-Kommunikationsnetzen. Nach der Übernahme des Mission-Critical-Geschäftsbereiches durch ABB schärft KEYMILE sein Profil als einer der führenden Anbieter von Breitband-Systemen. Das Unternehmen verfügt über ein weltweites Netz von Niederlassungen und Partnern. Kunden aus mehr als 100 Ländern setzen erfolgreich KEYMILE-Produkte ein.

FTTx-Netzarchitekturen kosteneffizient anbieten Der Bedarf im BreitbandMarkt wächst weiterhin rasant. Als Betreiber von Kommunikationsnetzen setzen Stadtwerke deshalb auf einen Aus- und Neubau der Netzinfrastrukturen im Zugangsbereich und Transportnetz, um ihren Endkunden vielfältige Sprach- und Datendienste in allen FTTx-Netzarchitekturen kosteneffizient anzubieten. Für die optimale Nutzung der Kupferinfrastruktur stehen VDSL-/Vectoring- und G.fastLösungen im Portfolio. Mit den Systemen für optische Anschlüsse können Netzbetreiber GPON- und P2P-Netzarchitekturen mit hoher Portdichte realisieren. Der IP-MSAN MileGate ermöglicht dabei die gleichzeitige Nutzung von Ethernet/IP und traditioneller TDM- sowie SDH-/PDH-Technik aus einem

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eutschland braucht schnell mehr Bandbreite, um die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können – das haben inzwischen alle relevanten Akteure erkannt und sich den Breitbandausbau auf die Fahnen geschrieben. Eine breite Allianz in Politik und Wirtschaft fordert, bis 2025 ein flächendeckendes Gigabit-Netz zu schaffen, zudem hat das Thema Breitbandausbau prominenten Einzug in die Koalitionsverträge der neu gewählten Regierungen auf Landesebene sowie in die Programme der Parteien zur Bundestagswahl gehalten.

Der erste holländische Investitionsfonds für Telekommunikationsinfrastruktur läuft seit mehr als acht Jahren und hat das Ende der Laufzeit bald erreicht. “Die Niederlande sind uns etwa vier bis fünf Jahre voraus”, sagt Dr. Peter Selgert, “hier denken wir sogar darüber nach, einen zweiten Fonds aufzulegen. “Was bei unseren Nachbarn im Westen funktioniert, das setzen Selgert und sein Team von Bouwfonds Investment Management nun auch in Deutschland um.

Versicherungen und Versorgungswerke investieren Mit MileGate 3510 können Netzbetreiber eine Vielzahl von Diensten wie UltraHighspeed-Internetzugang, Ethernet-basierte IP-Telefonie und Videodienste kosteneffizient bereitstellen. Foto: Foto: BS/KEYMILE

Netzelement. Damit ist die Basis für eine kosteneffiziente Migration der bisherigen verbindungsorientierten Sprach- und Datentechnik hin zu paketbasierten Netzwerken geschaffen.

Fokus auf passive optische Netze Als mittelständisches Unternehmen mit einer langen Tradition ist KEYMILE auf individuell anpassbare Lösungen spezialisiert. Die Kunden schätzen den führenden Anbieter von Lösungen für Breitbandnetze als vertrauenswürdigen Partner, der sich durch eine große Flexibilität und Qualitätsorientierung sowie eine lokale Präsenz und Kundennähe auszeichnet. Das Unternehmen betreibt eine eigene Entwicklung, eine eige-

ne Fertigung und ein akkreditiertes EMV-Labor. Als Folge des Verkaufs des Bereichs für Mission-Critical-Kommunikationsnetze an ABB kann KEYMILE nun seine Investitionen für Forschung und Entwicklung vollständig auf den BreitbandSektor konzentrieren. Das Unternehmen wird sein Portfolio gezielt ausbauen und um neue Technologien erweitern; der Fokus liegt dabei insbesondere auf dem Bereich der passiven optischen Netze. Das Breitband-Geschäft von KEYMILE generiert ein profitables Wachstum und ist damit zukunftsfähig aufgestellt. *Frank Beyrodt ist Head of Technical Sales and Services bei KEYMILE.

Drei Jahre lang hat der Director Asset Management Communication Infrastructure die neue Klasse “Kommunikationsinfrastruktur” vorbereitet und Investoren schmackhaft gemacht. “Wir haben das niederländische Modell aber nicht eins zu eins übernommen, sondern adaptiert und auf die Verhältnisse in Deutschland zugeschnitten.” Insbesondere galt es, die Investitionsrisiken einzuschätzen. Mühe und Zeit scheinen sich gelohnt zu haben: Mehrere institutionelle Akteure haben sich bereits beteiligt. Darunter kleinere und größere Versicherungen und Versorgungswerke, die in der Niedrigzinsphase Alternativen zu Staatspapieren, aber auch zu Immobilien suchen. Ziel ist es, insgesamt 500 bis 600 Mio. Euro in passive Telekommunikationsinfrastruktur zu investieren. Der Fonds will dafür 50 Prozent bzw. rund 300 Mio.

Auch der öffentliche Sektor hat große und steigende Bandbreitenbedarfe (BS/Stefan Kondmann) Die Erschließung Deutschlands mit zukunftsfähiger Glasfaser ist eine der zentralen infrastrukturellen Herausforderungen – und es wird höchste Zeit, aktiv zu werden: Mit einer Glasfasernetzabdeckung von gerade einmal rund sieben Prozent liegt Deutschland weit unter dem EU-Durchschnitt. Um den flächendeckenden Glasfaserausbau voranzutreiben, hat 1&1 Versatel Kooperationsmodelle für Kommunen und öffentliche Verwaltungen entwickelt.

Um den flächendeckenden Glasfaserausbau voranzutreiben, hat 1&1 Versatel Kooperationsmodelle für Kommunen und öffentliche Verwaltungen entwickelt. Foto: BS/©xiaoliangge, Fotolia.com

gen sowie Telefonie realisiert über aktuelle VoIP-Technologie werden immer aktiver an den Arbeitsplätzen in der Verwaltung genutzt. Impulsgeber dieser Entwicklung sind dabei die Nutzer selbst, die notwendigen Organisations- und Prozessentscheidungen zur Zukunftsfähigkeit der Verwaltung sowie die Politik. Somit wirken alle Beteiligten gleichermaßen an den steigenden Anforderungen mit. Bereits mittelfristig – und wir sprechen hier angesichts der exponentiell steigenden Datenvolumina von einem Zeithorizont von wenigen Jahren – werden einzig Glasfaser-Gebäudeanschlüsse (Fibre to the Home/ Building – FTTH/B) die steigenden Bedarfe abdecken können. Anders als bei Kupferleitungen –

dazu zählt auch Vectoring – und den Koaxialnetzen der Kabelanbieter ist die Bandbreite bei FTTH/B-Glasfaser nahezu unbegrenzt skalierbar, kann also nach Bedarf erweitert werden. Zudem ist Glasfaser-Bandbreite symmetrisch (im Up- und Download gleich schnell) und unterliegt keinen Schwankungen.

Glasfaserausbau als Gemeinschaftsprojekt Wenn es gelingen soll, Deutschland flächendeckend mit Glasfaser zu versorgen, muss nachhaltiger und vernetzter gedacht werden als bisher. Von zentraler Bedeutung auf dem Weg in Richtung Gigabit-Gesellschaft ist, dass Kommunen und Infrastrukturanbieter an einem Strang ziehen und den Aufbau

eines Gigabit-Netzes im Schulterschluss vorantreiben. 1&1 Versatel setzt deshalb beim Glasfaserausbau an verschiedenen Punkten an, um Kräfte zu bündeln und vorhandene Potenziale zusammenzuführen: So erweitert der Infrastrukturanbieter und Geschäftskundenspezialist unter anderem durch den Bau von (Groß-) Kundennetzen die vorhandenen Glasfaserstrecken, z. B. für das Land Schleswig-Holstein oder die IHK Gesellschaft für Informationsverarbeitung, und leistet so einen Beitrag, die öffentliche Verwaltung mit hochperformanter Glasfasertechnologie Gigabit-fähig zu machen. Zudem betreut und betreibt 1&1 Versatel Breitbandinfrastrukturen für die öffentliche Hand,

onalen TK-Gesellschaften sind bereits seit einiger Zeit in Gange. “Mit Ausnahme der Telekom stehen wir hier mit fast allen größeren Betreibern in Kontakt.” Um Projekte vor Ort umzusetzen, ist der Fonds aber vor allem auf der Suche nach Kommunen. Infrage kämen größere Gemeinden und Städte, die sich mit entsprechender Glasfaserinfrastruktur zügig zukunftsfest aufstellen und ihren Haushalt nicht belasten wollten. Auch kleine Orte seien interessant, wenn sie “gemeinsame Sache” machten, so Selgert. Geplant seien Projektvolumina von immerhin mindestens 15 Mio. Euro. “Es muss schon eine gewisse Anzahl an Haushalten zusammenkommen, damit wir privatwirtschaftlich ausbauen können. Pooling erscheint uns deshalb sehr interessant.” In nächster Zeit sollen dafür Treffen mit Bürgermeistern stattfinden.

Der “Bouwfonds Communication Infrastructure Fund II” sucht Projekte in Städten und in “gepoolten” kleineren Gemeinden, um High-Speed-InternetProjekte zu finanzieren. Foto: BS/Einhaus

Chancen der Digitalisierung gemeinsam nutzen

Nur Glasfaseranschlüsse können Bedarfe decken Für Unternehmen sind es zurzeit v. a. die zunehmende Vernetzung von Standorten und Filialen, der Trend zu IT-Outsourcing sowie Cloud-Dienste, die den Bandbreitendbedarf treiben. Zudem ist der digitale Wandel der Wirtschaft in vollem Gange: Unter anderem durch die Digitalisierung von Produktionsabläufen und Wertschöpfungsketten sowie durch Machine-to-Machine-Kommunikation werden die Bandbreitenbedarfe in kürzester Zeit bedeutend ansteigen. Auch der öffentliche Sektor hat große und steigende Bandbreitenbedarfe, denn die Digitalisierung der Prozesse macht vor dem Verwaltungsarbeitsplatz nicht halt, im Gegenteil: Der Digitalisierungsstau fängt an, sich aufzulösen, Portalverbund, EAkte, E-Rechnung, Dokumentenmanagement ebenso wie die Digitalisierung der Top-Verwaltungsanwendungen produzieren einen direkten Mehrbedarf an Flexibilität und Bandbreite für Verwaltungsnetz-Anbindungen. Der stärkste Treiber ist jedoch die Verwaltungs-Kommunikation selbst: E-Mail, Internetzugriffe und -anwendun-

Euro Eigenkapital einsammeln; bisher sind davon rund 100 Mio. Euro zusammengekommen. Die Mittel sollen hauptsächlich in kabelgebundene Netzwerke fließen. Ein geringerer Teil ist für Sendemasten und Datenzentren bestimmt. “Wir konzentrieren uns auf die Vermietung und Verpachtung von Kabeln, Sendemasten und Datenzentren”, erklärt Selgert. Die Laufzeit soll 15 Jahre, die Ausschüttungsrendite zwischen 5,5 bis 6,5 Prozent pro Jahr betragen. Ein Großteil des Fondsvolumens könnte so in bisher unterversorgte Gebiete fließen, vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Dafür tausche man sich mit den kommunalen Spitzenverbänden, dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) und dem Bundesministerium für digitale Infrastruktur (BMVI) aus. Gespräche mit führenden regionalen und überregi-

so z. B. das Kommunalnetz in Rheinland-Pfalz (siehe S. 19). In enger Kooperation mit Kommunen, lokalen Wirtschaftsförderungen und Breitbandbeauftragten erschließt 1&1 Versatel seit 2015 systematisch Gewerbegebiete im gesamten Bundesgebiet und bindet diese an das eigene Netz – übrigens das größte alternative Glasfasernetz in Deutschland – an. Vom Ausbau des 1&1 Versatel Glasfasernetzes profitieren bereits zahlreiche Unternehmen in gut 100 Gewerbegebieten deutschlandweit. Den Unternehmen entstehen im Rahmen der Gewerbegebietsinitiative keine Baukosten: In einem Angebotszeitraum übernimmt 1&1 Versatel die Kosten für die Tiefbauarbeiten, den Hausanschluss sowie die Installation und das Freischalten des technischen Equipments. Voraussetzung für die Erschließung ist, dass sich eine ausreichende Anzahl von Unternehmen in dem jeweiligen Gewerbegebiet für die Anbindung an das Glasfasernetz entscheidet und somit keine Wirtschaftlichkeitslücke entsteht, die eine Teilnahme an nur in besonderen Fällen anwendbaren Förderverfahren notwendig macht.

zu nutzen. In Abhängigkeit der angestrebten Marktrolle des jeweiligen Stadtwerks ergeben sich verschiedene Wertschöpfungsmodelle und Möglichkeiten der Kooperation bei Vermarktung, Diensten, Netzbetrieb aktiver Komponenten und Betrieb passiver Infrastruktur. 1&1 Versatel liefert Betriebs-Know-how, Produkte und Netzauslastung und kann so flexibel die jeweilige Ausbaustrategie bedienen. Zur Vergrößerung des flächendeckenden Netzes hat 1&1 Versatel zudem eine Open-Access Plattform entwickelt, die den Zusammenschluss verschiedener Carrier, beispielsweise Stadtnetzbetreiber, ermöglicht. Bereits bestehende Netze können so noch besser ausgelastet werden. Mit der AggregatorPlattform können außerdem die in Deutschland bestehenden Glasfaser-Hausanschlüsse an die 1&1-Infrastruktur angebunden werden. Der Aufbau einer leistungsfähigen Glasfaserinfrastruktur ist ein volkswirtschaftliches Muss – für Unternehmen sowie für eine moderne, digitale Verwaltung. Wir müssen jetzt aktiv werden und die Weichen klar für die Zukunft stellen, gemeinsam!

Kooperation für ein flächendeckendes Netz Für Kommunen oder Stadtwerke, die im Bereich Telekommunikation aktiv werden wollen, hat 1&1 Versatel verschiedene Kooperationsmodelle entwickelt, um vorhandene passive Glasfaserinfrastruktur optimal

Stefan Kondmann ist Vertriebsleiter Bund und Länder bei 1&1 Versatel. Foto: BS/1&1 Versatel


Kommunale Ordnung

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ie Polizei ist in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht in der Lage, die Sicherheit jedes Einzelnen und seines Eigentums flächendeckend zu gewährleisten. Gefahren für Wirtschaft und Gesellschaft drohen unter anderem durch Kriminalität, Terrorismus, Extremismus, Spionage und Sabotagehandlungen, Cyber-Angriffe, Brand, Wasser sowie Klimaveränderungen. Eigensicherheitsmaßnahmen von Wirtschaft, Behörden und privaten Haushalten sind notwendig. Die Bewältigung dieser Sicherheitsherausforderungen bedarf deshalb vielfältiger Schutzmaßnahmen durch Staat, Sicherheitswirtschaft, Wirtschaft und Privathaushalte. Dabei ist der Staat mit Polizei, Nachrichtendiensten und Bundeswehr wichtiger Bereitsteller für Schutz von Leben und Wohlstand. Aber auch die Sicherheitswirtschaft mit ihren hochspezialisierten

Neue gesetzliche Grundlage erforderlich

Neueinstellungen stehen infolge der Akademisierung der Polizeiberufe in den meisten Bundesländern aber frühestens in drei Jahren zur Verfügung. Was ist in der Zwischenzeit? Kunden aus der Wirtschaft und teilweise auch aus den Kommunen müssen auf diese sicherheitspolitischen Herausforderungen selbst reagieren.

der Lage sein, überall präsent zu sein. Die Eigenvorsorge und -verantwortung von öffentlichen und privaten Einrichtungen beziehungsweise Unternehmen ist deshalb heute stärker denn je gefordert. Es bedarf ausreichend und qualifizierter privater Sicherheitsdienste. Die vor Kurzem abgeschlossene Novellierung der Gewerbeordnung reicht nicht aus. Sie bringt vor allem Fortschritte bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit der Beschäftigten. Die Einführung einer Sachkundeprüfung für den Sicherheitsunternehmer und die leitenden Mitarbeiter beim Schutz von Flüchtlingsunterkünften und zugangsgeschützten Großveranstaltungen sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Steigende Nachfrage

Reform bleibt unzureichend

Und sie tun dies auch. Seit 2014 ist die Nachfrage nach Sicherheitsdienstleistungen deutlich gestiegen. Die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) haben 2016 den Umsatz um über 23 Prozent gesteigert und weitere 15.000 Sicherheitskräfte eingestellt. 12.000 offene Stellen sind bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet. Auch die einzustellenden Polizeibeamten werden nicht in

Der BDSW weist seit Jahren darauf hin, dass das Gewerberecht nicht in der Lage ist, der faktischen Bedeutung der privaten Sicherheitsdienste für die Innere Sicherheit gerecht zu werden. Wir fordern deshalb alle Parteien auf, die privaten Sicherheitsdienste auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen. Um Deutschland sicherer zu machen, muss die Eigenvorsorge gefördert und die Sicherheitswirtschaft gestärkt werden.

Private Sicherheitsdienste lassen sich nicht mithilfe der Gewerbeordnung regulieren (BS/Dr. Harald Olschok) Deutschland ist nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt. Dazu tragen wesentlich auch die privaten Sicherheitsunternehmen mit rund 270.000 Beschäftigen bei. Bis vor wenigen Jahren waren diese für die Öffentlichkeit weitgehend “unsichtbar”, weil sie im Hausrechtsbereich der Auftraggeber eingesetzt waren. Der Schutz von Veranstaltungen, der Einsatz als “City-Streifen” im privaten oder kommunalen Auftrag, die Begleitung des Öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV), Fluggastkontrollen an Verkehrsflughäfen, der Schutz von Flüchtlingsunterkünften, Schulen, Friedhöfen, Schwimmbädern und Weihnachtsmärkten haben nun jedoch zu einer starken öffentlichen Wahrnehmung geführt. Sicherheitsdienstleistungen und Produkten ist ein unverzichtbarer Bereitsteller dieses Schutzes.

Neueinstellungen helfen nicht sofort Innenpolitische Themen stehen derzeit im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung und entsprechender medialer Begleitung. Die Ursachen dafür sind vielfältig: die stark angestiegene Zahl der Wohnungseinbrüche, die Vorfälle zu Silvester 2015

senfurt, Ansbach sowie der Angriff auf den Weihnachtsmarkt in Berlin. Alle Parteien forDr. Harald Olschok ist Hauptdern mindestens geschäftsführer des Bundes15.000 zusätzverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW). liche Polizeibeamte. Foto: BS/BDSW Selbstverständlich benötigen in Köln, Kriminalität in und um wir bei den aktuellen innenpoHerausforderungen Flüchtlingsunterkünfte und die litischen Gewalttaten in München, Och- mehr Polizei. Die beschlossenen

Ursprünge im Feldschutz Städtischer Vollzugsdienst in Stuttgart mit langer Vorgeschichte (BS/mfe) Vorgängerorganisationen von ihm gab es schon vor rund 100 Jahren, weil Polizeiaufgaben in der heutigen baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart bis 1973 in kommunaler Hand lagen. Anschließend waren seine Mitarbeiter bis 1993 insbesondere für den Feldschutz verantwortlich. Seitdem hat sich ihr Aufgabenportfolio deutlich erweitert. Die Rede ist vom Städtischen Vollzugsdienst. Seine Kräfte kommen seit nunmehr 24 Jahren insbesondere in der Innenstadt im Kampf gegen Ordnungswidrigkeiten zum Einsatz. Dabei überwachen die Beschäftigten die Einhaltung städtischer Satzungen, zum Beispiel über die Leinenpflicht für Hunde, gehen gegen Bettler vor oder kontrollieren Sondernutzungserlaubnisse. Darüber hinaus legen sie Kraftfahrzeuge zwangsweise still, führen Parkkontrollen in städtischen Grünanlagen durch und ergreifen Maßnahmen zum Schutz von und vor Tieren. Dazu gehört unter anderem die Beteiligung an deren Begutachtung hinsichtlich einer möglichen Gefährlichkeit. So wirkt der Städtische Vollzugsdienst etwa an Verhaltensprüfungen von Kampfhunden mit, überprüft Tierhaltungen und stellt den Tiernotdienst sicher. Zudem überprüfen seine Mitarbeiter – derzeit verfügt die Behörde über 58 Planstellen – Fütterungsverbote von Enten und Schwänen. Hinzu kommen Aufgaben des Forstschutzes, wie zum Beispiel das Vorgehen gegen illegales Holzfällen, die Überwachung von Grillplätzen und -verboten im Wald, die Ahndung

Behörden Spiegel / August 2017

gen grundsätzlich zu zweit und mit Diensthund unterwegs. In Außenbezirken finden aber auch Einzelstreifen statt.

Eigene Diensthunde für Mitarbeiter

Die Mitarbeiter des Städtischen Vollzugsdienstes Stuttgart verfügen über 22 Diensthunde. Auch im Außendienst kommen Hunde zum Einsatz, vor allem um Einzelstreifen in der Feldflur, den Weinbergen und im Wald zu begleiten. Foto: BS/Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für öffentliche Ordnung

des Reitens abseits von markierten Wegen sowie das Aktivwerden gegen Fahren und Parken im Forstgebiet.

Keine dienstfreien Tage Angesichts dieser Zuständigkeitsfülle sagt Hans-Jörg Longin, Sachgebietsleiter für den Städtischen Vollzugsdienst, auch: “Unser Aufgabengebiet ist sehr groß.” Und er berichtet: “Wir arbeiten an 365 Tagen im Jahr.” Dabei sind die Mitarbeiter im Zwei-Schicht-Betrieb

unterwegs und arbeiten eng mit der Landespolizei zusammen. Dienstbeginn ist unabhängig von der Jahreszeit um sechs Uhr morgens, Schichtende um 22 Uhr. Zwischen März und Oktober sind die Ordnungshüter, die teilweise auch zusammen mit Polizeivollzugsbeamten unterwegs sind, sogar bis 23 Uhr präsent. Je nach Einsatzgebiet patrouillieren sie dabei mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß. Bei Letzterem sind sie im Innenstadtbereich sowie in Grünanla-

Ausgestattet ist jeder Außendienstmitarbeiter mit einer blauen Uniform, einer Dienstwaffe, einem Reizgassprühgerät und einem Einsatzschlagstock. Eine Besonderheit ist dabei die Tatsache, dass der Vollzugsdienst der Stadt Stuttgart, der keine Halterermittlungen oder Schulzuführungen durchführt, derzeit über 22 Diensthunde verfügt. Eine Vertreterin der Landeshauptstadt Stuttgart kann als Referentin auf dem “Bundeskongress Kommunale Ordnung” des Behörden Spiegel am 27. und 28. September 2017 in Wolfsburg begrüßt werden. Die Leiterin des Amtes für öffentliche Ordnung, Dorothea Koller, widmet sich dem Umgang mit Armutsflüchtlingen aus Staaten der Europäischen Union. Weitere Informationen zur Veranstaltung sowie Anmeldemöglichkeit unter: www.kommunaleordnung.dew

Ausweitung geplant? Eventuell mehr Kameras in Dortmund (BS/mfe) Die Dortmunder Polizei plant möglicherweise eine Ausdehnung der seit Ende vergangenen Jahres stattfindenden Videobeobachtung im Stadtgebiet. Darauf lassen zumindest Äußerungen von Behördenleiter Gregor Lange schließen. Dieser sagte kürzlich in Bezug auf zwei mithilfe der Kameras aufgeklärte Körperverletzungsdelikte: “Nach Ablauf der ersten zwölf Monate seit Einführung der Videobeobachtung werden wir resümieren müssen und gegebenenfalls über eine Ausweitung dieser Maßnahme nachdenken.” In welchem Umfang und an welchen Orten in Zukunft Videotechnik zur Verbesserung der Sicherheit verwendet werde, werde man unter Beachtung der Zielsetzungen der neuen schwarz-gelben Landesregierung entscheiden. In deren Koalitionsvertrag ist zu diesem Thema zu lesen: “Zur Bekämpfung der Straßenkriminalität wird die polizeiliche Videobeobachtung

künftig auch an Orten zulässig sein, an denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet und begangen werden.” Bisher sind in der nordrheinwestfälischen Großstadt mit mehr als 600.000 Einwohnern fünf Kameras im Einsatz, auf die die Polizei Zugriff hat. Sie filmen ausschließlich den Bereich der Brückstraße und laufen freitags und samstags jeweils zwischen 22 und sieben Uhr des Folgetages. Auch vor Feier- und Brauchtumstagen sind sie im Einsatz. Dafür brauche es jedoch immer eine Einzelanordnung des Polizeipräsidenten, hieß es aus der Behörde.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / August 2017

Milliarden für Digitalisierung

KNAPP Ostwestfalen-Lippe IT ab 2018

Baden-Württemberg beschließt breit gefächerte Landesstrategie

(BS/Guido Gehrt) Mit der im Juli von der Landesregierung Baden-Württemberg verabschiedeten Digitalisierungsstrategie will das Land ressortübergreifend in den kommenden vier (BS/gg) Die Gemeinschaft für Jahren rund eine Milliarde Euro in die Digitalisierung in verschiedensten Themenbereichen investieren und Baden-Württemberg dadurch zur digitalen Leitregion machen. Kommunikationstechnik, In“In den laufenden Haushaltsberatungen wollen wir 265 Millionen Euro für Digitalisierungsprojekte bereitstellen; im Bereich Breitband wollen wir auch in diesem Doppelhaushalt wieder über 100 Millionen Euro im Jahr investieren”, erklärte Digitalisierungsminister Thomas Strobl während der gemeinsamen Vorstellung der Digitalisierungsstrategie mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Landesregierung plane, diese Investitionen bis 2021 zu verstetigen. Strobl hatte zuvor im Ministerrat die Eckpunkte der ressortübergreifenden Digitalisierungsstrategie “digital@bw” vorgestellt, die unter Federführung seines Hauses Vorhaben aller Ministerien bündelt. Schwerpunkte bilden dabei die Bereiche Mobilität, digitale Start-ups, Wirtschaft 4.0, Bildung und Weiterbildung, digitale Gesundheitsanwendungen, aber auch die Verwaltung 4.0 und Kommunen.

Testfeld autonomes Fahren “Durch die Digitalisierung wird das Auto gerade neu erfunden: das autonome und vernetzte Fahren wird unsere Mobilität grundlegend ändern. Durch intelligente digitale Verkehrssteuerung wollen wir Staus minimieren und Emissionen reduzieren”, so Strobl. Mit dem Testfeld “autonomes Fahren” in Karlsruhe, Bruchsal und Heilbronn arbeitet das Land bereits heute daran, das autonome Fahrzeug im Individualverkehr schnellstmöglich auf die Straße zu bringen. Im nächsten Schritt soll jetzt im Bereich der Mobilität eine Erprobungsumgebung für automatisiertes Fahren im Öffentlichen Personennahverkehr

soll hier das geplante Business Innovation Engeneering Center (BIEC) bilden, welches beim Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart den Transformationsprozess von Unternehmen aus allen wichtigen Wirtschaftsbereichen hin zu neuen digitalen Geschäftsmodellen aufbauen und vorantreiben soll.

Förderung von Start-ups

Thomas Strobl (l.), stellvertretender Ministerpräsident Baden-Württembergs und Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration sowie Schirmherr des Kongresses “Baden-Württemberg 4.0”, stellte gemeinsam mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Digitalisierungsstrategie des Landes vor. Foto: BS/Staatsministerium Baden-Württemberg

eingerichtet werden, zum Beispiel mit autonomen Kleinbussen, die individuelle Mobilität ermöglichen, inklusive Abholung vor der eigenen Haustüre.

Aufbaukurs Informatik Digitale Bildung ist ein zentrales Schwerpunktthema der Digitalisierungsstrategie. So soll etwa ein verbindlicher Aufbaukurs Informatik in Klasse 7 für alle Schüler eingerichtet werden und an den Schulen eine landesweite “Digitale Bildungsplattform” geschaffen werden.

E-Health Der direkte Kontakt zwischen Arzt und Patient soll zunehmend durch digitale Verfahren ergänzt werden, etwa durch Telesprechstunden in den Abendstunden. Um dieses Potenzial ausschöpfen zu können, hat Baden-Württemberg – als bisher einziges Land – das Fernbehandlungsverbot gelockert. Nun sollen Modellprojekte für die ärztliche und pflegerische Versorgung

gefördert werden. Die Landesregierung will zudem die Rahmenbedingungen für die personalisierte Medizin stärken. Sie will unter anderem den Aufbau einer “bwHealthCloud” fördern, in der medizinische Forschungsdaten gespeichert werden, etwa über angewandte Therapien und Behandlungserfolge.

Digitale Transformation der Wirtschaft Kleine und mittelständische Unternehmen sollen mit einer Digitalisierungsprämie dabei unterstützt werden, ihr Geschäft zu digitalisieren und Dienstleistungen zu personalisieren. “Alleine 2017 nehmen wir dafür rund 18,4 Millionen Euro in die Hand. Hier richten wir zum Beispiel sogenannte Digital Hubs, also regionale Drehscheiben oder Knotenpunkte ein, mit denen wir die entsprechenden Bundeseinrichtungen ergänzen und Wissenstransfer voranbringen”, erläuterte Strobl. Einen besonderen Schwerpunkt

PITS 2017

Start-ups spielen in einem technologischen Umbruch wie der Digitalisierung eine herausragend wichtige Rolle. Deshalb will die Landesregierung hier ganz gezielt ansetzen und das Know-how des “IT-Accelerators CyberLab” in Karlsruhe durch mehrere Filialen landesweit verbreiten. Zudem soll die Gründungsfinanzierung für innovative Unternehmen mit einem Programm “Startup BW Seed” gefördert werden, welches durch eine Kombination aus Start-upZentren und Seed-Finanzierung eine Lücke in der strategischen Unternehmensentwicklung schließen soll.

Cyber-Wehr für KMU Mit Blick auf die Cyber-Sicherheit, zentraler Pfeiler der Digitalisierungsaktivitäten, soll insbesondere auch den kleinen und mittleren Unternehmen geholfen werden. Für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die sich keine teuren IT-Spezialisten leisten können, soll deshalb eine Cyber-Wehr mit qualifizierten Notfallteams eingerichtet werden, die den Unternehmen rund um die Uhr Hilfestellung leisten soll, wenn sie von einem Cyber-Angriff betroffen sind. Zudem soll die Cyber-Wehr diesen auch dabei helfen, sich so aufzustellen, dass es erst gar nicht zu einem

Cyber-Angriff kommt. “Ohne die richtige Infrastruktur ist bei der Digitalisierung alles nichts. Wir brauchen das schnelle Internet in der Fläche – es ist die Lebensader der Digitalisierung. Im vergangenen Jahr hat die Landesregierung zum ersten Mal die Rekordsumme von rund 115 Millionen Euro als Fördermittel für den Breitbandausbau investiert. Das führen wir auch so fort: 2017 werden wir wieder einen dreistelligen Millionenbetrag in die digitale Infrastruktur investieren. Das wollen wir in vergleichbarer Höhe auch im Doppelhaushalt 2018/2019 abbilden”, so Minister Strobl.

Schaufenster der Digitalisierung Als Online-Schaufenster der Digitalisierung wurde eine neue Website eingerichtet. Das zentrale Portal www.digital-bw.de soll rund um das Thema Digitalisierung und die Digitalisierungsmaßnahmen der Landesregierung informieren. User sollen dort auch auf die entsprechenden Angebote der Ministerien weitergeleitet werden. Die Gesamtkoordination und -steuerung der verschiedenen Vorhaben der Digitalisierungsstrategie liegt maßgeblich in der Verantwortung der Stabsstelle für Digitalisierung, die unter der Leitung von Dr. Natalia Jaekel beim Chief Digital Officer (CDO) des Landes Stefan Krebs in Strobls Digitalisierungsministerium angesiedelt ist. Die vollständige Digitalisierungsstrategie steht unter www. digital-bw.de zum Download bereit. Mehr zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Baden-Württemberg in der Berichterstattung zum Kongress “Baden-Württemberg 4.0” auf den Seiten 26 - 28.

formations- und Datenverarbeitung Paderborn (GKD Paderborn) und das Kommunale Rechenzentrum MindenRavensberg/Lippe (krz) wollen künftig ihre Rechenzentren gemeinsam betreiben. Ab dem kommenden Jahr planen sie die technische Zusammenarbeit. Dafür soll ein gemeinsames Tochterunternehmen, der Zweckverband “Ostwestfalen-Lippe IT”, gegründet werden.

Ein ELSTER für alle (BS/gg) Im Juli wurden die bisherigen Webseiten von ELSTER und das ElsterOnline-Portal zu einem gemeinsamen Internetauftritt zusammengeführt. Das neue, bundesweite Portal läuft jetzt unter der Überschrift “Mein ELSTER”. Die bisher von ELSTER genutzten Domains bleiben erhalten und leiten künftig auf das neue Angebot weiter. Der Internetauftritt von ELSTER wurde neu gestaltet und zugleich für die Anzeige auf Smartphones und Tablets optimiert.

Bürger misstrauisch bei Datenerhebung (BS/stb) Deutlich mehr als zwei Drittel der Deutschen würden es ablehnen, wenn Regierungen obligatorisch persönliche Daten wie Social-Media-Aktivitäten oder Online-Nutzungsverhalten erheben würden. Das ergab eine Umfrage im Auftrag des CyberSicherheitsunternehmens Venafi. 60,1 Prozent der Befragten gaben an, dem Staat bei der Absicherung von Daten wie Steuerinformationen, Krankenakten oder Ausweisdaten, über die er bereits verfügt, zu vertrauen. 39,9 Prozent halten ihre Daten für nicht ausreichend geschützt.

Der Fachkongress Deutschlands für IT- und Cyber-Sicherheit bei Bund, Ländern und Kommunen www.public-it-security.de

Vernetzte Welt – vernetzte Sicherheit

Technologie-Partner:

12.–13. September 2017, Hotel Adlon, Unter den Linden 77, 10117 Berlin

Keynote

Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern

Eine Veranstaltung des

Christian Pegel Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung, MecklenburgVorpommern

Prof. Dr. Reinhard Posch CIO des Bundes, Bundesregierung Österreich

Netzwerk-Partner

Peter Fischer

Delegierter für die Informatiksteuerung des Bundes, Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) Schweiz

Andreas Könen,

Leiter der Stabsstelle „IT- und Cybersicherheit, sichere Informationstechnik“ im Bundesministerium des Innern

Themenpartner

Arne Schönbohm Präsident, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

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Klaus Vitt

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Referenten u. a.:

Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek Direktorin im Forschungszentrums CODE, Universität der Bundeswehr München

Kooperationspartner

Andreas Mück

IT-Sicherheitsbeauftragter (CISO) des Freistaats Bayern, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen für Landesentwicklung und Heimat


Organisation & Management

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Geballte Kompetenz

W

ie bereits beim 1. Executive Forum im vergangenen Jahr wurden die rund 70 Teilnehmer von Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan begrüßt, der erneut die Gelegenheit nutzte, um für seine Initiative Digitales Bonn zu werben. Deren Schwerpunkte sollen insbesondere in der Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur, der Schulen und der Bürgerservices liegen. Zur Koordinierung und Steuerung der verschiedenen Digitalisierungsvorhaben der Stadt soll nach der Sommerpause ein Chief Digital Officer (CDO) installiert werden, der unmittelbar beim Oberbürgermeister angesiedelt sein soll. Zudem soll mit dem Digital Hub Bonn, finanziert von privaten Investoren und gefördert durch das NRW-Wirtschaftsministerium, die Start-up-Szene in Bonn zukünftig weiter ausgebaut werden. “Wir hatten in der Vergangenheit im Vergleich zu anderen Städten viel zu wenig Start-ups. Diese Lücke wollen wir schließen und Bonn zu einem führenden Start-up-Standort machen”, so Sridharan. Schließlich sei Bonn heute bereits der viertgrößte ITStandort in Deutschland. Dr. Alfred Kranstedt, seit Anfang Juli neuer Direktor des Informationstechnikzentrums Bund (ITZBund), gab den Zuhörern einen Einblick in die Struktur und die aktuellen Herausforderungen seines Hauses im Zuge der IT-Konsolidierung des Bundes, an der das ITZBund in zentraler Funktion beteiligt ist. So hat der IT-Dienstleister, der heute im Wesentlichen für drei Bundesressorts (Finanz-,

Region Bonn gewinnt als IT-Standort des Bundes weiter an Gewicht (BS/gg/por) Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung stand im Zentrum des 2. Bonner Executive Forums, welches der Behörden Spiegel mit Unterstützung des IT-Dienstleisters Bechtle im Juli im Kameha Grand Hotel in Bonn veranstaltete. Führende Vertreter von Institutionen des Bundes mit Sitz in der Region Bonn sprachen dabei insbesondere über die Themen Transformation, Modernisierung und IT-Sicherheit. Doch nicht nur “Technisches” war Gegenstand der Diskussionen, vielmehr wurde an vielen Stellen deutlich, wie wichtig das “Menschliche” in all den verschiedenen Prozessen ist – also das bestehende und nicht zuletzt das noch zu findende Personal. Gerade in der Region Bonn sucht der Bund derzeit viele IT-Fachkräfte.

Ein klares Bekenntnis zum Ausbau des Standorts Bonn gab der neue Chef des ITZBund, Dr. Alfred Kranstedt, auf dem 2. Bonner Exekutive Forum ab.

Innen- und Verkehrsministerium) tätig ist, rund 1.000.000 Nutzer der insgesamt ca. 750 Anwendungen in Verwaltung und Industrie. Die Leistung des Rechenzentrums wachse jährlich um 30 bis 70 Prozent. Vor diesem Hintergrund werde Ende August ein neues Produktionsrechenzentrum im Bonner Norden den Betrieb aufnehmen. Ohnehin bekannte sich der neue ITZBund-Direktor eindeutig zum Standort Bonn. Dieser sei mit 600 Beschäftigten (von insgesamt 2.700) heute bereits

der größte der zwölf bundesweiten Standorte des ITZBund und soll zukünftig weiter ausgebaut werden. Daher suche man auch weiterhin Personal in der Region, welches man zukünftig noch stärker als derzeit selbst ausbilden will. Beim ITZBund arbeitet man derzeit auch sehr intensiv am Aufbau einer Bundescloud. Eine erste Pilotinstallation werde bereits seit Anfang Juli hausintern getestet, so Kranstedt. Hierbei handele es sich um eine Speicher-Lösung (vergleichbar Dropbox), die man derzeit als “Experimentierfeld” nutze. Als nächsten Service wolle man bis Ende des Jahres Entwicklerarbeitsplätze in der Bundescloud anbieten. “Langfristig sollen alle Standarddienste in die Cloud, so dies sinnvoll ist”, erklärte Kranstedt (mehr zum Thema Bundescloud auf Seite 33).

Kontrollierte Schottensysteme

Oberst Gerd Weiß ist stellvertretender Kommandeur des Zentrums für CyberSicherheit der Bundeswehr (ZCSBw) mit Sitz in Euskirchen. Fotos: BS/Portugall

Im Zuge der IT-Konsolidierung werde der Bund auch zunehmend ein attraktives Ziel für Angreifer, so Dr. Gerhard Schabhüser, Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Da-

Green-IT ist zurück Schleswig-Holstein will Landesstrategie entwickeln (BS/gg) Nachdem es vor Jahren auf der CeBIT eines der Hypethemen war, ist es in den letzten Jahren merklich ruhiger um das Thema Green-IT geworden. Die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein hat es nun wieder aufgegriffen. So will das Land gemeinsam mit dem öffentlichen IT-Dienstleister Dataport bis Mitte 2018 eine Green-IT-Strategie entwickeln, um die Informationstechnologie in der Landesverwaltung energieeffizienter zu machen und Ressourcen zu sparen. “Energiewende und Klimaschutz sind ohne Digitalisierung nicht mehr zu denken. Aber zur Kehrseite gehört, dass Rechenzentren, Computer und Smartphones zunehmend mehr Strom verbrauchen. Wir müssen die Energieeffizienz bei Beschaffung und Nutzung deutlich steigern. Sonst reißen wir ein, was wir mit den Händen aufbauen”, erklärte der neue schleswig-holsteinische Digitalisierungsminister Dr. Robert Habeck während eines Besuchs des Dataport-Rechenzentrums in Norderstedt. Wie und mit welchen Mitteln eine solche Green-IT für die gesamte Landesverwaltung implementiert werden soll, wolle man bis Mitte 2018 festlegen und dann konkret umsetzen. “Die Zentralisierung von Servern gehört genauso dazu wie Umweltschutz und Energieeffizienz bei der Beschaffung von Hardware sowie ein kluges Powermanagement”, so Habeck. Dataport sei mit dem neuen Rechenzentrum hier schon einen ehrgeizigen

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chen, verglichen mit dem, was ohne Neubau zu erwarten gewesen wäre. “Das ist eine beachtliche Schleswig-Holsteins DigiLeistung und ein talisierungsminister Robert Vorbild”, lobte Habeck will die Landes-IT Minister Habeck, “grüner” machen. der sich bei der Foto: BS/Frank Peter Besichtigung die energieeffiziente Architektur und und erfolgreichen Weg gegandie Sicherheitsmaßnahmen für gen. “Eine Green-IT-Strategie wird eine hochsichere Datenverarvor völlig anderen Bedingungen beitung erläutern ließ. “Die öffentliche Verwaltung zu formulieren sein. Wir müssen davon ausgehen, dass die trägt eine hohe Verantwortung. Datenmenge immer weiter steigt Wir verarbeiten viele, hochsen– und damit auch der Stromver- sible Daten. Die Menschen müsbrauch. Es geht also darum, die- sen sicher sein können, dass sie sen Anstieg zu bremsen. Dafür uns all das auch anvertrauen müssen wir geeignete Parame- können – und zwar uns und keinem Dritten”, betonte Hater finden”, sagte Habeck. So rechnet Dataport mit einer beck. Dataport als Anstalt des Verdopplung des Stromver- öffentlichen Rechts ist hier der brauchs bei einer Vervierfa- entscheidende Akteur für unsechung der IT-Leistung. Dennoch re digitale Souveränität. Es ist will es mit dem neuen Rechen- damit das Herz der IT-Systeme zentrum eine Kohlendioxid- und IT-Sicherheit der LandesMinderung von 40 Prozent errei- verwaltung.”

BWI-Geschäftsführer Ulrich Meister will das Unternehmen zukünftig als ITSystemhaus positionieren.

her müsse man durch weitere Professionalisierung dafür sorgen, dass man ein dem Bedrohungsszenario angemessenes Schutzniveau erreiche, etwa durch die Installation “kontrollierter Schottensysteme”. Dabei müsse man seitens des Bundes auch nicht alles selber machen. Wichtig im Sinne der nationalen Souveränität sei es jedoch, dass die eingesetzten Lösungen aus “vertrauenswürdiger Quelle” kämen, so der BSI-Vize. Seine Behörde baut in Bonn derzeit auch massiv Personal, vornehmlich IT-Sicherheitsspezialisten, auf. Peter Morwinski, Leiter Technology Center beim Unternehmen Bechtle, widmete sich der Frage, inwiefern die Konsolidierung von IT-Systemen zu deren Sicherheit beitrage. Während einerseits dabei Risiken – wie eine monolithische Systemarchitektur, die Gefahr des Datenverlustes während der Zentralisierung – bestünden,

überwögen letztlich die Chancen – wie Kostenreduzierung und Effektivitätssteigerung.

BWI setzt sich anspruchsvolle Ziele Aktuell ist die Aufstellung des neuen militärischen Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum (CIR) in vollem Gange. Ulrich Meister, Geschäftsführer der BWI Informationstechnik GmbH, betonte das “gute Zusammenspiel” seines Unternehmens mit dem im April aufgestellten Kommando (Kdo) CIR mit Hauptsitz an der Bonner Rheinaue. Die in Meckenheim ansässige BWI, die seit vergangenem Dezember eine staatliche InhouseGesellschaft ist, will sich als “IT-Systemhaus des Bundes” positionieren. Schon jetzt stehe das Unternehmen auf Platz sieben der deutschen IT-Dienstleister, strebe aber Platz vier an, so der BWI-CEO. Die fortschreitende Digitalisierung des

Gefechtsfeldes beinhalte automatisch die Gefahr, dass der Gegner die sog. “embedded IT” von Waffensystemen übernehme, warnte Oberst Gerd Weiß, stellvertretender Kommandeur des Zentrums für Cyber-Sicherheit der Bundeswehr (ZCSBw) mit Hauptsitz in Euskirchen. Das ZCSBw ist im April aufgestellt und zum 1. Juli dem KdoCIR unterstellt worden. Es ist der Nachfolger des Zentrums für Informationstechnik der Bundeswehr (IT-ZentrumBw). Das Zentrum sei bisher von ursprünglich 300 auf 500 Dienstposten aufgewachsen, Zielgröße seien 900 Dienstposten. Die offensiven Cyber-Kräfte der Bundeswehr, die dem Kommando Strategische Aufklärung (KSA) unterstellt sind, seien auch schon im scharfen Einsatz in Afghanistan gewesen. Die defensiven Cyber-Kräfte des ZCSBw seien ständig im Einsatz, so der stellv. Kommandeur und Diplom-Informatiker. Das Zentrum produziere jährlich rund 62.000 Kryptoschlüssel.

Bimodale IT Steven Handgrätinger, Leiter des Geschäftsbereichs Öffentliche Auftraggeber bei Bechtle, nutzte die Veranstaltung, um gegenüber den Teilnehmern seine Vorstellungen einer “bimodalen IT” in der Verwaltung in die Diskussion einzubringen. Dabei gehe es insbesondere darum, dass innovative Potenzial der IT besser auszuschöpfen, als dies bislang in der Regel der Fall sei. “Bimodale IT ist eine Methodik, um einerseits die klassische IT weiterzuführen und andererseits parallel eine neue, kreative IT-Organisation aufzubauen”, so Handgrätinger. Aufgabe der “Kreativen” sei es, neue Services (“Future IT”) zu entwickeln und diese in die bestehende ITLandschaft (“Solid Rocks”) zu integrieren. Wichtig sei es in diesem Zusammenhang, für die “Kreativen” eine eigene Organisationsform zu implementieren.

Die nächste Stufe Masterplan “Bayern Digital II” gestartet (BS/gg) Die bayerische Staatsregierung hat einen Zehn-Punkte-Masterplan für Bayerns digitale Zukunft beschlossen und damit die zweite Stufe von “Bayern Digital” gestartet. Angelegt ist der Masterplan “Bayern Digital II” als ein fünf Jahre (von 2018 bis 2022) umfassendes Investitionsprogramm, das mit konkreten Maßnahmen Schwerpunkte auf die wichtigen Kernthemen der Digitalisierung setzen will. Das Volumen für den gesamten Masterplan soll bei rund drei Milliarden Euro liegen und in den kommenden fünf Jahren über 2.000 Stellen schaffen. Der Masterplan sieht unter anderem vor, bis zum Jahre 2030 im Freistaat eine durchgängig digitale Verwaltung zu implementieren. In der Staatskanzlei soll eine Stabsstelle Digitalisierung für die Begleitung aller Digitalisierungsprozesse eingerichtet werden. Zudem will man einen Innovationsfonds für Leuchtturmprojekte im Bereich digitale Verwaltung (Staatsverwaltung und Kommunen) auflegen. Ein Leuchtturmprojekt soll sich im E-Justice-Bereich um die Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs und die Einführung der elektronischen Gerichtsakte drehen. Durch die Einrichtung von insgesamt 13 BayernLabs im ländlichen Raum soll Digitalisierung erlebbar gemacht werden. Mit Blick auf die digitale Infrastruktur will der Freistaat u. a. im Rahmen einer Glasfaser-Initiative in Kooperation mit dem Bund, den Kommunen und der Telekommunikationswirtschaft in ganz Bayern bis zum Jahre 2025 ein gigabitfähiges Breitbandnetz schaffen. Hierfür sind in dem Investitionsprogramm eine Milliarde Euro vorgesehen. Schwerpunkte des Glasfaserausbaus sollen Gewerbe- und Neubaugebiete, Forschungs-

einrichtungen, aber auch Behörden sein. Zudem sollen alle öffentlichen Schulen einen Glasfaseranschluss erhalten. Des Weiteren sollen im Zuge der Initiative BayernWLAN bis 2020 20.000 WLAN-Hotspots entstehen sowie weitere 20.000 Hotspots an den bayerischen Schulen. Zur Stärkung der ITSicherheit soll die Einrichtung des Landesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) mit bis zu 200 Mitarbeitern bis 2020 abgeschlossen sein, um damit einen zentralen Ansprechpartner für die IT-Sicherheit Kritischer Infrastrukturen zu schaffen. Die Cyber Crime Bekämpfung soll ausgebaut wer-

den, insbesondere die Zentralstelle Cyber Crime in Bamberg und die Schwerpunktstaatsanwaltschaften sowie die spezialisierten Ermittlungseinheiten bei der Bayerischen Polizei. Die Polizei des Freistaats soll zudem mit modernster mobiler IT (z. B. Smartphones, Tablets und im Streifenwagen) ausgestattet werden. Auch in die Forschung für die IT-Sicherheit will man investieren, z. B. im nationalen Leistungszentrum “Sichere vernetzte Systeme” von Fraunhofer in München oder durch Forschungs- und EntwicklungsKooperationsprojekte für Kritische Infrastrukturen privater Träger.


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ie Digitalisierung des Asylverfahrens war ein kooperatives Projekt mit Beteiligung von Bundes- und Landesbehörden. Im BAMF erfolgte die Entwicklung durch ein Team um den Abteilungsleiter Infrastruktur und IT, Dr. Markus Richter. In weniger als 12 Monaten gelang es unter großem politischen und öffentlichen Druck, ein effizientes System aufzusetzen, bei dem ein bundesweit einheitliches Kerndatensystem geschaffen wurde, in das alle Daten bei der Erfassung Geflüchteter aufgenommen werden und dann von Behörden abgefragt werden können. Es habe sich gezeigt, dass es “in einer Krisensituation möglich ist, komplexe Verwaltungsabläufe in kurzer Zeit umfassend zu modernisieren und auf eine einheitliche technische Basis zu stellen”, wie Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und Bundesbeauftragter für Informationstechnik, anlässlich des IT-Tags des BAMF im Juli hervorhob. Im BAMF will man aus den Erfahrungen gelernt haben und arbeitet an einem umfangreichen Modernisierungsprozess in praktisch allen Aufgabenbereichen, bei dem die “IT eine zentrale Rolle einnimmt”, wie der Vizepräsident der Bundesbehörde, Ralph Tiesler, betonte. Leitfaden dafür ist die 2016 aufgestellte “Digitalisierungsagenda 2020”. Derzeit werden mehr als 30 konkrete IT-Projekte verfolgt, wie der IT-Chef Markus Richter informierte. Darunter sind Service-Angebote für Asylsuchende wie die AnkommenApp, Verfahren zur internen Sachbearbeitung, aber auch Schnittstellen zum effizienten Informationsaustausch mit anderen Behörden. Basis ist die Neuentwicklung und kontinuierliche Weiterentwicklung von MARiS, dem IT-System für den Asylprozess. MARiS soll zu einer stabilen Middleware ausgebaut werden, an die weitere Systeme wie der zentrale Posteingang angedockt werden können. Besonders innovativ sind An-

Eine Behörde erfindet sich neu Innovative IT-Werkzeuge und agiles Entwickeln im BAMF (BS/stb) Mit der Entwicklung eines integrierten digitalen Identitätsmanagementsystems ist dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als zentralem Akteur ein Vorzeigeprojekt der Verwaltungsmodernisierung gelungen. Treiber war massiver Druck aufgrund der Flüchtlingskrise. Nun will das BAMF den Rückenwind nutzen und die Digitalisierung im eigenen Haus weiter vorantreiben. Dabei setzt man auch auf innovative Projektmanagement-Methoden und den Einsatz modernster Technologien wie Künstlicher Intelligenz. gen auf Grundlage der Sprache nicht annähernd in dem Umfang leisten, wie es die KI-getriebene Lösung vermag. Mit der Anwendung soll man sogar erkennen können, ob eine Sprachaufnahme wahrscheinlich von einem Muttersprachler stammt oder ob ein Dialekt nur vorgetäuscht wird. All diese Werkzeuge sind nach Angaben des BAMF bereits erprobt worden und sollen Mitarbeiter bald bei der Registrierung und bei Entscheidungsprozessen im Zusammenhang mit Asylgesuchen unterstützen.

IT-Labor eröffnet Startup-Flair in der Bundesbehörde: Im Kommunikationsraum des neuen IT-Labors sollen in ungezwungener Atmosphäre Ideen entwickelt werden. Foto: BS/BAMF

wendungen zur Identitäts- und Herkunftsbestimmung, bei denen teils modernste Technologien zum Einsatz kommen. Eine Applikation erfasst beispielsweise aufgrund von Befragungen Routen, Transportmittel und weitere Parameter bei der Reise von Geflüchteten nach Deutschland und analysiert und visualisiert auf dieser Grundlage allgemeine Fluchtrouten und generiert so wertvolle Informationen über Transitländer, die auf politischer Ebene Impulse setzen können. Das integrierte Identitätsmanagement soll um technische Anwendungen erweitert werden, die Plausibilitätsprüfungen bei der Registrierung von Asylsuchenden erleichtern und damit Entscheidungsprozesse unterstützen. Die Auswertung mobiler Datenträger findet auf freiwilliger Basis bereits statt. Ziel ist es, aus Smartphones Geodaten oder Meta-Informationen über genutzte Sprachen zu gewinnen,

um Aussagen über die Herkunft und Identität von Asylsuchenden auf Plausibilität prüfen zu können. Darüber hinaus soll ein Assistenzsystem zur automatischen Gesichtserkennung biometrische Merkmale mit dem Kerndatensystem abgleichen, um die Datenqualität bei der Identifikation zu verbessern und mögliche Mehrfachidentitäten feststellen zu können. Ebenfalls eine Verbesserung der Datenbasis verspricht man sich von einem Assistenten zur Namenstransliteration: Über sprachspezifische Zeichensätze können Antragsteller ihren Namen eingeben. Die Software übernimmt dann die standardisierte Übertragung in lateinische Schriftzeichen, sodass die die spätere Identifikation von Personen nicht durch abweichende Schreibweisen erschwert wird. Wertvoll für die Plausibilitätsprüfung ist vor allem auch ein Tool zur automatischen Dialekt-

Licht und Schatten Nationaler Normenkontrollrat legt Jahresbericht 2017 vor (BS/gg) Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat Mitte Juli Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel seinen Jahresbericht 2017 vorgelegt. Der Bericht steht unter dem Motto „Bürokratieabbau. Bessere Rechtsetzung. Digitalisierung. Erfolge ausbauen – Rückstand aufholen“. Er enthält aktuelle Informationen zu Bürokratie- und Kostenbelastungen neuer gesetzlicher Regelungen der Bundesregierung in den zurückliegenden 12 Monaten. Neben der Bilanz ordnet der NKR die Entwicklungen der 18. Legislaturperiode ein und gibt Empfehlungen für die 19. Legislaturperiode. “Der Bericht zeigt eine positive Veränderung in der Gesetzgebung hin zu einem besseren Kostenbewusstsein. Erfreulich ist auch, dass Maßnahmen zur Kostenbegrenzung, wie beispielsweise die “One-in-one-out”-Regel, Wirkung zeigen. Das ist eine gute Grundlage, auf der in der neuen Legislaturperiode erfolgreich weitergearbeitet werden kann”, erklärte der Vorsitzende des NKR, Dr. Johannes Ludewig, im Rahmen der Veröffentlichung des Jahresberichtes 2017.

Positive Bilanz der “One-inone-Out”-Regel Die Bilanz der Anfang 2015 eingeführten “One-in-one-out”Regel – der praktischen Deckelung der Folgekosten der Wirtschaft – fällt in dem Bericht positiv aus: Das “Out”, also die Entlastung der Unternehmen, übersteigt das “In”, d. h. die Belastung der Unternehmen, um 1,4 Milliarden Euro. Auch die Entwicklung der gesetzlichen

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Folgekosten über die gesamte Legislaturperiode stimmt die Berichterstatter zuversichtlich: Diese haben sich in den letzten vier Jahren – den Mindestlohn mit seinen außerordentlich hohen Folgekosten außer Betracht lassend – nur geringfügig erhöht. Mit der Einführung der systematischen Evaluierung gesetzlicher Regelungen und dem EU Ex-ante-Verfahren, das die Folgekosten von EU-Regelungen für Deutschland transparent macht, seien gleichzeitig weitere wichtige Weichen gestellt worden. Der Weg hin zu einer ganzheitlichen Gesetzgebung – von der Rechtsetzung über Folgekostenabschätzung, Gesetzesvollzug, Evaluierung und bis zu einer eventuellen Novellierung – könne damit grundsätzlich beschritten werden. Die neue Legislaturperiode biete die Chance, dies im Alltag der Gesetzgebung praktisch umzusetzen.

Dringender Handlungsbedarf beim E-Government Weniger positiv fällt die Bilanz des NKR beim Thema EGovernment aus. “Bei der Digitalisierung der Verwaltung liegt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern immer noch weit zurück. Neue Chancen bringt das Onlinezugangsge-

setz. Diese Entwicklung muss in der kommenden Legislaturperiode mit Nachdruck vorangetrieben werden. Der Erfolg des Portalverbundes wird von der tatsächlichen Umsetzung abhängen. Nötig sind eine verbindliche Steuerung, ausreichende Ressourcen und die enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Nur dann werden Bürger und Unternehmen im Alltag von dem direkten und effizienten Zugang zur Verwaltung profitieren”, so der NKR-Vorsitzende Dr. Ludewig.

Zersplitterte Registerlandschaft hemmt Digitalisierung Ein Hindernis für die Digitalisierung der Verwaltung sieht der NKR in der zersplitterten deutschen Registerlandschaft – die Güte der vorhandenen Informationen und deren Verknüpfung lasse zu wünschen übrig. Nur wenn die deutsche Registerlandschaft nachhaltig modernisiert werde, könne der Austausch der Verwaltung mit Bürgern und Wirtschaft tatsächlich effizient und bürgerfreundlich sein. Der NKR will bis September in seinem diesjährigen Gutachten Vorschläge entwickeln, wie ein bürger- und unternehmensfreundliches Datenmanagement aussehen könnte.

erkennung. Eine Analyse von Stimmaufnahmen erlaubt die Feststellung und geografische Zuordnung von bekannten Dialekten. So können Rückschlüsse auf die wahrscheinliche Herkunftsregion Asylsuchender gezogen werden. Interessant ist die Lösung vor allem deshalb, weil sie objektiv und massentauglich ist – Dolmetscher könnten Plausibilitätsprüfun-

Verwaltungsmodernisierung betrifft im BAMF aber nicht nur die Umstellung auf moderne digitale Anwendungen, sondern auch die Art, wie in Zukunft Lösungen für komplexe Probleme gefunden werden sollen. Hier will man nach und nach Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse dynamischer und freier gestalten, um auf veränderliche Anforderungen schnell und effizient reagieren zu können. Ein erster Schritt in diese Richtung ist das IT-Labor, das auf dem IT-Tag im Juni offiziell eröffnet

wurde. Dabei handelt es sich um Räumlichkeiten, in denen ein Team nach der Scrum-Methode projektbezogen an technischen Lösungen arbeitet. Neben einem modern ausgestatteten Arbeitsraum gibt es einen Kommunikationsraum sowie einen öffentlichen Showroom für Präsentationen. In freier und Kreativität fördernder Atmosphäre sollen Ideen und Teillösungen entwickelt und sofort prototypisch umgesetzt werden, um schnelles Feedback und fortlaufende Anpassungen in der Planung zu ermöglichen, wie Abteilungsleiter Richter erläuterte. Die Mitarbeiter sollen dabei zum Experimentieren ermutigt werden – Scheitern und Neubeginn sollen ausdrücklich erlaubt sein. “Als moderne Behörde ist es entscheidend, schnell und flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Das IT-Labor verbessert mit seinen agilen Softwarelösungen unsere technische Anpassungsfähigkeit – ein weiterer wichtiger Schritt hin zur “atmenden Behörde”, fasste es Vizepräsident Tiesler bei der Eröffnung zusammen. Zunächst sind im BAMF 20 Scrum-Master ausgebildet worden, 25 weitere sollen noch folgen. Dabei soll sich das grundlegende Konzept nicht nur auf IT-Projekte im engeren Sinne beschränken. “Ziel ist es, die agile Methode langfristig auch in anderen Bereichen anzuwenden”, erklärte Richter. “Wir arbeiten derzeit an einer entsprechenden Agilitätsagenda.”

Meilenstein für offenes WLAN Jedoch auch deutliche Kritik am neuen Gesetz (BS/lkm) Kurz vor der Sommerpause und de facto am Ende der Legislaturperiode kam es im Deutschen Bundestag doch noch zu einer Einigung über ein neues WLAN-Gesetz. Es soll noch dieses Jahr in Kraft treten. Die Kommunalverbände sehen darin viele Vorteile für die Städte und Gemeinden. Auf Hotspot-Anbieter könnten aber neue Risiken zukommen, warnt der Branchenverband Bitkom. Auch die Grünen sehen die Nutzungssperren kritisch. Mit dem neuen Gesetz schaffe man die Störerhaftung rechtssicher ab, zeigte sich Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries überzeugt. “Ich erwarte hiervon einen Schub für mehr offene WLAN-Hotspots in Deutschland. In Cafés, an Flughäfen, in Hotels – überall kann künftig freies Internet gefahrlos angeboten werden. Anbieter müssen ihr WLAN weder verschlüsseln noch brauchen sie eine Vorschaltseite. Sie müssen auch die Identität ihrer Nutzer nicht überprüfen”, so Zypries. Das Gesetz schafft Rechtssicherheit für Internetzugangsanbieter und WLAN-Betreiber, z. B. Café-Betreiber. Sie können nun offenes WLAN für ihre Kunden anbieten. Dabei setzen sie sich nicht mehr dem Risiko aus, kostenpflichtig abgemahnt zu werden, falls Nutzer illegale Inhalte aus dem Internet abrufen. Außerdem stellt das Gesetz klar, dass ein WLAN-Betreiber nicht behördlich verpflichtet werden darf, Nutzer zu registrieren, die Eingabe eines Passwortes durch seine Nutzer zu verlangen oder bei Rechtsverstößen Dritter sein WLAN-Angebot einzustellen. In den Kommunen befürwortet man die Abschaffung der Störerhaftung. “Wenn die Netzbetreiber mit dem neuen Telemediengesetz Rechtssicherheit bekommen, wird es künftig sehr schnell deutlich mehr frei nutzbare Hotspots und öffentliche WLAN-Netze geben. Es wird an immer mehr Orten schnelle Internetzugänge geben”, so Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Schnelle freie WLAN-Hotspots seien nützlich für den StadtTourismus, die städtische Wirtschaftsförderung, den Zugang zu elektronischen Dienstleistungen der Städte und für vieles mehr. Der Branchenverband

Café-Betreiber können nun offenes WLAN anbieten, ohne sich dabei dem Risiko auszusetzten, kostenpflichtig abgemahnt zu werden, falls Nutzer illegale Inhalte aus dem Internet abrufen. Foto: BS/Alan Levine, cc by 2.0, flickr.com

Bitkom begrüßt das neue Gesetz grundsätzlich, sieht aber neue Risiken für Hotspot-Anbieter. “Der Schub für freie Hotspots und damit für den Zugang zur digitalen Welt könnte aber weitaus größer sein. Denn mit dem Aus für die Störerhaftung werden gleichzeitig neue Hürden für die Anbieter von WLANHotspots aufgebaut”, erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Mit der Gesetzesänderung werde ein Sperranspruch eingeführt, der für die HotspotBetreiber Probleme mit sich bringe. Im Fall einer Urheberrechtsverletzung, etwa beim illegalen Download, könne der Rechteinhaber vom Hotspot-Betreiber sogenannte Nutzungssperrungen, etwa die Sperrung einzelner Webseiten, erwirken. “Der Sperranspruch bedeutet Ärger und Aufwand für die Hotspot-Betreiber, sei es eine Studenten-WG, ein Café oder ein Telekommunikationsunternehmen”, so Rohleder. Im Fall einer ungerechtfertigten Sperrung drohen ihnen Rechtsansprüche Dritter. Und ein möglicher Rechtsstreit mit dem Rechteinhaber bedeutet für den WLAN-Anbieter finanzielle Risiken. “Wir fordern deshalb,

illegale Inhalte zu löschen, statt Hotspot-Betreiber mit Sperranfragen zu belasten – zumal Sperrungen in der Regel technisch leicht zu umgehen sind”, so Rohleder. Konstantin von Notz, Netzpolitischer Sprecher der Grünenfraktion, kritisiert zudem, dass für das Sperren bestimmter Inhalte und Seiten keine Gerichte einbezogen werden müssen. “Auf Bitten von Anwälten können Behörden nun Anordnungen für Websperren erlassen. Welche Form der Netzsperren, wann, wie lange von Privaten bereitgestellt werden müssen, ist nicht ausreichend präzise geregelt. Wieder einmal laufen Anbieter offener WLAN abermals in eine von Abmahnung bedrohte Rechtsunsicherheit”, erklärt von Notz. Dem Grünen-Politiker zufolge würden auch Kritiker aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vor “Overblocking” warnen, also übermäßigem blockieren von Internetseiten und Inhalten. “Diese Bedenken teilten auch mehrere Sachverständige in einer Anhörung im Bundestag. Sie bewerteten Websperren als europa- und verfassungsrechtlich problematisch und unverhältnismäßig”, fügt der Abgeordnete hinzu.


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Baden-Württemberg 4.0 Z

iel der Strategie ist nicht nur die Bündelung und Koordinierung der verschiedenen Maßnahmen im Zuge der digitalen Transformation, sondern es soll auch darum gehen, bestehende “Stärken zu stärken” und Modellprojekte zu initiieren. Die Landesregierung ist sich bewusst, dass sie diesen Prozess nicht nur mit eigenen Kräften und Know-how wird stemmen können. Man werde daher externen Sachverstand bei der Umsetzung der Strategie einbeziehen, erklärte Krebs. Erstes Leuchtturmprojekt soll “Smart City – Digitale Zukunftskommune@BW” werden, ein Modellprojekt zur Erstellung einer lokalen Digitalen Agenda. Das Land stellt für dieses Projekt 7,6 Millionen Euro zur Verfügung. Zwei bis drei Kommunen aus dem urbanen und dem ländlichen Raum sollen sich idealerweise an diesem Projekt beteiligen. Diesem ersten Projekt sollen weitere folgen. Wichtig: Die Projekte sollen nicht auf Einmal-Effekte, sondern auf Verstetigung angelegt sein. Das Land will bei der Umsetzung der Strategie die verschiedenen Akteure eng einbinden und beteiligen.

Zusammenarbeit gewünscht, aber nicht immer einfach Um eine digitale Leitregion mit Vorbildcharakter für andere Regionen zu werden, müsse das Land vor allem die Kommunen einbinden, betonte Marian Schreier, Bürgermeister von Tengen. Gerade der ländliche Raum, so Schreier, biete hier viele Chancen und Potentziale. Als Beispiel nannte er hier die Mobilitätserfordernisse. Wenn Bürger mithilfe der Digitalisierung seltener zum Rathaus müssten, sei dies eine große Verbesserung in ländlichen Regionen. Auch Dorothea Störr-Ritter, Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, betonte, wie wichtig es sei, dass Kommunen und Landkreise

Das “Ländle” ist hochmotiviert Baden-Württemberg auf dem Weg zur digitalen Leitregion (BS/gg/lkm) Baden-Württemberg will bis 2025 zu einer digitalen Leitregion in Deutschland und Europa werden. Dazu hat die Landesregierung in den vergangenen Monaten unter Federführung des Digitalisierungsministeriums intensiv an einer ressortübergreifenden Digitalisierungsstrategie gearbeitet. Dies berichtete Stefan Krebs, CIO/CDO des Landes, den über 370 Teilnehmern des Kongresses “Baden-Württemberg 4.0” in Stuttgart, den der Behörden Spiegel in Kooperation mit der Stabsstelle für Digitalisierung am 11. Juli erstmals veranstaltete. Genau eine Woche darauf wurde die Digitalisierungsstrategie dann auch von der Landesregierung verabschiedet (siehe hierzu Seite 23). liegt vieles auch an der bürokratischen Abwicklung in den Ministerien”, kritisierte der Bürgermeister. Auch bei der digitalen Bildung gebe es bisher keine Einigung zwischen dem Land und den Kommunen, wie die Gelder zur Verfügung gestellt werden. Hier könne man nicht noch mal zwei Jahre warten, bis die Gelder vom Bund da seien. “Das Land hat auch bei den Flüchtlingen von uns verlangt, dass wir hier in Vorleistung gehen, bis die Gelder da sind. Das Gleiche erwarten wir hier auch vom Land”, so Schreier. Diskutierten durchaus kontrovers über die Digitalisierung in Baden-Württemberg (v.l.n.r.): Dr. Christine Brockmann, Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, Ralf Schneider, ISB AG, Prof. Dr. Ralf Daum, Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim, Stefan Krebs, CIO des Landes Baden-Württemberg, Dorothea Störr-Ritter, Landkreis BreisgauHochschwarzwald, und Marian Schreier, Bürgermeister der Stadt Tengen. Moderiert wurde die Runde von Guido Gehrt, Leiter der Bonner Redaktion des Behörden Spiegel (rechts). Foto: BS/Dombrowsky

beim E-Government mit Bund und Ländern gemeinsam in einem Boot säßen, da bei der E-Government-Gesetzgebung auch die Umsetzung mitgedacht werden müsse. “Wir wollen hier mitsprechen dürfen”, betonte Störr-Ritter. Auch in der Metropolregion Rhein-Neckar habe man die Erfahrung gemacht, dass man nur gemeinsam vorankomme, wenn man sich dem Wettbewerb der Regionen stellen wolle. “Nur bei ebenenübergreifender Zusammenarbeit können wir Synergien erzielen”, betonte Dr. Christine Brockmann, Geschäftsführerin der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH. Doch das sei nicht immer einfach, schon gar nicht,

Bürokratie bremst Breitbandausbau Um die Wirtschaft auch hinreichend in die Digitalisierung

einzubinden, sieht Ralf Schneider, Vorstand der ISB AG, die Landesregierung stärker in der Pflicht. ”Die Rahmenbedingungen müssen stimmen”, forderte der Unternehmer. So werde viel Geld für den Breitbandausbau ausgegeben, doch noch in viel zu vielen Orten gebe es nach wie vor kein Internet. Der Landes-CIO Stefan Krebs erinnerte daran, dass das Land hier bereits viele Förderprojekte habe, es aber einen liberalisierten Markt bei der Breitbandversorgung gebe. “Wir agieren nur bei Marktversagen, sonst greifen wir nicht ein”, machte Krebs deutlich. Diese Argumentation wollte der Kommunalvertreter Schreier nicht so stehen lassen. “In der Praxis

Auch für das autonome Fahren müssten, so Schneider, “wesentliche Impulse” vom Land kommen. Es dürfe nicht mit der Gießkanne Geld in jede Kommune fließen, wichtiger sei es, Leuchtturmprojekte zu fördern. Anders sieht das Dr. Brockmann. Sie wünscht sich einen Mittelweg zwischen der Gießkanne und den Leuchtturmprojekten: “Man kann nicht den Rest des Landes im digitalen Dauerschlaf lassen. Die Digitalisierung muss auch in die Fläche kommen. Da helfen Leuchtturmprojekte nicht weiter. Ihnen fehlt der Vernetzungscarackter, um die Dinge in die Breite zu bringen.” Man brauche in Baden-Württemberg mehr institutionelle Vorkehrungen, die ein ressortübergreifendes Zusammenarbeiten einfacher machten. “Anstatt dass jeder seinen eigenen Leuchtturm hat,

Zukunftsstadt Ulm

D

ie Münsterstadt setzt bei der Entwicklung ihrer digitalen Agenda deshalb auf einen “Bottom-up-Ansatz”. “Der Wandel erfolgt mit den Akteuren, die dieser auch betrifft”, erklärt Czisch. Beteiligt werden also nicht nur politische Vertreter und Verwaltungsmitarbeiter der Stadt Ulm, sondern auch “dritte Akteure” aus der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, dem Handel, der Wissenschaft, der Bildung und den Medien. Eine eigens in der Verwaltung eingerichtete Geschäftsstelle “Digitale Agenda” ist für die Ausarbeitung der Digitalen Agenda als Masterplan zuständig. Sie fungiert zudem als Schnittstelle zu politischen Gremien und ist für die Einbindung verschiedener Interessenträger, die Projektkoordination und -kooperationen, die Projektsteuerung sowie die Durchführung von Fokusprojekten, die Kommunikation zu “digitalen Aktivitäten”, den kommunalen Erfahrungsaustausch sowie für das Vordenken prototypischer Lösungen zuständig. “Wir haben hier in den letzten Jahren viel experimentiert”, so Czisch. Bei Baustellen habe man beispielweise im Vorfeld einen Bürgerdialog mit den Betroffenen geführt. “Wir haben gemerkt, dass dieser Ansatz

wenn man sektorenübergreifend arbeiten müsse. Auch die Wissenschaft arbeitet mit, am digitalen Wandel der Verwaltung. So gibt es hierfür einen speziellen Studiengang an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim, berichtet Prof. Dr. Ralf Daum, Studiengangsleiter BWL – Öffentliche Wirtschaft an der Hochschule. Gemeinsam mit Partnern aus der Praxis hat die Hochschule in Mannheim auch schon einen E-GovernmentPreis gewonnen.

Leuchtturm nur eine Insellösung?

Innovationen und Digitalisierung in der Verwaltung (BS/lkm) Die Münsterstadt Ulm soll eine digitale Vorzeigestadt werden. Viele Projekte und Initiativen wurden deshalb in den letzten Jahren und Monaten dazu auf den Weg gebracht. Bei der Stadtentwicklung hin zur “Zukunftsstadt 2030” will man in Ulm möglichst viele Akteure ins Boot holen. “Wir haben einen integrativen Stadtentwicklungsansatz gewählt, um die Stadtentwicklung attraktiver zu machen”, berichtet Gunter Czisch, Oberbürgermeister der Stadt Ulm. sehr nutzstiftend ist. Es gibt hier kaum Klageverfahren”, resümiert das Stadtoberhaupt.

fenes Ratsinformationssystem, das ebenfalls den Bürgern der Münsterstadt zur Verfügung steht. Dies habe der Stadt geholfen, so Czisch, eine Transparenz- und Fehlerkultur zu etablieren.

Authentische Lösungen statt spielerischer Apps Die Digitalisierung eröffne der Verwaltung viele neue Möglichkeiten. Sie sei aber kein Selbstzweck. Man müsse authentische Lösungen finden und nicht nur spielerisch mit der Digitalisierung umgehen, betonte Czisch. Statt spielerischer Apps wolle man in Ulm vielmehr hin zu einem integrierten Stadtentwicklungsansatz. Als Beispiel nannte Czisch hier das autonome Fahren. Die Universität Ulm und das Institut für Verkehrssystemtechnik des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt (DLR) testen daher in einem Proberaum der Ulmer Innenstadt automatisierte Fahrzeuge. Weitere Projekte, bei denen man sich in Ulm die Digitalisierung zunutze macht, sind das “digitale ehrenamt”, die Öffnung

Der Traum vom Fliegen

“Wer etwas verhindern will, findet Gründe, wer etwas bewegen will, findet Lösungen”, machte Gunter Czisch, Oberbürgermeister der Stadt Ulm, deutlich. Foto: BS/Dombrowsky

der Verwaltung mit daten.ulm. de, die Nutzung öffentlicher Daten durch beispielsweise “baby benamsen”. Hier werden zukünftigen Eltern, die noch unentschlossen sind, in einer App die beliebtesten Vornamen von Jungen und Mädchen aus verschiedenen Städten Deutsch-

lands per Zufallsgenerator vorgeschlagen. Mit dabei sind alle Vornamen, die in Ulm registriert sind. Ulm macht auch mit bei offenerhaushalt.de. Mit “openantrag” können Ulms Bürger Anfragen und Anträge an die Ulmer Stadtverwaltung stellen. “politik bei uns” ist ein of-

Ein weiteres Beispiel sei der Flugsimulator “Birdly”, mit dem jeder Albrecht Berblingers Traum vom Fliegen virtuell über den Dächern Ulms verwirklichen kann. Zudem gibt es in Ulm mit dem “Verschwörhaus” einen Treffpunkt für kreative digitale Köpfe. Laut Czisch ein Leuchtturmprojekt für netzkulturelle Programme und Diskurse, mit großer Außenwirkung. “Das ist ein Standortvorteil, der bei den Fachkräften Aufmerksamkeit weckt”, zeigte sich das Ulmer Stadtoberhaupt überzeugt. Hier könne man einfach mal machen, da das “Verschwörhaus” Raum für Experimente und neue Ideen gebe. Die Unternehmensinitiative

muss an einem Strang gezogen werden”, forderte Brockmann.

Zu “uncool” für Fachkräfte? Schneider kritisierte zudem, dass es dem Land zu wenig gelinge, Fachkräfte zu gewinnen. “Die wollen alle nach Berlin. Hier muss das Standtort-Marketing besser werden und nicht nur auf Tourismus und Tradition zielen”, forderte der Manager. Denn gute Jobs seien genug vorhanden, nur würden die meisten Berlin für cooler halten und deswegen dorthin gehen. Hier gab Krebs dem Unternehmensvertreter Recht, man müsse mehr tun, um junge Menschen anzuziehen. Laut Daum würden junge Fachkräfte Berlin aber nicht wegen der Nachtclubs vorziehen. “Sie stoßen hier in der Regel auf Strukturen, in die sie nicht reinpassen und Formate, in die sie sich nicht einbringen können”, so der Hochschullehrer. Auch Jürgen Fritsche von msg systems sieht in der Struktur der Verwaltung einen Hinderungsgrund für frischen Wind und neue Ideen. “Die Verwaltung ist darauf ausgelegt, null Prozent Fehler zu machen. Das führt aber dazu, dass es keinen Raum für Kreativität mehr gibt.” “Wir sind hier alle noch nicht mutig genug”, konstatierte auch Brockmann. Man sei sich noch nicht darüber bewusst, was vernetzte Verwaltung überhaupt bedeute. Man sollte darüber nachdenken, den einen oder anderen Verwaltungsvorgang ganz anders umzukrempeln oder ihn gar nicht mehr so anzubieten. “Wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen”. Während in Start-ups Venture Capital zu Verfügung stehe, das auch mal “verbrannt” werden könne, sei es in der Verwaltung absolut unvorstellbar, dass man so etwas genehmigen würde. “Von einer Kultur des Scheiterns sind wir noch meilenweit entfernt”, so Brockmann.

“initiative.ulm.digital e.V.”, ist ein weiteres Vorzeigeprojekt, das Ulm ein Stück näher an die “Zukunftsstadt 2030” bringen soll. Sie wurde Ende letzten Jahres gegründet. Die Initiative war Maßgeblich an der Schaffung einer sicheren regionalen Verbindung für das Internet der Dinge unter dem Namen LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) für alle Bürger und Unternehmern beteiligt. Mit LoRaWan ist Ulm eine der ersten Städte, die ein flächendeckendes offenes Funknetzwerk für das Internet der Dinge anbietet, in dem jeder seine Ideen ausprobieren kann. Die Technik ist darauf ausgelegt, vor allem sehr kleine Datenmengen zu verschicken und ist somit vor allem für die Sensorik interessant. Die potentziellen Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: von Parkplatzsensoren, Flutsensoren, Füllstandsensoren für Automaten, Ablesen von Zählerständen, Feinstaubmessgeräten an Straßen, Staumeldungen in Echtzeit bis zur Wassertemperatur in Badeseen und vielem mehr. Der Kreativität seien hier keine Grenzen gesetzt. LoRaWAN wurde Anfange des Jahres in der Ulmer Innenstadt installiert. Man sei nun gespannt, wie die Ulmer das Netzwerk annehmen und sich zunutze machen.


Baden-Württemberg 4.0

Behörden Spiegel / August 2017

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Bereitschaft zur “Holzklasse”

Smart City

Fehler zulassen und schneller lernen

Vielfältige Impulse zur kommunalen Vernetzung

(BS/lkm) “Weil die Welt nicht auf uns wartet, sind neue Methoden gefragt”, mahnte Ralf Schneider, Vorstand der ISB AG, auf dem Kongress “Baden-Württemberg 4.0”. Er gab in Düsseldorf zusammen mit seinem Kollegen Steffen Herold Einblicke in gewonnene Erkenntnisse aus der langjährigen Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt. Die ISB AG, ein IT-Dienstleiter mit Hauptsitz in Karlsruhe, erstellte für das Auswärtige Amt (AA) eine übergreifende Plattform für alle Auslandsvertretungen. Das Auswärtige Amt brauchte für seine über 220 Auslandsvertretungen eine Portal-Lösung, die weltweit lauffähig ist. Dabei stehen die Rechts- und Konsulardienste im Rahmen des RK-Portals im Vordergrund. Die einzelnen Bestandteile des RK-Portals beinhalten unter anderem Anwendungen zur Beantragung und Ausstellung von Pässen und vorläufigen Dokumenten für deutsche Staatsangehörige im Ausland oder auch für die Bearbeitung von Visumanträgen an den Botschaften und Generalkonsulaten. Um schnell und flexibel reagieren und arbeiten zu können, hat das AA eigens ein Digital Lab für IT-Entwicklungen. “Hier gehen Systeme bereits in der Version 0.9 live”, so Schneider. “Hier können Fehler gemacht werden.” Entwickler und IT-Anbieter müsten heutzutage mehr Mut zur “Holzklasse” und zum Machen haben. Entwicklungen sollten nicht erst auf den Markt gebracht werden, wenn sie per-

(BS/Prof. Dr. Jörn von Lucke*) Über Städte als Treiber und Reallabore digitaler Innovationen wurde im Fachforum “Smart City” diskutiert. Der Autor sprach sich für Smart Government aus, die Nutzung des Internets der Dinge und der Dienste im städtischen Raum. Bis 2030 erwartet er in den Kommunen aber auch die Umsetzung von E-Government, Open Government und Open Data. Dafür benötigt es überzeugende Leitbilder, Offenheit, Erprobungsräume, Skalierbarkeit, ein Netzwerk smarter Städte mit der Wissenschaft sowie Haushaltsmittel Portal für syrische Familien und Personal.

“Haben Sie Mut, Entwicklungen schnell einzuführen”, riet Ralf Schneider, Vorstand der ISB AG, dem Fachpublikum auf dem Kongress “Baden-Württemberg 4.0”. Foto: BS/Dombrowsky

fekt seien, rät der Wirtschaftsingenieur. Aufgrund der Flüchtlingsströme waren die deutschen Botschaften in vielen Ländern überlastet. Das Auswärtige Amt musste schnell reagieren und hat in Zusammenarbeit mit der ISB AG ein Famliy-Reunion-

erarbeitet. Die ISB AG hatte dafür wenig Zeit. Anstatt 100 Tage, um von der Idee bis zum vollständigen Funktionstest zu kommen, standen dem Unternehmen nur zehn Tage für die weltweite Einsatzbereitschaft zur Verfügung. Zielvorgabe war hier primär die Krisenfähigkeit. Trotz der knappen Zeit waren alle Beteiligten sehr zufrieden mit dem Ergebnis. 2016 gewann das AA mit dem Projekt beim 15. E-Government-Wettbewerb sogar den 2. Platz für das beste Digitalisierungsprojekt. “Softwareentwicklung darf nicht mehr nach dem alten Credo, dass sie erst fertig ist, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, angegangen werden. Eine Software ist dann fertig, wenn man nichts mehr weglassen kann”, so Schneider. “Die User werden es Ihnen danken, wenn sie sich sofort zurechtfinden.” Später sein dann immer noch Erweiterungen im Rahmen von Releases möglich. Statt “hätte” und “könnte” soll man “einfach machen” und keine Angst davor haben, Verfahrensfehler zu begehen, betonte der Wirtschaftsingenieur.

Breitbandausbau

Dr. Sami Rabieh von der Stabsstelle für Digitalisierung der Landesregierung stellte erstmals den Rahmen der Förderlinie Zukunftskommune@bw vor, die im August 2017 ausgeschrieben wird. So sollen digitale Leuchttürme gestärkt und Netzwerke aufgebaut werden. Kommunen können Mittel zur Erarbeitung eigener E-Government-Strategien erhalten. Christian Geiger berichtete aus der Zukunftsstadt Ulm, wo die Stadt ein Umfeld für Industrie 4.0 und Start-Ups schafft. Digitale Thementreiber wie die Initiative.Ulm.Digital und das Verschwörhaus bringen so vielfältigste digitale Innovationen in die Stadt und die Stadtgesellschaft. Ulm profitiert von Offenheit und Zusammenarbeit mit Bürgern, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Marco Brunzel unterstrich für die Metropolregion RheinNeckar, wie wichtig Erprobungsräume für die digitale Transformation sind. Dort gelte es, 150 Kommunen in 15 Stadt- und Landkreisen mitzunehmen. Hierzu bedürfe es institutioneller Strukturen für eine Zusammenarbeit, die ausreichend Raum für innovativen Anspruch, Haltung, Mut und eine gelebte Beta-Kultur biete.

Lauschten dem Vortrag von Dr. Sami Rabieh von der Stabsstelle für Digitalisierung: (von links) Nicole Huber, Stadt Heidelberg, Dr. Nicolas Sonder, KPMG, Marco Brunzel, Metropolregion Rhein-Neckar, Christian Geiger, Stadt Ulm, und Moderator Prof. Dr. Jörn von Lucke, Zeppelin Universität Friedrichshafen. Foto: BS/Dombrowsky

Dr. Nicolas Sonder betonte für KPMG die Bedeutung von Wettbewerben als Treiber für Smart Cities, denn sie motivierten Städte zur Auseinandersetzung mit Digitalisierung, zu einer Vertiefung und zu einer Bewerbung. Zwar hinterließen sie Sieger und Verlierer. Zugleich schafften sie aber auch den nötigen Druck, sich mit der eigenen digitalen Zukunft auseinanderzusetzen. Zwar wurde die Stadt Heidelberg von der BITKOM nicht zur “Digitalen Stadt” gekürt. Dennoch überzeugten Nicole Huber und ihr Team den Heidelberger Gemeinderat im Juni 2017, die

zahlreich erarbeiteten Konzepte der Stadt mit lokalen und internationalen Partnern über eine neu gegründete Digitalagentur umzusetzen. Die Fragen des Publikums unterstrichen, wie wichtig Technik, Strategie und Change Management für smarte Städte sind. Für nachhaltige smarte Städte müssen Verwaltung und Politik, Wirtschaft und ITDienstleister sowie die Bürger gewonnen und eingebunden werden. *Prof. Dr. Jörn von Lucke lehrt an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.

Kosten und fehlendes Personal verzögern Flächendeckung (BS/lkm) In einem Fachforum wurden die Probleme beim Breitbandausbau erörtert. “Die Frage, die sich hier stellt, ist nicht mehr das Ob, sondern das Wann”, betonte Stephan Wirsing, Berater bei SBR-net Consulting AG. Einer aktuellen Studie des wirtschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (wik) zufolge, werden bis 2025 circa 75 Prozent der Haushalte 500 Mbit/s nachfragen. “Der Bund will bis 2018 flächendeckend 50 Mbit/s anbieten. Auch Baden-Württemberg will hier eine flächendeckende Versorgung schaffen, hat aber noch kein Zieljahr vorgesehen”, erklärte Dr. Michael Zügel, Referatsleiter für Breitband im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration in Baden-Württemberg. Probleme beim Breitbandausbau sieht Zügel vor allem In ländlichen Regionen: “Hügel und Felsbrocken in der Erde machen den Ausbau hier teuer. Hinzu kommen schwierige Siedlungsstrukturen, die Häuser stehen hier nicht wie in der Stadt fein säuberlich und eng nebeneinander”. Die öffentliche Hand sei hier aber nicht allein für den Breibandausbau verantwortlich. “Die EU sieht vor, dass auch Private die Netze ausbauen”, erklärte Zügel. 80 Prozent des Breibandausbaus sollten von der Privatwirtschaft und 20 Prozent von der öffentlichen Hand getragen werden. Ähnlich sieht das auch Werner Riek, Technischer Leiter von fibernet rn, dem Zweckverband HighSpeed-Netz-Rhein-Neckar. Die Privatwirtschaft mache immerhin auch den Großteil der Gewinne. “Unser Zweckverband trägt 20 Prozent der Kosten, hat aber nur zwei Prozent der Kunden”, betonte Riek. Doch nicht nur die Kosten für den Breibandausbau seien ein Problem. “Aktuell können wir unsere Zeitpläne nicht durchsetzen, da wir Kapazitätsengpässe bei den Ingenieuren und im Tiefbau haben”, so Riek. Einen flächendeckenden Breitbandausbau bis 2025 hält der Ingenieur daher für unrealistisch. Neben der Finanzierung und Kapazitätsengpässen zeigte sich im Laufe der Diskussion ein weiteres Problem in der Praxis. So verlegen Kommunen, wenn

JETZT VORMERKEN! Der nächste Kongress “Baden-Württemberg 4.0” findet im Juli 2018 in Stuttgart statt. Weitere Informationen zur kommenden Veranstaltung finden Sie in Kürze im Behörden Spiegel und auf der Kongress-Homepage unter www.bw-4-0.de .

Interaktiver Haushalt Prozessoptimierung in der Finanzverwaltung (BS/lkm) Immer mehr Kommunen haben einen interaktiven Haushalt. Auch die Stadtverwaltung in Speyer hat ihren Haushalt digitalisiert. Die Stadtratsmitglieder testen dort aktuell das neue System. “Engagierte Stadtratsmitglieder geben hier viele Kommentare”; berichtet Bianka Lübge von der Abteilung Finanzen der Stadtverwaltung Speyer.

Diskutierten über Probleme beim Breitbandausbau in der Fläche (v.l.n.r.): Werner Riek, fibernet rn, Zweckverband High-Speed-Netz-Rhein-Neckar, Stephan Wirsing, SBR-net Consulting AG, Dr. Michael Zügel, Innenministerium Baden-Württemberg, Dr. Felix Siebler, Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek, und Dr. Henrik Bremer, Sozietät Wirtschaftsrat Recht. Foto: BS/Dombrowsky

sie eine Straße für Wasserrohre öffnen, oft nicht direkt Leerrohre für den Breitbandausbau mit. “Solche Chancen dürfen nicht ungenutzt bleiben. Hier ist es gut, bereits im Vorfeld einen Masterplan zu haben und ein System zu installieren, dass automatisch darüber informiert, wo gerade Straßen geöffnet werden”, so Wirsing. Das DigiNetzGesetz verpflichte Kommunen eigentlich dazu. Problematisch sei aber die konkrete Ausgestaltung, berichten Kommunalvertreter. Im Zweifelsfall werde das Loch ohne die Leerrohre für Glasfaserkabel wieder zugemacht. Die Kommunalvertreter appellierten an die Politik, den Kommunen hier konkretere Vorgaben zu machen. Der Rechtsanwalt Dr. Felix Siebler von der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek machte darauf aufmerksam, dass in den meisten Gemeindeordnungen der Breitbandausbau keine öffentliche Aufgabe sei. Kommunen, die hier aktiv werden wollten, können dies nur,

wenn ein Marktversagen vorliege. Sollte ein solches vorliegen, legt Siebler den Kommunen das Betreibermodell für den Netzausbau ans Herz. Mit der richtigen Breitbandinfrastruktur eröffneten sich nicht nur für Bürger und Unternehmen viele Vorteile, sondern auch für die Kommune selbst. Dr. Henrik Bremer von der Kanzlei Wirtschaftsrat Recht wies auf die vielen Möglichkeiten hin, die sich einer Kommune mit einer gut ausgebauten Breitbandinfrastruktur hin zur Smart City eröffneten. “Nutzer öffentlicher WLAN-Netze im ÖPNV überlassen ihre anonymisierten Handy-Bewegungsdaten zur Messung der Streckenauslastung; Sensoren auf Parkplätzen und Straßen liefern Verkehrsdaten an einen Cloudspeicher, wo sie ausgewertet und dem Straßenbau zugrunde gelegt werden; Smart Meter erfassen in Echtzeit den Stromverbrauch und erlauben es, die Erzeugungskapazitäten präzise darauf abzustimmen”, so Bremer.

Mit der Einführung des interaktiven Haushaltes wolle man in Speyer vor allem das Verständnis für den Haushalt an sich erleichtern. Noch ersetzt er nicht den Haushalt in seiner analogen Form. “Nach wie vor drucken wir für alle 44 Stadtratsmitglieder einen dicken Ordner aus. Das wird sich in Zukunft hoffentlich ändern”, so Lübge. “In Ludwigsburg wird der Haushalt hingegen gar nicht mehr ausgedruckt, außer einmalig für die pflichtgemäße Archivierung”, berichtete Kai Petersen, Geschäftsführer der IKVS GmbH, die bereits in vielen Kommunen einen interaktiven Haushalt implementiert hat. Ideal seien interaktive Haushalte vor allem für Politiker und Mandatsträger, die ein Tablet benutzten, so Petersen weiter. Mit dem interaktiven Haushalt können die Kommunen ihren Haushalt im Internet leicht verständlich darstellen. Über alle Hierarchiebenen hinweg werden die Haushaltsdaten grafisch und visuell aufbereitet. Der Betrachter erhält die wesentlichsten Informationen immer auf einen Blick und kann bei Bedarf durch Mausklick in die Details (z. B. Entwicklung der Einzelkonten) einsteigen. Mit individuellen textlichen Beschreibungen sowie Kennzahlen kann der interaktive Haushalt zu einem zentralen Steuerungsinstrument der Kommunalverwaltung werden.

Zeigten Praxisbeispiele aus der Prozessoptimierung in der Finanzverwaltung und der Haushaltsaufstellung (v.l.n.r.): Kai Petersen, IKVS GmbH, Bianka Lübge, Stadtverwaltung Speyer, und Christopher Linke, Axians Infoma GmbH Foto: BS/Dombrowsky

Bei der Einführung des interaktiven Haushalts sei es wichtig, die Politiker nur stückchenweise zu füttern, so Lübge. Sie rät: “Führen Sie jedes Jahr nur eine neue Kennzahl ein.”

E-Portal für alle Fachbereiche Ein weiteres System zur Prozessoptimierung in der Finanzverwaltung, das ePortal, stellte Christopher Linke, Senior Projektleiter Innovation und Individuallösungen der Axians Infoma GmbH, vor. Die PortalUmgebung biete Services für Anwender aus allen Fachämtern, die zwar nicht im ERP-System arbeiteten, aber dennoch die digitalen Verwaltungsprozesse nutzen sollen. Das Infoma ePortal bilde diese Prozesse digital ab und ersetze so papier- oder Excel/Word-basierte interne Abläufe. Eine vorkonfigurierte Web-Oberfläche ermögliche

dem Nutzer, die Prozessschritte einfach und effizient durchzuführen, z. B. für die Genehmigung von Anträgen, Erstellung von Gebührenbescheiden oder die Klärung nicht zugeordneter Zahlungseingänge. Dabei könnten sich alle dezentral arbeitenden Anwender aus Kindergärten, Schulen und anderen Einrichtungen mit Zugriff aufs Internet am Prozess beteiligen. Bürger könnten zudem ihre Gebührenrechnungen online bezahlen. Hierzu werde vom System auf dem Rechnungsformular eine URL sowie eine zugehörige TAN generiert. Die URL leite den Bürger auf eine Website, auf der sich der Bürger mit der TAN einloggen kann. Dort könne er dann die Rechnung online begleichen. Ein QR-Code auf der Rechnung erleichtere dem Bürger zusätzlich das Auffinden der entsprechenden Internetseite.


Baden-Württemberg 4.0

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Behörden Spiegel / August 2017

Alexa, beantrage Kindergeld

Kernstück der Digitalisierung

Geänderte Erwartungen der Anwender

Einführung der E-Akte bei Land und Kommunen

(BS/Dr. Andreas Zamperoni*) Diesen Anwendungsfall skizzierte Jürgen Fritsche, verantwortlich für die Branche Public Sector bei der msg systems ag, bei seinem Plenumsvortrag auf dem Kongress. Der plakative Vortragstitel diente als Metapher für die sich schon geänderte Erwartung von Anwendern an moderne User-Interfaces – und nicht als Werbung für das Amazon-Produkt.

(BS/gg) Die Einführung der elektronischen Aktenführung (E-Akte) ist derzeit fast überall in der öffentlichen Verwaltung eines der zentralen Digitalisierungsprojekte. So auch in Baden-Württemberg. Bis 2022 sollen, so sieht es das E-Government-Gesetz des Landes vor, die rund 57.000 Arbeitsplätze in den Landesbehörden auf die E-Akte umgestellt haben.

Für Anträge einen Behördengang auf sich zu nehmen, sollte seiner Meinung nach bald der Vergangenheit angehören. Ebenso wie das vermeintlich bequeme Online-Ausfüllen, dem sich in der Regel ein Ausdrucken, eine manuelle Unterschrift und der Postversand anschließen. “Die Kundenperspektive ist entscheidend, auch in der öffentlichen Verwaltung!”: Seine erste These zwingt auch die Behörden zum Einsatz von Technologien, die im Privaten und in der Industrie schon längst zum Standard werden – wie eben das titelgebende Conversational Interface Alexa. Damit hinter dem Conversational Interface der gesamte Antragsvorgang reibungslos, sicher und mit möglichst wenig zusätzlichem Bearbeitungsaufwand ablaufen kann, “sind die wahren Killerapplikationen für die öffentliche Verwaltung die gemeinsamen Datenplattformen”. Dass dabei “Föderalismus und Ressortprinzip die digitale Transformation in der öffentlichen Verwaltung hemmen”, sind zwei weitere provozierende Thesen seines Vortrags.

Praktische Anwendungsmöglichkeiten Wie diese Thesen in der öffentlichen Verwaltung umgesetzt werden könnten oder teilweise schon umgesetzt sind, wurde im Anschluss an das Plenum in einem Fachforum anhand von Beispielen diskutiert. So gab Richard Hudson, msg systems ag, einen kritischen Überblick

Für Jürgen Fritsche, Leiter der Branche Public Sector bei der msg systems ag, ist die Kundenperspektive im E-Government entscheidend. Foto: BS/Dombrowsky

über die (begrenzten) Einsatzmöglichkeiten von Blockchains in der öffentlichen Verwaltung und Prof. Martin Przewloka präsentierte mit “msg myData” ein Framework zum sicheren Aufbau einer Datenplattform, bei dem Datenerzeuger und Datennutzer streng voneinander getrennt sind und der Dateneigentümer den Zugriff auf seine Daten selbst steuert. Als eindrücklichen Abschluss stellte Thomas Tursics mit “Wie kaputt ist Deine Schule?” den Einsatz von Open Data für mehr Transparenz in der Schulverwaltung Berlins vor. *Dr. Andreas Zamperoni ist als Projektmanager für die msg systems ag im Bereich Public Sector tätig.

Zeigten die Bedeutung der E-Akte für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung auf: Günter Steger, PDVSysteme, Martin Brandt, Angela Brunnhuber, beide Landratsamt Ostalbkreis, Dorothea Störr-Ritter, Landrätin Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, Dr. Daniela Oellers, Leiterin Stabsstelle E-Akte, Moderatorin Prof. Dr. Birgit Schenk, Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg, sowie am Rednerpult: Stefan Rauner, Governikus KG. Foto: BS/Dombrowsky

Dorothea Störr-Ritter, Landrätin des Landkreises BreisgauHochschwarzwald und Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates (NKR). Ihr Landratsamt hat für die Einführung eine eigene Strategie aufgesetzt, welche die E-Akte bis 2022 flächendeckend in der Kreisverwaltung implementieren soll.

Interoperabilität zwischen Land und Kommunen “Die Digitalisierung der Verwaltung muss mit der E-Akte beginnen. Sie ist das zentrale Kernstück, um Bürgerservices medienbruchfrei anbieten und bearbeiten zu können.” Wichtig sei, dass die E-Akte-Lösungen des Landes und der Kommunen interoperabel seien. Vor diesem Hintergrund forderte Störr-Ritter einen Digitalisierungspakt zwischen dem Land und den Kommunen. Der ländliche Raum dürfe nicht abgehängt werden und müsse hierbei ggf. auch

finanziell durch das Land unterstützt werden. Eine “Baustelle” ist für das NKR-Mitglied das Thema Schriftformerfordernis, welches dringend gelöst werden müsse. Hier sei die Politik in der Verantwortung, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Mit Blick auf das Thema Datenschutz resp. die im Mai 2018 anstehende Umsetzung der Europäischen DatenschutzGrundverordnung berichtete Störr-Ritter, dass man derzeit in Kooperation mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik an einem Leitfaden für Kommunen arbeite.

Papierloses Landratsamt Ostalbkreis Wie die digitale Arbeitswelt in der Verwaltung des Ostalbkreises heute und zukünftig aussehen soll, zeigten Angela Brunnhuber und Martin Brandt aus dem Geschäftsbereich Personal und Organisation. Die Kreisver-

Nutzungserlebnis gesucht

“D

ie Bürger suchen Nutzungserlebnisse”, brachte es Stephan Jaud, Leiter des E-Government-Referats im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration BadenWürttemberg, auf den Punkt. Es gebe heute bereits eine Vielzahl guter E-Government-Angebote in Baden-Württemberg – beim Land und bei den Kommunen. Im kommunalen Bereich seien dies aber oftmals Insellösungen von Kommunen, die es sich leisten könnten, in dieses Thema zu investieren. Für kleinere Kommunen rechne sich ein derartiges Engagement oftmals nicht. Umso wichtiger sei es, in eine gemeinsame Infrastruktur – service-bw – zu investieren, um die Inhalte und Dienste auf einer gemeinsamen Plattform teilen zu können. Dadurch würde man einen “Marketplace” der öffentlichen Hand schaffen, der allen Nutzern zur Verfügung stünde und der auf dem jeweiligen kommunalen Portal eingebunden werden könnte.

Für die Einführung hat das Land seit April eine eigene Stabsstelle E-Akte eingerichtet, die mit elf bewilligten Stellen und einem eigenen Budget den Einführungsprozess in der Landesverwaltung vorantreiben und die Dienststellen während des Umstiegs unterstützen soll. Dr. Daniela Oellers, Leiterin der Stabsstelle “Projekt Landeseinheitliche E-Akte”, sieht durch die Einführung große Chancen zur Prozessoptimierung, Standardisierung und Vereinfachung und so letztlich für Zeit- und Ressourcenersparnis, doch “in trockenen Tüchern” sei das Projekt derzeit noch nicht. So gebe es etwa mit Blick auf die Prozessoptimierung, die in den Häusern vor der E-AkteEinführung erfolgen müsse, durchaus Widerstand aus den Ressorts. Um die Potenziale der E-Akte richtig nutzen zu können und dem Bürger letztendlich verbesserte und beschleunigte Dienstleistungen anbieten zu können, müsse man die Prozesse zunächst optimieren, bevor man die E-Akte einführe. Die fehlende Akzeptanz der Mitarbeiter sei ohnehin eine der großen Herausforderungen für die Umsetzung, ebenso wie etwa der straffe Zeitplan und die fehlenden Personalressourcen für die dezentrale Umsetzung. Gerade angesichts der Hürden, die bis zur erfolgreichen, flächendeckenden Einführung in BadenWürttemberg noch zu nehmen seien, appellierte Oellers an die Beteiligten, sich engagiert in diesen Prozess einzubringen: “Die E-Akte wird kommen – starten wir durch!” Zu den Engagierten bei diesem Thema gehört zweifellos auch

E-Government vom Anwender her gestalten (BS/gg) Wie sollten attraktive Online-Services für Bürger und Unternehmen gestaltet sein? Dieser Fragestellung ging ein Fachforum unter der Moderation von Prof. Dr. Antje Dietrich von der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl nach. Hier wurde deutlich, dass jedes erfolgreiche EGovernment-Angebot den Nutzer ins Zentrum der strategischen Überlegungen stellen muss. Service-bw ist als gemeinsame E-Government-Infrastruktur von Land und Kommunen auch im 2016 in Kraft getretenen E-Government-Gesetz BadenWürttemberg verankert. Für die sichere Identifizierung können die Anwender das Servicekonto BW nutzen, das als wesentliche Kernkomponente der gemeinsamen Infrastruktur bis zum Jahresende auch für Organisationen zur Verfügung stehen soll. Das Servicekonto kann nicht nur für die sichere Kommunikation mit den Behörden genutzt werden, sondern auch als Dokumentensafe, um es für die Bürger noch attraktiver zu machen. Der Ortenaukreis hat als “Modellkommune E-Government”

Stephan Jaud, Referatsleiter E-Government im Innenministerium, unterstrich die Bedeutung von Kooperation für ein erfolgreiches E-Government. Foto: BS/Dombrowsky

nicht nur zahlreiche Erfahrungen gesammelt, die zusammen mit den Erfahrungen der an-

deren sieben Modellkommunen u. a. auch in einem gemeinsamen “Kochbuch” für kommu-

nale Praktiker verarbeitet wurden, sondern engagiert sich auch weiterhin sehr stark in der Schaffung digitaler Bürgerservices. “Der Kunde erwartet einfach, unkomplizierte OnlineServices”, erklärte Olaf Neumann, Leiter des Amts “Zentrale Organisation” im Landratsamt Ortenaukreis. Der Kreis arbeite in Kooperation mit dem Land an einem Projekt zur OnlineBeantragung eines Führerscheines, welches kurz vor der Fertigstellung stehe, in Kürze in Fahrschulen in die Testphase gehen solle, um danach online zu gehen. Wie die (nicht mehr allzu ferne) Zukunft der Behördenkommunikation der Bürger und Unternehmen aussehen könnte, zeigte

waltung des Ostalbkreises will 2021 ein neues Landratsamt beziehen – ohne Papier bzw. papierbasierte Verfahren. Entsprechend hat man eine Digitalisierungsstrategie aufgesetzt, die u. a. auch die Einführung der Elektronischen Akte bis zum Jahre 2020 vorsieht. Ein entsprechender Masterplan steht und befindet sich auch bereits schon in der Umsetzung. Im Ostalbkreis setzt man dabei auf “enaoi”, eine Anwendung der Firma Optimal Systems. Dass es in diesem Umfeld auch noch weitere leistungsfähige Angebote gibt, zeigten die Vorträge von Stefan Rauner vom Bremer Unternehmen Governikus KG, der das gleichnamige Produkt, eine Anwendung des IT-Planungsrates, vorstellte. Die “VIS-Suite”, eine Lösung der Erfurter PDV-Systeme GmbH, präsentierte Günter Steger für sein Unternehmen.

Dr. Birte Lönneker-Rodman von der ISB AG, die den Teilnehmern anhand von existierenden Chatbot-Angeboten verdeutlichte, was dieses Instrument leisten kann und wie es insbesondere dazu dienen kann, einerseits die Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung von Routinearbeiten zu entlasten und andererseits von den Fragestellern, den Bürgern, zu lernen sowie diese und deren Anliegen besser kennenzulernen. Einen Blick über den nationalen Tellerrand warf Jan Tiessen von der Prognos AG, der zeigte, wie andere föderale Staaten mit dem Thema der Digitalisierung der Verwaltung umgehen und wie sie sich organisatorisch aufgestellt haben. Die Prognos AG und der Behörden Spiegel haben diese und weitere Erkenntnisse zum Thema Digitaler Föderalismus im Trendreport Digitaler Staat 2017 veröffentlicht, der unter www.digitaler-staat.org kostenfrei zum Download zur Verfügung steht.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / August 2017

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Auf hohem Niveau gemeinsam lernen 17. Führungskräfteforum “Innovatives Management” in Lübeck

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

(BS) Wie lassen sich Technologien, Daten und Mitarbeiter – die wesentlichen Komponenten von Digitalisierungsprozessen in Verwaltungen – in Einklang bringen? Und wie wäre es, das Prinzip der lernenden Organisation auf öffentliche Einrichtungen zu übertragen? Diese und weitere Fragen diskutieren rund 150 Entscheider am 11. Oktober 2017 in Lübeck im Rahmen des 17. Führungskräfteforums “Innovatives Management” der MACH AG. Die Erwartungen der Verwaltungen an die Digitalisierung sind klar: Sie soll Effizienzpotenziale heben, transparentere Prozesse schaffen und so eine höhere Wertschöpfung ermöglichen. Gleichzeitig stellen Modernisierungsprojekte Verwaltungsmitarbeiter vor die Herausforderung, mit Veränderungen umzugehen. Vor diesem Hintergrund regt das Führungskräfteforum “Innovatives Management” unter dem Motto “Die lernende Verwaltung – Veränderungen zulassen und Menschen mitnehmen” zum bereichsübergreifenden Austausch und von einander Lernen an. “Die öffentliche Verwaltung sucht vermehrt nach Vorbildern und Impulsen, um sich angesichts wachsender Herausforderungen zeitgemäß aufzustellen. Die Übertragung des Prinzips der lernenden Organisation auf die Verwaltung verspricht neue Perspektiven und Impulse für die Führung öffentlicher Einrichtungen”, erklärt Rolf Sahre, Gastgeber und Vorstandsvorsitzender der MACH AG. Zu den Teilnehmern der Veranstaltung zählen Entscheider aus allen Bereichen der Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen bis hin zu Hochschulen, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen. Auch in diesem Jahr ermöglicht das Programm einen besonderen Blick über den Tellerrand: Christian Gansch, renommierter Dirigent und Grammy-Gewinner, projiziert in seiner Keynote die Techniken und das Lernverhalten von Orchestern auf Verwaltungseinrichtungen. In der anschließen-

Bekanntheit nimmt zu Immer mehr kennen behördliche Online-Dienste

Ein Chor von Schülerinnen und Schülern aus der Hansestadt Lübeck eröffnete im vergangenen Jahr das “Innovative Management” in den Media Docks. Foto: BS/MACH

den Podiumsdiskussion wird es um die zentrale Frage gehen, wie sich Technologie, Informationen und Menschen als elementare Bestandteile der Digitalisierung aufeinander abstimmen lassen. Referenten verschiedener Verwaltungsbereiche sowie aus Wirtschaft und Politik haben bereits ihre Teilnahme zugesagt, darunter Ministerialdirektorin Beate Lohmann, Leiterin der Abteilung O – Verwaltungsmodernisierung; Verwaltungsorganisation – im Bundesministerium des Innern, Silvia Bechtold, Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsamts Dr. Erwin Wagner, Leiter der Abteilung IT und E-Government im Sächsischen Staatsministerium des Innern, Prof. Dr. Swantje Heischkel, Kanzlerin der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, sowie Gülten Bockholdt, Inhaberin der Bockholdt Gruppe. Das “Innovative Management” 2017 bietet noch mehr Möglichkeiten zur Interaktion: So wurde das Werkstattangebot auf insgesamt sechs Themen erweitert. Ausgewiesene Experten

und langjährige Führungskräfte leiten die Werkstätten, in denen die Teilnehmer gemeinsam spezifische Fragestellungen diskutieren, z. B. zur Wichtigkeit von Prozessaufnahmen, zu Change Management oder zur Gestaltung von Personalprozessen für die Arbeitsumgebung von morgen. “Das bewährte Format aus hochkarätig besetzten Vorträgen, Diskussionsrunden und Werkstätten gibt Entscheidern fernab des Tagesgeschäfts viel Raum für die Entwicklung von Zukunftsperspektiven für die öffentliche Verwaltung. Wir erwarten auch in diesem Jahr wieder rund 150 Entscheider aus allen Bereichen der Verwaltung sowie Vertreter aus Politik und Wissenschaft”, ergänzt Rolf Sahre. Die kostenfreie Anmeldung zum Führungskräfteforum “Innovatives Management” ist bis zum 4. Oktober 2017 unter www.mach. de/innovatives-management möglich. Dort ist auch das komplette Programm abrufbar.

MELDUNG

Wenn möglich Open Source (BS/lkm) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen richtete an die Bundesregierung eine Kleine Anfrage zur “Nutzung freier Software in Bundesbehörden”. In ihrer Antwort führt die Bundesregierung aus, dass deren möglicher Einsatz im Rahmen der geltenden Vor-

gaben grundsätzlich geprüft werde. Entscheidend für die Software-Auswahl sei jedoch, ob die geforderten Fähigkeiten im “Gesamtsystemzusammenhang” erreicht werden könnten. Hierzu seien Kriterien wie “die Funktionalität, Interoperabilität, Sicherheit,

der Realisierungs-, der Pflege- und Ausbildungsaufwand, die Verfügbarkeit von Fachanwendungen und die Usability” zu prüfen. Wo es sinnvoll und wirtschaftlich sei, sei der Einsatz von Open-Source-Produkten beziehungsweise freier Software vorgesehen.

(BS/Sabrina Dietrich*) Zu einem modernen Staat gehört auch eine digitale Verwaltung. Sie soll das Leben der Menschen einfacher und die Arbeit auf den Ämtern effizienter machen. Dennoch nutzt nicht einmal die Hälfte (45 Prozent) der Bürgerinnen und Bürger hierzulande E-Government-Angebote, damit liegt die Nutzung noch immer auf dem Niveau von 2012 und weit hinter dem europäischen Durchschnitt. Laut EU-Digitalisierungsindex 2017 für den Bereich digitale Verwaltungsservices liegt Deutschland nur auf Platz 20 der 28 Mitgliedsstaaten. Dabei zeigt sich auch dieses Mal wieder ein positiver Trend: Alle im eGovernment MONITOR abgefragten Nutzungsbarrieren – also Gründe, digitale Verwaltungsangebote nicht zu nutzen, wie beispielsweise mangelnde Datensicherheit, mangelndes Vertrauen in Behörden allgemein und die undurchschaubaren Strukturen, sind im vergangenen Jahr signifikant gesunken. Die traditionell größte Barriere für eine Nutzung der vorhandenen Online-Behördendienste ist die mangelnde Bekanntheit der Angebote. Sie sank um 19 Prozent. Das Bewerben durch die Verwaltung und die Mund-zu-Mund-Propaganda zeigen also Wirkung.

Weitere Optimierung erforderlich Dennoch sehen 57 Prozent der Befragten die mangelnde Bekanntheit als das größte Hindernis für eine intensivere Nutzung. Aufmerksam auf die vorhandenen Dienste werden die meisten über die Internetseiten der Verwaltung, knapp ein Drittel der Befragten durch Informationen wie Aushänge oder Flyer in den Behörden vor Ort. Nur starten leider die meisten ihre Suche nach Online-Behördendiensten nicht auf den Seiten der Verwaltung. Wie es heute nun einmal gängig ist, beginnt die Suche zumeist über Suchmaschinen. Alleinig die über 60-Jährigen starten häufiger direkt auf den Seiten der Verwaltung als bei Suchmaschinen. Aber selbst hier sind es gerade einmal 49 Prozent. Eine Optimierung der Webseiten für Suchmaschinen (SEO) ist

Save the date: 20.–21. März 2018 // E-Government Dieser Themenkanal wird die Felder Kommunikation und Kollaboration des Staates mit den Bürgern, mit der Wirtschaft und von Behörde zu Behörde beleuchten. Ob FITKO, das Digitalisierungsprogramm, die neue Digitale Agenda oder der Portalverbund - die nächsten Jahre werden von Projekten geprägt sein, die eine standardisierte und verbindliche Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen ermöglichen sollen.

- 19%

In den letzten zwei Jahren sank die Nutzungsbarriere “mangelnde Bekanntheit” von Online-Behördendiensten in Deutschland um 19 Prozentpunkte. also auch für die Verwaltung ein essenzieller Schritt, wenn OnlineAngebote gefunden und genutzt werden sollen. E-Government ist und bleibt ein Sorgenkind in Deutschland. Wer sich monatelang um einen Termin beim Bürgeramt bemühen, oder stundenlang vor Ort warten muss, fragt sich spätestens dann genervt, warum er nicht auch bei Ämtergängen alles unkompliziert online erledigen kann, wie es inzwischen bei fast allem in unserem Alltag üblich ist. Auch mit Blick auf den zunehmenden Personalmangel und die zusätzlich drohende Pensionierungswelle, also viel zu viele leere Stellen im Öffentlichen Dienst, die mit dem jetzigen System umgehend eins zu eins besetzt werden müssen, werden sich Probleme in der Verwaltung in nächster Zeit verfestigen und verstärken.

Wahlkampfthema E-Government So erfreut es umso mehr, dass E-Government nun auch Wahlkampfthema der großen Parteien ist. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Heraus-

KOSMOS, Berlin

// Digitaler Datenschutz

// Arbeit und Personal 4.0

Im Mai 2018 wird die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Kraft treten. Mit diesem Themenkanal wird der Kongress auf das Spannungsfeld der digitalen Plattformen zwischen Effizienz und Datenschutz eingehen und die neuen Anforderungen an Behörden aufzeigen. Geldbußen können auch für Behörden und öffentliche Unternehmen verhängt werden. Zudem regelt die DSGVO auch nicht-automatisierte Daten.

Chancen und Grenzen der fortschreitenden Digitalisierung der Verwaltungsarbeit bis hin zu Bots und dem vollautomatisierten Verwaltungsakt werden in den Blick genommen. Personalrecruiting, Qualifizierung und Weiterentwicklung, mobiles Arbeiten, Homeoffice, Wahlarbeitszeit – wichtige Fragen der Zukunft.

forderer Martin Schulz sprechen sich für eine digitale Verwaltung mit zentralem Online-Portal aus. Schulz verspricht die Umsetzung innerhalb von fünf Jahren. Merkel lässt den Zeitraum der bundesweiten Umsetzung offen: “Es wird schon eine Weile noch anders gehen.” Schlussendlich müssen wir uns fragen, ob wir weiterhin an Aktenbergen und am endlosen Ausfüllen von Formularen festhalten wollen oder ob wir eine moderne und dienstleistungsorientierte Verwaltung möchten, die ergebnisorientiert und effizient arbeiten kann. Die Umfragen im eGovernment MONITOR belegen, dass Bürgerinnen und Bürger eine zeitgemäße digitale Verwaltung wollen. Die Nachfrage ist da, jetzt fehlt nur noch das flächendeckende Angebot. Der Behörden Spiegel ist Medienpartner der Inititaive D21 *Sabrina Dietrich leitet die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Initiative D21. Weitere Informationen zu deren Tätigkeitsfeldern unter: www.initiatived21.de


Informationstechnologie

Seite 30

Behörden Spiegel / August 2017

Digitale Agenda 2

Innovationsindikator 2017

ITK-Branche erwartet neues Regierungsprogramm

Deutschland bei Digitalisierung nur Mittelmaß

(BS/gg) Die Unternehmen der Digitalwirtschaft in Deutschland erhoffen sich von der nächsten Bundesregierung weitreichende Reformen in den (BS/lkm) Der Innovationsindikator 2017 bescheinigt Deutschland einen Bereichen Bildung, Arbeit und Soziales. Dies zeigt das aktuelle Branchenbarometer des Bitkoms. vierten Platz in der internationalen Innovationslandschaft. Im Digitalisierungsbereich, der im Innovationsindikator 2017 erstmals untersucht Mit Blick auf die Bundestags- um die Digitalisierung der Leit- sie einer zunehmend digitalen nächsten Bundesregierung se- wurde, sind aber deutliche Schwächen auszumachen: Deutschland liegt wahl im September stimmen industrien und des Mittelstands Welt gerecht werden – vor allem hen die befragten Unternehmen hier abgeschlagen auf Platz 17 von 35 unter die Lupe genommenen nahezu alle befragten ITK-Un- zu fördern. Ebenso viele (87 Pro- in der Bildung, in der Verwal- in den Bereichen IT-Sicherheit Volkswirtschaften und bleibt weit hinter anderen Industrienationen ternehmen (94 Prozent) der Aus- zent) fordern, Deutschland zu tung, im Arbeitsrecht und bei und Digitalisierung der Infra- zurück. sage zu, dass Bildungswesen, Sozialsysteme und Arbeitsrecht neu auf die digitale Wirtschaft und Arbeitswelt ausgerichtet werden müssen. Für die kommende Legislaturperiode fordert die große Mehrheit der Unternehmen ein neues digitales Regierungsprogramm. Fast neun von zehn (87 Prozent) sind der Ansicht, Deutschland brauche eine neue politische Agenda,

einem internationalen Hotspot der digitalen Transformation auszubauen. Unwesentlich weniger (85 Prozent) erwarten, dass sich die Politik mehr für Wirtschaftsschutz und IT-Sicherheit engagiert. “Das rasante Tempo der Digitalisierung stellt den Gesetzgeber vor weitreichende Herausforderungen. Wir müssen Politik und Rechtssystem so gestalten, dass

den Sozialsystemen”, kommentiert Bitkom-Präsident Achim Berg/das Branchenbarometer. “Mit dieser Wahlperiode findet auch die erste Digitale Agenda einen Abschluss. Es muss oberste Priorität für die neue Regierung sein, alle Projekte auf digitale Machbarkeit zu überprüfen und eine ambitionierte Digitale Agenda 2 aufzusetzen.” Zentrale Aktionsfelder der

struktur. Das erklärten jeweils neun von zehn Unternehmen (89 Prozent). Weitere wichtige Felder sind Breitbandausbau (83 Prozent), Bildungsoffensive (82 Prozent) und Industrie 4.0 (80 Prozent). Doch auch rund zwei Drittel halten eine neue Balance im Datenschutz (69 Prozent), Start-up-Förderung (65 Prozent) und E-Government (63 Prozent) für wichtig.

Top 100 für die Wirtschaft BMWI-Studie zu den wichtigsten Verwaltungsleistungen (BS/lkm) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat eine Studie zum Thema Digitalisierung von Verwaltungsleistungen für die Wirtschaft veröffentlicht. Sie identifiziert die wichtigsten 100 der insgesamt rund 5.500 existierenden Verwaltungsleistungen für Unternehmen und fasst sie in insgesamt 19 sogenannten Geschäftslagen zusammen. Mit Blick auf die Ergebnisse der Studie erklärte Uwe Beckmeyer, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie: “Die Digitalisierung und zeitgemäße Gestaltung der Austauschprozesse zwischen Verwaltung und Wirtschaft kann einen maßgeblichen Beitrag zum Bürokratieabbau und zur Entlastung der Wirtschaft leisten. Profitieren können insbesondere Mittelständler und Kleinunternehmen, die aufgrund geringer finanzieller und personeller

Ressourcen bislang überproportional durch Bürokratie belastet werden. In vielen Unternehmen liegen die zur Erfüllung der Verwaltungsanforderungen notwendigen Daten bereits digital vor. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für die digitale Vernetzung geschaffen, die es zu nutzen gilt.” Die Studie soll eine Orientierung darüber bieten, welche Kontakte zwischen Verwaltung und Wirtschaft mit hoher Priorität digitalisiert werden sollten, um die Interaktion effizient zu

gestalten und Bürokratiekosten senken zu können. Bei der Auswahl der Geschäftslagen wurden sowohl die Bürokratiekostenbelastung der Unternehmen, Häufigkeit und Komplexität der Interaktion als auch strategische Aspekte des Wirtschaftsstandortes Deutschland berücksichtigt. Demnach haben Unternehmen am häufigsten im Zusammenhang mit Statistik- und Berichtspflichten mit der Verwaltung zu tun, wobei sich die Belastung je nach Branche

teilweise stark unterscheidet. Die größte Belastung entsteht durch Verwaltungskontakte in der Geschäftslage “Steuern und Abgaben”. Die Studie mit dem Titel “Top 100 Wirtschaft – Die wichtigsten und am häufigsten genutzten Verwaltungsleistungen für Unternehmen” wurde von der init AG unter Mitwirkung von Prof. Dr. Martin Brüggemeier (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) und Prof. Dr. Tino Schuppan (Hochschule der Bundesagentur für Arbeit) erstellt.

Der Indikator erfasst die Innovationsbedingungen Deutschlands und vergleicht sie mit führenden Industrieländern und aufstrebenden Staaten. Er ist eine Kooperation von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und dem BDI. Die Studie wird vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erstellt. Gut ausgebildete Fachkräfte, innovative Unternehmen und vergleichsweise viele Patentanmeldungen je Einwohner gehören zu den Stärken Deutschlands. Vorzüge des Bildungssystems sind die gute berufliche Ausbildung und ein hoher Anteil von Akademikern mit Spitzenqualifikationen. Rückläufig sind der Beschäftigtenanteil in wissensintensiven Dienstleistungen und der Anteil von Wagniskapitalinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt. Der Studie zufolge bleibt Deutschland im internationalen Innovationsvergleich eines der führenden Länder, schafft es jedoch nicht unter die Top drei. “Deutschland bleibt international ein wichtiger und angesehener Innovationsstandort und verbessert sich im Vergleich zum Innovationsindikator 2015 um einen Platz”, so Univ.-Prof.

Dr. Marion A. WeissenbergerEibl, Institutsleiterin des Fraunhofer ISI. “Das gute Ergebnis sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schweiz, Singapur und Belgien weitaus innovationsfähiger sind. Damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibt, muss es vor allem bei der Digitalisierung aufholen.” Im erstmals erhobenen Digitalisierungsindikator landet Deutschland nur auf dem 17. Platz. Egal ob digitale Wirtschaft (Rang 12), Bildung (Rang 17) oder digitale Forschung/ Technologien (Rang 16) – die Ergebnisse fallen nicht besonders gut aus. Bei der digitalen Infrastruktur belegt Deutschland gar nur Rang 19. Wolle das Land bei der Digitalisierung aufholen, müssten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stärker einbezogen, die Ausund Weiterbildung mehr in Richtung Digitalisierung ausgebaut und die IT-Sicherheit gestärkt werden, empfehlen die Analysten. “Ein Muss für Digitalisierung und Industrie 4.0 ist, den Breitbandausbau voranzutreiben und den digitalen europäischen Binnenmarkt zu verwirklichen”, fordert BDIPräsident Dieter Kempf. Großes Potenzial gebe es in der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, so Kempf weiter.

Technologiepartnerschaft Dataport und Computacenter schließen Kooperation (BS/lkm) Die IT-Dienstleister Dataport und Computacenter haben eine Technologiepartnerschaft geschlossen. In einem Zeitraum von bis zu acht Jahren wird Computacenter umfassende Kommunikations-und Integrationsservices für die Weiterentwicklung des Rechenzentrums von Dataport liefern. Dazu zählt auch die komplette Versorgung mit allen Rechenzentrumskomponenten vom x86-Server bis zum großen Storage-System. Das Vertragsvolumen beläuft sich insgesamt auf rund 80 Millionen Euro. “Als einziger Informations- und Kommunikationsdienstleister der öffentlichen Hand in Deutschland, der sechs Bundesländer und mehrere Kommunen betreut, stehen wir zum einen vor steigenden Anforderungen der Verwaltung und Ministerien bei der Digitalisierung und zum anderen vor der Herausforderung, dass sich Technologien permanent ändern”, erklärt Andreas Reichel, Vorstand Technik bei Dataport. “Unser Partner muss somit nicht nur die aktuellen Anforderungen erfüllen, sondern auch neue Technologietrends verstehen und frühzeitig Lösungen einbeziehen, die auf den Markt treten. Computacenter konnte diese Fähigkeiten in dem anspruchsvollen Vergabeverfahren am überzeugendsten nachweisen.” “Wir sind sehr stolz darauf, dass uns Dataport auserkoren hat, Ihr Begleiter auf dem Weg zu Ihrem Rechenzentrum der Zukunft zu sein”, sagt Reiner Louis, Sprecher der Geschäftsführung bei Computacenter. “Wir freuen uns alle auf die künftige enge Kooperation mit Dataport, die neben dem Rechenzentrum ja auch im Netzwerk besteht, um uns gemeinsam optimal für die kommenden Herausforderungen vorzubereiten.”

Hohe Anforderungen erfüllt Der Vertrag zwischen Computacenter und Dataport umfasst im Wesentlichen zwei Bereiche: ein Multi-Vendor-Management, – sowohl kaufmännisch als auch

... werden in den kommenden Jahren bei der Weiterentwicklung des Dataport-Rechenzentrums eng zusammenarbeiten.

technologisch, sowie die Technologiepartnerschaft – von der Kenntnis der Hersteller-Lösungen über Veränderungen der bestehenden Infrastruktur bis hin zu strategischen Neuausrichtungen des Rechenzentrums. Die konkreten Anforderungen erfüllte Computacenter in insgesamt zehn Konzepten. Das Kernstück stellte das Technologiepartnermodell dar, das die inhaltliche, methodische und organisatorische Beratung des Kunden über acht Jahre aufzeigte. Ein weiteres wichtiges Element war das Preiskonzept, das zu erwartende Änderungen der Technologien und damit der Preise nachvollziehbar darstellte und anhand von AnalystenBenchmarks als marktüblich belegte. Zudem konnte Computacenter pro Technologie-Cluster jeweils zwei Lösungen mit unterschiedlichen Herstellern entwickeln, um einen herstellerübergreifenden Ansatz und umfassende Kompetenz nachzuweisen.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / August 2017

Seite 31

Strukturen und Regeln transformieren

“Digitales Brodeln” in NRW

Die digitale Verwaltung braucht digital vernetzte Register

Neue kommunale Digitalisierungsstrategien

(BS/Petra Wolf) Die Digitalisierung der Verwaltung beschränkt sich nicht nur auf das Modernisieren und Vervollständigen von Anwendungslandschaften. Ebenso wichtig ist es, auch die Strukturen und Regeln zu transformieren, nach denen Daten in der Verwaltung gespeichert und verarbeitet werden – bilden sie doch die Grundlage für die Bearbeitung aller Transaktionen zwischen Bürgern, Unternehmen und Verwaltung.

(BS/Wilfried Kruse*) Manch langjährigen “digitalen Pfadfindern und Predigern” ist es aus mitunter schon langer und bisweilen eher lähmender “Diskussionsvergangenheit” gut bekannt: Viele reden an vielen Stellen über das, was im digitalen Zeitalter auch die öffentliche Verwaltung in Sachen “E-Government” (eigentlich) tun und voranbringen müsste – allein, nach dem Reden fehlten oft die notwendigen Taten, und die konsequente und nachhaltige, strategische Linie sowieso.

und rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen worden. Capgemini hat sich in den vergangenen Monaten mit der Frage beschäftigt, wie eine moderne digitale Registerlandschaft in Deutschland aussehen kann und welche Rahmenbedingungen dabei verändert werden müssen (www.de.capgemini. com/public-sector). Kriterien für eine geeignete Lösung sind: • Digitale Abbildung: Kundenanliegen von Bürgern und Unternehmen werden digital abgebildet. Dabei ist ein hoher Automatisierungsgrad anzustreben. • Kundenorientierung: Kundenanliegen sind über Verwaltungs- und Registergrenzen bearbeitbar, da nur so eine kundenoDr. Petra Wolf ist Expertin rientierte Verwalfür nutzerorientiertes Etung möglich ist. Government und die Digi• Once-Only: talisierung der Verwaltung Daten werden bei Capgemini. von Kunden nur einmal angegeben und sind danach wiederverwendbar. gestaltet werden müssen, um eine durchgängige Verwaltungs- • Datenschutz: Der Kunde hat vollständige Kontrolle über digitalisierung zu ermöglichen. seine Daten, er wird über jeÖsterreich und die Schweiz haden Zugriff auf seine Daten ben in vergleichbaren Ausgangsinformiert und erfährt, zu welsituationen Programme aufgechem Zweck dieser notwendig legt, um die Registerlandschaft war. zu systematisieren, zu harmonisieren und die Register mit- • Vertrauen in Datenintegrität: Registerinhalten wird uneinander zu vernetzen. Neben eingeschränkt vertraut. Dazu der notwendigen technischen müssen sie vor ManipulatioRealisierung sind dabei die entnen geschützt werden. sprechenden organisatorischen Ein Großteil der Daten, die die öffentliche Verwaltung im Rahmen von Verwaltungsprozessen erhebt, wird in verschiedenen Registern gespeichert. Aufgrund von Ressortdenken und Datenschutzvorgaben sind diese Register stark auf bestimmte fachliche Zwecke zugeschnitten und ihre Daten ausschließlich für genau im Vorhinein definierte Zwecke vorgesehen. Ansätze zur Wiederverwendung von Daten oder die Umsetzung des OnceOnly-Prinzips scheitern sowohl an rechtlichen Grenzen als auch an mangelnder Interoperabilität. Es stellt sich die Frage, wie digitale Register und die Registerlandschaft in Deutschland

Um diese Kriterien zu erfüllen, sollte die Registerlandschaft in Registerdomänen aufgeteilt werden, denen Registerverfahren zugeordnet werden können. Eine Domäne ist das oberste Strukturierungsmerkmal der zukünftigen Registerlandschaft. Hierfür kommen unterschiedliche Strukturierungsmerkmale infrage: Typ des Registers (Personen, Unternehmen, Sachen), Registerführung (föderale Ebene, Behörde etc.) und Zugangsbeschränkung (öffentlich, vertraulich oder beides). Innerhalb einer Domäne können bei Bedarf Subdomänen definiert werden. Eine Referenzarchitektur beschreibt den Aufbau einzelner Registerverfahren aus fachlicher Sicht und umfasst Geschäftsprozesse im Registerkontext, Informationsobjekte und fachliche Komponenten. Die wesentlichen Leitbilder für eine moderne Registerlandschaft sind somit die Harmonisierung des Aufbaus von Registerverfahren und die konsequente Wiederverwendung gemeinsam nutzbarer Funktionalitäten. Typische Beispiele sind fachliche Protokollierung, Authentifizierung, Berechtigungen und Schlüsselverzeichnisse. Capgemini war maßgeblich beteiligt an der Erarbeitung der Register Factory beim Bundesverwaltungsamt (BVA). Die Elemente der Register Factory können als erprobte Vorlagen und Musterlösungen dienen, um einzelne Registerverfahren zu gestalten.

Weder der IT-Planungsrat noch manch andere E-Governmentaffinen Akteure in Bund, Ländern und Kommunen haben sich in den zurückliegenden Jahren über Erkenntnisdarstellungen zu dem, was für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen am Standort Deutschland oder einer (digitalen) Gesamtmodernisierung der öffentlichen Verwaltung hinaus nötig ist, mit bislang wirklich gelungenen Ideen, gemeinsamen oder kooperativen Strategien, Projekten oder gar konsequenter Nutzerorientierung hervorgetan. Nun scheint aber die Zeit gekommen zu sein, dass sich an vielen Stellen, vor allem in den Kommunen “digitales Brodeln” eingestellt hat: Kreise und kreisangehörige Städte und Gemeinden machen sich durchaus beispielhaft auf den Weg einer gemeinsamen Digitalisierungsstrategie – auch wenn sie in der Vergangenheit oft gegenläufige oder nicht abgestimmte Aktionen oder Einzelinteressen im IT-Feld verfolgt haben. Das ist offenbar (auch) der mittlerweile gewonnenen Erkenntnis zu verdanken, dass es im heraufziehenden digitalen Zeitalter Bürgern und Bürgerinnen sowie Unternehmen eigentlich völlig egal ist, wer im öffentlichrechtlichen Zuständigkeitsgeflecht ihnen eine Leistung, einen Service schuldet. Entscheidend ist, dass öffentliche Services zügig, kostengüns-

als vielleicht nachahmenswertes Beispiel kommunaler Kooperation im digitalen Zeitalter. Es ist eindeutig: Der “digitale Zug” gewinnt an Fahrt, die Signale stehen an vielen Stellen auf Grün und an den zentralen Stationen lohnt der Zustieg für eine verstärkt gemeinsame Reise. Auf e-nrw am 9. November in der Stadthalle/Dorint Hotel in Neuss gibt es dazu mehr.

tig, elektronisch medienbruchfrei und aus Empfängersicht komfortabel und nutzerfreundlich handhabbar sind. Das in NRW und Bayern aktuell gestartete Servicekonto, der verkündete, zukünftige Portalverbund von Bund, Ländern und Kommunen

Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen 9. November 2017 Düsseldorf / Neuss sind dabei wichtige Eckpunkte, ebenso wie die Entwicklungen, die für die eID-Funktionen des neuen Personalausweises (endlich und hoffentlich) zu breiterer Akzeptanz und Nutzung beim “Normalpublikum” führen sollen. Zentrale Themen, zu deren Stand und Fortgang die bundesweit und landesweit führenden Akteure auf e-nrw im November, erstmals am neuen Standort Neuss, berichten werden; ebenso wie die Vertreter des Rhein-Kreises Neuss über dessen – vom E-GovG NRW neu initiierte – Ziele und Aktivitäten zu einer umfassenden Digitalisierungsstrategie, gemeinsam mit der kommunalen Kreisgemeinschaft und ihrem IT-Dienstleister, der ITK Rheinland. Dies im Sinne einer neuen Qualität und

*Wilfried Kruse, geschäftsführender Gesellschafter IVM², ist fachlicher Leiter und Moderator des Verwaltungskongresses “e-nrw”, den der Behörden Spiegel am 9. November in Neuss veranstaltet. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.e-nrw.info

MELDUNG

Zuschlag für “nscale” (BS/gg) Der Landesbetrieb Information und Technik NordrheinWestfalen (IT.NRW) hat den Basisdienst für die Einführung der E-Akte ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt nun das Konsortium aus Materna GmbH, Ceyoniq Technology GmbH und DXC Technology Company. Zukünftig wird das Produkt “nscale” eingesetzt und von IT.NRW für das Land betrieben. Die E-Akte muss bis 2022 in der Landesverwaltung eingeführt sein.

Seminare im September 2017 Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

www.fuehrungskraefte-forum.de Einsteigerkurs Vergaberecht

Von Anfang an in Bauprojekten erfolgreich handeln

Disziplinarrecht für Praktiker

Grundlagen und Praxis für Social Media Manager

01.09.2017 Düsseldorf

06.09.2017 Bonn

07.09.2017 Berlin

13. - 14.09.2017 Hamburg

Wirkungscontrolling in öffentlichen Verwaltungen

Vergaberecht für Auftragnehmer und Bieter

Beförderungsauswahl vor Gericht

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Behörden

Ausschreibungen von IT – praxisorientiert und rechtssicher

13. - 14.09.2017 Berlin

19.09.2017 Berlin

19.09.2017 Berlin

20. - 21.09.2017 Berlin

28.09.2017 Hamburg Bildnachweis: Uetliberg Uto Kulm


IT-Sicherheit

Seite 32

Behörden Spiegel / August 2017

Kampf im Cyber-Raum (Behörden Spiegel/stb) Tagtäglich sind Wirtschaft, Kritische Infrast Infrastrukturen rukturen und öffentliche Verwaltung einer unüberschaubaren Angriffen chaubaren Menge an Angrif ffen auf ihre Informationssysteme ausgesetzt. Während IT-Sicherheit end Investitionen in IT-Siche erheit steigen, wird der Cyber-Raum mit der fortschreitenden immer tenden Digitalisierung imm er attraktiver für kriminelle und staatliche Akteure.

Abgewehrte Schadsoftware und Infektionen in der Bundesverwaltung Anzahl der öffentlich bekannt gewordenen Software-Sicherheitslücken pro Jahr 12000 10000

8.752 7.217

8000

9.368

8.462

8.285

8.956

10.197

1000000 10 000 10000 10 1000

4000

100

2000

10

2010

2011

6000 5000

100000 1 0 10

6000

0

2012

2013

2014

2015

2016

0

4000 3000

2010

2011

2012

Keine Angaben

49.925

2015

2013

2014

2015

2016

2000 1000 0

Unter 10.000 €

Gesamtschäden pro Unternehmen durch Cyber-Kriminalität in den letzten zwei Jahren

Cyber Crime im engeren Sinne: bundesweit erfasste Straftaten mit Handlungsort in Deutschland

2014

Infektionen

abgewehrte Schadsoftware

9% 36% 33%

45.793

10.000 € – 99.999 €

82.649*

2016

*Durch eine Änderung der Erfassungsrichtlinien wurden 2016 Fälle als Computerbetrug miterfasst, die bisher als Fälle von allgemeinem Betrug gegolten hatten.

1 Mio € und mehr

5%

17%

100.000 € – 999.999 €

Geschätzter Gesamtumsatz verschiedener Ransomware-Familien in Dollar Wie viele Unternehmen zahlen das Lösegeld bei Ransom-Angriffen?

CryptoWall 18 Mio

Locky 17,3 Mio

CryptoLocker 3 Mio

Cerber 2,3 Mio

weltweit

34%

USA Deutschland

64% 16%

WannaCry 80.000

Von welchem Täterkreis gehen Cyber CrimeDelikte gegen deutsche Unternehmen aus? 80 70 60 50 40 30 20 10 0

62

Welche Sicherheitsmaßnahmen kommen in deutschen Unternehmen zum Einsatz? Technische Maßnahmen

Organisatorische Maßnahmen

Personelle Maßnahmen

100 % Passwortschutz,

99 % Festlegung von Zugriffsrechten

58 % Background-Checks bei sensiblen Positionen

20 % Intrusion, Detection

81 % Festlegung von

54 % Bestellung eines Sicherheitsverantwortlichen

17 % Penetrationstest

43 % Sicherheits-

53 % Schulung der Mitarbeiter

Firewalls, Virenscanner, Back-ups

41 21 7

3

7

Zutrittsrechten für bestimmte Räume

Zertifizierung

24 % Sicherheits-Audits durch externe Spezialisten

Quellen: IBM; BKA; BSI, Check Point, Elliptic, eigene Recherche; BSI Illustrationen: BS/Liesegang

Quellen: BSI; KPMG; Symantec; Bitkom Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / August 2017

2

016 nutzten bereits zwei Drittel der deutschen Unternehmen Cloud-Lösungen, wie aus dem Cloud-Monitor des Bitkom hervorgeht. Der Großteil davon beschränkte sich jedoch auf eine Private Cloud. Public -Cloud-Lösungen nutzten nur 29 Prozent der Unternehmen – am häufigsten für Office-Anwendungen. Personenbezogene Daten oder kritische Geschäftsinformationen speicherten die wenigsten bei den Public-Cloud-Anbietern. Sicherheitsbedenken sind sicherlich das größte Hemmnis. Neben der Befürchtung unberechtigter Zugriffe auf sensible Daten stehen hier auch Unklarheiten hinsichtlich der Rechtslage zum Datenschutz. Dabei steht außer Frage, dass der Rückgriff auf Cloud-Dienstleistungen wirtschaftlich grundsätzlich sinnvoll ist. Aufgaben, die nicht zur eigenen Kernkompetenz gehören, werden an hochspezialisierte Dienstleister abgegeben. Diese können Leistungen durch Standardisierung und Zentralisierung deutlich effizienter erbringen, als die meisten Organisationen es selbst könnten. Das gilt auch für die IT-Sicherheit: Gerade kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) haben oft nicht die notwendigen technischen, organisatorischen und personellen Ressourcen, um IT-Sicherheit, Datensicherheit und Datenschutz auf hohem Niveau zu gewährleisten. “CloudRechenzentren sind sicherer als der Server im Keller vieler KMU”, spitzte es Achim Berg, Präsident des Bitkoms, auf einer Veranstaltung in Berlin zu. Das Problem dürfte häufig ein Mangel an Vertrauen gegenüber Cloud-Dienstleistern sein. Wenn es um sensible Daten geht, bestehen Vorbehalte vor allem gegenüber großen US-amerikanischen Anbietern – einerseits wegen des geringeren gesetzlichen Datenschutzniveaus, andererseits wegen der weitreichenden Zugriffsmöglichkeiten, die US-amerikanische Nachrichtendienste haben. Der EU-US-Privacy-Shield soll zwar dafür sorgen, dass Daten von EU-Bürgern und -Unternehmen in den USA besonders geschützt sind. Juristisch steht die Vereinbarung jedoch auf unsicheren Füßen. Ihr Fortbestand ist ungewiss. Unternehmen wird daher oft

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Eine Frage des Vertrauens Datenschutzkonformes Cloud Computing für Unternehmen und Behörden (BS/Benjamin Stiebel) Der Paradigmenwechsel hin zu zentralen und standardisierten Hard- und Software-Infrastrukturen ist in vollem Gange und viele Dienstleistungen werden langfristig nur noch in der Cloud angeboten werden. Dennoch sind Behörden und Unternehmen in Deutschland lange vergleichsweise zurückhaltend beim Einsatz von Cloud-Lösungen gewesen – dabei spielen häufig Datenschutzbedenken eine zentrale Rolle. Dem versucht man, mit verschiedenen Ansätzen zu begegnen. empfohlen, wenn es um sensible Geschäfts- oder Kundendaten geht, Cloud-Anbieter zu beauftragen, deren Rechenzentren (RZ) in Deutschland stehen. Für Behörden kommen im Ausland erbrachte Dienstleistungen spätestens dann nicht mehr infrage, wenn personenbezogene Daten über Bürger verarbeitet werden sollen.

(Bundescloud Entwicklung) und die Einführung einer ContainerInfrastruktur vorgesehen. Der weitere sukzessive Aufbau der Bundescloud ist zunächst bis Sommer 2020 angesetzt. Bis Ende 2018 soll die Bundescloud einer frühen Zielformulierung des ITZBund zufolge soweit etabliert werden, dass sie in Bezug auf Wirtschaftlichkeit konkurrenzfähig zu privatwirtschaftlichen Angeboten ist (mehr zur Bundescloud im Artikel auf Seite 24). Doch nicht nur der Bund favorisiert die Private Cloud. Auch auf Länder- und kommunaler Ebene wird häufig auf exklusive Dienstleistungsmodelle gesetzt. So stellt das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ Berlin) als Full Service Provider der Senats- und Bezirksverwaltungen der Hauptstadt administrierte Serversysteme als Basis für den Betrieb von Fachverfahren und Anwendungen der Landesbehörden zur Verfügung. Der Zugriff auf die Private Cloud erfolgt eigenen Angaben zufolge über gesicherte Kommunikationsverbindungen im Berliner Landesnetz. Für Anwendungen mit besonderem Schutzbedarf betreibt der Dienstleister ein unterirdisches High Secure Data Center, das über ein mehrstufiges Zugangskontrollsystem verfügt, gegen physische Einflüsse wie Brände oder Überflutung abgesichert ist und über unterbrechungsfreie Stromversorgungsund Kühlanlagen verfügt. Die technische und bauliche Infrastruktur sowie das Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) des ITDZ Berlin sind durch das BSI zertifiziert und werden jährlich durch Sicherheitsaudits überprüft.

Bund (ITZBund) entwickelt. Der Betrieb erfolgt dann über gesicherte und hochverfügbare RZ des Full Service Providers. Beim Aufbau der Infrastruktur und der Entwicklung der Dienste arbeite man eng mit dem BSI und der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) zusammen, um ein einheitlich hohes Schutzniveau zu gewährleisten, Standort Deutschland wie ein Sprecher des Bundesministeriums des Innern (BMI) Global operierende Cloudmitteilt. Das BMI leitet im ZuDienstleister gehen entsprege der IT-Konsolidierung das chend dazu über, RZ in DeutschTeilprojekt 6 “Gemeinsame IT land zu errichten. So betreibt des Bundes”, in dem auch der Amazon Web Services (AWS) zwei RZ in Frankfurt am Main Welche Cloud ist die richtige? Zentralisiert bereitgestellte IT-Dienstleistungen Aufbau der Bundescloud koorund verspricht bei der Wahl bringen Unternehmen und Behörden Vorteile bei Effizienz und Sicherheit. Bei diniert wird. Derzeit wird der Bundesverdieser “Availability Zone”, dass der Wahl geeigneter Anbieter spielt Vertrauen eine zentrale Rolle. Instanzen von Cloud-Diensten Foto: BS/George Thomas, cc by 2.0, flickr.com waltung in einer Pilotierung als erster Dienst die Bundescloud nur dort ausgeführt werden. Zusätzlich hat sich AWS als erster ter man sich entscheidet, soll- nur noch über Public Clouds be- Box, eine Anwendung zum beCloud-Anbieter auf Basis des ten sensible Daten jedenfalls zogen werden können, bietet sich hördenübergreifenden DatenAnforderungskatalogs C5 des nur in verschlüsselter Form für die öffentliche Verwaltung austausch, zur Verfügung geBundesamtes für Sicherheit in in die Cloud gegeben werden. in Zusammenarbeit mit kom- stellt. Auch die Speicherung der Informationstechnik (BSI) Verschlüsselung ist auch ein petenten IT-Dienstleistern die und Verarbeitung von als VStestieren lassen. Das BSI fasst zentraler Baustein einer Platt- Errichtung von Private-Cloud- NfD (Verschlusssache – Nur für darin Sicherheitsanforderun- form-Lösung zur sicheren Cloud- Strukturen an, wenn es um IT- den Dienstgebrauch) eingestufgen an Cloud-Dienste zusam- Nutzung der Bundesdruckerei. Infrastrukturen, Plattformen, ten Informationen soll möglich men, die mindestens eingehal- Mit Bdrive sollen Unternehmen Entwicklungsumgebungen und werden. Dazu läuft derzeit eine und Behörden mit besonders spezifische Fachverfahren geht. Sicherheitsüberprüfung nach ten werden sollten. dem C5-Grundschutzkatalog Einen Schritt weiter geht Mi- hohem Anspruch an Datensidurch ein externes Prüfungscrosoft in Kooperation mit T- cherheit Cloud-Speicher zum Private Cloud für den Bund Systems. Die Cloud-Version Informationsaustausch nutzen Die Bundesregierung setzt unternehmen. Noch für dieses Jahr ist die Bevon Office sowie die Infrastruk- können. Bdrive verschlüsselt im Zuge der IT-Konsolidierung turplattform Azure des US-Un- Daten zunächst direkt beim An- auf eine Bundescloud, die das reitstellung einer Entwicklungsternehmens können über RZ in wender und teilt die Daten dann Informationstechnikzentrum plattform für Fachverfahren Deutschland bezogen werden. in einzelne Fragmente, die redT-Systems fungiert als Daten- undant bei mehreren verschietreuhänder. Die Telekom-Toch- denen Cloud-Speicheranbietern ter verpflichtet sich vertraglich gespeichert werden. So können gegenüber dem Kunden, dass weder die Anbieter noch potenDer Fachkongress Deutschlands für die IT-Sicherheit im öffentlichen Sektor Daten nicht gegenüber Dritten zielle Angreifer in den Besitz aller offengelegt werden und kontrol- Daten kommen. (BS/stb) Die Digitalisierung des Staates und E-Government können nur erfolgreich vorangebracht werden, Mehrstufige Authentifizie- wenn die IT-Sicherheit als Basisvoraussetzung für alle Modernisierungsprozesse in der öffentlichen Verwalliert ansonsten alle z. B. für Wartungsarbeiten nötigen Zugriffe. rungsmethoden stellen sicher, tung verstanden wird. Nur so kann das notwendige Maß an Vertrauen und Zuverlässigkeit erreicht werden, Dieses Konstrukt soll sicherstel- dass nur identifizierte und be- um die Chancen des digitalen Wandels voll auszuschöpfen. Wichtige Impulse für die IT-Sicherheit setzt der len, dass tatsächlich nur nach rechtigte Anwender auf die Verwaltungskongress PITS (Public-IT-Security) als Treffpunkt für die Verantwortlichen für IT und Cyber Secudeutschem Datenschutzrecht Daten zugreifen können. Der rity der Behörden von Bund, Ländern und Kommunen. verfahren wird. Selbst wenn Live-Betrieb der Lösung hat im nach US-Recht eine Verpflich- Juli dieses Jahres begonnen, der Der von der Behörden Spiegel- Sicherheitsstrategie seines Lan- dener Strategien beim Betrieb tung zur Herausgabe von Kun- Funktionsumfang soll kontinu- Gruppe in Berlin veranstaltete des berichten. Prof. Dr. Reinhard öffentlicher IT-Systeme im Hindendaten bestehen würde, hätte ierlich ausgebaut werden. Für Kongress greift in diesem Jahr Posch, CIO der Bundesregierung blick auf Sicherheit. Microsoft selbst keine Zugriffs- 2018 strebt die Bundesdrucke- in mehreren Themenblöcken Österreichs, wird sich an der Den Abschluss der zweitägirei eine BSI-Zertifizierung an. möglichkeiten. zentrale Schwerpunkte der IT- 90-minütigen Experten-Arena gen Veranstaltung bildet der Während viele kommerzielle Sicherheit in der öffentlichen der Länder beteiligen – einer Themenblock “Cyber Defence”. Unabhängig davon, für welchen Public-Cloud-Dienstleis- Dienste und Produkte zukünftig Verwaltung auf. Zum The- Talk-Runde mit CIOs und CISOs Hier wird unter anderem Gema “Public-IT-Security in der der Bundesländer. Als weiteres neralmajor Michael Vetter, stellDACH-Region” wird Klaus Vitt, Gastland beteiligt sich Belgien vertretender Inspekteur CyberBeauftragter der Bundesregie- mit einer Keynote von Valéry und Informationsraum, in einer rung für Informationstechnik Vander Geeten, Security Officer Keynote über die Aufgaben im Organisationsbereich und Staatssekretär im Bundes- im Center for Cyber Security neuen Bayern will IT-Sicherheits-Aufgaben in einer Behörde bündeln der Bundeswehr und über geministerium des Innern (BMI), in Belgium, an der PITS. dem Schwerpunkt genwärtige und zukünftige He(BS/stb) Noch im Herbst will der Freistaat Bayern als erstes Bundesland ein Landesamt für Sicherheit in der einer Keynote Herausforderun- Unter Informationstechnik (LSI) gründen. Also schneller als ursprüngöich geplant. Als zentrale Stelle soll die neue gen der Cyber-Sicherheit adres- “Vernetzte Welt – Vernetzte rausforderungen bei der Cybersieren. Weitere Impulse setzen Sicherheit” werden Ziele und Verteidigung sprechen. Behörde vor allem den Schutz der IT-Infrastruktur der öffentlichen Verwaltung verbessern. Die PITS 2017 findet am 12. und hier Vertreter aus den Gastlän- Perspektiven der Cyber-SicherIm Gesetzentwurf der Bayeri- zunächst mit 50 bis 90 Mitarbei- lungsorgan auftreten, sondern dern Österreich und Schweiz. heitsstrategie Deutschlands 13. September in Berlin statt. schen Staatsregierung heißt es, tern die Arbeit aufnehmen – bis nur im Rahmen von AmtshilPeter Fischer, Delegierter aus thematisiert, im Block “IT-Kon- Das Programm und weitere Indass sich, angesichts der im- 2020 sollen es 200 werden, er- feersuchen Informationen zur dem Informatiksteuerungsor- solidierung: Zentral vs. Dezent- formationen können unter www. mer komplexer werdenden Be- klärte der Staatsminister der Fi- Verfügung stellen soll. gan des Bundes (ISB) Schweiz, ral” diskutieren die Teilnehmer public-it-security.de abgerufen drohungslage, IT-Sicherheit zu nanzen und CIO des Freistaats Der Auftrag des LSI ist also wird über die nationale Cyber- Vor- und Nachteile verschie- werden. einem Spezialgebiet entwickelt Bayern Markus Söder. In diesem weitgehend analog zu dem des habe, für das es eigene Fachleu- Zeitraum sollen sich die Kosten Bundesamtes für Sicherheit in te brauche. “Eine effektive und für Planung, Baumaßnahmen, der Informationstechnik (BSI) effiziente Abwehr der Bedro- Ausrüstung und Personal auf et- angelegt, das als Cyber-Sicherhungen kann von den einzelnen wa 60 Millionen Euro belaufen. heitsbehörde für die IT-SicherBehörden kaum noch geleistet heit in der Bundesverwaltung von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security werden. Die Bündelung von Klares Aufgabenspektrum zuständig ist. Während das BSI Kompetenzen an einer zentraWichtigste Aufgabe des LSI wird allerdings nicht nur den Staat, len Stelle, dem Landesamt für die Gefahrenabwehr für die IT sondern auch Wirtschaft und zi“Man kann nicht alles in glei- ist, alle Vektoren gleichzeitig zu den IT-Prozesse kontinuierlich Sicherheit in der Informations- der Staatsverwaltung, also den vile Gesellschaft berät und unchem Maße schützen… Wir blockieren – Cyber-Kriminelle überwachen, analysieren und technik (LSI), schafft hier Ab- BayernServer und das Bayern- terstützt, wird sich das bayerimüssen einen Weg finden, das werden früher oder später eine klassifizieren, sind heute und hilfe.” Netz, sein. Zu diesem Zweck ge- sche LSI offenbar auf den Schutz zu kontrollieren, was wichtig Schwachstelle finden, durch in Zukunft alternativlos. Die neue IT-Sicherheitsbehör- hören auch die Sammlung und der Behörden-IT beschränken. Laut Gartner geht der aktuist.” So beschreibt Earl Perkins, die sie in die IT-Systeme einde wird dem Staatsministerium Analyse von Informationen über Zwar werden Betreiber Kritielle Trend hin zu einer gleichVice President Research beim dringen können. für Finanzen, für Landesent- Cyber-Angriffe, die Unterstüt- scher Infrastrukturen laut GeStaatliche Institutionen und berechtigten Budgetverteilung IT-Marktforschungsinstitut Gartner, die derzeit größte He- Firmen müssen sich also da- zwischen Präventionsmaßnahwicklung und für Heimat nach- zung bei der Erstellung von IT- setzentwurf auf Ersuchen hin rausforderung im IT-Security mit abfinden, dass sie nicht men und Maßnahmen zur Ergeordnet sein. Derzeit bereite Sicherheitskonzepten sowie die Hilfe beim Landesamt erhalten Bereich für Regierungen und in der Lage sind, jede Bedro- kennung, Reaktion und Wieein Aufbaustab die Gründung Entwicklung von Mindeststan- können. Die freie Wirtschaft Unternehmen. Das Problem: hung abzuwehren. Vor diesem derherstellung. Nur so können im Herbst vor, wie es aus dem dards zum Aufgabenspektrum. wird aber außen vor bleiben – Will man alle möglichen Ein- Hintergrund ist es an der Zeit, die Lücken gefüllt werden, die Ministerium heißt. Der Dienst- Außerdem soll das LSI Behörden aufgrund der thematischen trittspunkte für Cyber-Atta- dass Firmen ihre Denkweise durch die ausschließliche Ansitz soll in Nürnberg entstehen. auf landes- und kommunalebe- Überschneidung mit der Wirtcken schützen, werden die Si- ändern und vermehrt in ‛De- wendung der klassischen EndAls Keimzelle wird das schon ne beraten und anlassbezogen schaftsspionage soll das Lancherheitsressourcen zu stark tection and Response’ (EDR) point Protection entstehen. bestehende BayernCERT mit vor Bedrohungen warnen. Auch desamt für Verfassungsschutz gestreut und verlieren ihre Wir- investieren. Intelligente SysteStandorten in Würzburg und eine Unterstützung von Straf- Ansprechpartner bleiben. Bekung. Wir müssen daher davon me, die mithilfe cloudbasierter Bad Neustadt an der Saale in das verfolgungs- und Sicherheits- ratungsangebote für Bürger Ihr Jan Lindner ausgehen, dass es unmöglich Scan-Technologien alle laufenneue Landesamt aufgenommen. behörden ist vorgesehen, wobei bleiben im Gesetzentwurf unDie Sicherheitsbehörde solle das LSI nicht selbst als Ermitt- erwähnt.

PITS 2017

In einer Hand

IT-Sicherheit: An EDR führt kein Weg vorbei!


IT-Sicherheit

Seite 34

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ehörden Spiegel: Herr Hartmann, was sind die wichtigsten Trends der jüngeren Vergangenheit, die Sie bei Bedrohungen im Netz beobachtet haben? Hartmann: Da gibt es viele Themen. Eines der wichtigsten ist sicher Ransomware, wo wir aktuell fast täglich neue Vorgänge feststellen. Mittlerweile wissen wir, woher das kommt. Letztes Jahr gab es einen Vorfall bei der NSA. Die hatte viele Exploits und Vulnerabilities (Software-Schwachstellen) gehortet, die noch keiner kannte, und die haben sie sich unglücklicherweise stehlen lassen. Jetzt stellen wir fest, dass mit den letzten Ransomware-Varianten genau diese Vulnerabilities adressiert wurden, weil mittlerweile die ganze Hacker Community darüber Bescheid weiß – offenbar im Gegensatz zu Unternehmen und Organisationen. Wir als Security-Hersteller sind natürlich den umgekehrten Weg gegangen und haben Maßnahmen gegen diese Vulnerabilities eingebaut. Das heißt, eigentlich ist der Schutz da. Ob jeder Kunde oder jede Organisation den Schutz auch ausgerollt hat, ist die zweite Frage. Die aktuellen Beispiele zeigen, dass das scheinbar noch nicht der Fall ist. Behörden Spiegel: Was schwer begreiflich ist. Für die von WannaCry ausgenutzte Lücke hatte Microsoft längst ein Update zur Verfügung gestellt – und die Verantwortlichen haben es offenbar einfach nicht installiert. Hartmann: Das stimmt. Fairerweise muss man aber dazu sagen, dass bei neuen Bedrohungssituationen Betriebssystem- und Security-Hersteller plötzlich ganz viele Patches herausgeben. Die Firmen, die unsere Technologien oder die Betriebssysteme nutzen, können aber nicht nur damit beschäftigt sein, neue Patches einzuspielen. Die Business-Realitäten liegen so, dass ein Update manchmal

Behörden Spiegel / August 2017

Ein Stück weit mehr Alltag Großangelegte Cyber-Attacken mit politischem Hintergrund werden häufiger (BS) Die Bedrohungslage im Cyber-Raum ist komplex. Längst werden IT-Systeme nicht mehr nur von Hobby-Hackern angegriffen. Auch organisierte Kriminalität und ausländische Nachrichtendienste bedienen sich des Cyber-Instrumentariums. Über alte und neue Bedrohungsszenarien sowie über mögliche Einflussversuche auf die Bundestagwahl im September sprach der Behörden Spiegel mit Michael Hartmann, Vice President Field Sales, Central Europe, bei Symantec. Die Fragen stellte R. Uwe Proll. gerade nicht passt und dann im IT-Projektplan zum Beispiel für die nächste Woche vorgesehen wird. So eine Entscheidung kann dann vielleicht fatal sein.

“Es ist wichtig, dass Exploits und Vulnerabilities so früh wie möglich der Security-Industrie bekannt gegeben werden.”

Behörden Spiegel: Bei dem jüngeren Fall mit der Ransomware Petya waren unter anderen auch der Logistikriese Maersk und Stromversorger in der Ukraine betroffen. Nehmen die Täter vorsätzlich Kritische Infrastrukturen ins Visier? Hartmann: Das ist eine gute Frage. Es lässt sich nicht genau sagen, würde aber zu dem Bild passen, das wir von den Tätern haben. Wie es aussieht, Warnt im Behörden Spiegel-Interview war Petya eine in das Kleid ei- President Field Sales, Central Europe, ner Ransomware verpackte politische Aktion. Das wird man zur Vermutung springen, dass vermutlich nicht beweisen kön- vielleicht Russland dahinternen, es liegt aber sehr nahe, steckt, wie in der Vergangenheit wenn man Folgendes bedenkt: bei anderen Szenarien. Das ist Der Mechanismus zum Zahlen alles spekulativ, aber fest steht: Ransomwareder Lösegelder ist so aufge“Nach einem Sicherheits- Attacken der Vergangenheit setzt worden, vorfall keine Antwort waren, was das dass klar sein musste, dass auf die Frage zu haben, Element der Bezahlung anes nicht viewelche Daten abgegeht, deutlich le Zahlungen flossen sind, ist keine professioneller geben würde. ausgelegt geDie E-MailOption.” wesen. Adresse, über die kommuniziert werden sollte, Behörden Spiegel: Beim Dawar eine in Deutschland gehostete – und jeder, der Ransomwa- tenabfluss bei der NSA soll noch re schreibt, sollte wissen, dass weit mehr abhandengekommen solche E-Mail-Adressen in Län- sein als bisher kommuniziert. dern wie Deutschland schnell Wie groß ist die Gefahr? blockiert werden. Hartmann: Da ist tatsächlich Der Verdacht liegt also nahe, dass es hier tatsächlich nicht eine richtige Datenbank an Exums Geldverdienen ging, son- ploits und Vulnerabilities über dern dass es eher eine politisch den Äther gegangen. Die ist öfmotivierte Aktion gegen die Uk- fentlich und stand uns wie alraine war. Da kann man schnell len anderen zur Verfügung. Ich

vor der Zunahme politisch motivierter Cyber-Angriffe: Michael Hartmann, Vice bei Symantec. Foto: BS/Giessen

kann nur betonen, wie wichtig es ist, dass Exploits und Vulnerabilities so früh wie möglich der Security-Industrie bekannt gegeben werden. Grundsätzlich muss man die Frage stellen, ob es gut ist, dass ein Geheimdienst solche Informationen exklusiv hortet. Warum gibt man solche Informationen nicht gleich an die Security-Industrie weiter, damit wir Vorsorge tragen können, dass solche Attacken von vornherein zum Scheitern verurteilt sind? Behörden Spiegel: Verlieren frühere Angriffsmuster wie das Verschicken von E-Mails mit schadhaften Anhängen an Bedeutung gegenüber dem gezielten Ausnutzen von Lücken? Hartmann: Leider nicht. Im letzten Security-Report von Symantec wurde festgestellt, dass die Verbreitung von Attacken über E-Mail jetzt plötzlich

Digitale Kriminalistik Technologievorschau zur modernen Polizeiarbeit

wieder zugenommen hat. Der klassische Fall der E-Mail, die in bruchstückhaftem Deutsch ausführbare Dateien verteilt hat, bleibt vielleicht Geschichte, weil einfach zu offensichtlich ist, dass da etwas nicht in Ordnung ist. Mittlerweile haben wir es vermehrt mit E-Mails in geschliffenem Deutsch zu tun, die vorgeben, von irgendeinem Unternehmen zu kommen, von dem Nutzer regelmäßig Mails bekommen. Dann wird auch nicht mehr eine ausführbare Datei mitgeschickt, sondern z.B. ein Word-Dokument, in dem sich ein schadhaftes Makro verbirgt, das dann vom Nutzer gerne mal gewohnheitsmäßig aktiviert wird. Behörden Spiegel: Nach Versuchen der Einflussnahme auf Wahlen in den USA und Frankreich befürchtet man, dass beim sogenannten “Bundestagshack” von 2015 abgeflossene Informationen vor der Bundestagswahl im September nach ähnlichem Muster veröffentlicht werden, um Einfluss zu nehmen. Kann man etwas gegen solche Kampagnen tun?

(BS/stb) In Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und auch im Privatleben werden Internet, digitale Dienste und die zugrunde liegenden IT-Systeme Hartmann: Ich glaube, neben immer bestimmender. Auch Kriminelle haben den Cyber-Raum längst für sich entdeckt und wissen seine besonderen Eigenschaften für sich nutzbar der klassischen Wirtschaftsspizu machen. Um mögliche Antworten auf diese Entwicklung zu erörtern und Konzepte für digital gestützte Ermittlungsarbeit vorzustellen, kamen im onage wird Sabotage von politischen oder wirtschaftlichen Juni Vertreter von Strafverfolgungsbehörden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu einer Klausur in Würzburg zusammen. Diebstahl, Sabotage, Spionage, Betrug: Viele seit Jahrhunderten bekannte Deliktsformen haben heute ihre digitalen Entsprechungen. Kriminelle dringen in fremde Netzumgebungen ein, beschädigen IT-Systeme, schöpfen persönliche Daten ab oder spähen Betriebsgeheimnisse aus. Gleichermaßen beobachtet man eine zunehmende Verlagerung von Formen der Organisierten Kriminalität ins Internet. Das Darknet bietet eine ideale Plattform für den Handel mit allen möglichen illegalen Gütern von gestohlenen Daten, über

Waffen und Drogen bis hin zu kriminellen Dienstleistungen im Cyber-Raum oder der physischen Welt.

Strafverfolgung mit digitalen Hilfsmitteln Um mitzuhalten, müssen Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden fortlaufend und dynamisch auf neueste technologische Entwicklungen reagieren können und Möglichkeiten der digitalen Welt effizient für ihre Arbeit nutzbar machen. Dabei geht es aber nicht nur um technische Lösungen zur Überwachung von Kom-

munikationssystemen und die Identifizierung von Tätern im Cyber-Raum. Ziel der von der Cyber Akademie veranstalteten Klausur war eine umfassende Technologievorschau zur digitalen Kriminalistik. Neben Lagebildern zur CyberKriminalität und Erfahrungsberichten zur Ermittlung und Fahndung im Darknet, wurden auch technische Systeme zur digitalforensischen Untersuchung von mobilen Endgeräten besprochen. Besonderes Augenmerk lag dabei darauf, Arbeitsabläufe durch SoftwareSchnittstellen so zu organisie-

Vertreter aus Polizei- und Justizbehörden diskutieren Potenziale von Künstlicher Intelligenz und Big Data Analytics für die Strafverfolgung. Foto: BS/Feldmann

ren, dass effizient und zuverlässig umfassende Datensätze sichergestellt, analysiert und gerichtsfest archiviert werden können. Ein zentrales Thema waren Lösungen zur Auswertung von komplexen Massendaten zur Beschleunigung digitaler Polizeiarbeit. So wurden Systeme zur Analyse von Kommunikationsverläufen und Beziehungen in Sozialen Netzwerken diskutiert. Sie sollen zum Beispiel helfen, Gefahrenpotenziale im Zusammenhang mit Risikospielen oder anderen Großveranstaltungen frühzeitig einschätzen und polizeiliche Maßnahmen entsprechend anpassen zu können. Ein weiteres Anwendungsszenario war eine IT-gestützte Plattform, auf der z. B. nach einem terroristischen Akt digitale Spuren in Form von Fotos, Videos oder Texten aus verschiedenen Quellen zentral verwaltet, intelligent geordnet und verknüpft werden können. Langfristig sollen solche Systeme auch mit Technologien zur automatisierten Objekt- und Gesichts- sowie Spracherkennung ergänzt werden können. Die nächste Cyber AkademieKlausur findet vom 15. bis 17. Januar 2018 in Würzburg statt.

Strukturen bis hin zur Subversion ein Stück weit mehr Alltag werden. Ob der Vorfall im Deut-

schen Bundestag im direkten Zusammenhang mit der Bundestagswahl steht, werden wir bis September herausfinden. Wer sagt, dass es nicht noch eine andere Kampagne viel näher am Wahltermin geben wird, die noch ganz andere Dinge zutage fördert? Jedenfalls wäre es ein falscher Ansatz, zu denken, dass nach einem Datenverlust nichts mehr getan werden kann, weil das Kind gewissermaßen schon in den Brunnen gefallen ist. Es gibt forensische Technologien, die Opfer solcher Kampagnen durchaus in die Lage versetzen, herauszufinden, woher der Angreifer kam, welche Exploits er genutzt hat und vor allem, welche Daten er infiltriert und abgeschöpft hat. Wenn wir zum Beispiel wüssten, dass die Daten, die aus dem Bundestag abgeflossen sind, für den Ausgang der Bundestagswahl völlig irrelevant sind, würden wir uns deutlich sicherer fühlen. Wenn wir andersherum wüssten, dass sie relevant sind, könnten wir uns deutlich besser vorbereiten, wenn wir zumindest wissen, was es für Daten sind. Ich glaube, dass es in sensitiven Umfeldern und gerade im Behördenbereich eigentlich keinen Grund gibt, nicht in solche Technologien zu investieren. Nach solchen Sicherheitsvorfällen keine Antwort auf die Frage zu haben, welche Daten abgeflossen sind, ist keine Option – egal in welchem Kontext. Behörden Spiegel: Wenn man all diese Bedrohungsszenarien und Angriffspunkte betrachtet, muss man da nicht sagen, dass nichts vor einem Angriff sicher ist? Wie kann man mit so einer Botschaft Sicherheit verkaufen? Hartmann: Man muss sich damit auseinandersetzen, dass es die einhundertprozentige Sicherheit nicht gibt, genausowenig wie es die einhundert Prozent fälschungssichere Banknote gibt. Wenn ich weiß, dass es ein Restrisiko gibt, kann ich mich immer noch mit der Frage auseinandersetzen, ob ich mit dem Risiko leben kann oder ob ich noch einmal eine Extrastufe der Security-Vorkehrung treffen will. Letztendlich muss das jede Organisation, sei es Behörde oder Enterprise, individuell entscheiden. Wichtig ist es, zu verstehen, dass es je nachdem, zu welcher Risikobewertung man kommt, immer Möglichkeiten gibt, über klassische SecurityMaßnahmen hinauszugehen.

Trend Micro Security-Tipp

Der Wert personenbezogener Daten KOLUMNE Udo Schneider, Security Evangelist bei Trend Micro Behörden verarbeiten im täglichen Betrieb große Mengen an personenbezogenen Daten wie Namen, Geburtsdaten und Adressen. Gerade diese personenbezogenen Daten sind für Angreifer eine lohnende Beute. Eine Trend-MicroStudie hat den florierenden Online-Schwarzmarkt für gestohlene Daten analysiert und ihren vergleichsweise hohen Marktwert aufgedeckt: Sie werden gewöhnlich zu einem Preis von einem US-Dollar pro Zeile gehandelt. Deshalb überrascht es kaum, dass personenbezogene Daten

zu den am häufigsten gestohlenen Datensätzen überhaupt gehören. Der Gesetzgeber hat den Wert dieser Daten erkannt Foto: BS/Trend Micro und sie mit der DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) unter Schutz gestellt. Unternehmen müssen bei fehlender Compliance mit Strafen von bis zu 20 Millionen Euro rechnen. Behörden fallen zwar nur zum Teil unter diese Verordnung, sollten aber dennoch in jedem Fall auf den wirkungsvollen Schutz von Mitarbeiter- und Bürgerdaten achten. Eine zeitgemäße IT-Sicherheitsstrategie ist dafür unerlässlich.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / August 2017

Nicht schnell genug

KNAPP Zusammenarbeit ausgeweitet

Berliner Feuerwehr will nur noch eine stadtweite Schutzzone

(BS/Marco Feldmann) Wenn der Notarzt oder der Rettungswagen gerufen wird, ist Eile geboten. In der Bundeshauptstadt sollen Sanitäter innerhalb von acht Minuten vor Ort sein. Doch (BS/mfe) Das bayerische Indie Realität ist eine andere. Zahlreiche Bürger müssen deutlich länger warten. Die Senatsverwaltung für Inneres, Sport und Digitalisierung und die Feuerwehr wissen, dass sie den nenministerium, die LandesAnsprüchen nicht gerecht werden können. Selbst Zielvereinbarungen, die schon von einer hundertprozentigen Erfüllung deutlich abweichen, werden nicht erfüllt. Berlin will reagieren. gruppe des BundesverbanWie es besser geht, zeigt ein Blick in andere Bundesländer. des der Sicherheitswirtschaft

Z

wei Schutzzonen existieren in Berlin. Der Innenstadtbereich und die “dünn besiedelten Regionen”,dieAußenbezirke.Für die Innenstadt gilt die Schutzzielklasse A – in 75 Prozent aller Rettungsdiensteinsätze sollen nach acht Minuten erste geeignete Rettungsmittel eintreffen. So die Definition. Tatsächlich war dies im vergangenen Jahr aber nur bei etwas mehr als jeder dritten Alarmierung (36,7 Prozent) der Fall. Nur wenig besser sieht es in der Schutzzielklasse B aus. 2016 kam nur in 23,8 Prozent der Fälle Hilfe innerhalb der Acht-Minuten-Frist. Diese Diskrepanz zwischen Soll- und Ist-Werten lässt sich dabei wohl nur teilweise mit dem Umstand erklären, dass in Berlin – im Gegensatz etwa zu Flächenländern wie Baden-Württemberg, Niedersachsen oder Sachsen, aber auch konträr zu vergleichbaren Stadtstaaten wie Bremen – die Hilfsfrist bereits mit dem Eingang des Notrufs in der Leitstelle beginnt. Ansonsten wird oftmals die Zeitspanne zwischen der Einsatzeröffnung und dem Eintreffen des ersten geeigneten Rettungsmittels am Notfallort zugrunde gelegt. In Bayern ist sogar erst der Zeitpunkt des Ausrückens gegebenenfalls haftungsrelevant.

In Hamburg keine örtliche Abstufung In Hamburg wiederum ist der Begriff der Hilfsfrist laut Auskunft aus der Innenverwaltung gänzlich unbekannt. Dort ist im Rettungsdienstgesetz nur verankert, dass schnellstmögliche Hilfe zu gewähren sei. Die jeweiligen Soll-Eintreffzeiten der einzelnen Rettungsmittel werden in der Hansestadt in den Kennzah-

ßes Problem sein. Schließlich müsste dafür nur ein Standort, der nach bisherigen Planungen eigentlich geschlossen werden soll, weiterhin besetzt werden. Darüber hinaus müsste nur eine weitere Rettungswache neu geplant werden, um das planerische Schutzziel von acht Minuten zu erreichen.

Feuerwehr soll zusätzliche Stellen erhalten

Die Berliner Feuerwehr hält die Zeitvorgaben im Rettungsdienst nur selten ein. Oftmals sind ihre Kräfte zu langsam und nicht in so vielen Fällen wie eigentlich vereinbart innerhalb von acht Minuten am Einsatzort. Foto: BS/Gaby Stein, pixelio.de

len der Feuerwehr in den jeweils für zwei Jahre aufgestellten Haushaltsplänen konkretisiert. Für Rettungswagen liegt dieser Wert derzeit bei bis zu acht Minuten, für Notärzte bei maximal 15 Minuten. Im Gegensatz zu Berlin existieren in Hamburg auch keine unterschiedlichen Schutzzielklassen.

Keine Probleme im Süden Deutlich besser als Berlin erreicht übrigens der Rettungsdienst in Baden-Württemberg seine Ziele. Dort erreichten in 33 von 34 Rettungsdienstbereichen die ersteintreffenden Rettungsmittel in mehr als 90 Prozent aller Einsätze den Ort des Geschehens innerhalb der Hilfsfrist von 15 Minuten. Die durchschnittlichen Eintreffzeiten 2016 lagen für Rettungswagen sogar bei nur rund sie-

ben Minuten, bei Notärzten bei acht Minuten. Und das obwohl sich die Einsatzzahlen der Rettungswagen im Ländle von rund 909.000 Einsätzen im Jahr 2012 auf 1,063 Millionen im letzten Kalenderjahr erhöht haben. Die Feuerwehr der Bundeshauptstadt will besser werden, auch wenn Landesbranddirektor Wilfried Gräfling warnt: “Unsere Einsatzzahlen steigen weiterhin massiv an. Das ist mit den vorhandenen Ressourcen kaum noch zu bewältigen.” Aber immerhin räumt Innensenator Andreas Geisel (SPD) ein: “Nach wie vor ist die Notfallrettung die größte Herausforderung für die Berliner Feuerwehr.” Um diese zu bewältigen, wurde innerhalb der Feuerwehr eine neue Fahrzeug- und Funktionsverteilung vorgenommen. Sie beruht auf den Ergebnissen

eines Gutachtens zur Versorgungsqualität und Organisation des Rettungsdienstes. Die Expertise beinhaltet einen Paradigmenwechsel. Ihre Autoren schlagen vor, die Schutzzieldefinition zu ändern und die Unterteilung in Schutzzielzonen aufzugeben. Vielmehr empfehlen sie, im Rettungsdienstbereich nur noch ein Schutzziel vorzusehen. Demnach sollten künftig 90 Prozent aller Notfälle innerhalb einer Hilfsfrist von acht Minuten bedient werden können. Und das im gesamten Stadtgebiet.

Nur eine Neuplanung erforderlich Zur Einhaltung dieser Hilfsfrist in sogar 95 Prozent aller Notfälle bedarf es laut Gutachten insgesamt 27 Primärrettungswachen. Diese Zahl zu erreichen, dürfte dabei eigentlich kein gro-

Abhilfe schaffen würde parallel dazu sicherlich auch eine personelle Verstärkung der Berliner Feuerwehr. Und hier ist Licht am Ende des Tunnels, auch wenn das Abgeordnetenhaus dem Entwurf für den Doppelhaushalt 2018/2019 noch zustimmen muss: Für das kommende Jahr sind bei der Behörde 198 neue Stellen vorgesehen, die laut Finanzverwaltung mit Kosten in Höhe von 9,8 Millionen Euro einhergehen. Für 2019 sind es 150 Stellen, die mit Kosten von 7,3 Millionen Euro verbunden sind. Aber nicht nur beim Personal und der Stationierungsplanung von Mitarbeitern und Einsatzmitteln bestehen Anknüpfungspunkte für Verbesserungen. Auch eine Sensibilisierung der Bevölkerung für die Bedeutsamkeit von Rettungsgassen, wie zuletzt durch eine Kampagne in Niedersachsen geschehen, oder eine Verständigung über eine einheitliche Berechnung der Hilfsfrist wären hilfreich. Hier könnte dem Arbeitskreis fünf der Innenministerkonferenz (IMK) eine entscheidende Rolle zukommen. Dort war das Thema aber offenbar noch kein Gegenstand von Beratungen, obwohl sich das Gremium eigentlich mit Angelegenheiten der Feuerwehren und des Rettungswesens beschäftigt.

(BDSW) im Freistaat und der Bayerische Verband für Sicherheit in der Wirtschaft haben ihre seit zwei Jahren bestehende Kooperationsvereinbarung neu aufgelegt und auf ganz Bayern ausgeweitet. Bisher gab es nur Pilotprojekte in den Ballungsgebieten München und Nürnberg. Die Zusammenarbeit bezieht sich vor allem auf den Informationsaustausch, die Hilfe bei Öffentlichkeitsfahndungen im Einzelfall sowie die Errichtung einer zentralen Leitstelle, deren Mitarbeiter als Ansprechpartner für die Polizei fungieren sollen. Die Kräfte der privaten Sicherheitsdienstleister werden dabei grundsätzlich nur polizeiunterstützend tätig und erhalten keine zusätzlichen Befugnisse.

Rühle folgt auf Kneip (BS/por) Vizeadmiral Joachim Rühle ist neuer Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr im Verteidigungsministerium (BMVg) und Beauftragter für Reservistenangelegenheiten. Er trat 1978 in die Marine ein und war u. a. Kommandant des Zerstörers “Mölders”. Von 2008 bis 2010 war Admiral Rühle als Unterabteilungsleiter für Personal, Sozial- und Zentralangelegenheiten bereits im BMVg tätig. Zwischen 2010 und 2012 war er Direktor am Allied Joint Force Command der NATO in Neapel. Zuletzt war Admiral Rühle Abteilungsleiter “Personal” im BMVg und damit für die Gewinnung, Einstellung und Führung aller Angehörigen der Bundeswehr zuständig. Rühle ist Nachfolger von General Markus Kneip, der seit Mitte Juli Chef des Stabes im NATO-Hauptquartier (SHAPE) in Belgien ist.

13. Europäischer Katastrophenschutzkongress

www.civil-protection.com

19.– 20. September 2017

ANDEL’S HOTEL IN BERLIN

SAVE THE DATE Der Europäische Katastrophenschutzkongress: Dieser Kongress ist eine internationale Fachkonferenz, welche die verschiedenen Entscheidungsträger und Akteure des nationalen, europäischen und internationalen Katastrophenschutzes über die aktuellsten Entwicklungen informiert. Der Kongress fördert den aktiven Dialog zwischen Behörden, Universitäten und Experten aus dem Katastrophen- und Zivilschutz. Jährlich ist diese Konferenz Treffpunkt für 800 Teilnehmer aus mehr als 20 Nationen. Gemeinsam diskutieren sie über Entwicklungen, vertiefen Kooperationen und schaffen Netzwerke.

Themen 2017 sind u.a.: » Resilienz » Ehrenamt » Humanitäre Hilfe » Drohnen und Roboter » Aus- und Weiterbildung » Tunnelsicherheit » Geodaten » Schutz Kritischer Infrastrukturen

Fotos: ©larshallstrom, fotolia.com; Dombrowsky

DI / MI


Innere Sicherheit

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ehörden Spiegel: Nach den heftigen Krawallen beim G20-Gipfel in Hamburg: Welche Maßnahmen müssen jetzt ergriffen werden?

Mayer: Wir brauchen in Deutschland eine breitere Debatte über den Linksextremismus. Das Bundesfamilienministerium muss hier deutlich mehr Präventionsprogramme auflegen. Es kann nicht angehen, dass bisher nur ein Prozent aller Gelder des Ministeriums in Projekte gegen Linksextremismus fließen. Das Phänomen des Linksextremismus wurde hierzulande von Teilen der SPD und den Grünen sowie von der gesamten Linkspartei viel zu lange verharmlost und relativiert. Das muss aufhören: Die Politik des Wegschauens muss beendet werden. Extremismus ist Extremismus und Gewalt ist Gewalt, egal ob von rechts, von links oder islamistisch motiviert. Behörden Spiegel: Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie noch aus den Ereignissen von Hamburg? Mayer: In Hamburg gab es massive, entfesselte Gewaltexzesse. Diese hätten zum Teil vermieden werden können, wenn linksextremistische Zentren, wie etwa die “Rote Flora”, vorher geschlossen worden wären. Es darf in Deutschland keine rechtsfreien Räume geben, weder in Hamburg noch sonst wo auf deutschem Bundesgebiet. Nach Hamburg benötigen wir dringend eine europaweite Datenbank über Linksextremisten. Außerdem kommt es darauf an, ein Musterversammlungsgesetz auf den Weg zu bringen. Hierin muss dann ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot bei Demonstrationen in allen Landesversammlungsgesetzen als Straftat festgeschrieben werden. Gegenteilige Bemühungen, beispielsweise vom niedersäch-

Schärfer gegen Linksextreme vorgehen Radikale hierzulande zu lange belächelt und unterschätzt (BS) Er beklagt eine jahrelange Verharmlosung des Linksextremismus in Deutschland. Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, plädiert deshalb für mehr vorbeugende Maßnahmen in diesem Phänomenbereich. Außerdem ist der CSU-Politiker der Meinung, dass die Gewalt im Rahmen der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg hätte minimiert werden können, wenn linksextremistische Treffpunkte vorher geschlossen worden wären. Das Interview führten R. Uwe Proll und Marco Feldmann. sischen Innenminister Boris Pistorius, das Vermummungsverbot nur noch als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen, sind vollkommen abwegig und kontraproduktiv.

Immer weniger Einnahmen Zugleich schrumpfen aber auch die Einnahmen. Die Haupteinnahmequellen des Daesh waren zum einen das Öl- und Phosphorgeschäft und zum anderen die Ausbeutung der Bevölkerung durch “Steuern” und eine Vielzahl von Gebühren. Einmalige Einnahmen wie zum Beispiel die Einlagen erbeuteter Banken sind inzwischen verpufft. Durch gezielte Luftangriffe auf Ölfelder, Raffinerien, Öllager, Pipelines und andere Produktionsstätten droht die wichtigste Einnahmequelle zu versiegen. Einst generierte der Daesh täglich allein daraus 1,6 Millionen US-Dollar. Mit dem Verlust der as-Sawwanah-Phosphormine kamen der Terrororganisation jährliche Einnahmen in Höhe von 250 Millionen US-Dollar abhanden. Das Geschäft mit Antiquitäten ist zwar professioneller geworden, jedoch auch deutlich zurückgegangen. Durch die Ver-

“Es gab partielle Fehlleistungen, aber beileibe kein komplettes Staatsversagen.”

Behörden Spiegel: Hat die Hamburger Polizei Fehler bei der Absicherung des G20-Gipfels gemacht? War der Staat dort überfordert? Mayer: Alle dort eingesetzten Polizeibeamtinnen und -beamten haben meinen größten Respekt. Sie haben unter widrigsten Bedingungen eine herausragende Leistung gezeigt. Ich sehe es im Nachgang als wesentlich wichtiger an, die politische Dimension dieser schrecklichen Gewaltexzesse aufzuarbeiten, als den Polizeieinsatz im Detail zu kritisieren. Ein Staatsversagen sehe ich beileibe nicht. Behörden Spiegel: Gab es denn in anderen Situationen in der jüngeren Vergangenheit – etwa beim “Nationalsozialistischen Untergrund”, bei der Kölner Silvesternacht im Fall Anis Amri oder bei der Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main – ein Staatsversagen? Mayer: Mit diesem Begriff wäre ich vorsichtig, denn prinzipiell ist Deutschland ein sehr sicheres Land. Natürlich gab es in diesen Fällen massive Ausschreitungen oder Fehler einzelner Behörden. Zugleich gilt jedoch auch: So-

Hält schärfere Maßnahmen gegen Linksextremisten für erforderlich und die Schleierfahndung für ein effektives Instrument: Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher von CDU und CSU im Deutschen Bundestag. Zudem plädiert er für einen weiteren Personalaufbau bei den deutschen Polizeien. Foto: BS/Dombrowsky

wohl der Anschlag am Berliner Breitscheidplatz als auch die Mordserie des “Nationalsozialistischen Untergrunds” wären vermeidbar gewesen, wenn die Behörden besser zusammengearbeitet hätten und es eine bessere Koordinierung gegeben hätte. Es gab partielle Fehlleistungen, aber beileibe kein komplettes Staatsversagen. Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie das Instrument der Schleierfahndung? Sollte diese Methode bundesweit Anwendung finden? Mayer: Die Schleierfahndung ist, wie Bayern sehr eindrucksvoll zeigt, ein erfolgreiches und bewährtes Ermittlungsinstrument. Ich unterstütze auch

nachdrücklich die Forderung des Präsidenten der Bundespolizei, Dr. Dieter Romann, die Schleierfahndung in alle Polizeiaufgabengesetze in Deutschland mit aufzunehmen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass beispielsweise die Länder Berlin und Bremen nach wie vor darauf verzichten. Behörden Spiegel: Die neue nordrhein-westfälische Landesregierung aus CDU und FDP hat die Schleierfahndung im Koalitionsvertrag ausgeschlossen. Es soll eine anlassbezogene Fahndung stattfinden können, aber keine verdachtsunabhängige. Reicht das? Mayer: Klar, selbstverständlich ist das Vorhaben der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, die anlassbezogene, strategische Fahndung einzuführen, ein deutlicher Fortschritt. Dennoch wäre es wünschenswert, dass im bevölkerungsreichsten Bundesland – mit zwei langen Außengrenzen zu Belgien und zu den Niederlanden – auch verdachtsunabhängig und lageabhängig die Schleierfahndung durchgeführt wird. Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie angesichts dieser verbesserungswürdigen Kooperation die Arbeit des Gemeinsamen

Terrorabwehrzentrums (GTAZ)? Mayer: Das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum hat sich im Grundsatz in den letzten zehn Jahren seit seiner Einführung bewährt. Es muss jedoch hinsichtlich der Qualität seiner Arbeit fortentwickelt werden. Dafür müssen unter anderem klare Zuständigkeiten für einzelne Gefährder und Gefährdungssachverhalte geschaffen werden. Ferner muss das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum die Befugnis eingeräumt bekommen, verbindliche Entscheidungen zu treffen, an die sich alle beteiligten Behörden – sei es im Bund oder in den Länder – dann auch halten.

Behörden Spiegel: 60.000 Polizisten scheiden in den kommenden fünf Jahren altersbedingt aus dem Dienst aus. Müssen

(BS/Uwe Kranz) Mit jeder militärischen Niederlage verliert der Daesh Teile seines “Staatsgebietes”, seines “Staatsvolkes” und damit wesentliche Elemente seines “Staatshaushaltes”. Dabei galt er einst als reichste Terrororganisation der Welt. Sein Wert wurde 2014 mit über zwei Milliarden US-Dollar angegeben.

treibung insbesondere aus den größeren Städten – wie etwa Ramadi, Tikrit, Erbil, Mossul, Manbij oder Palmyra – versiegt auch der zweite wesentliche Einnahmestrom drastisch. Steuern und Gebühren summierten sich im Jahre 2015 auf circa 800.000 US-Dollar. Mit dem Rückzug aus den besetzten Gebieten verliert der Daesh den Zugriff auf seine einst acht Millionen Menschen, die er sich als sein “Staatsvolk” unterwarf. Derzeit bleiben ihm gerade mal ein paar Hunderttausend, die er noch ausbeuten kann. Bleiben noch die Einnahmequellen aus dem ökonomischen Dschihad. Dazu gehören unter anderem Erlöse aus Drogenhandel, Produktpiraterie, Umsatzsteuerbetrug, Zigarettenschmuggel und illegalem Antiquitätenhandel. Hinzu kommt das altbewährte Kidnapping.

Exakte Trennung schwierig Es fällt meistens schwer, eine klare Trennlinie zwischen islamistischen Terroristen, Kriminellen, Piraten oder Schleppern zu ziehen, wenn man versucht, das Thema Kidnapping und Erpressung von Lösegeld zu analysieren. Als 2003 die Salafistengruppe

für Predigt und Kampf (GSPC), eine Untergruppe der algerischen “Groupe Islamique Arme (GIA)”, auf einen Schlag 32 Europäer entführte, erzielte der Anführer, der einäugige Algerier Mokhtar Belmokhtar von den betroffenen EU-Staaten ein Lösegeld von 5,5 Millionen Euro. Wegen seiner Führungsrolle im Zigarettenschmuggel hat er übrigens den Spitznamen “Mr. Marlboro”. Damit finanzierte er den Auf- und Ausbau der al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM), dem nach Expertenschätzungen schon damals monatliche Kosten für Waffen, Fahrzeuge und Sozialleistungen für die Familien seiner Kämpfer (Kata‘ib) in Höhe von zwei Millionen US-Dollar erwuchsen. Die GIA nahm in der Folge zwischen 2003 und 2011 Lösegelder in Höhe von 165 Millionen US-Dollar ein. Die KidnappingIndustrie in der Sahelzone wurde für die gesamte al-Qaida richtungsweisend. Die Finanzierungsquelle Lösegeld wurde als das “Protokoll von AQIM” in die Richtlinien der al-QaidaZentrale in Afghanistan aufgenommen und von der ganzen dschihadistischen Welt kopiert. Von 2012 bis Ende 2014 übernahm auch der Daesh das Geschäftsmodell, obwohl die 25 Geiseln, die in dieser Zeit genommen wurden, gerade mal ein Lösegeld zwischen 60 und 80 Millionen erbrachten. Im Ver-

Mayer: Weniger Polizei darf es keinesfalls geben. Wir brauchen nicht weniger, sondern dringend mehr Polizisten in Deutschland. Meine Partei – die CSU – fordert deshalb auch mindestens 15.000 neue Stellen in den kommenden vier Jahren bei der Bundes- und den Landespolizeien. Eines steht aber auch fest: Noch nie wurden so viele neue Stellen bei der Bundespolizei – nämlich 7.500 – geschaffen wie in dieser Legislaturperiode. Wir haben also einen großen Teil der Hausaufgaben bereits erledigt. Zugleich bin ich jedoch der Auffassung, dass auch einige rotgrüne Landesregierungen ihre Polizeien deutlich stärken müssen. Sie haben sich in den vergangenen Jahren einen schlanken Fuß bei der Ausstattung ihrer Polizei und damit bei der Gewährleistung der Inneren Sicherheit in ihrem Land gemacht. Behörden Spiegel: Einige Polizeibehörden hierzulande haben Probleme, eine ausreichende Anzahl an Bewerbern zu finden, um alle offenen Stellen besetzen zu können. Müssen die Einstellungsvoraussetzungen abgesenkt werden?

Mayer: Bei Eignung und Qualität der Anwärter für den Polizistenberuf dürfen keine Abstriche gemacht werden. Deshalb Mayer: Nein, das war bisher dürfen die Einstellungsvoraussetzungen keinicht der Fall nesfalls abgeund würde auch “Weniger Polizei darf senkt werden. künftig nicht der Fall sein. es keinesfalls geben.” Das müssen alle Bundesländer Worauf es doch beherzigen. Das ankommt, ist, dass es seine wichtige Aufgabe hohe Ansehen, das die Polizei in künftig noch besser wahrneh- unserem Land genießt, dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. men kann.

Terrormiliz gehen die Einnahmequellen verloren

Serie TERRORZIELE (TEIL 11)

sich die Bürger – entgegen allen politischen Ankündigungen – auf weniger Polizei einstellen?

Behörden Spiegel: Braucht das GTAZ dafür eine gesetzliche Grundlage?

Daesh im Niedergang

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016 schätzte man seine jährlichen Kosten für Sold und Gehälter, Lebensunterhalt und Sozialdienste, Reisen und Ausbildung, Bewaffnung und Operationen sowie Werbung und Public Relations noch auf zwischen 500 und 800 Millionen US-Dollar. Diese Zahl dürfte inzwischen deutlich geschrumpft sein. Denn: Immer mehr seiner Kämpfer sind gefallen, gefangen genommen worden oder desertiert. Außerdem kommen immer weniger ausländische Kämpfer in das Terrorreich. Im ersten Halbjahr 2016 waren es laut Angaben der Vereinten Nationen nur noch 50, Tendenz weiter fallend.

Behörden Spiegel / August 2017

re Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. Im Gegensatz zu der in der westlichen Medienwelt üblichen schwarz-weißZeichnung und Foto: BS/Dombrowsky Simplifizierung des syrischen Bürgerkrieges gleich zu den Einnahmen aus sind sowohl die Öl, Phosphor und Steuern sowie Assad-Fraktion als auch ihre Gebühren sind diese Einnah- Gegner höchst komplexe, zum men geradezu marginal. Gleich- Teil widersprüchliche, verworzeitig sind sie aber eben auch rene Konstellationen, die man leicht einzutreiben. kaum zu durchschauen vermag. Ein Knäuel verschiedensUnterschiedliche Gruppen im ter Gruppierungen temporärer Visier oder partieller Allianzen oder Entführungen boomen zu- persönlicher Beziehungen krimeist in Regionen, wo staatliche mineller Gangs. Und alle waren Strukturen zusammenbrechen, und sind mehr oder weniger in wie zum Beispiel in Syrien, im dem Kidnapping-Geschäft tätig. Irak oder in Libyen. Gleiches gilt für Staaten, in denen die Kein einheitliches Regierungshandeln Wirtschaft extrem prosperiert. Das ist etwa in China der Fall. Die Regierungen der EntfühIn Syrien waren es unmittel- rungsopfer machten es den Kidbar nach Ausbruch des Bürger- nappern oft auch allzu leicht, krieges vor allem einheimische denn es gibt kein einheitliches Unternehmer und Geschäfts- Reaktionsmuster: Einige Staaleute, die entführt wurden, um ten verhandeln selbst und zahdie Aufständischen zu bezah- len Lösegelder in Millionenhöhe, len. Auch Sicherheitskräfte des andere legen das KrisenmanaAssad-Regimes beteiligten sich gement in die Hände professian diesem Nebenerwerb. Später oneller Organisationen. Diese waren es eher die naiven be- machen niemals Unterschiede ziehungsweise risikofreudigen zwischen den entführten Perausländischen Journalisten, sonen, scheuen jegliche Öffenthumanitäre Helfer oder ande- lichkeitsarbeit, um die Preise Die Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staates steht vor riesigen Problemen, meint Uwe Kranz. Der Terrorexperte des Behörden Spiegel sieht zahlreiche Einnahmequellen der Organisation versiegen.

Das vollständige Interview lesen Sie auf www.behoerden spiegel.de, Stichwort “Linksextreme”.

nicht in die Höhe zu treiben und zahlen in der Regel nie Lösegeld. In dieser Branche gilt die Erkenntnis: Solange man die Bären füttert, werden sie zurück ins Lager kommen.

Phänomene eng verknüpft Die Entführer in West- und Ostafrika waren die Wegbereiter dieser globalen KidnappingIndustrie. Die Lösegeldsummen in Ostafrika und auf den Philippinen explodierten von 2005 bis 2012 von einigen Hunderttausend Dollar auf durchschnittlich fünf Millionen US-Dollar pro Geisel. In Somalia brachte die Piraterie mehr als 200 Millionen US-Dollar ein, bevor die internationale Staatengemeinschaft dagegen einschritt, die Handelsfirmen ihre Routen änderten und Versicherungsgesellschaften bewaffneten Schutz anboten. Kidnapping und Menschenhandel verschmelzen zunehmend, bedingen sich zuweilen sogar. Ihr Geld verdienen sich die ostafrikanischen Piraten nun eher mit dem Menschenschmuggel nach Jemen und in die arabischen Staaten. Die AQIM-Kollegen wurden zu Schleppern der westafrikanischen Migranten nach Europa. Angesichts der rund eine Million in Libyen wartenden Migranten ein lukratives Feld. Im syrisch-irakischen Raum wird eine deutliche Zunahme von Entführungen zu befürchten sein. Das dürfte insbesondere der Fall sein, weil mit dem Abzug der offiziellen DaeshBesatzungsmacht ein Zufluss humanitärer Unterstützer, Rekonstruktionshelfer und Journalisten einhergehen wird.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / August 2017

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Landesbestimmungen harmonisieren

Falsch eingeschätzt

Musterpolizeigesetz soll Differenzen zwischen Bundesländern ausgleichen

Britischen Blaulichtorganisationen droht Funkstille

(BS/mfe) Die Diskussion um ein Musterpolizeigesetz ist voll entbrannt. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) fordert, dort Regelungen (BS/Gerd Lehmann) Bei der Einführung des neuen auf Breitbandkomzur elektronischen Fußfessel, zu Aufenthaltskontrollen und zum Umgang mit Daten festzuschreiben (Behörden Spiegel, Juli 2017, Seite 38). Anderen munikation ausgelegten Funksystems (ESN) der britischen Blaulichtorgeht es schlicht um eine Vereinheitlichung des bei länderübergreifenden Einsätzen anzuwendenden Polizeirechts. ganisationen droht ein Fiasko. Wenn keine Lösung für einen weiteren Betrieb des von der Polizei, der Feuerwehr und den Rettungsdiensten lichung, etwa hinsichtlich des Aufenthaltsüberwachung für ei- bislang erfolgreich und mit hoher Akzeptanz genutzten TETRA-Netzes All diese differierenden Wünanzuwendenden Polizeirechts nen Punkt, der im Entwurf eines über den März 2020 hinaus gefunden wird, herrscht Funkstille. Das ESN sche und Forderungen soll nun bei länderübergreifenden Ein- Musterpolizeigesetzes enthalten wird frühestens Ende 2020 zur Verfügung stehen. eine länderoffene Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesinnenministeriums (BMI) kanalisieren und in Einklang miteinander bringen. Mit ihrer Einrichtung wurde der Arbeitskreis zwei der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) beauftragt. Ziel ist es laut Beschlussprotokoll der letzten IMK-Tagung in Dresden, “hohe gemeinsame gesetzliche Standards und eine effektive Erhöhung der öffentlichen Sicherheit zu erreichen.”

Vereinheitlichung angemahnt Um eine Harmonisierung geht es auch dem ehemaligen Staatssekretär im brandenburgischen Innenministerium und ehemaligem Leitenden Polizeidirektor, Hans-Jürgen Hohnen. Er sagte dem Behörden Spie-

Der frühere Staatssekretär im Potsdamer Innenministerium, Hans-Jürgen Hohnen, kritisiert das fortschreitende Auseinanderdriften der Polizeigesetze der Länder. Hier könnte ein Musterpolizeigesetz für Abhilfe sorgen, meint er. Foto: BS/Dombrowsky

gel: “Ich begrüße, dass sich die Polizeien damit strategisch aufstellen. Ein Musterpolizeigesetz sollte als Orientierung für die Länder eine Vereinheit-

sätzen, herbeiführen.” Dies sei auch zwingend notwendig, meint Hohnen. Denn: “Derzeit laufen die einzelnen Landespolizeigesetze immer weiter auseinander.” Das erkenne man zum Beispiel an den differierenden Bestimmungen in Bezug auf die erlaubte Dauer der Ingewahrsamnahme, im Hinblick auf die Regelungen zur Zulässigkeit der Schleierfahndung oder bezüglich der Festschreibung der von der Polizei zu verwendenden Waffen. Hier wird der ehemalige Staatssekretär deutlich: “Es bedarf einer Kompatibilität all dieser Regelungen.”

Rechtsrahmen für Datenübermittlung setzen Darüber hinaus hält auch Hohnen Bestimmungen über die Nutzung der elektronischen

sein sollte. Als ebenfalls angebracht erachtet er Regelungen zum Gebrauch von Kennzeichenlesesystemen und intelligenter Videobeobachtungstechnik. Zudem mahnt er: “In dem neuen Mustergesetz sollte der Rechtsrahmen zur Übermittlung von Informationen aus polizeilichen Datenbeständen an private Sicherheitsdienstleister festgelegt werden.” Aus seiner Sicht sollten bewaffnete Mitarbeiter solcher Unternehmen, die an Atomkraftwerken oder anderen Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) ihren Dienst versehen, unter anderem Zugang zu polizeilichen Fahndungssystemen erhalten. Und noch etwas ist Hohnen wichtig: “Auch die ITInfrastrukturen der deutschen Polizeibehörden müssen harmonisiert werden.”

Nur selten ohne Mindestgröße Zahlreiche Polizeien verlangen gewisse körperliche Länge von Bewerbern (BS/mfe) Kleinere Menschen haben es oft schwer. Zumindest, wenn sie Polizeivollzugsbeamte werden möchten. Denn: In fast allen Bundesländern müssen sowohl männliche als auch weibliche Bewerber auf einen Anwärterposten eine Mindestkörpergröße aufweisen. Nur bei der Bundespolizei, sowie in Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Brandenburg ist das nicht der Fall. Dort entscheidet sich die Frage der Polizeidiensttauglichkeit und damit auch die der Einstellung in den Vorbereitungsdienst ausschließlich anhand der Ergebnisse der polizeiärztlichen Untersuchung sowie den Resultaten des Sporttests. In allen übrigen Bundesländern werden zu kleine Interessenten erst gar nicht zu diesen Prüfungen und Medizinchecks eingeladen.

Zum Teil unterschieden zwischen Geschlechtern Teilweise wird – was die mindestens zu erreichende Körpergröße anbetrifft – auch nochmals zwischen den Geschlechtern differenziert. Dies ist etwa in Berlin der Fall. Hier müssen männliche Bewerber mindestens 165 Zentimeter groß sein, bei Frauen reichen 160 Zentimeter. Auch im Saarland wird diese Unterscheidung vorgenommen. Dort müssen Männer mindestens 1,65 Meter Körperlänge aufweisen, weibliche Interessenten 1,62 Meter. Und in Nordrhein-Westfalen sind es 168 Zentimeter für Männer und 163 Zentimeter für Frauen. Gerechtfertigt wird dieses Mindestmaß dort mit Untersuchungsergebnissen. Diese

V

on betriebswirtschaftlichen Analysen über die Organisation sämtlicher Geschäftsabläufe am Aufstellort bis hin zur Steuerung und Kontrolle des Geldumlaufs bietet die Vernetzung alles, was für ein professionelles Management benötigt wird. Direkt vor Ort, unterwegs oder von anderen Aufstellorten aus, sind diese Informationen für den Aufstellunternehmer jederzeit und überall einsehbar. Neben Sicherheit und Kontrollierbarkeit spielt für jeden Unternehmer auch die Summe des gebundenen Kapitals eine große Rolle. “So wenig wie möglich, so viel wie nötig” lautet hier das Motto. MerkurNET bietet die ideale Optimierung von internen Bargeldkreisläufen. Dies geschieht über einen Geldwechsler in der jeweiligen Spielstätte. Mittels Vernetzung können Bargeldbestände vor Ort relativ gering gehalten werden, während man sich gleichzeitig auf die interne

zeigten, dass ab einer Körpergröße von 1,63 Meter gesichert von einer dauerhaften Polizeidiensttauglichkeit und -fähigkeit für die ganz überwiegenden Aufgabenbereiche der Landespolizei ausgegangen werden könne. Maximalgrößen gibt es übrigens weder bei der Bundes- noch bei den Landespolizeien.

ESN erst 2020 fertig

Zu alt darf niemand sein Unterschiede zwischen den verschiedenen Polizeibehörden in der Bundesrepublik gibt es auch in Bezug auf das maximal zulässige Alter, in dem ein Bewerber noch in den Vorbereitungsdienst eingestellt wird. Und auch hier existiert zum Teil eine nochmalige Differenzierung zwischen dem mittleren und dem gehobenen Dienst. So akzeptiert zum Beispiel die Bundespolizei für den mittleren Dienst im Regelfall nur Interessenten, die nicht älter als 27 Jahre sind. Für die Aufnahme in den gehobenen Dienst gilt normalerweise: Bewerber dürfen am Tag der Einstellung nicht älter als 33 Jahre sein. In Brandenburg gelten Regelaltersgrenzen von 26 für den mittleren und 32 Jahren für den gehobenen Dienst.

Die Entscheidung, das TETRANetz des Betreibers Airwave (seit Dezember 2015 Motorola Solutions) nach Auslaufen der Verträge zwischen 2016 und 2020 abzulösen, war eine Folge der vom Cameron-Kabinett im Jahr 2010 beschlossenen umfangreichen Sparmaßnahmen zur Senkung der Staatsausgaben und Erhöhung der Investitionen des privaten Sektors. Das Home Office unter Führung von Theresa May, der heutigen Premierministerin, strich nicht nur 17.000 Planstellen bei der Polizei, sondern auch 20 Prozent des Etats für die Innere Sicherheit. Dabei identifizierten Home und Cabinet Office die AirwaveVerträge als eine potente Einsparquelle. Bei Nutzung eines kommerziellen Mobilfunknetzes mit 3G-/4G-Service-Fähigkeiten erwarteten sie eine Einsparung von rund 280 Millionen Pfund pro Jahr. Dieses Ergebnis ließ alle Probleme und Risiken in den Hintergrund treten. Die Innere Sicherheit des Landes und die gesamte Zukunft der Notfalldienste wurden auf einen simplen Drei-Wort-Slogan reduziert: “Billiger, besser, intelligenter”.

In fast allen Bundesländern müssen angehende Polizeivollzugsbeamte eine Mindestkörpergröße aufweisen. Ansonsten werden sie nicht in den Vorbereitungsdienst aufgenommen. Teilweise wird diesbezüglich auch nochmals zwischen Männern und Frauen differenziert. Foto: BS/JouWatch, CC BY-SA 2.0, flickr.com

Keine Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Laufbahnen im Hinblick auf ein Höchstalter nehmen schließlich unter anderem Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Thüringen, Hamburg und Niedersachsen vor. So haben die Kabinette in Schwerin und Hamburg etwa ein einheitliches Regel-Maximalalter von 34 Jahren festgelegt. In Niedersachsen liegt dieses etwas niedriger, bei 32 Jahren. In Thüringen wiederum wurde es leicht höher

fixiert, bei 35 Jahren. Am flexibelsten zeigt sich in diesem Zusammenhang schließlich das Land Bremen. In der dortigen Polizeilaufbahnverordnung ist grundsätzlich kein Höchstalter für die Einstellung in den Vollzugsdienst vorgesehen. Es gibt nur eine Einschränkung und diese ist in der Landeshaushaltsordnung zu finden: Demnach dürfen Beamte erstmalig ernannt werden, wenn sie das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Das Emergency Services Mobile Communications Program (ESMCP) für das neue Funksystem der Notfalldienste startete im Laufe des Jahres 2011. Nach Ablauf der üblichen Prozesskette – bestehend aus Bieterkonferenzen, öffentlichen Konsultationen und Ausschreibung – erfolgte die Auftragsvergabe für das Gesamtprojektmanagement nach langwierigen Verhandlungen im Mai 2015 an Kollog Brown und Root. Der Auftrag zur Systemintegration ging an Motorola Solutions, der für die Bereitstellung des Mobilfunknetzes an das Unternehmen EE Ltd.. Das Einsparpotenzial gegenüber einer Weiternutzung des TETRA-Netzes war inzwischen auf eine Milliarde Pfund in 15 Jahren geschrumpft. Außerdem verzeichnete das Projekt zu diesem Zeitraum bereits eine Verspätung von fast zwei Jahren. Das angestrebte Ziel, das ESN im Juli 2018 in Betrieb nehmen zu können, war nicht mehr erreichbar. Als neues Zieldatum galt fortan der Dezember 2019. Inzwischen ist die Erkenntnis gewachsen, dass das ESN frü-

Smart organisieren, strukturieren und optimieren Die sichere Vernetzung für Geldspielgeräte (BS/Rüdiger Schink*) Ob Kassierungen, Wirteabrechnungen, Bargeldkreisläufe, Datenauslesungen, Gerätefunktionen, Personalpläne – die smarte Vernetzungssoftware MerkurNET bietet neben all dem ein Höchstmaß an Sicherheit. Das von der adp Gauselmann GmbH entwickelte MultiManagement-Talent verarbeitet alle wichtigen Daten und Informationen von Geldspielgeräten in den Bereichen Spielstätte und Gastronomie und optimiert darüber hinaus die kompletten Arbeitsabläufe. Selbstversorgung für Auffüllungen verlassen kann. Kassierung und Auffüllungen werden einfach auf einen Hauptwechsler beschränkt, der wiederum durch MerkurNET überwacht und gesteuert wird. Das Handling für entsprechende Buchungsvorgänge im MerkurNET bzw. am Wechsler ist anwenderfreundlich, transparent und sicher konzipiert. Wer MerkurNET einsetzt, kann bei Ausschöpfung nicht benötigter Geldbestände aus den Geldspielgerätekassen sämtliche Kassierungen über einen einzigen Geldwechsler abwickeln. Die Sicherheit steht dabei immer im Fokus.

Auch für die Aufstellung in der Gastronomie bietet MerkurNET ideale Lösungen, um von einem zentralen Office aus alle wichtigen Konfigurationen zu überwa-

Serviceeinstellungen, die der Techniker direkt am Gerät ausführen kann, sind mittels Vernetzung von jedem Ort aus möglich. Foto: BS/adp Gauselmann GmbH

chen, zu steuern und zu verwalten. Ob es um die Freischaltung von neuen Spielen geht, die Auswertung von Statistiken oder den Abruf von technischen Daten. Störungen und auch eventuelle Manipulationen am Geldspielgerät können direkt vom Geldspielgerät über die Vernetzung gemeldet werden. Der Betreiber erhält im Bedarfsfall bei der Erkennung einer Manipulation eine SMS und kann sofort reagieren und umgehend entsprechende Maßnahmen einleiten. MerkurNET ermöglicht es, sämtliche Geräte jederzeit und von überall zu kontrollieren. Im Rahmen der Zulassung können

hestens im Herbst 2020 fertiggestellt werden kann. Es gilt noch eine Reihe technischer Herausforderungen zu überwinden.

Noch viel zu tun Die EE Ltd. muss die Abdeckung und Widerstandsfähigkeit ihres 4G-Netzes deutlich erhöhen. Eine Lösung für die Funkversorgung der Londoner U-Bahn muss noch gefunden werden. Darüber hinaus sind noch Handsprechfunk- und Fahrzeugfunkgeräte für die Notfalldienste zu entwickeln, die mit dem Netz zusammenarbeiten. Unbeschadet dessen sind umfangreiche Tests des ESN und aus Sicherheitsgründen schließlich auch noch ein Parallelbetrieb mit dem TETRANetzwerk solange erforderlich, bis das ESN die geforderte Funktionalität und Stabilität erreicht hat.

Regierung in schlechter Position Anfang des Jahres teilte Vodafone UK nun mit, seinen für den Betrieb des TETRA-Netzwerkes unerlässlichen Core Network Time Division Multiplexing (TDM)-Service im März 2020 auf IP-Basis umzustellen. Mit dem IP-basierten Dienst ist das TETRA-Netzwerk aber nicht betreibbar. Eine entsprechende Modernisierung des TETRANetzwerkes kostet nicht nur Zeit, sondern erfordert auch weitere Investitionen in Höhe von geschätzten rund 500 Millionen Pfund, die zusätzlich zu den 368 Millionen Pfund jährlichen Kosten bei einer Verlängerung der Airwave-Verträge zur Verfügung gestellt werden müssten. Über eine Lösung wird seither nachgedacht und verhandelt. Um die Verhandlungsposition der britischen Regierung steht es aber schlecht. Ein Deal mit Vodafone, die Umstellung des Core Networks bis zur Inbetriebnahme des ESN zu verschieben, ist nicht zum Null-Tarif zu haben. Dennoch muss eine Lösung, kostet es was es wolle, gefunden werden. Eine Lücke in der Funkversorgung der Polizei, Feuerwehren und Rettungsdienste ist nicht hinnehmbar. Die britische Regierung ist Opfer ihrer eigenen Form von Optimismus geworden. Sie hat alle Warnungen auch des National Audit Offices in den Wind geschlagen.

beispielhaft einzelne Spiele abgeschaltet werden, um auch so Manipulationen vorzubeugen. Alle Servicefeinstellungen, die der Techniker direkt am Gerät ausführen kann, sind mittels der Vernetzung auch aus der “Ferne” möglich. Kassierungen bzw. Auslesungen von Geldspielgeräten können auf Knopfdruck ausgeführt werden, wobei alle originalen Daten auf einer gesicherten Plattform abgelegt werden und somit in elektronischer Form immer zur Verfügung stehen. MerkurNET ist das ideale Instrument in Puncto Sicherheit für einen Spielhallenbetreiber. Weitere Informationen zu MerkurNet erhalten Sie unter der Email-Adresse rschink@gauselmann.de. *Rüdiger Schink ist Unternehmensbeauftragter für Gerätesicherheit bei der adp Gauselmann GmbH


Innere Sicherheit

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ViVA NRW bereitet Frust

B

eweggrund für die Ablösung waren insbesondere häufige Systemstörungen und -ausfälle des in die Jahre gekommenen IGVP. Nach einer umfänglichen Sichtung von in anderen Bundesländern eingesetzten Systemen und Durchführung eines Vergabeverfahrens wurde das neue Verfahren schließlich 2013 projektiert und beauftragt. Es basiert im Wesentlichen auf dem von der Berliner Polizei seit 2005 genutzten Verfahren “Polizeiliches Landessystem für Information, Kommunikation und Sachbearbeitung” (POLIKS), bei dem Vorgangsbearbeitung und Informationsaustausch miteinander verknüpft sind.

Verspätet in Wirkbetrieb gegangen Vor dessen Einsatz in Nordrhein-Westfalen bedurfte es aber – wie bei der in Deutschland föderal geregelten Polizei scheinbar unumgänglich – einer Anpassung an die landesspezifischen Bedürfnisse und eines neuen Namens. Damit einher gingen Kosten von rund 30 Milli-

Pünktlicher Projektabschluss steht in den Sternen (BS/Gerd Lehmann) IT-Systeme der Polizei sind komplex und haben nicht selten auch ihre Tücken. So auch das im Februar bei der nordrheinwestfälischen Polizei gestartete neue IT-Verfahren zur integrierten Vorgangsbearbeitung und Auskunft (ViVA). Es löst die bisherigen IT-Verfahren POLAS NRW und das Vorgangsbearbeitungssystem IGVP NRW ab. Zudem vereint es diese unter einer einheitlichen Oberfläche. onen Euro. Mit einer Verspätung von rund acht Monaten gegenüber dem ursprünglich geplanten Einführungstermin ist Anfang Februar dieses Jahres mit der Version ViVA 2.0 ein erster Teil des neuen Verfahrens in den Wirkbetrieb genommen worden. Aufgrund der hohen Komplexität war eine gleichzeitige Einführung aller vorgesehenen Funktionalitäten unter der einheitlichen Oberfläche von ViVA nicht möglich. Mit der Version 2.0 wurde das bisherige Polizeiliche Auskunftssystem (POLAS) abgelöst. Fahndungen und Auskünfte über den INPOL-Landesund/oder -Bundesbestand erfolgen nunmehr über ViVA. Seitdem herrscht bei den Anwendern Frust statt Lust. Neben

Verhinderung im Vorfeld entscheidend Noch wichtiger jedoch ist die Verhinderung eines unbefugten Zutritts bereits im Vorfeld. Infrafrot-Kameras sind ein wesentliches Element jedes Videosicherheitssystems und müssen eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung sicherstellen. Die Produktlinie moderner Dallmeier Infrarot-Kameras ist für diese Aufgabenstellung perfekt geeignet. Die hochperformanten

E

gal ob Schulen, Universitäten oder Behörden: Organisationen aller Art sehen sich heute mit einer Vielzahl verschiedener Sicherheitslagen konfrontiert. Das gilt nicht nur für den Fall terroristischer Bedrohungen, sondern auch wenn ein wütender Kunde einen Mitarbeiter attackiert oder in einer Bildungseinrichtung ein Amoklauf droht. Vor diesem Hintergrund blüht vielerorts der Aktionismus. Klar scheint den Führungskräften lediglich zu

zahlreichen fachlichen Mängeln ist das System kompliziert zu bedienen, teilweise nicht stabil und führt zu einem erheblichen Vorgangsstau. Bei zahlreichen Nutzern sind psychische Überlastungserscheinungen zu beklagen. Es bestehen erhebliche Zweifel an der Gebrauchstauglichkeit des Systems. Darüber hinaus kommt der Landschaftsverband Westfalen in einem Kurzgutachten zum Schluss, dass die rechtlichen Vorschriften zur Barrierefreiheit nicht beachtet wurden. Wörtlich heißt es: “Mit dem System ViVA hat die Polizei NRW die Exklusion von Menschen mit Behinderung eingeleitet. Den Rechtsanspruch der Beschäftigten auf einem behindertengerechten und er-

gonomischen Arbeitsplatz hat das Projekt vollkommen ignoriert.” Dieses Versäumnis führt nun bei vielen Anwendern in den Behörden zu erheblichen Problemen. Geradezu unverantwortlich wäre es, wenn es zutrifft, dass die Projektverantwortlichen bereits bei der Systementscheidung Kenntnis davon hatten, dass das System weder den Arbeitsschutzvorschriften noch den Bestimmungen zur Barrierefreiheit entspricht und als gebrauchsuntauglich eingestuft war.

Komplette Barrierefreiheit unmöglich Vonseiten der Landesregierung hieß es auf die Frage, wie sie gedenke, die bestehenden Miss-

stände zu beheben: “Die noch vorhandenen Fehler und bemängelten Komfortfunktionalitäten werden aktuell durch die landesweite Projektgruppe zur Einführung von ViVA fachlich bewertet und in enger Abstimmung mit dem Hersteller technisch so schnell wie möglich behoben.” Die vorgeplanten erfolgten Versionsaktualisierungen seien bereits dazu genutzt worden, einige mit den Polizeibehörden abgestimmte Verbesserungen am Verfahren vorzunehmen.

Inbetriebnahme neuer Version unklar Es wird allerdings bezweifelt, dass das System soweit überarbeitet werden kam, dass es den rechtlichen Vor-

Videotechnik sichert Flughafenbetrieb

D

arüber hinaus bietet Dallmeier VideomanagementLösungen, die den Flughafenbetreibern nicht nur einen vollständigen Überblick über sicherheitsrelevante Ereignisse verschaffen. Die Videodateien können zudem analysiert werden, um Geschäftsprozesse wie die Bodenabfertigung zu optimieren. Die Außenhautsicherung ist bei der Flughafenabsicherung von besonderer Bedeutung. Zahlreiche Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit, bei denen unbefugter Zutritt zu Flughafenbereichen eine Rolle spielte, haben dies sehr deutlich gemacht. Bei der Verfolgung von Personen, die sich unbefugt Zutritt auf das Flughafengelände verschaffen, ist die Nutzung und Verfügbarkeit eines Videosystems unerlässlich.

Behörden Spiegel / August 2017

Systeme können Betreiber in allen Bereichen unterstützen

schriften zur Barrierefreiheit und Ergonomie vollständig entspricht. Ob die Inbetriebnahme der Version ViVA 2.1, die die Ablösung der bisherigen Vorgangsbearbeitung mit dem ITVerfahren IGVP beinhaltet, wie geplant zum Jahresende erfolgen kann, ist ebenso offen wie der geplante Abschluss des Projektes im vierten Quartal 2018 mit allen Funktionalitäten des Verfahrens.

MELDUNG

Zusätzliche Polizisten (BS/mfe) Die hessische Polizei kann sich über einen erheblichen zusätzlichen Stellenzuwachs in den nächsten drei Jahren freuen. In diesem Zeitraum nehmen mehr als 1.000 Polizeivollzugsbeamte als ursprünglich geplant ihren Dienst auf. Dazu sagte Innenminister Peter Beuth (CDU): “Wir stärken damit landesweit die Dienststellen mit mehr Personal. Damit wird die Präsenz in der Öffentlichkeit spürbar erhöht.”

Dabei kann es sich etwa um Bodenfahrzeuge auf dem Weg zur Neubestückung von Bordküchen handeln.

(BS/Sebastian Alt*) Dallmeier bietet umfassende Sicherheitslösungen für alle Einsatzgebiete rund um Flughäfen. Insbesondere bei der Kameratechnologie können Kunden aus einem breiten System-Portfolio wählen, um sie bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen im Bereich Umfassender Überblick möglich Sicherheit und Gefahrenabwehr zu unterstützen. Gleichzeitig werden gesetzliche Anforderungen an den Videoeinsatz vollumfänglich erfüllt. Geräte sind die richtige Lösung für alle Einsatzgebiete rund um Flughäfen. Die DF5400HD-DN/IR ist das jüngste Mitglied der InfrarotProduktfamilie: eine Ultra-HDKamera mit integrierter InfrarotBeleuchtung. Sie wurde speziell für Anwendungen entwickelt, die Bilder in Echtzeit sowohl tagsüber als auch nachts (im Infrarot-Modus) in höchster Auflösung erfordern. Zu den zahlreichen Einsatzmöglichkeiten gehören schwach ausgeleuchtete Bereiche auf dem Vorfeld oder Abschnitte entlang der Flughafenabgrenzung, die nur bei Betreten durch einen Bewegungsmelder beleuchtet werden.

Neue Herangehensweise möglich Die weitläufigen Bereiche und langen Distanzen auf Flughäfen stellen Videoüberwachungssysteme vor besondere Herausforderungen. Bislang war eine Vielzahl von Kameras in unterschiedlichsten Bereichen not-

gestellt, und zwar in Echtzeit und bei hohen Frameraten von bis zu 30 Bildern pro Sekunde. Mit Panomera® kann von einem einzigen Standort aus ein riesiges Areal überblickt werden. Das Multifocal-Sensorsystem kann an jede Kundenanforderung angepasst und die Auflösung nahezu beliebig skaliert werden. Bis zu 35 herkömmliche Megapixel-Kameras können durch ein mit acht Sensoren bestücktes Panomera®-System ersetzt werden. Die von Dallmeier angebotene Panomera®-Technik ermöglicht unter anderem die flächendeckende Beobachtung von Flugzeugbewegungen. Foto: BS/©Laif Andersen, Fotolia.com

wendig, um das gesamte Areal hinreichend überwachen zu können. Mit dem Multifocal-Sensorsystem Panomera® bietet Dallmeier nun eine komplett neuartige Technologie sowie eine grundsätzlich neue Herangehensweise an das Thema Videosicherheit. Die patentierte Multifocal-Sensortechnologie Panomera® von

Dallmeier ist die ideale Lösung für die land- und luftseitige Absicherung und Gefahrenabwehr. Das System wurde insbesondere für die flächendeckende Videoüberwachung großflächiger Areale entwickelt. Mit Panomera® werden enorme Weiten und auch Flächen mit großen Distanzen in einer vollkommen neuen Auflösungsqualität dar-

Nicht nur passive Lösungen nutzen In Verbindung mit intelligent konzipierten Videomanagement- und Analysesystemen bietet Panomera® zudem einzigartige Möglichkeiten zur Optimierung des Flughafenbetriebs, beispielsweise bei der Reduzierung der Bodenzeiten und der Überwachung des Rollverkehrs sowie von sogenanntem Ground Handling Equipment sowohl auf den Vorfeldern als auch auf den Start- und Landebahnen.

Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen Regelwerk als Unterstützung bei individuellen Gefahrenlagen (BS/Michael Schenkelberg*) Bei der Auswahl von technischen Notfall- und Gefahren-Reaktionssystemen (NGRS) legen immer noch zu wenige Organisationen und Unternehmen die individuellen Bedürfnisse zugrunde. Und dass, obwohl die deutsche Norm VDE 0827 eine gute Orientierung zum Vorgehen und der notwendigen Ausstattung bietet. sein, dass etwas für die Sicherheit des eigenen Umfelds getan werden muss. Die Vorstellungen, um was es dabei genau gehen könnte, sind allerdings oft diffus. Es fehlt schlicht und ergreifend das technische Know-

how, um die Sicherheitsanalyse in eine entsprechende technische Ausstattung zu überführen. Braucht es beispielsweise eine Videoüberwachung? Oder neue Brandmeldeanlagen? Und was ist mit Zugangskontrollen? Reflexhaft wird nach jedem Strohhalm gegriffen, der ein Plus an Sicherheit verspricht.

An der geltenden Norm ausrichten

Beispiel für normgerechte Kommunikation: Sprechstelle von Schneider Intercom in einem Klassenraum Foto: BS/Schneider Intercom

Aber Vorsicht: Wer nach dieser Logik vorgeht, droht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Denn Bedrohungslagen und Risikoszenarien sind je nach Umfeld höchst individuell und mit einer Großzahl an spezifischen Variablen versehen. Ein Beispiel: Während es in einem Arbeitsamt durchaus Sinn macht, den einzelnen Sachbearbeitern unter dem Schreibtisch stumme Alarmschalter zur Alarmierung des Sicherheitsdienstes

zur Verfügung zu stellen, ist dies in den Klassenräumen einer Grundschule in aller Regel unnötig. Leider vermissen viele Verantwortliche einen klaren Leitfaden, an dem sie sich bei der Gebäudeausstattung und Geräteauswahl orientieren können. Dabei gibt es seit Mitte vergangenen Jahres mit der deutschen Norm 0827 ein ausführliches Regelwerk, das genau dabei weiterhilft. Dargestellt werden darin unter anderem technische Systeme, die sich in individuellen Gefahrenfällen dazu eignen, Hilfe herbeizurufen, Amokalarme auszulösen, Betroffene zu warnen und Handlungsanweisungen zu übertragen. Die Norm ist darauf ausgerichtet, die organisatorischen Prozesse innerhalb eines Unternehmens, einer Behörde oder einer Institution bestmöglich zu unterstützen – sie gibt aber

keine Verhaltensvorgaben zu spezifischen Vorfällen wie etwa einem Amokalarm. Der Grund: In vielen Organisationen gibt es bereits Konzepte zur Krisenbewältigung. Es gilt also vielmehr, diese bestehenden Konzepte mithilfe von Notfall- und Gefahrenreaktionssystemen umzusetzen.

Technischer Sicherheitsmanager von zentraler Bedeutung Das Gute ist: wer die in der Norm formulierten Prozesse einhält und sich intensiv mit seiner eigenen Gefährdungslage auseinandersetzt, wird automatisch zu der erforderlichen individuellen Sicherheitslösung geführt. Dabei beschreibt die Norm ganz konkret die geforderten Features der eingesetzten Systeme, definiert je nach Einsatzbereich drei unterschiedliche Sicherheitsgerade und beschreibt darüber hinaus, wer eigentlich für

Das Sicherheitspersonal erhält jetzt, ungeachtet der individuellen Fokussierung, zu einem gegebenen Zeitpunkt einen umfassenden Überblick über das gesamte Flughafengelände, was wiederum bei Vorfällen jeglicher Art zu schnellen Reaktionszeiten führt. Die Videotechnologie kann somit Flughäfen bei der Umsetzung des europaweiten Optimierungskonzeptes “Airport Collaborative Decision Making (A-CDM)” unterstützen. Durch dieses soll vor allem deren operationelle Effizienz gesteigert werden. Nicht nur im Flughafenbereich, auch branchenübergreifend lautet die wegweisende Devise: keine passive Überwachung, sondern proaktive Videobeobachtung durch Videoinformationssysteme von Dallmeier. Weitere Informationen unter www.dallmeier.com oder www. panomera.com *Sebastian Alt ist im MarketingBereich der Dallmeier electronic GmbH & Co. KG tätig.

die Umsetzung verantwortlich zeichnet. In dieser Funktion legt sie auch eine gemeinsame Grundlage für die Zusammenarbeit der bei der Einrichtung beteiligten Gewerke. Neu – und von zentraler Bedeutung – ist dabei die Position des technischen Risikomanagers, der innerhalb einer Organisation die Risikoanalyse und Risikobewertung vornimmt. Einfach gesagt, beantwortet er die Frage: “Was benötigen wir in unserer Situation eigentlich?”, und bestimmt, welcher Sicherheitsgerad umgesetzt wird. Er ist quasi die Schnittstelle, die eine Institution oder ein Unternehmen mit zielführender Technik verbindet. Der technische Risikomanager bringt also stets genau die Lösungen ins Konzept ein, die die individuellen Risiken beherrschbar machen. Mehr zum Thema technisches Risikomanagement sowie der Norm 0827 und deren Umsetzung unter www.schneider-In tercom.de *Michael Schenkelberg ist Vertriebs- und Marketingleiter bei der Schneider Intercom GmbH.


Katastrophenschutz

Behörden Spiegel / August 2017

Seite 39

Brandstiftung als Hauptursache

Quo vadis Verjährung?

Menschen verursachen am meisten Waldbrände

Berliner Feuerwehrleute wollen Abgeltung von Überstunden

(BS/mfe) Im vergangenen Jahr waren nahezu 300 Waldbrände auf vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung zurückzuführen. Gleichzeitig halbierte sich die Zahl der deutschlandweit erfassten Waldbrände 2016 im Vergleich zum Vorjahr fast. Waren 2015 noch 1.071 Waldbrände festgestellt worden, waren es im abgelaufenen Kalenderjahr nur 608.

(BS/Marco Feldmann) Allein im vergangenen Jahr sind im Einsatzdienst der größten deutschen Berufsfeuerwehr in Berlin etwa 147.500 Überstunden angefallen. Nur rund die Hälfte davon, nämlich fast 75.000, wurden laut regionaler Landesgruppe der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) ausbezahlt. Das Thema Mehrarbeit steht bei den Brandrettern der Bundeshauptstadt schon länger auf der Agenda.

Fast 300 Waldbrände, und damit nahezu die Hälfte all dieser Feuer in Deutschland, wurden im vergangenen Jahr durch Brandstiftung verursacht. Foto: BS/bertknot, CC BY-SA 2.0, flickr.com

Am häufigsten loderten die Flammen in Brandenburg. 2016 gab es in der Mark 232 Waldbrände, wie aus einer entsprechenden Statistik der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hervorgeht. Angesichts der hohen Zahl an durch Brandstiftung entstandenen Waldbränden sagte der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), Hartmut Ziebs: “Prävention ist hier wichtig, um den Wald auch für kommende Generationen zu

D

as berichtete kürzlich THWPräsident Albrecht Broemme bei der Vorstellung mehrerer Geräte, die im Rahmen der zivilen Sicherheitsforschung entwickelt wurden. Dabei unterstrich er in Anwesenheit von Bundesforschungsministerin Prof. Johanna Wanka und Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (beide CDU), dass das Einsatzsicherungssystem auch zur Vermessung von Deichen oder des Ausmaßes von Erdrutschen verwendet werden könne. Es verfüge über eine Messgenauigkeit von einem Mikrometer pro Kilometer und messe eventuelle Bewegungen eines Bauwerks mithilfe von Prismen. Diese müssen von den THW-Helfern jedoch manuell am jeweiligen Objekt angebracht werden, was unter Umständen durchaus Gefahren

erhalten. Die Feuerwehren arbeiten nicht nur im Einsatzfall eng mit den Forstbehörden und den Waldbesitzern zusammen.” Und Philipp zu Guttenberg, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) ergänzte: “Da Wälder viele Generationen für ihr Wachstum benötigen, braucht es Jahrzehnte, bis ein zerstörter Wald wieder nachgewachsen ist.” Zudem machte er deutlich: “Waldbrände gefährden Menschenleben – auch das von Ein-

Vulnerabilität verringern So setzt das DRK mit dem interdisziplinären Forschungsprojekt INVOLVE (“Initiate Volunteerism to counter Vulnerability”, siehe: www.involveproject.com) mit seinem Ziel, durch die Entwicklung neuer Strategien für Freiwilligenkonzepte des Betreuungsdienstes soziale Vulnerabilität zu verringern, genau hieran an.

erhalten. Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte dazu im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses: “Wir müssen wegen des in der Landeshaushaltsordnung festgelegten Grundsatzes der sparsamen Haushaltsführung auf eine rechtliche Prüfung der Ansprüche bestehen.” Immerhin hätten diese einen Gesamtwert von 6,6 Millionen Euro, so der Ressortchef.

Bisherige Rechtsprechung uneinheitlich In einem Fall sprach das Verwaltungsgericht einem Beamten bereits eine Entschädigung in Höhe von 8.000 Euro zu. Gegen das Urteil legte die Polizei Berlin als personalaktenführende Stelle der Feuerwehr jedoch Berufung ein. Nun muss das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entscheiden. In einem älteren Verfahren wiederum habe die erste Instanz die Verjährung der Ansprüche festgestellt, berichtet Sven Michaelis, Vorsitzender der DFeuG-Landesgruppe Berlin-Brandenburg. Damals habe den Richtern die Verzichtserklärung auf die Verjährungseinrede der Behörde

Menschenleben gerettet Projekt der zivilen Sicherheitsforschung hilft Einsatzkräften / Ausbau geplant (BS/mfe) Nach Erdbeben und -rutschen müssen Einsatzkräfte schnell und zuverlässig wissen, ob ein Gebäude noch standsicher oder bereits einsturzgefährdet ist. Bei dieser Beurteilung hilft dem Technischen Hilfswerk (THW) ein auf Radartechnik basierendes Einsatzsicherungssystem. Im baden-württembergischen Konstanz habe die Technik mehreren Feuerwehrleuten sogar bereits das Leben gerettet. ein ebenfalls vorgestelltes System zur sekundenschnellen Erstellung von dreidimensionalen Bildern einer Einsatzstelle. Darüber hinaus kann diese Technik, in die zahlreiche Antennen integriert sind, auch in völliger Dunkelheit eingesetzt werden. Ebenfalls dem Schutz der eingesetzten Kräfte dient schließlich ein in Helme eingebautes TraOb Helme, in die ein Transponder eingebaut ist, damit Einsatzkräfte unabhängig von GPS-Systemen geortet werden ckingsystem. Über einen eingekönnen, oder auf Radartechnik beruhende Einsatzsicherungstechnik, der Forschungsrahmen für die zivile Sicherheit bauten Transponder können die ist weit gefasst. BS/Fotos: Feldmann Helfer per Radar und unabhängig vom Vorhandensein eines bergen kann. Des Weiteren be- Restlicht und kann jeweils nur wachen. Keinen direkten Ob- GPS-Signals geortet werden. Bundesforschungsministerin nötigt die Technik ein gewisses einen Objektausschnitt über- jektkontakt benötigt hingegen

Aus Forschung wird Praxis

W

issenschaftliche Analysen sind daher eine Grundvoraussetzung, um neue Impulse für einen zukunftsfähigen Betreuungsdienst zu entwickeln. Der Bundesbereitschaftsleiter des DRK, Martin Bullermann, sieht hier die Forschung im DRK-Generalsekretariat als wichtiges Instrument, verbandliche Evaluierungs- und Entwicklungsprozesse schnell und zielgerichtet zu begleiten und zu befördern. Forschungsprojekte mit unterschiedlichsten Partnern ermöglichen es der DRK-Forschung, verbandsrelevante Themen des Bevölkerungsschutzes evidenzbasiert aufzuarbeiten und nachhaltig in die verbandlichen Strategieentwicklungsprozesse einfließen zu lassen.

satzkräften – und zerstören die Existenz ganzer Familienforstbetriebe.” Sowohl Ziebs als auch zu Guttenberg forderten Waldbesucher deshalb auf, besonders wachsam zu sein und sofort zu reagieren, wenn der Ansatz eines Brandes entdeckt werde. Dies gelte insbesondere an Tagen mit anhaltender Trockenheit. Welche Gefahren durch Waldbrände drohen, zeigten kürzlich erst wieder die Flammen in Portugal.

So stellte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig etwa bereits 2012 fest, dass Feuerwehrleute für zwischen den Jahren 2001 und 2008 rechtswidrig verlangte Zuvielarbeit zu entschädigen seien. Dies gelte für alle Mehrarbeit über die maximal zulässige Wochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus. 2008 hatte die Behördenleitung in einem Schreiben auch auf die Einrede der Verjährung eventueller Ansprüche verzichtet. Dies bezog sich laut Senatsinnenverwaltung jedoch nur auf solche Ausgleichsansprüche, die zu diesem Zeitpunkt nicht bereits verjährt waren. Damit scheiden nach Meinung der Behörde Ansprüche aus, die zwischen 2001 und 2004 erworben wurden. Und auch im Hinblick auf abzugeltende Überstunden ab dem Jahr 2005 habe die Feuerwehr die Erklärung nur aus Gründen der Verfahrensökonomie sowie zum hinreichenden Schutz der Betroffeneninteressen abgegeben. Sie habe ausschließlich dazu gedient, unnötige Klageverfahren zu verhindern und gleichzeitig eventuell vorhandene Ausgleichsansprüche zu

Der zukunftsfähige Betreuungsdienst des DRK (BS/Wolfgang Kast*) Die Ereignisse der letzten Jahre, das Hochwasser 2013 oder die Flüchtlingshilfe ab dem Jahr 2015, haben gezeigt, dass die Bewältigung großer Lagen ohne die Hilfeleistungspotenziale des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nicht möglich gewesen wäre. Die Bedeutung des Betreuungsdienstes als wichtiger Teil des Hilfeleistungssystems des DRK hat dabei sichtbar zugenommen. Gleichzeitig stellen gesellschaftliche Veränderungen den Betreuungsdienst vor immer neue Herausforderungen und sich stetig verändernde Rahmenbedingungen. Durch das interdisziplinäre Forschungsprojekt, welches durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, ist es dem DRK möglich, sich intensiv mit der Frage zu beschäftigen, wie aktiver Bevölkerungsschutz zum Abbau von Vulnerabilität und zur Stärkung von Resilienz beitragen kann. Neben dem DRK sind die Katastrophenforschungsstelle (KFS) der Freien Universität Berlin sowie die Forschungsstelle interkulturelle und komplexe Arbeitswelten (Finka) der Universität Jena am Projekt beteiligt. Dabei steht insbesondere für das DRK ein Teilbereich des heutigen Katastrophenschutzes, die Betreuung von Betroffenen, die keiner akutmedizinischen Hilfe bedürfen, im Vordergrund. In Zusammenarbeit mit den Projektpartnern sowie in enger Abstimmung und mit Unterstüt-

Der Bundesbereitschaftsleiter Martin Bullermann auf der Fachberatertagung in Hannover 2017. Foto: BS/Andreas Baudisch

zung des Bundessausschusses der Bereitschaften des Deutschen Roten Kreuzes werden die Bedingungen für einen auf die Bevölkerung ausgerichteten Betreuungsdienst identifiziert, mit dem aktuellen Ist-Zustand verglichen und zu verbandsinternen Handlungsempfehlungen operationalisiert. Basierend auf einer wissenschaftlichen Bestandsaufnahme zu den Bedingungen eines

zukunftsfähigen Betreuungsdienstes war es durch das Projekt möglich, auf vier Regionalkonferenzen von November 2016 bis einschließlich Februar 2017 mit insgesamt 128 Praktikerinnen und Praktikern aus allen DRK-Landesverbänden am Thema “Betreuungsdienst der Zukunft” zu arbeiten und die Forschungsergebnisse zu untermauern und auszuarbeiten. Hier wurde über die Versor-

gungskapazität des Betreuungsdienstes und damit verbundene Herausforderungen diskutiert und, ausgehend von den Bedürfnissen Betroffener, ein Sollzustand, dies heißt Zuständigkeiten und Ressourcenbedarf für den Betreuungsdienst erarbeitet. Die Regionalkonferenzen boten somit eine Plattform zur Diskussion wissenschaftlicher Erkenntnisse in Bezug auf die verbandlichen Realitäten. Eine überregionale Tagung mit den jeweils ernannten Fachberatern zum Betreuungsdienst aller Landesverbände verifizierte die wissenschaftlichen Erkenntnisse und sicherte eine effiziente Operationalisierung und Transformation in verbandliches Handeln.

Drei Punkte von Bedeutung Die Ergebnisse der Regionalkonferenzen und der Fachberatertagung werden für den gesamten DRK-Verband sowie

allerdings nicht vorgelegen, bemängelt er. Um auf die aus ihrer Sicht berechtigten Ansprüche hinzuweisen und deren Abgeltung einzufordern, hatten einige Feuerwehrleute auch einen offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), geschrieben. Infolgedessen hätte ihnen die Behördenspitze Disziplinarmaßnahmen angedroht, kritisiert die oppositionelle FDP im Abgeordnetenhaus.

Nur Hinweis gegeben Dies streitet der Ständige Vertreter des Landesbranddirektors, Karsten Göwecke, jedoch ab. Im Innenausschuss erklärte er den Parlamentariern, dass nur ein Hinweis auf mögliche Disziplinarmaßnahmen an einige Mitarbeiter ergangen sei. Sie hätten ein Schreiben, in dem anwaltliche Leistungen angeboten wurden, über ihren dienstlichen E-Mail-Verteiler in Umlauf gebracht. Eine solche Verteilung von Werbung sei jedoch grundsätzlich verboten, so Göwecke. Bisher seien aber noch keine disziplinarischen Maßnahmen gegen involvierte Beamte ergriffen worden.

Wanka unterstrich in diesem Zusammenhang: “Neue Hightech-Lösungen aus der zivilen Sicherheitsforschung helfen, Menschenleben zu retten und die Retter zu schützen.

Forschung wird ausgebaut “Des Weiteren kündigte sie einen Ausbau der zivilen Sicherheitsforschung an. Dies solle in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium (BMI) erfolgen.” Einen Schwerpunkt würden dabei autonome, lernende Systeme in menschenfeindlichen Umgebungen bilden. Dazu sollen an der Universität Dortmund und am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (Fraunhofer IOSB) in Karlsruhe zwei Kompetenzzentren eingerichtet werden.

weitere Interessierte dokumentiert, aufbereitet und in Form von Schriftenreihen-Teilen publiziert. Damit verfügen die operativeren Ebenen des DRK über eine wissenschaftsbasierte Grundlage, mit der sie örtlich abgestimmte Handlungsempfehlungen sehr zeitnah erarbeiten können. Zusätzlich wurden aktuell die Zwischenergebnisse des Projekts vom Bundesleiter der Bereitschaften, Martin Bullermann, auf dem DRK-Sommersymposium “Der Mensch im Mittelpunkt – Impulse für einen zukunftsfähigen Betreuungsdienst” am 19. Juli 2017 vorgestellt. Bullermann betonte, dass durch INVOLVE drei Schwerpunkte deutlich geworden seien, die von Bedeutung für einen zukunftsfähigen Betreuungsdienst seien: der Fortbestand freiwilligen Engagements, das Wissen um verschiedene Zielgruppen und ihre spezifischen Bedürfnisse sowie die Vernetzung und Zusammenarbeit des Betreuungsdienstes mit anderen Akteuren. *Wolfgang Kast leitet das Team Gesundheitlicher Bevölkerungsschutz und Rettungsdienst im Generalsekretariat des DRK.


Wehrtechnik

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Behörden Spiegel / August 2017

Neues aus der Wehrtechnik In den “Top Ten”

Drohne sicherte Nationalfeiertag

BWI

General Atomics

(BS) Erneut findet sich die BWI Informationstechnik GmbH in den “Top Ten” der führenden IT-Service-Unternehmen in Deutschland wieder. Ende Juni stellte das Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Lünendonk seine neue Studie zu den führenden IT-Service Unternehmen in Deutschland vor. Begleitend zur Studie erstellte Lünendonk aus den erhobenen Daten auch eine Liste der umsatzstärksten Unternehmen in dieser Branche. Die BWI belegt in diesem Anbieter-Ranking mit einem Umsatz in Deutschland von rund 640 Millionen Euro den siebten Platz. Marktführer ist die Telekom-Tochter T-Systems mit einem Jahresumsatz von über 4,5 Milliarden Euro.

Grundlage der Studie, die von Prof. Dr. Peter Buxmann, Inhaber des Lehrstuhls Wirtschaftsinformatik der TU Darmstadt, wissenschaftlich begleitet wurde, Die Unternehmenszentrale in Mesind freiwillige ckenheim Foto: BS/Portugall Angaben der 90 Anbieterunternehmen sowie Aussagen von 100 IT-Verantwortlichen aus gehobenem Mittelstand, Großunternehmen und Konzernen. Mehr Informationen unter www.bwi-it.de

(BS) Zur Absicherung der großen Militärparade am französischen Nationalfeiertag in Paris wurde erstmals ein unbemanntes Aufklärungsflugzeug des Typs “Predator B” von General Atomics Aeronautical Systems im französischen Luftraum eingesetzt. Es gehört zu derselben Produktfamilie wie die dem deutschen Verteidigungsministerium angebotene “Guardian Eagle”. Dem Einsatz ging Anfang Juli ein Testflug von der französischen Luftwaffenbasis Cognac voraus. Dabei wurden die Leistungen des Systems validiert, die Kalibrierung von Notfallparametern getestet und die Satellitenverbindung verifiziert. Insgesamt bestellte Frankreich zwölf “Predator B”, von denen fünf bereits in der nordafrikani-

HIL-Folgevertrag

Lieferauftrag über Panzermunition

BAAINBw

Rheinmetall

(BS) Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) schloss einen unbefristeten Leistungsvertrag mit der Inhouse-Gesellschaft Heeresinstandsetzungslogistik GmbH (HIL). Er umfasst für die Jahre 2018 bis 2025 ein Auftragsvolumen in Höhe von insgesamt rund 5,4 Milliarden Euro. Die Bundeswehr sichert sich mit dem Vertrag für ein festgelegtes Portfolio an militärischen geschützten und ungeschützten Rad- und Kettenfahrzeugen eine fest definierte Verfügbarkeit. “Mit dem Leistungsvertrag sichert die Bundeswehr Instandsetzungsmaßnahmen in hoher Qualität an militärischen geschützten und un-

geschützten Radund Kettenfahrzeugen sowohl im Inland als auch bei Übungen und im Einsatz. Dabei wächst die Anzahl der betreuten Systeme signifikant auf”, erklärte der Vizepräsident des Blick in eine Werkstatt der HIL BAAINBw, Armin Foto: BS/HIL Schmidt-Franke, anlässlich der Vertragsunterzeichnung Mitte Juli in Koblenz. Mehr Informationen unter www.baainbw.de

Programmierung der Patrone im geladenen Zustand. Mit der nun unter Vertrag genommenen Beschaffung soll die Bereitstellung des notwendigen Einsatzvorrates sowie eine Bevorratung für die reale Gefechtsausbildung mit den in naher Zukunft zur Verfügung stehenden 104 Kampfpanzern “Leopard 2 A7V” gewährleistet werden. Mehr Informationen unter www.rheinmetall.com

Brummt der EU-Motor wieder?

D

ie Bundeswehr nutzt seit 1981 das Mehrzweckkampfflugzeug “Tornado”, dessen letztes Exemplar 1992 an Deutschland ausgeliefert wurde. 85 “Tornados” befinden sich gegenwärtig im Inventar der Luftwaffe. Zurzeit werden im Rahmen der multinationalen Operation “Counter Daesh” Aufklärungs-”Tornados” von der Türkei nach Jordanien verlegt. Seit 2004 läuft in der Deutschen Luftwaffe die Einführung des moderneren Eurofighters “Typhoon”, dessen letztes Exemplar im kommenden Jahr beschafft werden soll. Momentan verfügt die Bundeswehr über 140 Eurofighter. Die vier an der Herstellung des “Tornados” beteiligten Unternehmen waren die British Aircraft Corporation Ltd. (heute BAE Systems), Fiat Spa. (heute Leonardo), die niederländische Fokker (heute Stork Aerospace Gruppe) und die MesserschmittBölkow GmbH (heute Airbus Defence and Space Deutschland). Die Eurofighter GmbH ist ein Joint Venture deutscher und spanischer Teile der Airbus Group, von BAE Systems und Leonardo. Anfangs beteiligte sich auch Frankreich an diesem europäischen Projekt, bestand aber auf einer zusätzlichen Flugzeugträgerversion, 50 Prozent des Arbeitsanteils und der Systemführerschaft von Dassault Aviation, was wiederum Großbritannien, Deutschland und Italien ablehnten. Daraufhin entwickelte der französische Flugzeugbauer im Alleingang den Kampfjet “Rafale”. Die französische Luftwaffe fliegt seit 1983 die “Mirage 2000”, von denen sie aktuell über 124 Stück verfügt. Seit 2006 wird die modernere “Rafale” eingeführt; nach jetziger Planung soll das letzte Exemplar erst 2025 beschafft werden. Bisher sind 132 “Rafale” bestellt – einschließlich

(BS) Die Rheinmetall AG hat von der Bundeswehr einen Rahmenvertrag über Munition erhalten. Als Einstieg in den Vertrag hat das Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) 5.000 Schuss Gefechtsmunition des Typs DM11 bestellt. Der jetzt darüber erteilte erste Einzelauftrag hat einen Wert von rund 45 Millionen Euro. Die Lieferung erfolgt 2017 und 2018. Die DM11 ist eine vielseitige und bei den US-Streitkräften bereits im Einsatz erprobte 120-mm-Patrone. Bei Rheinmetalls tempierbarer Mehrzweck-Munition 120 mm x 570 HE Temp. DM11, die bereits bei der Bundeswehr eingeführt ist und nun erneut bestellt wurde, erfolgt die

schen Sahelzone im unbewaffneten Aufklärungseinsatz sind. Das sechste Flugzeug, inklusive Bodenstation und Simulator, wurde direkt nach Frankreich Eine Aufklärungsdrohne vom Typ geliefert. Die ver- “Predator B Block 5” bleibenden sechs Foto: BS/Portugall Drohnen sollen in der Version “Block 5” im Jahr 2019 geliefert werden. Mehr Informationen unter www.ga.com

Deutschland und Frankreich wollen Rüstungskooperation vertiefen (BS/Dr. Gerd Portugall) Beim ersten deutsch-französischen Ministerrat mit dem neuen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron Mitte Juni in Paris bekräftigten beide Seiten den Willen zur engeren Zusammenarbeit ihrer Länder. Insbesondere bei Rüstungsprojekten wurde eine noch intensivere Kooperation vereinbart. So kündigten Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Präsident Macron die Entwicklung eines gemeinsamen Mehrzweck-Kampfflugzeugs an, das längerfristig die aktuellen Flotten beider Länder ersetzen soll. der Marine-Version. Sowohl die “Mirage” als auch die “Rafale” stammen vom mit Abstand größten französischen Hersteller Dassault.

Next Generation Präsident Macron sprach beim deutsch-französischen Ministerrat in Paris von einer “neuen Generation von Kampfflugzeugen”, die künftig entwickelt und beschafft werden solle. Militärische Jets werden in unterschiedliche Entwicklungsgenerationen unterteilt. Die französische “Mirage 2000” und der “Tornado” werden zur vierten Generation gezählt (aufgrund verbesserter Avionik und Mehrrollenfähigkeit), entwickelt zwischen 1975 und 1995. Die “Rafale” und der Eurofighter fallen – je nach Tabelle – in die Kategorie “vier plus” bzw. “viereinhalb” (geringe Radarsignatur, Computernetzwerk, ab 1995). Zur fünften Generation (“Stealth”-Fähigkeit, multispektrale Sensorik, ab 2005) zählen der Luftüberlegenheitsjäger F-22 “Raptor” und das Mehrzweck-Kampfflugzeug F-35 “Lightning II”, beide von Lockheed Martin hergestellt, dem größten Rüstungskonzern der Welt. Da die F-22 nicht vom US-Senat für den Export freigegeben ist, wurde deren Produktion Ende 2011 eingestellt. Anders verhält es sich mit der F-35: Von den europäischen NATO-Partnern beschaffen Großbritannien, Italien, Dänemark und Norwegen den amerikanischen Tarnkappen-Jet.

Die Bundeswehr-”Tornados” sind in die Jahre gekommen: Hier die jüngste Version mit der Kampfwertsteigerung ASSTA 3 (Avionics System Software Tornado in [Programmiersprache] Ada), deren Umrüstung bis 2018 abgeschlossen sein soll. Foto: BS/Portugall

Airbus Defence & Space arbeitet unterdessen bereits an einem europäischen Programm der 6. Generation (ab 2030). Es lautet “Future Combat Air System” (FCAS). Das gemeinsame Mehrzweck-Kampfflugzeug soll bei der Deutschen Luftwaffe den in die Jahre gekommenen “Tornado” sowie mittelfristig ebenfalls den Eurofighter ersetzen. Es ist geplant, auch Frankreich und Spanien in diese Bestrebungen mit einzubinden. Großbritannien und Italien setzen hingegen ganz auf die amerikanische F-35. Damit hat die Luftwaffe des Vereinigten Königreichs den Brexit gleichsam antizipiert. Die “Lightning II” soll angeb-

lich auch eine Option für die deutsche “Tornado”-Nachfolge sein, falls hierzulande für eine Beschaffungslösung “von der Stange” votiert würde. Erschwerend kommt allerdings hierbei die Frage nach der sogenannten “nuklearen Teilhabe” Deutschlands im Rahmen der Abschreckungsdoktrin der NATO hinzu. Zum Aufgabenspektrum des “Tornados” zählt auch der Einsatz als Plattform für USamerikanische Atomwaffen.

“Projekte gemeinsam stemmen” In den nächsten Jahren solle ein Zeitplan für das multinationale Flugzeugprojekt entwickelt werden, sagte Kanzlerin

Merkel in Paris. Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen erklärte anlässlich des deutsch-französischen Ministerrates, es sei “viel klüger, dass wir Europäer die nächste Generation von Gerät und Technologie gemeinsam entwickeln, ob Panzer oder Flugzeug. Große Projekte, die keiner alleine stemmen kann, sind europäisch möglich.” “Bereits vor zwei Jahren fusionierten die deutsche Panzerschmiede KraussMaffei Wegmann GmbH & Co. KG (KMW) und ihr französisches Pendant Nexter Systems SA zu KMW+NEXTER Defence Systems N.V. (KNDS) mit Firmensitz in den Niederlanden. Deutschland ist schon mit

Panzermunition vom Typ DM11 Foto: Rheinmetall

Frankreich, Italien und Spanien an der Entwicklung der sogenannten “Euro-Drohne” beteiligt. Airbus Defence & Space untersucht seit 2015 in einer zweijährigen Definitionsstudie Entwürfe für ein europäisches “Medium-Altitude Long Endurance Remotely Piloted Aircraft System” (MALE RPAS). Diese basiert auf einer gemeinsamen Absichtserklärung zur Entwicklung der europäischen Drohne bis 2025. Laut der deutschen Ressortchefin müsse es künftig europäische Gemeinsamkeiten öfter geben – “von einheitlicher abhörsicherer Funktechnologie über eine Battlegroup bis hin zu Cyber”. Darüber hinaus prüfen beide Länder die gemeinsame Beschaffung eines neuen Kampfpanzers und eines Seefernaufklärers. Die Vorhaben sollten auch anderen europäischen Staaten offenstehen. “Mit dem heutigen Deutsch-Französischen Sicherheitsrat werden Frankreich und Deutschland wieder zum Motor für die europäische Verteidigungsunion”, betonte dabei Dr. von der Leyen. Der Aufbau der (damals noch west-)deutschen Luftfahrtindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte ab den 1960er-Jahren hauptsächlich über die technologische Zusammenarbeit mit Frankreich. Zu nennen sind an dieser Stelle zwei deutsch-französische Gemeinschaftsproduktionen: das Transportflugzeug C-160 “Transall” (Indienststellung bei der Bundeswehr ab 1968) sowie das Schul- und Erdkampfflugzeug “Alpha Jet” (Einführung 1979). In den 1980er-Jahren geplant, entwickelten und beschaffen Deutschland und Frankreich – zusammen mit anderen europäischen Partnern – den Kampfhubschrauber “Tiger” und den Transporthubschrauber NH90.


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / August 2017

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Militärische Aspekte Künstlicher Intelligenz Gedanken zu einer verantwortungsbewussten Nutzung

MELDUNG handeln.

Neuer CEO bei Boeing Deutschland (BS/por) Der Flugzeugbauer

(BS/PD Dr. Wolfgang Koch) Jede Diskussion über die Auswirkungen “Künstlicher Intelligenz” (KI) besitzt politische Dimensionen und muss öffentlich geführt werden. Dies gilt besonders Boeing hat Dr. Michael Haidinfür die militärische Nutzung dieser Technologie. Voraussetzung jeder seriösen Überlegung ist die Anerkennung der Bundeswehr als eine Parlamentsarmee, die mit demokratischem ger als Geschäftsführer der Mandat handelt. Boeing Deutschland GmbH beAn vielen Fronten treibt der geniale Unternehmer Elon Musk Technologien voran: autonome Elektromobile, Fernverkehr als “Rohrpost”, Low-Cost-Solarund Raketentechnik. Selbst ein Pionier der Künstlichen Intelligenz, warnt Musk jedoch vor dieser Entwicklung im Verein mit prominenten Wissenschaftlern. Der liberale Unternehmer fordert staatliche Intervention und entwickelt “brain machine interfaces”, um menschliche Intelligenz Künstlicher Intelligenz ebenbürtig zu halten. Wer KI-Algorithmen erforscht, weiß, dass es dabei auch um Leben und Tod gehen kann: Wie entscheidet ein autonomes Fahrzeug bei einer unvermeidlichen Kollision? Dies gilt besonders bei militärischen Anwendungen, dem Schutz vor Angreifern. Unbeteiligte und eigene Kräfte sollen nicht zu Schaden kommen, Kollateralschäden vermieden werden. Künstliche Intelligenz kommt also bei auch ernsten Entscheidungen zum Einsatz, die zu jeder Zeit verantwortet werden müssen. Gerade die militärische Nutzung zeigt jedoch, dass jedes KI-basierte System nur im uneigentlichen Sinne “intelligent” ist: Immer bleibt es ein “Etwas”, wird kein “Jemand”, der verantwortlich sein könnte. Der Verfasser glaubt nicht an “starke KI”, den Traum durch datenverarbeitende Algorithmen Wesen mit Eigenleben und Bewusstsein zu schaffen, die dem Menschen gleichen, ja ihm überlegen sind. Dies hält er für die Suche nach einer neuen, innerweltlichen Religion, die sich “post-nietzscheanische Götter” schafft.

Was leistet Künstliche Intelligenz? Alle Lebewesen verknüpfen Eindrücke unterschiedlicher Sinnesorgane mit zuvor erlerntem Wissen und Mitteilungen anderer Lebewesen. So verschaffen sie sich ein Bild ihrer Umwelt, die Voraussetzung für situationsgerechtes Handeln. KI-basierte Systeme versuchen, das Sammeln und Verknüpfen verfügbarer Daten als Basis für gezieltes Handeln soweit wie möglich zu automatisieren und in bestimmten Aspekten weit über das natürliche Wahrnehmungsvermögen hinaus zu steigern. KI-basiertes Lagebewusstsein – Wissen um Bedrohungen, Unbeteiligte und Handlungsoptionen – kann Soldaten dabei unter-

zierten Wirkung. Sie bekämpfen Angreifer, gefährden aber auch Unbeteiligte. Fire-and-forgetWaffen gibt es längst. Berechtigt ist die Frage, ob diese nicht durch Systeme zu ersetzen sind, die bis zur endgültigen Waffenwirkung steuerbar und damit zu verantworten sind. Es ist also keine abwegige These, dass KI-Methoden eine im Vergleich zu Alternativen deutlich verlässlichere Zielaufklärung und Kontrolle bis zur Waffenwirkung ermöglichen. Dies wäre eine technische Voraussetzung für einen von Menschen tatsächlich verantwortbaren Waffeneinsatz. Beliebtes Tätigkeitsfeld für Künstliche Intelligenz: das “Schlachtfeld” des Schachbretts Foto: BS/jiuguangw, CC BY-SA 2.0, flickr.com

stützen, ihre gefährlichen Missionen “intelligenter” zu erfüllen. Derart assistierte Entscheidungen können situationsadäquater sein, menschliche Subjektivismen ausgleichen, den Schutz der Soldaten und Zivilisten verbessern. Man unterscheidet drei Anwendungsbereiche: Steigerung der Wahrnehmung durch sensorielle Assistenz, des Lagebewusstseins durch kognitive Assistenz, der Wirkung durch physische Assistenz. Stets bleibt der Mensch – in the loop oder doch wenigstens on the loop – Herr des Geschehens. Beispiele sind KI-gesteuerte Exoskelette zur Unterstützung der Körperkraft, robotische Lastenträger oder unbemannte Aufklärungssysteme. Die phy-

man auch nicht von Autonomie sprechen, sondern von Automatisierung, von der natürlich Gefahren ausgehen können, wie von anderen automatisierten Systemen auch.

Gefahren durch KI-basierte Systeme

einzuschätzen, tatsächlich Verständnis zu entwickeln. Ein Defizit populärer KI-Methoden ist gerade das Fehlen einer mit dem Ergebnis gelieferten Einsicht in die Gründe, die zu dem Resultat führten.

Problematik KI-basierter Waffen Eine Schwachstelle ist Daten-

integrität: Sind die Sensor- und Hintergrunddaten korrekt und entsprechen die Fehler den Annahmen? Ist Datenintegrität verletzt, wird in naiv genutzten Systemen aus Datenfusion leicht Konfusion. Zudem können KI-Algorithmen Artefakte oder “blinde Flecken” der Wahrnehmung erzeugen. Zu nennen ist auch die Cyber-Bedrohung, die Übernahme von Sensoren oder Subsystemen durch Gegner, Privatdozent Dr. Wolfdie dann “bösgang Koch ist Abteilungsleiter “Sensordaten- und artig” werden, Informationsfusion” am täuschende DaFraunhofer-Institut für Komten liefern oder munikation, Informationssich gegen den verarbeitung und ErgonoNutzer wenden. mie FKIE und lehrt an der Gefordert wird Universität Bonn. von Künstlicher Intelligenz eine Foto: BS/privat gewisse “Selbstsische Präsenz der Soldaten in kritik”: Wissen über Datenintegefährlicher Umgebung wird da- grität gehört zum Situationsbedurch zunehmend entbehrlich. wusstsein. Aber auch Nutzer müssen Auf den hochgefährlichen Patrouillen in Afghanistan hätten Künstlicher Intelligenz gegenrobotische Unterstützungssys- über kritikfähig sein. Sonst teme möglicherweise vielen Sol- besteht die Gefahr freiwilliger daten, aber auch Unbeteiligten Unterordnung, kritikloser Akdas Leben gerettet. Besondere zeptanz der Angebote, mentaler Stärken zeigt Künstliche Intel- Weigerung, Verantwortung tatligenz bei strategischen Spielen. sächlich zu übernehmen, eines Sie wird daher in der taktischen blinden Vertrauens. KI-basierLehre eingesetzt und dient auf te Systeme müssen daher die diese Weise dem Schutz der Ein- Wachsamkeit der Nutzer trainieren, ihnen ein “Tell me why?” satzkräfte und Zivilisten. Noch einmal: Jedes KI-basierte für die Lösungsangebote bieten. System bleibt ein “Etwas”, wird Nur echte, also menschliche Inkein “Jemand”. Daher sollte telligenz vermag Plausibilitäten

Die Entwicklung von Waffensystemen, die automatisch entscheiden, welche Ziele sie bekämpfen, ist in Deutschland kein Thema. Alle Dokumente der Bundeswehr belegen unmissverständlich, dass jeder Waffeneinsatz von Menschen zu verantworten ist. Es besteht kein Grund zur Annahme, eine vom Deutschen Bundestag kontrollierte Parlamentsarmee verfolge bei dieser sensiblen Frage eine “hidden agenda.” Dies gilt jedoch nicht für alle Staaten. Gemäß der Eigengesetzlichkeit wehrtechnischer Entwicklungen ist mit der Gefährdung eigener Kräfte durch gegnerische Waffen zu rechnen, die Ziele automatisch auswählen und bekämpfen. Daher besteht die Aufgabe, Möglichkeiten zur Abwehr dieser Bedrohung zu untersuchen. In diesem Sinne ist Drohnenbekämpfung ein wichtiges Thema, auch im Kontext der öffentlichen Sicherheit. Hochreaktiver Schutz gegen sich schnell annähernde Raketen ist als rein reaktive Abwehr kein automatisches Angriffssystem. Und auch hier ist der Mensch eingebunden, nämlich mit der Entscheidung, das System einzuschalten oder den Parameterrahmen zur Freigabe selbstständiger Flugkörperabwehr zu wählen. Die ethische Problematik herkömmlicher Waffensysteme liegt meist in ihrer undifferen-

Unverzichtbarkeit ethischen Handelns Gefahren gehen von der Proliferation KI-basierter Waffen aus, da ihre Herstellung kaum noch großindustriellen Aufwand erfordert. Grundlegend neue Gesetze zur staatlichen Kontrolle müssen vielleicht nicht geschaffen werden – so völlig andersartig sind diese Systeme nicht. Bei ihrer Zertifizierung, Zulassung und Handhabung werden dennoch Aufgaben warten. Grundsätzlich gleicht die Situation der Zulassung autonomer Fahrzeuge und Integration von Drohnen in den Luftraum. Einsatzregeln präzisieren völkerrechtliche Prinzipien, wie etwa Diskrimination (Waffeneinsatz nur bei lückenloser Zielerfassung und möglichster Vermeidung von Kollateralschäden) oder Proportionalität (Wahl auf die konkrete Bedrohung beschränkter Waffen). KI-basierte Systeme können wie niemals zuvor den Einsatzregeln konformes Handeln erleichtern, vor allem in unübersichtlicher Lage, und zur rechtlichen Absicherung dokumentieren, was geschah. Der für sein Handeln verantwortliche Soldat kann daher zur Rechenschaft gezogen werden, falls Fehlverhalten vorliegt. Vielleicht führt die Diskussion über Künstliche Intelligenz zu einem vertieften Verständnis des Menschen und dessen, was ihn fundamental von jedem noch so komplexen “Etwas” unterscheidet: Jeder Mensch ist ein “Jemand”, ein Wesen mit der Freiheit, Wirkliches zu erkennen, Gutes zu wollen und es zu vollbringen – und mit der Fähigkeit, diese Freiheit zu missbrauchen: KI-unterstützt können Menschen besonders verantwortungsvoll, aber auch besonders verantwortungslos

nannt. Als Boeing Senior Executive soll er die Unternehmensstrategie in Deutschland sowie Zentral- und Osteuropa leiten, neue Geschäftsaktivitäten und Unternehmenspartnerschaften erschließen, Beziehungen zu Partnern und Stakeholdern vertiefen, die Wachstums- und Produktivitätsstrategie des Unternehmens in der Region realisieren, sowie die Unternehmensbereiche, die das operative Geschäft von Boeing vor Ort unterstützen, führen. Der neue CEO wird seinen Sitz im Boeing, Deutschland-Büro in Berlin haben und an Sir Michael Arthur, President of Boeing Europe, berichten. Dr. Haidinger verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in europäischen Luftfahrt- und Verteidigungsunternehmen und war an zahlreichen zivilen und militärischen Luftfahrtprogrammen – einschließlich paramilitärischer Hubschrauber, Business Jets und Regionalflugzeuge – maßgeblich betei-

Begann seine Karriere als Assistenzprofessor an der Universität Innsbruck: Dr. Michael Haidinger Foto: BS/Boeing

ligt. Von 2006 bis 2015 hatte er verschiedene Führungspositionen bei Rolls-Royce inne, u. a. als Vorsitzender von RollsRoyce Deutschland, President der Sparte “Civil Small and Medium Engines” sowie Chief Sales Officer für die Rolls-Royce Powersystems AG. Zuvor verbrachte Dr. Haidinger fast zehn Jahre in Frankreich, zunächst bei Airbus Military als Direktor für Finanzen, Verwaltung und Beschaffung und später bei Eurocopter als Executive Vice President und Chief Financial Officer. Haidinger ist Österreicher, hat an der Universität Innsbruck in Wirtschaftswissenschaften promoviert und hält einen Master of Business Administration (MBA) des Institut Européen d‘Administration des Affaires (INSEAD) in Fontainebleau bei Paris.


Verteidigung

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ie Leitung der Ausbildung/ Übung erfolgt grundsätzlich durch den zuständigen Kommandeur der Übungstruppe. Das Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit stellt hierfür den organisatorischen Rahmen und berät im Zuge der Vorbereitung, Durchführung sowie Auswertung und Nachbereitung der Vorhaben. Hauptadressaten des Ausbildungs- und Übungszentrums sind Kräfte der luftbeweglichen Infanterie (einschließlich abgesessener Panzergrenadiere) und Hubschrauberkräfte. Die enge Einbindung von nahezu allen Fähigkeiten des Heeres, wie z. B. Spezial- und spezialisierten Kräften, Kampf- und Einsatzunterstützungskräften sowie Fähigkeiten aller Organisationsbereiche, wie beispielsweise Starrflügler, Aufklärung, Führungsunterstützung, Sanität, Feldjäger sowie von vergleichbaren Fähigkeiten verbündeter Nationen sind erforderlich.

Rahmenbedingungen Das Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit betreibt den Heeresflugplatz Celle nach Standard der International Civil Aviation Organization (ICAO). Ein Tiefflugübungsraum und erkundete Tiefflugstrecken sind unmittelbar angeschlossen. Der Standortübungsplatz Celle-Scheuen bietet gute Möglichkeiten für den Fallschirmsprungdienst mit Umlaufzeiten von etwa 30 Minuten. Durch die Nähe zu den Übungsplätzen Bergen (25 Kilometer), Altmark (85 km), Munster (40 km), Klietz (135 km) und Altengrabow (115 km) sowie den militärischen Flugplätzen Wunstorf (50 km) und Faßberg (30 km) erschließt sich ein Verbund weitreichender Ausbildungs- und Übungsmöglichkeiten. Von der Unterstützung der

Auf dem Weg zum Kompetenzzentrum Das Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit (BS/Brigadegeneral Hartmut Renk*) Das im Oktober 2016 im niedersächsischen Celle feierlich in Dienst gestellte Ausbildungs- und Übungszentrum Luftbeweglichkeit (Ausb/ÜbZLbwglk) ist das jüngste Mitglied in der Familie der zentralen Ausbildungseinrichtungen des Heeres. Die Fähigkeit wächst zurzeit schrittweise auf. Nach der erfolgreichen Durchführung einer ersten Pilotübung im November 2016 sind für 2017 drei weitere Erprobungsdurchgänge vorgesehen. Beginnend ab 2018 soll die volle Ausbildungs- und Übungsfähigkeit – zunächst bis Kompanieebene – erreicht werden.

ale Voraussetzungen. Für eine größtmögliche Realitätsnähe dieser Gefechtsübungen wird beabsichtigt, Luftfahrzeuge der Truppe einzusetzen. Ziel dieser abschließenden Gefechtsübung ist es, der gesamten Übungstruppe einen realitätsnahen Höhepunkt und Abschluss des Ausbildungsdurchgangs am Ausbildungsund Übungszentrum Luftbeweglichkeit zu verschaffen.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Simulationssystem ViTA mit der Software “Virtual Battle Space” (VBS) in der praktischen Anwendung

Abflug der Transporthubschrauber NH90 nach dem Absetzen der Infanteriekräfte am Heeresflugplatz Celle Fotos: BS/Ausb/ÜbZLbwglk

Ausbildung von Bordsicherungssoldaten der Transporthubschrauber sowie der Besatzungen der Kampfhubschrauber im scharfen Schuss bis hin zur multinationalen, organisationsbereichsübergreifenden Übung luftgestützter Einsätze bietet das Ausbildungs- und Übungszentrum perspektivisch die volle Bandbreite der Luftbeweglichkeit.

Piloten und JTACs (Joint Terminal Attack Controller), bereits lage- und auftragsbezogen auszubilden. Die Verfahrensausbildung wird grundsätzlich mit Volltruppe der Teileinheiten in Einrichtungen des Heeresflugplatzes Celle durchgeführt. Lage- und auftragsbezogen werden ausgewählte Verfahren, beispielsweise das Auf- und Absitzen auf Hubschraubern, das Abseilen (roping) oder das Be-/Entladen eines MEDEVAC-(Medical Evacuation) Hubschraubers drillmäßig geübt. Gefechtsstandpersonal trainiert dabei die Gefechtsstandarbeit mit modular erweiterbaren Gefechtsstandsystemen. Die für diese Ausbildung not-

Simulation, Handlungstraining und Gefechtsübung Die Unterstützung multinationaler und organisationsbereichsübergreifender Übungen luftgestützter Einsätze ist die ambitionierteste Aufgabe des Ausbildungs- und Übungszentrums. Diese Fähigkeit wird

derzeit in dem methodischen Dreiklang Simulationsausbildung – Verfahrenstraining – Gefechtsübung entwickelt. Die Simulationsausbildung basiert auf dem System “Virtual Battle Space 3” (VBS 3), in das bestehende Simulatoren, z. B. des Internationalen Hubschrauberausbildungszentrums (IntHubschrAusbZ), des Ausbildungsbereichs “Streitkräftegemeinsame Taktische Feuerunterstützung/Indirektes Feuer” (STF/IndirF) oder der Luftwaffe über das Netzwerk der Simulations- und Testumgebung der Bundeswehr (SuTBw) eingebunden werden können. Ziel der Simulationsausbildung ist es, Führer und Unterführer, aber auch Spezialisten, wie z. B.

wendigen Ausbildungsmittel, wie Luftfahrzeugdarstellungsmittel (Mock-ups) und Gefechtsstandausstattungen, werden nach derzeitigem Planungsstand beginnend ab 2019 beschafft. Ziel der Verfahrensausbildung ist es, Führer und Geführte der übenden Teileinheiten auf spezifische praktische Übungsinhalte optimal vorzubereiten. In der organisationsbereichsübergreifenden und multinationalen Gefechtsübung werden abschließend alle ausgebildeten Fähigkeiten zusammengebracht und – möglichst unter Nutzung von Live-Simulationen – real beübt. Hierzu bietet der geschilderte Verbund an weitreichenden Ausbildungsund Übungsmöglichkeiten ide-

Besuche in Einsatzgebieten der Bundeswehr

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ur zahlenmäßigen Einordnung: In dieser, zu Ende gehenden, 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages (2013 bis 2017) haben bisher zwölf Delegations- bzw. Begleitreisen der Verteidigungspolitiker in die Einsatzgebiete der Bundeswehr stattgefunden. Das entspricht statistisch drei Besuchen pro Jahr, was überschaubar wäre. In diesen Zahlen sind jedoch Reisen von Einzelpersonen nicht mitgerechnet. Genau da beginnt das Problem. So zählte zum Beispiel allein die deutsche Botschaft in Kabul im Jahre 2011 mehr als 40 Besuchsreisen von Ministern, Staatssekretären und/oder Abgeordneten in Afghanistan. All diese Touren erfolgen stets in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Ausschuss des Parlaments und dem Auswärtigen Amt. Bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr liegt nämlich die Federführung innerhalb des Kabinetts beim Außenminister. Bundestagsabgeordnete verweisen im Zusammenhang mit ihren Besuchen stets auf den sogenannten “Parlamentsvorbehalt”. 1994 hatten sich die damalige Regierungsfraktion der FDP und die damalige Oppositionsfraktion der SPD in einem Organstreitverfahren an das Bundesverfassungsgericht gewandt. Noch im selben Jahr urteilte das höchste deutsche Gericht, dass für den Auslandseinsatz der Bundeswehr – als “Parlamentsarmee” – ein im Grundgesetz nicht vorgesehener konstitutiver Bundestagsbeschluss erforderlich ist. Rund zehn Jahre später verabschiedete der Bundestag das entsprechende Parlamentsbeteiligungsgesetz, das von den Koalitionsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen einge-

Behörden Spiegel / August 2017

“Gefechtsfeld-Tourismus” oder Dienstaufsicht? (BS/Dr. Gerd Portugall) Wieder haben türkische Behörden den Besuch einer deutschen Parlamentarierdelegation zum gegenwärtigen Zeitpunkt untersagt – diesmal für den südanatolischen Luftwaffenstützpunkt Konya. Von dort aus fliegt der AWACS-Verband der NATO Aufklärungseinsätze in der ganzen Nahostregion. Rund ein Drittel der Boeing-Besatzungen des im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen beheimateten Verbandes sind Bundeswehr-Angehörige. Bei diesem Thema schlagen die “Wellen” hierzulande immer höher. Doch wie empfinden eigentlich die deutschen Soldaten im Auslandseinsatz diese Besuchsreisen aus der Heimat? bracht worden war. Zur Wahrnehmung dieser parlamentarischen Beteiligungsrechte gehören natürlich auch Reisen der Abgeordneten in die Einsatzgebiete, um sich vor Ort ein eigenes Bild machen zu können. Doch wie laufen solche Besuche üblicherweise ab?

Besuchsbeispiele Besonders umtriebig ist der grüne Politiker Winfried Nachtwei, Bundestagsabgeordneter von 1994 bis 2009, davon ab 2002 Obmann seiner Fraktion im Verteidigungsausschuss und im Unterausschuss Abrüstung und Rüstungskontrolle. In seiner aktiven Zeit besuchte er allein Afghanistan 14 Mal. Aber auch danach bleibt er dem Einsatzland verbunden. Wie auf seiner Homepage nachzulesen ist, besuchte der ehemalige MdB im November des vergangenen Jahres für 48 Stunden Kabul und Mazare Sharif: “Anlass meines 19. Afghanistan-Besuches war die Übergabe des Kommandos über das “Train Advise and Assist Command (TAAC) North” der NATO-Mission “Resolute Support” (RS) von Brigadegeneral Hartmut Renk an Brigadegeneral André Bodemann. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Erich Pfeffer, hatte mich zu der Kurzvisite eingeladen.” Auf dem Besuchsprogramm des ehemaligen Mitgliedes des Verteidigungsausschusses standen

Mit Besuchsreisen in Einsatzgebiete der Bundeswehr werden häufig falsche Assoziationen geweckt. Foto: BS/Hilts uk, CC BY-NC 2.0, flickr.com

Gespräche mit insgesamt zwölf deutschen Anlaufstellen. Dazu zählten Diplomaten, Soldaten und Polizisten. Dafür war einiges an Transportkapazität vonnöten: “Mit Hubschraubern (jeweils mit zwei MG-Schützen vorne) von KIA (Kabul International Airport) zum RS-Headquarters, von dort mit Hubschrauber nach Camp Qasaba, dann zurück zum KIA, von dort mit kleiner Zivilmaschine nach Mazar, dort bleiben wir bis zum Rückflug nach Istanbul in Camp Marmal. Einzig zur Botschaft fahren wir im gepanzerten Fahrzeug”, so Nachtwei auf diesen Besuch rückblickend. Eher unüblich war zum Beispiel ein Besuch des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg

samt Ehefrau und TalkshowModerator Johannes B. Kerner in Afghanistan im Jahre 2011. “Showtime am Hindukusch” titelte daraufhin eine überregionale deutsche Tageszeitung.

Kritische Stimmen Ein “zweischneidiges Schwert” nannte einmal ein aktiver Stabsoffizier im Einsatzland solche Besuche, weil der Dienst der Soldaten dadurch einerseits mehr Beachtung in der Heimat finde, andererseits würde die Truppe dadurch aber auch von ihren eigentlichen Aufgaben abgehalten. Oberst a. D. Rainer Buske, der 2008 das “Provincial Reconstruction Team” (PRT) Kunduz führte, schrieb nach seinem Ausscheiden aus den Streitkräf-

ten in seinem Erlebnisbericht in Buchform: “Beim GefechtsfeldTourismus von Landes- und Kommunalpolitikern stellt sich die Frage, ob die Bundeswehr tatsächlich die Truppe mit Profilierungsneurosen belasten sollte.” Ausgesprochen kritisch äußerte sich auch der ehemalige Unteroffizier Achim Wohlgethan in zwei Büchern, die er zu seinen beiden Afghanistan-Einsätzen geschrieben hat. In seinem ersten Buch “Endstation Kabul” schrieb er anlässlich des Besuchs des Stellvertretenden Kommandeurs seines Heimatverbandes: “Für solche Besuche hatte sich bereits nach wenigen Wochen in diesem Land eine Sightseeingtour etabliert, in deren Genuss alle Besucher

Die Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausbildungs- und Übungszentrums Luftbeweglichkeit haben seit seiner Aufstellung vor acht Monaten mit großer Motivation, herausragendem Engagement und bemerkenswerter Kreativität bereits Beachtliches erreicht. Das Ausb/ÜbZLbwglk ist auf einem guten Weg, das Kompetenzzentrum für die Ausbildung und Übungen luftbeweglicher Operationen – multinational und organisationsbereichsübergreifend – zu werden. Dennoch ist weiterhin eine beachtliche Strecke zurückzulegen. Unser Ziel ist es, der Truppe ein maßgeschneidertes Rundumsorglos-Paket für Ausbildungen und Übungen der Fähigkeit Luftbeweglichkeit bereitzustellen. Die nächsten Schritte sind vorgezeichnet: 2017 sind drei Erprobungsdurchgänge geplant. Beginnend ab 2018 soll dann die Ausbildungs- und Übungsfähigkeit schrittweise – zunächst bis Kompanieebene – aufwachsen. Der Zulauf der Masse der dazu notwendigen Ausbildungsmittel ist derzeit ab 2019 geplant. *Brigadegeneral Hartmut Renk ist Stellvertretender Kommandeur des Ausbildungskommandos des Heeres in Leipzig.

kamen.” Weiter ist dort nachzulesen: “Ich mochte diese “Gefechtsfeldtouristik” überhaupt nicht. Sie machte nur Arbeit, war sinnentleert und brachte überflüssige Risiken.” Ein pensionierter Stabsoffizier mit Einsatzerfahrung äußerte sich gegenüber dem Behörden Spiegel differenzierter. Dienstaufsicht von Vorgesetzten und Besuche aus dem parlamentarischen Raum seien richtig und wichtig. Gegen einen Delegationsbesuch einmal im Trimester sei auch nichts einzuwenden. “Aber die Masse macht’s!” Wenn sich jedoch die politische Leitung, die militärische Führung, Verbandsvertreter und Bundestagsabgeordnete – überspitzt formuliert – “die Klinke in die Hand” gäben, leide die Truppe zunehmend im jeweiligen Einsatzland. Auch würde zu häufig nur die “Schokoladenseite” des Einsatzes vorgeführt. Gerade die Abschottung von Delegationen sei für Besucher wie Besuchte ein Problem, so die Mitarbeiterin eines Verteidigungspolitikers. Je länger solche Besuche andauerten und je mehr Gesprächspartner gewonnen werden könnten, desto umfassender würden die Reiseeindrücke. Außerdem organisiere das BMVg solche Besuche zunehmend professioneller. So fänden zum Beispiel keine Reisen mehr während des jeweiligen Kontingentwechsels statt, um diesen nicht zu stören. Neben den staatspolitischen und verfassungsrechtlichen Argumenten wird auch immer wieder betont, dass die Einsatzgebiete der Bundeswehr aufgrund von Klima, Infrastruktur und – nicht zuletzt – der Gefährdungslage wenig “Touristisches” zu bieten hätten und damit keine “Vergnügungsreisen auf Steuerzahlerkosten” seien.


Verteidigung

Behörden Spiegel / August 2017

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ie alle Arbeitgeber unterliegt auch die Bundeswehr den vorherrschenden gesellschaftlichen Bedingungen. Die Anzahl junger qualifizierter Arbeitskräfte ist rückläufig und die Verknappung wird zunehmen. Daher muss die Bundeswehr alles daran setzen, dieses Personal zu gewinnen. Den in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt eintretenden Frauen und Männern soll ein attraktiver Beruf als Offizier angeboten werden, der von abwechslungsreichen und verantwortungsvollen Aufgaben geprägt ist. Zugleich soll eine möglichst weitreichende und transparente Planbarkeit des beruflichen Werdeganges erreicht werden, um die Balance zwischen Dienst und Privatleben zu berücksichtigen. Zur Realisierung dieser Aufgabe beauftragte der Generalinspekteur der Bundeswehr die Inspekteure der Teilstreitkräfte, den Verwendungsaufbau in der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes (OffzTrD) für ihre Uniformträgerbereiche (UTB) festzuschreiben.

Der Verwendungsaufbau der Offiziere Truppendienst im Uniformträgerbereich Heer

Legende: Hptm OLt Lt LGAN -Tln

BS DP KpChef KEO TrGtg ZgFhr OABfl FA/UABtl

Die Kapitel 1 bis 3 schreiben grundsätzliche Aspekte fest. Kapitel 4 zeigt den durch alle UTB gemeinsam entwickelten Rahmen zum Verwendungsaufbau auf. Kapitel 5 stellt den heeresspezifischen Kern dar. Es • beschreibt das Grundprinzip des idealtypischen Verwendungsaufbaus und stellt die Bedarfsträgerforderungen (BTF) zum Verwendungsaufbau dar; • skizziert sieben Werdegänge und deren Verknüpfung mit Truppengattungen (TrGtg), ungebundenen Dienstposten (DP) und Kompetenzbereichen. Einheit und Verband bilden unverändert den Kern für den Einsatz von Landstreitkräften. Für diese Ebene bleibt die Truppengattung die wichtigste Regenerationsbasis bis zur Ebene der Stabsoffiziere. Die TrGtg ist gekennzeichnet durch einheitliche Ausbildung, das jeweilige Hauptwaffensystem und spezifische Einsatzgrundsätze. Sie bildet die Grundlage für die Entwicklung der Werdegänge durch die Zusammenfassung vergleichbarer Kernfähigkeiten. Das Grundprinzip des Verwendungsaufbaus der Offiziere des Truppendienstes im Uniformträgerbereich Heer ist vorrangig durch einen Wechsel zwischen Führungsverwendungen und Verwendungen zum Aufbau von fachlicher Kompetenz, z. B. in Stäben und Kommandobehörden, geprägt. Nach wie vor ist der Aufbau hin zu einer Verwendung als Einheitsführer (EinhFhr) eine wesentliche Säule der Werdegänge des Heeres. Auf den Dotierungsebenen A 9/A 10 und A 11 erfolgt der Verwendungsaufbau in der Truppengattung, ergänzend auf Dienstposten außerhalb der TrGtg (z. B. als Presseoffizier). Für eine Verwendung als Einheitsführer in der jeweiligen TrGtg ist grundsätzlich eine Vorverwendung als Zugführer (ZgFhr) auf der Ebene A 10/A 9 oder A 11

Hauptmann Oberleutnant Leutnant Teilnehmer Lehrgang General-/Admiralstabsdienst National Berufssoldat Dienstposten Kompaniechef Kompanieeinsatzoffizier Truppengattung Zugführer Offizieranwärterbataillon Feldwebelanwärter-/ Unteroffizieranwärterbataillon

Idealtypischer Verwendungsaufbau für Offiziere des Truppendienstes Grafik: BS/Kommando Heer

unverzichtbar, Ausnahmen sind in einzelnen TrGtg möglich. Eine Bündelung von Dienstposten (A 9-A 11), wie sie in anderen Bereichen sinnvoll ist, ist für ZgFhr-DP nicht vorgesehen, da weniger Offiziere die Möglichkeit zum Sammeln von Führungserfahrung erhielten. Infolgedessen würde der Pool an Offizieren für die Auswahl der Einheitsführer in nicht hinnehmbarer Weise minimiert, unter Umständen gäbe es gar zu wenig qualifizierte Offiziere für EinhFhr-Verwendungen. Primär führt der Verwendungsaufbau für den späteren EinhFhr A 13 über den Kompanieeinsatzoffizier (KEO) oder eine Stabs- bzw. Ämterverwendung. Durch diesen Wechsel gelingt es, umfangreiche Einblicke in die Strukturen der Streitkräfte zu gewähren. Für Offiziere des Truppendienstes, die für die Teilnahme am nationalen Lehrgang General-/Admiralstabsdienst (LGAN) ausgewählt werden, gilt eine Besonderheit: Sie werden grundsätzlich unmittelbar nach erfolgreicher Auswahl zur Teilnahme am LGAN als Einheitsführer eingesetzt.

Verwendungsaufbau als Stabsoffizier Nach dem Einstieg in die Stabsoffizierebene als Einheitsführer oder Dezernent werden im Verwendungsaufbau Werdegang und Kompetenzbereich verknüpft. Erfolgte für den Offizier des Truppendienstes bis zum Einstieg in die Dotierungsebene A 13 die Basisqualifizierung und Spezialisierung nahezu ausschließlich im Werdegang, treten nun kompetenzorientierte und damit Streitkräfte- und Bundeswehr-gemeinsam angelegte Personalentwicklungsund Ausbildungsmaßnahmen bestimmend hinzu. Die Kompetenzbereiche bilden berufliche Handlungsfelder Streitkräfteund Bundeswehr-gemeinsam nahezu umfassend ab. Etwa 30 Prozent der Offiziere des Truppendienstes können als Berufsoffiziere übernommen werden. Nicht alle Berufsoffiziere können aus Strukturgründen Einheitsführer oder Bataillonskommandeur werden. Eine Förderung bis in Spitzenverwendungen ist dennoch möglich. Nachfolgend wird ein möglicher Verwendungsaufbau im Werdegang Militärisches Nachrichtenwesen (MilNW) skizziert. Im Militärischen Nachrichten-

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wesen ist ein durchgängiger Verwendungsaufbau von der Ebene A 9/A 10 bis zu einer Verwendung als Oberst ohne “klassische Führungsverwendung” möglich. Nach einer Verwendung als MilNW-Offizier auf Divisionsebene kann sich der Einsatz auf Verbandsebene als MilNWOffizier anschließen, um danach in den Dotierungen A 12 und A 13/A 14 in den Bereich des Großverbandes oder der Ämterebene geführt und anschließend als MilNW-Stabsoffi-

Thema sowohl für den Bedarfsträger als auch für den Bedarfsdecker, aber insbesondere für jeden einzelnen Soldaten, weil persönliche Bereiche der Lebens- und Familienplanung der Offiziere berührt werden. Daher kommt der sachlichen, glaubwürdigen und an den Bedürfnissen der Offiziere des Truppendienstes orientierten Information der Soldatinnen und Soldaten eine entscheidende Bedeutung zu. Die neue Bereichsvorschrift ist Arbeitsgrundlage für das Fachpersonal im Personalmanagement, unterstützt die truppendienstlichen Vorgesetzten in ihrer Beratungsfunktion und dient allen OffzTrD als eine Hilfe. *Oberstleutnant i. G. Martin Rödiger ist Grundsatzreferent für Personal im Kommando Heer in Strausberg.

Berlin Security Conference

1 6 th C o n g r e s s o n E u r o p e a n S e c u r i t y a n d D e f e n c e

Berliner Sicherheitskonferenz 2017 Europa unter Druck – Sicherheit und Verteidigung in unberechenbaren Zeiten 28. – 29. November 2017, Vienna House Andel’s Berlin Besuchen S ie uns bei einem der zur Europä wichtigsten ischen Siche Events rheit und V erteidigung

Fotos: Dombrowsky

Aufbau der Bereichsvorschrift

zier (A 15), z. B. im Kommando Heer, und in der Folge als Abteilungsleiter im Kommando Strategische Aufklärung eingesetzt zu werden.

(BS/Oberstleutnant i. G. Martin Rödiger*) Das Kommando Heer hat im Oktober 2016 die Bereichsvorschrift “Verwendungsaufbau der Offiziere Fazit/Ausblick des Truppendienstes im Uniformträgerbereich Heer” herausgegeben. Hiermit liegt im Personalmanagement ein Grundlagenwerk für die Bereiche Personalentwicklung und die “Verwendungsaufbau” und “Verwendungsplanung” vor. Es soll von Fachpersonal, Vorgesetzten und betroffenen Offizieren als Arbeitsgrundlage damit verbundene Karriere und zur persönlichen Information genutzt werden. eines Offiziers ist ein sensitives

Umsetzung im Heer Im Heer wurde dies durch die Bereichsvorschrift C1-1340/01300 “Verwendungsaufbau der Offiziere des Truppendienstes im Uniformträgerbereich Heer” realisiert, die das Grundlagendokument für den Verwendungsaufbau der OffzTrD im Uniformträgerbereich Heer ist und in der sich neben “Heeresspezifika” auch die Belange der anderen Organisationsbereiche wiederfinden. Sie legt die idealtypischen Forderungen für eine zielgerichtete, systematische und individuelle Personalentwicklung fest.

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Eindrücke von der BSC 2016

Die Berliner Sicherheitskonferenz Eine der größten Veranstaltungen zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung Treffpunkt von bis zu 1.000 Teilnehmern aus mehr als 50 Ländern Internationales Forum für Abgeordnete, Politiker und Angehörige der Streitkräfte, der Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und der Industrie Partner in 2017: Schweden Frühere Partner: Russland, Großbritannien, Türkei, USA, Frankreich Nationale und internationale Aussteller Durchgeführt durch den Zeitung für den Öffentlichen Dienst

Weitere Informationen:

www.euro-defence.eu

– Deutschlands führender unabhängiger


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“E

s sind ganz andere Materialien, mit denen wir zu tun haben.” Im Vergleich zur klassischen Restaurierung alter Meister muss die Diplom-Restauratorin Kathrin Sündermann ebenso mit künstlich hergestellten Materialien umgehen, die sich ebenso auflösen oder gar weiterentwickeln können wie organische Werkstoffe. Ein extremes Beispiel für Letztere sind sicherlich die Arbeiten des Schweizer “Vergänglichkeitskünstlers” Dieter Roth, der mit Schimmel, Maden und auf Basis sich ausbreitender Verderblichkeit arbeitete. Millionenschwere “Putzschäden” an seinen Werken haben es mehrfach in die Medien geschafft. “So etwas ist mehr als ärgerlich”, sagt Sündermann, die sich auch als Konservatorin versteht.

Behörden Spiegel / August 2017

Mit viel Atmosphäre und Eindruck Restaurieren und der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlagen (BS/Julian Einhaus) Es sind große, vor allem hohe Räume, in denen Kathrin Sündermann arbeitet. Als Restauratorin am MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main staubt sie aber nicht Deckengemälde ab, sondern ist in erster Linie für die Ausstellungsproduktion zuständig: Dafür braucht sie fundierte Fachkenntnisse und ein Auge fürs Detail. Als Bindeglied zwischen Kuratoren, Künstlern, Handwerkern und Logistikern ist zudem viel Organisations- und Koordinationsgeschick, Aufwand und Ausdauer nötig – und das alles bei halber Stundenzahl. Fast. Denn parallel zur ihrer Stelle im Öffentlichen Dienst ist Sündermann auch als freischaffende Restauratorin tätig.

Persönliche Begegnungen mit Künstlern Ihre Aufgabe ist umso schwieriger, wenn die eigentlichen Materialien eines Werks gar nicht bekannt sind. Bei einem Rundgang durch “ihr” Metier, über die drei Etagen des Frankfurter Museums für Moderne Kunst, spürt der Besucher einen Hauch des breiten Sammlungsbestandes. In einer Überblicksschau zeigt das Haus in seiner Dependance MMK 2 aktuell Werke aus den 1960er- und 70er-Jahren von mehr als 50 Minimal-Art-Künstlern. Ebenso stellt die amerikanische Pionierin der Performance-Kunst, Carolee Schneemann, im MMK 1 aus (Foto: “Seile”). Jüngst erhielt die 77-Jährige für ihr Lebenswerk einen Goldenen Löwen auf der Biennale – sie ist nur eine von vielen Persönlichkeiten der Kunstszene, die Sündermann in ihrer täglichen Arbeit schon persönlich kennlernen durfte. Während Direktorin Prof. Dr. Susanne Gaensheimer seit 2009 für die inhaltliche Ausrichtung verantwortlich zeichnet, sorgt die Restauratorin mit zwei Kollegen nicht nur dafür, dass der große Schatz an “passiven” Werken in den Depots des Museums erhalten bleibt. Sie ist genauso für die sorgsame Installation und Pflege der Werke in den laufenden Ausstellungen zuständig. Oft vergehen Monate und Jahre bis die meist unkonventionellen Werke zusammenkommen. Hierfür braucht es beides, fähige Hände und Köpfe – und das am besten in einer Person. Dafür hat die 40-Jährige gleich mehrere Ausbildungen absolviert.

32 Monate Praktikum, fünf Jahre Studium Nach ihrer Lehre zur Bauzeichnerin durchlief sie mehrere Vorpraktika bei freiberuflichen Restauratoren und musealen Einrichtungen. “Pflicht waren damals noch 32 Monate, um überhaupt für das Studium zugelassen zu werden.” Heute müssten Interessierte immerhin noch ein ganzes Jahr absolvieren. Das Ziel: Erkenntnis darüber, ob sich das Berufsfeld für einen selbst eignet und das umfangreiche Sammeln von praktischen Erfahrungen. Nach ihrer Praxisphase war sie sich sicher. Eine umfängliche Mappe und eine fünftägige Aufnahmeprüfung später, durfte sie sich zu einer von 15 Erstsemestern zählen, die im Jahr 2004 das begehrte Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden aufnahmen. Erst dann ging es richtig los. Ein intensives Studium: Physik, Chemie, Vergoldungen, Tischlerarbeiten, Zeichnen, Kunstgeschichte und klassische Maltechniken. “Bei einer so kleinen Gruppe fragt der Professor auch schon mal nach, wenn man mal fehlt.” Sündermann spezialisierte sich auf die Konservierung und

Kathrin Sündermann hat lange als selbstständige Restauratorin u. a. für das Museum der Modernen Kunst in Frankfurt (MMK) gearbeitet und ist seit diesem Jahr neben ihrer freischaffenden Tätigkeit halbtags im MMK angestellt. Fotos: BS/Einhaus

Restaurieren: Den Alterswert beachten, nicht “neu machen” (BS/je) Restauratoren haben die Aufgabe, das kulturelle Erbe der Menschheit zu bewahren. Ob in Museen, Archiven oder Bibliotheken, in der Denkmalpflege oder der Forschung: Die Einsatzgebiete sind mannigfaltig. Die meisten Restauratoren sind selbständig und haben sich meist auf eine bestimmte Objektoder Materialgruppe spezialisiert. Es kommen etwa Möbel, Textilien,

Gemälde oder auch moderne Kunst infrage. So komplex das Aufgabengebiet, so umfangreich das Leistungsspektrum. Nicht nur Planung und Umsetzung von Konservierungs- und Restaurierungskonzepten gehören dazu, samt Voruntersuchungen und Dokumentationen. Ebenso spielt die fachliche Beratung von Eigentümern eine Rolle sowie die Planung, Steuerung und Überwachung von Projekten

Restaurierung von Malerei auf mobilen Trägern und schrieb den praktischen Teil ihrer Abschlussarbeit am MMK. Im Jahr 2009 schließt sie als eine von bundesweit nur 120 DiplomRestauratoren ab und wird – freischaffende Restauratorin. Wann soll welches Stück wie ausgestellt werden? Was genau ist dafür notwendig? “Solche Fragen bedeuten einfach auch einige Arbeit am Computer”, erklärt Sündermann acht Jahre später. Vor allem bei ausgefallenen Werken könne man das nicht leicht vorhersehen. Trotzdem, sagt die Akademikerin, sei es unverzichtbar, lange im Voraus mit allen Beteiligten zu sprechen und sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Mit Ablaufplänen, die teils hunderte von Positionen umfassen, behalten die Restauratoren den Überblick. “Die Abläufe müssen einfach koordiniert werden, selbst wenn wir dann beim Aufbau selbst immer noch sehr viel improvisieren.” Viel Kreativität war etwa bei einer überdimensionierten Bildschirm-Halterung notwendig. Der neun Meter lange Metallträger passte weder durch das Treppenhaus noch in den Fahrstuhl, musste aber in den zweiten Stock. “Wir haben das Gerüst letztlich durch den Fahrstuhlschacht transportiert – mit einigen Tricks und zehn Aufbauhelfern.” Es sind immer wieder spezialisierte Firmen, aber auch Trockenbauer, Maler und Techniker aller Art, die den Restauratoren helfen, Objekte sicher und richtig in Szene zu setzen. Mit

lange im Voraus ihres eigentlichen Starts. Laut des Verbands der Restauratoren bedeuten Restaurierungsarbeiten für Objekte immer auch Veränderung. Ziel sollte es sein, Eingriffe in die Originalsubstanz so gering wie möglich zu halten. Meist muss abgeschätzt werden, welche Maßnahmen noch Jahrzehnte danach Einfluss auf Material und Erscheinungsbild des Werks haben. Die Re-

vielen arbeitet Sündermann schon länger zusammen. Immer wieder schreibt das Museum auch Aufträge im Rahmen beschränkter Vergaben aus. Ein wiederkehrender und aufwändiger Prozess, den die Restauratorin von Auftraggeber- wie Auftragnehmer-Seite kennt.

Wenn die heißen Phasen kommen Bevor sie im März dieses Jahres am MMK fest angestellt wurde, hat sich Sündermann als Freischaffende regelmäßig in Frankfurt und bei verschiedenen deutschen Museen und Galerien um Projekte beworben und Erfahrungen gesammelt. “Mit der Festanstellung habe ich Glück gehabt. Auch wenn es kein Beruf ist, um reich zu werden.” Bei TVÖD12 und hal-

staurierung respektiert demnach den “Alterswert” eines Werkes; grundsätzlich haben konservatorische Maßnahmen, die der reinen Erhaltung eines Objektes dienen, immer Vorrang vor restauratorischen Maßnahmen. Eine gute Restaurierung soll überwiegende unsichtbar bleibe, denn anders als der lateinische Begriff “restaurare” vorgaukelt, bedeutet er nicht “neu machen”.

ber Stelle ist ein zweites Standbein praktisch: Im Frankfurter Stadtteil Bornheim unterhält sie gemeinsam mit einem Kollegen ein eigenes Atelier. Immer wieder kommen auch “heiße Phasen”: Kurz vor der Eröffnung von Ausstellungen fallen Überstunden an, die dann über ein Ausgleichskonto kompensiert werden. Der nächste größere Ausstellungswechsel wird besonders spannend. So muss die Schneemann-Ausstellung im September innerhalb weniger Tage abgebaut und verpackt sein, um in die USA überführt werden zu können. Das Ziel: das Museum of Modern Art (MoMa) in Manhattan. Das MMK Frankfurt spielt nicht nur mit den New Yorkern in einer Liga, sondern steht auch auf Augenhöhe mit dem Pariser Centre

Gar nicht mal so leicht: Um die herabhängenden, sich drehenden Seile der Künstlerin Carolee Schneemann zu installieren, arbeiten viele kleine Motoren unter der Decke. Ein Trafo ist nötig, um die amerikanische Technik an das europäische Stromnetz anzuschließen.

Pompidou oder der Tate in Liverpool. Man kooperiert miteinander und konzipiert auch gemeinsame Wanderausstellungen.

Sinnlich-räumliche Durchdringung Sündermann ist dafür verantwortlich, dass Bilder, Installationen und Skulpturen auf der Reise keinen Schaden nehmen. Bei aufwendigen Installationen muss alles, bis hin zum kleinsten Fragment, wieder an der richtigen Stelle positioniert werden. Keine leichte Aufgabe: Manchmal geht es um hunderte Einzelteile, das könne schon einmal ein paar Wochen dauern, erzählt die gebürtige Bremerhavenerin. “Beim Aufbau der Ausstellungen sind die Künstler dann oft selbst dabei.” Bei

zeitgenössischer Kunst kommt es allerdings nicht nur auf die physische Wirkung an. Atmosphäre und Eindruck sind oft genauso entscheidend, Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit lassen die Werke in richtiger Dosierung nicht nur lange leben, sie sind mitunter Teil ihrer selbst, erklärt Sündermann. Wie bei einem Projekt der mexikanischen Künstlerin Teresa Margolles: In ihrer Ausstellung “Muerte sin fin” (Tod ohne Grenzen) ging es 2004 darum, einen Raumluftbefeuchter zu installieren, der – und jetzt kommt es! – Wasser nutzte, das bei der Waschung von Leichen verwendet worden war. “Natürlich hat es die Künstlerin vorher sterilisiert”, entwarnt die Restauratorin, aber die Botschaft ist klar: Die Kunst hängt nicht einfach mehr an der Wand und findet im Auge des Betrachters statt – der Besucher atmet sie längst ein. Eine wahrlich sinnlich-räumliche Durchdringung. “Es geht darum, wie sich Empfindungen und Perspektive des Besuchers verändern.” Genau dafür braucht es mindestens fachliche Expertise, besser noch eines gewissen Händchens und viel Empathie für den Künstler und seine Botschaft.

Kleinste Fragmente zusammenpuzzeln Wenn sie über die Hintergründe und kleinen Anekdoten zu den Werken erzählt, merkt man, dass Sündermann in ihrem Element ist. Der Eindruck verstärkt sich beim Gang durch die Depots und Katakomben, wo 4.500 Werke mehrerer hundert Künstlern lagern. Das “Tortenstück” – wie das Hauptgebäude wegen Form und Architektur genannt wird – liegt mitten im Zentrum der Banken-Stadt, fast unmittelbar am bekannten Römer und ist selbst umgeben von allem, was mit Kunst zu tun hat: Galerien, Handel, Museen, Ateliers und Kunst-Cafés. Als Mischung all dessen muss man sich auch das Büro Kathrin Sündermanns, ihrer beiden Restauratoren-Kollegen und der Registrarin im MMK vorstellen. Ihr “Desktop-Arbeitsplatz” liegt auf einer Art hölzernem Maisonette-Podest in luftiger Höhe des Raumes und mit Blick über ein Sammelsurium verschiedenster Kunstbestandteile und Kultur. Eine angenehme Atmosphäre, irgendwo zwischen Arbeit und Kunst. Und einmal über den Dingen stehend gefragt: Eine Berufung, Frau Sündermann? “Ich glaube, dass ich schon eine Arbeit ausübe, die mich sehr erfüllt und für die ich meine vorhandenen Talente am besten einsetzen kann.” Auch wenn sie nicht jeden Tag klassische Restaurierung betreibe, sei es gerade die Vielfalt an gestalterischen Möglichkeiten und kommunikativen Aufgaben, die keinen Tag wie den anderen erscheinen lasse. Wenn das kein Kunstwerk ist, dann mindestens ein Kunststück!

Büro oder Atelier? Beides! Alles darin sei Kunst, sagt Restauratorin Kathrin Sündermann: Von einzelnen Relikten früherer Exhibitionen – wie dem Wand-Gecko, an dessen Herkunft sich kaum noch jemand zu erinnern vermag – bis hin zu Ordnern und PCs, die Kunstbestände und frühere Ausstellungen weiter in sich tragen und zur Reaktivierung unerlässlich seien.


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