Behörden Spiegel August 2017

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VIII / 33. Jg / 31. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / August 2017

www.behoerdenspiegel.de

Studium parallel zur Ausbildungn

“Ohne Netflix ziehen sie in die Stadt”

Mit viel Atmosphäre und Eindruck

Michel Golibrzuch

Christian Haase fordert Abteilung

Kathrin Sündermann ist

zur Nachwuchsgewinnung ...................... Seite 6

Kommunales im Kanzleramt .................... Seite 14

Restauratorin in Frankfurt/Main ............. Seite 44

Landshut kehrt zurück (BS/rup) In der Nacht vom 18.Oktober 1977 startete in Mogadishu die Operation “Feuerzauber”, die erfolgreiche Befreiung von 90 deutschen Geißeln aus der Hand eines palästinensischen Terrorkommandos durch die GSG 9. Die Boeing 737-200 mit der Flugnummer LH 181 trug den Namen Landshut. Ihre Odyssee ging weiter. Nach weiterer Nutzung wurde sie auf einem Platz in Brasilien stillgelegt und verrottete. Für 20.000 Euro kaufte sie zu Jahresbeginn das AA und die LH. Nach ihrer Rückführung soll sie ins Luft- und Raumfahrtmuseum nach Friedrichshafen, wohl weil die benachbarte Dornier Stiftung mitfinanziert. Die Renovierung wird aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien teilfinanziert. Um publikumswirksam im historischen Kontext an das Geschehen zu erinnern hatte das Haus der Geschichte vergebens auf die Tür gehofft, die als erste bei der Befreiung gesprengt wurde.

Finanzlage der Kommunen (BS/lkm) Die kommunalen Spitzenverbände haben ihre Prognose zur Finanzlage der Kommunen veröffentlicht. Für 2017 gehen sie von Einnahmesteigerungen von 5,6 Prozent und Ausgabenerhöhungen um 5,9 Prozent aus. Für 2018 wird eine Steigerung der Einnahmen um lediglich 1,8 Prozent erwartet. Ursache hierfür seien die nahezu stagnierenden laufenden Zuweisungen von Bund und Ländern. Der kommunale Finanzierungssaldo ist im Jahr 2017 voraussichtlich positiv. In den kommenden Jahren sei aber mit sinkenden Finanzierungssalden zu rechnen. Für 2019 prognostizieren die Kommunalverbände ein Defizit.

Neue Zulassungen (BS/jf) Die Bundesregierung arbeitet an der Zulassung von elektrisch betriebenen Kleinstfahrzeugen im Straßenverkehr. Dazu hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) eine Studie erstellt, die derzeit ausgewertet wird. Damit wurde die BASt beauftragt, “sich einen Marktüberblick über Elektrokleinstfahrzeuge zu verschaffen und zu prüfen, ob national eine Einteilung in Kategorien möglich ist”, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Ziel ist, die Kategorisierung für die Zulassung im Straßenverkehr zu nutzen. Ein zweiter Bestandteil der Studie ist eine Übersicht bereits bestehender Regelungen in anderen Ländern. Weitere laufende Forschungsprojekte zu diesem Thema sind nicht bekannt.

Gesetz verbogen Droht nach Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Tarifeinheitsgesetz ein Häuserkampf? (BS/Jörn Fieseler) Das Streikrecht bleibt. Auch für Minderheitengewerkschaften. Ebenso das Recht, eigene Tarifverträge abzuschließen. Nur Berufsgruppen in Schlüsselfunktionen dürfen ihre Stellung nicht ausnutzen, um einen ökonomischen Vorteil gegenüber den übrigen Beschäftigten zu erzielen. Das Tarifeinheitsgesetz bleibt ebenfalls bestehen – in weiten Teilen. Am Ende steht nach dem Karlsruher Richterspruch die Befürchtung, dass es weniger Friede in den Betrieben geben wird. Schwierigkeiten der Arbeitgeber, die sich daraus ergeben, mit mehreren Gewerkschaften zu verhandeln, rechtfertigen eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit nicht, heißt es im Urteil. Der Staat sei zur Neutralität verpflichtet. Zugleich sei es jedoch ein legitimer Zweck, die Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie herzustellen. Insbesondere Berufsgruppen in Schlüsselpositionen hätten kein Recht auf unbeschränkt tarifpolitische Verwertbarkeit der eigenen Position. Deshalb könne der Gesetzgeber Regelungen erlassen, die das Verhältnis der Tarifvertragsparteien auf derselben Seite treffen. Die Regelung, dass Tarifverträge der Mehrheit den der Minderheit verdrängen, ist deshalb nicht zu beanstanden, so die Argumentation der meisten Richter des Senats. Das sehen Prof. Dr. Dr. h.c. Susanne Baer – immerhin Berichterstatterin des Verfahrens – und ihr Kollegen Prof. Dr. Andreas L. Paulus, anders. Sie sind der Auffassung, das Urteil verkenne, dass das Gesetz “deutlich über das Ziel hinausschießt” (siehe dazu Seite 4). Die übrigen Senatsmitglieder haben nur Bedenken hinsichtlich der Verdrängung. Diese darf aber nicht dazu führen, dass etwa Leistungen, auf die Arbeitnehmer ihre Lebensplanung

Für manchen hat Karlsruhe das Gesetz zum Tarifeinheitsgesetz – ähnlich wie dieses Glasprodukt – sehr verbogen. Die praktischen Auswirkungen werden sich in der Zukunft zeigen. Foto: BS/© aetb, Fotolia.com

ausgerichtet haben, gestrichen werden. Deshalb muss der Gesetzgeber nachbessern: Für die Berufsgruppen, deren Tarifvertrag verdrängt wird, müssen Schutzvorkehrungen getroffen werden. In diesem Punkt ist das Gesetz verfassungswidrig, weil sie fehlen. Um das zu ändern, hat die neue Bundesregierung

bis 31. Dezember 2018 Zeit. Bis dahin muss die Mehrheitsgewerkschaft dies in ihrem Tarifvertrag sicherstellen. Aber wie? “Wir sollen also nicht nur für unsere Mitglieder zuständig sein, sondern auch noch für die anderen mitdenken”, meint der Leiter der Verdi-Rechtsabteilung Prof. Jens Schubert. Das

Gericht habe die Verfassungskonformität bejaht, wenn es so ausgelegt werde, wie im Urteil beschrieben, die Einzelfragen aber an die Arbeitsgerichte verwiesen, sagt Willi Russ, Zweiter Bundesvorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik im DBB Beamtenbund und Tarifunion. Die müssen in Zukunft nicht

Kommentar

Ändert sich dein Leben oder endet es? (BS) Es ist nicht nur der Albtraum für den Rechtsstaat, sondern mittlerweile auch der Albtraum eines jeden Bürgers. In allen Alltagssituationen kann man Opfer eines Anschlags werden. Die Wirkung ist gleich, egal ob es sich um einen von langer Hand geplanten Terroranschlag, einen Amokläufer handelt. Tod, Schwerverletzung und Traumatisierung, es bleibt das Gefühl der absoluten Unsicherheit in bisher sicher geglaubten Umgebungen. Der Gemütszustand hierzulande ist diesbezüglich noch erstaunlich unterkühlt. Doch die Zweifel wachsen, es macht sich mehr und mehr ein erodierendes Gefühl in Bezug auf die Sicherheit breit. Die Mehrheit (54 Prozent) der Bevölkerung glaubt sowieso, das wegen des Flüchtlingszustroms die Gefährdung der Inneren Sicherheit wächst. Von Krankheiten einmal abgesehen, sterben bei Verkehrsunfällen jährlich 3.000 Menschen – mehr als bei allen terroristischen Anschlägen. Doch es sind Unfälle, unvorhersehbar, und meist bleibt es ein privates Ereignis. Zudem: Hierzu gibt es detaillierte Statistiken. Bei Flüchtlingsdelikten gibt es jedoch

überhaupt keine bundesweite Statistik. Doch ein Blick in die Regionalpresse Deutschlands macht deutlich, dass es eine signifikant gestiegene Wahrnehmung bei Kriminalitätsdelikten durch Flüchtlinge gibt. Mehr Polizei ist die Idee aller Parteien, das macht auch Sinn. Aber es muss auch mehr Konsequenzen haben. Mehr Polizei bedeutet im Kern nur mehr Abstellung der Ruhestörung. Folgt kein konsequentes Rechtsverfahren, auf das sich der Rechtsstaat beruft, bleibt bei den Tätern der Eindruck, sie könnten weitermachen wie bisher, wie die Vorstrafenregister der Täter der Kölner Silvesternacht belegen. Zurück zur Täterstatistik: Je

genauer man die Täterherkunft erfasst, desto einfacher und glaubwürdiger lässt sich allen Vorurteilen wie auch ernsten Sorgen entgegentreten. Wer dies nicht tut nährt Zweifel, wer “dunkelhäutig” oder “südländisch“ aus den Polizeiprotokollen streichen lässt, schafft zum “Schutz” der Minderheiten alternative Fakten. Rückhaltlose Transparenz ist nicht immer Stärke der Inneren Sicherheit. Zuviel Parteienpolitik wurde immer versucht, auf diesem Feld zu machen. Wer Vorurteile gegenüber Migranten, Ausländern und Flüchtlingen ausräumen will, sollte auch unbequeme Tatsachen ans Licht kommen lassen! R. Uwe Proll

Alternativlos

nur Mehrheitsverhältnisse feststellen, sondern sich auch mit der Frage befassen, ob die Minderheit im Mehrheitstarifvertrag ausreichend berücksichtigt wurde. “Wie sollen die Arbeitsgerichte das feststellen?”, fragt Andrea Kocsis, stellvertretende Verdi-Bundesvorsitzende. Vor allem sei dann der Instanzenweg noch offen. Mehr Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten sei die Folge. Das sei nicht praktikabel, so Russ. Das Gesetz insgesamt kaum noch anwendbar. Sofern es überhaupt dazu kommt. Denn es ist tarifdispositiv. Beide Seiten können sich auf die Nichtanwendung einigen. Wie bei der Deutschen Bahn und den Eisenbahngewerkschaften geschehen. Stattdessen rät Russ der künftigen Bundesregierung, das Gesetz wieder abzuschaffen. Wenn nicht, wird nicht nur seine Organisation versuchen, die eigenen Mehrheiten zu verbessern. Vor allem dort, wo es sehr knappe Mehrheitsverhältnisse zwischen verschiedenen Gewerkschaften gibt, wird der Wettbewerb um Mitglieder zunehmen. “Und der wird nicht immer lautlos vonstattengehen”, weiß der Tarifpolitiker aus Erfahrung. Selbst ein Häuserkampf sei nicht auszuschließen. Der Marburger Bund hat bereits eine neue Kampagne gestartet.


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