Behörden Spiegel Januar 2017

Page 1

Unabhängige Zeitung für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

G 1805

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Januar 2017

Nr. I / 33. Jg / 2. Woche

Perspektive ländlicher Regionen

Big-Data-Analyse

Mit vollem Einsatz und Humor

Bundesminister Christian Schmidt über das “Multitalent Wald” ..................... Seite 15

Prof. Dr. Ines Mergel zur Praxis estnischer Steuer- und Zollbehörden ........ Seite 31

Souad El-Hasnaoui zu Integrationsarbeit über den Beruf hinaus ............................... Seite 48

Lichtblicke am Horizont

Unterstützung verlangt (BS/mfe) Der Bund soll den Ländern bei Lärmsanierungen an Straßen in kommunaler Baulast finanziell unter die Arme greifen. Diese Forderung erhebt der Bundesrat und hat deshalb den Entwurf eines Lärmsanierungsfinanzierungsgesetzes vorgelegt. Darin verlangt die Länderkammer von der Bundesebene Finanzmittel in Höhe von 2,4 Milliarden Euro. Diese soll der Bund für entsprechende Investitionen der Gemeinden und Gemeindeverbände bereitstellen. Förderungsfähig sind unter anderem Schallschutzwände und -fenster sowie geräuschmindernde Fahrbahnbeläge. Aber die Länder und Gemeinden werden nicht vollständig aus der Verantwortung entlassen. Sie sollen auch künftig mindestens 25 Prozent der Projektkosten tragen.

Leitung gewechselt (BS/mfe) Das Land Brandenburg hat turnusgemäß den Vorsitz im IT-Planungsrat übernommen. Die Leitung des Gremiums wird in diesem Jahr die Potsdamer Innenstaatssekretärin Katrin Lange (SPD) innehaben. 2016 war diese Aufgabe noch Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI) und Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, zugekommen. Katrin Lange wird auch auf dem 1. Fachkongress “Digitaler Staat” des Behörden Spiegel am 9. und 10. Mai 2017 in Berlin sprechen. Weitere Informationen unter: www.digitaler-staat.org

Tarifrunde der Länder: Bayern und Hamburg wollen Ergebnis eins zu eins auf Beamte übertragen (BS/Jörn Fieseler) Sechs Prozent soll im Idealfall die Gehaltserhöhung der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in den Ländern ausmachen. Zwar fordern Verdi, DBB, GEW, GdP und IG BAU auch eine lineare Entgelterhöhung und einen Sockel- oder Mindestbetrag, wie konkret diese aussehen sollen, halten sich die Verhandlungsführer jedoch noch offen. Denn andere, strukturelle Inhalte stehen im Vordergrund der drei Verhandlungstermine bis zum 17. Februar. Für die Arbeitgeber ist indes klar: Die Forderungen sind zu hoch. “Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst haben im Verhältnis zur Tarifentwicklung in der Privatwirtschaft noch immer einen deutlichen Nachholbedarf”, bekräftigte Verdi-Chef Frank Bsirske. Und nicht nur gegenüber der Privatwirtschaft. Was Bund und Kommunen letztes Jahr vereinbarten, sollen die Länder nun nachzeichnen. Die Einführung einer Stufe sechs in den Gruppen neun bis 15 der Entgelttabelle. “Ein Plus von 300 bis 500 Euro brutto pro Monat”, sagt Bsirske, beziffert jedoch nicht die Gesamtkosten dieser Forderung. Außerdem sollen Höhergruppierungen zukünftig stufengleich erfolgen, um damit bislang verbundene Einkommensverluste durch die Zuordnung zur Stufe eins in der höheren Entgeltgruppe zu vermeiden. Ebenfalls angeglichen werden an die Entwicklung in den Kommunen soll die Bezahlung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder sowie der Erzieherinnen und Erzieher in Berlin. Rund 40.000 Beschäftigte würden hiervon profitieren, unter anderem auch die Mitarbeiter der Studentenwerke, die an den Tarifvertrag der Länder (TV-L) angegliedert sind. Für Auszubildende fordern die Gewerkschaften 90 Euro im

Hamburgs Beamte können entspannt sein, in der Hansestadt soll das Tarifergebnis, ebenso wie in Bayern, wirkungsgleich übernommen werden. Foto: BS/Polizei Hamburg, aufgenommen aus Polizeihubschrauber heraus

Monat mehr und 30 Urlaubstage sowie einen Lernmittelzuschuss von 50 Euro. Auch diese Forderung ist aus der letztjährigen Tarifrunde bekannt. Damals einigten sich die Tarifparteien auf insgesamt 65 Euro mehr und 29 Urlaubstage. Zudem sollen sachgrundlose Befristungen ausgeschlossen werden.

Und natürlich soll der Abschluss zeit- und inhaltsgleich auf die Beamten übertragen werden. Eine Forderung, hinter der auch die GEW steht, obwohl sich deren Mitglieder teilweise darüber echauffieren und stattdessen die Netto-Angleichung an die Beamtengehälter fordern. Ob es diesmal dazu kommt, wird

Wieder kreisfrei?

Kommentar

(BS/mfe) Das bayerische NeuUlm prüft momentan die Vorund Nachteile eines Austritts aus dem gleichnamigen Landkreis. Sollten sich die Verantwortlichen für diesen Schritt entscheiden, würde es sich um eine Premiere seit der 1972 stattgefundenen Gebietsreform im Freistaat handeln. Auslöser für die nun angestellten Überlegungen waren hochdefizitäre Krankenhäuser. Deren Krise wird wohl dazu beitragen, dass die Stadt Neu-Ulm in diesem Jahr circa 35 Millionen als Kreisumlage entrichten muss. Im vergangenen Jahr waren es nur etwa 28 Millionen Euro gewesen. Außerdem stoßen sich Mitglieder des Neu-Ulmer Stadtrates daran, dass alle bayerischen Kommunen, die mehr als 60.000 Einwohner haben, kreisfrei sind. Gleiches gilt für Städte wie Coburg oder Memmingen, obwohl dort weniger als 50.000 Menschen leben. Die Prüfung des Vorhabens durch die Neu-Ulmer Stadtverwaltung soll bis Jahresmitte abgeschlossen sein.

Wächterrolle für Qualität und Unabhängigkeit

sich erst später herauskristallisieren. Was im Bund seit mehreren Tarifrunden gelebte Praxis ist, wollen zumindest Bayern und Hamburg umsetzen. Insgesamt bedeuten die Forderungen eine Kostensteigerung von sieben Mrd. Euro. Davon entfallen 2,1 Mrd. auf die rund eine Mio. Tarifbeschäftigten, 3,2

(BS) Der Autor dieser Zeilen schrieb vor einigen Monaten an eben dieser Stelle, dass der Vorwurf eines institutionellen Rassismus bei der deutschen Polizei absolut ungerechtfertigt sei. Es gab ein paar persönlich lobende Worte, aber vor allem heftigen Widerspruch per E-Mail von Lesern. Nun sollen ja der Öffentliche Dienst und vor allem seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein möglichst breites Spektrum gesellschaftlicher Biografien und Meinungen widerspiegeln. Doch überraschte die polizeikritische Grundstimmung einiger Zuschriften. Da wurden auch unangebracht Vergleiche mit der Polizei des Dritten Reiches gezogen. Es ist schon bemerkenswert, dass auch innerhalb des Öffentlichen Dienstes – also einer “Arbeitsgemeinschaft”, die dem Gesamtwohl der Bürgerschaft verpflichtet ist, solche Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Handelns anderer in der gleichen “Arbeitsgemeinschaft” bestehen. Dies kann sich nur durch die Politisierung bei der Einstellungspolitik der letzten Jahrzehnte erklären lassen. Zu häufig sind politische Grundeinstellungen oder gar Parteizugehörigkeit Voraussetzung für ein Amt geworden. Folge ist, dass statt der Sachlichkeit sich viele einer Sache verpflichtet fühlen. Genau das aber fördert den Erosionseffekt, der die Ak-

zeptanz behördlicher Entscheidungen zunehmend dramatisch begleitet. Es geht dabei gar nicht um sachliche Fehler oder Versäumnisse, sondern um eine in der Bevölkerung und auch bei Unternehmen zunehmend wahrgenommene, motivational geprägte Entscheidungslagen, die den Bediensteten aber nicht nur aus dem Innersten kommt, womöglich wurden sie deswegen ja eingestellt, sondern weil die Politik ihnen mitunter dies abverlangt. Auf die Gewerkschaften und Berufsverbände des Öffentlichen Dienstes, elementar einseitig an den Interessen ihrer Mitglieder orientiert, kommt gerade hier aber eine allgemeine Ver-

antwortung zu, der sie sich mehr als in der Vergangenheit stellen müssen. Manchen fällt das auch deswegen schwer, weil sie selbst längst parteipolitisch in Besitz genommen wurden. Aber dennoch liegt hier für sie eine Wächterfunktion: Mehr auf Qualität bei Beförderung statt auf parteipolitische Präferenz achten! Statt rein an der Sache orientiert, werden Entscheidungen politisch getroffen, ja auch so begründet. Das stärkt nicht das Vertrauen. Dies ist einer der Gründe für die Respektlosigkeit gegenüber “Staatsdienern”, die der Beamtenbund (DBB) zu Jahresbeginn laut beklagte. R. Uwe Proll

Sogwirkung

Mio. auf die knapp 1,3 Mio. Beamten und 1,5 Mrd. auf die etwa 800.000 Versorgungsempfänger. “Weit überzogen und nicht akzeptabel”, kritisiert daher TdL-Verhandlungsführer PeterJürgen Schneider. Zwar erfüllten die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst der Länder wichtige Aufgaben und verdienten Wertschätzung, auch in Form von Gehaltssteigerungen, so der niedersächsische Finanzminister, doch die Gewerkschaften müssten die Realität akzeptieren, dass nicht jeder zweite Euro an Steuereinnahmen der Länder für Personalausgaben aufgewendet werden könne. Das Geld ist vorhanden, meint hingegen der DBB-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt, denn “der neue Bund-Länderfinanzausgleich beschert den Ländern erhebliche Einnahmezuwächse”. Damit nicht genug. Parallel steht für den DBB die Weiterentwicklung der Angleichungszulage in der Lehrerentgeltordnung (L-EGO). Während für die GEW bis 2018 die Friedenspflicht gilt, betont DBBVerhandlungsführer Willi Russ: “Wir setzen auf den Abschluss von vor zwei Jahren und wollen diesen weiterentwickeln in Richtung Paralleltabelle.” Diese wird von den Ländern bereits für alle Lehrkräfte angewendet.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.