Behörden Spiegel Mai 2017

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. V / 33. Jg / 18. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / Mai 2017

www.behoerdenspiegel.de

Keine Reform von Innen heraus

Für mehr Effizienz und Flexibilität

Auf die Erfahrung kommt es an

Wolfgang Kubicki fordert Wandel

Dr. Birgit Settekorn zur neuen Zentralstelle

Frank Jansen über Verkehrskontrollen

des Öffentlichen Dienstes ....................... Seite 6

für IT-Beschaffungen .............................. Seite 31

des Zolls ................................................ Seite 52

Experten sehen Gefahr der Privatisierung

(BS/lkm) Bei der im Rahmen der Neuordnung der Bund-LänderFinanzbeziehungen geplanten Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr besteht aus Sicht mehrerer Experten die Gefahr einer Privatisierung der Autobahnen “durch die Hintertür”. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsauschusses deutlich. Demnach seien die in den Gesetzentwürfen enthaltenen Privatisierungsschranken unzureichend. Es gebe mehrere Wege, wie diese umgangen werden könnten, u. a. über Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP). Der Bundesrechnungshof (BRH) hält es daher für sinnvoll, einzelne Strecken “funktional zu privatisieren”. Eine Privatisierung von Teilnetzen müsse aber gesetzlich ausgeschlossen werden. Ein Verkauf der Autobahnen selbst oder von Anteilen an der Autobahngesellschaft solle im Grundgesetz ausgeschlossen werden.

Schlagstöcke in Chemnitz (BS/mfe) Die Beschäftigten des Kommunalen Ordnungsdienstes im sächsischen Chemnitz sind während ihrer Streifengänge ab sofort mit Schlagstöcken ausgestattet, wie sie von der Polizei bekannt sind. Außerdem erhalten sie schuss-, stich- und schlagfeste Überziehwesten. Darüber hinaus gibt es für sie künftig alle 14 Tage ein verpflichtendes Einsatztraining. Eine solche Ausrüstung und eine derartige Weiterbildung sind bundesweit bisher kaum bei städtischen Vollzugsdiensten verbreitet. Oftmals sind deren Mitarbeiter nur mit einem Pfefferspray und unter Umständen noch mit Handfesseln ausgestattet. Nur in einigen wenigen Kommunen verfügen die Ordnungskräfte auch über Dienstwaffen oder -hunde.

Countdown zur Datenschutzgrundverordnung Behörden müssen sich fit fürs europäische Datenschutzrecht machen (BS/stb) Ende April hat der Bundestag einen Entwurf für ein neues Bundesdatenschutzgesetz beschlossen (DSAnpUG-EU). Damit soll das Gesetz an die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) angepasst werden, die nach einer Übergangsfrist im Mai 2018 in Kraft tritt und dann unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten gilt. Die DSGVO fußt zwar weitgehend auf denselben Grundsätzen wie das bisherige deutsche Datenschutzrecht, dennoch kommen auf Behörden Neuerungen zu – insbesondere, weil nicht mehr grundsätzlich zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen unterschieden wird. Neues gilt es zum Teil zu beachten, wenn es um Pflichten und Vorgaben geht, mit denen altbekannte Grundsätze wie Zweckbindung, Datenminimierung und Datensicherheit umgesetzt werden sollen. So müssen nach dem Prinzip “Privacy by Design” technische und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, und zwar unter Abwägung von Zweck und Umfang der Datenverarbeitung, Risiken für Betroffene und Aufwand für die datenverarbeitende Stelle. Im Gegensatz zum bisherigen deutschen Datenschutzrecht macht die DSGVO hier konkrete Angaben, was die Berücksichtigung des Stands der Technik angeht: Verschlüsselung und Pseudonymisierung von Daten werden explizit genannt. “Privacy by Default” meint hingegen die Forderung, die Abläufe von vornherein so zu organisieren, dass die Daten nur im für den jeweiligen Zweck erforderlichen Maße erhoben, verarbeitet und gespeichert werden. Die DSGVO ermöglicht die Einrichtung von Zertifizierungsverfahren, um bestehende Unsicherheiten in Bezug auf diese Verpflichtungen abzufangen. Die Vergabe und Genehmigung der entsprechenden Verfahren unterliegt den Datenschutzaufsichtsbehörden. Ansonsten müssen die datenverarbeitenden Stellen und ihre

Die EU-Datenschutzgrundverordnung schreibt Behörden Maßnahmen “auf dem Stand der Technik” zum Schutz personenbezogener Daten vor. Foto: BS/Rob Pongsajapan cc by 2.0, flickr.com

Datenschutzbeauftragten Erfordernisse einschätzen. Eine gänzlich neue Pflicht betrifft die Datenschutz-Folgenabschätzung. Sobald eine Datenverarbeitung besondere Risiken für die Rechte von Betroffenen birgt, weil zum Beispiel rechtswirksame Entscheidungen von ihr abhängen oder sensible Daten betroffen sind, muss eine Folgenabschätzung vorgenommen

werden. Diese muss die geplante Datenverarbeitung sowie ihren Zweck, Risiken und Maßnahmen zur Abhilfe erläutern. Bestätigt sich dabei das hohe Risiko für Betroffene, ist die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde in die Planung des Vorhabens einzubeziehen. Die folgenreichsten Neuerungen der DSGVO für Behörden betreffen den Umgang mit

Pflichtverletzungen und Datenschutzvorfällen. Im Falle eines Verlusts der Kontrolle über erhobene personenbezogene Daten muss die datenverarbeitende Stelle mindestens die zuständige Aufsichtsbehörde und gegebenenfalls auch Betroffene unterrichten – egal, ob eine Datenpanne selbst verschuldet oder zum Beispiel durch einen Cyber-Angriff verursacht wurde.

Bisher galten solche grundsätzlichen Meldepflichten nur für nicht öffentliche Stellen. Die Meldung an die Aufsichtsbehörde hat dabei unverzüglich, in der Regel binnen drei Tagen zu erfolgen. Besteht ein deutliches Risiko für die Rechte von Betroffenen, so gilt die Pflicht zur Information auch ihnen gegenüber. Ob Betroffene benachrichtigt werden müssen, kann im Zweifelsfall auch in Konsultation mit der Aufsichtsbehörde entschieden werden. Es besteht also Informationsund Fortbildungsbedarf, damit Behörden Konzepte zur Umsetzung erforderlicher Maßnahmen und Abläufe entwickeln können – behördenspezifische Seminare gibt es bei Anbietern wie der Cyber Akademie (www.cyberakademie.de). Spätestens zum Inkrafttreten der DSGVO sollten Behörden die Vorgaben erfüllen. Im Gegensatz zum bisherigen Datenschutzrecht können ab Mai nächsten Jahres nämlich bei Pflichtverletzungen erhebliche Bußgelder von bis zu 20 Millionen Euro verhängt werden. Auch hier gilt die Verordnung grundsätzlich für alle Stellen, die personenbezogene Daten erheben. Mit den Folgen der DSGVO beschäftigt sich auch der Beitrag von Patrick Oliver Graf auf Seite 43.

Kommentar

So werden Image-Probleme nicht gelöst

Bonn will EU-Arzneimittel-Agentur

(BS) Regierung, Streitkräfte und Industrie haben auf dem Feld der Sicherheits- und Verteidigungspolitik hierzulande ein Image-Problem: In Teilen der Gesellschaft und der Medien in Deutschland herrscht großes Misstrauen gegenüber allem, was mit Waffen und Soldaten zu tun hat. Durch ungeschicktes Agieren können die genannten Akteure dieses ohnehin prekäre Meinungsklima noch verschlechtern.

(BS/lkm) Die Bundestadt Bonn hat sich mit zahlreichen NGOs, Entwicklungs- und UN-Organisationen bereits einen Namen als UN-Stadt gemacht. In Zukunft könnte Bonn auch im europäischen Raum ein Hot-Spot für den Gesundheitssektor werden. Im Rahmen des Brexits wird die EU die Europäische Bankenaufsicht und die Arzneimittelbehörde EMA von der Insel abziehen. Für letztere hat Bonn im Februar seinen Hut in den Ring geworfen. Rund 900 Mitarbeiter würden mit der EMA an den Rhein kommen. Für Bonn spricht, dass dort mit dem Bundesgesundheitsministerium und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bereits allerhand Kompetenz angesiedelt ist.

Man denke in diesem Zusammenhang z. B. an das Vorhaben der Deutschen Marine, unter Hinweis auf den entsprechenden Bedarf fünf zusätzliche Korvetten im Wert von 1,5 Milliarden Euro zu beschaffen. Initiiert wurde das Vorhaben vergangenen Oktober von den beiden führenden Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Bundestages, Johannes Kahrs (SPD) und Eckhardt Rehberg (CDU), um nicht weiter auf die Entwicklung des Mehrzweckkampfschiffes (MKS) 180 warten zu müssen. Allerdings kommen beide MdB von der Küste: Kahrs aus Hamburg und Rehberg aus Mecklenburg. Die Opposition wittert bei den neuen Schiffen bereits “Wahl-

kreisgeschenke” für die Werftindustrie. Ein “Geschmäckle” ist jedenfalls schwerlich zu leugnen. Erschwerend kommt mittlerweile der juristische Widerstand der German Naval Yards hinzu, der eine Ausschreibung für das Korvetten-Geschäft fordert: Schließlich würden sich die fünf neuen Schiffe so sehr von den bisherigen fünf Korvetten unterscheiden, dass deren geplante Beschaffung neu ausgeschrieben werden müsse. Die Bundeswehr und die Hersteller der ersten fünf Schiffe – Lürssen und ThyssenKrupp Marine Systems – stellen sich auf den Standpunkt, bei dem neuen Vorhaben handele es sich lediglich um einen Folgeauftrag.

Überträgt man das KorvettenBeispiel auf die anstehende Modernisierung der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), so zeichnet sich für den im Aufbau befindlichen Organisationsbereich für den Cyber- und Informationsraum (CIR) eine kolossale Beschaffungswelle ab. Alle Beteiligten wären gut beraten, dieses Vorhaben professionell, aber auch in Hinblick auf Öffentlichkeit und veröffentlichte Meinung sensibel zu handhaben. Digitale Souveränität ist wichtig, sollte aber vor dem “Geschmäckle” der Standortpolitik – gleich, ob tatsächlicher oder angeblicher Natur – bewahrt werden. Dr. Gerd Portugall

Zeit für Wahlgeschenke


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Mai 2017

Nachwuchs Ausbildung ja, Vorbereitungsdienste nein Personalentwicklungskonzept 2025 in Thüringen ....................................................................................................... Seite 3

“Das geht zu langsam” Von Laufbahnrecht bis IT-Konsolidierung: Themen der nächsten Legislatur .............................................................. Seite 5

Mehr Personal – mehr Geld In Zukunft Personaluntergrenzen in Krankenhäusern ................................................................................................. Seite 14

Herausforderung Personalgewinnung Wer kommt als Nachwuchs in den Öffentlichen Dienst? Und vor allem, zu welchen Bedingungen? Das ist nicht nur eine Frage der Besoldung, sondern auch der Ausbildung, der Anzahl vorhandener Stellen und der Karrieremöglichkeiten. Und letztlich auch eine Frage der Führungskultur. Foto: BS/sabine koriath, pixelio.de

Sicherheitsbehörden ringen um IT-Fachkräfte ............................................................................................................ Seite 41

Der richtige Umgang mit Fehlern Teil der militärischen Professionalität ......................................................................................................................... Seite 51

Verkehrssicherheit Ein Jahr mit Licht und Schatten 2016 mehr Unfälle, aber weniger Tote ........................................................................................................................ Seite 16

Künftig einfacher anzuordnen Modellprojekt Tempo 30 in Niedersachsen gestartet ................................................................................................. Seite 17

Verkehrsunfälle in Deutschland Zahlen, Daten, Fakten ................................................................................................................................................. Seite 18

Mannheim will neue Wege gehen Stadt plant automatisierte Videoüberwachung zur Gefahrenabwehr ........................................................................ Seite 27 Die Welt könnte so schön sein. In der Realität sind Unfälle und Verkehrstote jedoch an der Tagesordnung. Mehr Verkehrssicherheit kann schon mit einfachen Maßnahmen, wie einem Spiegel, erreicht werden. Alternativen sind Tempo-30-Zonen, bauliche Hindernisse und die von Autofahrern ungeliebten mobilen und stationären Radarkontrollen. Letztere im Zuge der Digitalisierung inzwischen auch vernetzt. Foto: BS/visualpower, Fotolia.de

Bestimmung unwirksam? Mannheimer Gericht verwirft Parkvorschrift ............................................................................................................... Seite 28

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innenspiegel

Weichen stellen für den “Digitalen Föderalismus” Prognos AG und Behörden Spiegel legen neuen Trendreport zum Fachkongress Digitaler Staat vor (BS/Carsten Köppl) Mit dem Trendreport Digitaler Staat möchten die Prognos AG und der Behörden Spiegel jährlich zum gleichnamigen Kongress den Blick auf ein zukunftsgerichtetes Trendthema der öffentlichen Verwaltung lenken. Nachdem sich im letzten Jahr der Trendreport mit Smart Government beschäftigt hat, steht dieses Jahr der “Digitale Föderalismus” im Mittelpunkt der Betrachtungen. Mit dem zweiten Trendreport “Digitaler Staat” haben die Prognos AG und der Behörden Spiegel zum gleichnamigen Kongress den “Digitalen Föderalismus” in den Blick genommen. Dabei wird schnell klar, dass es sich nicht um ein technologisches Thema handelt. Vielmehr ist die digitale Transformation der politischadministrativen Strukturen Deutschlands an die Bedürfnisse einer digitalen Gesellschaft die große Zukunftsherausforderung. Wer definiert das Gesamtbild – die strategischen Ziele, unter denen Bund, Länder und Kommunen ihre IT-Strukturen in Deutschland vereinen? Wer bestimmt die Interoperabilitätsstandards? Wer finanziert die notwendigen Investitionen? Wie weit darf eine Zentralisierung der föderalen IT gehen und wie groß bleiben die Spielräume von Bundesländern und Kommunen? In der Sogwirkung der Digitalisierung wird sich die über viele Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte, herausgebildete föderal strukturierte Verwaltungsteilung in Deutschland verändern.

dings massiv “überstrahlt” vom Suchbegriff Open Data mit rund 68.000 Treffern. Mit über 200.000 Treffern 2016 liegt allerdings der Begriff “Industrie 4.0” noch deutlich höher. Zudem zeigt der Report auf, wer die bestimmenden Akteure im “Spielfeld” des “Digitalen Föderalismus” sind und vor allem auch, welche Akteure fehlen, z. B. Sozialversicherungsträger, Start-ups oder auch die Nutzer, also Bürger und Unternehmen, selbst.

Innovationsstrategien

Hochaktuell: Dieses Jahr widmet sich der Trendreport Digitaler Staat den Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen “Digitalen Föderalismus”. Foto: BS/Dach

E-Government gewinnt an Fahrt Für den 28-seitigen Trendreport wurden zunächst die Ausgangsbedingungen beleuchtet. Neben einer Auswertung von internationalen Benchmarks

zeigt z. B. eine Analyse der Anzahl der Suchergebnisse im deutschsprachigen Internet von 2001 bis 2016, dass das Thema E-Government

nach einer Delle im Jahr 2012 wieder jährlich an Fahrt gewinnt und derzeit mit rund 28.000 Treffern so populär erscheint wie noch nie, aller-

Ein großer Teil des Reports wurde der Frage gewidmet, mit welchen Strategien Innovationen Einzug in die Verwaltung halten können, um den Bürgern bessere digitale Services anbieten zu können. Hier wird z. B. der Government Digital Service der britischen Regierung vorgestellt, ebenso wie das Digitale Service Team 18F der US-amerikanischen Obama-Administration und die dänische Digitalagentur – das Königreich Dänemark ist Partnerland des diesjährigen Fachkongresses “Digitaler Staat”.

Drei Zukunftsszenarien Aus diesen Betrachtungen heraus wurden drei Zukunftsszenarien entwickelt: 1. Die Digitale Inselwelt, 2. Die Tour, 3. Im Spinnennetz, die mögliche Entwicklungslinien des Digitalen Föderalismus aufzeigen

und erlebbar machen sollen. Zum Schluss gibt der Trendreport zwölf Handlungsempfehlungen, die für einen erfolgreichen Digitalen Föderalismus notwendig erscheinen. Der Trendreport wird offiziell nach Druckschluss dieser Ausgabe des Behörden Spiegel auf dem Kongress “Digitaler Staat” am 9. Mai vorgestellt. Danken möchten wir an dieser Stelle dem Autorenteam der Prognos AG und den beteiligten Expertinnen und Experten aus Verwaltung und Wissenschaft für die interessanten Gespräche. Auch der Firma Amazon Web Services gilt unser Dank für die Unterstützung des Trendreports. Ab dem 9. Mai steht der neue Trendreport unter www.digi taler-staat.org/trendreport/ zum kostenfreien Download zur Verfügung. Auch wird die JuniAusgabe des Behörden Spiegel ausführlich über den Trendreport berichten.

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Feldmann Foto 2: BS/Beschaffungsamt BMI Foto 3: BS/Feldmann

Beilagenhinweis Einer Teilauflage des Behörden Spiegel liegt eine Beilage der Technischen Akademie Wuppertal bei.

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Carsten Köppl Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Julian Einhaus (Kommunal- und Energiewirtschaft, ÖPP), Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Tobias Henke (IT-Sicherheit), Carsten Köppl (Demografie, Länder und Kommunen), Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Jenn Tran Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100%


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Mai 2017

Ausbildung ja, Vorbereitungsdienste nein

KNAPP Ausbildungskosten sind zurückzuzahlen

Personalentwicklungskonzept 2025 in Thüringen

(BS/Jörn Fieseler) Die finanzielle Lage wird sich in Zukunft drastisch verschlechtern, der demografische Wandel schlägt ebenfalls deutlich zu Buche (siehe Kasten). Deshalb muss auch (BS/jf) Zeitsoldaten, die bei der die thüringische Landesverwaltung kleiner werden. Über 7.700 Stellen will das Land streichen. Aufgaben kommunalisieren oder in länderübergreifender Zusammenarbeit erledigen. Bundeswehr ein HochschulParallel sollen 13 Vorbereitungsdienste für technische Laufbahnen bzw. Fachrichtungen künftig entfallen. Nicht jeder ist mit den Plänen einverstanden. Es gibt Alternativen. studium absolviert haben, anZiel des Landes ist es, die Zahl der Mitarbeiter im Landesdienst an das Niveau vergleichbarer deutscher Länder anzugleichen, heißt es im Personalentwicklungskonzept 2025 (PEK 2025). Gemeint sind vor allem die westdeutschen Flächenländer. 2015 kamen auf je 1.000 Einwohner durchschnittlich 21,1 Mitarbeiter; in Thüringen 23,7. 11.500 Stellen müssten abgebaut werden, um den Länderdurchschnitt zu erreichen. 9.035 war die erste Zielvorgabe. Darunter 1.333 Erzieher in Schulhorten, die in einem Modellversuch zu den Kommunen wechseln sollten. Der Versuch scheiterte. Welche weiteren Aufgaben kommunalisiert werden können, ist noch nicht abschließend geprüft. Damit verbunden ist die Diskussion um die Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform (siehe Seite 17), um den Daseinsvorsorge-Auftrag des Landes weiterhin umfassend zu erfüllen. Ergebnis: Das Abbauziel umfasst 7.702 Posten. 1.138 sind

Abzubauende Stellen in den einzelnen Ressorts 0 -250

-1

-24

Landtag

Staatskanzlei

-1.621

-2.426

-500

-424

Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz

-750 -1000

-199 Finanzministerium

-8 Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft (ohne Hochschulen)

-65 Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie

-93 Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz

-507

-9 Rechnungshof

Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft

-1250 -1500

Ministerium für Inneres und Kommunales

-1750 -2000 -2250 -2500

Ministerium für Bildung, Jugend und Sport

Anwärterausbildung im Fokus

Grafik: BS/Dach, Quelle: Konzept zur Personalentwicklung des Thüringer Landesdienst bis zum Jahr 2025 (PEK 2025)

zwischen 2012 und 2015 weggefallen. Im Doppelhaushalt 2016/17 sind weitere 472 Stellen vorgesehen. Im Hochschulbereich und bei der Thüringen Forst AöR werden Personalaus-

gaben begrenzt bzw. Zuschüsse zurückgeführt. Dadurch fallen weitere 238 bzw. 477 Stellen theoretisch weg. Bleiben 5.377 übrig, etwa ein Zehntel der gesamten Verwaltung (Stand 2017:

48.992 Mitarbeiter). Für jedes Ressort sind spezifische Zahlen festgelegt worden (siehe Grafik). Auch bei der Polizei. Der Abbau von 800 Stellen wurde aber auf die Zeit nach 2025 verlagert.

Handlungsbedarf anerkannt

Weniger Einnahmen und Einwohner (BS/jf) Der Handlungsdruck in Thüringen ist groß, wichtige Parameter entwickeln sich für das Land nicht positiv: EINNAHMEN: 2018: Die Mittelfristige Finanzplanung rechnet ab diesem Zeitpunkt mit weniger Steuereinnahmen. Die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen sinken von 614 Mio. Euro (2016) auf 300 Mio. Euro. 2019: Die Sonderrolle der neuen Länder im BundLänder-Finanzausgleich endet. 2020: Die neuen Bund-Länder-Finanzbeziehungen greifen, Thüringen erhält jährlich rund 60 Mio. Euro mehr als vorher, aber die Schuldenbremse greift vollumfänglich, Hilfsmittel aus dem Solidarpakt II laufen aus. 2021: In der neuen EU-Fördermittelperiode (bis 2027) verliert Thüringen den Status als Übergangsregion. Dadurch sinken die Einnahmen.

PERSONALAUSGABEN: 2020: Anstieg auf rund 2,83 Mrd. Euro (ohne Abbau auf über 3,04 Mrd. Euro) 2030: Anstieg auf etwa 3,56 Mrd. Euro (ohne Abbau auf knapp 3,8 Mrd. Euro) VERSORGUNGSAUSGABEN: 2030: rund 650 Mio. Euro 2036/38: zwischen 750 und 800 Mio. Euro EINWOHNER THÜRINGENS: 2035: Prognosen gehen von weniger als 1,88 Mio. Einwohnern aus (1990: 2,61 Mio. Menschen). Ebenso wird die Zahl der Erwerbstätigen von 1,3 Mio. Menschen (2016) auf rund 900.000 sinken. Ein Drittel der Bevölkerung wird mindestens 65 Jahre alt sein.

das Konzept um fünf Jahre verlängert worden. “Ja, die Zahlen im Ländervergleich und zur Finanzentwicklung zwingen zum Handeln”, weiß auch Helmut Liebermann, Landesvorsitzender des Thüringer Beamtenbundes (TBB), der die zeitliche Verlängerung begrüßt. Dennoch ist er mit dem Gesamtpaket nicht zufrieden. “Das Konzept kann nicht in allen Teilen so bleiben.” Viele strategische Vorgaben würden auf die Einwohnerzahl abstellen, aber manche Beschäftigte hätten Aufgabenbereiche, die nichts mit der Bevölkerung zu tun hätten, etwa die Mitarbeiter beim Thüringen Forst, so der TBB-Vorsitzende.

Parallel scheiden zwischen 2017 und 2025 altersbedingt 15.100 Beamte, Richter und Arbeitnehmer aus dem Öffentlichen Dienst des Freistaats aus. Dieser Generationenwechsel ist als Chance zu nutzen, schreibt die Thüringer Staatskanzlei im PEK 2025. Einerseits im Wettbewerb um guten, qualifizierten Nachwuchs, der möglichst selbst ausgebildet werden müsse. Andererseits zur Reduzierung der Stellen und Planstellen. Neben den Abbauzahlen in den einzelnen Geschäftsbereichen der Ministerien sind deshalb parallel ressortspezifische Einstellungskorridore festgelegt worden. Außerdem ist der Zeitraum für

Vor allem bei den Vorhaben zur Ausbildung sieht der Gewerkschaftschef Redebedarf. Für 13 Laufbahnen bzw. Fachrichtungen, vor allem im höheren technischen Dienst, wird der Vorbereitungsdienst ab 2020 gestrichen. Zum Beispiel in der Agrar- sowie der Umwelt- und Wasserschifffahrtsverwaltung, in den Fachrichtungen Vermessungs- und Liegenschaftswesen, Hochbau, Städtebau, Umwelttechnik und Umweltschutz, Landschaftspflege, sowie wie im Archiv- und im Veterinärdienst. Maßgeblich für die Auswahl war eine Ressortabfrage zum Umfang der Anwärterausbildung. “Vielerorts wurden dafür erhebliche Kapazitäten an Personal und Sachmitteln vorgehalten”, berichtet Thüringens Regierungssprecher Günter Kolodziej. Und das bei ganz geringen Anwärterzahlen. In den Laufbahnen werden pro Jahr durchschnittlich weniger als drei PerFortsetzung auf Seite 4 >>>

schließend jedoch die Truppe vor Ablauf der Verpflichtungserklärung verlassen, müssen die Ausbildungskosten nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erstatten. Gegen eine solche Forderung der Bundeswehr hatten über ein Duzend Offiziere geklagt. In der Mehrheit hätten die Soldaten auf Zeit nach dem Studium für rund zehn Jahre bei der Bundeswehr Dienst tun müssen. Die Kläger haben jedoch bereits nach etwa zwei bis drei Jahren die Bundeswehr verlassen, um einer zivilen Berufstätigkeit nachzugehen. Grundsätzlich hat der Bund das Recht, das monatliche Ausbildungsgeld von rund 1.800 Euro sowie Fachausbildungskosten zurückzufordern. Die Rückzahlungsverpflichtung soll Soldaten davon abhalten, vorzeitig den Dienst aufzugeben.

Eine Frage des Standortes (BS/jf) Welcher Rentenwert gilt für die Menschen, die tarifbeschäftigt im Deutschen Bundestag sowohl in der Verwaltung, als auch in den Fraktionen gearbeitet haben? Bislang der Rentenwert West. Doch dies könnte falsch sein. Alle Angestellten werden einheitlich nach Westtarif bezahlt, ebenso deren Sozialversicherungsbeiträge. Als Arbeitsplatz wird der “Platz der Republik 1” angegeben – in Westberlin. Die tatsächlichen Büros befinden sich jedoch größtenteils im Ostteil der Stadt. Damit wären die rechtlichen Bedingungen für die Berechnung der Rente nach West-Niveau nicht gegeben, meinen die Prüfer der Rentenversicherung Berlin-Brandenburg und wollen die Renten mehrerer Tausend Beschäftigter des Parlaments überprüfen.


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Abstandsniveau missachtet

<<< Fortsetzung von Seite 3 sonen ausgebildet. Im höheren Dienst durchschnittlich sogar weniger als eine Person. “Dagegen existieren Ausbildungslaufbahnen, die auf den freien Markt zurückgreifen (Hochschule, Arbeitsmarkt), bei denen jedoch für ein Traineeprogramm in der Verwaltung aus den alten Ländern gesonderte Laufbahnen übernommen bzw. geschaffen wurden, die eigentlich obsolet sind”, so Kolodziej. Letztlich ist beabsichtigt, in allen Laufbahnen, in denen in den Jahren zwischen 2010 bis einschließlich 2015 pro Jahr und zuständiger oberster Landesbehörde weniger als zehn Dienstverhältnisse von Beamten auf Widerruf bestanden, keine Einstellungen in den Vorbereitungsdienst mehr vorzunehmen.

Fataler Schritt Das Land beabsichtigt, fachlich ausgebildete Kräfte vom Arbeitsmarkt nach Eignung, Leistung und Befähigung einzustellen, die zu Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit in der Verwaltung ohne weitere formelle Laufbahnausbildung ihre “Anlernzeit” absolvieren. Neben den Einspareffekten für den Freistaat würden parallel die Arbeitsplätze attraktiver für Bewerber. “Streicht man also den Vorbereitungsdienst für die

“Mikrolaufbahnen” zugunsten einer Anlernphase im Rahmen eines tariflichen Arbeitsverhältnisses oder der beamtenrechtlichen Probezeit, so steht den Berufsanfängern von Anfang an ein attraktiveres Gehalt zur Verfügung”, erläutert der Regierungssprecher. Liebermann sieht darin einen fatalen Schritt, die Ausbildung dort zu streichen, wo sie sich nicht rechne. “Dieser Schritt rüttelt am Grundprinzip der Professionalität.” Die normalen Ausbildungsgänge dürften nicht zum Luxus werden. Stattdessen sei es sinnvoller, nach dem Vorbild von Sachsen-Anhalt die Laufbahnausbildungen so weit wie möglich zusammenzulegen und die Absolventen in den Bereichen zusammen auszubilden, die jeder durchlaufen müsse zum Beispiel im Verwaltungsrecht.

Alternative Neben der Möglichkeit der modularen Ausbildung in einem Tarifverhältnis sieht das Thüringer Laufbahngesetz die Variante vor, Bewerber einzustellen, die neben einem Studienabschluss (Bachelor oder Master) bereits eine “hauptberufliche Tätigkeit” ausgeübt haben. Oder aber es werden junge Leute mit abgeschlossener Schulausbil-

dung in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf eingestellt, deren theoretische Ausbildung an einer externen Universität oder Fachhochschule erfolgt und die praktischen Ausbildungsinhalte in der Behörde. “Eine vollwertige fachliche und zusätzlich eine fundierte Ausbildung zur Befähigung für die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten sind für den TBB unverzichtbare Grundlagen, um eine professionelle Verwaltungsarbeit zu gewährleisten. Finanzielle Gründe rechtfertigen keinesfalls, das bewährte System aufzugeben. Einer Kombination aus Fachstudium einerseits und parallel stattfindender Anwärterausbildung andererseits würde sich der TBB nicht verschließen”, räumt der Vorsitzende des TBB ein.

Fortsetzung nach 2025? Und die noch fehlenden knapp 4.000 Stellen, die zur Angleichung an das Niveau der Flächenländer West noch ausstehen? Deren Reduzierung könnte nach 2025 Realität werden. Dann werden bis 2030 weitere rund 9.000 Beamte und Tarifbeschäftigte in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Ob dieser Abbau realisiert wird, wird sich ab 2023 zeigen. Dann soll das PEK 2025 evaluiert werden.

MELDUNG

Zahlungsanspruch begründet, trotzdem Teilrevision (BS/jf) Ein Beamter kann von seinem Dienstherrn eine Zahlung von 100 Euro pro Monat verlangen, wenn seine Besoldung weiterhin nach altersdiskriminierenden Vorschriften festgelegt war. Dieser Betrag ist von der Dauer der Geltung der diskriminierenden Besoldungsgesetze unabhängig und ist auch bei einer Teilzeitbeschäftigung nicht zu reduzieren. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig entschieden. Geklagt hatten mehrere Beamte aus Hessen. Sie hätten

bis Februar 2014 Bezüge nach der alten Fassung des Bundesbesoldungsgesetzes bekommen, was nicht mit Unionsrecht vereinbar war. Das Gesetz sah damals vor, die Einstufung in die Besoldungstabelle anhand des Lebensalters vorzunehmen. Der hessische Verwaltungsgerichtshof hatte das Land deshalb verurteilt, von Januar 2012 bis Februar 2014 jeweils 100 Euro pro Monat an die Beamten zu zahlen. Insgesamt 2.600 Euro. Das ist zu viel, meinen die Leipziger Richter.

Der Anspruch auf Entschädigung bestehe erst seit November 2012. Anders als die Richter aus Hessen sieht das BverwG den unionsrechtlichen Haftungsanspruch nicht für das gesamte Kalenderjahr 2012 gegeben, sondern nur für die letzten beiden Monate in dem Jahr. Die Höhe der monatlichen Entschädigung sei hingegen angemessen, so die Richter mit Verweis auf ein Urteil vom 30. Oktober 2014. Sie könne jedoch nicht gesteigert oder wegen einer Teilzeitbeschäftigung reduziert werden.

“Miss es oder vergiss es?” Kennzahlen bei Personalmanagement und leistungsorientierter Vergütung (BS) 120 Teilnehmer folgten Anfang April der Einladung von Prof. Dr. Michèle Morner und Prof. Dr. Ulf Papenfuß zur 5. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance. Sie diskutierten insbesondere über Personalmanagement und finanzielle Anreizsysteme im öffentlichen Sektor. Neben Fixvergütungen beinhalten Vergütungssysteme von Geschäftsführern und Mitarbeitern öffentlicher Unternehmen immer häufiger variable Vergütungsbestandteile. Inspirieren lässt man sich hierbei, wie allzu oft, von Praktiken der Privatwirtschaft. Die Möglichkeiten der Mitarbeiterbelohnung und Leistungsmessung scheinen keine Grenzen mehr zu kennen. So werden häufig finanzielle Kennzahlen als Grundlage der Leistungsbemessung genommen. Es werden Boni für Individual- und Gruppenleistungen vergeben. Und auch dem Grad der Zielerreichung versucht man Rechnung zu tragen, indem man sogenannte Bonus-Malus-Systeme einführt. Christian Ude – Oberbürgermeister a. D. der Stadt München – warnt die Tagungsteilnehmer allerdings in seinem KeynoteVortrag vor dem “Wahnsinn zu glauben, dass man jegliche Tätigkeit im öffentlichen Sektor mit Kennzahlen messen könne”. So sei beispielsweise die Qualität der Patientenberatung eines Chefarztes unmöglich

Behörden Spiegel / Mai 2017

von Prof. Dr. Morner die Gefahr, dass eine ursprüngliche innere und auf das Gemeinwohl ausgerichtete Motivation durch externe finanzielle Anreize verdrängt wird. Es sei daher essenziell, dass Leistungs- und Anreizsysteme mit Bedacht gewählt würden. Weniger sei dabei manchmal mehr. Die diesjährige Tagung bot einen guten Rahmen zum gegenseitigen Austausch und kritischer Auseinandersetzung Christian Ude, Oberbürgermeister a. bezüglich aktueller BestrebunD. der Stadt München, warnte die gen, die Arbeit von GeschäftsTagungsteilnehmer davor, alles mit führern und Mitarbeitern im öffentlichen Sektor mittels vaKennzahlen messen zu wollen. Foto: BS/Universität Speyer riabler Vergütungsbestandteile steuern zu wollen. Außerdem mittels Kennzahlen zu messen wurden allgemeinere Themen und “politisch und moralisch der Public Corporate Governance, wie beispielsweise die ein Schuss in den Ofen”. Die Gefahr besteht aus Sicht Kompetenz von Aufsichtsrävon Prof. Dr. Morner auch da- ten in öffentlichen Unternehrin, dass Geschäftsführer und men und die Bedeutung eines Mitarbeiter nur noch all jene übergreifenden Public CorpoZiele verfolgten, nach denen sie rate Governance Kodexes, disexplizit gemessen würden. An kutiert. Im kommenden Jahr die Stelle eines gemeinwohlo- wird die 6. Speyerer Tagung zu rientierten Denkens und Han- Public Corporate Governance delns rücke dann die “Karot- vom 16. bis 17. April stattfinden te, der man hinterherrenne”. und diese Problematik erneut Und dann entsteht aus Sicht diskutieren.

Berlin: Neue Besoldungsklagen von Polizisten (BS/Jörn Fieseler) Enttäuscht, wütend, größtenteils verunsichert und vereinzelt kämpferisch – so lassen sich die Gefühle im Berliner Öffentlichen Dienst zusammenfassen, wenn die Gehälter zur Sprache kommen. Es finden sich immer weniger qualifizierte Bewerber, u. a. aufgrund der schlechten Bezahlung. Nebenjobs, um das Entgelt aufzubessern, sind keine Seltenheit. Kaum einer geht dagegen rechtlich vor, einige wenige haben es gewagt. Sie sehen u. a. den vom BVerfG vorgegebenen Abstand zum Hartz-IV-Niveau unterschritten. Fünf Klagen, finanziell unterstützt von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), sind beim Berliner Verwaltungsgericht anhängig. “Die Besoldung ist eine Katastrophe”, erklärt André Grashof, einer der Kläger und selbst Kriminalhauptkommissar. “Allein durch die Entscheidung, den Tariflohn erst zum 1. August eines jeden Jahres auf die Beamten zu übertragen, entstehen jedem Beamten konkrete finanzielle Nachteile”, so der Leiter des Kommissariats Zahlungskartenkriminalität weiter. Dies habe kürzlich das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg unabhängig bestätigt. Selbst im Nachbarland Brandenburg werde die Besoldung rückwirkend zum 1. Januar 2017 erhöht und weitere 0,5 Prozent zum Tarifergebnis draufgeschlagen. Parallel würden sechs andere Bundesländer die Besoldung zum gleichen Datum erhöhen (siehe Behörden Spiegel, März 2017, Seite 3, und Seiten 6 in dieser Ausgabe). “Berlin – ohnehin schon absolutes Besoldungsschlusslicht – erhöht als einziges und letztes Bundesland Deutschlands erst im August des Jahres”, führt Grashof an.

Abgekoppelt “Damit missachten Sie ganz bewusst verfassungsrechtliche Vorgaben”, schrieb der Kriminalhauptkommissar in einem offenen Brief an alle Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses. Die haben den Brief zwar erhalten, gaben bis Redaktionsschluss jedoch keine Stellungnahme ab. Grashof bezieht sich auf mehrere Urteile vom Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts sowie auf die frühere Besoldungspraxis. Fünf Nullrunden zwischen 2004 und 2009 sowie eine anschließende Anhebung um 1,5 Prozent hätten zu einer Abkoppelung der Besoldung geführt. Zudem reduziere sich durch die zeitliche Verzögerung diese Anpassung für die Beamten auf 0,625 Prozent, während gleichzeitig Verbraucherpreise im selben Jahr um 1,3 Prozent gestiegen waren. In den unteren Besoldungsstufen sei nach Abzug der Kosten für die Krankenversicherung das monatliche Entgelt unter dem vom BVerfG geforderten 15 Prozent-Abstand zum Sozialhilfeniveau. Dies belegten die Verdienstzahlen einer weiteren Klägerin. Sie selbst ist Amtsinspektorin bei der Polizei, eingruppiert in die Besoldungsgruppe A4. “Wir haben selbst gerechnet, mithilfe des Statistischen Landesamtes und des Berliner Landesverbandes vom Deutschen Richterbund”, erklärt

Halt! Berlins Politiker sollen in Sachen Besoldung für eine gerichtsfeste, amtsangemessene Alimentierung sorgen. Foto: BS/Tim Reckmann, pixelio.de

Grashof. Das Ergebnis sei gravierend: Die Besoldung von A4, Erfahrungsstufen 1-8, bis zum Eingangsamt in der Gruppe A9 sei verfassungswidrig. Aufgrund des Abstandsgebots der Besoldungsgruppen untereinander würden sich die Auswirkungen bis zur Besoldungsgruppe A16 bemerkbar machen. Auch bei einer leicht abgewandelten Berechnung würden Auswirkungen noch bis A14 bestehen. “Was wir an Daten haben, ist so eindeutig, dass wir hoffen, die Richter am Verwaltungsgericht zu überzeugen.”

Direktvorlage in Karlsruhe angestrebt “Es ist mir unverständlich, dass die Besoldung in Berlin verfassungskonform sein soll”, sagt Grashof. Wo doch einerseits Berlin im Besoldungsreport die rote Laterne trägt und andererseits Gerichte entschieden hätten, dass die Besoldung in besser zahlenden Ländern, darunter Niedersachsen und Brandenburg, verfassungswidrig sei. Das Urteil des BVerfG zum extrem gekürzten Weihnachtsgeld in Brandenburg “dürfte wohl auch für das Land Berlin zutreffen”, so der Kommissariatsleiter. Und weiter: “Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Personen, die in Berlin für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ihre volle Arbeitskraft einsetzen, derart behandelt werden.” Der Senat habe schon klar zu verstehen gegeben, dass er erst reagieren werde, wenn das Bundesverfassungsgericht das Land Berlin zum Handeln verurteile. Deshalb solle die Klage beim Verwaltungsgericht so gestaltet werden, dass diese eine Direktvorlage beim BVerfG auslöse. Doch dazu müsse die Klageschrift eine Vielzahl von Daten und Berechnungen enthalten, erläutert Grashof.

Unzufrieden mit Umgang “Maßlos enttäuscht und aufgeregt vom bisherigen Umgang der Berliner Politiker”, so erklärt Grashof seine Motivation. Schon lange schwelt die Diskussion um die amtsangemessene Alimentierung der Ordnungshüter

in der Landeshauptstadt. Eine Volksinitiative, von Grashof und fünf anderen Beamten ins Leben gerufen, sammelte Unterschriften mithilfe von GdP und BDK. “Nachdem wir über 20.000 gültige Unterschriften zusammen hatten, musste das Abgeordnetenhaus die Initiative anhören”, berichtet der Gründer der Initiative. Vom Ausgang der Anhörung im Abgeordnetenhaus war er jedoch recht enttäuscht. Vorgelegte Zahlen mit eindeutigem Herkunftsnachweis seien angezweifelt und daraufhin eine eigene Berechnung durch den Senat gefordert worden. Diese Berechnung habe wiederrum der Deutsche Richterbund Berlin angezweifelt. “Zudem wurde der Berliner Senat durch den europäischen Gerichtshof schon einmal einer Verfassungswidrigkeit überführt”, führt der Polizist in seinem Brief an die Politik weiter aus: bei der altersdiskriminierenden Bezahlung der Beamten. Der Mehrheit der Beamten wurde jedoch abgesprochen, zeitgerecht einen Widerspruch eingelegt zu haben. So sparte der Berliner Senat bis zu 6.000 Euro je Beamten, die jedem Einzelnen eigentlich zugestanden hätten. Das brachte das Fass zum Überlaufen, weshalb sich der Kommissar zum Handeln entschloss.

Spendensammlung Jeweils 5.000 Euro pro Kläger hatten BDK und GdP für den ersten Teil der Klagebegründung schon finanziert. Im weiteren Verlauf investierte der BDK noch einmal 2.000 Euro. Aufgrund der Komplexität der gesamten Rechtsmaterie und des Aufwands der Datensammlung und juristischen Interpretation sind weitere Finanzmittel für alle Kläger aufzubringen. Deshalb sind eine Crowdfunding-Plattform unter www.leetchi.com/c/ noch-ohne sowie ein Rechtsanwalt-Anderkonto eingerichtet worden. Etwa 9.000 Euro fehlen noch. Erst wenn dieses Geld gesammelt ist, kann der zweite Teil der Klagebegründung eingereicht werden, was spätestens im vierten Quartal des Jahres geplant ist.

MELDUNG

Hollah folgt auf Fietz (BS/jf) Ansgar Hollah (54) tritt die Nachfolge von Paul Fietz als Abteilungsleiter Öffentlicher Dienst an. Seit 2015 stand dem 54-Jährige als Gruppenleiter den Bereich “Geschichte und Erinnerung” bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Monika Grütters, vor. Von 2011 bis 2015 leitete er die Planungsgruppe der CDU/ CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Sechs Jahre vorher war er Büroleiter des Ersten Par-

lamentarischen Geschäftsführers der Fraktion, erst Norbert Röttgen, dann Peter Altmaier. Der gelernte Jurist kennt das BMI noch aus seiner Zeit als Referent in der Grundsatzabteilung, bevor er von 1999 bis 2005 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fraktion tätig war. Amtsvorgänger Fietz wechselte zum 1. Februar 2017 als Vorstandsmitglied zur Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).

Seit 1. April 2017 neuer Leiter der Abteilung Öffentlicher Dienst im BMI: Ansgar Hollah. Foto: BS/BMI


Bund

Behörden Spiegel / Mai 2017

B

ehörden Spiegel: Herr Schmitt-Königsberg, die Legislatur nähert sich dem Ende. Welche Bilanz ziehen Sie?

Schmitt-Königsberg: Im aktuellen Koalitionsvertrag war der Passus zum Öffentlichen Dienst sehr klein und enthielt viele Allgemeinsätze. Von daher habe ich nicht allzu viel erwartet. Wir als Gewerkschaft, die nur im Bund organisiert ist, sind vor allem mit den Tarifabschlüssen zufrieden. Bei der Übernahme der Ergebnisse auf die Beamten haben die beiden Minister Dr. Thomas de Maizière und Dr. Wolfgang Schäuble sehr vorbildlich agiert. Behörden Spiegel: Was sehen Sie kritisch? Schmitt-Königsberg: Die sachgrundlosen Befristungen. Das Thema ist zwei Mal in den Tarifrunden gescheitert. Beim ersten Mal ist dazu eine teure Studie beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) in Auftrag gegeben worden, deren Kosten sich Bundesinnenministerium (BMI), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB) geteilt haben. Ich bin sehr enttäuscht, dass diese Ergebnisse nicht aufgegriffen wurden. Gute, motivierte und leistungsstarke Jugendliche werden nach einer 2,5- bis dreijährigen Ausbildung in eine Warteschleife mit mehreren Befristungen gedrängt. Das erschließt sich mir nicht. So wird ein Gesetz ausgenutzt, was eigentlich nicht für die Verwaltung gemacht wurde. Behörden Spiegel: In dieser Legislatur sollte das Dienstrecht weiterentwickelt werden. Was hat sich getan?

“Das geht zu langsam” Von Laufbahnrecht bis IT-Konsolidierung: Themen für die nächste Legislatur (BS) Die Legislaturperiode im Bund neigt sich dem Ende entgegen. Zeit, um für den Öffentlichen Dienst Bilanz zu ziehen und den Blick nach vorn zu werfen. Der Behörden Spiegel sprach mit Hartwig Schmitt-Königsberg, Bundesvorsitzender des Verbandes der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden e. V. im DBB (VBOB), über sachgrundlose Befristungen, die Ausweitung des Stellenpools, die Modernisierung von Arbeitszeitverordnung und Bundespersonalvertretungsgesetz, Weiterentwicklung des Dienst- und speziell des Laufbahnrechts, das Bewusstsein in den Behörden sowie über Beurteilungspraxis und Frauenförderung. Die Fragen stellte Jörn Fieseler. Schmitt-Königsberg: Das geht zu langsam. Der große Wurf ist nicht gelungen. Es sind lediglich einzelne Details in den Vordergrund geraten, z. B. mobiles Arbeiten. Wobei der Unterschied zur Telearbeit vielen nicht präsent ist und beides vermischt wird. Ein anderes Detail sind Langzeitkonten. Der Prozess funktioniert nur mit einem sehr großen Bürokratieaufwand und dann oftmals nur als Pilotprojekt. Das größte Hindernis ist die Arbeitszeitverordnung (AZV).

Mitarbeitern mit Regelaufstieg und Aufstiegschancen für die Beschäftigten, die schon länger im Dienst sind. Behörden Spiegel: Das BMI hat eine Reformbereitschaft beim Bundespersonalvertretungsgesetz signalisiert. Was würden Sie gerne ändern?

Behörden Spiegel: Inwiefern? Schmitt-Königsberg: Die jetzige Fassung ist aus dem Jahr 2006. Die passt nicht in die heutige Zeit. Das ist bei der Flüchtlingskrise besonders deutlich geworden. Von den gemachten Überstunden dürfen bei Erreichen der Kappungsgrenze nur 40 Stunden in den nächsten Zeitraum übertragen werden. Der Rest verfällt. Besser wäre es, die geleistete Mehrarbeit in ein Langzeitkonto – kein Lebensarbeitszeitkonto – einzubringen. Damit würde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessert. Das ist aber nur ein Beispiel. Die AZV muss dringend modernisiert werden. Behörden Spiegel: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Demografiegipfel und dem Dialogprozess Arbeit 4.0?

Schmitt-Königsberg: Wir haSchmitt-Königsberg: Ich haben kleine Ziele erreicht. Etwa bei der Personalvertretung im Bun- be den Eindruck, eine Verzahdesnachrichtendienst (BND). nung hat hier nicht stattgefunRückständige Regelungen wur- den. Das ist schade. Es gibt eine den aufgehoben. Der BND be- große Menge an Schnittstellen. kommt einen Gesamtpersonal- Aber es sind unterschiedliche rat. Über Dienstvereinbarungen Ressorts, mit anderen Zustänbekommen die Beschäftigten digkeiten und von verschiedeeine echte Beteiligung. Und: Die nen Parteien. Beim Demografieprozess ist Themen für Personalversammlungen müssen nicht mehr vom vieles im Verborgenen gescheDienststellenleiter genehmigt hen, Hans-Ulrich Benra hat hier als Ko-Vorsitzender der Arbeitswerden. Außerdem erhalten die Mit- gruppe F sehr viel erreicht. Aber arbeiter bei einem Umzug von es ist nicht in allen Ressorts gelebt worden. Pullach nach “Das Laufbahnrecht Das kommt Berlin, wovon auch der mittwirkt hinderlich, weil es erst jetzt. Aber das BMI ist lere Dienst beviel zu starr ist.” auch nicht der troffen ist, die Motor bei den Wahl zwischen einem Umzug und bis zu acht Demografiethemen. Jahren Trennungsgeld. Und Behörden Spiegel: Mit dem das, obwohl argumentiert wurde, dass das dienstrechtliche demografischen Wandel einher Begleitgesetz zum Bonn-Berlin- geht der Fachkräftemangel. Im Gesetz nicht greife, weil die Um- Bund haben wir einen massiven zugsentscheidung nach dessen Stellenzuwachs. Können diese Inkrafttreten getroffen worden Stellen besetzt werden? sei. Es besteht aber ein kausaSchmitt-Königsberg: Wir steller Zusammenhang zum Regierungsumzug. Jetzt müssen wir len fest, die Sicherheitsbehörsehen, dass die neue Regelung den haben zu Recht stark am Stellenaufwuchs partizipiert. auch angewendet wird. Jetzt kämpfen Bundespolizei, (BKA), Behörden Spiegel: Wie beurtei- Bundeskriminalamt len sie den gesamten Demografie- Bundesamt für Verfassungsschutz, BND und der Zoll um gipfelprozess?

Hat seine Zweifel, ob 2018 die IT-Konsolidierung von 25 Behörden auf freiwilliger Basis gelingt: VBOB-Bundesvorsitzender Hartwig Schmitt-Königsberg (rechts) im Gespräch mit Behörden Spiegel-Redakteur Jörn Fieseler. Foto: BS/Hoffmann, VBOB

die gleichen Bewerber. Da merkt man, dass die Bewerbersituation nicht so optimal ist. Beim BKA wird überlegt, die Eingangsvoraussetzungen zu senken. Das ist ein fatales Signal. Es wird alles komplexer, die Herausforderungen steigen, da darf man die Anforderungen nicht absenken. Stattdessen müssen die Bedingungen verbessert werden. Der Öffentliche Dienst bekommt die Bewerber nicht wegen der Bezahlung. Behörden Spiegel: Was ist mit dem Laufbahnrecht? Schmitt-Königsberg: Das wirkt ebenfalls hinderlich, weil es viel zu starr ist. Durch den Föderalismus haben wir differente Systeme mit einer bis vier Laufbahnen. Gerade für den gehobenen Dienst ist die Personalgewinnung schwierig. Die Menschen merken, dass sie ein Stück weit gefangen sind, die Bezahlung schlechter und die Aufstiegschancen schlechter sind, als in der Privatwirtschaft. Eindeutig. Die Ministerien haben noch einen besseren Stellenkegel als die Geschäftsbereichsbehörden, aber es verlagert sich so langsam auch auf die Ministerien. In bestimmten Bereichen, z. B. bei ITFachkräften und Ingenieuren, bekommt der Bund auch nicht mehr überall das Personal, was er gerne hätte. Behörden Spiegel: Müssten auch die Aufstiegsmöglichkeiten in den höheren Dienst verbessert werden, ähnlich wie beim Praxisaufstieg für den gehobenen Dienst? Schmitt-Königsberg: Wir plädieren stark für die Durchlässigkeit der Laufbahnen. Das nächste große Ziel des VBOB ist deshalb die Ausweitung der Förderung von besonders leistungsstarken Beamtinnen und Beamten nach § 27 Bundeslaufbahnverordnung in den

MELDUNG

Neue Präsidentin im BfS (BS/th) Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat die Naturwissenschaftlerin Dr. Inge Paulini in ihr neues Amt als Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) eingeführt. Paulini folgt auf Wolfram König, der das Amt in den vergangenen 18 Jahren geleitet hatte und bereits seit 2016 Präsident des neu errichteten Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) ist.

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Dr. Inge Paulini ist neue Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz. Foto: BS/BfS

Nach dem Übergang der Aufgaben im Bereich nukleare Entsorgung auf das neue Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit sowie auf die

Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) wird sich das BfS auf die staatlichen Aufgaben des Strahlenschutzes konzentrieren. Paulini war seit 2009 Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung “Globale Umweltveränderungen (WBGU)” in Berlin. Von 1993 bis 2008 arbeitete sie im Umweltbundesamt, zuletzt als Leiterin der Grundsatzabteilung.

einzelnen Laufbahnen. Das BMI macht dazu gerade eine Abfrage in allen Ressorts. Auch hier haben wir eine zwei Klassen- Situation. Es gibt Ressorts, die das machen. In anderen, wo es nicht passiert, fehlt das Bewusstsein. Es müssen aber auch zwei wesentliche Bedingungen erfüllt sein: Erstens sind die richtigen Dienstposten auszuwählen, zweitens braucht es ein transparentes Verfahren. Wir haben viele gute Leute in der Verwaltung, aber die Hürden für einen Aufstieg sind zu hoch. Wir wollen deshalb unterschiedliche Lösungen für Ministerien und nachgeordnete Behörden. Es ist kein Massengeschäft, aber wir brauchen den Dreiklang aus jungen Bewerbern,

die Personalversammlung zeitgleich in Bonn und Berlin statt. In Bonn waren Ministerin Barbara Hendricks und die Personalratsvorsitzende, in Berlin ihr Stellvertreter und der Staatssekretär. Mittels perfekter Videotechnik konnte an beiden Standorten eins zu eins miteinander diskutiert werden. Das muss auch bei Personalratssitzungen möglich sein. Letztlich muss das ganze Gesetz von vorne bis hinten durchforstet werden. Behörden Spiegel: Wie erfolgt inzwischen die Einbeziehung der Personalräte bei der IT-Konsolidierung?

Schmitt-Königsberg: Die Personalvertretungen sind im Wege der vertrauensvollen ZuSchmitt-Königsberg: Wir sammenarbeit eingebunden. brauchen auf jeden Fall eine Aber vertrauensvolle ZusamLösung für ressortübergreifen- menarbeit ist weniger als Mitde Maßnahmen. Es hat sich bestimmung oder Beteiligung. schließlich gezeigt, dass die Ak- Vor allem ist deutlich geworden, zeptanzvonsolchenMaßnahmen dass es keinen übergeordneten besser ist, wenn die Personalräte Personalrat gibt. In den Teilprovorher einbezogen wurden. Das jekten waren fünf verschiedene muss auch eine Dienststelle Hauptpersonalräte (HPR) beakzeptieren. Außerdem sind teiligt. Zwar wird die Arbeitsgedie Beteiligungstatbestände meinschaft der HPR einbezogen, grundsätzlich zu überarbeiten. aber dieses Gremium ist gesetzDas Gesetz ist lich nicht nor43 Jahre alt. miert. “Wir brauchen den Vieles ist nicht Viel kritischer Dreiklang aus jungen enthalten, was sehe ich aber heute exis- Bewerbern, Mitarbeitern den Konsolitent ist, wie mit Regelaufstieg und dierungszeitzum Beispiel plan. Allein in die Telearbeit. Aufstiegschancen für die diesem Jahr Auch die Frei- Beschäftigten, die schon sollen sieben stellungen länger im Dienst sind.” teils schwierimüssen nochge Behörden mal überdacht konsolidiert werden. Die jetzigen Regelun- werden, 2018 weitere 25 Behörgen begünstigen die größeren den auf freiwilliger Basis hinzuGewerkschaften. Außerdem kommen. Ich habe meine Zweimuss das Gesetz an die heuti- fel, ob das gelingt. gen Arbeitsmethoden angepasst werden. Das komplette Interview lesen Mit der heutigen Technik ist Sie auf www.behoerdenspiegel. vieles möglich. Im Bundesum- de, Suchwort “Schmitt-Königsweltministerium (BMUB) fand berg”.


Länder

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B

ehörden Spiegel: Herr Kubicki, welche Herausforderungen sehen Sie aktuell und in Zukunft im Öffentlichen Dienst? Kubicki: Eines steht definitiv fest: In absehbarer Zeit werden wir im Öffentlichen Dienst mehr Personal benötigen. Insbesondere die Polizeien, aber auch die kommunalen Ausländerbehörden und die Justiz müssen personell deutlich verstärkt werden. Damit das gelingt, muss der Öffentliche Dienst attraktiver werden: Wir brauchen verbindliche Beförderungsmodelle und eine aufgabengerechte Bezahlung genauso wie flexible Aufstiegsmöglichkeiten. Und wir müssen beim EGovernment noch besser werden, um unsere Verwaltung bürgerfreundlicher und auch für die Herausforderungen durch den demografischen Wandel fit zu machen. Behörden Spiegel: Müssen sich denn auch Strukturen und Abläufe im Öffentlichen Dienst hierzulande verändern? Kubicki: Auf jeden Fall! Wir müssen unbedingt das Zulagensystem im Öffentlichen Dienst reformieren. Für Nacht- und Schichtdienste muss es künftig eine höhere Zulage oder die Reduzierung der Wochenarbeitszeit geben. Gleiches gilt für Erschwerniszuschläge. Aber hier

Behörden Spiegel / Mai 2017

Keine Reform von Innen heraus möglich Öffentlicher Dienst braucht grundlegenden Wandel (BS) Die Verwaltung in Deutschland steht in naher Zukunft vor großen Aufgaben. So muss der Öffentliche Dienst als Arbeitgeber deutlich an Attraktivität gewinnen. Das meint Wolfgang Kubicki, Fraktionsvorsitzender der Freien Demokraten in Schleswig-Holstein. Das Gespräch mit dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP führten R. Uwe Proll und Marco Feldmann.

Wolfgang Kubicki ist Fraktionsvorsitzender der Freien Demokraten im Kieler Landtag. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel plädiert der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende für erhebliche Veränderungen im Zulagensystem des Öffentlichen Dienstes. Foto: BS/Feldmann

ist vor allem die Politik gefordert. Denn: Alle Versuche des Öffentlichen Dienstes, sich selbst aus dem Inneren heraus zu reformieren, sind gescheitert. Das gilt nicht nur für die Informationstechnik.

Behörden Spiegel: Ein ganz anderes Thema: Wie stehen Sie eigentlich zu den gesetzlichen Verschärfungen angesichts der angespannten Sicherheitslage? Bedarf es noch mehr und schärferer Gesetze?

Kubicki: Nein, es kommt vor al- nis auch dem Bundesamt für Milem auf die Durchsetzung beste- gration und Flüchtlinge (BAMF) hender Gesetze an. Oft besteht zuzugestehen. Was halten Sie nur ein Vollzugsdefizit. Neue Ge- von diesen Überlegungen? setze sollen der Bevölkerung nur Kubicki: Auch wenn jeder eieine Scheinsicherheit versprechen. Dabei ist doch klar: Mit nen Anspruch darauf hat, dass seine Privatder Vorratsvor datenspeiche“Wir müssen unbedingt sphäre dem Staat gerung fangen das Zulagensystem schützt wird, Sie keine Einbrecher oder im Öffentlichen Dienst hat der Staat eben auch das Räuber. Stattreformieren.” Recht, zu wisdessen bindet sen, wer bei die anlasslose Massenüberwachung erhebli- ihm Asyl begehrt. Meiner Meiche personelle Ressourcen und nung nach sollte eine Auswerverstellt den Blick aufs Wesent- tung durch das BAMF deshalb liche. Viel effektiver wäre es, die in Einzelfällen möglich sein. Eitraditionelle Überwachung der ne regelhafte Anwendung wäre längst Verdächtigten zu verstär- aber völlig unverhältnismäßig, ken. Dafür benötigen wir mehr da meistens ohnehin nur IndiPersonal für Strafverfolgungs- zien gefunden werden dürften. behörden und Geheimdienste Behörden Spiegel: Wie sollund bessere technische Mögte Ihres Erachtens auf die fortlichkeiten. schreitende Digitalisierung der Behörden Spiegel: Bisher dür- Gesellschaft reagiert werden? fen nur die kommunalen AuslänKubicki: Die Informationsderbehörden Handys von Asylbewerbern auslesen. Nun wird geschwindigkeit und -fülle hadarüber diskutiert, diese Befug- ben sich massiv verändert. Wir

müssen die Chancen durch die Digitalisierung nutzen, sonst machen es andere. Ich finde, wir müssen deshalb schon in der Schule ansetzen. Wir müssen die Lehrpläne dahingehend ergänzen, dass in allen Fächern die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler gestärkt wird und die Nutzung digitaler Medien muss für alle Schülerinnen und Schüler unabhängig vom Einkommen der Eltern möglich sein. Die Digitalisierung bietet aber nicht nur Chancen, sondern macht vielen Bürgern auch Angst, weshalb wir darauf achten müssen, dass der Wandel sozialverträglich gestaltet wird. Behörden Spiegel: Wie kann Deutschland effektiv auf die Herausforderungen aus dem digitalen Raum reagieren und wie sollte sich die Bundesrepublik in den aktuellen weltpolitischen Krisenlagen verhalten? Kubicki: Gegen Spionage aus dem Cyber-Raum müssen wir uns technisch, nicht juristisch wehren. Außerdem steht für mich eines eindeutig fest: Wir dürfen Bundeswehrsoldaten nur dann in einen Auslandseinsatz schicken, wenn sichergestellt ist, dass sie am Einsatzort eine angemessene Ausstattung erhalten. Ich glaube, dass es dafür auch einer starken Rüstungsindustrie in Deutschland bedarf.

Verfassungswidrig

Boni, Abschlag, Staffelung

Lüneburg fragt Karlsruhe

Weitere Ergebnisse zur Besoldungsübernahme

(BS/jf) Für die Richter vom fünften Senat des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist die Besoldung in (BS/jf) Bei der Übernahme des Tarifergebnisses auf die Beamten in den Ländern werden alle Register geNiedersachsen zu niedrig bemessen. Dennoch haben sie dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) drei Fälle zogen. Je nach Haushaltslage wird die lineare Erhöhung nicht nur übernommen, sondern sogar erhöht oder vorgelegt, um die Amtsangemessenheit der Bezüge im Jahr 2013 prüfen zu lassen. leicht abgesenkt. Auch Staffelungen hinsichtlich der zeitlichen Übertragung sind vorgesehen. Zulagen sollen ausgeweitet und sogar ein Jobticket für Beamte eingeführt werden. Insgesamt vier Kläger hatten 2005 ein Verfahren angestrebt, nachdem das Land innerhalb von zwei Jahren das Weihnachtsgeld erst mehrmals gekürzt und dann größtenteils gestrichen hatte. Zwei waren Ruhestandbeamten, die Pensionsbezüge aus den Besoldungsgruppen A13 und B6 bekommen. Die beiden anderen sind im aktiven Dienst, ursprünglich in den Besoldungsgruppen A8 und A11. Beide sind 2014 befördert worden. Das Verwaltungsgericht Lüneburg lehnte die Klagen 2007 bzw. 2009 ab. Parallel dazu gab es beim BVerfG anhängige Normenkontrollverfahren, die in den Besoldungsurteilen von Mai und November 2015 mit dem Prüfschema zur Unteralimentation ihren Abschluss fanden. Deshalb hatte das OVG Lüneburg die drei Verfahren zur A-Besoldung vertagt und nach umfangreichen Ermittlungen und einer mündlichen Anhörung ausgesetzt. Zwar

tend machen, dass auch die Besoldung zwischen 2005 und 2012 verfassungswidrig war. Diese Feststellung wies das OVG nach einer Prüfung anhand der vom BVerfG Eine Klage zur Besoldung hat das OVG Lüneburg abge- e n t w i c k e l lehnt, drei andere in Teilen zurückgewiesen. Jetzt soll das ten Prüfparameter zuBundesverfassungsgericht entscheiden. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de rück. Schon die erste sehen die Richter des fünften Prüfungsstufe habe ergeben, Senats die Besoldung für das dass die Bezüge der zwei BeJahr 2013 als nicht vereinbar amten und des Pensionärs mit dem Grundgesetz an. Die nicht zu beanstanden seien. aktiven und Versorgungsbezü- Anders bei der Klage zur Bge der drei Kläger seien evi- Besoldung. Die hat das Gericht zurückgewiesen. dent unzureichend und daher vollständig verfassungswidrig. Dennoch Wegen der grundsätzlichen Besoll Karlsruhe zu dieser Fra- deutung der Rechtssachen ist ge eine Entscheidung treffen. in allen vier Verfahren jedoch Die Kläger wollten zudem gel- die Revision zugelassen.

Bis auf Mecklenburg-Vorpommern steht überall fest, welches Besoldungsplus die Beamten in den nächsten zwei Jahren erwartet (siehe auch Behörden Spiegel, März 2017, Seite 3). In Schwerin konnten sich Landesregierung und Gewerkschaften in den Gesprächen bislang noch nicht auf ein Ergebnis einigen. Im Ländle erfolgt die Übernahme des Tarifergebnisses für das Jahr 2017 linear eins zu eins. Also um zwei Prozent, mindestens jedoch 75 Euro pro Monat, abzüglich der Zuführung zur Versorgungsrücklage. Allerdings ist in Stuttgart entschieden worden, die Erhöhung je nach Besoldungsgruppe zeitlich zu verzögern. Anwärter und Beamte bis A9 bekommen rückwirkend zum 1. März 2017 mehr Geld, die Besoldungsgruppen A10 und A11 zwei Monate später und die übrigen Gruppen vier Monate später zum 1. Juni 2017. Für 2018 wird das Tarifergebnis (plus 2,35 Prozent) nicht nur übernommen, sondern um weitere 0,325 Prozent erhöht. Die Staffelung wird jedoch beibehalten. Zusätzlich nimmt das Land die Absenkung der Eingangsbesoldung zum 1. Januar 2018 vollständig zurück.

Zweimal 0,5 Prozent mehr In Brandenburg steigen die Bezüge der Beamten, Richter und Versorgungsempfänger um 2,65 und 2,85 Prozent, jeweils zum 1. Januar der beiden Jahre. Ebenso wie in Baden-Württemberg wird auch in der Mark für 2017 die Zuführung zur Versorgungsrücklage abgezogen. “Der Öffentliche Dienst ist kein Sparschwein. Der Vorschlag der Landesregierung setzt ein klares Signal für die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes. Und das ist richtig so”, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter. In Bremen wird der Tarifabschluss zwar eins zu eins umgesetzt, allerdings mit einer zeitlichen Verzögerung von fünf

der Besoldungsgruppe A12 erhalten in Zukunft die allgemeine Stellenzulage. Bei der Polizei wird eine Zulage für “besonders belastende Dienste im Polizeivollzug” eingeführt, für besondere Einsätze sollen Erschwerniszulagen gezahlt werden. Auch im Justizvollzug wird die Zulage erhöht. Außerdem wird in Zukunft bereits für Beamtenanwärterinnen und -anwärter bis A 8 Weihnachtsgeld bezahlt. Bislang erfolgte dies erst, wenn eine Festeinstellung erfolgt ist.

Abschlag im Saarland Die Finanzminister von Brandenburg und Baden-Württemberg machen bei der Beamtenbesoldung ihr Säckel weiter auf als beim Tarifabschluss. Foto: BS/Frank Ulbricht, pixelio.de

Monaten. “Eine zeitlich verzögerte Erhöhung ist der Haushaltslage geschuldet. Mit der inhaltsgleichen Übernahme des Tarifabschlusses ist aber sichergestellt, dass die Beamten nicht von der Einkommensentwicklung im Öffentlichen Dienst abgekoppelt werden. So erreichen wir eine ausgewogene Lösung”, sagte Bürgermeisterin und Finanzsenatorin Karoline Linnert. Zudem gibt es weitere Verbesserungen. Lehrkräfte mit

Mit zeitlichen Verzögerungen müssen auch die Beamten im Saarland zurechtkommen. Die Gehälter sind zum 1. Mai 2017 um zwei Prozent (abzüglich der Bildung der Versorgungsrücklage) angehoben worden. Für 2018 ist eine Erhöhung ab dem 1. August vorgesehen, allerdings nur um 2,25 Prozent und damit um 0,1 Prozent weniger als bei den Angestellten. Der hessische Tarifabschluss wird auf die Beamten eins zu ein übertragen. Für 2017 müssen sie sich aber noch ein wenig gedulden. Stichtag für die Erhöhung ist der 1. Juli 2017. Allerdings sollen auch die Beamten vom ausgehandelten Jobticket profitieren.

MELDUNG

1.086 Beförderungen im Jahr 2017 (BS/jf) In Schleswig-Holstein sind vor der Landtagswahl 1.086 Beförderungen und 136 Höhergruppierungen bei den Beamten der Ministerialverwaltung und den nachgeordneten Behörden vorgenommen worden. Dies geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Tobias Koch (CDU) hervor. 2016 wurden insgesamt 3.590 Beförderungen ausgesprochen sowie 450 Höhergruppierungen

vorgenommen. Im Ergebnis belaufen sich die Zahlen für das erste Quartal 2017 auf rund 30 Prozent der Beförderungen und Höhergruppierungen des Vorjahres. Aus der Antwort geht jedoch nicht hervor, wie sich beide im Jahr 2016 über zwölf Monate verteilten. In den Ministerbüros, Presse-, Koordinierungs- und Stabsstellen sind seit 2012 sechs Personen verbeamtet, 55 befördert und bei 13 die Verträge entfristet worden.


Finanzen

Behörden Spiegel / Mai 2017

V

iele internationale Akteure kritisieren Deutschlands geringe Investitionen. Bereits vergangenen Sommer forderte der internationale Währungsfonds (IWF) die “Schwarze Null” zugunsten von mehr Investitionen aufzugeben. IWF-Chefin Christine Lagarde legte vor Kurzem noch einmal nach und mahnte die Bundesregierung zu mehr Investitionen an. Der Rat der Europäischen Union verlangt von Deutschland in seinem Länderbericht vom Februar ebenfalls “einen nachhaltigen Aufwärtstrend bei den öffentlichen Investitionen”. Auch die vom ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingesetzte Expertenkommission forderte unter anderem eine Verpflichtung zu mehr öffentlichen Investitionen.

Investitionsstrategie nicht ausreichend Die öffentliche Investitionsquote betrug 2016 gerade mal 17 Prozent des Bruttoinlandproduktes, während sie im Durchschnitt der Industrieländer 21 Prozent betrug. Seit Jahren sind die öffentlichen Investitionen in Deutschland im Durchschnitt geringer als die Abschreibungen: Die Nettoanlageinvestitionen des Staates sind seit 2003 kumuliert negativ. Das bedeutet: Das öffentliche Eigentum wird aufgezehrt. Mit einer Investitionsstrategie will Deutschland dieser Kritik nun etwas entgegenstellen. Die Bundesregierung setzt dabei vor allem auf eine Steigerung der öffentlichen Investitionen als auch darauf, die Rahmenbedingungen für private Investitionen zu verbessern. Die Investitionsstrategie der Bundesregierung listet mehrere Vorhaben auf. Viele wurden schon seit Beginn der Legislaturperiode in Gang gebracht oder entstanden im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Wirklich neue Ideen liest man im Reformprogramm nicht. So sollen die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur erhöht werden, neue Spielräume für Investitionen durch Entlastung der Länder und Kommunen geschaffen werden. Für Kommunen soll es ein Beratungsangebot bei der Umsetzung von Investitionsvorhaben geben und für die Verwaltung von Autobah-

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Budgetregel gegen den Investitionsstau? Selbstbindung des Staates statt Wahlkampfgeschenke (BS/lkm) Deutschlands Regierung investiert zu wenig. Von immer mehr Seiten wird die schwache Investitionsquote des Bundeshaushaltes kritisiert. Deutschlands staatliche Investitionen liegen seit Langem unter dem OECD-Durchschnitt. Die Investitionsquote des Bundes stagniert seit Jahren und auf einem niedrigen Niveau. Die Nettoinvestitionsquote des Gesamtstaates ist seit zehn Jahren sogar negativ. Mitte April stellte nun Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries den Bericht zum Nationalen Reformprogramm (NRP) 2017 der Bundesregierung vor, in dem die Regierung aufzeigt, wie sie den Ausbau der öffentlichen Investitionen angehen will. nen und anderen Bundesfernstraßen eine neue Struktur in Form einer Infrastrukturgesellschaft geschaffen werden. Zudem sollen die Mittel des Bundes an die Länder für den “sozialen Wohnungsbau” für den Zeitraum 2016 bis einschließlich 2019 um insgesamt drei Milliarden Euro aufgestockt werden. All diese Maßnahmen sind “nicht ausreichend, um den erheblichen Investitionsbedarf zu bedienen”, konstatiert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einer Stellungnahme zum Reformprogramm.

Investitionsregel gegen politische Kurzfristorientierung Um den Bund zu höheren Investitionen zu verpflichten, stellten die Grünen im April im Haushaltsausschuss eine Investitionsregel zu Debatte. Sie soll den Erhalt des Bundesvermögens regeln, indem mindestens die Höhe des Wertverzehrs – also der Abschreibungen auf das Vermögen – durch Neuinvestitionen ersetzt wird. Auch die von Gabriel eingesetzte Fratzscher-Kommission sieht in ihren Empfehlungen eine sehr ähnliche haushaltsrechtliche Selbstbindung des Staates vor. Dr. Michael Thöne, Geschäftsführer des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln, findet eine solche Regel sehr hilfreich. Laut Thöne sind Investitionen in der Politik “strukturell benachteiligt”. Die aktuellen Indikatoren der Haushaltspolitik – einerseits die Schuldenbremse, andererseits die Tragfähigkeitsberichterstattung – seien beide gut, aber “investitionsblind”, da sich darin zwar die Effekte des demografischen Wandels und der Staatsverschuldung niederschlügen, aber die Effekte von Unterinvestitionen in die Infrastruktur und den langjährigen Werteverzehr nicht erfassten.

Ähnlich sieht es auch Prof. Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Die Schuldenbremse alleine könne eine nachhaltige Finanzpolitik nicht garantieren, weil sie die Zusammensetzung der Staatsausgaben und damit die “Qualität der öffentlichen Finanzen” nicht betrachte. Ausgaben, welche das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft stimulierten, seien demnach eher ein Beitrag zur Nachhaltigkeit als Ausgaben, die lediglich in der Gegenwart Nutzen stifteten. “Oftmals ist aber das, was die Interessen zukünftiger Generationen begünstigt, heute politisch vergleichsweise wenig populär. Ein Wahlkampf dürfte eher mit einer Rentenund Kindergelderhöhung als mit einem Investitionsprogramm zu gewinnen sein. Genau hier setzt die Ratio einer Investitionsregel an”, erklärt Heinemann. Mit einer Investitionsregel könne man dem Parlament die Hände binden und seinen budgetpolitischen Entscheidungsspielraum einschränken, um die Interessen zukünftiger Generationen zu wahren.

Großer Interpretationsspielraum Schwierig sei in der Praxis aber die Definition eines überzeugenden Investitionsbegriffs. Eine solche Regel würde einen sehr weiten Interpretationsspielraum eröffnen. Dies sei auch eine der Schwächen der früheren investitionsorientierten

höht sich das Humankapital in einem Beschäftigungsverhältnis?”, hinterfragt Hallerberg.

Kein Widerspruch zum Schuldenabbau Die BertelsmannStiftung hat die verschiedenen Auswirkungen einer verpflichtenden Investitionsregel analysiert und ihre Ergebnisse vor wenigen Wochen in eiInvestitionen in den meisten öffentlichen Bereichen verharren auf einem schwachen Niveau und tragen gegenwärtig kaum zum Wirtschaftswachstum in Deutschland bei. Mehr Investitionen scheitern jedoch unter anderem an der politischen Umsetzbarkeit. Foto: BS/Gerd Altmann, pixelio.de

Schuldenregel, der sogenannten “Golden Rule” gewesen, gibt der Bundesrechnungshof zu bedenken. Man könnte mit guten Gründen argumentieren, dass Bildung eine Investition in die Zukunft ist. “Die Frage ist, ob man ebenfalls sagen könnte, dass Ausgaben für die Gesundheitsversorgung eine Investition in die künftige Zahl von Bürgern sind, oder dass Verteidigungsausgaben eine Investition in die territoriale Integrität des Landes darstellen”, gibt auch Prof. Mark Hallerberg von der Hertie Scholl of Governance zu bedenken. Auch sei die Definition des Begriffs “Abschreibungen” hier sehr kompliziert. “Wie sind Abschreibungen auf Humankapital zu berechnen? Gibt es einen Verfall solchen Kapitals, nachdem eine Person die Schule verlassen hat? Er-

ner Studie vorgestellt. Eine regelgebundene öffentliche Investitionstätigkeit führt demnach zu einem Anstieg des Wirtschaftswachstums und spürbaren Wirkungen auf den gesamtwirtschaftlichen Wachstumspfad. Sollte Deutschland sein Investitionsniveau unverändert lassen, läge das durchschnittliche BIP-Wachstum bis 2025 jährlich bei 1,4 Prozent. Würde sich Deutschland stattdessen in seiner Investitionstätigkeit am OECD-Durchschnitt orientieren, ergäbe sich ein BIP-Wachstum von 1,6 Prozent pro Jahr. Auch die Produktivität, das Arbeitsvolumen und das Niveau privater Investitionen würden durch eine höhere öffentliche Investitionstätigkeit zunehmen. Mehr Investitionen seien daher auch mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung vereinbar. Laut den Modellrechnungen könne die heutige Schuldenstandsquote von 70 Prozent so auf unter 50 Prozent im Jahr

2025 sinken. Die Analysten geben jedoch auch zu bedenken, dass der politischen Umsetzbarkeit zahlreiche haushaltsrechtliche und föderale Herausforderungen im Wege stehen. Erschwerend kommt hinzu, dass die höheren Investitionen in der Modellrechnung durch höhere Steuern und Kürzungen des öffentlichen Konsums finanziert werden. Die Lasten tragen damit zunächst private Haushalte und Unternehmen.

Ernüchternde Erfahrungen In der Praxis haben Fiskalregeln nicht immer und nicht in allen Rahmenbedingungen zu besseren Ergebnissen geführt. So hatten unter anderem Deutschland, Luxemburg, Spanien und England Schuldenbremsen mit einer Investitionsklausel, die aber heute alle nicht mehr bestehen. Ein Grund dafür seien die ernüchternden Erfahrungen in der Anwendung der diversen Investitionsregeln gewesen, so Heinemann. Auf der Suche nach Wegen zu mehr Nachhaltigkeit der Haushaltspolitik schlägt das Pendel in der finanzwissenschaftlichen Literatur derzeit weg von der Fixierung auf Budgetregeln hin zur stärkeren Betonung entpolitisierter Institutionen mit Beratungscharakter.

Beratung statt Regeln Mit dem Europäischen Fiskalpakt haben sich die Mitgliedsländer zur Einrichtung unabhängiger Fiskalräte verpflichtet. Diese beschränken in keiner Weise die Budgetautonomie der Parlamente. Sie dienen der Öffentlichkeit aber als neutrale Informations- und Beratungsinstanzen. “Deutschland verfügt mit dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und seit Kürzerem auch mit dem Unabhängigen Beirat des Stabilitätsrats über solche Gremien”, betont Heinemann. “Es wäre ein reizvoller Gedanke, diesen unabhängigen Gremien stärkere und umfassendere Mandate zur Bewertung der Nachhaltigkeit der öffentlichen Haushalte zu geben. Das wäre vermutlich ein aussichtsreicherer Weg zur Förderung umfassender budgetärer Nachhaltigkeit als der Weg über immer neue komplexe Regeln”, so der Volkswirt.

Hessen plant zentralen Rentenfonds

Weiter auf Unterstützung angewiesen

Staatlich organisierte zusätzliche Altersvorsorge

Haseloff: Osten braucht auch nach 2020 Förderung

(BS/lkm) Ende April stellten die hessischen Staatsminister Tarek Al-Wazir, Stefan Grüttner und Dr. Thomas (BS/lkm) Bei der Konferenz der Regierungschefs der ostdeutschen Länder in Bad Muskau haben die MinisSchäfer in Berlin ein Konzept für die sogenannte Deutschladrente vor, ein staatlich organisiertes Standard- terpräsidenten der Länder eine weitere Förderung Ostdeutschlands auch nach Auslaufen des Solidarpaktes II produkt der zusätzlichen Altersvorsorge. im Jahr 2019 gefordert. Dies soll im Rahmen einer gesamtdeutschen Förderung strukturschwacher Regionen erfolgen. Die hessischen Minister wollen die zusätzliche Altersvorsorge attraktiver machen. Da die betriebliche und private Altersvorsorge in Deutschland unterentwickelt seien, müsse der Staat stärker in die Verantwortung gehen, um der drohenden Altersarmut etwas entgegenzustellen. “Beim neu zu schaffenden Deutschlandfonds, einem zentralen Rentenfonds, gibt es die Deutschland-Rente zum Selbstkostenpreis, damit das Geld, das Bürger für ihre zusätzliche Altersvorsorge beiseitelegen, sicher vor überteuerten Angeboten ist. Hierfür kann der Staat mit seinem guten Namen stehen: Die neue zusätzliche Altersvorsorge heißt daher Deutschland-Rente”, so die Minister. In Hessen arbeitet man schon seit über einem Jahr an einer Möglichkeit, um die zukünftige Lücke in der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente zu schließen. Mitentwickelt wurde die Deutschlandrente von Prof. Dr. Joachim Weimann von der Universität Magdeburg und Prof.

Dr. Markus Roth von der Universität Marburg. Für den großen Schub in der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge brauche man ein obligatorisches Opt-out-Modell. Arbeitnehmer müssten automatisch in ein kapitalgedecktes Altersvorsorgeprodukt einzahlen, wenn sie nicht widersprechen. “In Deutschland können wir auf diesen sanften Druck nicht verzichten, wenn wir ernsthaft Altersarmut bekämpfen wollen”, betonte Al-Wazir. Zudem können Arbeitnehmer zunächst selbst ein Riesterprodukt ihrer Wahl auswählen. Erst wenn das alles nicht greift, wählt der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aus und führt den dafür erforderlichen Beitrag ab. Eine neutrale staatliche Stelle erstellt dazu eine Liste mit Riesterprodukten, die gewisse Mindestvoraussetzungen erfüllen. Auch die Deutschland-Rente wird in der Liste enthalten sein.

Höhere Rendite durch Aktien Für Geringverdienender soll der Staat einen großen Teil der

Beiträge übernehmen. “Dafür nutzen wir das heutige RiesterZulagensystem”, erklärt Finanzminister Schäfer. Gleichzeitig sollen neue Wahlmöglichkeiten für einen höheren Aktienanteil in der privaten Altersvorsorge geschaffen werden. “Das ist bei den derzeit gesetzlich vorgeschriebenen Garantien kaum möglich”, sagt Al-Wazir. Man werde daher die gesetzlichen Garantievorgaben lockern. “Riestersparer sollen in gleicher Weise wie Sparer von Basisrentenverträgen Produkte ohne Beitragsgarantie abschließen dürfen”, betonten die drei Minister. Die Anteile am Fondsvermögen sind vor staatlichem Zugriff geschützt. Als Rechtsform komme ein Sondervermögen im Sinne des Kapitalanlagerechts in Betracht. In der Deutschland-Rente gibt es damit weder ein Sondervermögen des Staates. “Der Deutschlandfonds ist staatlich organisiert, eigenständig und unabhängig. Ein politischer Zugriff auf die eingezahlten Beiträge ist ausgeschlossen”, erklärten Al-Wazir, Grüttner und Schäfer.

“Es gibt ohne Zweifel Erfolge im Aufbau Ost. Doch ebenso müssen wir feststellen, dass es nach wie vor zahlreiche strukturschwache Regionen im Osten gibt, die weiter auf Unterstützung angewiesen sind. Deshalb brauchen wir ab 2020 eine gesamtdeutsche Strukturförderung, die die besonderen Bedingungen im Osten berücksichtigt”, erklärte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. Die ostdeutsche Wirtschaft sei vor allem von kleinen und

mittleren Unternehmen geprägt. Daraus resultierten Defizite bei den Ausgaben der Unternehmen für Forschung und Entwicklung. Vor diesem Hintergrund begrüßte Haseloff das vom Bund angekündigte Programm “Wandel durch Innovation” zur Innovationsförderung in strukturschwachen Regionen. Haseloff: “Der Osten kann nur über Innovationen weiter aufholen.” Der Bund müsse sich aber gegenüber der EU auch dafür stark machen, dass die EU-Förderung für den

Osten 2021 nicht abrupt ende, betonte der Ministerpräsident. Da im Osten größere Unternehmen weitgehend fehlten, müssten zudem Investitionen solcher Unternehmen hier auch weiter förderfähig sein. Die Regierungschefs der Ostländer betonten die Notwendigkeit weiterer Investitionen in die ostdeutsche Infrastruktur. Nur so könne der Osten sein wirtschaftliches Potenzial ausschöpfen. Das gelte zum Beispiel für den Breitbandausbau.

MELDUNG

Entwicklungshilfe schöngerechnet (BS/lkm) Die Europäische Kommission vermeldete jüngst ein neues Rekordhoch bei der Entwicklungshilfe. Mit insgesamt 75,5 Mrd. Euro lag die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten so hoch wie noch nie. Deutschland erreichte erstmals das selbst gesteckte Ziel

von 0,7 Prozent des BNE – bedingt durch die anrechenbaren Ausgaben für Flüchtlinge im Inland. Uwe Kekeritz, Sprecher für Entwicklungspolitik, und Anja Hajduk, Mitglied im Haushaltsauschuss der Grünen-Fraktion im Bundestag, kritisierten die deutschen Entwicklungsausgaben deshalb als “Scheinriesen”.

Ohne die Anrechnung der sechs Milliarden Euro für Ausgaben für Flüchtlinge in Deutschland läge die ODA-Quote bei nur 0,52 Prozent. “Damit gibt Deutschland mehr Entwicklungsgelder im Inland aus als für die am wenigsten entwickelten Länder im Globalen Süden. Das ist ein absurder Zustand”, kritisierte Hajduk.


Beschaffung / Vergaberecht

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Berufsrecht vor Vergaberecht

U

nter dem Titel “Hinweise für die Ausschreibungen von Dienstleistungen von Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern” geht die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) auf insgesamt 15 Aspekte ein, bei denen Vergaberecht und Berufsrecht zum Teil kollidieren, und nennt Lösungsvorschläge, wie bei Ausschreibungen besser verfahren werden kann. “Wir wollen mit dem Merkblatt Vergabestellen unterstützen”, erklärt Dr. Jan Precht, Referent im Referat Personal/Recht und Ansprechpartner bei der WPK für Vergabestellen, die Motivation für das 14-seitige-Merkblatt. Die Struktur orientiert sich an der Durchführung eines Vergabeverfahrens. Neben der Auflistung der relevanten CPV-Codes werden für den Prüfer notwendige Unterlagen benannt, die der Bekanntmachung beizufügen sind, damit bei Prüfungsaufträgen adäquate Angebote abgegeben werden können. Dazu zählen der letzte Jahresabschluss, Prüfungsbericht und Wirtschaftsplan sowie Angaben zu Mitarbeiterzahlen, Bilanzsumme und sonstigen relevanten Unternehmensdaten. Des Weiteren Angaben zur Buchhaltungssoftware und zum Ersteller des letzten Jahresabschlusses.

Besonderheiten bei der Vergabe von Wirtschaftsprüferleistungen

Rotation versus Compliance “Die Mitglieder der WPK erbrin-

jedoch “das Bundesinnenministerium”, führt Precht weiter aus. In der Praxis versuchen die Mitglieder der Kammer bereits bei der Mandatsabwicklung eine Erlaubnis einzuholen, unklar ist dann jedoch meistens, wie ausführlich die Referenz dann sein soll. Ist nur das Mandatsverhältnis zu nennen oder sind konkrete Rechnungswerte und Aufgaben anzugeben? “Eine tatsächliche bzw. absolute Freigabe ist das Beste”, bestätigt Dr. Rainer Noch, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Oppler Büchner Rechtsanwälte Bei der Ausschreibung von Leistungen von Wirtschaftsprüfern gibt es einige PartGmbB in München. Schon bei abgeschwächten Varianten Besonderheiten zu beachten. Hilfestellung gibt ein Merkblatt der Kammer. Foto: BS/©BillionPhotos.com, fotolioa.com stelle sich die Frage, ob Dritten überhaupt von dem ManBesonders aufwendig ist es, die erst zustimmen. “Eine anonymi- dat berichtet werden könne. Fachkunde des Bieters mittels sierte Referenzliste begegnet kei- Der Rechtsanwalt empfiehlt den Referenzen nachzuweisen. Dies nen berufsrechtlichen Beden- Vergabestellen, bei den Refekollidiert mit der Verschwiegen- ken”, heißt es in dem Merkblatt. renzen Maß zu halten. “Schon heitspflicht der Wirtschaftsprü- So könnte als Auftraggeber bei- drei Referenzen pro Dienstleisfer. Mandanten müssen einer spielhaft “ein Bundesministeri- tung reichen aus.” Darüber hisolchen Nennung grundsätzlich um” angegeben werden, nicht naus können Bieter eine Liste

Aufklärungspflicht bei Niedrigpreisangeboten (BS/ Dr. Wolfgang G. Renner/ Dr. Felix Siebler) Mit Beschluss vom 31. Januar 2017 (Az.: X ZB 10/16) hat der BGH entschieden, dass Auftraggeber verpflichtet sind, Angebote mit deutlichem preislichen Abstand zum nächstgünstigsten Gebot oder auffälligen Abweichungen von preislichen Erfahrungswerten aus andersweitigen Beschaffungsvorgängen aufzuklären und die zugrundliegende Kalkulation zu überprüfen. Auf diese Aufklärung und Preisprüfung durch den Auftraggeber haben andere am Vergabeverfahren beteiligte Bieter einen Anspruch. Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass § 16 Abs. 6 VOL/A keine drittschützende Wirkung entfalte. Die Antragstellerin könne sich daher nicht darauf berufen. Dieser Ansicht wollte

und verwies das Verfahren an die Vergabekammer zur Entscheidung zurück. Die Regelungen in der VgV, VOB/A und VOL/A, nach denen der Auftraggeber bei ungewöhnlich niedri-

30 Prozent günstiger Die Berliner Feuerwehr führte eine Ausschreibung mit dem Schwerpunkt der Gestellung von Notärzten in verschiedenen Versorgungsgebieten / Losen durch. Die Antragstellerin beteiligte sich an der Ausschreibung und reichte ein Angebot ein. Nachdem die Vergabestelle sie darüber informiert hatte, dass der Zuschlag auf das Angebot eines Mitbewerbers erteilt werden soll, das preislich ca. 30 Prozent unter dem Angebot der Antragstellerin lag, reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag ein. Die Antragstellerin vertrat die Auffassung, dass das Angebot des Konkurrenten ungewöhnlich niedrig sei, da die tariflichen Personalkosten so nicht zu decken seien, und das Angebot daher nicht berücksichtigt werden könne. Die Vergabekammer hat den

den, was im Rahmen des Vergaberechts erlaubt ist”, mahnt der Rechtsanwalt.

(BS/Jörn Fieseler) Werden Dienstleistungen von Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern ausgeschrieben, werden oftmals Anforderungen gen freiberufliche Leistungen, gestellt, die im Widerspruch zu deren berufsrechtlichen Pflichten stehen. Grund genug für die Wirtschaftsprüferkammer, mit einem Merkblatt für für die nicht zwingend eine öfAufklärung zu sorgen. fentliche Ausschreibung erfor-

Neues vom BGH

Im Streitfall können andere Bieter dabei auch Einblick in Geschäftsgeheimnisse von Konkurrenten erhalten, wenn ihr Interesse an wirksamem Vergaberechtsschutz im Einzelfall überwiegt.

Behörden Spiegel / Mai 2017

Dr. Wolfgang G. Renner, LL.M., und Dr. Felix Siebler, LL.M., sind beide Rechtsanwälte bei Heuking Kühn Luer Wojtek in München Fotos: BS/Heuking Kühn Lüer Wojtek

sich das Kammergericht anschließen und die von der Antragstellerin eingelegte sofortige Beschwerde zurückweisen. Wegen einer divergierenden Entscheidung des Saarländischen Oberlandesgerichts sah es sich jedoch an einer Entscheidung gehindert und legte die Sache dem BGH zur Entscheidung vor.

Marktverdrängungsabsicht nicht erforderlich Der BGH schloss sich der Auffassung der Antragstellerin an

Bildnachweis: Rainer Sturm, pixelio.de

Praxisseminare 2017 Vergaberecht für Auftragnehmer und Bieter

www.fuehrungskraefte-forum.de Vergaberecht für Auftragnehmer und Bieter

Angebotsmanagement und -gestaltung

Bieterstrategien und Bieterfragen

19.09.2017 Berlin

17.-20.10.2017 Frankfurt am Main

14.-15.11.2017 Hamburg

gen Preisen Aufklärung zu verlangen hat und den Zuschlag auf unangemessen niedrige Angebote nicht erteilen darf, gehen auf den Wettbewerbsgrundsatz im Sinne von § 97 Abs. 1 GWB zurück, auf dessen Einhaltung jeder Bieter einen Anspruch hat. Dementsprechend können auch unterlegene Bieter einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber eine genauere Prüfung der Angebotspreise vornimmt. Voraussetzung für den Zugang zu den Nachprüfungsinstanzen ist nach Auffassung des BGH alleine, dass der unterlegene Bieter für die Unangemessenheit des Preises des Konkurrenzangebots indizierende Umstände darlegen kann. Das sei in der Regel der Abstand zum nächstgünstigen Angebot, könne aber auch in einer auffälligen Abweichung von Erfahrungswerten liegen. Nicht erforderlich ist, dass darüber hinaus eine Marktverdrängungsabsicht des Konkurrenten oder eine Gefahr für die ordnungsgemäße Auftragsdurchführung vorgetragen wird. Im Rahmen der Akteneinsicht ist eine Einsichtnahme in Unterlagen, die als Geschäftsgeheimnisse gekennzeichnet wurden, nicht ausgeschlossen. Die Vergabekammer muss hierzu Geheimhaltungs- und Offenlegungsinteressen der Beteiligten auch unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Rechtsschutzes

abwägen.

Detaillierte Prüfung erforderlich Der BGH stellte fest, dass der Auftraggeber in eine detaillierte Prüfung des Angebotspreises einsteigen muss, sofern sich hinreichende Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit des Preises ergeben. Die Prüfung muss nach Auffassung des BGH darauf gerichtet sein, die Grundlagen der Kalkulation und der Preisermittlung nachzuvollziehen. Sollten die hierfür erforderlichen Angaben nicht aus den Vergabeunterlagen ersichtlich sein, so hat der Auftraggeber dem betreffenden Bieter die Möglichkeit zu geben, die Kalkulationsgrundlagen im Rahmen einer Aufklärung zu erörtern. Wenn diese Prüfung die geringe Höhe des Preises nicht zufriedenstellend aufklären konnte, kann das Angebot nicht berücksichtigt werden.

Besserer Schutz Die Entscheidung des BGH bringt begrüßenswerte Rechtsklarheit – für den Auftraggeber vor allem deshalb, da erstmals konkret vorgezeichnet ist, nach welchen Schritten und in welcher Detailtiefe eine Überprüfung von Niedrigpreisangeboten zu erfolgen hat. Die Vorgaben des BGH können dem Auftraggeber als Orientierung für eine vergaberechtskonforme Preisprüfung und deren Dokumentation dienen. Für die Bieter geht damit ein besserer Schutz gegen Konkurrenten mit Dumpingangeboten einher und daher ein höheres Maß an qualitativ hochwertigen Leistungen zu erwarten ist. Häufig steht die Vergabestelle zwischen streitenden Bietern, die deutlich mehr Erfahrung als die Vergabestelle mit den ausgeschriebenen Leistungen und deren Kalkulation haben. Die stärkere Stellung des konkurrierenden Bieters erhöht die Anforderungen an die Transparenz der Preiskalkulation und kann zur Entlastung der Vergabestellen beitragen.

anonymisierter Referenzen als Zusatz beilegen. “Letztendlich stehen die Berufsrechte im Vordergrund”, betont Noch. Daran müsse sich das Vergaberecht orientieren.

Escape-Klausel nutzen Von entscheidender Bedeutung ist die Prüfungsqualität. Der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium sei deshalb grundsätzlich nicht geeignet, heißt es in dem Merkblatt weiter. “Ein niedriger Preis bietet nicht die Gewähr, tatsächlich das beste Preis-Leistungs-Verhältnis ausgewählt zu haben”, erläutert der WPK-Referent. Die Entscheidungen der Vergabekammern zur Bewertung – etwa die Schulnotenrechtsprechung des OLG Düsseldorf – würden jedoch die Praxis fördern, den Preis als 100-Prozent-Kriterium anzuwenden. Ebenso seien Pauschalhonorare nicht immer zielführend. Auch, weil sie berufsrechtlich grundsätzlich nur statthaft seien, wenn eine Öffnungsklausel, eine sogenannte Escape-Klausel, vereinbart werde. Vergabestellen sollten diese Option deshalb stets im Rahmen der Bekanntmachung mit anbieten. Damit könne das Honorar erhöht werden, wenn nicht vorhersehbare Umstände beim Auftraggeber eintreten, die den Bearbeitungsaufwand erheblich ausweiten. Aus der Sicht von Noch eine unproblematische Regelung, die mit planerischen Mengenangaben vergleichbar sei. “Die Mengenannahme entscheidet über den Wettbewerb. Sie ist aber nicht letztentscheidend maßgeblich für das, was gebraucht wird.” Ein Vorteil für einen Bieter sei zudem nicht ersichtlich, schließlich hätten alle die gleiche Ausgangslage. Auch hier habe das Berufsrecht Vorrang vor dem Vergaberecht. Aber: “Es darf nur nachverhandelt wer-

derlich ist”, schreibt die WPK hinsichtlich der Wahl der Verfahrensart. Auch solle vorab geprüft werden, ob überhaupt eine Neuvergabe erforderlich sei, da eine Rechtspflicht zur externen Rotation bei Unternehmen der öffentlichen Hand häufig nicht bestehe. “Die ist nur bei kapitalmarktorientierten Unternehmen im Sinne des § 319 a HGB vorgeschrieben”, erklärt Precht. Deshalb könne als Verfahrensart grundsätzlich ein Verhandlungsverfahren (oberhalb der Schwellenwerte) oder eine Verhandlungsvergabe (unterhalb der Schwellenwerte) mit oder ohne Teilnahmewettbewerb gewählt werden. Zwar wird in dem Merkblatt auf die Besonderheiten des Haushaltsrechts verwiesen, doch nicht nur deshalb rät der Münchener Fachanwalt für Vergaberecht von diesem Vorgehen ab: “Das ist ein falsches Lockmittel und fördert Direktvergaben.” Außerdem handle es sich doch weitestgehend um standardisierbare Leistungen, die sich eben auch in den CPVCodes widerfänden. Stattdessen wäre es möglich, die Ausschreibungen als Rahmenvertrag zu gestalten. Dabei könne die maximale Laufzeit auf sechs, wenn nicht sogar acht Jahre gestreckt werden, “da es sich um ein besonderes Vertrauensverhältnis handelt”. Allerdings sollte dann als Bedingung im Verfahren bereits ein Wechsel des Prüferteams innerhalb des Auftragnehmers z. B. nach der Hälfte der Laufzeit als Vertragsbestandteil bekannt gemacht werden. “Diese Möglichkeit ist in der Entscheidungspraxis schon angeklungen”, berichtet Noch.

Aktualisierung geplant Eine Aktualisierung steht voraussichtlich nach Veröffentlichung der Anwendungserlasse in den Ländern für die Unterschwellenvergabeordnung an.

qanuun-aktuell Familienbande von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Aus royalen Kreisen weiß man, dass viele Familienmitglieder im Gegenzug zu einer anständigen Apanage mit Repräsentationsaufgaben betraut werden. Maxima, Victoria und Kate heißen die Idole der yellow press, aber fürs Nichtstun gibt es nichts. In anderen Gesellschaften, vor allem außerhalb Europas, in denen man der Institution Staat zutiefst misstraut, scheint es für die jeweils Regierenden eine “heilige” Pflicht zu sein, vor allem ihren Clan mit allen Privilegien zu segnen, die das Gesetz nicht mehr erlaubt. Unabhängig davon, ob diese Familienmitglieder etwas leisten, erhalten sie Geld aus der Kasse des Staates und ruinieren selbigen. Wir in der westlichen Welt schütteln darüber ungläubig den Kopf. Familiensinn wird hierzulande geschätzt, aber er findet seine Grenzen dort, wo Abgeordnete ihre Lieben mit scheinbaren Arbeitsverträgen auf Steuerzahlerkosten üppig versorgen. Da kennt die Justiz auch in Frankreich derzeit mit Fillon keinen Spaß. Doch nun könnte der Wind, aus Westen kommend, sich grundlegend drehen: Die Wahlkampffinanzierung in den USA oder das

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

Verhältnis amerikanischer Politik zu Kapital und Lobbyismus war aus deutscher Sicht gelegentlich irritierend, von der Todesstrafe ganz zu schweigen. Gleichwohl war der Vorrang des Gemeinwohls vor dem Alleinwohl auch in den USA unumstritten. Doch seit fast vier Monaten gibt es einen neuen Präsidenten und der “liebt” seine Familie mehr als das amerikanische Volk. Auf Staatskosten reist er regelmäßig zu seinem Feriendomizil, lässt sein Wohnhaus in New York teuer bewachen, macht Schwiegersohn sowie Tochter zu Beratern und verschafft der Tochter chinesische Markenrechte. Er ist eben ein echter Familienmensch.


Beschaffung / Vergaberecht / E-Vergabe

Behörden Spiegel / Mai 2017

G

enerell kennt das deutsche Vergaberecht seit Längerem das Institut der Selbstreinigung. Unternehmen, die in der Vergangenheit in bestimmte Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten verwickelt waren, können demnach nachweisen, dass sie die erforderlichen Maßnahmen ergriffen haben, um ähnliche Verstöße zukünftig auszuschließen. Und damit nicht wegen des Vorliegens von zwingenden oder fakultativen Ausschlussgründen ausgeschlossen zu werden. Die vergaberechtliche Praxis sieht in diesem Zusammenhang häufig vor, dass öffentliche Auftraggeber (öAG) eine entsprechende Eigenerklärung zur Prüfung dieser Ausschlussgründe einfordern.

Deutsche Umsetzung macht’s möglich Selbstreinigung als Sprungbrett für kartellrechtliche Schadensersatzklagen?

Anna Horschik und Dr. Stephan Waldheim sind beide Rechtsanwälte bei der Kanzlei Bird & Bird LLP in Düsseldorf. Foto: BS/Bird & Bird LLP

chen Informationen, etwa zur kartellbedingten Preisüberhöhung, mitteilen möge. Andernfalls sehe man sich gezwungen, ihn wegen des Vorliegens von Ausschlussgründen von jeder weiteren Vergabe auszuschließen.

Frage der Übertragung

standenen Schaden. Allgemein ist die Ermittlung des Schadens in derartigen Prozessen hoch komplex und für den insoweit beweispflichtigen Kläger mit erheblichen Beweisschwierigkeiten belastet. Da selbst die Bußgeldentscheidungen des Amtes oder der EU-Kommission dazu regelmäßig keine Aussage treffen, verlangte der öAG deshalb, dass der Bieter ihm im Rahmen der Selbstreinigung die für die Bezifferung seines Schadens vor dem Zivilgericht erforderli-

MELDUNG

Verpflichtende Anwendung vorgesehen (BS/jf) In den meisten Bundesländern soll die Unterschwellenvergabeordnung für die Landesverwaltung verpflichtend eingeführt werden. Das ergab eine Abfrage des Behörden Spiegel. Demnach wollen SchleswigHolstein, Hamburg, Bremen, Brandenburg, Berlin, SachsenAnhalt, Bayern, Baden-Württemberg und das Saarland diesen Schritt vollziehen. Teilweise aber erst nach der Überarbeitung der landeseigenen Tariftreue- und Vergabegesetzte. Noch kein Statement, ob die Anwendung verpflichtend vorgeschrieben oder lediglich

empfohlen wird, gibt es aus Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen. In allen vier Ländern seien die Prüfungen und Beratungen noch nicht abgeschlossen. Fraglich ist die Anwendung im kommunalen Bereich. Während Bayern die UVgO für alle staatlichen Stellen verpflichtend erklären will, wird dies in Brandenburg abhängig von einer Änderung der kommunalen Haushalts- und Kassenverordnung sein. In Baden-Württemberg steht fest, die Anwendung der UVgO den Kommunen zu empfehlen.

Das Instrument der Selbstreinigung als Sprungbrett also für die Bezifferung von Kartellschäden des öAG im Zivilprozess? Wie ist das zu verstehen? Hintergrund ist das seit April 2016 in Kraft getretene Vergaberecht. Konkret: die deutsche Umsetzung der Vergaberichtlinie 2014/24/ EU. Danach müssen Unternehmen, die sich selbst reinigen wollen, nicht nur den angerichteten Schaden wiedergutmachen oder sich dazu verpflichten, sondern auch aktiv an der Sachverhaltsaufklärung mitwirken, indem sie “die Tatsachen und Umstände, die mit der Straftat oder dem Fehlverhalten und dem dadurch verursachten Schaden in Zusammenhang stehen” aufklären (§ 125 GWB). Auf Letzteres berief sich der öAG in dem nun dem EuGH vorliegenden Fall. Er konnte dies, weil der deutsche Gesetzgeber die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung weiter interpretiert hat als die der Regelung zugrunde liegende Vergaberichtlinie 2014/24/EU. Danach gilt die Aufklärungspflicht im Rahmen der Selbstreinigung nur gegenüber Ermittlungsbehörden. Der neue § 125 GWB erfasst hingegen ausdrücklich auch die öAG. Ob dies mit dem Europäischen Recht in Einklang steht, ist die Vorlagefrage zum EuGH. Denkbar wäre beispielsweise eine erweiterte Wortlautauslegung, wonach der Begriff der

“Ermittlungsbehörde” auch die “ermittelnde Behörde” erfasst, mithin auch die öAG. Denn diese prüfen, ob die durch den Bieter durchgeführten Maßnahmen der Selbstreinigung ausreichen, um den Ausschluss zu verhindern. Anhaltspunkte für eine solche Auslegung bieten etwa die englischen und französischen Wortfassungen der Richtlinie.

Privilegien für öAG? Unterstellt, der EuGH kommt zur Zulässigkeit der weiten Umsetzung der Richtlinie durch die deutsche Gesetzesregelung, stellt sich für die Praxis aber eine noch weitaus interessantere Frage: Sind öAG zukünftig bei der Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche privilegiert? Und falls ja, wie ist das mit allgemeinen kartellrechtlichen und zivilprozessualen Grundsätzen in Einklang zu bringen? Denn eine Pflicht zur aktiven Sachverhaltsaufklärung auch dem öAG gegenüber würde letztlich dazu führen, dass zivilprozessuale Beweislastregeln ausgehebelt würden: Der Kartelltäter müsste dann dem öAG genau diejenigen Informationen z. B. zur kartellbedingten Preisüberhöhung, Reichweite und Funktionsweise des Kartells offenlegen, die dieser im Zivilprozess darlegen und beweisen muss, um seinen Schadensersatzanspruch zu begründen. Zwar kennt auch das Kartellrecht gewisse Kooperationspflichten, so z. B. im Rahmen von Kronzeugen- oder Bonusanträgen; diese greifen allerdings – wie auch die Vergaberichtlinie – ausdrücklich nur gegenüber den Ermittlungsbehörden, also Bundeskartellamt und EUKommission. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Schadensermittlung, abgesehen von klassischen Preiskartellen, häufig auch dem Kartelltäter selbst kaum möglich sein wird. Für Kunden- und Quotenkartelle etwa besteht nach der Rechtsprechung zwar eine Schadensvermutung; in welcher Höhe, bleibt allerdings

Eigene Rechte für den Planer Neue Funktion in subreport ELViS (BS/ Andrea Farnung*) Die Vergabe von großen Aufträgen wie etwa die Planung von Bauprojekten stellt Auftraggeber vor enorme Herausforderungen. Gerade die Erstellung von Bekanntmachung und Vergabeunterlagen mit vielen Losen sowie die Definition der Bewertungskriterien erfordern Fachkenntnisse und ziehen Koordinations- und Zeitaufwand nach sich – ein Aufwand, der für Ausschreiber nur schwer zu schultern ist. Zumal durch Sparmaßnahmen in den Kommunen und Verwaltungen wie durch den Fachkräftemangel Ingenieure und Fachplaner rar geworden sind. Wie viel einfacher ist es da, einen externen Planer einzusetzen, der die Ausschreibungsunterlagen erstellt oder bearbeitet und das Projektmanagement übernimmt – kurz: der die Schnittstelle zwischen Auftraggebern und Bietern bildet. Der Einsatz von externen Planern im Ausschreibungsverfahren ist gängige Praxis – natürlich auch bei der E-Vergabe. Um die bestehende Vertragsbeziehung zwischen Ausschreiber und externem Planer in der E-Vergabe-Lösung abzubilden, arbeiten viele Anbieter mit Rollen, die den Vertragspartnern zugewiesen werden können. Innovativ ist aber, dem externen Planer nicht nur eine eigene Rolle zu geben, die ihn für Bewerber / Bieter eindeutig als solchen erkennbar macht, sondern dem Ausschreiber darüber hinaus zu ermöglichen, die Rechte der Planerrolle individuell und

erfolgt voraussichtlich im Mai 2017. Auch insoweit ist jedoch ein entsprechender Antrag zum Zivilgericht nach den dafür vorgesehenen Regeln erforderlich.

(BS/Anna Horschik, Dr. Stephan Waldheim) Ist es im Rahmen der Selbstreinigung zulässig, vom Kartelltäter zu verlangen, dass dieser dem öffentli- Spannungsbogen auflösen chen Auftraggeber sämtliche Details zu seiner Beteiligung an verbotenen Absprachen (etwa über Preise, Kunden, Märkte etc.) offenlegt – inklusive Mit einer Entscheidung des Eudetaillierter Angaben zum daraus entstandenen Schaden, etwa in Form kartellbedingt überhöhter Einkaufspreise? Diese Frage hat die Vergabe- GH ist nicht vor Anfang 2018 zu kammer Südbayern dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt (Beschluss vom 07.03.2017, Z3-3-3194-1-45-11/16). rechnen. Ihre Implikationen für

Sachverhalt: das Schienenkartell Anlass für die VK Südbayern war das sog. Schienenkartell. Das Bundeskartellamt hatte hier Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 130 Mio. Euro verhängt, zuletzt im März 2016. Der Vorwurf: Mehrere Schienenhersteller hatten über Jahre hinweg Preise und Kunden abgesprochen und Neuausschreibungen entlang zuvor festgelegter Quoten untereinander aufgeteilt – ein klassisches sog. Hardcore-Kartell. Dies nahm nun ein öAG zum Anlass, einen Bieter unter Verweis auf dessen Verwicklung in das Schienenkartell von der aktuell anstehenden Auftragsvergabe auszuschließen. Das pikante dabei: Derselbe öAG forderte von dem Bieter parallel vor dem Zivilgericht Ersatz für den aus eben jenem Schienenkartell ent-

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bedarfsorientiert zu definieren. Genau hier setzt die neue Planerrolle in subreport ELViS an, die derzeit getestet und im Mai 2017 gelauncht wird. Die neue Funktion ermöglicht es Ausschreibern, dem Planer eine eigene Rolle UND eigene Rechte zuzuweisen.

Größtmögliche Flexibilität für den Ausschreiber Das Besondere: Bei der Definition der Rechte des Planers genießt der Ausschreiber vollste Flexibilität. Die Bandbreite erstreckt sich von einfachen Leserechten (“Read-only”-Modus) über Bearbeitungsoptionen bis hin zum vollständigen Zugriff. Mit der neuen Planerrolle in subreport ELViS erhält der Ausschreiber die Möglichkeit, detailliert festzulegen, was sein Planer darf – und eben nicht. So kann der Auftraggeber beispielsweise bei der Erstellung

oder Bearbeitung der Vergabeunterlagen durch den Planer eine Genehmigungspflicht bzw. Freigabeoption festlegen, die Bearbeitungsrechte nach der Ausführung der vereinbarten Tätigkeiten deaktivieren oder den Zugriff auf Informationen wie die Vergabeakte und die Bieterkommunikation ausschließen. Zusätzliche Sicherheit bietet die detaillierte Dokumentation aller Planeraktivitäten in der Vergabeakte.

Die Planerrolle schafft klare Verhältnisse Mit der neuen Planerrolle in subreport ELViS wird der externe Planer als Bevollmächtigter des Auftraggebers legitimiert und für den Bewerber / Bieter eindeutig als solcher erkennbar. Die Vorteile der neuen Rolle liegen auf der Hand: Sie ermöglicht eine klare Aufgabenteilung und schafft Transparenz. “Mit

der Funktion schließen wir eine Lücke, denn wir gewähren dem externen Planer nicht nur eine eigene Rolle, sondern auch eigene Rechte”, erklärt subreportGeschäftsführerin Christiane Schäffer. “Bei subreport ELViS gehen wir damit einen wichtigen Schritt, der E-Vergabe noch praktikabler, rechtssicherer und vor allem flexibler macht.” Mehr Informationen zur neuen Planerrolle bei subreport ELViS erhalten Sie auf www.subreport. de und natürlich telefonisch unter 0221/985 78-0.

DEUTSCHLANDS TOR ZUR AUFTRAGSWELT

*Andrea Farnung ist PR-Referentin bei der subreport Verlag Schawe GmbH.

der gerichtlichen Schadensschätzung vorbehalten. Die Praxis bedient sich in diesem Zusammenhang häufig ökonomischer Sachverständigengutachten. Auch der Kartelltäter wird häufig nur angeben können, dass ein bestimmtes Ausschreibungsprojekt Gegenstand einer Kartellabsprache war; den hypothetischen Wettbewerbspreis, den Preis also, der sich ohne diese Absprache ergeben hätte, wird hingegen auch er zumeist nicht oder nur unter Zuhilfenahme ökonomischer Sachverständiger beziffern können. Die kürzlich ergangene Schadensersatzrichtlinie 2014/104/EU schließlich sieht zwar ebenfalls gewisse Offenlegungspflichten vor, die die effektive Durchsetzung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen in Zukunft erheblich erleichtern; ihre Umsetzung in Deutschland

öAG sind kaum zu überschätzen. Je nach Verfahrensausgang ist mit einer ganz erheblichen Erleichterung der Durchsetzung von Kartellschäden durch öAG in Deutschland zu rechnen. Die verantwortlichen Entscheidungsträger könnten vor diesem Hintergrund umso mehr in der Pflicht stehen, etwaig erlittene Schäden zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen. Eine entsprechende Sorgfaltspflicht existiert unter Umständen bereits nach geltendem Haushaltsrecht. Es bleibt zu wünschen, dass der EuGH die sich ihm bietende Gelegenheit nutzt, den offensichtlichen Spannungsbogen zwischen Vergabe- und Kartellrecht, insbesondere zwischen Selbstreinigung und Kartellschadensersatz, in der Sache aufzulösen. Der Wortlaut der Richtlinie steht dem wie dargelegt nur vordergründig im Wege und ist durchaus ergebnisoffen.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen


Beschaffung / Vergaberecht

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Wie ist das zu bewerten? Neues zur Schulnoten-Rechtsprechung (BS/Dr. Christian Kahle) Soll der Zuschlag für ein Angebot nicht allein nach dem niedrigsten Preis erfolgen, müssen Kriterien identifiziert und gewichtet und in ein transparentes Bewertungssystem überführt werden. Als Zuschlagskriterien kommen dabei häufig Bewertungskriterien zum Einsatz, die sich an Schulnoten orientieren. Die nahezu unüberschaubare Schulnoten-Rechtsprechung wurde jüngst durch die Beschlüsse des OLG Düsseldorf vom 08.03.2017 (VII-Verg 39/16) und des OLG Brandenburg vom 28.03.2017 (6 Verg 5/16) ergänzt. Bereits die Vielzahl der Entscheidungen der Nachprüfungsinstanzen verdeutlicht, dass erhebliche Risiken mit nicht konkret messbaren Zuschlagskriterien verbunden sind. Festhalten lässt sich zunächst, dass die Wertung von Angeboten nach Schulnoten nicht per se unzulässig ist. Das OLG Düsseldorf unterscheidet in der Entscheidung zunächst zwischen den Bewertungsmaßstäben und der Bewertungsmethode. Zu den Bewertungsmaßstäben ist allgemein anerkannt, dass Zuschlagskriterien und die Wertung bereits zum Zeitpunkt der Vorbereitung des Angebotes bekannt sein müssen. Ein Auftraggeber darf zudem keine Unterkriterien verwenden, die er den Bietern nicht vorher zur Kenntnis gebracht hat. Gleiches gilt für die Gewichtung. Bislang hatte das OLG Düsseldorf entschieden, dass solche Bewertungsmaßstäbe intransparent seien, die es dem Bieter nicht ermöglichen, im Vorhinein zu bestimmen, welchen Erfüllungsgrad sein Angebot auf der Grundlage des aufgestellten Kriterienkataloges oder konkreter Kriterien aufweisen muss, um mit den in einem Bewertungsschema festgelegten Punkten bewertet zu werden. Reine Schulnotensysteme, die nicht darlegen, nach welchen Gesichtspunkten eine Note erzielt werden kann, sind demnach völlig unbestimmt und intransparent.

Foto: BS/BRL

nen sein muss, welchen Erfüllungsgrad sein Angebot auf der Grundlage der Zuschlagskriterien erreichen muss, um mit einer bestimmten Notenstufe oder Punktzahl eines Notensystems bewertet zu werden. Damit bewegt sich das Gericht auf der Linie des EuGH, der dem Auftraggeber in der Rechtssache “Dimarso” (C-6/15) einen Freiraum bei der Bewertung der eingereichten Angebote einräumt.

Festhalten in Brandenburg Die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 28.03.2017 bewegt sich offenbar noch auf der Linie der früheren Rechtsprechung des OLG Düsseldorf. Demnach würde eine Bewer-

Paradigmenwechsel in Düsseldorf Diese Rechtsprechung hat das Gericht nun teilweise aufgegeben. Nicht erforderlich ist demnach die vorherige Bekanntgabe der Bewertungsmethode. Zwar darf der Auftraggeber diese nicht erst nach Öffnung der Angebote festlegen. Die Methode, anhand derer der Auftraggeber die konkrete Bewertung der Angebote hinsichtlich der in den Auftragsdokumenten bekannt gemachten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung vornimmt und eine Reihenfolge für sie festlegt, muss hingegen nicht vorab bekannt gemacht werden. In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung hält das OLG Düsseldorf nunmehr nicht mehr daran fest, dass es für den Bieter im Vorhinein zu erken-

tungsmethode dem Transparenzgebot widersprechen, wenn sie den zugrundeliegenden Bewertungsmaßstab nicht erkennen lässt, wenn also für die Bieter nicht im Vorhinein zu bestimmen sei, auf welche Leistung es dem Auftraggeber ankomme bzw. welchen Erfüllungsgrad die Angebote aufweisen müssten, um mit den festgelegten Punkten bewertet werden zu können. Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH muss diese Entscheidung jedoch kritisch gesehen werden.

Dr. Christian Kahle, LL.M., ist Rechtsanwalt bei BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern mbB in Hamburg.

Ebenso wie der Triberger Wasserlauf im Schwarzwald ist auch die Schulnoten-Rechtsprechung weiter im Fluss. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de

Auswirkung auf die Praxis Für Auftraggeber bleibt die Rechtslage damit noch uneinheitlich. Ratsam ist daher, die Rechtsprechung der jeweils zuständigen Nachprüfungsinstanzen im Blick zu behalten. Muss die Bewertungsmethode nicht vorab bekannt gemacht werden, erhöht sich der Freiraum für Auftraggeber, da sie die Bewertungsmethode, die sie zur Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wollen, noch bis zur Öffnung der Angebote an die Umstände des Einzelfalls anpassen können. Macht der Auftraggeber hingegen die Bewertungsmethode vorab bekannt, so darf diese nicht irreführend sein. Zwar betreffen die Entscheidungen das Vergaberecht vor der Vergaberechtsreform. Die Grundsätze dürften aber auch für das neue Vergaberecht gelten. Insofern ist die Entscheidung des BGH auf den Vorlagebeschluss des OLG Dresden vom 02.02.2017 (Verg 7/16) zu der Frage der Bekanntmachung der Bewertungsmethode abzuwarten, die bereits das neue Vergaberecht zum Gegenstand hat. Die Schulnoten-Rechtsprechung bleibt also im Fluss.

Schulungen geplant Nachhaltige Beschaffung in München (BS/jf) Wie nachhaltig ist der öffentliche Einkauf in München? Für die Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP) nicht genug? In drei Anträgen forderten die Stadtratsmitglieder verschiedene Maßnahmen von einer Strategie mit definierten Zielen bis hin zu Schulungen. Das Problem: Der Stadtrat ist nicht zuständig. Die Anträge von Sonja Haider und Tobias Ruff zielen auf laufende Angelegenheiten, “deren Besorgung laut Gemeindeordnung dem Oberbürgermeister obliegt” – nämlich ihm, schreibt Münchens OB Dieter Reiter. Nachhaltige Kriterien würden seit vielen Jahren bei der Beschaffung berücksichtigt. Zuletzt habe sich der Stadtrat zur Resolution des Deutschen Städtetages “Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten” bekannt. Dementsprechend erfolge die Weiterentwicklung eines nach ökologischen und sozialen Kriterien orientierten Einkaufs in der Stadt an der Isar produktorientiert. Insofern existiere bereits eine gesamtstädtische nachhaltige Beschaffungsstrategie auf der Basis von produktspezifischen Beschaffungszielen. Allerdings “können die in verschiedenen Studien

nem Antrag gefordert, schreibt der Oberbürgermeister, dass das Referat für Gesundheit und Umwelt prüfe, in welcher Art und Weise das Themenfeld “Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster” inklusive einer nachhaltigen Beschaffung im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgegriffen werden könne. Auch zum letzten Antragspunkt, der Durchführung von Schulungen, nahm Reiter Stellung. Im Mai 2017 werde eine eintägige Pilotschulung Im Mai werden Münchens Mitarbei- zum Thema mit Unterstütter im nachhaltigen Einkauf geschult. zung der Kompetenzstelle für Foto: BS/Thorben Wengert, pixelio.de nachhaltige Beschaffung beim Beschaffungsamt des Bundeszur nachhaltigen Beschaffung ministeriums des Innern (KNB) erwähnten Einsparpotenziale durchgeführt. Zudem hat das Referat Gederzeit nicht bestätigt werden”, schreibt Reiter in einem Brief an sundheit und Umwelt für 2018 bis 2020 eine eintägige Basisdie beiden Stadträte. Hinsichtlich einer Berichter- Schulung entwickelt. Im Mai ist stattung über die nachhaltige außerdem eine eintägige KonfeBeschaffung, wie ebenfalls in ei- renz geplant.

Behörden Spiegel / Mai 2017

► Entscheidungen zum Vergaberecht ► E-VERGABE

Angebote übersehen Zunächst nur schriftliche gewertet Bei der Terminierung des Vergabeverfahrens hat die Vergabestelle übersehen, dass der Angebotsschluss ausgerechnet in den Urlaub der zuständigen Sachbearbeiterin fällt. So wurden die eingegangenen Angebote von einem Vertreter bearbeitet, der sich offenbar mit der elektronischen Vergabe nicht auskannte. Er hatte lediglich die schriftlichen Angebote geöffnet und nach dem vorgesehenen Verfahren zur formalen Prüfung an den Berater weitergegeben. Als die Kollegin elf Tage später aus dem Urlaub zurückkehrte, bemerkte sie zwei weitere Angebote, die elektronisch eingegangen und noch ungeöffnet waren. Dieses Versehen nimmt nun ein Bieter zum Anlass, das Verfahren anzugreifen. Der lange Abstand zwischen der Öffnung der schriftlichen und der elektronischen Angebote eröffne große Manipulationsmöglichkeiten. Wo allerdings sein Schaden liegen solle, wo doch sein Angebot elektronisch eingegangen war und also niemand in der Zwischenzeit versuchen könnte, ihn in Kenntnis seines Angebotes zu unterbieten, konnte er nicht darlegen. So blieb er auch vor der Vergabekammer erfolglos. Denn der Auftraggeber konnte darlegen, dass die Geheimhaltung der Angebote in der Zwischenzeit gewährleistet war, die Öffnung in beiden Fällen dem Vier-Augen-Prinzip unterlag und die Angebotssummen jeweils unmittelbar dokumentiert worden seien. Auch die Namensgleichheit eines Mitarbeiters des Auftraggebers mit einem des Zuschlagsbieters erwies sich als reiner Zufall. So sah die Vergabekammer keinerlei Hinweis darauf, dass eine Manipulation tatsächlich hätte stattgefunden haben können. VK Westfalen (Beschl. v. 07.02.2017, Az.: VK 1-50/16)

►PROJEKTANT

Ohne Teilnahme... …keine schädliche Vorbefassung Der Webauftritt der Bundesregierung soll technisch überarbeitet werden. Für diesen Auftrag hat die Vergabestelle ein umfangreiches Leistungsverzeichnis ausgereicht. Damit alle technischen Anforderungen richtig beschrieben werden, hat sie sich bei dessen Erstellung eines Beraters bedient. Dieser Berater hat in früheren Zeiten oftmals mit einem anderen Unternehmen als Bietergemeinschaft vergleichbare Aufträge ausgeführt. Auch sind diese beiden Unternehmen insoweit personell verflochten, als der Berater kürzlich einen leitenden Mitarbeiter von seinem früheren Partner übernommen hat. Ausgerechnet dieser frühere Bietergemeinschaftspartner des Beraters bewirbt sich nun um den Auftrag und gibt zudem das führende Angebot ab. Das missfällt der Konkurrenz, die hier eine unzulässige Vorbefassung sieht. Insbesondere die im Verlauf des Verfahrens überarbeitete Wertungsmatrix könnte auf eine Befangenheit des Beraters hindeuten. Diesen Einwänden jedoch bleibt der Erfolg verwehrt. Der Projektant war zur Erstellung des LV nämlich nur vor dem

Vergabeverfahren in die Vergabe eingebunden. Er war vor allem nicht an der Wertung der Angebote beteiligt, was die Vergabestelle ausweislich der Vergabeakte zur Vermeidung von Interessenkonflikten ausdrücklich so vorgesehen hatte. Das Mitwirkungsverbot bei Interessenkonflikten besteht aber nur im und nicht vor dem Vergabeverfahren. Allenfalls eine bewusste Einflussnahme des Beraters zugunsten des Bestbieters könnte einen Ausschlussgrund statuieren. Doch dafür hatte der Antragsteller nichts vorgetragen. VK Bund (Beschl. v. 15.12.2016, Az.: VK 1-121/16)

►RÜGEPFLICHT

Verstoß erkannt? Es kommt auf die Qualifikation an Der Auftraggeber hat die Erbringung von Beratungsleistungen bei der Durchführung von Ausschreibungen ausgeschrieben. Als einer der Bieter die Mitteilung bekam, er werde nicht den Zuschlag erlangen, rügte er diese Entscheidung mit der Begründung, das Leistungsverzeichnis sei unklar gewesen und bürde daher dem Auftragnehmer ungewöhnliche Wagnisse auf. Der Auftraggeber half der Rüge nicht ab. Er hält sie für verfristet, weil der Verstoß sich schon aus der Vergabeunterlage ergebe und damit vor Angebotsschluss hätte gerügt werden müssen. Im Nachprüfungsverfahren trägt der Bieter vor, er sei keinesfalls präkludiert. Die Verstöße seien für einen durchschnittlichen Bieter nicht erkennbar gewesen. Diese Einlassung hilft ihm vor der Vergabekammer nicht. Keinesfalls könne schematisch immer ein durchschnittlicher Bieter als Maßstab für die Erkennbarkeit eines Verstoßes herhalten. Vielmehr müsste die Erkennbarkeit für einen Bieter aus dem angesprochenen Bewerberkreis zugrunde gelegt werden. Wer sich aber darum bewirbt, den Auftraggeber in Vergabesachen zu beraten, müsse erhebliche Kenntnisse auf diesem Gebiet mitbringen. Daher muss dem Bieter unterstellt werden, dass ihm bekannt ist, das Angaben mit den Zusatz “ca.” oder “ggf.” keine eindeutige Leistungsbeschreibung darstellen und er so in der Lage war, den Verstoß schon in den Vergabeunterlagen zu sehen. VK Bund (Beschl. v. 20.12.2016, Az: VK 2-123/16)

►SUBMISSIONSTERMIN

Ahnungslose Pforte Bieter mussten draußen bleiben Im einem der Gebäude der Deutschen Bundesbank waren die Fluchtwege neu auszuschildern. Dieser Auftrag war nach VOB/A ausgeschrieben worden. Der Submissionstermin sollte in einem Raum des Gebäudes in der Taunusanlage Nr. 5 stattfinden. So war es den Bietern auch mitgeteilt worden. Allerdings haben sich alle Bieter in der besser erkennbaren Pforte des Nachbargebäudes eingefunden. Der dortige Sicherheitsdienst hatte keine Kenntnis von dem Submissionstermin und wies alle Bieter ab, die alle nicht etwa nach dem richtigen Gebäude suchten, sondern unverrichteter Dinge nach Hause gingen. Die Vergabestelle eröffnete

planmäßig die Angebote und übersandte allen Bietern das Submissionsprotokoll. Der Zweitplatzierte widersprach dem Submissionsergebnis mit Hinweis auf die gescheiterte Teilnahme am Submissionstermin, worauf die Vergabestelle das Verfahren aufhob und neu ausschrieb. In Kenntnis der Angebotssummen der Bieter änderte sich nunmehr das Wettbewerbsergebnis: Der einstmals Zweitplatzierte gelangte auf den ersten Platz, der bislang erste rutsche um einen Platz nach hinten. Er beantragt eine einstweilige Verfügung gegen die Aufhebung und den Zuschlag an den nunmehr Führenden. Das Landgericht Frankfurt bestätigt Verfügungsgrund und -anspruch. Die Ausschreibung hätte nicht aufgehoben werden dürfen. Das Fehlen der Bieter im Submissionstermin sei auf deren eigenes Verschulden zurückzuführen. Deren Anwesenheit sei erlaubt, jedoch nicht verpflichtend vorgeschrieben. Die Submission ist also auch ohne deren Anwesenheit formal korrekt durchgeführt worden. Insofern habe die Vergabestelle keinen Fehler gemacht, der durch Aufhebung und Neuausschreibung hätte korrigiert werden müssen. LG Frankfurt/Main (Urt. v. 21.12.2016, Az.: 2-04 O 179/16)

►ANGEBOTSFRIST

Zwei Tage sind zu kurz Ermessen ausüben und dokumentieren Die Angebotsfrist für den Auftrag zur Gebäudereinigung wurde vom Auftraggeber ursprünglich auf 19 Tage festgesetzt. Doch aufgrund mehrerer Bieterfragen bemerkte er, dass er das Leistungsverzeichnis erheblich überarbeiten muss. Diese überarbeitete Version stellt er den Bietern rund 48 Stunden vor Ende der Angebotsfrist zur Verfügung. Die Frist verlängert er nicht. In dieser kurzen Zeit können die Angebote nicht neu kalkuliert werden, meint einer der Bieter und beantragt die Nachprüfung des Unterschwellenauftrages nach sachsen-anhaltinischem Landesrecht. Die Vergabekammer beanstandet das Verfahren. Auch sie hält die verbleibende Frist für zu kurz. Die VOL/A (erster Abschnitt) kennt keine Mindestfrist. Vielmehr bestimmt sie, dass die Frist dem Auftragsgegenstand angemessen sein müsse. Dem Auftraggeber werde hier also ein Ermessen abverlangt, das er auch ausüben müsse. Daran habe es im vorliegenden Verfahren gemangelt. Aus der Dokumentation ist nicht ersichtlich, dass sich die Vergabestelle überhaupt mit der Frage auseinandergesetzt hat, wie lang die Frist sein müsse, damit sie angemessen ist. Schon allein dieser Ermessensausfall mache das Verfahren rechtswidrig. Dem Auftraggeber wurde also aufgegeben, das Verfahren bis vor den Versand der Vergabeunterlagen zurückzu versetzen und zur Bestimmung der Angebotsfrist zunächst das Ermessen auszuüben. VK Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 22.12.2016, Az.: 3 VK LSA 50/16)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

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KOINNO

Behörden Spiegel / Mai 2017

Seite 11

Themenseite in Kooperation mit:

Kompetenzzentrum Innovative Beschaffung

Drei innovative Preisträger prämiert Sieger im Wettbewerb “Innovation schafft Vorsprung“ für öffentliche Auftraggeber sind die Duisburger Versorgungsund Verkehrsgesellschaft (DVV), der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und die Polizei Sachsen. Der vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) initiierte Preis steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Verliehen wurde der Award auf dem “Tag der öffentlichen Auftraggeber” vom Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Uwe Beckmeyer, und Dr. Silvius Grobosch, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand des BME. Im Rahmen der Veranstaltung treffen sich jährlich Fachund Führungskräfte aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen sowie öffentlich-rechtlichen Unternehmen zum Erfahrungs- und Informationsaustausch. In diesem Jahr stand die Veranstaltung unter dem Motto: “Kommune innovativ – Wie geht das?” Diskutiert wurde u. a. in einer Expertenrunde darüber, wie Beschaffungsstellen die Politik bei der innovativen und nachhaltigen Stadtentwicklung aktiv unterstützen können. Mit dem Preis “Innovation schafft Vorsprung” werden beispielhafte Leistungen öffentlicher Auftraggeber bei der Beschaffung von Innovationen und der Gestaltung innovativer Beschaffungsprozesse ausgezeichnet. BMWi und BME treten gemeinsam für mehr Innovationen im öffentlichen Beschaffungswesen ein. Preisträger Duisburger Versorgungsund Verkehrsgesellschaft (DVV) Die DVV arbeitet als lokaler Energiedienstleister mit mehr als 2.800 Lieferanten zusammen, darunter viele kleine und mittelständische Betriebe aus der Region Duisburg. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlich angespannten Lage dieser Region ist der Zugang zu Kapital für die DVV und ihre Zulieferer zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs sehr wichtig.

Auch in diesem Jahr suchen BMWi und BME preiswürdige Leistungen öffentlicher Auftraggeber bei der Beschaffung von Innovationen (Produkte und Dienstleistungen) und der Gestaltung innovativer Beschaffungsprozesse. Um den Award “Innovation schafft Vorsprung“, der in beiden Kategorien mit Gutscheinen für Beratungsleistungen im Wert von 10.000 Euro dotiert ist, können sich Bundes-, Landesund Kommunalverwaltungen sowie öffentliche Unternehmen und Institutionen bewerben.

Preisträger des Awards “Innovation schafft Vorsprung 2017“ bei der Preisverleihung in Berlin Foto: BS/Schwarz, BME

Die DVV hat sich deshalb dazu entschlossen, ein Lieferantenportal einzuführen, dass diesen Anforderungen gerecht wird. Dazu stellt das Unternehmen täglich 500.000 Euro Liquidität auf dieser Plattform zur Verfügung. Vorteil für die Lieferanten: Sie können auf diesen Betrag per Mausklick zugreifen, indem sie eine bereits freigegebene Rechnung online zur früheren Bezahlung anfordern. Vorteil für die DVV: Bei Begleichung der Rechnung wird ein im Vorfeld zwischen der DVV und dem Lieferanten vereinbarter Zinssatz für die frühere Bezahlung angewendet, der der DVV als Skontobetrag zugute kommt. Preisträger Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) Erklärtes politisches Ziel des LWL ist es, die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung möglichst in Unternehmen am ersten Arbeitsmarkt zu fördern. Auch wenn das novellierte Vergaberecht ausdrücklich die Möglichkeit direkter Privilegierung und die Berücksichtigung sozialer Belange vorsieht, bleibt die konkrete Ausgestaltung und Praktikabilität dieser Normen jedoch noch recht vage. Unter Ausschöpfung der vergaberechtlichen Handlungsoptionen hat der LWL eine Beschaffungsstrategie entwickelt, die eine möglichst direkte Bevorzugung von Integrationsunternehmen vorsieht. Soziale Kriterien werden bei allen Auftragsver-

gaben des LWL konkret und konsequent angewendet und bieten auch nachweisbare wirtschaftliche Vorteile. Preisträger Polizei Sachsen Ziel der Polizei Sachsen war es, durch die dauerhafte Implementierung von Elektrofahrzeugen in den Fuhrpark die Klimaschutzziele der Bundesregierung bezüglich der Reduzierung von Schadstoffemissionen zu unterstützen. Weiterhin sollte durch den öffentlichkeitswirksamen Einsatz der Fahrzeuge als Funkstreifenwagen Werbung für das Thema Elektromobilität insgesamt innerhalb und außerhalb der Polizei gemacht werden. Die Polizei Sachsen verfügt über 44 Fahrzeuge verschiedener Hersteller in ihrem Elektrofuhrpark. Entwickelt wurden die Fahrzeuge vom Polizeiverwaltungsamt gemeinsam mit den Fahrzeugherstellern aus serienmäßigen Fahrzeugen. Das Ergebnis sind schadstoffarme Funkstreifenwagen, die über die polizeitypische Ausstattung verfügen (Sondersignal und Digitalfunkanlage) und im Regelbetrieb eingesetzt werden.

Tool-Box für operative und strategische Beschaffung Zu den neuen Services gehört eine so-

genannte Tool-Box, die Arbeitshilfen für die verschiedenen Zielgruppen in der öffentlichen Beschaffung beinhaltet. Die in diesem strukturierten Werkzeugkasten enthaltenen Instrumente werden der strategischen bzw. operativen öffentlichen Beschaffung zugeordnet. Damit soll verdeutlicht werden, welches Instrument in welchem Prozessschritt auf welcher Ebene (strategisch/operativ) zur Anwendung kommt. Die Arbeitshilfen werden steckbriefartig erfasst und – im Falle besonders wichtiger Instrumente – vertieft dargestellt. Weiterhin soll es Anwendungshinweise bzw. Checklisten für Entscheidungsträger von Beschaffungsstellen geben, damit die Tool-Box zur innovativen öffent-

Zu den neuen Services gehört eine Tool-Box mit zielgruppenspezifischen Werkzeugen für sämtliche Akteure im Beschaffungsprozess. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de

Die Liste der bisherigen Siegerkonzepte im Wettbewerb “Innovation schafft Vorsprung“ umfasst ein breites Spektrum innovativer Projekte, unter anderem: • Reduzierung von Umwelt- und Gesundheitsbelastungen im Straßenverkehr durch den Einsatz innovativer Baustoffe, • Einsparungen durch Standardisierung und Bündelung von Investitionsbedarfen im Klinikbereich, • innovatives Beschaffungsverfahren für die Realisierung eines ÖPP-Projektes, • Aufbau einer Web-Plattform zur Unterstützung der regionalen Wirtschaft, • innovative Kleiderbeschaffung bei Freiwilligen Feuerwehren, • Vergabeverfahren zur umweltverträglichen Altpapierentsorgung, • kommunale Beschaffung von Brennstoffzellenbussen. (Weitere Beispiele finden Sie unter: www. koinno-bmwi.de .) Verfahren Die vom BMWi und BME berufene unabhängige Jury trifft die Vorauswahl der besten Konzepte. Die Bewerber mit den innovativsten Lösungen werden zur Präsentation nach Frankfurt eingeladen (Termin: 28. November 2017). Aus diesem Kreis ermittelt die Jury den Sieger. Die offizielle Preisverleihung findet im Rahmen des “Tages der öffentlichen

Auftraggeber“ (7. Februar 2018) in Berlin statt. Teilnahme Bewerben können sich Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen sowie öffentliche Unternehmen und Institutionen. Jeder Teilnehmer kann entweder ein Konzept zu innovativen Beschaffungsprozessen oder zur Beschaffung innovativer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen einreichen. Voraussetzung ist, dass das eingereichte Konzept in der Praxis verwirklicht wurde und dauerhaft zur Optimierung und Effizienzsteigerung beigetragen hat. Es zeichnet sich aus durch seine Übertragbarkeit auf andere vergleichbare Institutionen bzw. Organisationen der öffentlichen Hand. Der praktische Einsatz der innovativen Produkte, Verfahren und Dienstleistungen sollte die Produktivität und Effizienz – etwa unter finanziellen, prozessualen und/oder umwelttechnischen Aspekten – nachweislich deutlich verbessert haben. Bei Bedarf können die Teilnehmer ihr konkretes Beschaffungsprojekt mit dem Team des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung – KOINNO besprechen. Außerdem erhalten sie Hilfestellung bei der Zusammenstellung der relevanten Informationen für ihre Bewerbung. Formalien Die Arbeit muss in deutscher Sprache verfasst sein und sollte 20 Seiten nicht überschreiten. Das Manuskript darf nicht veröffentlicht sein. Einsendeschluss: 6. Oktober 2017 Das Konzept ist als druckfähiges PDF einzusenden an: E-Mail: bianka.blankenberg@bme.de Weitere Informationen zur Ausschreibung: BME e. V., Bianka Blankenberg, Tel. 069/308 38-1 08

Weitere Infos zu den Gewinnerkonzepten: www.koinno-bmwi.de Die Veranstaltung “Tag der öffentlichen Auftraggeber” wurde erstmals von einem Filmteam begleitet. Der Film ist über die KOINNO-Homepage abrufbar.

Neue KOINNO-Services Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat den Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) zum 1. Januar 2017 für weitere zwei Jahre mit der Führung des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung (KOINNO) beauftragt. “Wir freuen uns, den Einkäufern der öffentlichen Hand weiterhin den umfangreichen KOINNOService anbieten zu können, der kontinuierlich erweitert und an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst wird“, sagt Matthias Berg, Leiter des KOINNO.

Ausschreibung: Neue innovative Spitzenleistungen gesucht

lichen Beschaffung in den jeweiligen Institutionen eingeführt und verankert werden kann. “In der Tool-Box wird dann auch der Lebenszykluskosten-Tool-Picker enthalten sein, der bereits jetzt auf der KOINNOHomepage zum Download bereitsteht und vielfach genutzt wird“, so Berg. Ziel ist, die Tool-Box bis Herbst dieses Jahres fertigzustellen. Beratungsservice wird ausgeweitet Außerdem baut das KOINNO-Team den kostenfreien Beratungsservice für öffentliche Auftraggeber aus. “Da es das Ziel des KOINNO ist, die öffentlichen Auftraggeber beim Aufbau bzw. bei der Umstrukturierung ihres Einkaufsbereichs hin zu einer effizienten, innovativen und strategischen Beschaffungsstelle zu unterstützen, sind die Beratungsprojekte ein Schwerpunkt der KOINNO-Aktivitäten“, sagt Berg. Beratungen sind zu allen Fragen rund um den innovativen Einkauf möglich, z. B. Bestandsanalyse der Einkaufsorganisation und Ableitung von Handlungsempfehlungen, Optimierung von Beschaffungsprozessen oder Begleitung bei der Durchführung eines konkreten Beschaffungsvorhabens zum Einkauf eines innovativen Produktes. Derzeit ist das KOINNO-Team in sechs Beratungsprojekten bei Sektorenauftraggebern, in Kommunen und auf Landesebene bundesweit aktiv. Weitere Infos: E-Mail: info@koinno-bmwi.de

Aktuelle Veranstaltungen Workshop “Zukunft des öffentlichen Einkaufs“ Unter dem Motto “Die Zukunft des öffentlichen Einkaufs: Strategische Beschaffung als Innovationstreiber“ findet der 14. KOINNO-Workshop im Rahmen der Regionalveranstaltungen statt. Auf der Veranstaltung werden zum einen Ziele und Leistungen des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung vorgestellt. Außerdem präsentieren in einem Praxisteil Vertreter der Landespolizei Sachsen das mit dem BME-Award “Innovation schafft Vorsprung 2017“ prämierte Projekt zur Etablierung von Elektromobilität im Polizeifuhrpark. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Termin: 8. Juni 2017, Dresden Weitere Infos: E-Mail: simon.wortmann@bme.de Seminar “Strategische Beschaffung“ Das Seminar “Strategische Beschaffung für öffentliche Auftraggeber: Ansätze und Strategien für einen effizienten öffentlichen Einkauf“ vermittelt den Teilnehmern konkrete Tipps, wie Potenziale zur Kostensenkung und zur Qualitätsverbesserung identifiziert und realisiert werden können. Außerdem wird erklärt, wie das Vergaberecht die Einkäufer bei ihrer Aufgabe unterstützt und ihnen nicht im Wege steht. Die Übertragbarkeit privatwirtschaftlicher Prinzipien auf den öffentlichen Sektor wird realistisch betrachtet und an die Gegebenheiten der öffentlichen Vergabe angepasst. Themen sind u. a. Rahmenbedingungen der Beschaffung, zielorientiertes Beschaffen, Warengruppenmanagement, Make-or-buy-Vergleich, Potenziale durch Bündelung und Kooperation,

Organisation des Einkaufs, E-Vergabe, Beschaffungscontrolling. Zielgruppe der Veranstaltung sind leitende Mitarbeiter öffentlicher Institutionen, Sektorenauftraggeber und andere zur Ausschreibung verpflichtete Einrichtungen, die vor der Aufgabe stehen, ein effizientes Beschaffungsmanagement zu etablieren oder ihren Einkauf weiterzuentwickeln, sowie leitende Mitarbeiter aus Abteilungen, die mit Beschaffung betraut sind. Die Veranstaltung ist kostenfrei für öffentliche Auftraggeber. Termin: 28. Juni 2017, Hannover Weitere Infos: E-Mail: simon.wortmann@bme.de Innovationsschauplatz “E-Vergabe“ Durch die Reform des Vergaberechts wurden drei EU-Richtlinien von 2014 zur Vergabe öffentlicher Aufträge in Deutschland umgesetzt. Künftig wird durch die Einführung der E-Vergabe das gesamte Vergabeverfahren digital abgewickelt. Damit soll sich der Aufwand der Unternehmen verringern und die Vergabeverfahren sollen beschleunigt werden. Der KOINNO-Innovationsschauplatz “E-Vergabe und Digitalisierung der Beschaffung“ beleuchtet, was Beschaffungsstellen bei der Umstellung auf elektronische Prozesse beachten müssen, wo die Hemmnisse und Chancen liegen und wie Medienbrüche erfolgreich gemanagt werden können. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Termin: 29. September 2017, Berlin Weitere Infos: E-Mail: susanne.kurz@bme.de Anmeldung zu den Veranstaltungen: www.koinno-bmwi.de


Diplomaten Spiegel

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O

bwohl Taiwan, bis 1971 als “Republik China”, ein Gründungsmitglied der UNO ist, entscheidet die Vollversammlung 1971, dass nur die VR alleinige Vertreterin Chinas sei und Taiwan (die Republik China) nicht mehr zu den Vereinten Nationen gehört. Das sehen, bis auf 21 Staaten, alle übrigen der Welt genauso und unterhalten daher keine diplomatischen Beziehungen mit Taipeh. Deutschland eingeschlossen. Man möchte sich doch den Handel mit dem Riesenreich nicht durch einen diplomatischen Wandel mit dem “Kleinen” vermiesen lassen...

Behörden Spiegel / Mai 2017

Die Ein-China-Politik − ein Auslaufmodel? Ein Gespräch mit dem Repräsentanten Taiwans in Berlin, Prof. Dr. Jhy-Wey Shieh (BS/ps) Das Land hat sehr wechselvolle Besitzverhältnisse. Um 1550 entdecken die Portugiesen “Ilha Formosa”, die “Schöne Insel”, 70 Jahre später Holländer ihre Vorliebe für das Eiland und 1624 Chinesen, die sie als “Taiwan” – Terrassen-Bucht, die nächsten 230 Jahre annektieren. 1895 wird es japanisch, 1945 chinesisch und 1950 selbstständige “Republik China”. Nur 180 km übers Meer liegt die 260-mal größere Volksrepublik (VR) China mit rund 1,4 Milliarden Einwohnern. Es betrachtet den de facto unabhängigen, 23-Millionen-Einwohner Staat, mit einer Länge und Breite von 395 bzw. 144 km, als sein Territorium, behält sich vor, dieses zu erobern, und richtet schon mal mehr als 1.000 Raketen darauf.

“Taiwan-U-B(o)ot” Der ist, trotz alle dem (oder gerade deshalb), wirtschaftlich ein ganz Großer und Erfolgreicher: Rund 80 Prozent aller Hardware, wie Notebooks, Flachbildschirme, 93 Prozent aller Scanner und die hochwertigsten Fahrräder auf dem Weltmarkt, kommen von der Insel. Und künftig wohl auch gleich die passende Software. Taiwan leistet sich dafür ein Digitalministerium und die Asia Silicon Valley Development Agency (ASVDA), ein Pendant zur Industrie-4.0-Initiative der Bundesregierung. Repräsentant des fernöstlichen IT-Musterländles in Deutschland ist seit August 2016 wieder Prof. Dr. Jhy-Wey Shieh. Der 62-Jährige bezeichnet sich bei seiner ersten Stage 2005 - 07 in Berlin leicht ironisch als “Taiwan-U-B(o)ot” − Untergrund − Botschafter. “Denn in Europa erkennt uns, bis auf den Vatikan, nämlich auch kein Land als selbständigen Staat an. Ich bin hier daher”, lächelt Shieh, “trotz gedeckter Kreditkarten nie akkreditiert worden - allerdings mit dem Vorteil, dass ich im Sommer nie schwitze, weil ich in gewissem Sinne eine Schattenexistenz führe, und im Winter nie friere, weil ich einen Deckmantel habe.” Schade eigentlich, denn der eloquente Diplomat hat nicht nur viel zu sagen – Shieh kann es pointiert und in bestem Deutsch. Er studiert Germanistik in Taiwans Hauptstadt Taipeh, macht seinen Bachelor und Magister, kommt 1982 nach Deutschland und promoviert 1987 an der Ruhr-Universität Bochum über Theodor Fontane. Bis heute hat er zuhause eine Professur für deutsche Sprache und Kultur und eine Vorliebe für unser Land, dessen Wiedervereinigung, Wissenschaft und Philosophie.

Von Flensburg bis Rosenheim, oben wie unten “Die allermeisten Botschafter und Diplomaten betrachten mich doch als gleichwertigen Kollegen. Es ist bei einigen von ihnen allerdings nur beim “betrachten” geblieben und nicht zum “behandeln” gekommen. Manche zieren sich mitunter, wie weit sie Letzteres sollen, ohne den Groll Pekings zu erregen. Von daher versuche ich immer wieder, Barrieren aktiv abzubauen – “oben” wie “unten” bei den Menschen − und mein Land von Flensburg bis Rosenheim zu repräsentieren oder selbst für Konferenzen, Veranstaltungen oder Ausstellungen einzuladen.” Das Verhältnis zwischen Taiwan und der VR-China war bis vor der großen Wahl im Januar letzten Jahres eher entspannt, deren Ergebnis hat jedoch einen Regierungswechsel herbeigeführt, wodurch sich Peking sehr brüskiert fühlt, denn die neue Präsidentin der Republik, Tsai Ing-wen, und ihre Partei waren definitiv nicht Chinas Favorit. Tsai Ing-wen, die seit Mai letzten Jahres im Amt ist, versucht, den entspannten Status quo davor möglichst aufrechtzuerhalten. An der “Ein-China-Politik” (nur

Seit 28 Jahren ist Professor Jhy-Wey Shieh in Deutschland. Nicht dauernd, aber immer wieder und nun zum zweiten Mal als Vertreter seines Landes Taiwan. Foto: BS/Dombrowsky

die VR ist China) wird nicht groß gerüttelt und, so steht es auch in der taiwanischen Verfassung, dass alle Gesetze der Regierung nur in der Republik China, also Taiwan, gelten. “Peking mag daran vielleicht zweifeln, tatsächlich hat diese Wahl nur unsere etablierte Demokratie bestätigt. Was kann man denn dafür, dass

Glück noch. Vorerst kümmert sich die Republik dieses Jahr um die eigene, genauer gesagt um die Aufarbeitung höchst unrühmlicher Jahre: des Volksaufstands vom 28. Februar 1947 und des sogenannten “White Terror”, der länger als drei Jahrzente angedauert hat. Zu dem Massaker vor 70

zu wünschen übrig und bleibt irgendwo auf halbem Wege stecken. Viele Opfer werden entschädigt, doch die Täter weder benannt noch bestraft, konnten daher unbelastet in Amt und Würden bleiben. Inzwischen leben die meisten von ihnen wohl auch nicht mehr. Kommt einem irgendwie bekannt vor, in diesem unserem Lande...

Oft kein Zugriff auf Dokumente und Archive

Kalligraphie “Traum” des taiwanischer Dichters und Kolumnisten Minyong Li von 1947 im Büro des Botschafters: Auf eigenem Boden versuchen wir für ein Land zu legen den Grundstein / Im Traum prägen wir uns der Insel Namen wieder ein / Im Traum soll ihre Geschichte verborgen sein / Im Traum murmelt ihr vergessener Name: Nichtvergißmein.

Botschafter Rezept: Knuspriger Tintenfisch mit “5-Aromen-Soße” Zutaten (für 4 Personen): 300g Tintenfisch, 10g Knoblauch, 10g Ingwer, 20g Frühlingszwiebeln, 10g Koriander, 10g Chili Zutaten für “5-Aromen-Soße”: 3EL Tomatensauce, 1EL schwarzer Essig, 1EL Soja Crème Sauce, 1TL Zucker, 1EL Sesamöl, 2EL Wasser Zubereitung: Tintenfisch waschen, im kochenden Wasser 1 Min. kochen, vom Herd nehmen und 2 Min. im Topf ziehen lassen, dann mit kaltem Wasser abspülen; in Scheiben geschnitten auf einem Teller anrichten. Zutaten für “5-Aromen-Soße” verrühren und mit fein gehacktem Knoblauch, Ingwer, Frühlingszwiebeln, Koriander und Chili mischen. “5-Aromen-Soße” auf Tintenfischscheiben verteilen oder in einer separaten Schüssel servieren.

die Wähler die eine Partei favorisieren, während Peking die andere bevorzugt? Das ist doch das Volkswagen-Prinzip eines freien Staates: Wir sind das Volk und dürfen‘s auch wagen. Und für die Taiwaner ist diese Demokratie mit all ihren Freiheiten und Rechten wichtiger als eine nationale Wiedervereinigung.” Andererseits denkt man in Taipeh, nach der Annexion der Krim durch Russland, schon nach, ob dieses Beispiel eines Tages nicht auch in Peking Schule machen könnte. “Es wäre ein probates Mittel, um von anderen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Problemen des riesigen Landes abzulenken.” Und wird auch immer wieder gerne genommen – aber das ist eine andere Geschichte und darüber hinaus ein weites Feld − zum

Jahren kam es, als die Taiwaner sich gegen Misswirtschaft und Korruption der Regierung Chiang Kai-Shek auflehnten.1949 wurde das Kriegsrecht verhängt und 1987, also nunmehr vor 30 Jahren, aufgehoben.

Know-how für den Umgang mit Altlasten Das Know-how für den Umgang mit Altlasten gibt‘s gratis – made in Germany. Denn über diktatorische Vergangenheit, Freigabe von Akten, Umgang mit Opfern und Tätern nach Jahr und Tag − über Vergangenheit und ihre Bewältigung können wir Deutschen mitreden. Unser Wort dafür, “Vergangenheitsbewältigung”, ist nun auch in Taiwan ein Begriff. Doch wie überall lässt diese auch in der asiatischen Vorzeigedemokratie

“In Deutschland waren es hauptsächlich die vier Siegermächte, die sich mit souveränem Nachdruck und Autorität um die Aufarbeitung der NS-Zeit kümmerten. Bei uns gibt es das nicht und somit oft keinen Zugriff auf Dokumente und Archive.” Dahinter steckt wie überall System, weil fast ein halbes Jahrhundert lang kein Unterschied zwischen Staat und Regierung gemacht wird und sich viele ehemalige Staatsdiener, Militärs und Geheimdienstler demzufolge ihrer Schuld nicht bewusst werden konnten – man hat‘s halt fürs Vaterland getan. “Doch hier war dann die Bundesrepublik treibende Kraft, um das SED-Unrecht offenzulegen. Selbst wenn manche sagen, “wir wollten Gerechtigkeit und bekamen einen Rechtsstaat”, hat dieser auf eine substanziell politische Weise die Verbrechen des DDR-Regimes öffentlich gemacht.

Umfassende Vergangenheitsbewältigung “In Taiwan fehlt der Konsens, dass die damalige Regierung Chiang Kai-Shek und ihre Partei, unabhängig davon, dass sie Taiwan gegen China mehrmals erfolgreich verteidigt hatte, Verbrechen gegen das eigene Volk begangen hat. Doch mit der neuen DPP-(Democratic Progressive Party)Regierung, ihrer Präsidentin und absoluten Parlamentsmehrheit gibt es nach 70 Jahren erstmals einen vollständigen Regierungswechsel und damit wohl auch den notwendigen Schub für eine umfassende Vergangenheitsbewältigung.” Dabei geht es aber keineswegs um eine Racheaktion, wie dies hie und da und ab und zu verwirrenderweise behauptet wird, sondern in erster Linie eher darum, die Opfer und deren Hinterbliebene zu versöhnen, indem zumindest offiziell anerkannt wird, dass es tatsächlich Täter

gegeben hat – Opfer ohne Täter gibt‘s ja nicht. Mehr um die Zukunft der EU geht es seinem Frontmann Shieh in Berlin. Der wichtigste europäische Handelspartner seines Landes “kränkelt” so vor sich hin. “Das ist schon eine schwere Grippe, keine leichte Erkältung und muss dringend behandelt werden.” Nur welch “bittere Arzenei” braucht es bei einer EUInfluenza, damit sie sich nicht weiter ausbreitet?

“Glauben an die EU, hätten selbst gern eine” “Wahrscheinlich haben die Europäer die Einflüsse von außerhalb der EU auf die Union erheblich unterschätzt – wobei es doch die Deutschen sind, die am meisten menschenwürdige, humanitäre Leistungen und Unterstützungen geleistet haben – und benehmen sich untereinander bisweilen wie verwöhnte Kinder. Sie sollen lieber einander unter die Arme greifen und nicht auf den Arm nehmen.” Shieh schlägt vor, das Kind beim Namen zu nennen, warnt aber davor, es mit dem Bad auszuschütten. Insgesamt sieht Taiwans “U-Botschafter” die EU dennoch als alternativloses Erfolgsmodel für Frieden, Freiheit und Wohlstand der letzten Jahrzehnte in Europa. “Wir Asiaten haben Euch immer um die EU beneidet, hätten selbst gerne eine und glauben an ihren Erfolg.” Ob ein solcher in den Beziehungen zwischen Taiwan und den USA unter Präsident Donald Trump möglich ist, muss sich noch zeigen. “So ein schlechtes Image wie hier hat er bei uns nicht. Das, was er zur EinChina-Politik sagt, spricht uns aus der Seele. Diese 40 Jahre alte Doktrin, so Trump, “hätte schon längst überdacht werden müssen”. Dem kann ich mich nur anschließen, weil sie Schnee von gestern ist. Es gibt heutzutage eben nicht nur ein China, sondern auch noch ein Taiwan. Beide teilen eine lange, gemeinsame Geschichte, Kultur und sprechen dieselbe Sprache. Der entscheidende Unterschied ist, das eine, Taiwan, ist eine moderne, fortschreitende Demokratie, das andere, die VR und ihre Weltanschauung, im letzten Jahrhundert stehen geblieben. Die Frage ist also, wie geht es mit Taiwan weiter, denn zum

einen werden wir sehr gelobt, zum anderen auch nicht selten wie Aussätzige behandelt und manchmal leider gar wie Terroristen. So, wie man diese möglichst von Europa fernhält, geht es auch uns manchmal. So dürfen, um Zoff mit der VR zu vermeiden, seit 1984 unser Präsident, Vizepräsident, Premier-, Außen- und Verteidigungsminister nicht mal privat in die Europäische Union reisen, auch wenn Ausnahmen von Zeit zu Zeit gemacht worden sind, − aber eben nur ausnahmsweise. Und als wir für die Universiade in Taipeh in diesem Sommer, eine Weltsportveranstaltung für ca. 12.000 Studenten aus knapp 150 Ländern, die alle zwei Jahre stattfindet, bei Interpol um Unterstützung bitten, – wir haben zum Glück nicht nur bei Interpol, sondern überall um Unterstützung gebeten, wollen eben nicht alle Eier in einen Korb legen, – da hat uns Interpol tatsächlich einen Korb gegeben, tja, von wegen Ein-China-Politik. Und genau aus demselben lächerlichen Grund ist es China wieder gelungen, Taiwan von der diesjährigen WHA (Weltgesundheitsversammlung) auszuschließen. Jedoch hat sich Deutschland diesbezüglich Taiwan gegenüber nach wie vor sehr hilfsbereit gezeigt.” Same procedure as everywhere – every year... “Insofern hat Präsident Trump zu der überkommenen Ein-China-Politik den Nagel auf den Kopf getroffen und somit Peking vor den Kopf gestoßen.” Leider sind “Auslaufmodelle” auch in der Politik oft unverwüstlich.

Deutsche Literatur ins Chinesische übersetzen Seit 28 Jahren ist Professor Jhy-Wey Shieh nun schon bei uns. Nicht dauernd, aber immer wieder und nun zum zweiten Mal als Vertreter Taiwans. Und wenn er an Deutschland denkt, dann fallen dem leidenschaftlichen Germanisten erst einmal Heinrich Heines Nachtgedanken

Skulptur “Warten” von Kang Muxiang (1961), zeitgenössischer Bildhauer aus Taiwan

ein. “Nur um den Schlaf, wie es in der ersten Strophe heißt, bin ich nicht gebracht, wenn ich an Deutschland denke – überhaupt nicht. Es ist mir in all den Jahren zur zweiten Heimat geworden. Von daher werde ich, einst wenn ich in den Ruhestand gegangen bin, deutsche Literatur ins chinesische übersetzen – bisher bin ich leider noch nicht dazu gekommen.” Letzte Frage: Gibt es denn irgendetwas, das Sie sonst noch gerne tun würden? “Ich wäre eines nicht allzu fernen Tages gerne Taiwans erster UNO-Botschafter, um dann den (VR) Chinesen, in gewissem Sinne meinen Brüdern und Schwestern, zu sagen, dass es nicht entscheidend ist, ob es ein oder zwei China gibt. Wichtig ist doch nur, dass die Menschen dort all die demokratischen, menschenwürdigen Grundwerte und Freiheiten genießen wie in Europa.”


Personelles

Behörden Spiegel / Mai 2017

Seite 13

Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern Hausanschrift Ministerium für Inneres und Europa Mecklenburg-Vorpommern Arsenal am Pfaffenteich Alexandrinenstraße 1 19055 Schwerin Postanschrift 19048 Schwerin Telefon: 038/5588-0 Telefax: 038/5588-2972 E-Mail: vorname.nachname@im.mv-regierung.de

Stabsstellen Vorzimmer des Ministers Ines Gröning -2012 Aileen Rater -2013

Vorzimmer des Staatssekretärs Kerstin Scharffenberg -2014 Beate Kandt -2014

Abteilung 1 Allgemeine Abteilung Konrad Herkenrath -2010

Referat 110 Haushaltsreferat (Beauftragter für den Haushalt) Klaus-Peter Kraemer -2110 Manuela Meyn -2111

Referat 120 Organisation; Innerer Dienst; Beschaffung; Informationstechnik Michael Junker -2120 N. N.

Referat 130 Personalangelegenheiten; Stellenhaushalt (ohne Polizeibereich) Margarete Neises-Klinger -2130 Katja Prestin -2131

Referat 140 Aus- und Fortbildung für die Verwaltungen des Landes; Personalentwicklung Ulrich Boldt -2140

Referat 150 Justiziariat; Verwaltungsrevision Matthias Wiedermann -2150

Referat GHK Geschäftsstelle der Härtefallkommission Mecklenburg-Vorpommern Matthias Wiedermann -2150

Abteilung 2 Verwaltungs- und Beamtenrecht; Strahlenschutz; Geoinformationsund Vermessungswesen Dr. Thomas Darsow -2020

Referat 210 Wahlrecht; Volksabstimmungsrecht; Melderecht; Personenstandswesen; Recht der Parteien, der Landesregierung und des Landtages; Staatsangehörigkeitsrecht Sabine Gentner -2210

Referat 220 Enteignungsbehörde; Statistik; Allgemeines Verwaltungsrecht; Datenschutz; Informationsfreiheit; Presserecht Werner Urbanek -2220

Referat 230 Allgemeines Ordnungsrecht; Glücksspielwesen; Hoheitszeichen Almut Schlichting -2230

Referat 240 Beamtenrecht; Geschäftsstelle Landesbeamtenausschuss; Kommunales Dienstrecht Wolf-Christoph Trzeba -2240 Corinna Teichner -2241

Referat 250 Strahlenschutz; Zwischenlager Nord; Rückbau; Entsorgung Gudrun Beneicke -2640 Uwe Feller -2641 Rainer Herrmann -2644

Referat 260 Geoinformations-, Vermessungs- und Katasterwesen; Grundstückswertermittlung und Bodenordnung nach dem BauGB und dem BoSoG N. N. Carsten Kleinfeldt -2661

Interessenvertretungen

Vorsitzender des Personalrates Thomas Krupp -2990

Vorsitzender des Hauptpersonalrates Thomas Krupp -2992

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Innenministerium MV, Stand: Mai 2017

Minister Lorenz Caffier

Pressesprecherin Marion Schlender -2003

Foto: BS/Dirk Mathesius

Öffentlichkeitsarbeit N.N.

Staatssekretär Thomas Lenz

Leiter Ministerbüro; Kabinett; Landtagsangelegenheiten Michael Müller -2001

Abteilung 3 Kommunalangelegenheiten; Ausländerecht Jörg Hochheim -2030

Abteilung 4 Polizei; Brand- und Katastrophenschutz Frank Niehörster -2040

Referat 300 Kommunales Verfassungsrecht; Satzungsrecht; Kommunale Verwaltungs- und Gebietsreform; Kommunale Verwaltungsorganisation; Angelegenheiten der Rechtsaufsichtsbehörden; EU-regionale Zusammenarbeit Ulf Drzisga -2300

Referat 310 Kommunale Investitionsförderung und Sonderfinanzierung Gerd Czyborra -2310

Referat 320 Kommunales Haushaltsrecht; Finanzaufsicht; Haushaltskonsolidierung Susanne Bielenberg -2320

Referat 330 Finanzausstattung und Finanzausgleich der Kommunen; Kommunalvermögen; Kommunalprüfungswesen; Vergabeangelegenheiten Dr. Angela Strätker -2330 Martina Kortmann -2331

Referat 340 Wirtschaftliche Betätigung der Kommunen; Kommunales Abgabenrecht Mirko Breitzke -2340

Referat 350 Asyl- und Aufenthaltsrecht und Sozialleistungen für Ausländer Ines Berg -2350 Katrin Nagel -2351

Koordinierungsstelle Bundesrat / EU / IMK-B-Sprecherland Marlene Bötel -2015 N.N.

Abteilung 5 Verfassungsschutz Reinhard Müller -2050

Abteilung 6 Europa Andrea Herrmannsen

Referat II 4 GST AK II Geschäftsstelle Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz Daniel Schmidt -2465

Referat 500 Allgemeine Verwaltungsangelegenheiten der Abteilung; Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes; Informationstechnik

Referat 600 Grundsatzangelegenheiten und Koordinierung EU; EMK-Team Jascha Dopp (m.d.W.d.G.b.) –2600 Lukas Kaltenbach -2605

Referat 400 Organisation; Recht der Polizei; Waffenrecht; Polizeientwicklungsplanung Dietrich Gohde -2400 Tobias Ihring -2401

Referat 510 Grundsatz- und Rechtsfragen des Verfassungsschutzes und des Datenschutzes im Verfassungsschutz; Justiziariat der Abteilung; G 10; Spionageabwehr; Geheimschutz

Referat 410 Haushalt; Technik; IuK und Unterbringung der Polizei Ernst Hahnen -2410 Silvio Horn -2411 Lutz Hansen -2412 Dr. Mathias Alsleben -2660

Referat 420 Personal; Stellenhaushalt; Aus- und Fortbildung Dr. Franko Müller -2420 Mario Thiele -2421

Referat 520 Politische Auswertung: Rechtsextremismus/-terrorismus

Referat 530 Operative Beschaffung

-2060

Referat 610 Ostseekooperation Wolf Born -2610 Elisabeth Strupp -2611

Referat 620 Informationsbüro Brüssel Dr. Reinhard Boest Dr. Merten Barnert Henning Machedanz Beatrix Bönisch Keno Heeren Dr. Sylvia Völzer II 620-V Rüdiger Möller

-2635 -2636 -2637 -2638 -2639 -2645 -2649

Referat 540 Politische Auswertung: Links- und Ausländerextremismus/ -terrorismus

Referat 430 Inspekteur der Polizei; Einsatz der Polizei Wilfried Kapischke -2430 Joachim Wenn-Karamnow -2431 Nils Rosada -2404

Referat 440 Kriminalitätsbekämpfung; Internationale polizeiliche Zusammenarbeit; polizeiliche Prävention Jens Bögelmann -2440 Michael Philippzig -2441

Referat 450 Brand- und Katastrophenschutz; zivil-militärische Zusammenarbeit und Munitionsbergung Uwe Becker -2620 Wilfried Feja -2621

Referat 460 Gesamtgesellschaftliche Kriminalitätsvorbeugung Armin Schlender

-2460

Vorsitzender des Hauptpersonalrates der Polizei Heinz Woisin -2994

Gleichstellungsbeauftragte Gabriele Plogas -2424

Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Petra Rautenberg -2993

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Gesundheit / Versorgung

Seite 14

Mehr Personal – mehr Geld

“E

ine gute Versorgung im Krankenhaus setzt eine angemessene Personalausstattung voraus. Gemeinsam ist uns eine weitere wichtige Weichenstellung gelungen, um die Pflege am Krankenbett zu stärken”, betont Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Der Beschluss des Bundeskabinetts fußt auf den Ergebnissen der Expertenkommission “Pflegepersonal im Krankenhaus”. Das Gremium kam zu den Ergebnissen, auf Bundesebene die Vertragsparteien gesetzlich zu beauftragen, in pflegeintensiven Bereichen, darunter auch Intensivstationen und Nachtdienste, Personaluntergrenzen verbindlich festzulegen. Dies muss nun bis zum 30. Juni 2018 erfolgen. Andernfalls fällt dem Bundesgesundheitsministerium die Aufgabe zu, per Rechtsverordnung zum 1. Januar 2019 Untergrenzen festzusetzen. Denn ab diesem Stichtag sollen sie verbindlich gelten, egal durch wen erarbeitet. Außerdem sollen die Mindeststandards mit angemessenen Sanktionen hinterlegt werden, wenn einzelne Krankenhäuser diese nicht einhalten. Die Kommission nennt dazu hausbezogene finanzielle Abschläge und die Veröffentlichung über die (Nicht-)Einhaltung in Qualitätsberichten. Zudem soll die Pflegepersonalausstattung durch einen Wirtschaftsprüfer bestätigt werden (zur Ausschreibung von Wirtschaftsprüferleistungen siehe Seite 8 in dieser Ausgabe).

Breite Zustimmung “Aus zahlreichen Gesprächen und Briefen wissen wir, dass Pflegekräfte in vielen Krankenhäusern auf Verbesserungen der Arbeitsbedingungen warten”, berichtet Hilde Mattheis, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag. Sie sei sehr froh, dass mit der konstruktiven und zielorientierten

Behörden Spiegel / Mai 2017

In Zukunft Personaluntergrenzen in Krankenhäusern (BS/Jörn Fieseler) Des einen Freud, des anderen Leid. Die Reaktionen auf den Beschluss des Bundeskabinetts zur Einführung von Mindestgrößen des Personals in Krankenhäusern und Unikliniken werden nicht nur positiv aufgenommen, führen sogar zum Streit. Die Details sind nun bis Mitte 2018 zu klären. Dabei wird es nicht nur um die Beschäftigten, sondern auch ums Geld gehen. Arbeit der Kommission dieses im ersten Schritt gute Ergebnis gelungen sei. “Wir begrüßen das Vorhaben der Bundesregierung”, sagt auch Florian Lanz, Pressesprecher der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Es gebe besonders sensible Bereiche, bei denen man den Kliniken nicht mehr freie Hand lassen dürfe. Beispielsweise solle keine Krankenschwester den Nachtdienst alleine machen müssen. “Die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt die Krankenhäuser gut für ihre Leistungen – diese müssen im Gegenzug auch dafür sorgen, dass genug Pflege beim Patienten ankommt. Hier geht es nicht um mehr Geld, sondern um die angemessenen Pflegeleistungen für das Geld der Beitragszahler”, so Lanz weiter.

se angezapft werden müssen. Der Bund hat indes eine Aufstockung der Mittel beschlossen. So sollen einerseits ab 2019 jährlich 330 Mio. Euro für das Pflegestellen-Förderprogramm zur Verfügung stehen, andererseits der Pflegezuschlag als Ersatz für den wegfallenden Versorgungszuschlag um 500 Mio. Euro pro Jahr erhöht werden. Dieses Geld soll für die Einstellung zusätzlichen Personals dienen.

Streit zwischen Verdi und DKG

Kritik am Vorgehen Grundsätzlich einverstanden zeigt sich der Marburger Bund mit dem Vorhaben. Zugleich mahnt die Ärzte-Vertretung wirksame Maßnahmen zur Entlastung des ärztlichen Dienstes an. Die Stellenpläne im ärztlichen Dienst seien vielfach auf Kante genäht, Tausende Arztstellen unbesetzt. “Es fehlt an Zeit für eine individuelle Patientenversorgung, für eine strukturierte Weiterbildung und eine bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf”, betont Marburger-Bund-Chef Rudolf Henke. “Wir sind grundsätzlich skeptisch”, sagt Jörg Freese, Beigeordneter des Deutschen Landkreistages. Außerdem fordert er

Eine Krankenpflegerin soll sich nicht um z. B. 40 Patienten kümmern müssen. Ab Januar 2019 gelten neu festgelegte Personaluntergrenzen. Foto: BS/JMG, pixelio.de

eine Refinanzierung, die nicht zulasten der Landkreise gehen dürfe. Diese sind Träger von ungefähr einem Drittel der Betten in den Krankenhäusern. “Mehr

Personal kostet mehr Geld”, weshalb es auch auf der Einnahmenseite zu Steigerungen kommen müsse, damit nicht die Steuereinnahmen der Krei-

Noch ablehnender ist die Haltung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). “Der tatsächliche Personalbedarf hängt maßgeblich von baulichen Strukturen, der technischen Ausstattung und den Erkrankungen der Patienten vor Ort ab”, entgegnet DKGPräsident Thomas Reumann. Deshalb lehne er das Konzept der Personaluntergrenzen strikt ab. Diese würden den individuellen Gegebenheiten vor Ort nicht gerecht, stünden einem flexiblen Personaleinsatz entgegen und behinderten eine effiziente Arbeitsorganisation und Aufgabenverteilung. Mindestpersonalvorgaben seien daher kontraproduktiv, so Reumann weiter. “Fachkräftemangel, kurzfristige Personalausfälle und plötzlich steigender Versorgungsbedarf sind Einflussfaktoren, die in festen Vorgaben nicht abbildbar sind.” Zudem dürften Probleme der arbeitsmarktbe-

dingten Verfügbarkeit und objektive Besetzungsmöglichkeiten nicht zum Ausschluss aus der Versorgung führen, so der DKG-Präsident mit Blick auf die Sanktionsmöglichkeiten. Darin sieht er eine Gefahr für die Versorgung zulasten der Patienten, weil unkoordinierte Abmeldungen der Klinken folgen könnten. Stattdessen solle das Personal lieber um Bürokratiepflichten entlastet werden, mit dem Ziel, die Dokumentationslast um 50 Prozent zu reduzieren. Außerdem sollen diese Aufgaben maximal 20 Prozent der Arbeitszeit des Pflegepersonals ausmachen. Dazu solle die Digitalisierung gefördert werden. Reumann schwebt ein mehrjähriges Sonderprogramm “Digitales Krankenhaus” des Bundes vor, das jährlich eine Mrd. Euro umfassen soll.

Sofortmaßnahmen gefordert Diesen Ausführungen erteilt Sylvia Bühler, Bundesvorstandsmitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), eine klare Absage. “Eine gesetzliche Regelung für die Personalausstattung in Krankenhäusern ist unabdingbar.” Aufgrund des strikten Neins hält die Gewerkschafterin es für unwahrscheinlich, dass sich die DKG und die GKV auf verbindliche Personaluntergrenzen verständigen. Deshalb solle der Gesetzgeber schon parallel an verbindlichen Personalkonzepten arbeiten. Akut müssten 20.000 Stellen geschaffen werden. Denn insgesamt fehlten in Deutschland 162.000 Vollzeitstellen in Krankenhäusern, rechnet die Gewerkschaft vor. Davon 70.000 in der Pflege. Im Nachtdienst müssten 19.500 Vollzeitstellen geschaffen werden (siehe auch Behörden Spiegel, März 2017, Seite 14).

Gesundheitsdienst stärken

Der Beschäftigte hat die Wahl

Umsetzung eines Landtagsbeschlusses

Grundlagen des BEM

Einigung erzielt

(BS/jf) Gleich zwölf Aufgaben stellte der thüringische Landtag der Lan- (BS/jf) Zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehört es auch, Beschäfdesregierung, mit dem Ziel, den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) tigten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. zu stärken. Jetzt hat die Landesregierung über die Umsetzung informiert. Rechtlich vorgeschrieben, bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, dieses Ärzte bekommen fünf Prozent mehr Gehalt Verfahren rechtssicher und zielführend zu gestalten. Hilfestellung liefert (BS/jf) Bereits in der zweiten Verhandlungsrunde haben sich die Tarif- So erstellt das Landesver- Das Land ist nicht Träger der eine neue Broschüre. gemeinschaft der Länder (TdL) und der Marburger Bund (MB) geeinigt. waltungsamt derzeit eine Be- Akademie für öffentliches Gestandsanalyse (Top eins), die sundheitswesen (AÖGW) und Das BEM-Verfahren ist ein of- gerecht und liefert einen komDabei wurde auch die Berufserfahrung der Ärzte finanziell gewürdigt. Rückwirkend zum 1. April 2017 erhalten die mehr als 20.000 Ärzte an den 20 Universitätskliniken der Länder zwei Prozent mehr Gehalt. In zwei weiteren Schritten werden die Gehälter zum 1. Februar 2018 um weitere zwei Prozent und zum 1. Dezember 2018 um ein Prozent angehoben. Insgesamt liege dieses Ergebnis auf dem Niveau des diesjährigen Abschlusses für die übrigen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst der Länder, heißt es seitens der TdL. Parallel steigen auch die Einsatzzuschläge für Rettungsdienste. Entsprechend der linearen Erhöhung steigen die Einsatzzuschläge auf 19,25 Euro (1. April 2017), 19,64 Euro (1. Februar 2018) und 19,84 (1. Dezember 2018). Auch die Berechnungsgrundlage für geleistete Überstunden

wird modifiziert. Wurde bislang das individuelle Stufenentgelt bis zur Stufe zwei für die Bezahlung berücksichtigt, wird künftig auch eine längere Berufserfahrung einbezogen. Die Stufenbegrenzung wurde bis zur Stufe vier einer jeden Entgeltgruppe verschoben. “Wir haben in einer reinen Gehaltsrunde am Ende einen akzeptablen Kompromiss erreicht”, zieht MB-Verhandlungsführer Christian Twardy Bilanz. Der Spielraum sei begrenzt gewesen, da vor allem monetäre Regelungen verhandelt wurden. Erst in der Tarifrunde 2019 sieht die Ärztevertretung mehr Verhandlungsspielraum, um dann die Verbesserung der Arbeitsbedingungen wieder auf die Agenda zu setzen. Der neue Tarifabschluss hat eine Laufzeit von 30 Monaten und gilt bis zum 30. September 2019.

im dritten Quartal 2017 abgeschlossen sein soll. Hinsichtlich der Angleichung der Ärztegehälter zwischen Ärzten des ÖGD und Krankenhausärzten (Top zwei) besteht weiterer Erörterungsbedarf zwischen Innen- und Arbeitsministerium. Die Kommunale Arbeitgebervereinigung (KAV) fordert eine generelle Genehmigung einer Arbeitsmarktzulage (Top drei). Die kann jedoch nicht generell gewährt werden. Die Prüfung, ob das Land bei der Zahlung von Zulagen zur Angleichung der Ärztegehälter zwischen den beiden Sektoren unterstützen kann (Top vier), hat ergeben, dass sich das Arbeitsministerium in zwei Fällen jeweils zu 50 Prozent beteiligt. Weiterer Handlungsbedarf besteht beim Fortbildungsangebot für die Mitarbeiter im Gesundheitsdienst (Top sieben).

wird aufgrund der Kosten nicht favorisiert. Stattdessen werden Gespräche geführt, ob sich die AÖGW am landeseignen Fortbildungsangebot beteiligt. Als erfüllt werden die Forderungen zehn und elf betrachtet, einerseits den ÖGD als Partner bei der kommunalen Sozialplanung zu gewinnen und, andererseits, die Themenspektren des Gesundheitsdienstes in den Landesgesundheitskonferenzen zu verdeutlichen. Unklar sind noch die Punkte fünf (Anstellung von niedergelassenen Ärzten im ÖGD) und zwölf (Entwicklung eines ÖGDGesetzes). Auf die fachliche Ausbildung des ÖGD (Top sechs) kann das Land hingegen keinen Einfluss nehmen. Hier ist der Bund zuständig. Ebenso sieht es keine Möglichkeit, die Amtsarztausbildung zu erleichtern (Top neun).

fener Suchprozess und für den Beschäftigten freiwillig. Voraussetzung ist, dass er in den vergangenen zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war. Entsprechend ist das Ziel des Eingliederungsmanagements definiert. Es geht um die Erhaltung des Arbeitsplatzes für den Betroffenen bzw. um die Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters. Aber hat ein Beschäftigter auch einen Anspruch auf dieses Verfahren? Der Autor, Sebastian Günther – selbst Anwalt und Mitinhaber der Kanzlei Hahn | Kroll | Günther Rechtsanwälte – greift dazu nicht nur die rechtlichen Regelungen auf, sondern wirft auch einen Blick auf die jeweilige Rechtsprechung zum Thema. In dieser Frage gehen jedoch auch die Meinungen der Richter auseinander. Einerseits wird ein Anspruch des Mitarbeiters bejaht, andererseits wird er verneint (Seite 6 der Broschüre). Der Arbeitnehmer hat aber nicht nur die Wahl, ob er an einem solchen Verfahren teilnimmt. Er sollte zudem die Möglichkeit erhalten, aus einem BEM-Team einen Ansprechpartner zu wählen. Dieses sollte möglichst aus je einem Mitarbeiter der Personalabteilung und einem Vertreter des Personalrates bestehen. Ob der Personalrat als Gremium am Verfahren beteiligt wird, liegt ebenfalls in der Entscheidung des Arbeitnehmers. Insgesamt wird die 24-seitige Broschüre ihrem Anspruch

pakten, kurzen Überblick über die Durchführung dieses besonders wichtigen Verfahrens. Sie richtet sich in erster Linie an die Mitglieder der Kommunalen Arbeitgebervereinigung (KAV). So verweist der Autor an mehreren Stellen auf das Thema Kündigung im Krankheitsfall und erläutert, welche Schritte bzw. deren Unterlassen sich wie auf eine Kündigung im Krankheitsfall auswirken würden. In diesem Sinne ist auch das abschließende Kapitel zu sehen, das mit dem Titel “Mögliche Maßnahmen des BEM und Schadensersatz bei Unterlassen” überschrieben ist.

Sebastian Günther, BEM – Betriebliches Eingliederungsmanagement – Die wichtigsten Grundlagen; KAV Berlin (Hrsg.) 2017, kostenloser Download unter: www.kavberlin. de/bem/ueberblick Foto: BS/KAV Berlin


Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Mai 2017

Vom großen B zum kleinen B

KNAPP Ladesäulen für Behörden in Bayern

Biberacher Image-Kampagne – humorvoll, aber nachhaltig?

(BS/Julian Einhaus) Wie hoch ist die realexistierende Schwaben-Antipathie in Berlin? Das ist wohl weder in der Bundeshauptstadt noch im kleinen Biberach an der Riß zu beantwor- (BS/ein) In Ergänzung zu öffentten. Trotzdem spielt das hochschwäbische Städtchen in einer Social-Media-Kampagne mit vielen der Ressentiments, die zuweilen offenkundig in Prenzlauer Berg, Friedrichshain und lich geförderten und privat fiKreuzberg zu vernehmen sind. Mit Erfolg. Zwar hat die Initiative bisher keinen “Ureinwohner” zurück ins Ländle holen können, dafür aber bundesweite Aufmerksamkeit gewonnen. nanzierten Ladestationen plant Bernd Gnann, als Schauspieler in mehreren Tatort-Folgen aus Ludwigshafen und Stuttgart zu sehen gewesen, ist unüberhörbar Schwob. Der Mittvierziger ist dennoch auch für hochdeutsch und berlinerisch-sozialisierte Ohren zu verstehen. Das ist wichtig. Denn Gnann spielt auf YouTube und Facebook den fiktiven Rainer Holzrück, der “unwillkommene Schwaben” zum Umzug zurück nach Biberach bewegen will. Vom großen B zum kleinen B sozusagen. Die Werbekampagne des kommunalen Stadtmarketings sollte vor allem mediale Aufmerksamkeit erzielen. “Ein voller Erfolg”, erklärt Andrea Appel, Amtsleiterin für Kommunikation. Auf sympathisch-witzige Weise sei Biberach bundesweit zu einer Adresse geworden, so Appel. “Dies wirkt sich sicher positiv auf den Bereich Tourismus, hoffentlich aber auch für unsere Wirtschaft bei der Fachkräftegewinnung aus.” Das Potenzial dafür scheint groß: Allein in Berlin spricht man von 200.000 ExilSchwaben.

Anfragen, Likes, Smileys: Die mediale Aufmerksamkeit für die oberschwäbische Stadt Biberach ist seit Januar ungebrochen. Auch wenn das Stadtmarketing durch seine Standort-Kampagne noch niemanden konkret von Berlin zurück an die Riß holen konnte, funktioniert die spaßige Abgrenzung von Berlin. Grafik: BS/Stadt Biberach

Ganz anders als das “große B” ist das 30.000 Einwohner zählende Biberach nicht nur schuldenfrei und hat seit Jahrzehnten die niedrigste Arbeitslosenzahl Baden-Württembergs. Es gibt auch weit mehr Jobs als

erwerbsfähige Einwohner. Nun sucht die Stadt Menschen – und natürlich ganz besonders Familien –, die in “malerischer Umgebung” naturnah leben wollen. Eine Landschaftsart, die Rainer Holzrück auf seiner Werbe-Tour

durch die Hauptstadt entbehren muss. Ebenso wie die eigenen Landsleute, auf die der schlitzohrige Talentsucher nicht so oft stößt wie vielleicht gedacht. Stattdessen geraten ihm vor allem Ur-Berliner und ein italienischer Taxifahrer vor die Kamera. Auch im Döner-Laden und beim Asia-Snack wird er nur weitergeschickt. Und wo ist nun der “PrenzlSchwab”, der unbedingt zurück in die Heimat möchte? Aktuell sei ihr aufgrund der Image-Kampagne noch kein Umzug bekannt. “Wir hatten aber diverse Kontakte von Menschen aus der Republik”, erklärt Appel, “die sich aufgrund des Kampagnenfilms für Biberach interessierten und zum Ausdruck brachten, dass sie sich vorstellen könnten, hier zu leben und zu arbeiten.” Und dann wäre da noch das mediale Echo. Drei Millionen Klicks in den Sozialen Netzwerken, eine Million Video-Aufrufe und 99,9 Prozent positive Bewertungen. Laut Stadtverwaltung lag die absolute mediale Reichweite online wie in

klassischen Medien bei unglaublichen 27 Millionen. Die Aufrufzahlen der kommunalen Website kletterten um 300 Prozent. Wenn heute eine Firma aus Biberach Mitarbeiter sucht, sei der Standort weitaus mehr Menschen ein Begriff als noch vor einem halben Jahr. Dabei handelt es sich um mehrere global agierende Unternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitern. Darunter etwa der Baumaschinenhersteller Liebherr. Viele Arbeitsplätze, hohe Wohnund Lebensqualität zu relativ erschwinglichen Preisen. “Und Kinderbetreuungsangebote, die sich sehen lassen können”, unterstreicht Appel. Danach leckt man sich nicht nur in Berlin die Finger. Und Jobs in der Stadtverwaltung? Eine vakante Führungsposition sei derzeit ausgeschrieben – bei insgesamt 500 Stellen eine eher überschaubare Zahl. Im Rahmen des investiven Schwerpunkts im Bereich Bildung und Betreuung werde aber absehbar weiteres Fachpersonal gebraucht. Wer hat Luscht?

Verwaltungssprache einfacher halten Modellprojekte in drei NRW-Kommunen (BS/ein) Kurze Sätze, simpler Satzbau und anschauliche Bilder: In Bochum, Paderborn und im Ennepe-Ruhr-Kreis testen die Verwaltungen den Einsatz einfacher Sprachmittel. Profitieren sollen nicht nur Menschen mit Behinderung, Lernschwierigkeiten oder Leseschwäche, sondern auch Zugewanderte. Bei den Übersetzungen von Anschreiben und Anträgen in einfachere Fassungen wurden Menschen mit Lern- und Leseschwierigkeiten direkt einbezogen, erklärt Ulrike SalomonFaust, in Bochum zuständig für Inklusion. “Wir probieren Dinge aus, zu denen es bisher nur wenige Erfahrungen gibt.” So sei etwa die rechtsverbindliche For-

mulierung von Texten in leichter Sprache wenig erprobt. Bis zur endgültigen Fertigstellung der ersten Texte habe es daher viele verschiedene Abstimmungsvorgänge gebraucht. Die ersten einfachen wie juristisch korrekten Papiere hat Bochum mittlerweile verschickt. In Paderborn arbeitet man gemeinsam mit einer Projektgrup-

pe der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW gleich an einem ganzen Wörterbuch für leichte Sprache im Sozialbereich. Ein Lexikon zum Nachschlagen, um bürokratische Formulierungen zu entschlüsseln. Die Stadt stellt zudem eine Willkommensbroschüre in leichter Sprache zur Verfügung – nicht nur auf Deutsch, sondern

auch auf Englisch, Französisch und Arabisch. Das Kommunale Integrationszentrum im Ennepe-Ruhr-Kreis geht einen anderen Schritt: 50 ehrenamtliche Dolmetscher unterstützen hier zugewanderte Menschen und übersetzen bei Gesprächen in Sozial-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen. Zum Einsatz kamen die

Laien-Übersetzer etwa in Schulen bei Eltern- und Aufnahmegesprächen. “Viele der von ihnen Begleiteten würden sich bei ihren Terminen nur unzureichend verständigen können”, erklärt Kreisdirektorin Iris Pott. Denn was für Formulare gilt, stimmt ebenso im direkten Gespräch und in fremden Sprachen: Keep it simple!

das bayerische Verkehrsministerium, ein Netz aus knapp 190 Ladesäulen an unterschiedlichen Behördenstandorten zu errichten. In allen 71 Landkreisen und 25 kreisfreien Städten Bayerns sollen Fahrer von E-Fahrzeugen bei Behördenbesuchen ihr Elektrofahrzeug beispielsweise bei ausgewählten Polizeipräsidien, staatlichen Bauämtern oder Amtsgerichten kostenfrei laden können. Insgesamt will der Freistaat 3,8 Millionen Euro investieren, beschloss das Landeskabinett Ende April in München. Bei allen staatlichen Neubauund größeren Sanierungsmaßnahmen im Freistaat sei es seit 2015 Pflicht, Ladesäulen vorzusehen, unterstrich Verkehrsminister Joachim Herrmann. Bis Ende des Jahres sollen auch 30 Rastanlagen mit Schnelladestationen ausgerüstet werden.

Integrationspreis Brandschutz (BS/mfe) In Hessen ist erstmals der Integrationspreis Brandschutz vergeben worden. Es gab drei reguläre Auszeichnungen und einen Sonderpreis. Prämiert wurden die Freiwilligen Feuerwehren Alheim-Niederellenbach und Alheim-Heinebach, Schlüchtern-Innenstadt, Waldems-Reichenbach sowie Bruchköbel. Sie durften sich über Preisgelder zwischen 3.000 und 500 Euro freuen. Die Auszeichnung ist Teil der Integrationskampagne Brandschutz. Sie soll zu einem einfacheren Zusammenfinden von Feuerwehren und Migranten in Hessen beitragen. Der Integrationspreis Brandschutz wurde im vergangenen Jahr durch die Wiesbadener Landesregierung und den Landesfeuerwehrverband ins Leben gerufen.

31. Mai − 1. Juni 2017, Bonn

Bundeskongress

Kommunale Verkehrssicherheitt Die Informations- und Diskussionsplattform zur Verkehrs- und Geschwindigkeitsüberwachung

> www.kommunale-verkehrssicherheit.de

Eine Veranstaltung des:


Kommunalpolitik

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Behörden Spiegel / Mai 2017

Ein Jahr mit Licht und Schatten

Kooperationen weiter ausbauen

2016 mehr Unfälle, aber weniger Tote

Münster und Enschede tauschen Bürgermeister

(BS/Gerd Lehmann) 2016 war das unfallreichste Jahr seit der deutschen Vereinigung. Die Polizei nahm bundesweit insgesamt 2.588.263 Verkehrsunfälle auf: 2,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Bei Unfällen im Straßenverkehr starben 3.208 Menschen. Das waren 239 Getötete oder 7,2 Prozent weniger als 2015. Damit erreichte die Zahl der Verkehrstoten den niedrigsten Stand seit mehr als 60 Jahren. Die Zahl der Verletzten stieg 2016 gegenüber dem Vorjahr allerdings um 0,8 Prozent.

(BS/ein) Die Stadtoberhäupter von Münster und Enschede haben am 3. und 4. April zwei Tage lang die Arbeitsplätze getauscht und in der Nachbarstadt jeweils an Gesprächen und Beratungen teilgenommen. Die Städte wollen die bisherige deutsch-niederländische Zusammenarbeit noch weiter ausbauen.

Mit Ausnahme von Bremen, das einen Rückgang der Verkehrsunfälle um 1,4 Prozent verzeichnete, nahmen die Verkehrsunfälle in allen anderen Bundesländern zu. Die höchsten Steigerungsraten weisen Nordrhein-Westfalen (plus 4,9 Prozent), Hessen (plus 4,1 Prozent), das Saarland (plus 3,8 Prozent) und Berlin (plus 2,5 Prozent) auf. Der Anstieg der Verkehrsunfälle insgesamt basiert vorrangig auf Unfällen mit Sachschaden. Während in fünf Bundesländern die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Personen 2016 im Vergleich zum Vorjahr etwa auf gleichem Niveau blieb oder nur geringfügig anstieg, kamen in elf Ländern weniger Personen im Straßenverkehr zu Tode. In absoluten Zahlen betrachtet, gab es den stärksten Rückgang in Baden-Württemberg (minus 78 Personen = 16,1 Prozent), gefolgt von Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Nur in Bayern, Berlin, Hamburg, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Getöteten. Das Risiko, im Straßenverkehr zu sterben, war in Sachsen-Anhalt mit 59 Todesopfern und in Mecklenburg-Vorpommern mit 55 Todesopfern je eine Million Einwohner am höchsten.

Wachsendes Risiko Mit der 2016 gestiegenen Zahl der Verkehrsunfälle erhöhte sich auch das Risiko der Unfallbeteiligung. Gemessen an

Viel zu tun für die Einsatzkräfte: Bundesweit ereigneten sich 2016 mehr als 2,5 Mio. Verkehrsunfälle. Foto: BS/Philipp Gerbig, CC BY-ND 2.0), flickr.com

der Einwohnerzahl war das Risiko, an einem Verkehrsunfall beteiligt zu sein, in Berlin mit 4.010 Unfällen je 100.000 Einwohner am höchsten, gefolgt von Hamburg mit 3.827 Unfällen, Nordrhein-Westfalen mit 3.582 Unfällen, Rheinland-Pfalz mit 3.554 Unfällen, MecklenburgVorpommern mit 3.533 und Sachsen-Anhalt mit 3.349 Unfällen je 100.000 Einwohner. Der Bundesdurchschnitt lag 2016 bei 3.150 Unfällen je 100.000 Einwohner. Deutlich unter diesem blieben Hessen (2.285 Unfälle), Thüringen (2.624 Unfälle), Sachsen (2.686 Unfälle), Niedersachsen (2.731 Unfälle) und Baden-Württemberg (2.878 Unfälle). Das nach Ortslage beurteilte Verkehrsunfallgeschehen hat sich 2016 gegenüber den Vorjahren kaum verändert. Rund drei Viertel aller Verkehrsunfälle und auch zwei Drittel aller Unfälle mit Personenschaden ereigneten sich wieder innerhalb

geschlossener Ortschaften. Die meisten Verkehrstoten gab es jedoch bei Unfällen auf den außerhalb der Ortschaften gelegenen Landstraßen.

Überhöhte Geschwindigkeit häufigste Unfallursache Wie schon in den Vorjahren hat sich die Rangfolge der Hauptunfallursachen auch 2016 kaum verändert. Trotz eines leichten Rückgangs der Anzahl der Fälle ist die nicht angepasste beziehungsweise überhöhte Geschwindigkeit eine der häufigsten Unfallursachen. Einen stetigen Anstieg verzeichnet die Unfallursache ungenügender Sicherheitsabstand. Immer öfter wird auch Ablenkung zum Beispiel durch die Nutzung von Smartphones als Unfallursache festgestellt. Andere Unfallursachen wie das Nichtbeachten der Vorfahrt, Fahren unter Alkohol oder falsches Überholen gingen 2016 anteilig weiter zurück.

Beide Bürgermeister seien sich einig, dass die Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden müsse, sagte Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe. “Wir können voneinander lernen und von den unterschiedlichen Wegen, die Herausforderungen, die sich den Städten stellen, anzugehen, profitieren.” Beeindruckt habe ihn vor allem, wie die holländische Grenzstadt gemeinsam mit ihren Partnerstädten eine Strategie “Smart City Enschede” erarbeitete. Mit den Verwaltungsvorständen der Städte seien jeweils konkrete gemeinsame Arbeitsfelder und Projekte benannt worden. “Wir streben einen gemeinsamen Arbeitsmarkt an”, so Lewe. “Die Stadt Münster hat einen großen Bedarf an Fachkräften im Bereich der Kinderbetreuung und der pflegerischen Berufe.” Ziel ist es auch, die Zusammenarbeit der Hochschulen weiter

Begrüßung von Bürgermeister Onno van Veldhuizen (rechts) in Münster im Dienstzimmer des Oberbürgermeisters durch Stadtdirektor Thomas Paal. Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe konnte Veldhuizen nicht selbst begrüßen, da er zum gleichen Zeitpunkt “Dienstantritt” in Enschede hatte. Foto: BS/Stadt Münster

auszubauen. Im kulturellen Bereich sollen die Orchester der beiden Städte kooperieren. “Wir werden in den nächsten Wochen die Handlungsfelder weiter abstimmen.” Schließlich soll ein “Letter of Intent” als Basis künf-

tigen Handelns unterzeichnet werden. Enschede und Münster liegen etwa 70 Kilometer voneinander entfernt. Die niederländische Stadt befindet sich unmittelbar an der deutschen Grenze.

Amt für Zuwanderung und Integration OB: “Strukturen für Daueraufgabe Integration” (BS/ein) Die Stadt Oldenburg wird zum 1. August 2017 ein Amt für Zuwanderung und Integration einrichten. Es soll aus dem bisherigen Amt für Zentrales Flüchtlingsmanagement und der Stabsstelle Integration hervorgehen. “Wir fassen hier die Aufgaben zusammen, die bislang in unterschiedlichen Bereichen der Stadtverwaltung erledigt wurden, Abstimmungen können schneller erfolgen und wir können deutlich effizienter handeln“, erklärte Oberbürgermeister Jürgen Krogmann. Der SPD-Politiker sieht darin eine konsequente Weiterentwicklung: “Die Zuordnung der Stabsstelle Integration zum Büro des Oberbürgermeisters im Jahr 2008 war die richtige Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt, jetzt brauchen wir aber andere Strukturen für die Daueraufgabe Integration.” Dies werde allein durch die Zahl der zugewanderten Menschen deutlich: Die niedersächsische Stadt hat seit 2012 mehr als

Zügigere Abstimmungen, effizienteres Verwaltungshandeln: Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann schafft zum August dieses Jahres ein dauerhaftes Amt für Zuwanderung und Integration. Foto: BS/Stadt Oldenburg, Torsten von Reeken

3.000 Flüchtlinge aufgenommen und untergebracht. Im Amt für Zuwanderung und Integration sollen Zuständigkeiten aus fünf Ämtern zusammengefasst und in zwei Fachdiensten organisiert werden. Die bisherige Stabsstelle Integration wird vergrößert und zu einem Fachdienst ausgebaut. Aktuell laufe das Auswahlver-

fahren für den oder die neue Integrationsbeauftragte(n), der auch die Leitung des Fachdienstes überehmen soll, heißt es.

30 Mitarbeiter

Insgesamt hat das Amt für Zuwanderung und Integration dann rund 30 Mitarbeiter. “Damit bekommen wir eine enorme Stärkung der operativen Aufgaben und die unmittelbare Verknüpfung mit der strategischen Integrationsarbeit der Stadt”, sagte Sozialdezernentin Dagmar Sachse, in deren Verantwortungsbereich das neue Amt fällt.

Ökonomischer kommunaler Solidarfonds 13 Kommunen entlasten sich bei Asyl-Krankheitskosten (BS/ein) Der sogenannte Solidarfonds, den Kommunen im Kreis Warendorf 2015 zur Bewältigung der Krankheitskosten von Asylbewerbern gegründet haben, hat sich nach vielfachem Bekunden bewährt. Bei einem Treffen Anfang März in Ahlen beschlossen die Bürgermeister der beteiligten Städte, den Fonds wegen gestiegener Flüchtlingszahlen personell zu stärken. Die Kooperation relativiert das Risiko jeder Gemeinde und soll hohe Behandlungsspitzen auf alle Kommunen umlegen – der Solidarfonds bewahrt kleine Kommunen vor finanziellen Überforderungen.

Gesundheitskarte wäre um zwei Drittel teurer Der bei der Ahlener Stadtverwaltung angesiedelte Pool wird von allen dreizehn Kommunen getragenen und hat 2016 5,6 Millionen Euro verwaltet. Die Personalausstattung wurde nun von 0,9 auf 1,4 Stellen für die nächsten zwei Jahre erhöht. Vergleichbare Systeme, wie etwa die von den Krankenkassen angebotene Gesundheitskarte, kämen die Städte und Gemeinden rund zwei Drittel teurer, heißt es. Ahlens Bürgermeister Dr. Alexander Berger und Beckums Stadtoberhaupt Dr. Karl-Uwe Strothmann bezeichneten den Fonds als “ein Musterprojekt, das sehr ökonomisch arbeitet”. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sind die Kommunen verpflichtet, die

ärztliche Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände zu gewähren. Finanziert werden auch Arznei- und Verbandmittel sowie sonstige zur Genesung dienende Mittel. Bei Bedarf müssen auch Kosten für Pflegemaßnahmen übernommen werden. Das kann vor allem kleine Gemeinden vor unkalkulierbare Risiken stellen.

Land deckelt erst bei 35.000 Euro In besonders schweren Fällen können die Krankenhilfekosten sechsstellige Summen erreichen. So etwa bei Dialysepflicht und aufwendigen Herzoperationen. Zwar hatte das Land Nordrhein-Westfalen die maximalen Kosten pro Kommune, Flüchtling und Jahr vergangenes Jahr von zuvor 70.000 auf 35.000 Euro gedeckelt. Einige solcher Fälle habe es im vergangenen Jahr gegeben, erklärte Thomas Schürmeyer, Leiter Soziales bei der Stadt Ahlen. Die angefallenen Kosten erstattet die Landesregierung aber erst im darauf folgenden Jahr zurück,

wenn ein entsprechender Antrag bei der Bezirksregierung gestellt wurde. Diese Gelder würden auch wieder zurück in den Solidarfonds fließen, sagte Schürmeyer.

System verringert außergewöhnlich hohe Kosten Die öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen den Städten und Gemeinden im Kreis Warendorf teilt die gesamten tatsächlich angefallenen Krankenhilfekosten nicht pflicht-, freiwillig oder privat versicherter Leistungsempfänger nach dem AsylbLG durch die Anzahl aller nicht versicherten Leistungsberechtigten. Jede Kommune trägt einen Anteil am Sozialfonds im Verhältnis der nicht versicherten Leistungsberechtigten in der Kommune zu allen nicht versicherten Leistungsberechtigten im Landkreis. Dadurch ist jede Stadt und jede Gemeinde zwar kontinuierlich an den Gesamtkosten beteiligt, das Risiko außergewöhnlich hoher Kosten verringert sich aber enorm.


Kommunalpolitik / Verkehrssicherheit

Behörden Spiegel / Mai 2017

T

hüringen ist anders. Zumindest ist der Freistaat immer noch viel kleinteiliger als viele andere Bundesländer. Nach der Wiedervereinigung 1990 hatte der Freistaat 1.717 Gemeinden, heute sind es bei 2,1 Mio. Menschen weiterhin mehr als 800 Kommunen. Darunter viele Kleinstgemeinden, die im Zuge der Reform nun “demografiefest” gemacht werden sollen – 6.000 Einwohner ist die Mindestgröße. Das bedeutet, 600 Gemeinden müssen aufgelöst werden! Und dann sind da noch die Landkreise.

Acht Kreise, vier Städte Mitte der neunziger Jahre gab es hier bereits eine Reform. Die Zahl wurde von 35 auf 17 Landkreise halbiert. Jetzt gilt die Maßgabe “8 + 4”. Das heißt, acht Landkreise und vier kreisfreie Städte werden bestehen bleiben. Im Gegensatz zur Gemeindeebene hat Innenminister Holger Poppenhäger auf Landkreisebene eine konkrete Karte vorgelegt. Nunmehr sollen vier statt wie geplant nur zwei Städte (“8 + 2”) kreisfrei bleiben. Der Vorschlag offenbare, dass es zu keinem Zeitpunkt darum gegangen sei, das Vorschaltgesetz starr anzuwenden, sondern “konstruktiv und mit sachlichen Argumenten gemeinsam zu einem Ergebnis zu gelangen”, erklärt Poppenhäger – die Landesregierung sei lernfähig. Das sieht man auf kommunaler Ebene vielerorts anders.

40.000 Unterschriften – weiter geht’s! Während neben Erfurt und Jena jetzt auch Weimar und Gera

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Flächendeckender Widerstand Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause in den Landtag / kommunale Unsicherheit (BS/Julian Einhaus) Was ist bloß in Thüringen los? Diese Frage dürfen sich angesichts der Fülle an Streitigkeiten rund um die geplante, vielerorts so verhasste Gebietsreform nicht nur Außenstehende stellen. Mit der jüngsten Vorlage für neue Kreisgrenzen konnte das Innenministerium einige wenige Städte besänftigen. Es bleiben jedoch mindestens zehn kommunale Verfassungsklagen und ein Volksbegehren – gegen das die rot-rotgrüne Landesregierung selbst prozessiert. Ein Zwischenbericht des Vorhabens, das einige bereits als “die Jahrhundertreform” titulieren, das aber auf flächendeckenden Widerstand trifft. ihren unabhängigen Status behalten dürfen – und ihre avisierten Aktionen und Rechtsklagen einstellen dürften –, stehen die Städte Gotha (45.000 Einw.), Eisenach (42.000) und Suhl (36.000) vor der Einkrei-

So soll Thüringen bald auf Ebene der kreisfreien Städte und Landkreise aussehen. Die künftige Struktur der weit kleinteiligeren Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften ist aber längst noch nicht klar. Grafik: BS/Innenministerium Thüringen

sung (s. Info-Kasten). Bislang klagen neun Landkreise und die CDU-Landtagsfraktion vor dem Landesverfassungsgericht

gegen die Fusionen. Kommunalpolitiker und Bürger haben zudem den “Verein für Selbstverwaltung in Thüringen” gegründet und ein Volksbegehren auf den Weg gebracht. Mit mehr als 40.000 Unterschriften wurde das Quorum von mindestens 5.000 Signaturen übererfüllt. Nun will die Initiative einen Volksentscheid her-

beiführen, w i r d a b e r von RotRot-Grün vorerst aufgehalten: Die Landesregierung sieht das in der Verfassung verankerte Haushaltsrecht des Landtags eingeschränkt und prozessiert ihrerseits. Mit Klagen von weiteren Gemeinden wird gerechnet. Viel zu tun für die ehrenamtlichen Richter des höchsten Landesgerichts, die sich seit Mai mit den Klagen befassen. Mit ersten Urteilen wird nicht vor Herbst 2017 gerechnet. Bis dahin wollen die Initiatoren des Volksbegehrens aber nicht warten und sammeln weiter. Auch symbolisch will man so schnell wie möglich rund 200.000 notwen-

dige Unterschriften im Kasten haben, um die zweite Stufe des Prozesses zu erklimmen. Dabei ist auch den meisten ReformGegnern klar, dass sich an vielen Ecken und Enden im Freistaat etwas tun muss. Zum Beispiel bei den “erfüllenden Gemeinden”.

Kleinstgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften Diese Form ist eine Thüringische Besonderheit. 39 Städte und Gemeinden gehören keiner Verwaltungsgemeinschaft an und übernehmen Verwaltungsleistungen für 98 weitere Gemeinden. Weiterhin sind mehr als zwei Drittel der rund 850 selbstständigen Gemeinden in 69 Verwaltungsgemeinschaften organisiert und für sich allein genommen nicht überlebensfähig. Die Landesregierung versucht seit Längerem, freiwilligen Zusammenschlüssen Vorschub zu leisten: Im sogenannten Vorschaltgesetz sind 155 Mio. Euro für “Hochzeitsprämien” vorgesehen. Der bisherige Erfolg wird unterschiedlich interpretiert. Poppenhäger unterstreicht, dass sich schon hunderte Bürgermeister in seinem Ressorts, zu Voraussetzungen und Möglichkeiten der Gebietsreform beraten ließen. Zum Ablauf der ersten Phase Ende Februar haben sich aber nur 18 Anträge im Landesinnenministerium eingefunden. Laut einer Umfrage des

MDR waren bis dato insgesamt 65 Kommunen bereit, aus freien Stücken zu fusionieren. Wie viele dieser Fälle “bescheidungsfähig” waren und sind, bleibt unklar. Kommunen können in der zweiten Phase bis Ende Oktober 2017 weiterhin zueinander finden. Die “Heiratsprämien”, die dafür gewährt werden, sinken allerdings.

Rechtsunsicherheit bei schwierigen Reformen Die kommunale Seite spricht von zuweilen zweigeteilter Kommunikation aus dem Innenressort und der Staatskanzlei. Selbst fusionswillige Kommunen würden dadurch abgeschreckt, kritisierte der Geschäftsführer

des Thüringischen Gemeindebunds, Ralf Rusch, in einem Brief an Ministerpräsident Bodo Ramelow. Schwerwiegende Reformen hätten die massive Rechtsunsicherheit weder verdient noch könnten sie diese vertragen. Auf den Kommunen laste gleichzeitig sehr viel Druck, so Rusch. Kleine Gemeinden müssten nicht nur nach allen Seiten Fusionsgespräche führen, wenn sie ihr Schicksal wenigstens ein wenig in der eigenen Hand behalten wollten. Sie sähen sich auch mit einem sehr ambitionierten Zeitplan konfrontiert. Der Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause in den Landtag gehen, Reformen und Neuwahlen auf Kreisebene bereits 2018 über die Bühne gehen. Das Innenministerium versichert, dass alle Gemeinden auch nach der Freiwilligkeitsphase zusammenblieben, die aufgrund von freiwilligen Anträgen neu gegliedert würden. Allerdings: In Einzelfällen könne es am Ende der Freiwilligkeitsphase passieren, dass zu fusionierten Gemeinden weitere hinzukämen.

Aus “17 + 6” wird “8 + 4” (BS) Aus den 17 Landkreisen (LK) und sechs kreisfreien Städten in Thüringen sollen neben den vier kreisfreien Städten Erfurt, Jena, Gera und Weimar acht große Kreise aus den folgenden bisherigen Gebietskörperschaften entstehen: 1. LK Eichsfeld + Unstrut-Hainich-Kreis / Kreissitz: Stadt Mühlhausen, 2. LK Nordhausen + Kyffhäuserkreis / Kreissitz: Sondershausen, 3. LK Sömmerda + LK Weimarer Land / Kreissitz: Stadt Sömmerda, 4. LK Gotha + Ilm-Kreis / Kreisstadt: Stadt Gotha, 5. LK Wartburgkreis + LK Schmalkalden-Meiningen + Stadt Eisenach / Kreissitz: Bad Salzungen, 6. LK Sonneberg + LK Hildburghausen + Stadt Suhl + Gemeinden, Oberhof, Gem. Zella-Mehlis und Gem. Benshausen (bisher alle LK Schmalkalden-Meiningen) / Kreisstadt: Hildburghausen, 7. LK Saalfeld-Rudolstadt + Saale-Orla-Kreis + Saale-Holzland-Kreis / Kreissitz: Saalfeld, 8. LK Altenburger Land und LK Greiz / Kreissitz: Stadt Altenburg.

Künftig einfacher anzuordnen Verkehrssicherheit auf Landstraßen Unfallschwerpunkte mit semistationärer Überwachung entschärfen (BS) Ob Verletzte oder gar Getötete nach einem Verkehrsunfall zu beklagen sind, liegt an vielen Faktoren. In den meisten Fällen ist es aber die Geschwindigkeit. Lange Zeit war es für Polizeien und Kommunen fast unmöglich, schwer zugängliche Unfallschwerpunkte wie Landstraßen oder Baustellen dauerhaft zu entschärfen. Beim Bundeskongress “Kommunale Verkehrssicherheit” am 1. Juni in Bonn erklärt Vitronic den nächsten Schritt in der Verkehrssicherheitsarbeit. Landstraßen sind einladend, aber auch gefährlich. Sogar viel gefährlicher, als die meisten Verkehrsteilnehmer denken. Hier passieren jedes Jahr rund 60 Prozent aller tödlichen Unfälle – vor allem durch viel zu schnelles Fahren und riskante Überholmanöver. Doch trotz klar erkennbarem “Unfallschwerpunkt Bundes- und Landstraßen” ist es nicht einfach, die Verkehrssicherheitsarbeit zu verbessern. Landstraßen verfügen in der Regel nicht über eine Strom- und Datenanbindung.

Im Sinne der Eigensicherung Ähnliches gilt für Bau- und Arbeitsstellen, die meist nur zeitlich begrenzt bestehen. Hier stellt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV fest: “Schwachstellen sind neben den Anschlussstellen vor allem Baustellenbereiche, die zu Störungen im Verkehrsablauf und immer wieder zu Unfällen führen.” Mit mobilen Messsystemen lassen sich diese schwierigen Stellen zwar überwachen, doch sind diese Einsätze begrenzt durch Batteriekapazitäten und Vandalismus-Gefahr. Zudem ist der erforderliche Personalaufwand für viele Polizeien und Kommunen nicht

Verkehrssicherheitsinstrument hat sich der Trailer im vergangenen Jahr bereits an der Langzeitbaustelle an der A 3 bewährt. Dort konnten in etwa 120 Tagen Der Vitronic Enforcement Trailer lässt sich nahezu über 60.000 Gedurch jedes Kraftfahrzeug mit Anhängerkupplung schwindigkeitstransportieren. Die Hochleistungsbatterien gestat- überschreitunten einen ununterbrochenen Messbetrieb über min- gen registriert destens fünf Tage hinweg. Bei Foto: BS/Vitronic werden. einem anderen leistbar. Um diesen Herausfor- Unfallschwerpunkt auf der A4 derungen zu begegnen, hat Vi- waren es 10.000 Raser in nur tronic den Enforcement Trailer sechs Tagen. “Wenn es uns entwickelt. Er lässt sich mit na- gelingt, mit dem Enforcement hezu jedem Kraftfahrzeug mit Trailer Unfälle zu vermeiden Anhängerkupplung transpor- und Menschenleben zu retten, tieren. Hochleistungsbatteri- dann ist das ein riesiger Eren gestatten einen ununter- folg”, erklärte der dort zustänbrochenen Messbetrieb über dige Polizeisprecher. mindestens fünf Tage hinweg. Damit ermöglicht der Trailer Über Vitronic einen autonomen Betrieb ohVitronic ist eines der weltweit ne Personal, besonders auch führenden Unternehmen für an Gefahrenstellen, an denen industrielle Bildverarbeitung. bisher das Geschwindigkeits- Die inhabergeführte Untermessen mit mobilen Anlagen nehmensgruppe entwickelt für die messenden Personen innovative Produkte und speeinfach zu gefährlich war. zialisierte Lösungen in den Wachstumsbranchen IndusPrävention und Repression trie- und Logistikautomation Es noch ein weiter Weg zur sowie in der Verkehrstechnik. “Vision Zero”, dem Ziel, die Zahl der Verkehrsopfer auf Weitere Informationen: www. “null” zu reduzieren. Doch als vitronic.de .

Modellprojekt Tempo 30 in Niedersachsen gestartet (BS/Klaus Germer*) Tempo 30 in der Stadt – und zwar auf allen Straßen: In einem Papier mit dem Titel “Stadt für Morgen” nennt das Umweltbundesamt (UBA) Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit bei den kurzfristigen Zielen bis 2020. Während diese grundsätzliche Forderung nicht nur auf einem Kongress des UBA zu erheblichen kontroversen Diskussionen geführt hat, ist eine andere Neuregelung der Straßenverkehrsordnung bereits in die Praxis umgesetzt worden. Am 14. Dezember 2016 ist die Erste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft getreten, die es den Straßenverkehrsbehörden ermöglicht, ohne größere bürokratische Hürden Tempo 30 vor Schulen und Kindergärten auch an Hauptverkehrsstraßen streckenbezogen anordnen zu können. Bis zu der Gesetzesänderung galt, dass vor der Einrichtung von Tempo-30-Zonen belegt werden musste, dass im konkreten Fall eine besondere, erheblich den Normalfall übersteigende Gefahrenlage – in der Regel der Nachweis eines Unfallschwerpunktes – erforderlich war. Durch die Änderung der Straßenverkehrsordnung wurde die im geltenden Recht vorgesehene hohe Hürde für die streckenbezogene Anordnung von Tempo 30 auf innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen abgesenkt. Künftig können Länder und Kommunen auch ohne einen solchen Nachweis Tempolimits auf Hauptverkehrsstraßen in sensiblen Bereichen mit besonders schützenswerten Verkehrsteilnehmern, etwa vor Schulen, Kindergärten, Senioren- und Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhäusern, einführen.

Pilotprojekt soll 36 Monate dauern In Niedersachsen hatte parallel zu dieser Rechtsentwicklung der Landtag in einer Entschließung auf der Grundlage eines

Antrags der Regierungsfraktionen die Landesregierung gebeten, einen Tempo-30-Modellversuch zu realisieren. Unter der Federführung des niedersächsischen Verkehrsministeriums hat eine Expertengruppe die wesentlichen Rahmenbedingungen für den Modellversuch im Februar festgelegt. Demnach soll der Modellversuch eine Laufzeit von drei Jahren haben und auf einzelnen Strecken in Kommunen unterschiedlicher Größe durchgeführt werden. Ziel des Modellprojektes ist es, Daten über die Auswirkungen von Tempo 30 innerorts auf Lärm, Luft, Sicherheit und Verkehrsfluss zu erhalten. Eine mögliche flächendeckende Anordnung von Tempo 30 oder die generelle Absenkung der innerörtlichen Richtgeschwindigkeit sind allerdings nicht Teil des Modellprojekts.

Verschiedene Orte einbeziehen Um verlässliche Daten zu erhalten, sollen sowohl Großstädte beziehungsweise Großstadtregionen mit typischen Stadtteilzentren als auch Mittel- und Kleinstädte, zum Beispiel mit typischen Geschäftsstraßen, und kleinere Orte mit typischen Ortsdurchfahrten untersucht werden. Voraussetzungen für eine Teilnahme sind Überschreitungen bei Luftschadstoffen oder Verkehrslärm. Als weitere Kriterien können die Verkehrsstärke auf dem jeweili-

gen Streckenabschnitt sowie die Anwohnerdichte herangezogen werden. Aus den kommunalen Spitzenverbänden heißt es, in den Kommunen gebe es teilweise ein großes Interesse an einer Reduzierung auf Tempo 30. Es haben sich auch schon mehrere Kommunen gemeldet, die gerne an dem Modellversuch teilnehmen würden. Die Städte und Gemeinden erhoffen sich, dass es langfristig größere Möglichkeiten geben werde, auch auf Hauptverkehrsstraßen eine Temporeduzierung auf 30 Stundenkilometer durchzusetzen. Der Modellversuch wird rund 700.000 Euro kosten. Mit ersten Zwischenergebnissen ist 2018 zu rechnen. *Klaus Germer ist Verwaltungsjurist, langjähriger Landes- und Kommunalbeamter und als Referent mit den Schwerpunkten Bau- und Denkmalrecht, Ordnungsrecht, Asylrecht, Sozialrecht und Vergaberecht für die öffentliche Verwaltung tätig. Er ist zudem fachlicher Leiter des Bundeskongresses Kommunale Verkehrssicherheit des Behörden Spiegel. Der Thematik widmet sich auch der diesjährige Bundeskongress Kommunale Verkehrssicherheit des Behörden Spiegel. Er findet am 1. Juni in Bonn statt. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeiten unter: www. kommunale-verkehrssicherheit. de .


Verkehrssicherheit

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Behörden Spiegel / Mai 2017

Verkehrsunfälle in Deutschland

(BS/ein/mfe) Trotz erheblicher Verbesserungen sterben jedes Jahr weiterhin mehr als 3.000 Menschen auf deutschen Straßen – eine Opferzahl, die dem monatlichen Absturz eines Passagierflugzeugs gleichkäme. Während dies in der Luftfahrt kaum zu tolerieren wäre, stellt die Komplexität des Straßenverkehrs Politik und Staat vor weitaus größere Herausforderungen. Welche das sind, verdeutlichen die Behörden Spiegel-Grafiken.

Bei Straßenverkehrsunfällen Getötete seit 2000 7.503

8000

6.977 6.842

7000

Die Zahl der Verkehrstoten in der Bundesrepublik geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Während allerdings das Ziel des letzten Verkehrssicherheitsprogramms – eine Halbierung der Zahl der im Straßenverkehr tödlich Verletzten – erreicht wurde, ist eine erfolgreiche Umsetzung des derzeit noch laufenden Programms unsicher.

6.613 5.842

6000

5.361

5.091 4.949

5000 4000

4.152

Verkehrssicherheitsprogramm 2001–2010 Reduktion der Verkehrstoten um 50 % von 7.503 auf 3.751 (erreicht)

3000 2000

4.477

2000

2001

2002

2003 2004

2005

2006

Verkehrssicherheitsprogramm 2011–2020 Reduktion der Verkehrstoten um 40 % von 3.648 auf 2.189 (Programm läuft)

3.648 4.009

2007

2008 2009

2010

3.600

2011

2012 2013

2014

2015 2016

davon 26 % durch Baumunfälle

Die meisten Unfälle mit tödlichem Ausgang geschehen weiterhin auf Landstraßen. Fast 60 Prozent aller Verkehrsunfalltoten im vergangenen Jahr waren dort zu beklagen. Deutlich sicherer sind hingegen Autobahnen. Dort waren zuletzt nur zwölf Prozent der Verkehrstoten zu verzeichnen.

50

46%

40

3.459

33%

Getötete

30

89%

70%

20

2018

12% 10

30 % Innerortsstraßen

24%

2019 2020

Pkw/Radfahrer – Unfälle innerorts (getötete und schwerverletzte Radfahrer) Pkw/Fußgänger – Unfälle innerorts (getötete und schwerverletzte Fußgänger)

16%

12 % Autobahnen

13%

11%

9%

8%

5%

Fahrrad

2017

Egal ob Auto gegen Radfahrer oder Fußgänger: Die meisten Schwerverletzten und Todesopfer bei Unfällen dieser Verkehrsteilnehmer sind bei Geschwindigkeiten von maximal 40 Stundenkilometern zu verzeichnen. Es stellt sich durchaus die Frage, inwieweit die Einrichtung geschwindigkeitsreduzierter Zonen tatsächlich hilft.

22%

8%

2.189

Geschwindigkeitsreduktion als Maßnahme?

58 % Landstraßen Unfallfolgen und -orte 2015

Ziel 2020

3.377 3.459 3.214

3.339

3%

30%

4%

2% 2% 1% 0% 0 bis 10 11–20 21–30 31–40 41–50 51–60 61–70 >70 in km/h

11%

viele Unfälle trotz geringer Geschwindigkeit

Verkehrstote nach Art der Verkehrsbeteiligung

Jahr 1991

Jahr 2015

Das veränderte Mobilitätsverhalten der Deutschen schlägt sich auch in der Verteilung der Verkehrstotenzahl nach Fortbewegungsmittel nieder. Während der Anteil der in Autos ums Leben Gekommenen von 60 Prozent (1991) auf 47 Prozent im Jahr 2015 sank, verdoppelte sich der Anteil getöteter Zweiradfahrer fast.

60%

47%

Personenkraftwagen

Illustration: BS/Liesegang; © Vectorvstocker, Fotolia.com; © scusi, Fotolia.com; Quellen: Destatis, GDV Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.

17%

16%

Sonstige z.B. Lastkraftwagen

4%

20% 11%

Fußgänger

Kraftrad

6%


Kommunalpolitik/Demografie

Behörden Spiegel / Mai 2017

Wandern akzeptieren, Rückzug fördern

D

er sächsische Landkreis Görlitz erstreckt sich entlang der deutsch-polnischen Grenze von der Stadt Weißwasser bis zur Stadt Zittau, mit der namensgebenden und größten Stadt Görlitz in der Mitte. In den vergangenen 15 Jahren hat der Landkreis etwa 18 Prozent seiner Bevölkerung verloren, insgesamt leben dort derzeit 250.000 Menschen, während es 2001 noch 316.000 waren. Mit der Studie “Wer kommt? Wer geht? Wer bleibt?” haben der Landkreis, die Hochschule Zittau/ Görlitz und Trawos, Institut für Transformation, Wohnen und soziale Raumentwicklung, konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet, wie vor allem die Verbleibechancen junger Frauen im Landkreis verbessert werden können. Dabei wurden auch Schüler und Studenten selbst zu ihren Vorstellungen befragt.

Potenziale junger Frauen Die Abwanderung junger Frauen ist aus mehreren Gründen von zentraler Bedeutung. So potenziert der Wegzug jüngerer Frauen (und damit potenzieller Mütter) das demografische Ungleichgewicht in Schrumpfungregionen weiter. Auch kommt gerade gut qualifizierten jungen Frauen mit ihren Entwicklungspotenzialen für den Arbeitsmarkt eine Schlüsselrolle bei dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel zu. Hinzu kommen ihre “kreativen Potenziale, Impulse für neue, attraktive Lebensstile oder bürgerschaftliches Engagement sowie soziale Integrationsfunktionen”. Verbleiben junge Frauen nicht stärker in der Region, kann es zum Attraktivitätsverlust der Region und einer einsetzenden Negativspirale kommen, warnen die Autoren der Studie. Tendenziell weisen Gemeinden mit geringer Bevölkerungsdichte die höchsten Geschlechterungleichgewichte in der Altersgruppe der 18- bis 35-Jährigen auf. Einen geringen Frauenüberschuss verzeichnen sowohl der Hochschulstandort Görlitz als auch die nördlich angrenzende Gemeinde Neißeaue mit jeweils 104 Frauen je 100 Männer. Das größte Ungleichgewicht weist die Gemeinde Weißkeißel aus, in der 56 Frauen auf 100 Männer gezählt werden. In der Alterskohorte 15 bis 24 Jahre verlassen mehr junge Frauen als Männer den Landkreis und höher Qualifizierte weisen eine höhere Mobilitätsbereitschaft aus. Hier kommt dazu, dass junge Männer im

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Landkreis Görlitz untersucht Verbleibechancen junger Frauen (BS/Carsten Köppl) Das Gröbste scheint überstanden: Seit dem Fall der Mauer zog es rund 1,8 Millionen Menschen von Ost- nach Westdeutschland, überwiegend jüngere zwischen 18 und 30 Jahren. 2012 zogen jedoch erstmals wieder mehr Menschen nach Ostdeutschland als von dort weg. Allerdings konnte der Zuzug nur in neun Prozent der Gemeinden den Sterbeüberschuss mehr als ausgleichen, wie das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung im Januar 2016 schrieb. Grund genug für den Landkreis Görlitz, mit einer Studie zu untersuchen, was getan werden muss, um vor allem junge Frauen in der Region zu halten. Dabei zeigte sich, dass es vor allem auf die Rückkehrer(innen) ankommt. Landkreis die Schule häufiger ohne Abschluss verlassen als Frauen und rund 30 Prozent der Frauen verlassen die Schule mit einer allgemeinen Hochschulreife (und 25 Prozent der Männer). Jedoch ist die Quote der Akademikerinnen nur noch geringfügig höher als die der Männer mit akademischem Berufsabschluss (13 vs. elf Prozent).Dies deutet bereits darauf hin, dass mehr Abiturientinnen die Region nach der Schule verlassen. Über beide Geschlechter hinweg hat die Befragung ergeben, dass nur ein Fünftel der Befragten Ausbildung oder Studium im Landkreis Görlitz absolvieren möchten. Nur 33 Prozent der Studierenden an der Hochschule Zittau/ Görlitz sind Einheimische. Von den zugewanderten Studierenden möchte immerhin die Hälfte in der Region verbleiben. Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden vor allem bei den Berufswünschen deutlich. Schülerinnen streben häufiger einen Universitätsabschluss an und wünschen sich häufiger einen Beruf im Bereich der sozialen Berufe, Gesundheit und Medizin bzw. Geisteswissenschaften, während Schüler Berufe in den Bereichen Technik, Naturwissenschaft, Verkehr bzw. Landwirtschaft bevorzugen. Darüber hinaus kommen die jungen Frauen eher zu der Einschätzung, dass die Region keine Berufsausbildung oder ein Studium ihrer Wahl bieten kann.

Was ist wichtig? Weiblichen Studierenden ist es darüber hinaus wichtiger, den (zukünftigen) Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen als ihren männlichen Kommilitonen (58 Prozent vs. 47 Prozent). Neben den intendierten Bleibe- oder Wanderungsneigungen wurde ebenfalls nach den Gründen des Verbleibs bzw. der Abwanderung gefragt: 73 Prozent der Schülerinnen und 84 Prozent der Studentinnen benennen familiäre Gründe (Familie oder Partner in der

Herkunfts- bzw. der Zuwanderungsregion) für den Verbleib oder Abwanderung, aber nur 61 Prozent der Schüler bzw. 71 Prozent der männlichen Studierenden. Für 59 Prozent der Studentinnen und für 72 Prozent der Studenten ist ein Arbeitsplatz ein wichtiges Bleibe- oder Wanderungsmotiv. Und für immerhin 38 Prozent der Schülerinnen und 30 Prozent der Schüler fließen Freizeit- und Kulturmöglichkeiten in der Oberlausitz in den Entscheidungsprozess ein.

F wie Kraft Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die hohe Abwanderungsorientierung der 16- bis 20-Jährigen akzeptiert werden muss. “Ihre Offenheit für Neues ist eine Ressource und die hohe Zustimmung zur Region zeigt, dass es sich nicht so sehr um eine Flucht aus der Oberlausitz handelt”, so die Autoren. Vielmehr müsse den Rückkehrern und den Zugezogenen signalisiert werden, dass in der Region Platz für sie ist und sie gebraucht werden. Daher sollte die Mobilität zu den umliegenden Großstädten verbessert werden und ein Rückkehrerprogramm die Willigen unterstützen. Zudem hat die Untersuchung gezeigt, dass vor allem diejenigen bleiben, die in der Region Werte von Gemeinschaft und soziale Nähe zu Gleichgesinnten sowohl im Freundes- und Familienkreis wie über zivilgesellschaftliches Engagement ausleben können. Die beruflichen Entwicklungschancen sowie gesicherte und angemessene Einkommensperspektiven werden demgegenüber in die zweite Reihe geschoben. Der Landkreis sollte daher u. a. die soziale und kulturelle Integration fördern. Die Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen wird als “Phase des kritischen Bleibens” bezeichnet. Bei den Frauen ist das zentrale Rückkehr- oder Bleibemotiv das private Glück. Dabei arbeiten sie häufig auf Stellen, die nicht ihrer beruflichen Qualifikation entsprechen. Hier emfpiehlt die Studie Kristallisationspunkte

zu schaffen, die die Tätigkeiten und beruflichen Leistungen von Frauen anerkennen und

gezielt in die Entwicklungsplanung und -gestaltung der Region einbeziehen, etwa als

Wissens- und Erfahrungsträgerinnen, von denen die Gruppe der potenziell Zuwandernden und Rückkehrenden profitieren kann. Auch müssten verstärkt Instrumente der geschlechtersensiblen und familienorientierten Personalentwicklung angewendet werden und Projekte, Initiativen, Netzwerke und Vereine, die sich mit den Problemen der Entwicklungsperspektiven dieser Generation und insbesondere der Frauen beschäftigen, gefördert werden.

Packen wir’s! Fernsehlotterie seit 50 Jahren starker Partner der Kommunen (BS/Christian Kipper) Demografischer Wandel: Ländliche Regionen und kleine Städte benötigen heute mehr denn je Unterstützung, damit das soziale Miteinander im Gleichgewicht bleibt. Die Deutsche Fernsehlotterie und die Stiftung Deutsches Hilfswerk sind seit 50 Jahren starke Partner der Kommunen in Deutschland. Die Auswirkungen des demografischen Wandels machen sich in Deutschland in besonderer Weise in ländlichen Regionen und kleinen Städten bemerkbar: Junge Menschen ziehen in die größeren Städte, um dort zu arbeiten oder zu studieren. Und selbst die ältere Generation sucht verstärkt die Nähe zur Stadt. Denn eine zunehmend wegbrechende soziale Infrastruktur, Ärztemangel und Mangel an Pflegepersonal sind schon heute die Folge dieser Entwicklung und verstärken sie noch. Seit 2016 unterstützt etwa das Projekt “Demografiewerkstatt Kommunen” (DWK) ausgewählte Städte und Gemeinden

Web-Dossier zum demografischen Wandel (BS) Unter www.fernsehlotterie.de/microsite/demografischerwandel finden Interessierte Hintergründe zu den Auswirkungen des demografischen Wandels auf kommunaler Ebene. Zahlreiche Fallbeispiele von Förderprojekten zeigen, wie die Fernsehlotterie und das Deutsche Hilfswerk als Partner der Kommunen agieren.

dabei, sich für den demografischen Wandel zu wappnen. Es wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und von der Deutschen Fernsehlotterie unterstützt. Im Fokus stehen acht Kommunen, die mit unterschiedlichen Auswirkungen des demografischen Wandels konfrontiert sind. Die Kommunen erhalten Unterstützung bei der Entwicklung von Lösungen zur Bewältigung der HerausforChristian Kipper ist Geschäfts- derungen. Diese führer Deutsche Fernsehlot- Lösungsansätze terie und Stiftung Deutsches werden auch anderen KommuHilfswerk. nen zur VerfüFoto: Deutsche Fernsehlotterie gung gestellt.

50 Jahre Tandem für den guten Zweck (BS) Die Deutsche Fernsehlotterie und die Stiftung Deutsches Hilfswerk sind ein erfolgreiches “Tandem für den guten Zweck”. Dieses Tandem feiert dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen. 1967 wurde die Stiftung durch die kommunalen Spitzenverbände und die ARD gegründet. Sie dient der Verteilung des Reinerlöses der Fernsehlotterie und fördert gemäß ihrer Satzung soziale und karitative Projekte. Über 1,8 Milliarden Euro für mehr als 8.000 Projekte kamen so bereits zusammen, davon alleine 90 Millionen Euro für über 600 Projekte im vergangenen Jahr. Mehr Infos: www.fernsehlotterie.de

Die Deutsche Fernsehlotterie unterstützt zusammen mit ihrer Stiftung seit 50 Jahren gemeinnützige Hilfsprojekte der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege sowie freier Träger beispielsweise für Kinder, Jugendliche, Senioren und Familien. Ein Schwerpunkt liegt seit einigen Jahren im Bereich der sogenannten Quartiersentwicklung. Die Fördergelder kommen ausschließlich aus dem Erlös der Losverkäufe. Eine der Modellgemeinden der DWK ist die mecklenburgische Kleinstadt Grabow. Das Programm “Grabow 2020” soll deshalb die Innenstadt neu beleben, die soziale Infrastruktur stärken und attraktive Angebote für junge Familien schaffen. Aber auch im städtischen Bereich wird mit Projekten das Miteinander der Generationen gefördert. Ein Beispiel – der Krefelder Stadtteil Fischeln: Hier leben besonders viele alte Menschen, entsprechend hoch ist die Anzahl von Menschen mit Demenz. Der Arbeiter-Samariter-Bund hat mit finanzieller Unterstützung der Fernsehlotterie ein besonderes Demenz-Projekt ins Leben gerufen: Betroffenen und pflegenden Angehörigen werden hier Hilfe, Freizeitangebote, Service und Rat geboten.

Aus Demografiekongress „Best Age“ wird 1. Zukunftskongress Soziale Infrastrukturen

THEMEN u.a.:

Altersgerechtes Wohnen ▪ Quartiersentwicklung ▪ (frühkindliche) Bildung ▪ Integrationskonzepte ▪ neue Wege in der Pflege ▪ familienfreundliche Kommune ▪ vernetzte Nachbarschaften ▪ medizinische Versorgung ▪ Chancen der Digitalisierung

REFERENTEN u.a.: Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Niedersachsen

Dr. Jürgen h. C. Gohde, Kurator im Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA)

Weitere Informationen unter www.kongress-soziale-infrastrukturen.de In Kooperation mit

Eine Veranstaltung des


Personelles

Seite 20

Behörden Spiegel / Mai 2017

Städte, Gemeinden und Landkreise

Stellenmarkt MELDUNG

MELDUNG

Dedy: EU mehr denn je erklären

Klage gegen Bürgermeister-Abwahl in Brandenburg abgewiesen

(BS/ein) Helmut Dedy ist neuer Generalsekretär der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE). Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages ist bei der Sitzung des Präsidiums der deutschen RGRE-Sektion Ende April in Berlin einstimmig für zwei Jahre zum neuen Generalsekretär gewählt worden. Dedy hat am 1. Mai 2017 die Nachfolge von Dr. Kay Ruge, Beigeordneter des Deutschen Landkreistages übernommen. Gerade wegen der großen Herausfor-

(BS/ein) Das Verwaltungsgericht Cottbus hat eine Klage des ehemaligen Bürgermeisters der Stadt Mittenwalde gegen seine Abwahl durch Bürgerentscheid abgewiesen. Zur Begründung des Urteils heißt es, dass die Abwahl “nicht aus den von ihm dargelegten Gründen in unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden ist”. Ein Wahlfehler ergebe sich weder aus der Bekanntmachung von Stellungnahmen von Stadtverordneten in dem nichtamtlichen Teil des Amtsblatts

derungen in der Europäischen Union sollten sich die Kommunen engagieren und den EUKritikern entgegenhalten, was man trotz aller Probleme an der Staatengemeinschaft habe, sagte Dedy. “Die europäischen Werte und die europäische Integration sind ein wichtiges Fundament für das Zusammenleben der Bürgerinnen und Bürger in unseren Kommunen.” Dafür gelte es, sich stark zu machen: “Helfen wir mit, “Europa” zu erklären”, so Dedy als Förderer des europäischen Zusammenschlusses von unten.

Neuer Generalsekretär der deutschen Sektion des RGRE: Helmut Dedy Foto: BS/DST

für die Stadt Mittenwalde von Januar 2016 noch aus der Veröffentlichung von Meinungsäußerungen von Stadtverordneten in der Tagespresse im Anschluss an eine – nach derzeitigem Sachstand – rechtswidrige Akteneinsicht in die Disziplinarakten des Klägers. Die Bekanntmachungen im Amtsblatt seien rechtmäßig gewesen und wahrten das Sachlichkeitsgebot, teilte das Gericht mit. Das Neutralitätsgebot für Amtsträger finde im Fall der Abwahl eines Bürgermeisters durch Bürgerentscheid schon

keine Anwendung, heißt es. Wäre es anwendbar, sei dagegen nicht verstoßen worden, denn weder hätten sich Amtsträger geäußert noch sei eine amtliche Information suggeriert worden. Das Urteil kann mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg angefochten werden. Das ehemalige Stadtoberhaupt Mittenwaldes, Uwe Pfeiffer, war im Sommer 2015 wegen Vorteilsnahme zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden.


Personelles / Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / Mai 2017

Seite 21

Altschuldenfonds

Kommunen wollen den Geldhahn zudrehen

Ein gangbarer Weg für Kommunen?

Finanzierung von verfassungsfeindlichen Parteien

(BS/Bernhard Daldrup*) Die Debatte um einen Altschuldenfonds ist nicht neu, nimmt aber angesichts der (BS/lkm) Bund und Länder wollen die NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung ausschließen. Auch in Überschüsse im Bundeshaushalt (2016: 6,2 Mrd. Euro) und des Bundestagswahlkampfes wieder Fahrt auf. den Kommunen regt sich nun Widerstand. Denn am stärksten ist die NPD auf kommunaler Ebene – nicht in Bund und Ländern. Sie fordern, auch Mandatsträgern der Partei den Geldhahn zuzudrehen und haben dazu Gemeinhin werden drei struktu- erfolgreich – in NRW konnte so sollte ein verbindlicher, langfris- ein Rechtsgutachten präsentiert. relle Probleme der kommunalen Finanzsituation benannt: die geringe Investitionsquote (ca. 23 Mrd. Euro), zu hohe Sozialausgaben (2015: 54 Mrd. Euro) und hohe Altschulden (ca. 140 Mrd. Euro). Sie lassen den finanzschwachen Kommunen keine Chance, der Abwärtsspirale zu entkommen. Daran hat auch die positive Entwicklung der Kommunalhaushalte mit einem Überschuss von 5,4 Mrd. Euro 2016 nichts grundsätzlich geändert, zu unterschiedlich ist die Lage zwischen den Kommunen in Deutschland. Das Hauptziel des Bundes, gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland zu ermöglichen, indem gezielt die Disparitäten in Deutschland verringert werden, wird nicht erreicht. Sollten die Zinsen, insbesondere für Kassenkredite, wieder steigen, droht neue Gefahr. Und dies, obwohl die Große Koalition zweifelsfrei mehr für die Kommunen getan hat als nahezu jede Regierung zuvor.

Was tun? Die Stärkung der Investitionen ist zweifelsfrei so richtig wie die Entlastung von Sozialausgaben notwendig. Eine Vielzahl von Ländern haben in den vergangenen Jahren Stärkungspakte aufgelegt, um besonders finanzschwache Kommunen durch zusätzliche Landesmittel und Solidarumlagen der finanzstärkeren Kommunen, gepaart mit drastischen Sparauflagen, vor der Pleite zu bewahren. Zwar sind diese Hilfspakete von Landesregierungen und Kommunen durchaus

die Zahl der quasi überschuldeten Kommunen von 138 auf neun reduziert werden –, an der Altschuldenproblematik hat sich kaum etwas geändert. Noch immer schieben die Kommunen rund 140 Milliarden Euro Schulden vor sich her, obwohl immer schon ein Verschuldungsverbot in vielen Gemeindeordnungen galt. Der Bund muss dieser Entwicklung entgegenwirken. Ab 2020 greift die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die den Ländern eine strukturelle Neuverschuldung verbietet. Vom europäischen Fiskalpakt werden auch die kommunalen Altschulden erfasst. Dieser schreibt eine Höchstgrenze von 0,5 Prozent des BIPs für eine jährliche strukturelle Neuverschuldung des Gesamtstaates (Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen) vor. Obwohl die Altschuldenproblematik von der SPD in ihrem letzten Wahlprogramm thematisiert worden ist, konnte sie diese Forderung in den Koalitionsverhandlungen 2013 bei CDU/CSU nicht durchsetzen. Dabei ist die Forderung nicht neu. Ein Altschuldenfonds für die Länder wurde bereits früher von Roland Koch aus Hessen, Peter Harry Carstensen aus Schleswig-Holstein und selbst von Baden-Württembergern wie Kretschmann und Oettinger vorgeschlagen. Der auf Olaf Scholz zurückgehende Vorschlag der SPD sah vor, die Altschulden der Länder zunächst in der Hand des Bundes zusammenzuführen. Unter Beteiligung des Stabilitätsrates

Kommunaler Appell Neuordnung des Finanzsystems (BS/ein/lkm) Das Aktionsbündnis “Für die Würde der Städte” hat einen offenen Brief an die wichtigsten deutschen Politiker geschrieben. Die Initiative fordert, dass die Neuordnung des kommunalen Finanzsystems und die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in die Wahlprogramme bei Landtagswahlen und Bundestagswahl aufgenommen werden. “Nachdem die immer wieder angekündigte Neuordnung des kommunalen Finanzsystems ausgeblieben ist, formulieren wir diesen offenen Brief nicht als Bittsteller”, heißt es, “unsere Kolleginnen und Kollegen und wir fordern vom Gesetzgeber unser Recht.” Zur Wiederherstellung der kommunalpolitischen Handlungsfähigkeit finanzschwacher Kommunen und der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse müsse auch über einen Solidarfonds zur Tilgung der kommunalen Altschulden diskutiert werden.

Nicht in hundert Jahren zu tilgen Der überwiegende Teil der von den finanzschwachen Kommunen aufgehäuften Schuldenberge sei nicht selbstverschuldet, so der Appell, sondern Folge von jahrzehntelang nicht ausreichend gegenfinanzierten Gesetzen. Zulasten der Kommunen. “Und trotz aller harten eigenen kommunalen Sparmaßnahmen auch in hundert und mehr Jahren ohne Gründung eines Altschuldenfonds von Bund, Ländern und Gemeinden nicht abzutragen.” Man erwarte keine Wunderdinge, sondern die Bereitschaft von Bund und Ländern zur Aufnahme ergebnisoffener Verhandlungen unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände zeitnah nach der Bundestagswahl, so das Schreiben. Möglichst ab Ende 2017 bzw. Anfang

2018. Angesichts der finanzpolitischen Rahmenbedingungen bestehe derzeit ein “vermutlich einmaliges politisches Handlungsfenster”. Wenn nicht jetzt, wann dann? Der Brief ist adressiert an die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der im Deutschen Bundestrag vertretenen Parteien, mehrere Bundesminister und die Ministerpräsidenten der Länder. Unterzeichnet haben ihn die Bündnissprecher der Initiative: Oberbürgermeisterin a. D. Dagmar Mühlenfeld aus Mülheim a. d. Ruhr, Oberbürgermeister Bernhard Matheis aus Pirmasens, Oberbürgermeister der geschäftsführenden Bündnisstadt Mülheim a. d. Ruhr Ulrich Scholten, Kämmerer und Stadtdirektor der Stadt Wuppertal Johannes Slawig sowie der Beigeordnete und Kämmerer der Stadt Ludwigshafen, Dieter Feid.

“Mit höchster politischer Dringlichkeit” Die 69 Kommunen, die etwa neun Millionen Einwohner auf sich vereinen, verkennen nicht, dass Bund und Länder gerade in den letzten Jahren im Sozialbereich einige kommunalfreundliche Hilfen beschlossen haben. Das Grundproblem werde dadurch aber nicht gelöst: Weiterhin stehe vielerorts die Handlungsfähigkeit der Kommunen und damit die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auf dem Spiel, unterstreichen die Kommunalpolitiker “mit höchster politischer Dringlichkeit”.

tiger Zahlungsplan entwickelt werden, mit dem die Länder ab 2020 langfristig die Altschulden tilgen. Der Bund übernimmt im Gegenzug ab 2020 die Zinszahlungen für diese Altschulden der Länder. Zur Finanzierung könnten aus heutiger Sicht sowohl Überschüsse des Bundeshaushaltes oder “freiwerdende” Mittel des Solidaritätszuschlags (aufgrund des abschmelzenden Solidarpaktes II) herangezogen werden. Von einer Vergemeinschaftung der Schulden kann dabei keine Rede sein. Über weitergehende Vorschläge sollte Ländern und Kommunen ein gemeinsamer Zugang zum Kapitalmarkt verschafft werden, damit alle Gebietskörperschaften im Grundsatz mit der gesamtstaatlichen Bonität operieren können. Darauf aufbauend entstand der Vorschlag (Bovenschulte, Hickel und Sieling, 2013), die Kommunen an der solidarischen Fondslösung zu beteiligen. Noch immer bestünde die Möglichkeit, den Fonds aus frei werdenden Mitteln des Solidarpakts II zu finanzieren oder dazu die Überschüsse des Bundeshaushaltes einzusetzen und damit einhergehend die Neuverschuldung der Kommunen zu begrenzen. Die Modelle sind vorhanden, die Notwendigkeit ist offenkundig, wenn gleichwertige Lebensbedingungen in Deutschland als Verfassungspostulat ernst genommen werden sollen. *Bernhard Daldrup ist kommunalpolitischer Sprecher der SPDBundestagsfraktion.

Die Länder stimmten Anfang März einstimmig im Bundesrat einer Grundgesetzänderung zu, um extremistische Parteien in Zukunft von der Parteienfinanzierung auszuschließen. “Eine wehrhafte Demokratie muss es nicht hinnehmen, dass die Grundprinzipien ihrer Verfassung untergraben werden, indem ausgerechnet von denen, die jedes demokratische Grundprinzip ablehnen, das Geld der Steuerzahler kassiert wird”, betonte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius vor der Abstimmung im Bundesrat. Niedersachsen hatte den Antrag in die Länderkammer eingebracht. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas kündigte an, entsprechende Regelungen noch in dieser Legislaturperiode treffen zu wollen. Steuermittel für die NPD seien “staatliche Direktinvestition in rechtsradikale Hetze”, kritisierte der Justizminister. Anfang April legte er zusammen mit Innenminister Thomas de Maizière Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes und weiterer Gesetze vor, um extremistische Parteien von der Parteienfinanzierung ausschließen zu können.

338 Sitze in kommunalen Parlamenten Die Vorstöße aus Bund und Ländern zum Entzug der staatlichen Parteienfinanzierung folgen einem Hinweis des Bundesverfassungsgerichts im Urteil zum NPD-Verbot. Karlsruhe hatte die NPD nicht verboten, ihr aber Verfassungsfeindlichkeit

bescheinigt und wies in seiner mündlichen Urteilsbegründung auf “andere Reaktionsmöglichkeiten” hin, etwa den Entzug der Parteienfinanzierung. Auf Grundlage des Parteiengesetzes bekam die NPD 2015 von Bund und Ländern rund 1,32 Millionen Euro. Der Entzug dieser Gelder würde die NPD allerdings nicht dort treffen, wo sie am stärksten ist, nämlich auf der kommunalen Ebene, so der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). Zurzeit hat die NPD in den Bundesländern 338 Sitze in kommunalen Parlamenten. Diese Mandatsträger und die entsprechenden Fraktionen erhalten finanzielle Leistungen der Städte und Gemeinden. Doch nicht nur diese Gelder will der DStGB streichen, auch ein Entzug der steuerlichen Privilegierung von Spenden an verfassungsfeindliche Parteien gehört zum Maßnahmenkatalog des Kommunalverbandes.

Büdingen scheiterte vor Gericht Die hessische Stadt Büdingen hatte im Januar dieses Jahres einen ersten Vorstoß gewagt und eine Änderung der Entschädigungssatzung beschlossen, wonach Fraktionen aus “Vertretern erkennbar verfassungsfeindlicher Parteien” von der Fraktionsfinanzierung ausgeschlossen wurden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel hat die Satzungsbestimmung der Stadt allerdings wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot

für rechtswidrig erklärt. Doch Büdingen gibt nicht auf. Der Prozess soll nun vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig neu aufgerollt werden.

Annexregelung für Kommunen Mit einem Rechtsgutachten will der Städte- und Gemeindebund daher eine Rechtsgrundlage für derartige Entscheidungen schaffen. Verfasst wurde das Gutachten vom Staatsrechtler Johannes Dietlein, von der Freiherr-von-Stein-Akademie. Er knüpft in seiner gutachterlichen Bewertung an die Gesetzesinitiative des Bundesrates an. Sie will Sanktionen für Parteien einführen, die einzelne Tatbestandsmerkmale des Artikel 21 des Grundgesetztes (Mitwirkung von Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes) nicht erfüllen. Damit wäre ein Ausschluss von Parteien von der staatlichen Teilfinanzierung im Grundsatz möglich, sofern sich diese, auch ohne verboten zu sein, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wenden. Um die kommunale Ebene einzubeziehen, regt Dietlein hierfür ein kommunalrechtliche “Annexregelung” an. Mit ihr soll festgelegt werden, dass die Landesgesetzgeber berechtigt oder sogar verpflichtet werden, kommunale Mandatsträger, Gruppen und Fraktionen, die sich aus Mitgliedern verfassungsfeindlicher Parteien zusammensetzen, von Geld- und Sachleistungen auszunehmen.


Kommunaler Haushalt

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D

ie Liste der Kreditinstitute, die die Strafzinsen für Guthaben verlangen, wird immer länger. Schon im vergangenen Jahr fingen die ersten Geldhäuser an, Verwahrentgelte für hohe Guthaben einzuführen. Als Grund für diesen Trend nennen die Banken die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Inflationsentwicklung in der Eurozone hatte die EZB am 11. Juni 2014 zum ersten Mal einen Negativzins für Zentralbankguthaben europäischer Banken festgelegt. Seitdem müssen Banken und Sparkassen auf das bei der EZB angelegte Geld Negativzinsen zahlen. Dass dieser nun auch an die Kunden weitergegeben wird, findet der Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) nachvollziehbar: “Aufgrund der aktuellen Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank ist es verständlich, dass einige Sparkassen diesen Schritt gegangen sind”, sagte Uwe Zimmermann, Finanzdezernent und stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DStGB.

Guthaben wird umdisponiert “Über zwei Jahre lang hat die Sparkasse Leipzig darauf verzichtet, die negativen Zinsen an ihre Kunden weiterzugeben. Die letzte Zinsentscheidung der EZB vom 16. März 2016 – eine weitere Senkung des Zinssatzes

Ärger über Verwahrentgelte Kommunen suchen Ausweichmöglichkeiten / Bankenverband fordert Erleichterungen (BS/lkm) Immer mehr Banken erheben ein Verwahrentgelt für Guthaben. Privatpersonen sind meistens nicht davon betroffen, aber Kommunen. In der Regel liegt der Freibetrag bei 500.000 Euro. Für Guthaben darüber wird ein Zins von meist 0,4 Prozent fällig. Während einige Kommunen ihrem Geldhaus dennoch treu bleiben, gibt es aber auch Städte, die Alternativen ausloten. auf – 0,4 Prozent p. a. – hat zur Folge, dass auch die Sparkasse Leipzig die Verwahrung von hohen Guthaben nicht mehr preisfrei anbieten kann”, erklärte Barbara Bauer, Sprecherin der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig gegenüber dem Behörden Spiegel. Betroffen seien von der neuen Regelung “nur wenige Hundert gewerbliche und kommunale Kunden”. Ihnen bietet die Sparkasse Leipzig, laut Bauer, Unterstützung und Beratung beim Liquiditätsmanagement an. “Wenn die kritische Grenze erreicht ist, kann man beispielweise die Zahlungsströme anders disponieren”, erklärt die Sprecherin. Die sächsische Kleinstadt Borna ist diesen Weg gegangen. “Durch eine aktive Steuerung der Liquiditätsströme, eine Streuung der Geldmittel sowie entsprechende Anlagestrategien konnte die Zahlung von Negativzinsen allerdings bisher erfolgreich vermieden werden”, erklärt Hans-Robert Scheibe, Pressesprecher der Stadt Borna. Auch in Zukunft werde man darauf achten, dass

Um die Verwahrentgelte bei Banken zu vermeiden, führen einige Kommunen ein ausgeklügeltes Liquiditätsmanagement ein. Andere ziehen einen Wechsel zu einem anderen Finanzinstitut vor. Foto: BS/Tony Hegewald, pixelio.de

das Guthaben bei der Sparkasse nicht 500.000 Euro überschreiten wird. Ähnlich geht man im Landkreis Leipzig vor: “Der Landkreis Leipzig versucht, mit gestaffelten Geldanlagen mit minimalem positivem Zins und einem strengen Liquiditätsmanagement, so lange wie möglich,

Negative Anreize VÖB: Regulierung engt Kreditangebot ein (BS/lkm) Der Beirat für Wirtschaftsfragen des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, warnt in einer aktuellen Studie, dass eine stärkere Regulierung des Bankensystems eine sinkende Investitionstätigkeit der Kommunen zur Folge haben könnte. Dies wäre der Preis für die größere Sicherheit im Bankensystem durch die neuen Regulierungsanforderungen. Ein wesentlicher Bestandteil des Basel-III-Rahmenwerkes und dessen Umsetzung in der EU ist die Einführung einer Verschuldungsquote (der Leverage Ratio). Sie setzt das Eigenkapital einer Bank ins Verhältnis zu den Gesamtengagements des Instituts. Im Gegensatz zu den bisherigen Kapitalanforderungen sind alle Engagements einer Bank unabhängig von deren Risikogehalt vollständig mit Eigenkapital zu unterlegen, was künftig auch für Kredite an Kommunen gilt. “Da Eigenkapital knapp und teuer ist, werden sich die Kreditinstitute tendenziell zu ertragsstarken, aber risikoreicheren Engagements orientieren. Die Leverage Ratio kann somit negative Anreize für risikoarme Finanzierung mit niedrigen Margen wie Kommunalkrediten setzen”, erläutert Prof. Dr. Liane Buchholz, Hauptgeschäftsführerin des VÖB. Die VÖB-Modellrechnung zeigt, dass es aufgrund der An-

Behörden Spiegel / Mai 2017

reizwirkung der Leverage Ratio zu einer deutlichen Reduktion des margenschwachen Kommunalkreditgeschäftes kommen kann. Wie stark dieser Effekt in der Praxis ausfällt, sei schwierig zu bestimmen. Für Kreditinstitute, die die Leverage Ratio nicht erfüllten, bestehe akuter Handlungsbedarf. Dieser dürfte im Aggregat der deutschen Kreditinstitute moderat ausfallen, da nach den Einschätzungen der Bundesbank der Erfüllungsgrad der Leverage Ratio im deutschen Bankensystem hoch ist. Allerdings spreche viel dafür, dass es hier bereits im Vorfeld Anpassungen im Angebot an Kommunalfinanzierungen gegeben habe. Darauf deuten einige Marktentwicklungen, wie etwa das Austrocknen von Finanzierungsangeboten bei langfristigen Laufzeiten, hin. Darüber hinaus bestünden auch bei Erfüllung der Leverage Ratio Anreize zur effizienteren Ausnutzung des Eigenkapitals in Form risi-

kohaltigerer Aktiva. Diese Anreize seien umso höher, je stärker das Bankensystem mit einer generell niedrigen Zinsmarge aufgrund des Niedrigzinsumfeldes betroffen sei. Noch sei eine akute Verknappung oder Verteuerung des Kommunalkredites nicht nachweisbar. Es spreche allerdings viel dafür, dass eine allmähliche Anpassung des Kreditangebotes stattfinden werde. Laut VÖB besteht daher ein politischer Zielkonflikt zwischen der Behebung des öffentlichen Investitionsstaus, nachhaltigen öffentlichen Haushalten sowie einer effizienten Regulierung des Finanzsystems. Da handlungsfähige Kommunen für den gesamten Staat, die Wirtschaft und die Bürger aber ebenso systemrelevant wie die Banken sind, fordert der VÖB, ihre Leistungsfähigkeit gleichberechtigt zu anderen Regulierungsbemühungen in die politische Prioritätensetzung einzubeziehen.

die Zahlung von Negativzinsen zu vermeiden”, erklärt Konstanze Morgenroth, Pressesprecherin des Landkreis Leipzig, gegenüber unserer Zeitung. Bis zum heutigen Zeitpunkt sei es dem Landkreis gelungen, keine Verwahrentgelte zu finanzieren, da er noch Konten bei zwei weiteren Kreditinstituten hat, die – vorerst – keine Negativzinsen auf täglich verfügbare Geldbestände erheben. “An der Festsetzung von Verwahrentgelten durch die Sparkassen ist nicht zu rütteln gewesen. Der Landkreis ist jedoch Kunde bei beiden Sparkassen geblieben”, so Morgenroth.

Abkehr von den Sparkassen Während das Liquiditätsmanagement ein Weg ist, Verwahrentgelte zu umschiffen, entschied man sich in anderen Kämmereien für einen radikaleren Schritt und trennte sich von den Kreditinstituten, die Verwahrentgelte eingeführt haben. So beispielweise im sächsischen Grimma. Dort hat man die Konten bei der Sparkasse Muldental gekündigt. Die steigende Tendenz, zu Geldhäusern zu wechseln, die noch keine Verwahrentgelte verlangen, sei auch einer der Gründe für die Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg gewesen, ebenfalls solche einzuführen: “Wir haben uns lange damit zurückgehalten, die negativen Geldmarktzinsen in Form von Verwahrentgelten an unsere Kunden weiterzugeben. Dann erlebten wir jedoch massive Einlagenzuflüsse, die wir auf Verwahrentgelte, die unsere Wettbewerber eingeführt haben, zurückführen konnten. Diese

Entwicklung, aber auch unsere Ergebnisbelastung durch die “Negativzinsen” sind der Grund, dass die Kreissparkasse zum Februar 2017 Verwahrentgelte bei Kommunalkunden sowie großvolumigen Einlagen von unternehmerischen Kunden einführte”, erklärte Marion Neupert, Sprecherin der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg, gegenüber dem Behörden Spiegel. Die Kreissparkasse zählt mehr als 60 Kommunen zu ihren Kunden. Man stehe zu ihnen “in engem Kontakt”. “Die Kommunen kennen die Thematik daher bereits seit Längerem. Für die Mehrheit unserer kommunalen Geschäftspartner war die Einführung des Verwahrentgeltes ein nachvollziehbarer Schritt”, so Neupert. Aber natürlich hätten auch einige Kommunen ihre Gelder umgeschichtet und auch auf andere Finanzdienstleister verteilt. “Von diesen Plänen wussten wir”, erklärt Neupert.

Sparkassen sind Partner der Kommunen Einer der kommunalen Kunden der Kreissparkasse ist die Stadt Starnberg. Sie verfügt derzeit über Geldbestände in Höhe von insgesamt ca. 23,8 Millionen Euro, von denen bei der Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg nur noch circa acht Millionen Euro verwahrentgeltfrei, aber auch ohne Guthabenverzinsung angelegt werden können. “Für die diesen Freibetrag übersteigenden Geldanlagen würde die Kreissparkasse ein Verwahrentgelt in Höhe von 0,4 Prozent p. a. erheben, weshalb diese seit Februar und bis auf Weiteres bei anderen Banken getätigt wurden, die hierfür noch keine Entgelte erheben”, erklärte Lena Choi, Sprecherin der Stadt Starnberg. Mit dieser Geldanlagepolitik sei es bislang gelungen, die Zahlung von Verwahrentgelten zu vermeiden. Aufgrund der Verwahrentgeltthematik sieht die Haushaltsund Finanzplanung der Stadt Starnberg zudem vor, dass sich der Bestand der allgemeinen Rücklage und damit auch der freien Kassenmittel kurz- bis mittelfristig deutlich reduzieren wird. Man habe auch Gespräche mit der Kreissparkasse geführt. “Diese haben jedoch bedauerlicherweise zu keinem für uns günstigeren Ergebnis geführt”, so Choi. Trotz des Verwahrentgeltes betont Zimmermann vom DStGB,

dass die Sparkassen auch weiterhin Partner der Kommunen seien. Denn anders als bei den Privatbanken seien Kommunen hier nicht von der freiwilligen Einlagensicherung ausgenommen. Anfang April hatte der Bundesverband deutscher Banken eine Reform des freiwilligen Einlagensicherungsfonds beschlossen. Ab Oktober dieses Jahres unterliegen Bund, Länder und Kommunen damit nicht mehr dem Schutz der freiwilligen Einlagensicherung, da sie mit professionellen Anlegern gleichzustellen und damit nicht schutzbedürftig seien. “Diese Entscheidung bedauern wir sehr und können sie auch nicht nachvollziehen”, sagte Zimmermann.

Kollateralschäden begrenzen Aufgrund der steigenden Belastungen durch Negativzinsen meldete sich nun auch der Bankenverband zu Wort und fordert Erleichterungen für Banken. Die erhofften Effekte, die Ankurbelung von Investitionen und privatem Konsum, seinen ausgebleiben. Vielmehr sei die Sparquote der privaten Haushalte unverändert geblieben. Stattdessen würden sich die Negativzinsen auf Geschäftsbanken besonders ungünstig auswirken. Sie würden im Euro-Raum zurzeit jeden Monat eine halbe Milliarde Euro als “Gebühren” beziehungsweise “Liquiditätssteuer” an die EZB zahlen, rechnet der Verband vor. Auf das Jahr hochgerechnet, seien das über sechs Milliarden Euro. Negative Zinsen ließen sich – zumindest in der Breite – kaum an die Kunden weiterreichen. “Die meisten Kunden würden höchst sensibel reagieren und ihre Einlagen von ihren Konten abziehen”, warnte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, Dr. Michael Kemmer. Um die Banken vor den “Kollateralschäden der negativen Notenbankzinsen” zumindest teilweise zu bewahren, sei es sinnvoll, die Überschussliquidität der Banken bei der EZB in einem bestimmten Umfang von den Negativzinsen freizustellen. Die Schweizer Nationalbank und die Bank of Japan würden dieses Instrument schon seit Längerem nutzen. So gewähre die Schweizer Nationalbank ihren Geschäftsbanken beim Negativzins beispielsweise einen Freibetrag in Höhe des 20-Fachen des Mindestreserve-Solls, mindestens jedoch zehn Millionen Schweizer Franken pro Girokontoinhaber (Geschäftsbank). “Bezogen auf die Banken im Eurosystem würde das 20-Fache des MindestreserveSolls derzeit einen Betrag von gut zwei Billionen Euro ergeben”, erläutert Kemmer.

“Forderungsmanagement”

Die vier Säulen der Entlastung von Rechtsanwalt Bernd Krziscik

Ein Inkassounternehmen als Berater der öffentlichen Verwaltung? Kann das angesichts der kontinuierlich steigenden Arbeitsbelastung ein probates Mittel zur Entlastung der Verwaltung sein? Denkbar sind tatsächlich verschiedene Arten der Entlastung.

Entlastung von Unbekanntem Bestimmte Bereiche auszugliedern, da sie woanders effizienter und praktikabler durchgeführt werden, ist auch in der öffentlichen Verwaltung nichts Neues. Gab es früher ei-

Bernd Krziscik (49) ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der KOHL GmbH & Co. KG, www. kohlkg.de. Foto: BS/KOHL GmbH & Co. KG

ne Bargeldkasse, so sind heute bargeldlose Überweisungen auf Bankkonten der Bürger selbstverständlich. Dies spart der öffentlichen Verwaltung Aufwand und Ressourcen. Genauso positiv könnte sich

die Unterstützung durch ein Inkassounternehmen auf die nicht ganz alltäglichen Aufgaben bei der Einforderung von Außenständen auswirken. Mit der Ausgliederung von Prozessschritten wie dem ersten mahnenden Schreiben oder erforderlichen Telefonaten, Gesprächen mit Schuldnerberatungen und Ähnlichem, können wertvolle Ressourcen gespart werden. So kann die öffentliche Verwaltung von ihr unbekannten Ansprachewegen entlastet werden, um sich auf Bekanntes zu konzentrieren.

Auf weitere Handlungsprämissen weisen wir in den Folgeausgaben des Behörden Spiegel hin.



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Stadtwerke / Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Mai 2017

Die Sponsoring-Werkstatt

E-Post-Autos bald auch für Kommunen

Das A und O von Leistung und Gegenleistung

“Wollen Marktführer in der grünen Logistik werden”

(BS/ Jürgen Winterwerp / Hans Jürgen Hartmann*) Oft scheint es, als würden Welten zwischen Behörden und Firmen liegen. Wege der Annährung scheitern oft bereits an einem Glas Orangensaft. Bewegen wir uns etwa schon auf einem schmalen Grat, wenn wir eine Einladung zu einem Wirtschaftsempfang annehmen, den angebotenen Saft oder gar Wein trinken? Vielleicht gebietet es die Höflichkeit, doch zumindest Wasser zur Erfrischung anzunehmen? Womit wir schon fast beim Thema sind. Stadtwerke bieten Leitungswasser von erstaunlich guter Qualität an, oft besser als viel gerühmte Mineralwässer, die mit dem Lastkraftwagen durch halb Europa transportiert werden.

(BS/ein) Die Deutsche Post DHL Group will die Produktion der eigenen Elektrofahrzeugreihe “StreetScooter” bis Ende des Jahres verdoppeln. Der E-Transporter soll ab sofort auch an Dritte verkauft werden.

Grund der Entscheidung seien die große Kundennachfrage sowie der eigene Betrieb in Deutschland und Europa gewesen, teilte der Logistik-Konzern mit. Bis Zielgruppe des Gesponserten. Ende 2017 würden die KapaziStadtwerke setzen auf das geVon herausragender Bedeu- täten deshalb von 10.000 auf bis borene Alleinstellungsmerktung ist, dass beide Zielgrup- zu 20.000 Fahrzeuge verdoppelt. mal des “Heimatversorgers”. pen sowohl qualitativ als auch Dazu will man neben Aachen Aus diesem Gedanken heraus quantitativ übereinstimmen. einen weiteren Produktionsübernimmt auch das Bonner • Sport, Kultur, Soziales standort in Nordrhein-Westfalen Unternehmen “SWB Energie Die Gesponserten kommen in Betrieb nehmen, erklärte das und Wasser” gesellschaftliche häufig aus den Bereichen Unternehmen in Bonn. Verantwortung für Bonn und Sport, Kultur oder Soziales. Zudem verkauft die Deutsche Vor wenigen Wochen hatte die Deutsche Post DHL Group angekündigt, bis die Region Rhein-Sieg. Das GeSo setzt sich die Gruppe von Post DHL Group ihre bislang zum Jahr 2050 alle logistikbezogenen Emissionen auf null zu reduzieren. Nun schäft um Strom und Erdgas Einzelpersonen etwa aus Spit- ausschließlich für den Post- soll die Produktion der eigenen E-Fahrzeuge deutlich ausgeweitet werden. im Zeichen der Energiewende ist zensportlern, Künstlern oder betrieb und Lieferverkehr einhart umkämpft. Es herrscht ein Foto: BS/Deutsche Post DHL Wissenschaftlern zusammen. gesetzten und konzipierten Eintensiver Wettbewerb um KunWerden Gruppen unterstützt, Fahrzeuge ab sofort auch an 2.500 auf 5.000 Fahrzeuge min- Know-how auch anderen zur den und Marktanteile. Arrivierte zählen Mannschaften, Thea- Dritte. Mindestens die Hälfte der destens verdoppeln. Verfügung zu stellen.” Versorger messen sich mit Disterensembles oder Bürgerini- diesjährigen Jahresproduktion “Wir bleiben Motor der Elektrocountern, Preisportale locken tiativen dazu. Organisationen sei für externe Interessenten mobilität und wollen Marktfüh- 2018 ein größerer Verbraucher mit vermeintlichen Transporter schlagen einen Bogen von vorgesehen, heißt es. Kunden rer in der grünen Logistik werRabattschnäppchen. Die persönliche Begegnung ist die Sportverbänden, Theatern sieht man vor allem bei Kom- den”, sagte Brief- und Paketchef Örtliche Unternehmen wie die beste Möglichkeit für erfolgreiches Neben zwei kleineren Varianund Museen bis hin zu Wohl- munen, strategischen Partnern Jürgen Gerdes. “Die große Nach- ten kündigte der Konzern für Stadtwerke können mit der re- Sponsoring. Mitunter bei einem Glas fahrtsverbänden. gionalen Verbundenheit punk- Wasser. und großen Flottenkunden im frage nach dem StreetScooter 2018 einen XL-Transporter an, ten und deutlich machen, dass Foto: BS/Gabi Schoenemann, pixelio.de • Leistung und Gegenleistung In- und europäischen Ausland. und unsere eigenen ehrgeizigen der ebenfalls in den externen Exemplarisch Sport: Der Auch die eigene StreetScooter- Klimaschutzziele haben uns da- Vertrieb gehen soll. Auch die Egesellschaftliches Engagement Sponsor kann einmalig oder Flotte in der Brief- und Paketzu- rin bestärkt, unser Engagement Bikes von StreetScooter und Egroßgeschrieben wird. Daher beleuchtet u. a. folgende Theregelmäßig Geldmittel ein- stellung will das Unternehmen im Bereich der Elektromobilität Trikes können von nun an von sind solche Unternehmen an men: bringen. Aber auch Sachmit- noch in diesem Jahr von aktuell weiter auszubauen und unser Dritten erworben werden. langfristigen Partnerschaften • Klare Regeln. tel wie Sportausrüstung, die mit Dienstleistern, VeranstalAnalyse, Planung, Umsetzung Verpflegung bei Events oder tern und Organisationen, zu und Kontrolle der Maßnaheine Dienstleistung wie etwa denen auch Behörden gehören, men spielen eine übergeorddie Durchführung einer Verinteressiert. nete Rolle, denn im Rahmen anstaltung lassen sich in eine Da hinter allen Einrichtungen des Sponsoring-Prinzips auf Organisationsveränderungen während der Abwicklung öffentlicher Bauprojekte Kooperation einbauen. Auch – zum Glück – Menschen mit Leistung und Gegenleistung die Leistungen des Gespon- (BS/Dipl.-Ing. Thorsten Heidrich*) Öffentliche Bauprojekte erfahren in ihrer Realisierung zwei wesentliche ihren Ideen und ihrem Engagegelten sowohl formell als auch serten können vielfältig sein. Veränderungen / Vergrößerungen im Projektteam. In der “Projektfindungsphase”, also der Entwicklung ment stecken, ist das wichtigsmateriell klare Regeln für eiNeben der Werbung mit Perso- der Bauprojekte, ist überwiegend internes Personal öffentlicher Verwaltungen mit noch wenigen Beratern te Forum für ein erfolgreiches ne systematische Förderung. nen auf Trikots sind am Ver- und Gutachtern, wenn überhaupt, tätig. Die erste wesentliche Veränderung erfolgt mit der Initiierung eines Sponsoring die persönliche BeWeder können Ansprüche anstaltungsort Banden, Ban- Planungsteams. gegnung. Und die beginnt oft auf eine Förderung geltend ner oder Durchsagen möglich. bei einem Empfang mit Sekt und gemacht, noch kann aus wieDie Nutzung von Titeln wie Nicht selten wird dieses vom hin bewertet werden, kann jede eigene Interessen der Baufirmen Orangensaft. derholten Zusagen eine Fort“Offizieller Sponsor” ist eben- Projektmanagement und pla- Unwägbarkeit von Außen ein durchzusetzen. Ein starkes Plaführung des Sponsorings abTipps und Tricks falls eine attraktive Möglich- nungsbeteiligten geleitet werden. Architekten Projekt in Schieflage bringen. nungsteam, welches den Bauvon Praktikern keit. • Im Mittelpunkt steht die und Ingenieuren unterstützt. Dem Projektteam bleibt dann firmen gegenüber geschlossen Das Beste an der Werkstatt In Hochbauprojekten sind dann durch intensive Arbeit an der auftritt und diesen den TeamgeBotschaft. Am Mittwoch, dem 31. Mai Klar, eindeutig und leicht ist jedoch die Chance, dass alle zwischen fünf und 20 neue Be- Schadensbegrenzung wenig Zeit danken vorlebt, ist in der Lage, 2017, fehlt zwar der Sekt, aber verständlich sollte sie sein Teilnehmerinnen und Teilneh- teiligte in das Projektteam zu in- für die eigentliche Projektarbeit, ebensolche Verhaltensweisen Kaffee und Erfrischungsgetränund einen glaubwürdigen mer die Möglichkeit haben, ihre tegrieren. Je klarer und eindeu- obwohl dies gerade zu Beginn zu unterbinden. Je besser man ke stehen zur Verfügung, wenn Bezug haben. Weniger ist oft eigene Projektidee nicht nur auf tiger die Arbeitsergebnisse der (Phase null und Planungspha- die neuen Baubeteiligten in das die “Sponsoring-Werkstatt” des mehr. Da kurzfristiges Spon- Herz und Nieren testen zu las- Projektentwicklung ausgearbei- se) am nötigsten und erfolgver- Projekt und das Team integriert, Behörden Spiegel arbeitet. Dort soring schnell verblasst und sen. Vielmehr wird fleißig gefeilt tet und dokumentiert wurden, sprechendsten wäre. Je besser umso mehr wächst die Wahrgibt es aus Sicht eines Untereine nachlassende Wirkung und bis zur Marktreife gebastelt. umso leichter fällt die Integrati- also die Basis ist, auf die das scheinlichkeit eines gemeinsanehmens und einer Behörde Planungsteam aufbauen kann, men Projekterfolges. Wenn alle auslöst, ist ein langfristiger on der neuen Mitglieder. reichlich Tipps und Tricks rund Weitere Informationen unter Einsatz zwingend, der in die Ein weiterer wesentlicher Bau- desto reibungsloser wird der Beteiligten als Ziel den gemeinum das Thema Sponsoring. Ein vorhandenen Kommunika- www.fuehrungskraefte-forum. stein während dieses frühen weitere Projektablauf vonstat- samen Projekterfolg anvisieren, großes Anliegen ist es den Refewerden in Projekten immer auftionskanäle passt oder diese de, Suchwort Sponsoring-Werk- Prozesses ist besonders hier die tengehen. renten, dafür zu werben, Berühstatt Während der Planungsphase tretende Probleme und Schwieerweitert. sichere und umfassende Anrungsängste abzubauen und auf wendung von Verfahrenswei- bildet sich das innere Projekt- rigkeiten lösbar und führen zu partnerschaftliche Zusammen- • Die Tür schwingt in beide *Jürgen Winterwerp ist Leiter sen des Projektmanagements team bei erfolgreichen Projek- einem engeren Zusammenhalt. Richtungen arbeit zu setzen. Das Seminar Für die Betrachtung der Ziel- Marketing und Kommunikation (Leistungsphase null). Werden ten aus Bauherrnvertretern, soll den Teilnehmerinnen und * Dipl.-Ing. Thorsten Heidrich ist gruppen sind zwei Perspekti- der Stadtwerke Bonn, Energie die Weichen für das Projekt Planungsbeteiligten und dem Teilnehmern Mut machen, sich Hierbei geschäftsführender Gesellschafven erforderlich: Auf der einen und Wasser. Hans Jürgen Hart- richtig gestellt, kann das “Pla- Projektmanagement. erfolgreich für die Durchsetzung Seite die Zielgruppe des Spon- mann ist Referent für Stadtförde- nungsteam” hierauf aufbauend steht das Projekt im Fokus und ter der Bauprojekt Management ihrer Projekte einzusetzen. sors, auf der anderen Seite die rung der Bundesstadt Bonn. schnell zielführende Ergebnisse gemeinsame Ergebnisse werden & Training GmbH. Die “Sponsoring-Werkstatt” liefern und das Projekt konti- kontinuierlich erarbeitet. Je nuierlich und effizient voran- besser die Beteiligten als Team bringen. Fehlentwicklungen in zusammenarbeiten und sich auf der “Leistungsphase Null” (Pro- gemeinsame Ziele hin verstänjektentwicklungsphase) werden digen, desto höher ist die Idenim folgenden Planungs- und tifikation mit dem Projekt und Der Autor thematisiert in Lang geplantes Bioenergiedorf im hessischen Neustadt kommt Bauprozess sichtbar und kön- umso wahrscheinlicher wird der der zweiten Jahreshälfte in vier Seminaren verschiedene (BS/ein) Ein seit 2012 geplantes Bioenergiedorf im Ortsteil Mengsberg der hessischen Gemeinde Neustadt nen nur durch Anpassungen Projekterfolg. Ein weniger entwider Projektbausteine Qualität, ckelter Teamgedanke und eine Aspekte der Vorbereitung und (Landkreis Marburg-Biedenkopf) und der Firma Viessmann soll nun starten. Kosten und Zeit entsprechend geringere Projektidentifikation Durchführung von öffentlichen führen zwar oft noch zu passaDer Heizungsbauer Viess- behoben werden. Bauprojekten: Der erste Spatenstich soll laut der Bauleitplanung, gewährt In der Öffentlichkeit werden blen bzw. guten Planungsergeb6. September 2017 in Bonn: des Ortsvorstehers und Stadt- eine entsprechende Bürgschaft mann wird in den kommenden Von Anfang an in Bauprojekten verordneten Karlheinz Kurz in und veräußert Land für den 18 Monaten ein Nahwärmenetz allerdings gerade diese Anpas- nissen, jedoch werden derartige erfolgreich handeln. wenigen Wochen erfolgen. Noch Bau einer Heizzentrale. “Fast mit einer Länge von knapp sungen immer wieder negativ Projekte in der nachfolgenden 17. Oktober 2017 in Bonn: Prowahrgenommen und schaden Bauphase meist von diesen Verin diesem Jahr will die bereits sechs Millionen Euro werden neun Kilometern installieren. jektmanagement in öffentlichen Die Heizzentrale fußt auf ei- dem Image von öffentlichen säumnissen eingeholt. 2014 gegründete Bioenergiege- in den kommenden beiden JahDie zweite wesentliche VergröBauprojekten. nossenschaft dann 50 Haus- ren investiert”, erklärte Bür- nem Holzhackschnitzelkessel Bauprojekten mit erheblichen halte an eine Nahwärmeversor- germeister Thomas Groll. “Ihr mit einer Leistung von 1,1 Me- Auswirkungen auf die Arbeits- ßerung des Projektteams findet 8. November 2017 in Frankfurt/ Main: Risikomanagement in gung anschließen. Insgesamt habt die Goldmedaille beim gawatt und einem Niedertem- ergebnisse und die Zusammen- in der Ausführungsphase durch das Hinzukommen der Bauunöffentlichen Bauprojekten. haben 138 Anschlussnehmer Bundeswettbewerb nicht nur peratur-Heizkessel auf Basis arbeit des Projektteams. 6. Dezember 2017 in Bonn: Jedes Projekt wird bis zum ternehmen statt. Treten Plazugesagt, künftig ans Netz zu für die Vitrine gewonnen, son- von Bio-Propan als RedunBesprechungswesen in öffentliEnde an den ersten Aussagen nungsteams nicht als geschlosgehen, darunter die Kommune dern geht daran, Eure damali- danzkessel. chen Bauprojekten. Nach Angaben des Unter- zu Qualitäten, Kosten und Ter- sene Einheit gegenüber den Neustadt und der Landkreis gen Ziele umzusetzen. Das ist Weitere Informationen unter der richtige Weg. Euer Dorf hat nehmens soll zudem eine der minen gemessen. Wenn Pro- hinzukommenden Baufirmen Marburg-Biedenkopf. www.fuehrungskraefteforum.de, Die rund 10.000 Einwohner wirklich Zukunft”, sagte Groll deutschlandweit größten So- jekte in dieser wichtigen Phase in der Ausführungsphase auf, Suchwort “Bauprojekte” zählende Stadt Neustadt unter- gegenüber Bürgern und Initia- larthermie-Anlagen zum Ein- nicht gut geplant, bis zum En- werden die Beteiligten mitunter de durchdacht und auf Risiken untereinander ausgespielt, um satz kommen. stützt die Genossenschaft bei toren des Projekts.

Dynamische Entwicklung eines Projektteams

Nahwärme und Solarthermie

Seminare zum Thema


Kommunale Infrastruktur / Abfallwirtschaft

Behörden Spiegel / Mai 2017

Seite 25

Anbindung des “Hinterländles”

Hin zum Kreislaufwirtschaftskoordinator

Landeseinheitstarif / Stundentakt / Metropolexpresszüge / Regiobusse

Chance für Kommunen und kommunale Abfallwirtschaft

(BS/ein) Baden-Württemberg will in den kommenden Jahren alle Kommunen im Land öfter als bislang und mindestens im Stundentakt mit Bussen und Bahnen anbinden. Der ländliche Raum soll damit attraktiver und die Klimaschutzziele im Verkehrsbereich besser erreicht werden, teilte das Landesverkehrsministerium mit. Stundentakt, von frühmorgens bis spätabends, an allen Wochentagen: “Dieses Mobilitätsversprechen wollen wir in den kommenden Jahren schrittweise umsetzen“, erklärte Verkehrsminister Winfried Hermann. “Das hilft, den Stau auf den Straßen abzubauen und bereitet den Weg hin zu einer umweltfreundlichen Mobilität.” Im Schienenpersonennahverkehr sollen neben qualitativen Verbesserungen – neue Züge, WLAN, verbesserte Fahrradmitnahme – ebenso zusätzliche Verbindungen geschaffen werden. Erste neue Metropolexpresszüge würden noch in diesem Jahr starten und den weiteren Großraum Stuttgart mit der Landeshauptstadt verbinden, teilte der Minister mit. Die Taktfahrpläne würden dem

(BS/Henning Wilts*) Die Entstehung von Abfall im Zusammenhang mit Produktions- und Konsummustern wurde in der Vergangenheit als notwendiges Übel akzeptiert. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit wird jedoch mehr und mehr hinterfragt: Die Idee einer Kreislaufwirtschaft zielt darauf ab, eine Welt möglichst ohne Müll, dafür aber mit einem verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen, Wertstoffen, Produkten und entspre- munen nicht durch Einnahmen der Umwelt zu erreichen.

Nachfragepotenzial chend auf einzelnen Strecken verdichtet. Unabhängig davon soll hier auf allen Strecken im ländlichen Raum ein Stundentakt von 5 bis 24 Uhr umgesetzt werden. Weil nicht alle größeren Kommunen an den vorhandenen Schienenstrecken liegen, hat Baden-Württemberg zusätzlich ein Förderprogramm für sogenannte Regiobuslinien aufgelegt. Die Schnellbuslinien sollen dünn besiedelte Landkreise mit dem Schienennetz der Mittelund Unterzentren verknüpfen. “So bringen wir den verlässlichen Takt in die Fläche”, sagte Hermann. Die zehn vorhandenen Linien könnten auf rund 60 Linien aufgestockt werden. Das Land übernimmt hier die Hälfte der Kosten, die in den Kom-

gedeckt werden. Klar sei, dass ein flächendeckender Stundentakt im ländlichen Raum und zu Schwachverkehrszeiten nicht mit dem klassischen Linienbus funktioniere. Daher will man in solchen Fällen auf bedarfsgesteuerte Rufbussysteme setzen. Weiterhin sollen Stadt- und Landkreise mehr Mittel und mehr Gestaltungsmöglichkeiten vom Land erhalten. “Damit schaffen wir eine wesentliche Voraussetzung, um mit unserem Ziel einer ÖPNV-Offensive im Land voranzukommen”, sagte der Minister. Der Baden-Württemberg-Tarif soll es schließlich erlauben, über die Grenzen einzelner Verkehrsverbünde hinaus mit nur einem Fahrschein im Ländle unterwegs zu sein.

10. KOMMUNALE in Nürnberg Zum 10. Jubiläum rückt kommunale IT in den Fokus (BS) Bürgermeister, Behördenchefs und Abteilungsleiter sollten sich den 18. und 19. Oktober 2017 rot im Kalender anstreichen. Dann öffnet im Nürnberger Messezentrum die 10. Kommunale, Deutschlands größte Fachmesse für Kommunalbedarf, ihre Tore. Die Messevorbereitungen sind bereits in vollem Gange. Wichtige Themen 2017: kommunale IT, E-Government, Energiewende, Kommunaltechnik, öffentliche Verwaltung und Stadtplanung. Premiere feiert die Verleihung des Preises “Kommunaler ITProfi”. Der parallel zur Fachmesse stattfindende Kongress des Bayerischen Gemeindetags sowie die Ausstellerfachforen bieten überdies die Möglichkeit, die Diskussion zu speziellen Zukunftsthemen für Städte und Gemeinden zu vertiefen. Über 300 Aussteller und gut 5.000 Besucher aus dem gesamten Bundesgebiet werden erwartet.

Alle wichtigen Segmente des Kommunalbedarfs Bereits seit 1999 findet die Kommunale zweijährig am Messestandort Nürnberg statt und hat sich über die Jahre zur wichtigsten Informations- und Austauschplattform für alle diejenigen entwickelt, die in ihrer Gemeinde Verantwortung tragen. Über 300 Aussteller aus Bereichen wie Bürobedarf, EDV und Kommunikation, Energie oder öffentlicher Raum werden erwartet. “Damit ist die Kommunale groß genug, um alle wichtigen Segmente des Kommunalbedarfs abzubilden”, erklärt Christian Arnold, Abteilungsleiter Partner- und Publikumsveranstaltungen bei der NürnbergMesse. “Gleichzeitig ist sie verteilt auf zwei Messehallen und damit kompakt und übersichtlich. Ein wichtiger Aspekt, wenn eine Veranstaltung neben der gezielten Information vom Austausch zu aktuellen Kommunalthemen lebt.” Den Dialog fördert seit der ersten Kommunale auch der begleitende Kongress, dessen Veranstalter der Bayerische Gemeindetag (BayGT) ist. Er thematisiert Kommunalthemen hauptsächlich aus bayerischer Sicht, jedoch haben zahlreiche Beiträge bundes-

Die 10. Kommunale zeigt auf ihrer Messe nicht nur Fahrzeuge für den kommunalen Bedarf, sondern konzentriert sich im Kongressprogramm in diesem Jahr auch stark auf den IT-Bereich. Foto: BS/NürnbergMesse

weite Relevanz – etwa die Asylthematik. Eines ist sicher: Im Kongress wird auch 2017 wieder Klartext gesprochen, denn die Teilnehmer wissen um die kommunalen Herausforderungen der heutigen Zeit. Sie dürfen sich auf Dutzende Vorträge, Workshops und prominent besetzte Podiumsdiskussionen freuen. Natürlich kommt auch das gemütliche Netzwerken nicht zu kurz.

Neu: Ehrung “Kommunaler IT-Profi” Auch auf der Fachmesse tut sich etwas: “Kommunale IT ist ein wichtiges Thema, das kommunale Entscheider zukünftig immer mehr beschäftigen wird. Die Kommunen investieren zudem verstärkt in IT”, weiß Werner Richthammer, Produktmanager Kommunale bei der NürnbergMesse. Deshalb gibt es auf der Veranstaltung 2017 erstmals die Ehrung “Kommunaler IT-Profi”. Sie soll, so Richthammer, die “heimlichen Helden” der öffentlichen Verwaltungsarbeit in den Fokus stellen: E-Government, Cyber-

Sicherheit, IT-Standardisierung / Interoperabilität, Zusammenarbeit Bund / Länder / Kommunen, aber auch neue IT-Leistungen wie das digitalisierte Asylverfahren oder Servicekonten für Bürger und Unternehmen seien deutschlandweit Dauerthemen. Sich für den Preis bewerben können kommunal Beschäftigte aus Städten und Gemeinden aller Größenordnungen. Bereits zum dritten Mal erfahren IT-Verantwortliche im IT-Talk alles rund um mobile Anwendungen, cloudbasierte Bürgerportale oder Datenschutz und Informationssicherheit im kommunalen Bereich. Generell soll auf der Fachmesse kommunale IT praxisnah gezeigt werden – mit dem Ziel, einen “State of the Art” zu definieren und Fragen wie “Was muss kommunale IT leisten?”, “Was sind sinnvolle bzw. notwendige Add-ons?” und “Welche Lernfelder im Bereich kommunale IT sind noch nicht ausgereift?” zu beantworten.

Dies kann jedoch nur mit einem umfangreichen, ganzheitlichen Konzept erreicht werden, das auf jeder Stufe des Produktlebenszyklus sowohl auf Ebene der Materialien als auch der Energie Ansätze wie Vermeidung, Wiederverwendung und -verwertung sowie Recycling berücksichtigt und bereits am Anfang eine recyclinggerechte Gestaltung der Produkte vorsieht.

Vorreiterrolle erweckt hohe Erwartungen An die Transformation zur Kreislaufwirtschaft sind hohe Erwartungen bezüglich ökologischer und gleichzeitig auch ökonomischer Vorteile gebunden. Immer mehr Studien betonen diese Vorteile auf vier verschiedenen Ebenen: Ressourcennutzung, Umwelt, Wirtschaft, und soziale Vorteile inklusive der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Mit Blick auf die abfallwirtschaftliche Seite der Kreislaufwirtschaft gehört Deutschland seit jeher zu den absoluten Vorreitern. Damit verbunden sind beeindruckende Recyclingquoten für fast alle relevanten Abfallströme, die sich seit Jahren auf einem stabil hohen Niveau befinden. Ein deutlich anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn man den Blick weitet und die tatsächliche Kreislaufführung von Abfällen betrachtet: So hat z. B. die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft untersucht, welche Mengen an Abfällen tatsächlich “als Sekundärwertstoff der Produktion wieder zugeführt werden” und kommt zu einem deutlich ernüchternden Ergebnis von nur 38 Prozent für das Jahr 2013 – zwei Drittel aller Abfälle werden also noch nicht als Ressource genutzt. Dazu passt, dass im Jahr 2010 nur 14 Prozent der in Deutschland eingesetzten Rohstoffe aus Abfällen gewonnen wurden.

Äußerst dynamisches Politikfeld Die Kreislaufwirtschaft hat sich innerhalb kürzester Zeit

zu einem äußerst dynamischen Politikfeld entwickelt, das sich insbesondere durch seinen ausgeprägten Querschnittscharakter mit neuartigen Akteurskonstellationen und thematischen Querbeziehungen auszeichnet. In Deutschland wurde die klassische Abfallwirtschaft stark geprägt durch die Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, auf kommunaler Ebene die Entsorgungssicherheit für alle Restabfälle zu gewährleisten. Hierbei wurde das Abfallaufkommen als gegeben hingenommen und im Vordergrund stand das Ziel, Gefahren für die Umwelt und die menschliche Gesundheit durch Abfälle soweit wie möglich zu reduzieren In der Kreislaufwirtschaft wird sich dieses Aufgabenspektrum deutlich erweitern, insbesondere was die Vermeidung von Abfällen angeht. Die kommunale Abfallwirtschaft kann den Bürgern selbstverständlich nicht vorschreiben, weniger Abfall zu verursachen – sie weiß jedoch besser als jeder andere, wo und welche Abfallmengen anfallen. Solche Informationen werden immer wichtiger, wenn die Abfallvermeidung zu einem tatsächlichen Geschäftsmodell werden soll. Basierend auf der Europäischen Abfallrahmenrichtlinie ist Deutschland zur Erstellung

eines Abfallvermeidungsprogramms verpflichtet, in dem konkrete Maßnahmen und Ziele zur Vermeidung von Abfällen und den damit verbundenen Umweltauswirkungen dargestellt werden sollen. Im im Jahr 2013 veröffentlichten Abfallvermeidungsprogramm des Bundes und der Länder werden die Kommunen als wichtige Akteure benannt, z. B. für die Förderung der Wiederverwendung, für die Sensibilisierung der Haushalte oder speziell die Kommunikation des Themas in Schulen. Viele Kommunen haben hier tatsächlich bereits extrem spannende Projekte auf den Weg gebracht und sich damit beispielsweise an der Europäischen Woche der Abfallvermeidung beteiligt. Im nächsten Schritt wird es jetzt jedoch darum gehen zu überlegen, welche dieser Maßnahmen tatsächlich effektiv zu einer Vermeidung von Abfällen beitragen und mit welchen Ansätzen dabei auch tatsächlich Kosten eingespart werden können. Hier sind innovative Konzepte gefragt, wie sich die Kommunen vom Abfallentsorger hin zum Kreislaufwirtschaftskoordinator entwickeln können. *Henning Wilts ist Leiter des Geschäftsfelds Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

Kongress Zukunft Abfallwirtschaft (BS) Der Behörden Spiegel veranstaltet am 10. Oktober im Maritim Hotel Bonn den Kongress “Zukunft Abfallwirtschaft”. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht die Frage, wie der erfolgreiche Übergang von der Abfall- zur Kreislaufwirtschaft gelingt und vorhandene Ressourcen effizienter genutzt werden können. Die Antwort auf diese Frage ist, gemeinsam mit der Energie- und Mobilitätswende hierzulande, der Schlüssel für die nachhaltige Ausgestaltung von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft. Der Kongress bietet eine Plattform, auf der sich die vielfältigen Akteure dieser Branche treffen und austauschen können. Vertreter aus Kommunen, Stadtwerken, Behörden sowie Unternehmen und Verbänden der Umwelt- und Entsorgungswirtschaft sind eingeladen, aktuelle Themen gemeinsam und praxisorientiert zu erörtern. Weitere Informationen unter www.zukunft-abfallwirtschaft.de

Exakt bemessen, weniger bezahlen Neues System im Südtiroler Brixen wiegt Restmüll während der Entleerung (BS/ein) Bürger der Stadt Brixen in der italienischen Provinz Bozen bezahlen seit Anfang des Jahres den Restmüll nicht mehr pauschal nach Fassungsvermögen ihrer Tonne, sondern nach tatsächlich angefallenem Gewicht. Dies ermöglicht ein neues Wiegesystem, teilten die Stadtwerke Brixen mit. Möglich macht dies ein homologiertes Wiegesystem, mit dem die Müllsammelfahrzeuge ausgestattet sind und das eine italienische Firma aus Vicenza herstellt. Das System kann demnach das Brutto- und Nettogewicht der Tonnen feststellen, ohne den Entleerungsvorgang zu behindern. “Kunden, die ihren Restmüll über die Presscontainer entsorgen, kennen bereits den Vorteil dieser Verrechnungsart: Sie bezahlen seit jeher jene Menge an Müll, die sie tatsächlich entsorgen, erklärt Michele Bellucco, der Leiter der Umweltdienste der Stadtwerke Brixen AG. “Kunden,

Ein neues System verhilft dazu, den Inhalt von Mülltonnen während der Leerung zu wiegen. Foto: Gabi Schoenemann, pixelio.de

die ihren Restmüll klassisch, also über die Tonne entsorgen,

sind jetzt den Kunden mit personalisierter Transponderkarte gleichgestellt.“ Jeder Bürger bezahle nur mehr das effektiv anfallende Gewicht des Restmülls. Der Tarif beträgt 0,3547 Euro pro Kilogramm. Die Konsequenz: Wer wenig Restmüll produziert, zahlt weniger Entsorgungsgebühren. Das neue Verrechnungssystem komme nun flächendeckend zum Einsatz und sei ein weiterer Ansporn, den Restmüll durch eine saubere Trennung von Wertstoffen und Biomüll zu reduzieren, so der Generaldirektor der Brixener Stadtwerke, Wolfgang Plank.


Kommunale Infrastruktur / Breitband

Seite 26

F

ür kommunale Netzbetreiber bis zum bundesweit operierenden Großkonzern: Die neue Plattform soll das Vermarktungspotenzial für Glasfaseranschlüsse erheblich steigern. Stadtwerke und ihre Telekommunikationsgesellschaften könnten ihre Netze künftig besser überregionalen Nachfragern anbieten. Ausdrücklich auch der Deutschen Telekom, erklärte Breko-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers. “So werden kleine Netze groß.”

Breitbandausbau glasfaseriger ausrichten Angebot und Nachfrage bündeln / Schleswig-Holstein vorne / private Anleger investieren

Schleswig-Holstein: Fast 30 Prozent Glasfaser Der Breko wirbt dafür, bis 2025 flächendeckend Glasfasernetze bis in die Gebäude zu verlegen. Dafür sei es wichtig, Kräfte und

Datenströme wachsen und wachsen – sie sind in ihrer Zahl künftig wohl nur noch durch hochleistungsfähige Glasfaserleitungen zu transportieren. Vor allem hierin sehen größere institutionelle Investoren in Deutschland erstmals ein neues Geschäftsfeld. Foto: BS/Einhaus

Finanzmittel stärker zu bündeln, um die Netze möglichst gut auszulasten und wirtschaftlich betreiben zu können. Am weitesten ist man hier in SchleswigHolstein. Während die Glasfaser-Versorgung bundesweit derzeit nur bei etwa sieben Prozent der anschließbaren Haushalte liegt, seien bereits 28 Prozent aller Haushalte im nördlichsten Bundesland ans Glasfasernetz angeschlossen, sagte Landeswirtschaftsminister Reinhard Meyer auf dem 10. Breitbandforum Anfang April in Neumünster. 20 Prozent hätten bereits einen Anschluss gebucht – drei Prozentpunkte mehr als noch im Herbst 2016. “Ich bin sicher, dass wir innerhalb der nächsten drei Jahre bereits eine Versorgungsquote von 50 Prozent haben und bis 2022 sogar zwei Drittel des

MELDUNGEN

Energie, Wasser, Entsorgung: mehr Investitionen (BS/ein) Im Jahr 2015 stiegen die Investitionen in Sachanlagen bei den Unternehmen der Energie-, Wasser- und Entsorgungswirtschaft mit 20 und mehr Beschäftigten um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis vorläufiger Daten weiter mitteilt, stiegen die Investitionen damit das zweite Jahr in Folge (2014: +10,9 Prozent). Das Investitionsvolumen betrug 2015 rund 15,2 Milliarden Euro. Demnach wurden über die Hälfte der Investitionen in der Energie-, Wasser- und Entsorgungswirtschaft 2015 in der Elektrizitätsversorgung (61,6 Prozent) getätigt. Auf die Abwasserentsorgung entfielen 11,8 Prozent und auf die Wasserversorgung 8,9 Prozent. Der Umfang sowie die Entwicklung der Investitionen sind in

den Wirtschaftsbereichen sehr unterschiedlich: Die höchsten Investitionen gab es mit rund 9,4 Milliarden in der Elektrizitätsversorgung (+ 9,6 Prozent), gefolgt von der Abwasserentsorgung mit knapp 1,8 Milliarden Euro (-17,3 Prozent) und der Wasserversorgung mit rund 1,4 Milliarden Euro (-4,6 Prozent). In der Gasversorgung lag das Investitionsvolumen 2015 bei 781 Millionen Euro (+1,4 Prozent), in der Wärme- und Kälteversorgung bei 455 Millionen Euro (-21,1 Prozent). Der Berichtskreis der Erhebung für das Jahr 2015 umfasste mehr Unternehmen als im Vorjahr. Gleichwohl stiegen die durchschnittlichen Investitionen je Unternehmen 2015 um 0,9 Prozent und damit das zweite Jahr in Folge (2014: + 2,8 Prozent), teilte Destatis mit.

Nordfriesland: Schutzgebiete gegen Windkraft (BS/ein) Der Kreis Nordfriesland plant, vier neue Landschaftsschutzgebiete auszuweisen, um diese Räume dauerhaft frei von Windkraftanlagen zu halten. Die Verwaltung hatte bereits im Juli 2016 die sogenannte einstweilige Sicherstellung vollzogen, weil das erforderliche Verfahren viel Zeit in Anspruch nehme, heißt es. Dadurch dürfen in den Landschaftsräumen “Wiedingharder- und Gotteskoog”, “Geest- und Marschlandschaften der Soholmer Au”, “Geest- und Marschlandschaften der Arlau” sowie “OstenfeldSchwabstedter Geest mit vorgelagerter Marsch” zwei Jahre

tanzielle Verbesserung der Telekom- und Kabelnetzwerke”. Die dafür notwendigen Investitionen könnten nicht alleine von den Telekommunikationsunternehmen geleistet werden und böten attraktive Möglichkeiten für institutionelle Investoren.

(BS/Julian Einhaus) Im Juli dieses Jahres soll eine neue Handelsplattform für Glasfaseranschlüsse starten. Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) will auf diesem internetbasierten Portal Anbieter und Nachfrager von Glasfasernetzen effizienter zusammenbringen. Auf der Glasfasermesse des Verbands in Frankfurt/Main wurde außerdem deutlich, dass private Investoren und Banken die Branche nach vielen Jahren Attraktive Renditen offenbar als Investitionsfeld für sich entdecken.

Stadtwerke mischen mit Der Verband vertritt vor allem kleinere Gesellschaften, die Breitbandnetze bauen, teils auch betreiben und mediale Inhalte bieten. Dabei stehen die Unternehmen in Konkurrenz mit der Telekom, haben aber auch viele Schnittstellen mit dem ehemaligen Monopolisten im komplizierten Infrastruktur-, Markt- und Regulierungsgeflecht des deutschen Telekommunikationsnetzes. Zu den Marktteilnehmern gehören mittlerweile auch viele Unternehmen, die zumindest mittelbar in kommunaler Hand liegen und sich oft aus Stadtwerken gründen. Bislang müssen nationale Nachfrager, auch die Telekom, mit zahlreichen dieser regionalen Anbieter individuelle Lösungen erarbeiten, um ihrerseits ein bundesweites EndkundenAngebot bereitstellen zu können. Das Portal soll nun über standardisierte Prozesse und Schnittstellen einen unkomplizierten Zugang zu den hunderten Netzanbietern ermöglichen und allen Marktteilnehmern gleichermaßen offenstehen.

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lang keine Windkraftanlagen errichtet werden. Jetzt werde der Erlass endgültiger Schutzgebietsverordnungen vorbereitet, teilte das Landratsamt in Husum mit. Das Verfahren beginnt mit einer offiziellen Anhörung der Träger öffentlicher Belange. Ein entsprechendes Schreiben sandte der Kreis Anfang April an kommunale, Landes- und Bundesbehörden sowie eine Reihe von Verbänden und Unternehmen. Diese haben nun bis Ende Juni Zeit, Stellung zu nehmen. Spätestens im Frühjahr 2018 sollen die endgültigen Verordnungen dann in Kraft treten.

Landes mit Glasfaser bedienen können.” Die Ziele und bisherige Umsetzung der Breitbandstrategie würden von dem vom Land beauftragten Gutachter-Gremium wie von Unternehmen und Verbänden klar unterstützt, unterstrich Meyer.

5G im Hinterkopf Schleswig-Holstein fährt eine zweigleisige Strategie. Nicht alle Glasfaseranschlüsse werden direkt bis in die Haushalte gebaut, einige führen erst mal bis zu den grauen Kästen am Straßenrand. Auch hiermit zeigte sich Meyer zufrieden. “Mit einer Abdeckungsquote von 73 Prozent belegen wir unter den Flächenländern ebenfalls Platz eins, der Bundesdurchschnitt liegt bei knapp 65 Prozent.” Diese sogenannten VDSL-VectoringAnschlüsse basieren auf den

letzten Metern auf Kupfer und erreichen derzeit eine Bandbreite von bis zu 100 Mbit/s. Die Kapazität von Glasfaseranschlüssen liegt weit darüber. Das soll auch dem künftigen Mobilfunkstandard 5G zugute kommen, der weder Festnetz noch Glasfaserausbau ersetzen kann. “Ganz im Gegenteil benötigt 5G für seine volle Leistungsfähigkeit Glasfaseranschlüsse”, betont Meyer, der davon ausgeht, dass der neue Standard ab 2020 verfügbar sein wird.

Breitbandkompetenzzentrum stärken Um die Ziele des Landes zu erreichen, soll das Breitbandkompetenzzentrum SchleswigHolstein (BKZSH) personell weiter aufgestockt werden. Hierzu stehe man bereits in konstruktiven Verhandlungen mit den

kommunalen Trägerverbänden, so der Minister. Zudem will die Landesregierung ein intelligentes Konzept zur Versorgung der letzten fünf bis zehn Prozent der Haushalte in ihre Förderpolitik integrieren. Die Versorgung von Kleinstgemeinden, abgelegenen Höfen und schwer zugänglichen Orten stellt Bund, Länder und Kommunen bundesweit vor Probleme. Weitere Bausteine der künftigen Breitbandpolitik beinhalteten ein vom BKZSH umzusetzendes Kommunikationskonzept, um die Nachfrage bei den Kunden zu erhöhen sowie den Bau eines landesweiten BackboneNetzes; bis zum Sommer 2017 soll hier eine Machbarkeitsstudie weitere Aufschlüsse geben.

Fonds will bis zu 600 Millionen Euro sammeln Nachdem öffentliche und Förderbanken schon länger in Breitbandprojekte investiert haben, wittern unterdessen offensichtlich erste größere institutionelle Investoren ein neues Geschäftsfeld. So teilte die Bouwfonds Investment Management mit, einen Infrastrukturfonds für institutionelle Investoren aufzulegen. Darin sollen künftig zwischen 500 und 600 Millionen Euro gesammelt werden und in passive Telekommunikationsinfrastruktur fließen, vor allem in Glasfasernetze. Der Fonds sieht eine stark ansteigende Nachfrage nach Kapazitäten für Datenübertragung. Die Nutzung von Internet und Mobilfunk erfordere eine “subs-

“Wir bieten mit dem “Bouwfonds Communication Infrastructure Fund II” institutionellen Investoren in Deutschland zum ersten Mal die Möglichkeit, an dem Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur zu partizipieren“, erklärte Jaap Gillis, Chef der Investitionsgesellschaft. Bis Ende April habe man bei namhaften Versicherungen und Versorgungswerken rund 100 Millionen Euro eingesammelt. Insgesamt soll das Eigenkapital bis zu 300 Millionen Euro betragen und der Fremdfinanzierungsanteil bei 50 Prozent liegen. Institutionelle Investoren können sich ab einer Summe von zehn Millionen Euro am neuen Fonds beteiligen, heißt es. Die Ausschüttungsrendite soll bei 5,5 bis 6,5 Prozent pro Jahr liegen. Der Fonds ist in Luxemburg angesiedelt.

Passive Kabelnetze Der Fokus für Investitionen liege auf regionalen und lokalen Zugangsnetzen “in unterversorgten Gebieten mit ausreichender Größe und Bevölkerungsdichte”. Investiert werden soll hauptsächlich in passive Kabelnetze, in kleinen Teilen auch in die Vermietung und Verpachtung von (aktiven) Sendemasten und Datenzentren. Bouwfonds Investment ManagementistdieManagementgesellschaft für Immobilieninvestitionen der niederländischen Rabo Real Estate Group, einer der größten Immobiliengesellschaften in Europa.

Erstes Teilstück aktiv

Sprechende, fühlende Brücken

Größtes Breitbandprojekt Europas in Nordhessen

RFID-Sensoren für sichere Bauwerke

(BS/ein) In der Gemeinde Knüllwald im Schwalm-Eder-Kreis ist der erste Kabelverzweiger aktiviert und damit das initiale Teilstück der künftigen Backbone-Breitbandinfrastruktur für die Region Nordhessen ans Netz gegangen. Der dortige Breitbandausbau ist das derzeit größte Infrastrukturprojekt dieser Art in Europa.

(BS/ein) Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) will künftig sogenannte RFID-Sensoren (Radio Frequency Identification) dauerhaft in Stahlbetonkomponenten einbetten, um Korrosionsschäden und Sanierungsbedarfe schneller und kostengünstiger ermitteln zu können.

Die Breitband Nordhessen GmbH will bis zum Ende des Jahrzehnts nahezu der gesamten Region (fünf Landkreise) Bandbreiten von bis zu 50 Megabits in der Sekunde zur Verfügung stellen. Es geht um den Anschluss von rund 570 Ortsteilen, deren Versorgung sich für einen gewöhnlichen Netzanbieter wirtschaftlich nicht lohnt. Dafür entsteht ein mehr als 2.000 Kilometer langes Glasfasernetz bis zu den Kabelverzweigern (FTTC) – die hellgrauen Kästen am Straßenrand. Seit Beginn der Bauarbeiten im Spätsommer 2016 wurden über 200 Kilometer Trasse gebaut, heißt es. “Die letzte Meile bis ins Haus läuft das Signal über das vorhandene Kupferkabel“, erklärt Breitband-Geschäftsführerin Kathrin Laurier. Die Verlegung

von Glasfaser bis in jedes Haus (FTTH) hätte mehr als eine Milliarde Euro gekostet. Für das laufende Projekt seien 128 Mio. Euro veranschlagt. Die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen gewähre dafür ein zinsgünstiges Darlehen, für das das Land Hessen bürge, so Laurier. Es handle sich um einen “echten Durchbruch” besonders für die moderne Kommunikationsinfrastruktur der kleineren Orte und Ortsteile in der Region, erklärte Winfried Becker, Landrat des Schwalm-Eder-Kreises und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Breitband Nordhessen GmbH. Der Bürgermeister Knüllwalds, Jörg Müller, sprach von einem Glücksfall für seine Gemeinde und die Nachbarkommunen und freut sich über die Anbindung.

RFID-Sensoren lassen sich drahtlos auslesen. Im Bild: ein Prototyp in einer Stahlbetonschalung. Foto: BS/BAM

Welche Feuchtigkeit, welche Temperaturen herrschen im Stahlbetonbauteil? Wie stark ist der aktuelle Sanierungsbedarf durch Korrosionsschäden? Wichtige Informationen für einen zielgerichteten Ressourceneinsatz rund um Infrastrukturen könnten bald einfacher und zuverlässiger eingeholt werden, teilte die BAM mit.

Aus dem fahrenden Auto messen?

Geben den Startschuss (v.l.n.r): Staatss. Mark Weinmeister, Kathrin Laurier (Breitband Nordhessen), Winfried Becker (Landrat Schwalm-Eder-Kreis), Bürgerm. Jörg Müller, Dr. Michael H. Koch (Landrat Hersfeld-Rotenburg), Eckart Liebelt und Frank Richter (Netcom Kassel). Foto: BS/Breitband Nordhessen GmbH

Durch die RFID-Technologie würden nicht nur Daten, sondern auch Energie übertragen. Der Sensor könne dabei Messdaten ausschließlich mit dem vom Lesegerät erzeugten elektromagnetischen Feld einholen und von außen auslesen.

“RFID-Sensoren messen Werte wie Feuchtigkeit, Temperatur oder Indikatoren für Korrosion und geben diese an ein Handlesegerät des Kontrolleurs weiter”, erklärt Projektleiter Dr. Matthias Bartholmai. “Solche dauerhaft eingebettete Sensorik kann über die gesamte Lebensdauer eines Bauwerks in der Bausubstanz bleiben.” Aufwendige Austauschprozesse der Batterien entfallen. In einem Szenario prüft die BAM auch, ob Messgeräte, die an vorbeifahrenden Autos angebracht sind, die Sensoren auslesen können. So wären Kontrolleure in der Lage, ihre Arbeit ohne Einschränkungen des Straßenverkehrs auszuführen.


Kommunale Ordnung

Behörden Spiegel / Mai 2017

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Mannheim will neue Wege gehen Stadt plant automatisierte Videoüberwachung zur Gefahrenabwehr

MELDUNG

Neues Ingolstädter Sicherheitssystem

(BS/Christian Specht*) Es könnte eine bundesweit relevante Weiterentwicklung hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit durch Videoüberwachung werden. Die Stadt Mannheim plant (BS/mfe) In den öffentlichen aktuell ein Modell, mit dem mehr Sicherheit garantiert werden soll – ohne dabei für mehr Überwachung zu sorgen. Damit greift die zweitgrößte Stadt Baden-Württembergs in Zeiten, Verkehrsmitteln Ingolstadts in denen der Einsatz von Kameras bundesweit intensiv diskutiert wird, ein hochsensibles Thema auf. sorgt ab sofort ein neues auf KaAufgrund der gravierenden Negativentwicklung an Straßenkriminalität, die wir seit zwei Jahren in der Mannheimer Innenstadt beobachten, haben wir uns gemeinsam mit der Landespolizei entschieden, die Videoüberwachung in Mannheim weiterzuentwickeln. Die Installation der Kameras soll nicht nur die objektive Sicherheitslage verbessern, sondern auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger stärken: 70 Prozent haben in einer aktuellen repräsentativen Befragung angegeben, dass sie eine Videoüberwachung in der Innenstadt befürworten. Das ist ein Ergebnis, das uns in unserem Vorhaben absolut bestätigt.

Projekt verfolgt drei Kernziele In der Praxis sollen mit der Videoüberwachung drei wesentliche Ziele erreicht werden. Zum einen sollen die Kameras im Sinne der Vorbeugung zur Abschreckung potenzieller Straftäter dienen. Zum anderen sollen durch das gespeicherte Bildmaterial eine schnelle Identifizierung von Straftätern und eine verlässliche Beweismittelsicherung ermöglicht werden. Darüber hinaus ist beabsichtigt, durch die Live-Übertragung und Beobachtung in Echtzeit im Bedarfsfall ein schnelles und zielgerichtetes Einschreiten durch die Polizei zu gewährleisten: der sogenannte “Mannheimer Weg”.

Nur an Kriminalitätsschwerpunkten erlaubt Eine erneute Installation und Inbetriebnahme von Videokameras kann selbstverständlich nicht ohne Weiteres durchgeführt werden. Laut baden-württembergischem Polizeigesetz müssen die gesetzlichen Vo­ raussetzungen für die Anordnung einer Videoüberwachung vorliegen. Sie besagen, dass die zu überwachenden Örtlichkeiten, jedenfalls in ihren Kernbereichen, eine überproportionale Kriminalitätsbelastung in Hinblick auf die Delikte der

Am Mannheimer Wasserturm gab es in der Vergangenheit Fälle von Vergewaltigung. Nun will die Verwaltung in der Innenstadt intelligente Kameras aufstellen, um Straftaten zu verhindern. Foto: BS/Jurec, pixelio.de

Straßenkriminalität aufzuweisen haben. Das bedeutet, dass ein Kriminalitätsbrennpunkt vorliegen muss. In Mannheim ist diese Voraussetzung in verschiedenen innerstädtischen Bereichen gegeben, wie die Daten der jüngsten Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) belegen.

Vorgehens bestätigt. Jetzt geht es gewissermaßen um einen “Mannheimer Weg 2.0” und um eine Weiterentwicklung durch den Einsatz modernster digitaler Technik. Mit dem geplanten Modell wollen wir eine Rechtsfortentwicklung bewirken, die bis zu einer Änderung des Polizeigesetzes führen kann.

Bereits Erfahrungen gesammelt

Stadt und Polizei kooperieren eng

Anhand unserer eigenen Erfahrungen können wir den Erfolg einer erneuten Videoüberwachung prognostizieren. Seit 2001 hatten wir bereits an vier verschiedenen öffentlichen Bereichen innerhalb des Innenstadtgebiets eine Videoüberwachung durchgeführt. Ende 2007 mussten die meisten Kameras jedoch abgeschaltet werden. Die gesunkenen Kriminalitätszahlen hatten dort eine Überwachung nicht mehr gerechtfertigt. Das war für uns ein großer Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte in einem Grundlagenurteil die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit unseres

Die enge Zusammenarbeit von Stadt und Polizei hat sich in Mannheim in der Vergangenheit immer wieder bewährt, und so kommt sie auch beim Vorhaben der Wiedereinführung einer Videoüberwachung zum Tragen: Gemeinsam mit Polizeipräsident Thomas Köber leite ich seit Jahresanfang eine Projektgruppe, die das Thema Videoüberwachung steuert und weiter vorantreibt. Unser Ziel ist es, anhand neuester Techniken ressourcenschonend zu agieren. Sprich: weniger Einsatz polizeilicher Kapazitäten – und vor allem auch eine geringerer Eingriff in die Grundrechte jedes Ein-

zelnen, der von den Kameras erfasst wird. Hierzu wurde das Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB aus Karlsruhe ins Boot geholt. Es befasst sich bereits seit Jahren intensiv mit modernen, intelligenten Videoauswertungstechnologien und den Themen Bild- und Videoerfassung, -verarbeitung und -auswertung. Auf die aktuellsten Erkenntnisse des Instituts und die daraus resultierenden technischen Perspektiven soll nun auch bei der Mannheimer Videoüberwachung zurückgegriffen werden.

Algorithmen als Grundlage In der Praxis stellt sich dies wie folgt dar: Um den “Mannheimer Weg” beschreiten zu können, müssten die Monitore, auf denen die Kamerabilder im Polizeipräsidium in Echtzeit übertragen werden, permanent überwacht werden. Dies würde einen erheblichen polizeilichen Personaleinsatz erfordern. Als Lösung ist eine sogenannte intelligente, algorithmenbasierte Software in Entwicklung. Sie

soll zunächst Bewegungsmuster, die kritisch oder möglicherweise kriminalitätsrelevant erscheinen, erlernen, um diese später im Echtbetrieb wiederzuerkennen und herauszufiltern. Dabei kann es sich zum Beispiel um Personen handeln, die rennen, hinfallen, schlagen oder treten. Der Polizeibeamte vor dem Monitor erhält sofort einen entsprechenden Hinweis. Dadurch wird er in seiner Arbeit unterstützt und eine Erkennung potenzieller Gefahrensituationen verbessert. Ergänzend werden aktuell neue Anonymisierungstechniken geprüft, sodass mithilfe einer Verfremdung von Personen der Eingriff in die Privatsphäre reduziert wird. So erfährt der Bürger durch die Videoüberwachung eine erhebliche Steigerung der Sicherheit bei gleichzeitiger Reduktion des Grundrechtseingriffs, auf Basis neuester Technologien.

Wohl kein Verdrängungseffekt Die Videoüberwachung soll selbstverständlich nicht flächendeckend erfolgen, sondern nur an den Kriminalitätsbrennpunkten. Dem befürchteten Verdrängungseffekt in die Seitenstraßen will die Mannheimer Polizei mit einer verstärkten Streife begegnen. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich die Präsenz der Beamten, die die Polizei flankierend zur Videoüberwachung einsetzt, bewährt. So konnten wir bereits damals den befürchteten Verdrängungseffekt vermeiden und gehen davon aus, dass wir auch diesmal keine negativen Folgen auf das benachbarte Umfeld erleben. Um die Auswirkungen der Videoüberwachung genau beobachten und auswerten zu können, plant die Stadt zudem eine wissenschaftliche Begleitung des Projekts. Es soll im letzten Quartal dieses Jahres starten. *Christian Specht ist Erster Bürgermeister und Sicherheitsdezernent der Stadt Mannheim.

meras basierendes System für mehr Sicherheit. Dazu hat die städtische Verkehrsgesellschaft INVG an sieben Standorten hochmoderne Geräte installiert. Die Technik wurde nun offiziell in der Leitzentrale der Verkehrsbetriebe in Anwesenheit von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vorgestellt. Er erklärte zu den neuen Kameras: “Die Polizei kann anlassbezogen live auf die Aufnahmen zugreifen, beispielsweise um Gefahren gezielter abzuwehren oder Straftäter besser zu verfolgen.” Und Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel (ebenfalls CSU) ergänzte: “Wieder einmal gestalten wir in Ingolstadt wegweisende technische Innovation. Die Kooperation zwischen INVG und Polizei ist ein wichtiger Baustein in der Gesamtstrategie der Stadt Ingolstadt, bestmögliche Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.” Ressortchef Herrmann nutzte die Indienststellung aber auch, um eine noch intensivere Videoüberwachung im ganzen Freistaat anzukündigen. Er machte klar: “Wir bauen dort die Videoüberwachung aus, wo es zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger notwendig ist.” Zudem zeigte sich der Politiker überzeugt, dass der gezielte Einsatz von Videoüberwachungstechnik die Polizei in ihrer Arbeit entscheidend unterstützen könne. Des Weiteren stärke die Videoüberwachung das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und wirke abschreckend auf potenzielle Täter. Nicht zuletzt deshalb solle künftig in Bayern schwerpunktmäßig insbesondere die dauerhafte stationäre Videoüberwachung der Polizei ausgebaut werden. Derzeit betreibt die Behörde 34 Kameras. “Die Polizeipräsidien sind jetzt aufgefordert, dort, wo es notwendig ist, konkrete Vorschläge zum weiteren Ausbau vorzulegen”, so der Minister. “Wir wollen aber auch die temporäre mobile Videoüberwachung der Polizei verstärken, beispielsweise bei großen Volksfesten oder an Brennpunkten der Rauschgiftkriminalität.”


Kommunale Ordnung

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M

itte März dieses Jahres einigten sich die Bundesländer auf eine Reform des Glücksspieländerungsstaatsvertrages (GlüStV). Dieser Schritt war notwendig geworden, um die durch gerichtliche Entscheidungen entstandene Blockadesituation bei den Sportwetten zu beseitigen. Zudem hatte der Europäische Gerichtshof 2016 kritisiert, dass die derzeitige Rechtslage nicht europarechtskonform sei. Die wichtigsten Neuerungen des aktuellen Reformwerkes sind die Aufhebung der bisherigen Kontingentierung der Sportwettkonzessionen und die Vergabe von 35 vorläufigen Konzessionen zum 1. Januar 2018. “Mit dieser punktuellen Änderung des geltenden Staatsvertrages wird die Regulierung des Sportwettmarktes abgeschlossen und Klarheit für Anbieter und beteiligte Dritte geschaffen”, verkündete Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am 16. März im Anschluss an die Konferenz der Ministerpräsidenten. Doch die EU-Kommission hat die auf den Weg gebrachte Reform des Glücksspielstaatsvertrags in einem vertraulichen Schreiben an die deutschen Behörden wiederholt kritisiert. Die geplante Reform ändere nichts an der grundsätzlichen Kritik aus Brüssel, dass für das Verbot der Online-Casinos und –Poker eine schlüssige Begründung fehle. Zudem werden laut EUKommission die Sportwettanbieter benachteiligt, die nicht zu den 35 Unternehmen gehören, die Anfang 2018 eine vorläufige Lizenz erhalten sollen. Dies sei ein Marktzugangshindernis, das gegen EU-Recht verstoße.

Große Lösung angemahnt Bevor der Glücksspieländerungsstaatsvertrag in den Länderparlamenten ratifiziert werden kann, stehen somit noch einige Überarbeitungen daran an. Prof. Patrick Sensburg, Mitglied des Deutschen Bundestages, zeigte sich auf dem Bundeskongress zum Glückspielwesen

Behörden Spiegel / Mai 2017

Staatsversagen in der Regulierung Glücksspielkontrolle noch mit vielen offenen Punkten (BS/Lora Köstler-Messaoudi) Die Glücksspielregulierung ist ein heikles Thema. In der Politik finden sich nicht viele, die dazu Position beziehen wollen. Für die Verwaltungen vor Ort wird das zum Problem, denn die Umsetzung in der Praxis zeigt, dass die getroffenen Regelungen nicht eindeutig und mitunter auch nicht gerichtsfest sind. Auf dem 2. Bundeskongress zum Glücksspielwesen trafen sich Praktiker aus den Kommunen, Branchenvertreter und politische Entscheidungsträger, um über die Herausforderung der Glücksspielregulierung und mögliche Lösungsansätze zu diskutieren. kritisch, was einen neuen Entwurf betrifft. “Wir diskutieren immer wieder über einen rechtlichen Graubereich”, so Sensburg. Man reguliere den Markt weder mit Blick auf die Einnahmen, noch mit Blick auf die Verbraucher. “Es ist an der Zeit für eine große Lösung”, betonte der Abgeordnete. Man solle nicht weiter im rechtlich Kritischen verharren und Online-Poker in die Regulierung einbeziehen. “Es wäre ein Trauerspiel, wenn wir es bis 2019 nicht hinbekommen.”

spielsweise die Digitalisierung – mit Anpassungen reagieren. “Das ist nicht so schwerfällig, wie das Aushandeln eines Staatsvertrages”, sagte Trochowski.

Intensivere Zusammenarbeit gefordert

Länder sollen endlich handeln

Prof. Bert Rürup, früherer Wirtschaftsweiser, hält den aktuellen Regulierungsansatz im Glücksspielwesen, bei dem unter anderem auf Abstandsregelungen und eine Begrenzung der zulässigen Zahl an Spielgeräten gesetzt wird, für nicht zielführend.

Auch Hessen will den OnlineMarkt regulieren. Das Land formulierte sogar eigens eine Ausstiegsklausel, die in den aktuellen Glücksspieländerungsstaatsvertrag aufgenommen wurde. Sollten die Verhandlungen über das Internetglücksspiel und die Errichtung einer Anstalt des öffentlichen Rechts nicht bis Juni 2019 abgeschlossen sein, kann Hessen den Glücksspielstaatsertrag kündigen. “Am Markt sollen die teilnehmen dürfen, die teilnehmen wollen”, betonte Jürgen Frömmrich, Mitglied des Wiesbadener Landtages. Frömmrich und Sensburg mahnten auf dem Kongress, dass jetzt die Zeit sei, Nägel mit Köpfen zu machen. “Wir sollten das Eisen schmieden, so lange es heiß ist”, meinte Sensburg. Man müsse bei diesem Thema mehr Druck auf die Landeskollegen ausüben und ihnen klarmachen, dass das Glücksspiel kein Thema sei, das einem schaden müsse. “Richtige Regulierung

tut dem Staat und dem Verbraucher gut”, betonte der Bundestagsabgeordnete. Frömmrich sieht einen Grund im Zögern der Länder im Lottomonopol. “Die Länder haben Bedenken, dass Änderungen am Staatsvertrag das Lotto-Monopol gefährden könnten. Sie haben ein hohes Interesse an den Lottoeinnahmen, da diese sozialen Zwecken zugutekommen.” Statt hier zu blockieren sollten die Lotto-Gesellschaften aber die Chancen sehen. Daniela Trochowski, Staatssekretärin der Finanzen des Landes Brandenburg und Vorsitzende des Aufsichtsrats der Land Brandenburg Lotto GmbH, würde die Verantwortung der Länder gern abgeben und die Glückspielregulierung komplett in die Hände des Bundes legen. Ein Staatsvertrag sei nicht das richtige Instrument zur Glückspielregulierung. “Man muss sich immer erst untereinander abstimmen”, so die Staatssekre-

tärin. Besser sei es, wenn man es von der Landes- auf die Bundesebene hebe. Die Glücksspielregulierung wäre damit viel flexibler und man könne schneller auf neue Markttrends – wie bei-

Der Bundestagsabgeordnete Prof. Patrick Sensburg sprach sich dafür aus, bis 2019 auch den Online-Poker-Markt in die Regulierung mit aufzunehmen. Fotos: BS/Giessen

“Diese Haltung macht deutlich, wie groß offensichtlich hier das Problem der Länder ist”, merkte der hessische Abgeordnete Frömmrich an. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass man ein schnelleres Ergebnis erziele, wenn man nun auch noch über eine Verschiebung der Kompetenzen verhandele. Iris Gleicke, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, möchte auch nicht, dass sich der Bund allein um die Glücksspielregulierung kümmert. “Das Thema ist aus meiner Sicht bei den Ländern gut aufgehoben”, betonte Gleicke. Auch würden die Länder das nicht unbedingt hergeben wollen. Sie appellierte an die Bundesländer, hier besser zusammenzuarbeiten. Die staatliche Regulierung im Glücksspielmarkt sei nicht gelungen, konstatierte auch Prof. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes. Dem ehemaligen Wirtschaftsweisen zufolge ist der aktuelle Ansatz, den Glückspielmarkt über Abstandregelungen und die Begrenzung der Spielgeräte regulieren zu wollen, falsch. Hier trete nämlich der “Kobra-Effekt” auf. Die Bezeichnung geht auf ein überliefertes historisches Ereignis in Britisch-Indien zurück: Ein britischer Gouverneur woll-

te einer Kobraplage Einhalt gebieten, indem er ein Kopfgeld auf jedes erlegte Exemplar aussetzte. Scheinbar funktionierte das Konzept zunächst gut: Immer mehr tote Schlangen wurden abgeliefert. Jedoch wurde deren Anzahl nicht gemindert, da die Bevölkerung anfing, Kobras zu züchten und zu töten, um weiterhin die Prämie zu erhalten. Als das Kopfgeld wieder aufgehoben wurde, ließen die Züchter die Tiere frei, da sie keine Verwendung mehr für sie hatten. Dadurch hatte sich dank (indirekter) staatlicher Förderung die Zahl der Kobras vervielfacht. Der Kobra-Effekt ist damit ein Beispiel für eine unbeabsichtigte Fehlsteuerung aufgrund von Ausweichverhalten und einer der von Joseph Stiglitz angeführten Typen von Staatsversagen. Laut Rürup führen auch die Abstandsregelungen und die Reduzierung der Spielgeräte nicht dazu, dass weniger gespielt werde, da es genügend Ausweichmöglichkeiten gebe.

Auch geduldeten Markt regulieren Der nicht-regulierte und der geduldete Glücksspielmarkt müssten endlich reguliert werden. Dieser Bereich sei zwar nicht so groß wie der regulierte Markt, er weise aber die größten Wachstumstendenzen auf, wie eine aktuelle Studie des Handelsblatt Research Institutes zum Glücksspielmarkt feststellte. Bislang, so Rürup, führe die staatliche Regulierung dazu, dass Spieler in den Schwarzmarkt auswichen und legale Betreiber schlechter als illegale gestellt würden. Als Beispiel nannte der Volkswirt hier die hohe Besteuerung und die Werberestriktionen im Glücksspielbereich, von denen illegale Anbieter ausgenommen seien. Man könne den regulierten Bereich nicht dadurch schützen, dass man hohe Auflagen mache. “Die Politik muss hier Anreize setzen, damit der regulierte Bereich attraktiver ist als der illegale”, forderte Rürup.

Qualitätsinitiative 2020 gestartet

Bestimmung unwirksam?

Deutsche Automatenwirtschaft will Neuordnung des Marktes

Mannheimer Gericht verwirft Parkvorschrift

(BS/Georg Stecker) Die Deutsche Automatenwirtschaft steht für das legale Spiel. Jugend-, Spieler- und Verbraucherschutz sind Kernanliegen des (BS/mfe) Richter des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Mannheim halten Dachverbandes, der Spitzenverbände und der darin organisierten mittelständischen, oft familiengeführten Unternehmen. Teile der Straßenverkehrsordnung für unwirksam. Das betrifft eine Bestimmung, die das Parken in schmalen Straßen regelt. Demnach ist und datenspar- gige Zertifizierung und eine dort nicht nur das Parken vor Grundstücksein- und -ausfahrten unterDas Spiel mit kleinem Geldeinsame Möglich- biometrische Zugangserken- sagt, sondern auch auf der ihnen gegenüberliegenden Straßenseite. satz bietet für viele im guten Sinkeit, bundesweit nung umsetzen. Die Deutsche Den Juristen ist der Begriff der schmalen Straße allerdings zu ungenau ne Erholung und Entspannung. einheitliche Zu- Automatenwirtschaft regt die definiert. Spannung und Ablenkung vom stressigen Alltag machen die Attraktivität des Spielens an Geldgewinnspielgeräten aus. Die Deutsche Automatenwirtschaft ist stolz darauf, dass es seit Jahren, trotz enorm veränderten Medienverhaltens, ein sicheres Angebot in Deutschland gibt – und zwar sowohl in den staatlichen Spielbanken als auch in legalen Spielhallen und in der ordentlichen Gastronomieaufstellung. Hier ist ein wichtiger gesellschaftlicher Auftrag zu erfüllen: Die Kanalisierung des menschlichen Spieltriebes in legale und geschützte Bahnen. Immer mehr Unternehmen des gewerblichen Spiels unterziehen sich einer unabhängigen Zertifizierung. Gleichzeitig arbeiten sie seit Langem daran, praktisch, sicher und lückenlos Jugend-, Spieler- und Verbraucherschutz umzusetzen.

Modernste Systeme im Angebot Die Deutsche Automatenwirtschaft ist in der Lage, neue und moderne biometrische Systeme, die deutlich mehr Sicherheit gewährleisten, anzubieten. Diese neuen Lösungen sind die Zukunft des Jugend-, Spieler- und Verbraucherschutzes. Es geht

gangssysteme zu verwirklichen und den JugendGeorg Stecker ist Sprecher schutz durchdes Vorstands der Deutzusetzen. Wenn schen Automatenwirtschaft. die Politik klar Fotos: BS/Automatenwirtschaft entscheidet und zügig Regelungen um Spielerschutz 4.0. Es geht trifft, ist die Deutsche Automaum Innovationen, die auch die tenwirtschaft in der Lage, die kontrollierende Verwaltung und neuen Systeme innerhalb von kurzer Zeit in ganz Deutschland den Vollzug entlasten werden. Die unabhängige Zertifizierung einzuführen. nach klaren gesetzlichen und darüber hinaus gehenden Re- Gesetzgeber ist gefragt geln ist eine Erleichterung für Es muss schnell gesetzlich die Vollzugsorgane und ein Gü- geregelt werden, dass sowohl tesiegel für Verbraucherinnen die Zertifizierung als auch biound Verbraucher. Sie kann als metrische Sperrsysteme für Grundlage für die Vergabe und gewerbliche Anbieter verankert die Prüfung von Lizenzen dienen. werden. Beides sollte zügig und Die biometrische Zugangskont- flächendeckend in Deutschrolle ist eine niedrigschwellige land geschehen! Die Deutsche Automatenwirtschaft wirbt beim Gesetzgeber für eine rasche Umsetzung. Die Deutsche Automatenwirtschaft startet deshalb die Qualitätsinitiative 2020. Ihr Ziel ist, die Neuordnung des Marktes durch klar definierte Qualitätskriterien zu ermöglichen. Damit schafft Mit der Qualitätsoffensive 2020 will man den besten Schutz gegen die Deutsche Automatenwirtschaft ein Abwandern der Spielgäste unter anderem eine unabhängige in nicht kontrollierbare oder Zertifizierung und eine biometrische illegale Bereiche. Außerdem Zugangserkennung realisieren. geht es darum, die unabhän-

gesetzliche Verankerung beider Elemente an.

Qualität muss Kriterium werden Die in Umsetzung befindlichen neuen Gesetze gefährden ihrerseits alle Bemühungen, die in Richtung mehr Prävention und Spielerschutz gehen. In Niedersachsen zum Beispiel entscheidet das Los darüber, welche Spielhalle weiterbetrieben werden darf. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine gut geführte, Jugend- und Spielerschutz lebende Spielhalle zugunsten einer anderen schließen muss, die sich an nichts hält, was mit Verbraucherschutz zu tun hat. Das hat nichts mit Qualität zu tun und konterkariert alles, was der Gesetzgeber bezweckt. Mit der Qualitätsinitiative 2020 fordert die Deutsche Automatenwirtschaft alle Beteiligten zum Umdenken auf. Qualität muss zum Kriterium werden und Zusammenarbeit zum Standard. Jetzt ist die Politik gefragt. Die Deutsche Automatenwirtschaft steht als Partner zur Verfügung. Spieler-, Jugend- und Verbraucherschutz kann nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen.

Es sei nämlich nicht hinreichend klar, was der Gesetzgeber unter diesem Terminus verstehe. Damit könne ein Fahrzeugführer, der in einer schmalen Straße gegenüber einer Grundstücksein- oder -ausfahrt parke, nicht erkennen, ob dies gestattet oder verboten sei. Damit sei die Vorschrift zu unbestimmt oder deshalb in Teilen unwirksam, befanden die Richter. Für Anlieger schmaler Straßen hat das zur Folge, dass sie nicht ohne Weiteres ein Einschreiten der kommunalen Straßenverkehrsbehörde verlangen können. Dies wäre nur noch dann möglich, wenn sie durch parkende Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Straßenseite gehindert oder in erheblichem Maße behindert würden, ihre Grundstückseinund -ausfahrt zu benutzen.

DAV von Entscheidung überrascht Christian Janeczek vom Deutschen Anwaltverein (DAV) überrascht das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist. Das Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV sagte dem Behörden Spiegel: “Über viele Jahre hat sich keine Rechtspre-

chung gezeigt, die ein Problem bei der Bestimmtheit sieht. Auch frühere Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim fanden die Norm ausreichend bestimmbar.” Nun bleibe zunächst noch abzuwarten, wie das Bundesverwaltungsgericht den Fall beurteile. Denn: Gerade in Städten bestehe das Dilemma, das einerseits ausreichend Parkraum knapp sei, andererseits aber weniger Parkbeschränkungen zu Streitigkeiten mit den Anwohnern betroffener Straßen führten. Für den polizeilichen Alltag dürfte das Mannheimer Urteil hingegen nur minimale Auswirkungen haben. So meint Ludwig Laub, Fachgruppenleiter Verkehrswissenschaften an der Hochschule der Polizei BadenWürttemberg: “Unbestimmte Rechtsbegriffe wie “schmale Fahrbahn” werden nach meiner Kenntnis in der Polizeipraxis sehr restriktiv gehandhabt, sodass nur in eindeutigen Fällen eingeschritten wird.” Von der Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), Dr. Müjgan Percin, wiederum hieß es, man sehe das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes kritisch.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Mai 2017

Vom Opt-in zum Opt-out

KNAPP Masterplan digitale Bildung gefordert

Bundestag berät über Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises

(BS/Carsten Köppl) Die Bundesregierung beabsichtigt, ein paar Fehler, die bei der Einführung des neuen Personalausweises (nPA) und der darin enthaltenen eID-Funktion gemacht (BS/ckö) Die Städte fordern die wurden, zu korrigieren. So soll die elektronische Identitätsfunktion des Personalausweises vom Start weg angeschaltet sein. An sich eine unspektakuläre Änderung, wenn die Bun- Länder und den Bund auf, mit desregierung nicht in dem Gesetzentwurf auch noch ein paar andere, nicht mit der eID im Zusammenhang stehende Regelungen untergebracht hätte. ihnen gemeinsam einen MasterBei zwei Drittel, der seit 2010 ausgegebenen Personalausweise ist die eID-Funktion deaktiviert. Die tatsächliche Nutzung dürfte aber noch weit unterhalb dem einen Drittel liegen, dass zumindest die eID-Funktion angeschaltet hat, denn hierfür wird außerdem ein Lesegerät benötigt. Befragungen von 2014 kamen zu dem Ergebnis, dass unter zehn Prozent der Befragten für Behördengänge die elektronische Identität des Ausweises benutzen. Dabei steht der Nutzen der eID-Funktion außer Frage, wie bei einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses zu dem Gesetz deutlich wurde: “Der Staat kann sich nicht auf privatwirtschaftliche Identitäten verlassen”, erläuterte Prof. Dr. Bernd Holznagel von der Universität Münster. “Die Technik ist nach wie vor State-of-the-Art, mir ist keine vergleichbar sichere staatliche eID-Lösung bekannt”, sagte auch Jens Fromm, stellvertretender Vorstand beim Berliner IT-Dienstleister ITDZ. Für Fraunhofer Fokus hatte er die Einführung des nPA eng begleitet. “Auch Firmen wie Apple und Google haben erkannt, dass eine Anmeldung allein über Benutzername und Passwort nicht mehr dem heutigen Sicherheitsstandard genügt und führen Verfahren ein, die auf mehr als einem Authentifizierungsfaktor basieren”, sagte Prof. Dr. Marian Margraf von der Freien Universität Berlin.

Hürde bleibt das Lesegerät Fromm begrüßte den Wechsel von einem Opt-in zu einem Optout bei der eID-Funktion, gab aber auch zu bedenken, dass dies nur ein kleiner Baustein sei. “Wir brauchen vor allem mehr Werbung und die Verwaltungen müssen mehr Anwendungen

werden, ob der Diensteanbieter bei einem Verstoß innerhalb eines Dienstes gleich die gesamte Organisationsberechtigung verliert und somit auch seine anderen Dienste nicht mehr anbieten darf. Hier müsse auf die Rechtsverordnung gewartet werden, so der Tenor.

Lichtbilddatenbank?

Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises wird nicht zu einem sprunghaften Anstieg der Nutzerzahlen der Online-Funktion des Personalausweises führen, da waren sich die Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses einig. Foto: BS/Köppl

anbieten.” Auch Margraf von der Freien Universität Berlin findet die Änderung auf ein Opt-out “nicht kritisch”. Die größte Hürde liege beim Kartenleser, so der Experte. Und für Prof. Dr. Bernd Holznagel liegt der Grundrechtseingriff der Opt-out-Regelung an der “Bagatellgrenze”. Er appellierte eindringlich an die anwesenden Bundestagsabgeordneten, die Identifizierung mittels Mobiltelefon und Fingerabdruck zeitnah umzusetzen, da die Bundesregierung sich nicht dauerhaft von den internationalen Entwicklungen in diesem Bereich abkoppeln könne.

Vereinfachte Akkreditierung? Immerhin habe es bislang keine nennenswerten Entwicklungen von Schadsoftware für die Online-Funktion des Ausweises gegeben, “die geringe Nutzung macht es schlicht unattraktiv für Hacker”, so das nüchterne Urteil von Constanze Kurz, Sachverständige des Chaos Compu-

ter Clubs, bei der Anhörung. Unterschiedlich beurteilten die Sachverständigen eine weitere geplante Änderung: So soll die Akkreditierung und Zertifizierung der Diensteanbieter von einer Ex-Ante-Prüfung auf eine ExPost-Prüfung umgestellt werden und nicht mehr ein Dienstezertifikat, sondern ein Organisationszertifikat ausgegeben werden. Im Gesetzestext heißt es dazu, das viele Diensteanbieter diesen Aufwand scheuen und so von einer Integration der eIDFunktion absehen. Im Klartext heißt das: während derzeit potenzielle Dienstanbieter für die eID-Funktion sich im Vorfeld einem langwierigen Prüfprozess für den jeweiligen Dienst unterziehen mussten, geschieht das nun im Nachhinein und die Berechtigung gilt für die gesamte Organisation, sprich für alle Dienste einer Organisation. Während Fromm und Margraf die neue Regelung grundsätzlich begrüßten, kritisiert Holznagel

die angestrebte Vereinfachung als Scheineffekt: “Die Unternehmen müssen die Standards für Datensicherheit und -schutz selbstverständlich nach wie vor einhalten und gehen dann zusätzlich das Risiko ein, dass sie bei einer Unterschreitung von den Datenschutzbehörden ex-post sanktioniert werden.” Auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit, J.H. Müller, kritisierte in ihrer Stellungnahme: “Um sicherzustellen, dass Diensteanbieter nur die für den jeweiligen Geschäftsprozess erforderlichen Angaben übermittelt bekommen, sollte an der aktuellen Rechtslage festgehalten werden, nach der der antragstellende Diensteanbieter die Erforderlichkeit der aus der eID-Funktion des Personalausweises zu übermittelnden Angaben nachweisen muss und an den jeweiligen Zweck gebunden ist.” Zudem konnte in der Anhörung nicht geklärt

Im Gesetz sind auch andere Regelungen untergebracht, die nicht mit der eID-Funktion im Zusammenhang stehen. Ab dem 1. Mai 2021 soll es den Polizeien des Bundes und der Länder, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Militärischen Abschirmdienst, dem Bundesnachrichtendienst sowie den Verfassungsschutzbehörden der Länder möglich sein, die Lichtbilder der Personalausweise automatisiert abzurufen. Derzeit ist dieses Verfahren noch auf Polizei- und Ordnungsbehörden begrenzt und an die Auflage gebunden, dass das automatisierte Abrufen nur erlaubt ist, wenn die Personalausweisbehörde auf andere Weise nicht erreichbar ist und ein weiteres Abwarten den Ermittlungszweck gefährden würde (Subsidiaritätsklausel). Vor allem der Chaos Computer Club sieht in dieser Änderung einen weiteren Schritt in Richtung automatischer Gesichtserkennung durch Videoüberwachung. Auch Prof. Holznagel empfiehlt das Beibehalten der “Subsidiaritätsklausel”, da nun das automatisierte Verfahren zu einem Standardverfahren erhoben werde. Durch die Vernetzung der Behörden käme es auf diese Weise faktisch zur Einrichtung einer bundesweiten Datenbank, dies sei allerdings im Personalausweisgesetz ausdrücklich verboten.

115: 31 Mio. Bürger angeschlossen (BS/ckö) Rund 500 Kommunen, zwölf Länder und die komplette Bundesverwaltung haben sich dem 115-Verbund bereits angeschlossen, erläuterte Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern sowie IT-Beauftragter der Bundesregierung, auf der 6. Teilnehmerkonferenz der 115 in Köln. Damit können heute schon über 31 Millionen Bürger Antworten zu Fragen an die Verwaltung über die 115 erhalten.

Bayern und Dänen kooperieren (BS/gg) Der Freistaat Bayern und das Königreich Dänemark haben Ende April eine Kooperation in Fragen der IT-Sicherheit und des E-Governments geschlossen. Das Bayerische Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) wird sich zukünftig intensiv mit dem “DKCERT” (Danish Computer Security Incident Response Team), verantwortlich für die Sicherheit staatlicher IT-Infrastrukturen in Dänemark, austauschen.

Münchner

Münchner Cyber Dialog 29. Juni 2017, München

plan “Ausbau digitaler Bildung” zu entwickeln. “Die klassischen Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen müssen um Medienkompetenz ergänzt werden”, erklärte die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse aus Ludwigshafen, anlässlich der Veröffentlichung eines Positionspapieres. Der Masterplan sollte beschreiben, auf welches Niveau die Schulen digitalisiert werden sollen, Verantwortlichkeiten benennen sowie einheitliche Rahmenbedingungen und finanzielle Aspekte klären.

CYBER Dialog

GESTALTETER WANDEL ODER ADMINISTRIERTES CHAOS? Die sichere digitale Transformation in Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft ist entscheidend für die Zukunft des Standortes Deutschland. Gleichzeitig mangelt es oft an entsprechenden, zukunftsorientierten Digitalisierungsstrategien. Seien Sie dabei und diskutieren Sie mit, wenn sich hochrangige Vertreter aus Politik und

REFERENTEN

AUF DEM KONGRESS U.A.

Staatsminister Dr. Marcel Huber MdL, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Sonderaufgaben

Verwaltung, der Industrie und IT-Unternehmen zum Münchner Cyber Dialog 2017 treffen.

Peter Batt Abteilungsleiter Informationstechnik, Digitale Gesellschaft und Cybersicherheit; IT-Direktor, Bundesministerium des Innern

Univ.-Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek Direktorin des Forschungszentrums CODE, Universität der Bundeswehr München

Carsten Heitmann Vice President IT-Security Governance, Robert Bosch GmbH

www.muenchner-cyber-dialog.de

Veranstalter

Partner:


Organisation & Management

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Reibungsloser Übergang

B

ehörden Spiegel: Das ITZBund gibt es nun beinahe anderthalb Jahre. Wo lagen in der Anfangszeit die großen Herausforderungen?

Göhring: Vor der Gründung am 1. Januar 2016 hatten wir nur einen knappen Vorlauf von etwas mehr als einem halben Jahr. Ziel war es hierbei, zunächst mehr als eine Türschildlösung zu schaffen und den Übergang so zu gestalten, dass es die Kunden nicht spüren und die Produktionssysteme und Verfahren reibungslos weiterlaufen. Dies ist uns meines Erachtens gut gelungen. In der Zwischenzeit haben wir aber auch begonnen, zu konsolidieren sowie dabei vermehrt auf standardisierte ITPlattformen zu setzen und modernere Verfahren zu etablieren.

IT-Konsolidierung Bund geht voran (BS) Am 1. Januar 2016 hat das neu gegründete Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) seinen Betrieb aufgenommen. Die drei bisherigen IT-Dienstleistungszentren der Bundesministerien der Finanzen (BMF), für Inneres und Sport (BMI) und für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) wurden dazu zusammengeführt. Langfristiges Ziel ist die Konsolidierung des größten Teils der Rechenzentren aller Ressorts. 16 Monate nach Gründung zieht Hans-Georg Göhring, Direktor des ITZBund, im Interview mit dem Behörden Spiegel Bilanz. Mit R. Uwe Proll sprach er über Umstrukturierungen, die Zusammenarbeit mit Kunden und anderen IT-Dienstleistern sowie über Personalgewinnung.

Behörden Spiegel / Mai 2017

der früheren IT-Dienstleister des Bundes dort, wo es jetzt Produktionsstätten gibt, eine Zentralisierung mit Blick auf die Hauptstandorte des ITZBund geben? Göhring: Ja, es gibt ein virtuelles logisches Rechenzentrum, das auf drei regionale Produktionsstandorte im Rhein-MainGebiet, im Köln-Bonner-Raum und im Großraum Berlin verteilt sein wird. Diese drei Produktionsstätten sind nicht nur mit Hochgeschwindigkeitstrassen untereinander verbunden, sondern darüber gibt es im Prinzip zwei Steuerzentralen. Eine Steuerzentrale sitzt in Frankfurt und eine in Bonn. Falls die Zentrale in Frankfurt ausfallen sollte, aus welchen Gründen auch immer, kann Bonn übernehmen. Das heißt, die Daten, die in Bonn produziert werden, können – je nach Bedarf – in Frankfurt gesichert werden und vice versa. Demnächst, wenn das neue Rechenzentrum in Berlin hochgefahren ist, werden wir sogar notfalls von Berlin aus übernehmen können. Genau da sehen wir unseren Anspruch: Unseren Kunden bedarfsgerecht hochverfügbare, georedundant ausgelegte Produktionsstätten anzubieten.

Wir entwickeln und betreiben persönlichen Sicht zum Beispiel gen des BSI genügen, dann könauch Verfahren für die Länder. Vorteile im Bereich dezentraler nen wir die betroffene Schicht Zum Beispiel ist das Abzugsver- Services und der Backbone- durch eine andere ersetzen. Das fahren für die Kirchensteuer von Infrastruktur, weil sie in der Flä- gibt die modulare Struktur her. uns für die Länder entwickelt che etwas besser aufgestellt ist. worden und wird durch uns be- So hat jeder seine Schwerpunkte Behörden Spiegel: Aktuell und wir werden uns innerhalb wird diskutiert, über die allgetrieben. In Zusammenarbeit mit dem dieses Jahres auch einigen, so- meine Bundescloud noch einmal Land NRW haben wir die elek- dass nicht immer jeder jeden eine Hochsicherheits-Cloud zum tronische Lohnsteuerkarte ent- Service selbst erbringen muss. Beispiel für VerfassungsschutzDafür existiert ein sogenann- behörden zu legen. Aufseiten wickelt und stellen im Verbund mit der Steuerverwaltung der ter Anbieterbeirat unter Leitung der Kommunen und der Länder Länder sicher, dass Bürger und des ITZBund, dem auch weitere wird auch darüber nachgedacht, Arbeitgeber über ELSTER die IT Dienstleister wie das schon Cloud-Angebote vom freien Markt Behörden Spiegel: Wie weit ist Daten abrufen können. Auch e r w ä h n t e zu nehmen. in dieser Zeit die Umorganisation die Steueridentifikationsnum- IT-System- “Unser Anspruch ist es, hoch- So wird es vorangeschritten? der mer wird von uns zentral bereit- haus verfügbare, georedundant am Ende des Tages Göhring: Am 1. Januar 2017, Hans-Georg Göhring war seit 2009 Di- gestellt und das von uns ent- B u n d e s ausgelegte Produktionsstät- hybride Foralso nach einem Jahr, haben wir rektor des ZIVIT. Seit 1. Januar 2016 wickelte Beihilfeverfahren wird a g e n t u r ten anzubieten.” z. B. von einigen Kunden au- für Arbeit, men geben bereits die geplante Zielorgani- ist er Direktor des ITZBund. ßerhalb der Bundesverwaltung n a t ü r l i c h müssen, um sationsstruktur eingenommen. Foto: BS/ITZBund die BWI, aber auch die IT der die Zusammenarbeit zu ermöggenutzt. Dabei ist im ITZBund organisaDeutschen Rentenversicherung lichen. Sehen Sie darin eine Hetorisch im Grunde kein Stein auf re Abteilung mit derzeit rund Behörden Spiegel: Es gibt Bund, die Auslands-IT des Aus- rausforderung besonderer Art? dem anderen geblieben. Unsere 180 Personen vergrößert. Das Kernkompetenzen in der Verfah- Kompetenzzentrum für Per- noch einen weiteren IT-Dienst- wärtigen Amtes, das BeschafGöhring: Eigentlich nicht. Morensentwicklung haben wir in sonalverwaltungssysteme (K- leister des Bundes, die BWI IT fungsamt im Geschäftsbereich mehreren Bereichen gebündelt, PVS) betreibt ein einheitliches GmbH, die bislang insbesondere des BMI in seiner Funktion als mentan bauen wir eine geschlosBehörden Spiegel: Für den auch um Effizienzgewinne aus Personalverwaltungssystem in die nicht-militärische IT der Bun- zentrale IT-Beschaffungsstelle sene, sichere Bundescloud für den Vorgängerorganisationen der Bundesverwaltung, welches deswehr betreibt. Wie funktio- (ZIB) sowie Netze des Bundes die Bundesbehörden. Ob das Öffentlichen Dienst insgesamt bereits in vielen Bereichen im niert die Arbeitsteilung zwischen angehören. später eine Hybrid-Cloud wird, und gerade bei IT-Fachkräften zu realisieren. Am besten, Sie fragen die BWI ob wir Erweiterungen machen, gestaltet sich die NachwuchsgeITZBund und BWI? In einem Bereich, der soge- Einsatz ist. natürlich selber, wo sie ihre das wird die Zukunft zeigen. Das winnung im Moment schwierig. Die Technologie basiert auf nannte Basis- und fachliche Göhring: Ich war vor einigen Schwerpunkte sieht und hat. geschlossene System für den Machen Sie sich Sorgen darum, Querschnittsdienste anbietet, SAP-Modulen mit behördenspeBund, das wir jetzt bauen, ist dass Sie zukünftig noch ausreisind zukünftig alle Ressorts zifischen Ergänzungen. Sie wird Jahren daran mitbeteiligt, die Behörden Spiegel: Ein direk- auch nicht für Hochsicherheits- chend Bewerber bekommen? kontinuier- BWI zu gründen. Daher kenne und Behörden unsere “Ziel war es, den Übergang lich fachlich ich auch deren Aufgaben noch ter Wettbewerb zwischen BWI verfahren gedacht. Wenn AnGöhring: Qualifiziertes Persor w e i t e r t relativ gut, da diese vertraglich und ITZBund beim Kunden wird wendungen als Cloudverfahren potenzielso zu gestalten, dass es die eund sukzes- festgelegt waren. Die Arbeits- also vermieden? angeboten werden sollen, die be- nal zu bekommen, ist natürlich len Kunden. Kunden nicht spüren.” siv weiteren teilung läuft derzeit auf einer sondere Anforderungen an Ge- eine Herausforderung. Aber echAls Beispiel Göhring: Der ist auch nicht heimhaltung erfüllen müssen, te Sorgen mache ich mir nicht. B e h ö r d e n sehr guten operativen Ebene. seien hier Das heißt, wir stimmen uns ak- gewollt. Wer welche Behörde mi- dann wird es mit Sicherheit eine Wir bilden inzwischen mit einem das Social Intranet, die E-Akte zur Verfügung gestellt. Auch die Bundescloud nimmt tuell ab, inwieweit wir bei den griert, wird nicht von uns festge- zweite Technologie geben, die ei- dualen Studium selber Verwalund das Personalverwaltungssystem genannt. In einem zwei- langsam Formen an. Der Pilotbe- technischen Services Schwer- legt, sondern wie schon erwähnt nen besonderen Schutz zur Ver- tungsinformatiker aus. Letztes ten Bereich entwickeln wir große trieb wird derzeit aufgenommen punkte bilden können, um auf durch die Gesamtprojektleitung fügung stellen kann. Das ist aber Jahr hatten wir 24 Plätze, dieindividuelle Fachverfahren auf und die ersten Services aus der diese Weise Effizienzgewinne zu im Bundesministerium des In- derzeit nicht der Anspruch, der ses Jahr sind es 36, nächstes Wunsch für unsere Kunden und Cloud werden pilotiert. Sofern realisieren, um unseren Kun- nern. Der Plan für 2018 wird an die durch uns bereitzustel- Jahr 48. Dieses Jahr hatten wir übernehmen deren Pflege. Auch diese Pilotierung erfolgreich ver- den möglichst wirtschaftliche aktuell erarbeitet. Für 2017 wis- lende Bundescloud gestellt wird. knapp 200 Bewerbungen. Ich glaube, das ist ein ganz gutes hier setzen wir, soweit möglich, läuft, wird mit der Bereitstellung Services anbieten zu können. sen wir, was wir migrieren solBehörden Spiegel: Wenn im Verhältnis. auf verfahrensspezifische Soft- von Cloud-Services für die ge- Dies tun wir im Übrigen auch len. Diese Projekte laufen auch Am Standort Ilmenau kann ware-Plattformen, die wir, wenn samte Bundesverwaltung noch bereits erfolgreich mit anderen schon. Unter anderem ist dies freien Markt eine Leistung nicht es nichts vergleichbares am dieses Jahr begonnen. Dies gilt IT-Anbietern wie zum Beispiel das Bundesamt für Kartogra- so erbracht wurde, wie es verein- in enger Kooperation mit der gleichfalls für den Bundesclient. dem IT-Systemhaus der Bun- phie und Geodäsie (BKG). Diese bart war, würde es Abstriche bei Hochschule Gera-Eisenach ein Markt gibt, selbst entwickeln. Migrationsprojekte sind mit dem der Gegenleistung geben. Wie ist dreijähriges duales Studium in desagentur für Arbeit. Vorgelagert sind spezialisierte Nichtsdestotrotz werden wir Ziel gestartet, noch in diesem in dieser Hinsicht das Verhältnis den Studiengängen Praktische Behörden Spiegel: Mit welExperten-Pools, die UnterstütWirtschaftsinforzungsleistungen für unsere chen Kunden konnten Sie bereits natürlich beide als sog. “Full- Jahr zum Großteil umgesetzt zu zwischen ITZBund und dessen Informatik, Service-Provider” den Behörden werden. Die Pilotierung des sog. Kunden geregelt? matik oder Informations- und Kunden liefern, z. B. für Pro- Erfahrungen sammeln? unsere Dienstleistungen anbie- Bundesclients soll Mitte 2017 Kommunikationstechnologie jektleitung, Projektassistenz, Göhring: Aktuell bedienen wir ten. Die Steuerung darüber ob- beginnen. Göhring: Auch Firmen halten absolviert werden. Der andere Anforderungsmanagement, primär die Bestandskunden, die liegt der Gesamtprojektleitung ab und zu ihre Vereinbarungen Punkt ist der, dass wir trotz der Qualitätssicherung usw. Behörden Spiegel: Über Bun- nicht ein. Das erleben wir als Fusion eine Kündigungsquote Zudem haben wir die Betriebs- die Gründungsressorts BMF, für die IT-Konsolidierung Bund descloud und Bundesclient ITZBund leidvoll tagtäglich. Es von unter fünf Prozent haben. bereiche aus den ehemaligen IT- BMI und BMVI eingebracht im BMI. wird viel diskutiert, was Sicher- wird immer so getan, als würde Dies schaffen andere IT-KonzerDienstleistern BIT, DLZ-IT BMVI haben. Was den Kundenkreis Behörden Spiegel: Was sind heitsaspekte angeht. Wie kann der Öffentliche Dienst schlech- ne nicht. Darauf sind wir ein und ZIVIT konsolidiert und ge- angeht, hatten wir 2016 insbebündelt. Die Schnittstellen zu sondere mit dem Bundesamt denn Schwerpunkte von ITZ- man dort dem natürlichen Span- tere Leistungen erbringen als Stück weit stolz. nungsverhältnis zwischen den die Industrie. Ich glaube, wenn den internen und externen Ver- für Migration und Flüchtlinge Bund und BWI? Notwendigkeiten einer Konso- wir uns einem Realvergleich mit Behörden Spiegel: Worauf fühfahrensverantwortlichen wur- (BAMF) einen wichtigen Kunden, Göhring: Unsere Schwerpunk- lidierung und den Ansprüchen der Industrie stellen würden, ren Sie das zurück? den standardisiert, unabhängig, dem wir die gesamte technische ob wir als ITZBund die Verfahren Infrastruktur zur Abwicklung te sind klar definiert. Eine un- an herausragende Sicherheit auch was Zuverlässigkeit anGöhring: Der Hintergrund entwickeln und pflegen oder ob der Flüchtlingskrise zur Verfü- serer Kernkompetenzen ist die begegnen? geht, würden wir gut dastehen. Entwicklung und Pflege großer dies der Kunde selbst macht und gung gestellt haben. Grundsätzlich sind wir dabei, ist einfach der, dass wir den Göhring: Erstens ist aus mei- Rahmenvereinbarungen Wir sind es im Übrigen schon zentraler Fachverfahren für diese nur bei uns betreiben bzw. mit Menschen innerhalb des ITZlange gewohnt, auch für Dritte unsere Kunden und natürlich ner Sicht eine 100-prozentige den Ressorts abzuschließen. Bund, wenn sie sich räumlich auch warten lässt. Zum 1. Januar 2017 wurde zu arbeiten, also nicht nur für auch deren Betrieb. Neben den Sicherheit nicht erreichbar und Mit dem Bundesministerium oder auch inhaltlich verändern wollen, das ITZBund um eine weite- Bundesbehörden und Ressorts. Fachverfahren entwickeln und zweitens kostet Sicherheit viel des Innern “Echte Sorgen, qualifiziertes a u f g r u n d betreiben wir im Auftrag des Geld. Wenn man versucht, eine (BMI) haben BMI, welches für die Dienste- annähernd 100-prozentige Si- wir unserer bereits Personal zu bekommen, konsolidierung im Bund zustän- cherheit zu erreichen, wird es so eine RahGröße und mache ich mir nicht.” dig ist, auch Basisdienste und auch sehr viel Geld kosten und menvereinaufgrund Querschnittsverfahren für alle zudem wächst der Personalbe- barung abunserer Ressorts. darf entsprechend. Da muss geschlossen. Unterhalb dieser Aufgabenvielfalt immer eine in(BS) Das InformationstechEine weitere Kernkompetenz man einen Kompromiss finden. Rahmenvereinbarungen wer- teressante Möglichkeit bieten nikzentrum Bund (ITZBund) ist der Betrieb Wir arbeiten den Detailvereinbarungen und können. Denn ich kann eine ist zum 1. Januar 2016 aus der Verfah- “Ich glaube, in einem Real- hierbei kon- SLAs abgeschlossen. Datenbank, die physikalisch der Zusammenlegung der ren, auch der drei bisherigen Bundes-ITvergleich mit der Industrie struktiv mit Das funktioniert ganz gut, in Frankfurt ist, auf Grundlaunserer Kundem BSI zu- obwohl wir eben nicht regress- ge der modernen Technik loDienstleister – dem Zentrum den, in hoch- würden wir gut dastehen.” sammen. pflichtig gemacht werden kön- cker auch von Ilmenau oder für Informationsverarbeiverfügbaren, Der Bun- nen. Und wenn Sie mir diese Hamburg aus betreuen und tung und Informationstechsicheren und skalierbaren Re- desclient wird – wie bereits er- Bemerkung erlauben, die befinde mich dabei weiterhin nik (ZIVIT), der Bundesanchenzentren im Rhein-Main Ge- wähnt – ab Mitte des Jahres schlimmste Form des Regres- im logischen Rechenzentrum stalt für IT-Dienstleistungen biet, im Großraum Köln-Bonn pilotiert. Dieser ist modular ses ist aus meiner Sicht immer des ITZBund. Wir machen im(DLZ-IT BMVI) und der Bunund im Großraum Berlin, die aufgebaut und er kann in der noch, wenn sich zwei Ressorts mer wieder die Erfahrung, dass desstelle für Informationstechnik (BIT) – hervorgegangen. Mit gemeinsam ein “virtuelles Groß- laufenden Pilotierung noch ver- auf ministerieller Ebene unter- den Menschen manchmal die zwölf Dienstsitzen im Bundesgebiet und 2.700 Beschäftigten ist Rechenzentrum” bilden. Der ändert werden Das heißt, einzel- halten müssen, weil die IT nicht Aufgabe und ihre Umgebung das ITZBund einer der größten IT-Dienstleister für die öffentliche Betrieb wird rund um die Uhr ne Module sind bei Bedarf auch läuft. Ich glaube, das ist manch- wichtiger ist, als einige Euro Verwaltung. überwacht. Ein qualifizierter austauschbar. Sollten wir also mal wirkungsvoller, als sich im Monat mehr zu verdienen. Das ITZBund betreut 84.000 IT-Arbeitsplätze direkt und hat Service-Desk steht unseren ca. feststellen, dass wir in irgend- langwierig mit Rechtsanwälten Deswegen konnten wir in letzinsgesamt rund eine Millionen Nutzer aus Verwaltung und In1 Million Nutzern/-innen an einer der Schichten, zum Bei- von Firmen zu unterhalten. ter Zeit auch Menschen aus der dustrie. Es bietet ca. 750 IT-Lösungen an. Seit dem 1. Januar 365 Tagen ebenfalls unterbre- spiel in der Managementschicht Industrie gewinnen, die einen 2017 gehört auch das Kompetenzzentrum für Personalverwalchungsfrei zur Verfügung. Behörden Spiegel: Wird es Gehaltseinschnitt beim Wechsel oder in der Applikation-Layertungssysteme im Bund zum ITZBund. Die BWI dagegen hat aus meiner Schicht, nicht den Anforderun- nach der Zusammenführung hingenommen haben.

Einer der größten IT-Dienstleister


Organisation & Management

Behörden Spiegel / Mai 2017

B

ehörden Spiegel: Die ZIB hat Anfang des Jahres ihre Arbeit aufgenommen. Was sind die konkreten Aufgaben? Settekorn: Kurz gesagt: Die Beschaffung der Informationsund Kommunikationstechnik für die gesamte unmittelbare Bundesverwaltung. Durch die neue Zentralstelle IT-Beschaffung (ZIB) und die Bündelung der IT-Beschaffung kommt dem Beschaffungsamt eine bedeutende Rolle bei der IT-Konsolidierung des Bundes zu. So gilt es, vor dem Hintergrund der ohnehin steigenden Komplexität bei IT-Ausschreibungen weitere Anforderungen zu beachten. Dazu gehören die Bewertung der Bündelungsfähigkeit (Effizienzpotenziale) und Wirtschaftlichkeit ebenso wie die Kundenzufriedenheit bei einem bundes-/ ressortweiten Kundenkreis, der eine unterbrechungsfreie und anforderungsgerechte Bedarfsdeckung benötigt. Das Ganze wird beeinflusst durch Fragen der Architekturkonformität, Standardisierungsbestrebungen und kurzen Innovationszyklen. Daran richtet sich die Arbeit der ZIB aus. Infolgedessen wird in der ZIB u. a. das Vertragsmanagement, also die Bereiche Vertragsverwaltung, Vertragscontrolling und Vertragsstörungen, weiter ausgebaut. Auch die Möglichkeit, IT-Systeme aus “Bausteinen” zusammensetzen zu können, wird künftig korrespondierend auf die Vertragslandschaft übertragen: 2018 werden Rahmenverträge einer neuen Generation angeboten, beispielsweise für die Softwareentwicklung und den IT-Betrieb. Damit wird eine deutlich höhere Flexibilität für die Bedarfsträger erreicht, denn sie können die für ihre IT-Landschaft notwendigen Bausteine aus verschiedenen Rahmenverträgen auswählen. Für Wirtschaftsteilnehmerinnen und -teilnehmer gewährleistet die ZIB einen vorausschauend planbaren Zugang zu öffentlichen Vergabeverfahren. Hierzu sind bereits Maßnahmen ergriffen worden, wie die Implementierung der sogenannten Rahmenvertrags-Roadmap. Sie wird monatlich fortgeschrieben und als nachvollziehbares und zielführendes Planungswerkzeug sowohl bei den Bedarfsträgern als auch bei den Wirtschaftsteilnehmerinnen und -teilnehmern begrüßt. Durch eine strukturierte und fortlaufende Marktbeobachtung wer-

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Für mehr Effizienz und Flexibilität Die neue Zentralstelle für IT-Beschaffung im Beschaffungsamt (BS) Seit Jahresbeginn übernimmt die neu eingerichtete Zentralstelle für IT-Beschaffung (ZIB) beim Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern die Ausschreibung von IT-Rahmenverträgen für die unmittelbare Bundesverwaltung. Über Aufgaben, Angebote und Ziele der ZIB sprach der Behörden Spiegel mit Dr. Birgit Settekorn, Direktorin des Beschaffungsamtes des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen stellte Guido Gehrt. das Potenzial der Zentralisierung für Ihren Verantwortungsbereich näher beziffern?

den außerdem Innovationen der IT-Branche frühzeitig erkannt und aufgegriffen. Zudem ist eine spezielle Kundenhotline eingerichtet worden. Mittelfristig werden die Maßnahmen um Elemente wie IT-Thementage oder eine Einzelvertrags-Roadmap ergänzt. Behörden Spiegel: Was war ausschlaggebend für die Entscheidung, die ZIB als zusätzliche Abteilung im BeschA zu verorten? Settekorn: Unser hohes technisches Fachwissen gepaart mit Dr. Birgit Settekorn ist seit Juli 2013 dem vergaberechtlichen Kön- Direktorin des Beschaffungsamtes nen! Das Beschaffungsamt ist des Bundesministeriums des Innern. die zivile technische BeschafFoto: BS/Beschaffungsamt fungsbehörde im Bund. Wir bieten als “Vollsortimenter” bereits vergrößern.Vorrangiges Ziel in alle Produktgruppen an und diesem Jahr ist es, mit der Aussind damit die ideale Ausgangs- schreibung von Rahmenverträbasis, um Beschaffungen im gen eine unterbrechungsfreie hochdynamischen und komple- Bedarfsdeckung zu gewährleisxen IKT-Umfeld für die gesamte ten – zur vollen Zufriedenheit der unmittelbare Bundesverwal- Bedarfsträger. 2018 sollen nach tung durchzuführen. Durch die dem Inkrafttreten des Haushohe technische Fachexpertise haltsgesetzes planbare IT-Einin unserem Haus sind wir in der zelvergaben mit Auftragswerten Lage, einen Dialog auf Bits- und ab dem EU-Schwellenwert, der Bytes-Ebene auf Augenhöhe mit derzeit für Liefer- und Dienstden IT-Dienstleistern des Bun- leistungsaufträge bei 135.000 des zu führen und diese in der Euro liegt, folgen. Darüber hinfachlichen Lösungsfindung ab- aus ist vorgesehen, ab Juli 2018 gestimmt auf das Marktumfeld auch IT-Einzelvergaben unterzu unterstützen. Gleichzeitig halb dieses Wertes durch die ZIB können wir auch die anderen durchführen zu lassen – basierend auf individuellen VereinbaBehörden kompetent beraten. rungen mit den Ressorts. Wir werden in der ZIB die verBehörden Spiegel: Wie ist der Werkzeuge aktuelle Stand des Aufbaus der gaberechtlichen umfassend nutzen und beiOrganisation? spielsweise dynamische BeSettekorn: Derzeit gehören zur schaffungssysteme einführen ZIB das Grundsatzreferat ZIB oder wettbewerbliche Dialoge 11 und das Referat ZIB 12 als mit erfolgsabhängigen Meilenoperativ tätige Einheit, drei wei- steinen durchführen, um die tere operative Referate befinden Bedürfnisse der Bedarfsträger sich im Aufbau. Um alle Zeit-, besser abbilden zu können. Im Qualitäts- und Kostenziele zu rechtlich zulässigen Maß soll erreichen, haben wir eine ma- bei geeigneten Verfahren die Lötrixartige Referatsstruktur ge- sungsentwicklung schon in das wählt, die alle notwendigen in- Vergabeverfahren vorverlagert terdisziplinären Kompetenzen werden. Durch Prämien oder in einem Referat bündelt, sodass Zahlungen an die Teilnehmer von Anfang an immer ein schlag- am wettbewerblichen Dialog kräftiges Team bereitsteht. Im können interessierte MarktteilLaufe der nächsten zwei Jahre nehmerinnen und -teilnehmer wird sich die ZIB mit der Über- motiviert werden, sich an dem nahme von IT-Einzelvergaben Verfahren zu beteiligen. Behörden Spiegel: Lässt sich personell entsprechend weiter

tung, bei denen Wirtschaftsteilnehmerinnen und -teilnehmer aktuelle Themen diskutieren können.

Settekorn: Durch die BeschafBehörden Spiegel: Mittelstänfungsbündelung sollen bis Ende 2018 insgesamt 90 Prozent dische Anbieter haben mit Blick der konsolidierungsrelevanten auf die IT-Konsolidierung die IT-Beschaffungen der unmittel- Sorge, bei Ausschreibungen zubaren Bundesverwaltung über künftig strukturell benachteiligt wenige zentrale Beschaffungs- zu sein. Kann die ZIB dazu beistellen abgewickelt werden. tragen, diese Befürchtungen zu Das Synergiepotential, das in zerstreuen? der Zentralisierung der IKTSettekorn: Ja, denn zu den Beschaffung steckt, wurde im Rahmen des Berichtes zur Wirt- Aufgaben des oben bereits erGrundsatzreferats schaftlichkeit der IT-Konsolidie- wähnten rung des Bundes aufgezeigt: Wir ZIB11 gehören neben dem Kungehen davon aus, dass sich die denmanagement insbesondere Anzahl der Rahmenverträge ver- die strategischen Vorgaben für die operatidoppelt und ven Beschafdie Anzahl der “Wir gehen davon aus, fungsreferaEinzelverträge halbiert. Das dass sich die Anzahl der te. Hier wird bedeutet auf Rahmenverträge verdop- auch der erste Rahmen geDauer weniger pelt und die Anzahl der setzt, um die Beschaffungsverfahren und Einzelverträge halbiert.” E i n b i n d u n g kleinerer und weniger Promittelständizesskosten. Bei der Bündelung vieler Ein- scher Unternehmen (KMU) zu zelvergaben zu einem Rahmen- sichern: Durch geeignete Vorgavertrag ist auch von günstigeren ben sollen die Belange der KMU Preisen für die Bundesverwal- besonders berücksichtigt werden. Dazu gehören die eben ertung auszugehen. wähnten IT-Thementage sowie Behörden Spiegel: Über wel- die Rahmenvertrags- und die che Kanäle ist die ZIB sowohl geplante Einzelvertrags-Roadfür Behörden als auch für die map, aber auch die Nutzung des dynamischen BeschaffungssysWirtschaft ansprechbar? tems. Sie sollen vor allem dazu Settekorn: Zum einen über dienen, KMU die realistische die zentrale Hotline mit der Ruf- Chance zu geben, an Verganummer 022899/610-3535, ben des Bundes zu partizipieüber die sowohl Behörden als ren. Auch jetzt schon können auch Wirtschaftsteilnehmerin- sich KMU durch Beobachtung nen und -teilnehmer Kontakt der Rahmenvertrags-Roadmap aufnehmen können. Die zentra- frühzeitig über kommende Ausle E-Mail-Adresse zib@bescha. schreibungen informieren und bund.de wurde ebenfalls zu die- entsprechend darauf vorbereisem Zweck eingerichtet. ten, indem sie sich zum BeiEin weiterer Kanal ist die spiel zu Bietergemeinschaften Rahmenvertrags-Roadmap. zusammenschließen. Sie stellt monatlich aktualisiert den Stand der laufenden Behörden Spiegel: Welche Rolbzw. geplanten Ausschreibun- le spielt das E-Beschaffungsporgen von Rahmenverträgen dar. tal in der ZIB-Strategie? Diese Informationen dienen der Transparenz, einer belastbaren Settekorn: Eine wichtige! Im Planung sowie Chancengleich- E-Beschaffungsportal sind die heit der Marktteilnehmerinnen Informationen zur elektroniund -teilnehmer. Geplant sind schen Beschaffung in einem außerdem Thementage als ein zentralen Online-Portal zu finBestandteil der Marktbeobach- den. Es wird vom Beschaffungs-

amt seit Jahresanfang bereitgestellt auf www.e-beschaffung. bund.de. Die ZIB nutzt das E-Beschaffungsportal zur Veröffentlichung der Rahmenvertrags-Roadmap sowie den folgenden Vergabeverfahren. Die Freischaltung eines Bedarfserhebungstools, welches das Melden von Bedarfen der Behörden und das Erstellen von Erhebungen noch einfacher für alle Beteiligten macht, steht zudem kurz bevor. Der Querschnittsdienst EBeschaffung soll den Beschaffungsprozess medienbruchfrei elektronisch abbilden. Dazu gehört auch mit der Weiterentwicklung des Kaufhauses des Bundes ein unkomplizierter und vollelektronischer Abruf der Leistungen aus Rahmenverträgen. Behörden Spiegel: Eine große Herausforderung dürfte sicherlich die Personalgewinnung sein. Welches Personal brauchen Sie und woher soll es kommen? Settekorn: In der Hauptsache brauchen wir für den weiteren Ausbau natürlich ITFachkräfte und IT-nahe Fachkräfte. Deshalb suchen wir derzeit unbefristet mehrere technische Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter sowie Referentinnen und Referenten. Ein (Fach-)Hochschulstudium mit hohem technischem Anteil ist für diese Profile Pflicht. Wir schreiben aber auch Stellen für nicht-technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit praktischen Erfahrungen und/oder einer Affinität im Bereich der Informations- oder Kommunikationstechnik aus. Die Personalgewinnung gestaltet sich in der Tat als Herausforderung, wir sind schließlich nicht die einzige Behörde und erst recht nicht die einzige Organisation, die derzeit IT-Fachkräfte einstellen möchte. Wir werben sowohl an Hochschulen als auch bei potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern mit mehrjähriger Berufserfahrung. Wir machen aufmerksam auf die Vorteile einer unbefristeten Stelle im Öffentlichen Dienst und suchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich über den IT-Tellerrand hinaus auch mit Vergaberecht, Marktbeobachtung und der Beratung von Bedarfsträgern beschäftigen möchten und die den Charakter einer sich im Aufbau befindenden Organisationseinheit schätzen.

11. Juli 2017 in Stuttgart

Baden-Württemberg 4.0 Der Staat als Treiber digitaler Innovationen

Der neue Kongress wird die Erarbeitung und Umsetzung der Digitalisierungsstrategie digital@bw fortan begleiten und zusätzliche Impulse setzen – natürlich insbesondere mit dem Fokus auf die öffentliche Verwaltung und die digitale Transformation in den Behörden des Landes und der Kommunen. Schirmherr:

Referenten u.a.: Thomas Strobl, Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg

Eine Veranstaltung des

Stefan Krebs, CIO/CDO des Landes Baden-Württemberg

››› www.bw-4-0.de ‹‹‹

Gunter Czisch, Oberbürgermeister der Stadt Ulm

in Zusammenarbeit mit


Organisation & Management

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I

n beinahe allen Branchen steht die digitale Transformation seit einigen Jahren auf der Agenda. Dort werden Meinungen zum Einfluss der Digitalisierung auf die eigenen Märkte, Prozesse und auf die Gesellschaft gebildet. Daraus entstehen Strategien und Projekte, um notwendige Innovationen voranzutreiben und die eigene Marktposition zu behaupten bzw. verbessern. Die öffentliche Verwaltung hat einen weniger innovativen Ruf. Hier steht die Ausführung gesetzlicher Vorgaben im Vordergrund. Sie entstehen meistens aus politischen und rechtlichen Diskussionen und werden in größeren Abständen verabschiedet. Die organisatorische und prozessuale Umsetzung dieser Vorgaben verläuft ähnlich, besonders dann, wenn sie der Ausschreibungspflicht unterliegt. Auf der anderen Seite können aktuelle Ereignisse die Politik stark beeinflussen, was in recht schnell verfassten und verabschiedeten Gesetzen ohne die inhaltlichen Umsetzungsvorgaben für die Verwaltung mündet. Der daraus entstehende Umsetzungsdruck führt dazu, dass Fehler in der Durchführung entstehen können. Dennoch peitscht der Veränderungsdruck die Wellen der Digitalisierung zur Brandung auf und diese bricht zunehmend über das unvorbereitete Verwaltungsgeschehen herein. Um diesem Druck zu begegnen, hat die Politik entsprechende Papiere verfasst und Forderungen aufgestellt, welche die Verwaltung zur benötigten Modernisierung zwingen sollen, z. B. “Digitale Verwaltung 2020” der Bundesregierung.

Schlüsseleinsatzbereiche der Transformation In der Verwaltung ist noch einiges zu tun. Es müssen Prioritäten gesetzt werden, um zu entscheiden, wo sich der Aufwand lohnt, um die knappen Ressourcen effektiver – d. h. am Vorteilhaftesten – einzusetzen. Diese Schwerpunkte können in drei strategische Schlüsseleinsatzbereiche zusammengefasst werden: 1. Verbesserte Bearbeitung von Bürgeranliegen Bürgerinnen und Bürger (bzw. auch andere Partner) haben an vielen Schnittstellen Kontakt zur Verwaltung. Viele Vorgänge werden gemäß gesetzlicher Vorgaben “diskriminierungsfrei”

Behörden Spiegel / Mai 2017

Digitale Transformation Die Verwaltung im Wandel (BS/Carl Major) Eine heute Zwanzigjährige geht selbstverständlich davon aus, dass sie sämtliche Aufgaben mit dem Smartphone erledigen kann – ob einkaufen, sich verabreden, Geld überweisen oder nach einer Busverbindung suchen. Diese Erwartungshaltung erstreckt sich auf alle Interaktionen im täglichen Leben – privat, beruflich und (zunehmend) auch mit Behörden. Über “Chat” oder Mail will sie die Verwaltung kontaktieren – sie ist nicht mehr bereit, auf anderem Weg zu kommunizieren oder die Behörde persönlich aufzusuchen. Alle Informationen müssen schnell und mobil bereitstehen, nicht erst eingeholt werden. So ist für sie ihr digitaler Alltag. gestaltet, was zwar gerecht, aber dennoch unpersönlich ist. Im Konsumverhalten hat sich die Gesellschaft jedoch daran gewöhnt, personifizierte Angebote zu erhalten. Effizienz- bzw. Produktivitätssteigerung bei der Bearbeitung von Anliegen erhöht schließlich die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger, wenn sie schnell, kompetent und transparent bedient werden. Die schnelle, präzise Verfügbarkeit relevanter Informationen an den Kontaktstellen (z. B. bürgernahe Kundenzentren) fördert die übergreifende Stimmigkeit der Angebote bzw. Dienste der Stadtverwaltung. Moderne Selbstbedienungsmöglichkeiten können ergänzt werden, um Bearbeitungskapazitäten bei hohen Fallzahlen / zu Stoßzeiten besser zu managen. Können Standardtransaktionen beispielsweise online erledigt werden, entlastet dies die Spezialisten vor Ort und sie haben mehr Zeit für die komplexeren Aufgaben. 2. Operative Prozessoptimierung Verbesserungen im Zusammenspiel mit den Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern bringen zwar die sichtbarsten Vorteile, Fortschritte bei der internen Prozessdigitalisierung wirken sich aber auch günstig auf die Effizienz im Verwaltungsapparat aus. Überall dort, wo Abläufe digitalisiert bzw. automatisiert werden können, werden Kapazitäten frei für Innovation und Wertschöpfung, sowohl im Rahmen gesetzlicher Vorgaben als auch bei der Förderung von neuen, “papierlosen” Ideen. Mobile Kommunikationskanäle und Geräte können flexibel eingesetzt werden, um die Zusammenarbeit vollständig ortsunabhängig zu gestalten. Die Verfügbarkeit von Wissen stärkt die Schaffenskraft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sie jederzeit auf Informationen und Fachkenntnisse zu Einzelthemen zurückgreifen

– Bürgerinnen und Bürger sind damit in der Lage, zu erfahren, Carl Major ist IT-Stratege wo sich ihr Anim Direktorium Hauptabliegen gerade beteilung III (IT-Strategie / ITfindet und wann Steuerung und IT-Controlsie mit der Fertigling) der Landeshauptstadt stellung rechnen München. Foto: BS/privat können. Denkbar ist auch, dass Bearbeitungszeiten können. Sie sind damit in der mit ihnen vereinbart werden. In Kombination mit dem PrinLage, selbständiger zu agieren zip der Mitarbeiterbefähigung (“Befähigung und Befugnis”). Ein qualitativ hohes Maß an und -befugnis (s. o.) führt die stets aktuellem Wissen ist auch daraus entstehende Transpaeine gute Entscheidungsgrund- renz digitaler Vorgänge zu einer lage für Führungskräfte: Sie Art “digitaler Globalisierung”. schafft die notwendige Trans- Direkt am Ort des Geschehens parenz, um ein mittel- und lang- – online, im Bürgerbüro oder fristiges Ergebnismanagement in der bearbeitenden Einheit – effektiv zu betreiben, Vorgän- können Entscheidungen durch ge zu verfolgen und über ihren die Dienststelle getroffen werFortschritt zu berichten (z. B. ge- den (bei komplexen Sachverhalgenüber der Bürgerschaft oder ten) oder automatisiert erfolgen dem Stadtrat). Wenn außer- (bei den Standardvorgängen, dem die Mitarbeiterinnen und wenn alle Voraussetzungen erMitarbeiter z. B. ihre An- und füllt sind), anstatt auf GenehAbwesenheiten digital erfassen migungen, Bewilligungen oder können, wird die Ressourcen- Verfügungen von der Behörde planung erleichtert und flexible zu warten (“Verantwortung am Arbeitsmodelle werden ermög- durchführenden Standort”). licht. 4. Digitale Fähigkeiten Die Schlüsselbereiche werden 3. Innovative durch einen vierten, z. T. techniGeschäftsmodelle Im ersten Schritt vieler Digitali- schen Bereich unterstützt bzw. sierungsprogramme wird häufig erst ermöglicht: Digitale Fähigdas bestehende Geschäft modi- keiten. Sie sind fundamental fiziert bzw. in eine digitale Hülle für die verbesserte Bearbeitung “verpackt” (z. B. Online-Shop für von Bürgeranliegen, operative Informationsmaterial). Beschei- Prozessoptimierung und innode können durch elektronische vativen Geschäftsmodelle. Ohne Downloads ersetzt oder die elek- den Aufbau und die Bereitsteltronische Bezahlung (“E-Pay- lung einer digitalen Basisinframent”) angeboten werden. Statt struktur werden alle erhofften Briefpost sind Kommunikati- Fortschritte sonst ausbleiben. Insbesondere Organisationen onswege zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern mit geteilten Ablaufstrukturen über eigens eingerichtete Bür- brauchen vereinheitlichte Daten und Prozesse, um Vorgänge gerkonten im Entstehen. In weiter fortgeschritteneren übergreifend zu verarbeiten. In Umgebungen feuert die Digita- manchen Fällen ist eine zentlisierung die Innovation an, da- rale Datenhaltung die geeignete mit neue “Produkte” entwickelt Lösung, in der alle relevanten bereitgestellt werden können, die das beste- Informationen hende Geschäft ergänzen oder werden. In anderen können die das Dienstleistungsangebot Daten verteilt liegen, wobei eierweitern. Die Online-Status- ne Erreichbarkeit aus anderen verfolgung ist hier ein Beispiel Dienststellen, je nach Bedarf

und Berechtigung, gewährleistet sein muss. Informationsmanagement und analytische Werkzeuge müssen kombiniert werden, um Erkenntnisse aus Daten gewinnen zu können. Diese werden verwendet, um bestehende Prozesse zu optimieren, Synergien zu schaffen und Prognosen anzustellen: Verschiedene Szenarien können durchgespielt und passende Vorhaben priorisiert werden, damit Planungen für die Zukunft präziser vorbereitet werden können. Lösungen müssen dabei in ausreichender Qualität und Verfügbarkeit bereitstehen. Die zunehmende Technikabhängigkeit der Prozesse erfordert ein hohes Vertrauen, dass die digitalen Services erreichbar sind. Sie müssen den gestellten Anforderungen zweckmäßig und wirtschaftlich entsprechen. Die Lösungsfindung muss daher partnerschaftlich zwischen Business und (Informations-) Technik erfolgen, um den Rahmen der Machbarkeit nicht zu sprengen. Mehr als in allen anderen Veränderungsprozessen erfordert die digitale Transformation eine starke Integration. Solide Beziehungen zwischen Fachbereichen – untereinander und zur (Informations-)Technik – sind förderlich für die flexible Umsetzung digital-basierter Vorhaben. Ist die Beziehung jedoch angespannt, entstehen in den Einheiten komplexe IT-Architekturen, nicht-integrierte Daten und Prozesse oder nichtkonforme Lösungen und die Veränderung wird behindert.

Schlussfolgerung Es besteht definitiv Nachholbedarf – nur: Wie soll das geschehen? Eine Reihe von elektronischen Vorhaben reicht noch lange nicht, um die Digitalisierung der Verwaltung zu gestalten. Die Vorgaben der Politik basieren auf bestehenden Verfahren, die im Grunde elektrifiziert werden sollen – man digitalisiert also fast unverän-

dert die papiergebundene Vergangenheit. Untersuchungen in der Wirtschaft – etwa des MIT Centers for Digital Business – haben unterschiedliche Ausprägungen der Digitalisierung identifiziert. Die Verteilung des digitalen Reifegrads ist uneinheitlich – manche sind schneller als andere. Die erfolgreichen Bespiele haben jedoch einige kulturelle Gemeinsamkeiten, aus denen die Verwaltung einiges für die eigenen Ansätze lernen kann. Die bislang erfolgreichsten digitalen Transformationen weisen folgende Merkmale auf: • Der Wandel wird von oben vorangetrieben – eine überzeugende Vision wird mit entsprechendem Engagement kommuniziert und vertreten. • Der Organisationswandel wird initiiert, um Vorteile aus den technologischen Möglichkeiten ziehen zu können. • Die strukturierte Steuerung und transparente Bemessung der Umsetzung wird als Managementprozess eingerichtet und nachhaltig vollzogen. • Der menschliche Faktor (“die Kultur”) wird vorrangig behandelt – die Technologie wird dabei kreativ genutzt.

Starthilfe zur Umsetzung Klar ist, dass die Digitalisierung in der Verwaltung dringlich und unausweichlich ist – die kulturelle Veränderung in der Gesellschaft erfordert sie. Initiativen wurden an vielen Stellen gestartet. Das Engagement muss aber gebündelt werden, damit es nicht unkoordiniert und vereinzelt wirkt. Die Verwaltung braucht daher einen universellen Rahmen, auf deren Basis alle Fachabteilungen sich dann austauschen und gemeinsam koordiniert arbeiten können, um so zu gemeinsamen Lösungswegen zu kommen. Scheinbar “Unumstößliches” muss stets kritisch hinterfragt werden dürfen. Das bislang Geleistete wird dadurch in einen Gesamtzusammenhang gebracht, um eine integrierte, “digitale Ganzheit” zu gestalten. Über die reine Technik hinaus werden viele Beiträge benötigt, damit vieles ausprobiert und verbessert werden kann. Daraus entsteht ein wiederkehrender Prozess, der per Definition nicht endet und es bildet sich eine Kultur digitalen Denkens für die Zukunft. In anderen Worten: eine Verwaltung im Wandel.


Öfit

Behörden Spiegel / Mai 2017

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Monatliche Themenseite in Kooperation mit:

KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

Mai 2017 beim Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme

Zwischen digitaler Selbstverteidigung und Post-Privacy Technische Möglichkeiten und europarechtliche Vorgaben beeinflussen aktuell die Möglichkeiten, die Privatsphäre im Digitalen zu schützen. Das Ringen um den Datenschutz geht einmal mehr in eine neue Runde.

I

nformationelle Selbstbestimmung ist nur ein Ideal. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung erlaubt dem Einzelnen, selbst zu bestimmen, wann und in welchem Umfang er persönliche Lebenssachverhalte preisgeben möchte. Um dieses Recht zu stärken, existiert eine Zustimmungspflicht. Selbstdatenschutz beziehungsweise die digitale Selbstverteidigung wird auch von Datenschutzbeauftragten gefordert. Ohne Zustimmung dürfen die personenbezogenen Daten nicht genutzt werden. Allerdings klickt im Internet fast jeder Datenschutzbestimmungen, Cookie-Nachfragen und AGBs weg, um schnellstmöglich Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Nutzer gehen davon aus, dass ihre Daten von den abfragenden Firmen oder Organisationen geschützt werden. Dass dies ein Trugschluss sein kann, beweisen die vielen Datenschutzskandale, die willentlich oder aus Unachtsamkeit geschehen konnten. Datenschutzvorfälle häufen sich. Die Erstellung von Bewegungsprofilen im öffentlichen Nahverkehr, der Verlust von Gesundheitsdaten, Zugang zu fremden Online-Konten, der NSA-Skandal oder der

Regulierung und Technik zur Erhöhung des Datenschutzes müssen weiter gefördert werden. Foto: BS/pixabay.com

fehlerhafte Versand von sensiblen Kundendaten per E-Mail sind nur einige Beispiele. Neben diesen Vorfällen sind jedoch auch Schäden relevant, die auf der Erstellung von persönlichen Profilen basieren, um Verhaltensweisen zu prognostizieren, persönliche Vorlieben und Interessen auszunutzen oder um die Gesundheit, Zuverlässigkeit und wirtschaftliche Lage einzuschätzen. Problematisch für Betroffene ist hier, dass diese weder wissen, auf welchen Daten diese Profile basieren oder welche Algorithmen verwendet werden, noch, wer die Daten in welcher Weise nutzt. Ab 25. Mai 2018 gilt die EU-DatenschutzGrundverordnung (DSGVO), die entsprechende physische, materielle oder immaterielle Schäden von Bürgerinnen

und Bürgern abwenden soll. Datenschutz durch Technik (Data Protection by Design) und datenschutzfreundliche Voreinstellungen (Data Protection by Default) nach “Stand der Technik” sollen dabei unterstützen. Datenschutz “by Design” Datenschutzfördernde Technologien sind ein Sammelbegriff für Technologien zum Schutz der Privatsphäre. Dazu gehören Technologien zur Anonymisierung, kryptografische Ansätze zum Schutz sensitiver Daten sowie Techniken zur Verhinderung ungewollter Nachverfolgung, zur Transparenz und Kontrolle der eigenen Daten und für das digitale Vergessenwerden. Welche konkrete Technik eingesetzt werden soll, wird in der Gesetzgebung nicht vorgegeben. Datenschutz “by Default” Datenschutzfreundliche Voreinstellungen

sollen durch Konfiguration und voreingestellte Werte in Produkten, Diensten und Anwendungen sicherstellen, dass nur die für den Verarbeitungszweck erforderlichen personenbezogenen Daten erhoben und verarbeitet werden. Häufig wurden bisher sämtliche Daten einer Person abgefragt, ob für die konkrete Anwendung notwendig oder nicht. Wollte man bestimmte Daten nicht übermitteln, musste man diese gezielt abwählen (Optout-Verfahren). Dies geht oftmals einher mit Ungewissheit, manchmal auch mit gewollter Verunsicherung, ob man nach Abwahl der Voreinstellungen die Anwendung oder den Dienst weiterhin mit vollem oder auch in verständlicher Art und Weise eingeschränktem Funktionsumfang nutzen kann. Widersprüchlich wurde in der Vergangenheit beispielsweise der Umgang mit Cookies gehandhabt. Die sogenannte CookieRichtlinie der EU (2009/136/EG) hat daher explizit das Opt-in-Verfahren festgelegt. In der Benutzerführung auf Webseiten wird dies dem Nutzer heute meist mit Einblendungen beziehungsweise Pop-ups am oberen oder unteren Bildschirmrand kundgetan. Dabei erfolgt oftmals der Hinweis, dass man sich mit dem Cookie einverstanden erklärt, wenn man die Webseite oder den Dienst nutzt. Auch wenn dies ein erster Schritt ist, führt dieser Hinweis nicht zum datenschutzfreundlichen Umgang mit Cookies. Vielmehr werden die Hinweise eher als lästig empfunden, da man ja “sowieso nichts machen kann” und keine wirklichen Auswahlalternativen hat. Ein weiteres Beispiel ist die “Do-not-track”Einstellung in Browsern, die den Websei-

ten-Betreibern mitteilt, dass man nicht verfolgt werden möchte. Dies verhindert die Bildung von Nutzerprofilen. Übermittelt wird dieser Wunsch im Header-Feld von HTTP beim Abruf von Webseiten, die Berücksichtigung ist allerdings nicht weltweit gesetzlich verpflichtend. Verbesserungen für diese Probleme soll die zukünftige EU-E-Privacy-Verordnung bringen, die die geltenden EU-Richtlinien für Privacy und Cookies ablösen soll. Cookie-Regeln sollen vereinfacht werden und Do-Not-Track-Einstellungen verbindlich sein. Zweifelhaft bleibt trotzdem, ob technische Lösungen zur Einwilligung jemals ausreichen können. Für Nutzer wäre es nämlich wichtiger, dass Datensammelei durch Regulierung beziehungsweise systemseitig unterbunden wird, möglichst ohne den Nutzer zu belasten. Wünschenswert wäre eine Nachvollziehbarkeit beziehungsweise Beweisbarkeit der Datennutzung. Visionär wäre es, wenn Daten sich selbst schützen würden und eine unerlaubte Weiterleitung und Verarbeitung so verhindert werden könnte. Erste Schritte in diese Richtung sind Einschränkungen bezüglich der Lebensdauer von Daten. Bisherige Versuche, wie der digitale Radiergummi mit digitalen Verfallsdaten, konnten bisher allerdings nicht überzeugen. Aber grundsätzlich müssen datenschutzfreundliche Alternativen weiter erforscht und gefördert werden. Mehr zu aktuellen Entwicklungen lesen Sie in der neuen ÖFIT-Publikation “Datenschutz und Technik” unter www. oeffentliche-it.de/publikationen .

Praxisseminare im Juni 2017 Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

www.fuehrungskraefte-forum.de Beschaffung von Kommunalfahrzeugen

Generationenorientiertes Personalmanagement in Behörden

Pensionsrückstellungen und nachhaltige Finanzierung der Beamtenversorgung

E-Beschaffung, E-Rechnung, E-Payment, E-Akte, E-Archiv

01.06.2017 München

20.06.2017 Berlin

20.06.2017 Hamburg

20.06.2017 Berlin

Souverän durch die Krise: Krisenkommunikation für Behörden

Resilienz: Was Stehauf-Menschen auszeichnet

Agile Methoden zum Management von IT-Projekten

Informations- und Akteneinsichtsrechte

Vergaberecht und Fördermittel

21. - 22.06.2017 Berlin

21. - 23.06.2017 Berlin

27.06.2017 München

29.06.2017 Bonn

30.06.2017 Düsseldorf Bildnachweis: Uetliberg Uto Kulm


Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Mai 2017

Sicher konsolidieren

270 Vorschläge

IT-Sicherheit muss ein Kernziel bei der IT-Konsolidierung sein

Open-Government-Empfehlungen

(BS/stb) Das Projekt “IT-Konsolidierung Bund” ist angetreten, die Informationstechnik der Bundesverwaltung fit für die Zukunft zu machen. Der bisherige Flickenteppich aus mehr als Tausend Betriebsstätten soll zu einem Verbund weniger Dienstleister verschlankt werden, um einen stabilen und wirtschaftlichen Betrieb auf dem Stand der Technik zu ermöglichen. In der Konsolidierung liegt auch das Potenzial, die IT-Sicherheit für die Bundes-IT neu aufzustellen. “Der Schutz staatlicher IT-Systeme vor Cyber-Angriffen hat dabei erste Priorität”, sagte Klaus Vitt, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik in seinem Gastbeitrag im Behörden Spiegel (Ausgabe Februar 2017) zur IT-Konsolidierung Bund. In dieser Deutlichkeit war die Rolle der Sicherheit allerdings während der Projektplanung noch nicht hervorgehoben worden. Das im Mai 2015 vom Bundeskabinett beschlossene Grobkonzept zur IT-Konsolidierung Bund jedenfalls behandelt den Aspekt deutlich zurückhaltender. Zwar wurde die Gewährleistung der IT-Sicherheit als eines der Ziele der Konsolidierung identifiziert. Allerdings wurden dort keine konkreten Maßnahmen zur ITSicherheit genannt, wohingegen der organisatorische Fahrplan für die Konsolidierung in drei Strängen (Rechenzentren, Dienste und Beschaffung) bis 2022 schon festgelegt wurde. Die strategische Steuerung der IT-Konsolidierung erfolgt demnach in sechs Teilprojekten. Dem Grobkonzept lässt sich aber kein unmittelbarer Bezug irgendeines dieser Teilprojekte zur IT-Sicherheit entnehmen. Erste Priorität hatte der Schutz der Systeme zum Projektstart also anscheinend noch nicht. Zuständig für die Sicherheit

(BS/lkm) Seit Dezember 2016 beteiligt sich Deutschland am internationalen Zusammenschluss für ein offenes Regierungs- und Verwaltungshandeln (OGP). Herzstück der OGP-Beteiligung sind nationale Aktionspläne, die in den einzelnen Staaten zusammen mit der Zivilgesellschaft erarbeitet werden. Insgesamt 270 Vorschläge für einen Nationalen Aktionsplan chitektur und Organisation von Open Government Partnership liegen jetzt auf dem Tisch der Bundesregierung. Sie sind das Ergebnis eines mehrwöchigen PartizipationsproRechenzentren angeht. zesses, im Laufe dessen Ideen und Expertise aus der Zivilgesellschaft Konstruktiver Dissens gesammelt wurden. Der Prozess wurde vom zivilgesellschaftlichen So befürworte das BSI grund- Arbeitskreis Open Government Partnership Deutschland begleitet.

Konsolidierung von IT in weniger Betriebsstätten und Dienste, kann auch dem Ziel dienen, die IT-Sicherheit nachhaltig zu verbessern. Das setzt aber Berücksichtigung bei der Planung voraus. Foto: BS/Robert, cc by 2.0, flickr.com

der Regierungsnetze ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Im Grobkonzept zur IT-Konsolidierung Bund wurde der Behörde allerdings lediglich eine beratende Funktion zugedacht. Eine Beratung durch das BSI auf Anfrage könne aber nicht das Versäumnis kompensieren, dass IT-Sicherheit nicht hinreichend im Planungsprozess berücksichtigt wurde, wie es in gut informierten Kreisen heißt.

IT-Sicherheit durch die Hintertür Zur konstruktiven Beteiligung des BSI an der Konsolidierung der Bundes-IT ist es erst im Nachhinein gekommen, als der Auftrag erteilt wurde, das ITSicherheitsniveau der Rechen-

zentren der Bundesverwaltung zu analysieren und Standards dafür festzulegen. Zunächst wurden in einer Pilotierung 15 Rechenzentren, unter anderem das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) und die BWI IT GmbH, einem Hochverfügbarkeitstest nach dem BSI-Bewertungsschema “HVBenchmark” unterzogen. Nun sollen BSI und ITZBund gemeinsam Sicherheitsmaßnahmen erarbeiten, die die ITSicherheit in den zentralisierten Betriebsstätten gewährleisten sollen. Wie eine mit den Vorgängen vertraute Person berichtet, gibt es allerdings einige Reibungspunkte zwischen der Cyber-Sicherheitsbehörde und dem IT-Dienstleister, vor allem was Fragen der technischen Ar-

sätzlich eine stärker ausgeprägte Segmentierung von Systemen. Kompromittierte Bereiche könnten so im Angriffsfall abgeschottet werden, bevor es zum Übergreifen auf andere komme. Mehr Segmentierung bedeutet aber zwangsläufig weniger Konsolidierung der IT und steht damit auch im Widerspruch zum Kernanliegen des Projekts. Uneinigkeit gab es auch in Bezug auf geeignete Lizenzformen für End-Nutzer-Programme beim Bundesclient und bei der Organisation von Verzeichnisdiensten. Diese Diskrepanzen kann man als Hinweis darauf verstehen, dass das Thema Sicherheit bei der IT-Konsolidierung inzwischen tatsächlich ernst genommen wird. Während zum Projektbeginn der Eindruck entstehen konnte, dass IT-Sicherheit in der konkreten Planung keine Rolle spielte, wird jetzt zusammen an zielgerichteten Maßnahmen gearbeitet. Nun wird man eventuelle Versäumnisse gemeinsam aufholen müssen. Die “IT-Konsolidierung Bund” ist auch Thema des Behörden Spiegel-Interviews mit ITZBundDirektor Hans-Georg Göhring auf Seite 30.

Die 270 Maßnahmen umfassen acht Handlungsfelder wie “Open Data”, “Informationsfreiheit”, “Kompetenzaufbau”, “Bürgerbeteiligung”, “Innovation” und “Schutz von IT-Systemen im Open Government”. 22 weitere Handlungsfelder beziehen sich auf die Arbeit der Ressorts wie Entwicklungspolitik oder Wirtschaftspolitik. Während in einigen Themenbereichen wie der “Offenen Kulturpolitik” und der “Offenen Wissenschaftspolitik” bereits Grundlagen für fortgeschrittenere Maßnahmen bestehen, müsse in anderen Bereichen wie der “Offenen Verteidigungspolitik” oder der “Offenen Justiz” noch Grundlagenarbeit geleistet werden, um diese Themengebiete zu erschließen. So soll das Verteidigungsministerium dort, wo es der Erfüllung verteidigungspolitischer und sicherheitspolitischer Aufgaben dient, auf Ansätze einer offenen Verteidigungs- und einer offenen Sicherheitspolitik, auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten und auf neue Formen der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft hinarbeiten. Bei der Landesverteidigung solle aber weiterhin auf die “bewährten intransparenten Methoden” zurückgegriffen werden, um die nationalen Sicherheitsinteressen zu wahren. Zur Umsetzung der Empfehlungen sollen Fachgruppen von Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen zu den verschiedenen Themen für den regelmäßigen verwaltungsinternen Austausch und die verwaltungsebenenübergreifende Erschließung des jeweiligen Themenfeldes eingerichtet werden. Eine gelungene Implementierung von Open Government dürfe sich nicht auf die Bundesebene beschränken, sondern müsse auch die Mitwirkung von Ländern und Kommunen fördern. Deutschland solle sich als aktives Mitglied in die internatio-

nalen Diskussionen einbringen, von den Erfahrungen anderer Länder lernen und auf diese Weise eigene, passende Lösungsansätze entwickeln. Nur so könne der Ansatz eines offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns als ein genuin deutscher Weg entwickelt und ausgestaltet werden, heißt es in dem Grundlagenpapier.

Visionen bis 2030 Im Bereich “Open Data und Informationsfreiheit” skizziert das Bündnis für 2030 die Vision, dass Deutschland “über ein nationales Open-Data-Ökosystem auf Basis offener Infrastrukturen” verfügen solle. Dieses solle zu mehr Transparenz und besserem Regierungshandeln beitragen und Möglichkeiten für innovative Geschäftsideen und neue Formen der Zusammenarbeit schaffen. Bis 2030 könne der öffentliche Sektor zudem in der Lage sein, die eigenen Verwaltungs- und Regierungsdaten, aber auch Big-Data-Anwendungen souverän auf allen Ebenen (kommunal, regional, landesweit, bundesweit, europaweit) zur Erledigung öffentlicher Aufgaben zu verwenden. Ferner werde die Verwaltung Daten und Informationen über das Regierungs- und Verwaltungshandeln aktiv und leicht zugänglich bereitstellen. Zu allen durch Steuermittel finanzierten Datensätzen und Dokumenten wie Gesetzen, Urteilen, Forschungsergebnissen und Studien werde es öffentliche Zugänge geben. Die gesammelten 270 Vorschläge sollen in einem nächsten Schritt diskutiert werden, um im Juni 2017 einen abgestimmten nationalen Aktionsplan zu verabschieden. Die zivilgesellschaftlichen Empfehlungen sind unter https:// opengovpartnership.de/doku mente abrufbar.

MELDUNGEN

Mindeststandard für Web-Browser (BS/stb) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat Sicherheitsanforderungen an Web-Browser, die in der Bundesverwaltung eingesetzt werden sollen, in einem neuen Mindeststandard beschrieben. Der Mindeststandard nach § 8 BSI-Gesetz legt fest, welche Anforderungen ein Web-Browser erfüllen muss, um ein Mindestmaß an Informationssicherheit zu gewährleisten. Damit richtet sich das BSI an IT-Verantwort-

liche in der Bundesverwaltung. Der Standard wird aber auch den Verwaltungen der Länder und Kommunen, der Wirtschaft und Bürgern anempfohlen. Web-Browser sind ein beliebtes Ziel für Cyber-Angriffe, wie das BSI betont. Es handele sich um Standardprogramme, die auf praktisch allen Arbeitsplatzrechnern installiert seien und genutzt würden. Aufgrund ihrer Funktionsvielfalt und Komplexität hätten sie ein großes Potenzial für Schwachstellen.

Neues Verfahren gestartet (BS/mfe) Bei der Generalzolldirektion (GZD) ist das neue Online-Erfassungsportal zur Energiesteuer- und Stromsteuer-Transparenzverordnung in den Echtzeitbetrieb übernommen worden. Damit können Unternehmen deutlich einfacher und schneller als bisher ihren notwendigen Meldepflichten gemäß dieser Rechtsvorschrift nachkommen. Die entsprechenden Angaben und Daten können nunmehr ohne besondere IT-technische Voraussetzungen

oder spezielle Software online übermittelt werden. Eine Registrierung ist nur einmal, zur Erstellung eines Benutzerkontos und dessen Freischaltung durch das zuständige Hauptzollamt, notwendig. Von dem neuen IT-Verfahren, mit dem auch die Beantragung einer Befreiung von den einschlägigen Meldepflichten für bis zu drei Jahre möglich ist, versprechen sich die Verantwortlichen deutlich kürzere Bearbeitungszeiten.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Mai 2017

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Ganzheitlicher Ansatz

Blockchain

Landesbesoldungsamt ist E-Akte-Vorreiter in Mecklenburg-Vorpommern

Wie sie den Weg zur digitalen Verwaltung ebnen kann

(BS/Bettina Deuil/Andrè Korsch*) Das Konzept “Digitale Verwaltung 202o” sieht vor: Bis 2020 sollen Bürger und Wirtschaft mit Behörden medienbruchfrei elektronisch kommunizieren können. Der größte Nachholbedarf besteht vor allem bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen und elektronischen Workflows für die E-Akte.

(BS/Jakob Boos/Carmen Eisenacher/Phillip Pham*) Blockchain überall! So ist der Eindruck bei der Suche in sozialen Medien nach “#blockchain”. Auch Fachzeitschriften springen auf den Zug auf. Jedoch hat man das Gefühl, dass nur der Finanzsektor betroffen ist und es nur dort erhebliche Veränderungen in der Art der Abwicklung von Finanztransaktionen geben wird. Aber Blockchain wird nicht nur die Finanzwelt verändern, andere Branchen werden durch diese recht junge Technologie ebenfalls stark beeinflusst werden. Auch die öffentliche Verwaltung wird sich dem nicht verschließen können.

Am Ende einer erfolgreichen Transformation steht der medienbruchfreie Geschäftsprozess. Gelingt es, ihn effizient mit IT zu unterstützen, effizient und kostenwirksam zu organisieren und der Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns gerecht zu werden, dann ist die Digitalisierung der Verwaltungsarbeit gelungen. Grundsätzlich besteht eine elektronische Akte immer aus Vorgängen oder Dokumenten und schließt alle Schriftstücke mit ein, die nötig sind, um einen Vorgang sachlich, vollumfänglich und im Zusammenhang zu erfassen. Damit eine behördliche Schriftgutverwaltung elektronisch möglich ist, muss die E-Akte umfangreiche rechtliche, fachliche und organisatorische Anforderungen erfüllen. Diese gehen oft weit über die Vorgaben privater Unternehmen hinaus. Ein großer Mehrwert entsteht dann, wenn neben der elektronischen Aktenführung auch die Einführung der digitalen Vorgangsbearbeitung erfolgt und damit die Verwaltungsprozesse selbst elektronisch gestaltet werden können. Ziel ist es, Medienbrüche nach Möglichkeit gänzlich zu vermeiden und einen digitalen Prozess von der Entstehung bis zur Archivierung zu etablieren. Richtig leistungsfähig wird eine E-Akte allerdings erst durch die Inte­ gration von Fachverfahren und Geschäftsanwendungen. Hier gilt: Je mehr Fremdsysteme angebunden werden können, desto flexibler ist sie und desto größer ist der Nutzen für den Anwender.

Pilotprojekt BEATA Wie dieser Prozess in der Praxis funktionieren kann, zeigt das Projekt “BEATA” (Bezügedaten elektronisch anweisen, transportieren und aufbewahren). Im Rahmen dieses Projektes führte die DVZ M-V GmbH gemeinsam mit dem Landesbesoldungsamt Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2014 die elektronische Akte in der Behörde ein. Dazu musste die Zahlfallakte mithilfe eines Dokumentenmanagementsystems in eine elektronische Form überführt werden. Dieses ergänzte der IT­Dienstleister des Landes MecklenburgVorpommern um eine beweissichere Langzeitspeicherung nach TR-ESOR sowie um eine TR­RESISCAN­konforme Scan­ Lösung zur Digitalisierung von Posteingängen und Bestandsakten. Die Konformität der integrierten Scanlösung bestätigte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) der DVZ M-V GmbH zum Abschluss mit einem Zertifikat.

Digitalisierung über Dienststellen- und Mitarbeiterportal In einem weiteren Schritt wurden die papierorientierte Antragstellung/-bearbeitung, Weiterleitung und Endbearbeitung durch dialogorientierte Verfahren ersetzt und damit die Volldigitalisierung des Landesbesoldungsamtes M-V auf den Weg gebracht. Im “Dienststellenportal” haben die rund 170 personalführenden Dienststellen des Landes die Möglichkeit, die bezügerelevanten Anordnungen für die Bediensteten elektronisch an das Landesbesoldungsamt M-V zu

übermitteln. Diese Informationen werden zum Teil in Form von Listen- und Sammeldateien aggregiert und über das “Dienststellenportal” direkt an das Fachverfahren “Besoldung, Vergütung, Löhne” zur Berechnung weitergeleitet. Alle übrigen Anordnungen stehen sofort in der elektronischen Zahlfallakte zur weiteren Bearbeitung durch das Landesbesoldungsamt M-V zur Verfügung. Ab Mitte dieses Jahres beginnt die Einführung des “Mitarbeiterportals”. Schritt für Schritt können hier alle Bediensteten der Landesverwaltung ihre Anträge (z. B. Beihilfeanträge) direkt vom heimischen PC via Internet einreichen. Das gesicherte “Mitarbeiterportal” verfügt über eine Schnittstelle und stellt die Kommunikationsverbindung zur Fachanwendung und zur elektronischen Akte her. Darüber hinaus sollen eine Reihe von Bescheiden, Bescheinigungen und Abrechnungsinformationen elektronisch an den Endnutzer übergeben werden. Mit der Umsetzung von BEATA ist es erstmalig gelungen, die EAkte ganzheitlich abzubilden – vom Scan-Prozess über das Dokumentenmanagementsystem, die Fachverfahrensanbindung bis hin zur beweiswerterhaltenden Langzeitspeicherung der Dokumente. Das Pilotprojekt ist beispielgebend und dient aufgrund seiner “modularen Bauweise” späteren Umsetzungsszenarien als Vorlage. *Bettina Deuil und Andrè Korsch sind für die DVZ Datenverarbeitungszentrum Mecklenburg-Vorpommern GmbH tätig.

Was aber macht die Blockchain so besonders? In ihr gespeicherte Informationen liegen nicht an einem Ort. Stattdessen besitzt jeder Beteiligte eine Kopie des gemeinsamen Informations­ und Transaktionsverzeichnisses (verteiltes Kontobuch). Durch die dezentrale Speicherung und Verkettung der Blöcke ist man gegen Manipulation deutlich besser gewappnet als bei einer zentralen Lösung. Damit wird die Gesamtsicherheit deutlich erhöht. Vollständige Transparenz und Nachvollziehbarkeit wird erlangt. Als weiteren Effekt macht sie Mittelsmänner entbehrlich. Intermediäre wie Banken und Notare könnten von der Technologie Blockchain potenziell ersetzt werden. Trifft das auch auf Behörden zu? Was auf den ersten Blick erschreckend anmuten mag, birgt auf einen zweiten Blick überraschende Möglichkeiten, wenn verstanden wird, wie diese Technologie in eigenem Sinn genutzt werden kann. Bietet die Blockchain-Technologie Möglichkeiten, die demografischen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen die öffentliche Verwaltung steht? Wie wirkt sie sich auf Regulierungsaspekte aus? Viele Interaktionen zwischen Bürgern und Behörden müssen manuell ausgeführt werden. Trotz des Digitalisierungszeitalters können Smartphones und PCs selten zur Abwicklung von Behördengängen genutzt werden. Medienbruchfreiheit ist dabei

mehr Wunschdenken als Realität und resultiert in vermeidbarem Mehraufwand für Bürger und Behörden. Hier könnte die Blockchain-Technologie genutzt werden, z. B. für den Dokumentenaustausch. Notarielle Dienste wie die Grundbuchübertragung von Immobilien oder die Dokumentenbeurkundung könnten auf der Blockchain fälschungssicher und transparent ausgeführt werden. Sämtliche Verzeichnisse und Register könnten technisch homogen digitalisiert werden und der Verwaltungsaufwand würde beachtlich gesenkt. Mit einer Kombination der Möglichkeiten des neuen Personalausweises und einer unterstützenden Blockchain ist eine umfassende elektronische Identität möglich. Bürger erlangen dabei Hoheit über ihre Daten, was das Verfahren auch aus Sicht des Datenschutzes attraktiv macht. Die Möglichkeit, Wahlen mit der Blockchain-Technologie zu digitalisieren, besteht auch – bei geringeren Kosten und manipulationssicher. In Deutschland wurden die zahlreichen Möglichkeiten der Blockchain bisher wenig wahrgenommen. Estland, Großbritannien und Schweden sind hier weiter. In Estland werden über eine Million Patientenakten in einer Blockchain gehalten. Zugriffe und Änderungen werden festgehalten, Bürger können diese selbstständig prüfen und nachverfolgen. In Schweden sollen mit der Blockchain-Tech-

nologie Grundbuch-Prozesse digitalisiert und damit effizienter werden. In Großbritannien hat es die Blockchain-Technologie sogar in die IT­Strategie des Landes geschafft. Als Konstrukteur und Baumeister des modernen, digitalen Staates untersucht Capgemini im eigenen i*Gov Lab und in weltweit verteilten Innovationszentren den Nutzen dieser neuen Technologie. Dabei beantworten wir Fragen, wie man sie in künftige Fach- und Querschnittsverfahren integrieren kann, ob sie wirklich sicher ist und wie sich so Verwaltungsprozesse effizienter gestalten lassen. Dazu wurde ein Prototyp gebaut. Er veranschaulicht, wie Blockchain für den Dokumentenaustausch und die Dokumentenvalidierung genutzt werden kann (siehe auch Seite 42). *Jakob Boos ist Technical Account Executive für den öffentlichen Sektor. Carmen Eisenacher und Phillip Pham sind Mitarbeiter im i*Gov-Lab.

i*Gov-Lab Das i*Gov-Lab ist ein Innovationslabor von Capgemini für den öffentlichen Sektor. Der Fokus liegt in der Forschung und Prototypentwicklung von neuen Technologien. Weitere Informationen hierzu unter www.de.capgemini.com/ public-sector


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Behörden Spiegel / Mai 2017

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lar ist, der digitale Graben zwischen Männern und Frauen stellt eine gesellschaftliche Herausforderung dar, da viele junge Frauen ihre beruflichen Möglichkeiten verkennen oder nicht voll ausschöpfen. Dabei zeigt auch die Auftaktveranstaltung zum bundesweiten Girls’Day mit Bundeskanzlerin Angela Merkel jedes Jahr erneut, dass zeitgemäße (BS/Rafael Eggebrecht*) Die alljährliche Girls’Day-Auftaktveranstaltung der Initiative D21 mit Bundeskanzlerin Angela Merkel rückte in den FoBildung ein großes Sprungbrett kus, dass gerade junge Mädchen zwar moderne Technik aktiv nutzen, aber der technischen Seite der Digitalisierung weiterhin eher fernbleiben. zur Überwindung dieses Gra- Dabei liegt gerade darin viel verschenktes gesellschaftliches Potenzial. bens sein kann. Insgesamt 24 Und das, obwohl die große Mädchen der Klassenstufe 9 ten. Was aber, wenn man einen Mehrheit der Lehrkräfte, Eltern aus drei besonders engagierten niedlichen, 1,20 m großen Round Schüler und Schülerinnen Berliner Schulen erlebten an boter namens Pepper zuhause den Einsatz digitaler Medien acht Stationen eines Technik- selbst programmieren könnte, in allen Fächern für notwendig Parcours, dass der Abbau von damit er auf Kommando einen erachten. Dennoch zeigt die digitalen Berührungsängsten Lieblingswitz erzählt oder beim D21-Sonderstudie “Schule Dileichter sein kann als gedacht. Anblick von Kanne und Teebeugital” auch, dass Lehrkräften tel den Wasserkocher anschalDigitale Lebensnähe professionalisierte Unterstüttet? Auch der direkte Nutzen motiviert zung fehlt und sie meist das von Technik in Schulen ist vieBetreiben und Warten techniDie wenigsten werden schon len wenig bewusst. Was aber, scher Geräte in den Schulen einmal länger darüber nachge- wenn sich im Biologieunterricht selbst übernehmen müssen. dacht haben, wie die WLAN- das Lehrbuch-Schema des VerDa sie ebenfalls angeben, dass Antenne in ihrem Smartphone dauungssystems mithilfe einer auch die eigene mangelnden ITeigentlich genau funktioniert. VR-Brille in eine ganz und gar oder Digitalkompetenzen eine Was aber, wenn man Funkti- nicht unappetitliche 360-Gradgroße Hürde sind, mehr digion und Form dieses Bauteils Enteckungstour durch den tale Medien im Unterricht zu Verdauungsin einer anschaulichen 3D-Si- menschlichen benutzen, verwundert es nicht, mulation kennenlernen und im trakt verwandeln würde? Mit all Anschluss eine eigene Antenne diesen lebensnahen Technikan- Eine Schülerin demonstriert beim Girls’Day-Auftakt Bundeskanzlerin Merkel dass der über 50 Jahre alte konzipieren, verlöten, montie- wendungen, erfahrbar beim von das Verlöten einer WLAN-Antenne. Foto: BS/Initiative D21 Overheadprojektor noch immer das meistverfügbare Medium in ren und verschrauben könnte? der Initiative D21 und sieben ihBei der industriellen Automati- rer Mitgliedsinstitutionen sowie Tätigkeiten in den Bereichen die passenden Rahmenbedin- den Klassenzimmern ist. Schusierung verhält es sich ähnlich. der Bundespolizei konzipierten Mathematik, Informatik, Na- gungen geschaffen werden. len brauchen also einen profesFür die meisten enden Gedan- Technik-Parcours, konnten die turwissenschaften und Technik Leider spiegelt sich die durch sionellen IT-Service, entweder Smartphone und Computer ge- extern oder als eine Art digiken über Industrieroboter mit teilnehmenden Schülerinnen (MINT) motiviert werden. Um Mädchen und junge Frau- prägte Lebenswelt in der Lern- taler Hausmeister. Außerdem Bildern aus modernen Auto-Fa- beim Girls’Day-Auftakt spielebriken in den Abendnachrich- risch und leicht eingänglich für en gezielt zu fördern, müssen welt der Schulen kaum wider. müssen Lehrkräfte dringend

Nichts fürchten, nur verstehen

Lebensnahe Anwendungen können digitale Berührungsängste abbauen

entsprechende Aus- und Weiterbildung erfahren, um Berührungsängste durch den Erwerb digitaler Kompetenzen abbauen zu können und Ideen vermittelt zu bekommen, wo und wie der Einsatz digitaler Medien im Unterricht sinnvoll ist. Es darf nicht allein an den Lehrkräften liegen, moderne Zeiten in den Unterricht zu bringen.

Die nächste Marie Curie? Diese langsame Weichenstellung verkennt die zentrale Rolle von digitaler Bildung bei der beruflichen Chancengleichheit. Fehlendes Wissen führt zu Berührungsängsten, die viel gesellschaftliches Potenzial verschenken. Sei es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der wachsende Fachkräftemangel. Mit Hinblick darauf betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Girls’Day-Auftakt, dass sich noch immer viele Mädchen fragen, ob Maschinenbau, Elektrotechnik, Physik oder Chemie nicht zu schwierig seien. Sie beantwortete diese Frage mit einem Zitat der zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Curie: “Man muss nichts im Leben fürchten, man muss nur alles verstehen.” Ein besseres Motto hätte sie den Schülerinnen als Teil der digitalen Gesellschaft kaum mitgeben können. *Rafael Eggebrecht arbeitet für die Initiative D21 in der Presseund Öffentlichkeitsarbeit.

Der Behörden Spiegel ist Medienpartner der Initiative D21.

Potenziale ausschöpfen Zukunftssichere Multikanalkommunikation (BS/Petra Waldmüller-Schantz) Die Digitalisierung von Prozessen ist eines der wichtigsten Themen in den kommenden Jahren. Den vielen Vorteilen der Digitalisierung stehen aber große Herausforderungen gegenüber: Die Digitalisierung verändert Strukturen und Abläufe. Bei Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen steigt die Erwartungshaltung, auch mit Behörden elektronisch kommunizieren zu können. “Schnell und unkompliziert” ist hier das Credo. Gleichzeitig ist es aus Effizienzgründen seitens der Verwaltung unerlässlich, die elektronische Kommunikation medienbruchfrei in ihre Weiterverarbeitungssysteme zu integrieren.

Digitale Asylverfahren: sicher und effizient

Führungskräfte Forum zum digitalisierten Flüchtlingsmanagement

1. Juni 2017, dbb forum, Berlin www.fuehrungskraefte-forum.de Eine Veranstaltung des

Mit fachlicher Unterstützung von:

Die Einführung von E-Akten, wie in den E-Government- und E-Justice-Gesetzen verankert, wird nur dann zielführend umgesetzt werden können, wenn es gelingt, die vielfältigen elektronischen Kommunikationspotenziale auszuschöpfen und sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Kommunikation einzubinden.

“One-in-one-out” nicht zu erwarten Die Landschaft der Kommunikationskanäle verändert sich rasant und wird zunehmend heterogener, wobei die Anforderungen an Integrität und Authentizität elektronischer Nachrichten immer mehr an Bedeutung gewinnen. Neue Kanäle werden in den kommenden Jahren entstehen, ohne dass deshalb zwingend bereits existierende Kanäle wegfallen werden. “One-in-one-out” ist also nicht zu erwarten.

Multikanalherausforderung Durch die eIDAS-Verordnung der Europäischen Union werden zeitnah weitere sog. elektronische Einschreib-Zustelldienste aus anderen europäischen Ländern hinzukommen, die von unserer Verwaltung empfangen, verarbeitet und auch wieder zurückadressiert werden müssen. Die Herausforderungen für die Verwaltung sind ebenso vielfältig wie die unterschiedlichen Kanäle. Empfangs- und Zustellkanäle müssen in die bestehende IT-Landschaft und verschiedenste fachliche Szenarien integriert werden. Neue Standards entstehen, die es zu implementieren gilt. Hinzu kommt der Umgang mit kryptografisch

behandelten Nachrichten, die ver- und entschlüsselt werden müssen. Damit einhergehend sind Zertifikate zu verwalten. Der Umgang mit Signaturen beschränkt sich nicht nur auf das Anbringen von eigenen Signaturen, es müssen darüber hinaus gemäß eIDAS-Verordnung auch sämtliche europäischen Signaturen verifiziert werden können. Die Speicherung von erteilten Zugangseröffnungen, Identitäten und Zertifikaten der Kommunikationspartner sowie die transparente und rechtssichere Nachvollziehbarkeit sind weitere Punkte, die es zu beachten gilt.

Zentrale Anbindung an E-Akte-Systeme Es empfiehlt sich für die diversen Kommunikationswege, eine zentrale, virtuelle, elektronische Poststelle zu etablieren, die sich an E-Akte-Systeme oder Fachverfahren anbinden lässt. Diese elektronische Poststelle kann sämtliche Formate annehmen, weiterverarbeiten und in ein gewünschtes Zielsystem weiterleiten, dabei sämtliche kryptografischen und Identitäts-Prüfungen übernehmen und ggf. die Originalnachrichten direkt an einen Langzeitspeicher zur Beweiswerterhaltung übergeben. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass die Zugangseröffnung der Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zentral gespeichert wird, sodass die Verwaltung die elektronische Kommunikation nicht nur empfangen, sondern auf dem gleichen Weg antworten kann. Um der Herausforderung Multikanalkommunikation zu begegnen, wurde der Governi-

kus MultiMessenger (GMM) als einheitliche und intelligente Kommunikationsplattform konzipiert und entwickelt, die alle in der öffentlichen Verwaltung relevanten Nachrichten-Transportkanäle und zukünftig auch alle elektronischen EinschreibZustelldienste technisch-juristisch verarbeiten kann. Für die Bearbeitung bzw. den Eingang in eine(r) E-Akte-Lösung ist es unerlässlich, dass die eingehenden Nachrichten mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen auch hinsichtlich der Authentizität, Integrität und Rechtsverbindlichkeit korrekt empfangen und geprüft werden, bevor sie an die E-Akte oder eine beweiswerterhaltende Langzeitspeicherung übergeben werden. Jede vom GMM entgegengenommene elektronische Nachricht wird vereinheitlicht, geprüft und protokolliert sowie im gewünschten Format an das jeweils zuvor definierte, interne System bzw. an den relevanten externen Empfänger weitergesendet. Die Originalformate bleiben dabei vollständig erhalten und können für die Beweiswerterhaltung direkt über eine standardisierte Schnittstelle gemäß Technischer Richtlinie 03125 (TR-ESOR) übergeben werden. Alle durchlaufenen Prozessschritte sowie die entsprechenden Prüfergebnisse werden in einem Laufzettel protokolliert, der Nachricht zugeordnet und im sogenannten Poststellenbuch vermerkt. Eine lückenlose Nachweisbarkeit ist somit gewährleistet. Unter Federführung des Landes Rheinland-Pfalz wurde der GMM 2017 zu einer Anwendung des IT-Planungsrates.


Informationstechnologie

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Ein bisschen mehr Schwung

Eine “oscare-reife” Leistung

Brandl: “Wir brauchen Erfolgsgeschichten!” / IT-Aufwuchs beim Bund bis 2016

Die AOK digitalisiert ihre Geschäftsprozesse End-to-End

(BS/ein) Es ist viel zu tun in deutschen Bundesbehörden, wenn es um die Konsolidierung geht. Wie viel genau, ist aber offenbar nicht so leicht auszumachen: “Jedes Mal, wenn wir bei den Rechenzentren nachzählen, werden es mehr”, erklärte der Bundestagsabgeordnete Dr. Reinhard Brandl bei einem Parlamentarischen Frühstück des Behörden Spiegel Ende April in Berlin.

(BS/Rainer Clüsserath*) Ob am Telefon oder im persönlichen Gespräch: Die AOK-Geschäftsstellen sind für ihre mehr als 24 Millionen Versicherten erster Anlaufpunkt rund um das Thema Gesundheit und Leistungen – ähnlich wie Ämter und Behörden für Bürger und deren Verwaltungsanliegen. Für die Verarbeitung und Analyse der immensen Datenmengen setzt Deutschlands größte gesetzliche Krankenversicherung auf die SAP-basierte IT-Gesamtlösung oscare®.

Immer wieder würde noch ein neues RZ “gefunden”, sagte Brandl, der als Mitglied im Haushaltsausschuss zuständig für die Konsolidierung der Bundes-IT ist. “Der aktuelle Stand beträgt 134.” Die Behörden sind sehr unterschiedlich aufgestellt: Obwohl die Hälfte der IT auf die Bundeswehr zurückfällt, kommt man dort auf nur noch drei Rechenzentren; dafür wurden bis zu 800 Mio. Euro im Rahmen des Herkules-Projekts investiert. Eine Maßgabe auch für die Konsolidierung der anderen Hälfte der Bundes-IT – hier geht man inoffiziell von 900 Mio. Euro aus, die ohne Verfahren und Software bis Anfang der 2020er-Jahre verausgabt werden. Bislang erscheint die Aufgabe aber weiter-

umso eindrücklicher im Kontext des schrumpfenden IT-Betriebspersonals: Waren es 2013 noch 3.835, arbeiteten 2016 noch 3.244 solcher Fachleute für den Bund. Gleichzeitig steigerte der Bund seine Mitarbeiterzahl im diesem Zeitraum von 179.000 auf insgesamt rund 200.000. Eine Fehlentwicklung?

“Nicht mit den Ausnahmen beginnen” Viele Ressorts zeigen sich im Konsolidierungsprozess zumindest noch zurückhaltend. Für den erfolgreichen Fortgang braucht es aus Sicht Brandls noch viel mehr Erfahrungswissen aus einzelnen Behörden und eine stärkere Zusammenarbeit mit dem ITZ-Bund – in dem seit Anfang 2016 das Zentrum für

Nenner gebracht werden. Es fehlt noch ein bisschen Schwung – auch wegen der großen fachlichen Bandbreite, die der Bund unter seinen Ressorts vereint. Mit Blick auf die vielfältigen Forschungseinrichtungen sagte Brandl, dass es bei speziellen Fachverfahren auch Ausnahmen geben könne. So sollen in erster Linie die Server aus einzelnen “Behördenkellern” zentralisiert und damit professionalisiert werden. Zuständigkeiten für fachliche IT-Verfahren könnten je nach Notwendigkeit in einzelnen Häusern verbleiben. “Wir beginnen aber nicht bei den Ausnahmen”, betonte der Abgeordnete. Künftig gelte es, über sogenannte Service Level Agreements (SLAs) mit dem zentralen Dienstleister eine entsprechende Qualität und Quantität an Leistungen zu vereinbaren. Dabei spielten auch Sicherheitsaspekte eine Rolle.

Sicherheit gleich bei der Beschaffung mitdenken

Ressortübergreifender Austausch zur IT-Konsolidierung des Bundes Ende April in Berlin. Links im Bild: MdB Dr. Reinhard Brandl, rechts: Steven Handgrätinger vom Bonner IT-Unternehmen Bechtle. Fotos: BS/Einhaus

hin als ein kaum zu durchdringender Dschungel aus Kabeln, Netzwerken und SpeicherRacks. Tendenz: wachsend.

2016: 134 Rechenzentren In der Zeit von 2013 bis 2016 ist die Zahl der Rechenzentren von 85 auf 134 bzw. um mehr als 60 Prozent gestiegen. Die Zahl der Server-Räume in der Bundesverwaltung wuchs in diesem Zeitraum von 893 auf 1.090. Mittlerweile sind zudem 253.000 Endgeräte im Umlauf (2013: 222.000). Die Zahlen sind

Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT), die Bundesanstalt für IT-Dienstleistungen und die Bundesstelle für Informationstechnik zusammengelegt wurden. “Wir brauchen Erfolgsgeschichten!” Nur mit Leuchttürmen ließe sich mehr Vertrauen in der Breite der unterschiedlichen deutschen Bundesbehörden aufbauen, um bis 2022 80 Prozent der Behörden zu konsolidieren. In diesem Jahr sollen sechs, 2018 bereits 25 Ämter und Einrichtungen auf einen informationstechnischen

Konsolidierung könne mehr Stabilität bringen – das bedeute auch mehr Sicherheit, erklärten Steven Handgrätinger, Leitung Geschäftsbereich Öffentliche Auftraggeber, und Peter Morwinski, Leiter Technology Center, beim Bonner IT-Unternehmen Bechtle. Um von Anfang an einen Gewinn an Sicherheit zu erlangen, müsse das gewünschte Sicherheitsdesign schon beim Beschaffungsprozess in die Überlegungen einbezogen werden. “Wenn man Sicherheit erst später in ein bestehendes System hineinbringen will, wird es teuer”, so Handgrätinger. Standardisierungen haben viele Vorteile. Allerdings würden sich Fehler dadurch auch schnell vervielfältigen – je nach System habe man es dann nicht mehr mit einem Dutzend, sondern mit zehntausenden Schwachstellen zu tun. Besonders bei Neubeschaffungen sei deshalb eines genauso wichtig wie schwierig: das Management bzw. die Stabsstellen mit den Fachleuten aus dem operativen Betrieb zusammenzubringen.

Ein harter Wettbewerb kennzeichnet den Markt der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Oberstes Ziel der AOK ist es, ihren Mitgliedern die bestmögliche Gesundheitsversorgung zu bieten. Daneben zählen demografischer Wandel, die Umsetzung von Regierungsvorhaben und Weiterentwicklungen in der Medizin zu den großen Herausforderungen, denn sie haben Auswirkungen auf Finanzplanung, Vertragsgestaltung oder Leistungen. Hinzu kommt: Versicherte stellen heute höhere Ansprüche an Serviceangebote und medizinische Versorgung. Neue Kommunikationskanäle und internetbasierte Kundenservices gewinnen immer mehr an Bedeutung und eröffnen neue Chancen. Sie erfordern aber auch immer leistungsfähigere IT-Systeme.

Sich neuen Herausforderungen stellen Die AOK hat sich den neuen Herausforderungen frühzeitig gestellt. Wettbewerbsvorteile sichern, Kundenzufriedenheit steigern und gleichzeitig die Kosten senken, so lauten die ambitionierten Ziele. Dafür benötigt sie eine leistungsfähige Software, die alle betriebswirtschaftlichen und insbesondere die GKVspezifischen Prozesse unterstützt – schnell und in leicht verständlicher Weise. Deshalb haben die AOK Systems und die AOKs gemeinsam mit der SAP die Lösung oscare® entwickelt. Entstanden ist eine individuell anpassbare IT-Plattform für alle Kern- und Supportprozesse. Diese steht inzwischen nicht nur der AOK, sondern allen gesetzlichen Krankenversicherern in Lizenzform zur Verfügung. Mit SAP Business Warehouse auf Basis von SAP HANA analysiert und verarbeitet die Branchenlösung binnen kürzester Zeit das riesige Datenvolumen, das täglich bei der AOK aufläuft. “Damit verfügen wir über die erforderlichen operativen Funktionen, um Prozesse zu optimieren

Heike Nowotnik ist Geschäftsführerin IT-Steuerung beim AOK-Bundesverband.

Udo Patzelt ist Prokurist und Geschäftsbereichsleiter Produkt- und Releasemanagement bei AOK Systems. Fotos: BS/AOK

und Programme zur Krankheitsprävention maßgeschneidert zu erstellen. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit unserer Versicherten”, berichtet Heike Nowotnik, Geschäftsführerin IT-Steuerung beim AOKBundesverband.

Mausklick. Mehr noch: Weil Millionen von Datenpunkten analysiert werden, können beispielsweise Rezepte für die häusliche Pflege effizient geprüft und fehlerfrei genehmigt werden. Und dank einer schnellen Datenanalyse lassen sich Auswertungen bei bestimmten Krankheiten von sechs Tagen auf 15 Minuten reduzieren. Für AOK-Mitglieder bedeuten solche tiefgreifenden Prozessoptimierungen nicht nur verbesserten Service, sondern die bestmögliche Gesundheitsvorsorge zu einem erschwinglichen Preis. Udo Patzelt, Prokurist und Geschäftsbereichsleiter Produktund Releasemanagement bei AOK Systems, resümiert: “Wir stellen fest, dass wir dank einer exzellenten technischen und funktionalen Basis sehr gut aufgestellt sind, um alle Digitalisierungsanforderungen unserer Kunden umzusetzen. Die Partnerschaft mit SAP ist ein Erfolgsprojekt und SAP S/4HANA ist der Garant für die sichere technologische Zukunft der AOK.”

Vorteile des digitalen Wandels nutzen Durch die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse kann die AOK ihre Dienstleistungen erheblich besser als früher den Bedürfnissen der Versicherten anpassen und von zahlreichen Verbesserungen profitieren – sowohl im Bereich der operativen Effizienz als auch bei den Patientenprogrammen. Häufig gestellte Fragen wie • Wie lange dauert die Bearbeitung eines Versichertenantrags (noch)? • Wie viele Geschäftsvorfälle sind innerhalb der maximalen zeitlichen Vorgabe liegen geblieben? • Wie lange dauern die Durchlaufzeiten eines Prozesstyps in verschiedenen Orga-Einheiten insgesamt? beantwortet das Prozesstracking einfach und präzise per

*Rainer Clüsserath ist Head of Value Engineering bei SAP Deutschland.

“Zentrales Online-System”

Kein Ausschluss vom Wettbewerb

Kein Kita-Anmelde-Chaos von Dr. Ulrich Keilmann

Konditionenverträge fallen nicht unter das Vergaberecht (BS/jf) Nach den Konditionenverträgen des Bundes mit dem Unternehmen Microsoft und dem daraus folgenden Einkauf von Software-Lizenzen erkundigte sich Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) im Bundestag. Er fragte nach der Rabattgewährung und der Anwendung des Vergaberechts – und erhielt Antwort. Der Bundestagsabgeordnete wollte wissen, ob geschlossene Konditionenverträge mit dem Software-Riesen eine Klausel enthalten, wonach lizenzberechtigten öffentlichen Stellen die gewährten Rabatte auf Listenpreise entzogen werden können, wenn diese ein Software-Produkt eines anderen Herstellers nutzen. Nein, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder: “Die im Jahr 2015 abgeschlossenen Konditionenverträge des Bundes mit Microsoft enthalten keine solche Klausel. Aufgrund der Konditionenverträge des Bundes werden öffentlichen Stellen keine Rabatte eingeräumt.” Microsoft verpflichte sich in den Verträgen, den Händlern Rabatt einzuräumen. Diese gelten, wenn der Händler als Zwischenhändler Software-Produkte einkaufe und an die öffentliche Hand weiterveräußere. Des Weiteren interessierte sich der Parlamentarier, ob diese

Bedarfsträger erhalten Rabatte beim Kauf von Softwarelizenzen nur, wenn sie von Zwischenhändlern gegeben werden. Der Hersteller hat darauf keinen Einfluss. Foto: BS/Kurt Michel, pixelio.de

Praxis mit dem Vergaberecht vereinbar sei. Die Verträge unterliegen nicht dem Vergaberegime, sagte Schröder mit Verweis auf eine Entscheidung der VK Düsseldorf aus dem Jahr 2008. Deshalb müsse bei einem Bedarf an Software-Lizenzen eigens ein Vergabeverfahren durchgeführt werden. “Soweit es aufgrund vergaberechtlicher Vorschriften zulässig ist, ist dabei eine Beschränkung auf Microsoft-Produkte möglich.”

Für den Bereich des Bundes schreibe das Beschaffungsamt (BeschA) des Bundesministeriums des Innern (BMI) regelmäßig Handelspartnerrahmenverträge aus. Der in dieser Ausschreibung obsiegende Handelspartner liefert dann Microsoft-Produkte für die Bedarfsträger, die sich im Vorfeld gemeldet hätten. Die Ausschreibung dieser Handelspartnerrahmenverträge werde jeweils EU-weit bekannt gemacht und sei weder auf bestimmte Händler beschränkt noch würden die Konditionenverträge des Bundes als Beschaffungsgrundlage vorausgesetzt. Tatsächlich fände ein intensiv geführter Wettbewerb um diese Ausschreibungen statt. Ob und in welchem Umfang die Händler die ihnen gewährten Rabatte weitergeben, liege in deren Entscheidungsbereich. Eine Verpflichtung zur Weitergabe durch Microsoft sei kartellrechtlich unzulässig.

Welche Eltern kennen nicht die Situation: Sie wollen verständlicherweise die beste frühkindliche Betreuung für ihr Kind. Da aber nicht sicher ist, ob sie einen Platz erhalten, melden sie sich nicht einfach nur bei der Kommune, sondern auch bei den freien Trägern (Kirchen, AWO etc.) an. Leider mit unliebsamen Folgen für alle. Stadt und freie Träger verteilen die Plätze zu oft und mit zu großem Aufwand (u. a. Abstimmungstreffen vor Beginn des Kindergartenjahres) und dennoch leider nicht wirklich effizient. Vielmehr stellen sie regelmäßig danach fest, dass viele Eltern für ihr Kind bereits einen anderen Platz haben. Die Eltern ärgern sich, weil sie den Platz in ihrem “Wunschkindergarten” doch nicht bekommen, sondern ans andere Ende der Stadt müssen. Der Stadt und den Trägern wird von Prüfern vorgehalten, trotz offenkundiger Nachfrage den Auslastungsgrad ihrer Einrichtungen nicht zu erreichen. Die Kinder merken die Auswirkungen

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/Hessischer Rechnungshof

erst später. Dann aber meist unter Tränen, wenn Sie von ihren Kindergartenfreunden getrennt werden, weil sie in eine andere Grundschule gehen sollen. Dabei geht es auch ganz einfach. Ein zentrales OnlineAnmeldesystem für Stadt und freie Träger macht eine frühzeitige Anpassung des Angebots an die tatsächliche Nachfrage möglich, es entlastet die Verwaltung, verbessert die Steuerung des Auslastungsgrads und der benötigten Zahl an Fachkräften. Die Eltern müssen ihr Kind nur ein einziges Mal anmelden und müssen sich nicht anschließend um

die “Optimierung” des zugewiesenen Platzes kümmern. Eine Win-win-Situation für alle, Stadt, freie Träger, Eltern und Kinder. Dabei hatten die freien Träger in der von uns untersuchten Kommune zusätzlich sogar die Möglichkeit, innerhalb eines festgelegten Kontingents Direktanmeldungen von Kindern online vorzunehmen. Deswegen empfiehlt die Überörtliche Prüfung den Städten, ein zentrales Anmeldesystem einzuführen. Dabei sollte auch die Möglichkeit einer interkommunalen Vorgehensweise in Betracht gezogen werden. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn in Verdichtungsräumen weiterhin Mehrfachanmeldungen über Stadtgrenzen hinweg vorgenommen werden. Lesen Sie mehr zum Thema “Kinderbetreuung” im Kommunalbericht 2016, Hessischer Landtag, Drucksache 19/3908 vom 2. Dezember 2016, S. 266 ff.


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abei äußerten sich fast alle anwesenden Sachverständigen positiv zu dem Gesetzentwurf. So betonte etwa Inge Niedek von der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (VDW), dass der Gesetzentwurf – sofern er beschlossen werden sollte – zu einer erheblichen Kostenreduzierung aufseiten der privaten Wetteranbieter führen werde. Dies wiederum habe zur Folge, dass von diesen neue innovative Produkte kreiert würden und noch mehr qualifiziertes Personal eingestellt werden könnte. Zudem könnten sie bessere Modelle für ihre Datenaufbereitung nutzen und der Markt werde künftig wohl nicht mehr nur von großen Anbietern dominiert, so die Diplom-Meteorologin. Aufgrund der Kostenvorteile könne es darüber hinaus zu höherwertigen Informationen kommen. Niedek verlangte außerdem: “Bei Gefahrensituationen sollte es eine Warnung an die Bevölkerung aus einer Hand geben. Das sollte der Deutsche Wetterdienst machen.”

DWD leistet Daseinsvorsorge Auch Antje Schumacher-Bergelin von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi äußerte sich positiv zum Gesetzesentwurf. Es sei zu begrüßen, dass künftig alle Leistungen des DWD der Allgemeinheit kostenfrei zugutekommen sollen. Damit werde

Behörden Spiegel / Mai 2017

Zustimmung überwiegt deutlich Fast durchweg positives Echo zu verstärkter Datenweitergabe (BS/mfe) Dem Deutschen Wetterdienst (DWD) soll es künftig erlaubt sein, entgeltfrei meteorologische Daten und Leistungen im Kernbereich der Meteorologie und auf dem Feld umwelt- und klimaschutzrelevanter Informationen abzugeben. Das soll insbesondere für Daten zur Warnung vor Wettergefahren gelten, heißt es in einem Gesetzentwurf der Bundesregierung. Dieses Vorhaben war kürzlich Gegenstand einer öffentlichen Anhörung im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. der Auftrag der Daseinsvorsorge durch die Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesverkehrsministeriums vollumfänglich erfüllt. Zugleich kritisierte Schumacher-Bergelin aber die kommerzielle Weiterverwendung dieser vom Staat finanzierten und dann kostenlos zur Verfügung gestellten Datenerhebungsleistungen durch private Unternehmen. Darüber hinaus mahnte sie an, erforderliche personelle Veränderungen und Verschiebungen innerhalb des DWD aufgrund der neuen Rechtslage sozialverträglich zu gestalten. So verlange Verdi unter anderem den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und Versetzungen gegen den Willen des Beschäftigten sowie einen Schutz vor Herabgruppierungen für betroffene DWD-Mitarbeiter.

Neuerung ist im Sinne des Wettbewerbs Ebenfalls begrüßt wurde das Vorhaben der Bundesregierung vom Vertreter der Open Know-

fördert außerdem nicht nur den Wettbewerb und Innovation. Sie ist auch ein Mittel, um finanzschwächeren Akteuren die Arbeit mit den Daten zu erleichtern.”

Vorhaben verfassungswidrig?

Im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages wurde über die Änderung des DWD-Gesetzes debattiert. Demnach soll der Bundesoberbehörde künftig die Möglichkeit eingeräumt werden, Daten vermehrt gebührenfrei herauszugeben. Die geladenen Sachverständigen äußerten sich überwiegend positiv zu dem Vorhaben. Foto: BS/Feldmann

ledge Foundation Deutschland, Arne Semsrott. Er unterstrich: “Das Ziel der Bundesregierung, den Zugang zu und die Nutzung von meteorologischen Daten für Bürgerinnen, Verwaltung und Privatwirtschaft zu vereinfa-

G20-Digitalministertreffen

chen, begrüßen wir daher ausdrücklich.” Die Abschaffung der Gebühren sei bereits ökonomisch sinnvoll. Der Aufwand zu ihrer Erhebung habe bereits in der Vergangenheit in keinem angemessenen Verhältnis zu den erzielten Erträgen gestanden, meinte Semsrott. Und er ergänzte: “Die offene Bereitstellung der Daten und Leistungen

Deutliche Kritik übte hingegen Dennis Schulze vom Verband Deutscher Wetterdienstleister (VDW). Seines Erachtens begegnet die geplante Gesetzesänderung massiven ordnungspolitischen Bedenken. So stelle die geplante unbegrenzte Möglichkeit des entgeltfreien Anbietens meteorologischer Leistungen durch den DWD als steuerfinanzierte Behörde eine Wettbewerbsverzerrung dar. Außerdem monierte Schulze: “Mit dem Gesetzentwurf würde es dem DWD in verfassungswidriger Weise gestattet werden, in funktionierende Märkte für meteorologische Dienstleistungen, die seit Langem erfolgreich von Privaten erbracht werden, einzugreifen.” Des Weiteren würde die Novellierung in mehreren Punkten gegen Unionsrecht verstoßen.

Radardaten für Feuerwehrleute äußerst relevant Wiederum lobend äußerte sich Ralf Ackermann vom Deutschen Feuerwehrverband (DFV). Er unterstrich die Bedeutsamkeit von Radardaten und Informationen über das Blitzgesehen für die Einsatzkräfte und sagte: “Mit der Gesetzesänderung wird letztendlich möglich, alle umfassenden Wetterinformationen, die im Unwetterfall benötigt werden, aus einer Hand zu bekommen.” Unverzichtbar sei in diesem Zusammenhang vor allem, dass die amtlichen Warnungen in allen Gefahrstufen zu sehen seien. Für die Einsatzkräfte des Brand- und Katastrophenschutzes und insbesondere für die Freiwilligen Feuerwehrleute sei es von großer Wichtigkeit, dass sie die Möglichkeit hätten, kostenfrei und aktuell über die Wetterentwicklungen und Warnungen informiert zu sein und zu Gefahrenlagen schnell und unkompliziert Zugang zu erhalten. Ackermann verdeutlichte: “Es kann nicht erwartet werden, dass für Gefahrenmeldeprogramme auf den heutigen Smartphones noch private Kosten für die überwiegend ehrenamtlichen Einsatzkräfte entstehen.” Und hier sei der DWD nun einmal die “einzige absolut verlässliche Quelle”, so der DFV-Experte. Abschließend lobte er: “Der DWD als Behörde ist ein verlässlicher, kooperativer Partner, der immer im Sinne der Katastrophenabwehr gehandelt hat.”

Die Digitalisierung gemeinsam gestalten (BS/stb) Im Rahmen von Deutschlands G20-Präsidentschaft 2017 lud die Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Brigitte Zypries, die für die Digitalisierung zuständigen Minister der G20-Staaten zu einem Treffen nach Düsseldorf. Das erste Zusammenkommen dieser Art sollte einen Austausch über wichtige Handlungsfelder für die Gestaltung der digitalen Transformation ermöglichen. Ergebnis des Digitalministertreffens ist ein gemeinsames Arbeitsprogramm mit elf Schwerpunkten. Im Mittelpunkt stehen digitale Inklusion und Bildung, Stärkung des Vertrauens in die digitale Welt und fairer Wettbewerb in der digitalen Wirtschaft. “Es ist uns gelungen, ein gemeinsames Verständnis darüber zu entwickeln, welche Handlungsfelder in der weltweiten Digitalisierung in den kommenden Jahren besprochen und gemeinsam vorangebracht werden müssen”, sagte Bundeswirtschaftsministerin Zypries zur Ministererklärung.

Internet für alle Besonders ambitioniert ist das Vorhaben, bis 2025 alle Menschen mit Internetanschlüssen zu versorgen. Dabei soll auch die digitale Kluft zwischen den Geschlechtern überwunden werden – Geschlechtergleichheit bei der Internetnutzung soll schon bis 2020 erreicht werden. Um die digitale Wirtschaft zu fördern, soll besonders in Industrie 4.0 und smarte Lösungen für Versorgung, Landwirtschaft und Mobilität investiert werden. Internationale Standards sollen auf den Weg gebracht werden, um fairen Wettbewerb zu sichern und um auf hochgradiger Vernetzung basierende Technologien grenzübergreifend besser nutzen zu können. Teilhabe und Vertrauen in digitale Angebote sollen verbessert werden. Darum wollen die G20Staaten digitale Bildung und Weiterbildung fördern. Außerdem soll der Verbraucherschutz gestärkt werden, weil Vertrauen in die digitale Welt als eine Voraussetzung für ihren Erfolg gesehen wird.

ßungsrede zur Begleitveranstaltung des Digitalministertreffens deutlich. Auf der Multi-Stakeholder-Konferenz in Düsseldorf diskutierten Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die nötigen Schritte und Prozesse für die Gestaltung der digitalen Zukunft. Zypries warb für einen offenen und transparenten Austausch aller Akteure: “Wir wollen gut zuhören und wissen, was die verschiedenen Stakeholder der Politik mitgeben können, damit es in Gesetzgebungsprozesse einfließen kann.” Sie forderte ein aktives Bemühen um die digitale Transformation, damit man nicht Disruptionen bei Wirtschaft und Beschäftigung aufsitze. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) lud dazu internationale Gäste zu drei Schwerpunkt-Podiumsdiskussionen ein. Zum Schwerpunktthema Wachstum und Beschäftigung wurden nötige Weichenstellungen diskutiert, mit denen Potenziale der Digitalisierung für mehr Wohlstand genutzt werden können, ohne dass der Wandel in vielen Branchen zu hohen Verlusten an Arbeitsplätzen führt.

Die zweite Expertenrunde widmete sich der Digitalisierung in der Produktion. Hier wurden vor allem Möglichkeiten gefordert, Prozesse international durch Normen und Standards zu harmonisieren, um globale Partnerschaften zu erleichtern und fairen Wettbewerb zu fördern. Auch die Podiumsdiskussion zum Thema Transparenz und Vertrauen drehte sich besonders um Normen und Standards. Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass Vertrauen in digitale Technologien eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Wandel hin zur immer stärker vernetzten Welt ist. Für Geschäftsmodelle, die auf der Nutzung von persönlichen oder geschäftlichen Daten basieren, sollen gemeinsame Ansätze von Politik, privatem Sektor und Zivilgesellschaft gefunden werden, die Kontrolle über die eigenen Daten erlauben. Ein Vorschlag sieht vor, dass Unternehmen persönlich Daten zukünftig nur noch in verschlüsselter Form erheben sollen – über ein Rechtemanagementsystem könnten die Kunden dann regeln, wie welche Daten durch das Unternehmen verwendet werden können.

Gemeinsame Lösungen gesucht Diese ambitionierten Ziele können nicht durch politische Alleingänge erreicht werden. Das machte Zypries in ihrer Begrü-

Bundeswirtschaftsministerin Zypries sprach sich für internationale und gesamtgesellschaftliche Lösungen aus, um die Digitalisierung so zu gestalten, dass fairer Wettbewerb, Teilhabe und Vertrauen gefördert werden. Foto: BS/BMWi, Maurice Weiss

E-Rechnungs-Verordnung Rasche Einführung der E-Rechnung in Deutschland (BS/Sabine Groß*) Rund um den Globus führen Unternehmen und öffentliche Verwaltung die E-Rechnung mit hohem Tempo ein. In zahlreichen Ländern ist sie für die Rechnungsstellung an die Öffentliche Hand bereits verbindlich vorgeschrieben. Mexiko und anderen lateinamerikanischen Staaten kommt hierbei eine führende Rolle zu. Aber auch in Nordeuropa und der Schweiz ist die E-Rechnung bereits sehr weit verbreitet und in Ländern wie z. B. Australien, China, Kasachstan, Japan und USA steht das Thema sehr weit oben auf den Tagesordnungen. Vielerorts baut man auf Erfahrungen aus den führenden Ländern auf und die Einführung erfolgt im Zusammenspiel aller Marktteilnehmer zielgerichtet und schnell. Die Bekämpfung von Steuerbetrug mag in vielen Ländern ein wichtiger Treiber sein. Von zentraler Bedeutung sind aber die mit der E-Rechnung einhergehenden Effizienzsteigerungen und die damit verbundenen Kosteneinsparungen im Zuge einer automatisierten Bearbeitung in den vor- und nachgelagerten Schritten von der Bestellung bis zur Bezahlung (Purchase-to-Pay bzw. Orderto-Cash). Nebst den offensichtlichen Einsparungen bei Porto und Papier sind eine insgesamt höhere Prozessgeschwindigkeit, eine geringere Fehlerquote sowie die Möglichkeit, neue Services rund um die Rechnung (z. B. individuelle Finanzierungsmöglichkeiten) anzubieten, die Hauptargumente für eine rasche und möglichst umfassende Einführung. In Deutschland arbeiten zahlreiche Großunternehmen bereits seit einigen Jahren erfolgreich mit der E-Rechnung und rollen diese nun rasch auch für mittelgroße und kleine Zulieferer aus. Zudem rückt die bis zum 27. November 2018 verpflichtende nationale Verankerung der EU-Richtlinie 2014/55 die E-Rechnung in der Öffentlichen Verwaltung in das Zentrum des Interesses. Detaillierte Ausführungen zu den aktuellen Marktentwicklungen und -prognosen bietet die Marktstudie “E-Invoicing Market Report” an. Die Ausgabe 2016 kann hier kostenfrei bezogen werden: www.exchange-summit.com/market-report. Für Ende Mai ist die Veröffentlichung der Ausgabe 2017 angekündigt. Johannes von Mulert, Geschäftsführer der Vereon AG und Gründer des Exchange

Summits, begleitet seit über 15 Jahren die aktuellen Entwicklungen rund um die E-Rechnung und verfügt über ein umfangreiches globales Netzwerk aus Experten und Praktikern. Mehrere Tausend Teilnehmer profitieren im Rahmen der von ihm angebotenen Fachtagungen von einem zielgerichteten und persönlichen Austausch von Informationen und Erfahrungen zwischen Experten und Anwendern aus Verwaltung und Unternehmen sowie Lösungsanbietern auf internationaler und nationaler Ebene. Zahlreiche formelle und informelle Arbeitsgruppen konnten dort schon angebahnt werden und unterstützen die reibungslose und effiziente Einführung der E-Rechnung.

Voneinander lernen Gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern (BMI) und dem Verband elektronische Rechnung (VeR) präsentiert er nun im dritten Jahr eine deutschsprachige Ausgabe des Exchange Summits. Der ERechnungs-Gipfel auf Schloss Biebrich in Wiesbaden ist im Juni für über 150 Teilnehmer/innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz der Treffpunkt, um anstehende Themen zu diskutieren und aus bereits vorliegenden Erfahrungen von-

3. E-Rechnungs-Gipfel 27. und 28. Juni 2017 Schloss Biebrich Wiesbaden www.e-rechnungsgipfel.de

einander zu lernen. Staatssekretär Klaus Vitt berichtet als Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik in seiner Keynote über die Anforderungen und Lösungen einer digitalisierten Verwaltung. Weitere Vorträge beleuchten die E-Rechnungs-Verordnung als Meilenstein in der E-Government Strategie und zeigen Anwendungsbeispiele beispielsweise aus Hamburg, Bremen und Gießen. Einen interessanten Blick über den Tellerrand ermöglicht Kerstin Wiss Holmdahl in ihrem Vortrag zu den langjährigen Erfahrungen rund um den Einsatz von ERechnung und E-Procurement in Schweden – einem Land, das als eines der ersten die E-Rechnung eingeführt hat. Guido Gehrt vom Behörden Spiegel moderiert eine spannende Podiumsdiskussion zu den Auswirkungen der Rechtsverordnung zum E-RechnungsGesetz auf Unternehmen, öffentliche Verwaltung und Dienstleister. Als Diskutanten haben sich bereits u. a. Staatssekretär Klaus Vitt, Staatsrat Hans-Henning Lühr sowie Marcus Laube als Vorstandmitglied des Verbandes elektronische Rechnung angekündigt. Weitere Informationen rund um die E-Rechnung, eine umfangreiche Marktstudie zum Thema E-Rechnung als kostenloser Download sowie Anmeldemöglichkeiten zum diesjährigen ERechnungs-Gipfel stehen auf www.e-rechnungsgipfel.de zur Verfügung. * Sabine Groß ist für die Vereon AG tätig, die den E-RechnungsGipfel veranstaltet.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Mai 2017

Seite 39

Mehr politisch motivierte Cyber-Attacken

Firmen mangelt es an Problembewusstsein

Bilanz für 2016

Sensibilität für Wirtschaftsschutz oftmals noch ausbaufähig

(BS/th) Staatliche Hacker-Angriffe nehmen immer mehr zu. Die Sorge der Niederländer vor einer möglichen Wahlbeeinflussung aus dem Ausland war so groß, dass sie bei ihrer Wahl Mitte März vollständig auf die seit einigen Jahren genutzten Wahlcomputer verzichtet haben und die Wahl wieder vollständig auf Papier durchgeführt wurde. Der vollständige Verzicht auf IT während einer Wahl steht für einen weltweiten Trend. Wahlen stehen zunehmen im Fokus von staatlichen Hackern. Zu diesem Schluss kommt auch der jährlich erscheinende Internet Security Threat Report (ISTR) von Symantec.

(BS/mfe) Das Problembewusstsein für die Gefährlichkeit von Cyber-Angriffen ist bei zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Deutschland noch nicht genügend ausgeprägt. Das kritisierte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Dr. Hans-Georg Maaßen. Dabei sei eine hohe Sensibilität in diesem Bereich so entscheidend. Denn: “Für uns ist das Thema Wirtschaftsschutz wichtiger denn je.”

“Dieses Jahr konnten wir einschneidende Veränderungen bei der Motivation und Ausrichtung der Attacken feststellen”, so Candid Wüest, Principal Threat Researcher bei Symantec. “Die Welt wurde Zeuge, wie einige Staaten ihre Bemühungen, politische Prozesse zu manipulieren und Sabotageaktionen durchzuführen, verdoppelt haben. Gleichzeit konnten Cyber-Kriminelle mit Cloud-Services und simplen IT-Werkzeugen Störungen in bislang unbekanntem Ausmaß verursachen.”

Sabotage nimmt zu Die Cyber-Attacken gegen die Demokratische Partei in den USA und die anschließende Veröffentlichung gestohlener Informationen stehen stellvertretend für den neuen Trend: Kriminelle greifen offenkundig öffentlich wahrnehmbar Organisationen und Staaten an, um diese zu destabilisieren. Cyber-Angriffe mit dem Ziel der Sabotage waren in der Vergangenheit relativ selten. Die als erfolgreich empfundenen Attacken wie bei den US-Wahlen und im Fall von Shamoon, einem Computerwurm, der bei einem mutmaßlich durch den Iran durchgeführten Cyber-Angriff auf die Ölindustrie in SaudiArabien verwendet wurde, weisen auf die zunehmenden Versuche Krimineller hin, politische Vorgänge zu beeinflussen und in anderen Ländern Unruhe zu stiften.

Finanziell motivierter Angriff durch Nordkorea? Eine neue Art von Angreifern hat es auf große finanzielle Gewinne abgesehen. Die größten Diebstähle passieren inzwischen virtuell, Cyber-Kriminelle stehlen dabei Milliarden. Während einige dieser Angriffe auf das Konto organisierter krimineller Gruppierungen gehen, scheinen nun zum ersten Mal auch Nationalstaaten involviert zu sein. Symantec hat Belege, die Nordkorea mit Attacken auf Banken in Bangladesch, Vietnam, Ecuador und Polen in Verbindung bringen. Des Weiteren nutzten CyberKriminelle 2016 verstärkt EMails als Angriffsvektor. Die Untersuchungen haben erge-

ben, dass weltweit eine von 131 E-Mails bösartige Links oder Anhänge enthielt. Das ist der höchste Wert der vergangenen fünf Jahre. In Deutschland ist die Rate sogar noch höher: Hier war eine von 94 E-Mails mit einem bösartigen Link oder verseuchten Anhang versehen. Außerdem wurden durch sogenannte Business E-MailCompromise-BEC)-Betrugsfälle über die letzten drei Jahre mehr als drei Milliarden Dollar erbeutet und dabei 400 Unternehmen pro Tag angegriffen. Für diese Art des Betrugs sind nicht mehr als sorgfältig zusammengestellte Spear-Phishing E-Mails nötig.

Internet of Things unzureichend gesichert Vernetzte Haushaltsgeräte wie Lampen, Kühlschränke, Router oder Kameras werden immer beliebter. Da Sicherheit bei ihrer Entwicklung und Produktion dieser Produkte keine Rolle spielt, werden sie von Angreifern besonders gerne für sogenannte DDos-Attacken genutzt. Bei derartigen Angriffen werden durch permanenten Zugriff auf bestimmte Seiten oder Systeme diese überlastet, sodass sie sich schließlich abschalten. Dies geschah z. B. bei dem Angriff auf Tausende Router der Deutschen Telekom Ende November, der dazu führte, dass Zehntausende Telekom-Kunden zum Teil mehr als einen Tag offline waren. Der Sicherheitsanbieter Akamai hat 2016 etwas Ungewöhnliches ausgemacht. Demnach kamen 24 Prozent aller DDOs-Angriffe aus den USA, zehn Prozent aus Großbritannien und sieben Prozent aus Deutschland. China, das bisher als Hauptquelle für DDOs-Angriffe galt, lag mit sechs Prozent nur noch auch dem vierten Rang.

Risiken von Cloud-Angeboten Die steigende Abhängigkeit von Cloud-Services erhöht das Angriffsrisiko für Organisationen und Unternehmen. Zehntausende Cloud-basierter Datenbanken wurden 2016 mit Lösegeldforderungen gekapert, nachdem Benutzer veralteter Datenbanken diese ungeschützt und ohne notwendige Authentifizierung online zugänglich

machten. Grundsätzlich bleibt Sicherheit in der Cloud für Chief Information Officers (CIOs) eine große Herausforderung. Laut den Daten von Symantec haben viele CIOs den Überblick darüber verloren, wie viele Cloudbasierte Programme in ihrem Unternehmen genutzt werden. Die meisten vermuten, dass es innerhalb ihrer Organisation nicht mehr als vierzig Applikationen sind. Dagegen haben die Recherchen von Symantec ergeben, dass es durchschnittlich sogar beinahe Tausend sind. Diese Diskrepanz führt häufig zu fehlenden Vorgaben und Verhaltensrichtlinien für den Umgang mit Cloud-Services im Unternehmen, was deren Einsatz noch riskanter macht – die “Risse” in der Cloud werden also größer.

Aus diesem Grunde unternehme sein Amt auch viel, um Firmen hierzulande über Bedrohungen aus dem digitalen Raum aufzuklären. Dazu gehörten unter anderem eine Roadshow, regelmäßige Newsletter und ein Handbuch zum Wirtschaftsschutz, erläuterte Maaßen. Zugleich räumte der BfV-Präsident allerdings auch ein: “Die Unternehmen in Deutschland stehen angesichts von Industrie 4.0 unter einem enormen Innovationsdruck.” Im Zuge dieser Entwicklung nehme aber auch die Angriffsfläche, die Internetkriminellen geboten werde, zu. Maaßen unterstrich: “Die umfassende Digitalisierung des wirtschaftlichen Handelns eröffnet neue Chancen für die deutsche Wirtschaft. Zugleich ruft die Digitalisierung auch bislang unbekannte oder unvorstellbare Risiken und

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Dr. Hans-Georg Maaßen, appellierte an deutsche Firmen, dem Thema Wirtschaftsschutz eine größere Bedeutung beizumessen. Foto: BS/Dombrowsky

Verwundbarkeiten hervor.” Deutschland gerate immer stärker in den Fokus von Spionageaktivitäten staatlicher und nicht staatlicher Akteure.” Deshalb sei ihm eines besonders wichtig, so der Behördenleiter: “Nur in der sicherheitspartnerschaftlichen Zusammenschau

durch alle relevanten Akteure erreichen wir ein höheres Schutzniveau für unsere Volkswirtschaft.” Maaßen musste allerdings einräumen: “Wir wissen nicht, wie viele Angriffe auf die deutsche Wirtschaft es gibt. Dazu haben wir keine aktuellen Zahlen.”

schaft bremenports bestätigte den Angriff gegen den Provider ihrer Internetseite eWerk. Externe Server und die Internetseite seien manipuliert worden. Das Unternehmen machte aber deutlich, dass über den Webseitenbetreiber auf keine vertrau-

lichen Daten hätte zugegriffen werden können. Außerdem sei die IT-Struktur der Hafengesellschaft selbst nicht betroffen gewesen. Einem Sprecher zufolge wird bremenports nun gegen die unbekannten Täter Strafanzeige stellen.

MELDUNG

Hackerangriff auf Webseiten (BS/stb) Unbekannte Hacker haben elf Webseiten von norddeutschen und niederländischen Anbietern angegriffen. Sie ersetzten die Seiten durch anti-europäische Botschaften und Fotos des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

In einem Bekennerschreiben gaben sich die mutmaßlichen Täter als türkische Staatsbürger aus und begründeten die Tat als Reaktion auf Demütigungen gegen das türkische Volk durch europäische Staaten. Die Bremische Hafengesell-

PITS 2017 www.public-it-security.de Deutschlands größte Kongress-Messe für IT-Sicherheit bei Behörden

Vernetzte Welt – vernetzte Sicherheit 12.–13. September 2017, Hotel Adlon, Unter den Linden 77, 10117 Berlin Referenten u. a.:

KOLUMNE Udo Schneider, Security Evangelist bei Trend Micro wirksamen Schutz Die Modernisieihrer oftmals senrung von Verwalsiblen Daten und tungsvorgängen Prozesse sorgen. geht einher mit Die spezifischen einer fortschreiAnforderungen von tenden DigitaliVerwaltungen auf sierung, durch die organisatorischer Behörden und Pound technischer litik in wachsenFoto: BS/Trend Micro Ebene erfordern dem Maße neuen dabei einen mehrBedrohungen ausgesetzt werden. Deutlich mach- schichtigen Schutz, der auf alten dies jüngst die Angriffe der len Ebenen der IT-Infrastruktur Hacker-Gruppe Pawn Storm auf wirksam ist. die IT-Systeme des Deutschen Wie Sie Ihre IT-Systeme wirkBundestages, der CDU, parteinaher Stiftungen sowie der sam schützen können, erfahren Kampagne des französischen Sie bei Trend Micro auf dem 15. Präsidentschaftskandidaten Deutschen IT-SicherheitskonMacron. Behörden auf Bun- gress vom 16.–18. Mai 2017 in des-, Landes- und kommunaler Bonn sowie auf www.trendmi Ebene müssen daher für einen cro.de .

Andreas Könen

Leiter der Stabsstelle „IT- und Cybersicherheit; sichere Informationstechnik“, Bundesministerium des Innern

Foto: privat

Foto: Dombrowsky

Vielschichtiger Schutz für sensible Daten

Foto: Dombrowsky

Trend Micro Security-Tipp

Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek Lehrstuhl für Kommunikationssysteme und Netzsicherheit, Universität der Bundeswehr München

Dr. Andreas Mück

IT-Sicherheitsbeauftragter (CISO)

des Freistaats Bayern, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen für Landesentwicklung und Heimat

Folgende Themen sind u. a. geplant: • ISMS • Awareness / Social Engineering • Cyber Defence • Schutz öffentlicher Netze • Notfall-Konzepte • Trusted Cloud • Cyber-Kriminalität • Darknet

Technologie-Partner:

• Sicherheit mobiler Endgeräte • IT-Sicherheitsbeauftragte • Schutz öffentlicher Infrastruktur • IT-Sicherheitsstrategien • Digitale Forensik • Management von Zugriffsrechten • Ransomware • Advanced Persistent Threats (APT)

Eine Veranstaltung des


IT-Sicherheit / BSI-Kongress

Seite 40

Behörden Spiegel / Mai 2017

BSI-Kongress

Digitalisierung nicht ohne Cyber-Sicherheit

Digitale Gesellschaft zwischen Risikobereitschaft und Sicherheitsbedürfnis

Widerstandsfähigkeit gegen Cyber-Gefahren muss erhöht werden

(BS/stb) Alle zwei Jahre veranstaltet das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) den Deutschen IT-Sicherheitskongress, um Experten und Verantwortlichen für IT-Sicherheit in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft eine Plattform zum Austausch über die neuesten Entwicklungen und Lösungsansätze in der IT-Sicherheit bereitzustellen. 2017 wird der BSI-Kongress vom 16. bis 18. Mai unter dem Motto “Digitale Gesellschaft zwischen Risikobereitschaft und Sicherheitsbedürfnis” in Bonn-Bad Godesberg ausgerichtet.

(BS/Arne Schönbohm) Die Digitalisierung hat mittlerweile fast alle Bereiche unseres Lebens erreicht. Auch in der Verwaltung arbeiten wir bereits heute vielerorts IT-gestützt und hochgradig vernetzt. E-Government, Mobile Work, E-Akte oder Open Data sind Beispiele für die fortschreitende Digitalisierung, die ohne die notwendige Cyber-Sicherheit jedoch nicht erfolgreich sein wird.

Das Thema IT-Sicherheit ist mittlerweile in der Gesellschaft angekommen. Dass die zunehmende Digitalisierung aller Lebensbereiche auch erhebliche Gefahren birgt, muss jedem klar sein, spätestens seit sich Meldungen über Cyber-Attacken nicht nur gegen Unternehmen, sondern auch gegen Energieversorger, Krankenhäuser, Kommunikationsdienstleister und staatliche Einrichtungen häufen. Die Bedrohungslage ist weiterhin angespannt. Weil der Cyber-Raum immer attraktiver für Kriminelle wird. Weil die zunehmende Vernetzung und Automatisierung in den Bereichen Industrie, Versorgung und Verwaltung sowie Verkehr neue und größere Angriffsflächen schafft. Und weil IT-Sicherheit bei der Entwicklung und Wahl von ITProdukten nicht immer oberste Priorität hat.

Sicherheit und Wirtschaftlichkeit vereinbaren Sicherheit ist ein wichtiger Faktor für alle technischen Produkte und Dienstleistungen. In der Informationstechnik bereitet die Berücksichtigung dieses Faktors im gebotenen Maße aber besondere Schwierigkeiten. Einerseits, weil Innovation und Wandel in der Digitalisierung so rasch erfolgen, dass Anbieter fürchten müssen, den Anschluss zu verlieren, wenn sie nicht möglichst viele Ressourcen in die Verbesserung der Funktionalität ihrer Lösungen stecken. Andererseits, weil Sicherheit für die

Der Schutz von IT-Systemen, Daten und Prozessen mithilfe kryptografischer Verfahren ist ein Schwerpunkt beim 15. BSI-Kongress. Foto: BS/Christoph Scholz, cc by-sa 2.0, flickr.de

konkreten Kaufentscheidungen von Nutzern nicht immer ausschlaggebend ist. Es gilt, diesen ungünstigen Bedingungen zum Trotz Wege zu finden, wie ausreichende Sicherheit in informationstechnischen Produkten und Diensten flächendeckend etabliert werden kann. Sicherheit muss mit Wirtschaftlichkeit vereinbar werden. Dabei müssen Nutzer in die Lage versetzt werden, von den Vorteilen und Neuerungen der neuesten Technologien zu profitieren und gleichzeitig ihrem grundsätzlichen Sicherheitsbedürfnis gerecht zu werden.

Umfangreiches Programm Ein Lösungsansatz besteht in der frühzeitigen Entwicklung von Normen und Standards für neue Technologien, sodass kooperativ erarbeitete Sicherheitskonzepte schon bei der

Produktentwicklung berücksichtigt werden können. Diesem Ansatz widmet sich der Themenschwerpunkt “Zertifizierung und Standards” auf dem diesjährigen BSI-Kongress. Weitere Schwerpunkte thematisieren aktuelle und zukünftige Herausforderungen von konkreten Technologien und Branchen. Zu “Sicheres Cloud Computing”, “Industrielle Sicherheit / Internet der Dinge (IoT)” und “Sicherheit von Plattformen, Firmware und Betriebssystemen” diskutieren jeweils Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Weitere Themenschwerpunkte drehen sich um Grundlagentechnologien und organisatorische Aspekte zur Gewährleistung von Informationssicherheit und Vertrauen in digitale Produkte und Verfahren. Im Fokus hier: “Benutzbare sichere IT-Systeme und Sicherheitsmonitoring in kryptographisch geschützten Systemen”, “Sichere Identitäten” und “Management von Informationssicherheit.” Die rechtliche und die zivilgesellschaftliche Perspektive wird im Schwerpunkt “IT-Sicherheit und Recht” respektive “IT-Sicherheit in der Gesellschaft” beleuchtet. Dem Thema “CyberSicherheit”, also der Sicherung von IT-Systemen gegen Angriffe aus dem Cyber-Raum, widmen sich gleich zwei Schwerpunkte. Einen Blick in die – vielleicht nicht so ferne – Zukunft der Quantencomputer wagen Vertreter aus der Forschung unter dem Titel “Cyber-Security in the quantum age”.

Die Digitalisierung erschließt erhebliche gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Vorteile, beinhaltet aber auch, dass wir immer mehr sensible Prozesse vernetzten IT-Systemen überantworten. Besondere Herausforderungen entstehend dadurch im Bereich der Prävention, Detektion und Abwehr digitaler Angriffe, die zunehmend professionalisiert durchgeführt werden. So wurden 2016 die ITSysteme von Kommunen und kommunalen Krankenhäusern erfolgreich mit Ransomware angegriffen. Die Auswirkungen waren zum Teil erheblich: So kam es an vielen Stellen zu einem Ausfall von Teilen der ITInfrastruktur oder zum Verlust wichtiger Daten. Allein dieses Beispiel zeigt, wie verwundbar unsere digitalisierte Gesellschaft ist. Daher muss die Widerstandsfähigkeit Deutschlands gegen Cyber-Gefahren erhöht werden. Die Bundesregierung hat mit der Cyber-Sicherheitsstrategie im November 2016 wesentliche Weichenstellungen für eine in die Zukunft gerichtete CyberSicherheitspolitik getroffen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als die nationale CyberSicherheitsbehörde spielt dabei eine wesentliche Rolle. Nicht zuletzt durch die Verantwortung für den Schutz der Netze der Bundesverwaltung hat das BSI über Jahre hinweg Kompetenzen bei der Prävention, Detektion und Reaktion auf komplexe Cyber-Angriffe und IT-Sicherheitsvorfälle aufgebaut und un-

nikation und Diensten eine besondere Rolle einnehmen. Es gilt daher für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, einen Mittelweg zwischen zu viel Sicherheit und zu hoher Risikobereitschaft zu finden. Den Deutschen IT-Sicherheitskongress 2017, den das BSI vom 16. bis 18. Mai bereits zum 15. Mal in Bonn ausrichtet, haben wir daher unter das Motto “Digitale Gesellschaft zwischen Risikobereitschaft und Sicherheitsbedürfnis” gestellt. Wir erwarten wieder rund 600 Fachbesucher, die drei Arne Schönbohm ist PräsiTage lang über dent des Bundesamtes für Themen, Trends Sicherheit in der Informatiund Technologionstechnik. Foto: BS/BSI en der IT-Sicherheit diskutieren. Ziel des Kongresses ist es, das dern sowie in Wirtschaft und Thema aus unterschiedlichen Gesellschaft nutzbar gemacht. Blickwinkeln zu beleuchten, Hierzu bauen wir unsere Unter- Lösungsansätze vorzustellen stützungsangebote für Bund, und weiterzuentwickeln. Eine Länder und Kommunen ebenso begleitende Ausstellung erwie für die Wirtschaft kontinu- gänzt das Vortragsprogramm. Auch der Kongress wird deutierlich weiter aus. Ein Lösungsansatz besteht lich machen, dass die durch darin, bei aktuellen Entwick- die Digitalisierung angestolungen in Bereichen wie Auto- ßenen Entwicklungen durchmotive, Industrie 4.0 oder mobi- greifend sind und Deutschland len Anwendungen bereits jetzt verändern werden. Die Frage IT-Sicherheitsstandards zu for- der Sicherheit der eingesetzmulieren, die etablierte Vorge- ten Informationstechnik stellt hensweisen und Erkenntnisse sich damit nicht mehr nur nein die Produktentwicklung mit benbei, vielmehr ist Informaeinfließen lassen. Nicht zuletzt tionssicherheit eine wesentmuss auch der Schutz der Bür- liche Vorbedingung für eine gerinnen und Bürger bei der erfolgreiche Digitalisierung in Nutzung von digitaler Kommu- Deutschland. ter Beweis gestellt. Aus diesen operativen Erfahrungen entstehen viele gute Lösungsansätze für andere staatliche Stellen in Bund, Ländern und Kommunen, denen wir unser Knowhow zur Verfügung stellen. Im BSI als zentraler Stelle für Fragen der Informations- und Cyber-Sicherheit wird die Kompetenz des Bundes gebündelt und ausgebaut und durch Kooperationen mit anderen Institutionen in Bund und Län-

MELDUNG

Ransomware weiterhin große Gefahr (BS/stb) Auch im Jahr 2017 ist Erpressung mithilfe von Ransomware eine der häufigsten Bedrohungen für Unternehmen und Behörden im Cyber-Raum. Über neueste Erkenntnisse in dem Bereich informierten Experten auf dem diesjährigem a-i3/BSI-Symposium. Die zweitägige Veranstaltung wurde von der Arbeitsgruppe Identitätsschutz im Internet e. V. (a-i3) und dem Bundesamt für

Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) an der Ruhr-Universität Bochum abgehalten. Thomas Hungenberg vom BSI berichtete über die Verbreitung und Entwicklung der bisher erfolgreichsten Ransomware Locky. Außer in Deutschland sei diese starke VerschlüsselungsMalware noch in über 120 weiteren Ländern aufgetaucht. Schätzungen zufolge hätten die dahinter stehenden Gruppen

bis heute mehr als 15 Millionen Euro erpressen können. Obwohl die geforderten Lösegelder für einzelne betroffene Institutionen verhältnismäßig gering seien, riet Hungenberg, “die Täter nicht durch eine Zahlung zu unterstützen”, um das Ransomware-Geschäftsmodell nicht noch weiter zu befeuern. Man sei den Tätern gemeinsam mit den Strafverfolgungsbehörden inzwischen auf Spur.

IT-Grundschutz und ISIS12 IT-Sicherheit mit DocSetMinder (BS/Krzysztof Paschke*) Die Lösung DocSetMinder der GRC Partner GmbH unterstützt die Umsetzung der BSI-Standards und ISIS12 in der öffentlichen Verwaltung Die IT-Sicherheit kann sehr flexibel und effizient mit DocSetMinder umgesetzt werden. In Abhängigkeit von der Behördengröße und den Anforderungen an ein ISMS kann zwischen

Modulen für die Umsetzung von ISIS12, BSI-Standards oder ISO 27001 gewählt werden. Die Modul-Architektur erlaubt einen nahtlosen Übergang von ISIS12 zum IT-Grundschutz.

Optional stehen die Module “BSI 200-2” (Draft), “BSI 2003”, “Krisenmanagement” und die “EU-Datenschutz-Grundverordnung” zur Verfügung. Die erfassten Sicherheitskonzepte werden in der SQL-Datenbank sicher nach AES-256 verschlüsselt. Für eine reibungslose Datenübernahme aus dem GS-Tool kann der grafische Import-Assistent eingesetzt werden. Hierbei kann der Nutzer selbst festlegen, welche IT-Verbünde, Zielobjekte und verwendeten Bausteine mit den Maßnahmen übernommen werden sollen. Die Lösung bietet somit eine hervorragende Grundlage, um die Behörden sicher und “Ready for Audit” zu machen. *Krzysztof Paschke ist Geschäftsführer der GRC Partner GmbH.


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IT-Sicherheit / BSI-Kongress

Behörden Spiegel / Mai 2017

D

och gerade Behörden mit Sicherheitsaufgaben suchen derzeit Kräfte in hoher Zahl – und stehen notwendigerweise auch untereinander in Konkurrenz. 2017 sollen Tausende von Stellen neu besetzt werden. Den größten Bedarf generiert derzeit die Bundeswehr mit dem kürzlich aufgestellten neuen Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum (CIR): Gesucht sind insgesamt 1.850 IT-Soldaten und -Administratoren. Ebenfalls in diesem Jahr wird die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) eingerichtet, die als Forschungseinrichtung Sicherheitsbehörden mit Produkten und Expertise zur Bekämpfung von Cyber-Bedrohungen versorgen soll. Noch im Jahr 2017 hofft man, 120 Stellen besetzen zu können, bis 2022 soll auf 400 Stellen aufgestockt werden. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sucht seiner Webseite zufolge “180 neue Köpfe für eine gemeinsame Mission”. Auch Geheimdienste und Polizeien suchen regelmäßig Kräfte mit Expertise für IT-Sicherheitsthemen: Computer-Forensik, Kryptografie, Netzwerksicherheit, Softwareentwicklung, Datenanalyse, Hacking. Im Bundeskriminalamt (BKA) bestehe aufgrund der allgemein bekannten Sicherheitslage “ein erhöhter Bedarf an qualifiziertem Personal”, dem man mit einem “deutlichen Personalzuwachs” Rechnung tragen werde, wie ein Sprecher mitteilt.

Konkurrenz ist hoch Der Fachkräftemangel in der IT-Branche wird seit Jahren beklagt. Einer Bitkom-Studie vom letzten Herbst zufolge sind in der deutschen Wirtschaft über 50.000 Stellen für IT-Experten unbesetzt. Eine Umfrage des “Center Cyber Safety und Education” unter 600 Befragten aus Privatwirtschaft, Banken und Behörden in der DACH-Region ergab, dass fast die Hälfte davon ausgeht, dass der Mangel an Fachkräften für IT-Sicherheit direkt erhebliche Konsequenzen für Kunden habe. Die Konkurrenz um ausgezeichnete Kräfte wirkt sich auf die erwartbaren Gehälter aus. Verschiedenen Erhebungen zufolge können IT-Kräfte mit Einstiegsgehältern von 40 bis 50.000 Euro in der Privatwirtschaft rechnen. Laut aktueller Gehaltsstudie der IG Metall sind für Ingenieure und Entwickler langfristig Gehälter von bis zu 70.000 Euro drin. Berater und Führungskräfte im IT-Bereich können bei großen Unternehmen auch sechsstellige Jahresgehälter erzielen. “Der Öffentliche Dienst kann in diesem Zusammenhang sicher nicht in allen Bereichen mit der Privatwirtschaft mithalten”, fasst ein Sprecher des Bundesnachrichtendienstes das Problem (BND) zusammen. Alle mit der Cyber-Sicherheit befassten Behörden stehen bei der Stellenbesetzung im ITBereich vor einer erheblichen Herausforderung. Einige versuchen es mit innovativen Maßnahmen zur Personalgewinnung.

Neue Wege bei der Personalgewinnung Besonders öffentlichkeitswirksam wirbt die Bundeswehr mit einer Anzeigenkampagne mit Sprüchen wie “Wir verteidigen die Freiheit. Jetzt auch im Netz”. Eigene Expertise soll mit einem neuen Cyber-Cluster an der Bundeswehr-Universität in München aufgebaut werden. Das mit zunächst 20 Millionen Euro geförderte Forschungszentrum Cyber Defence (Code) soll im neu zu errichtenden Gebäudekomplex mit modernster

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Herausforderung Personalgewinnung Sicherheitsbehörden ringen um IT-Fachkräfte (BS/Uwe Proll/Benjamin Stiebel) Die Bedrohungslage im Cyber-Raum ist zunehmend ernst. Entsprechend wächst auch das Bewusstsein, dass mehr in die Sicherung der IT-Systeme und in die Prävention und Verfolgung von Cyber-Attacken investiert werden muss. Fach- und Führungskräfte für IT-Sicherheit sind entsprechend gefragt. Zwischen großen Gehaltsversprechen in der freien Wirtschaft und Aussicht auf persönliches Renommee in der Forschung ist der Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt für den Öffentlichen Dienst besonders hoch. Ausstattung Kompetenzen aus exzellenter Forschung in enger Kooperation mit Industrie und Behörden bündeln. “Wir wollen eines der größten Forschungsökosysteme für exzellente Forschung werden”, sagt Direktorin Prof. Gabi Dreo Rodosek. “Ich hoffe auf eine Übergabe des Gebäudes im Jahr 2020.” Sieben der elf vorgesehenen Professuren würden aber schon 2017 besetzt. Der neue Master-Studiengang “Cyber-Security” werde 2018 mit jährlich 121 Studierenden starten, so Dreo Rodosek. Zielgerichtet umwirbt die Bundeswehr IT-begeisterte junge Menschen unter anderem mit den jüngst abgehaltenen Cyber Days. Auf einer in Echtzeit stattfindenden Online-Messe konnten sich Interessierte zu Einstiegs- und Karrieremöglichkeiten beraten lassen. In ITCamps wurden Truppenbesuche mit Übungen zu Aufbau und Wartung eines Netzwerks veranstaltet. Auf einem dreitägigen Capture-the-Flag-Event traten 60 qualifizierte Teilnehmer in einem Netzwerk-Spiel gegeneinander an, um ihre IT-Fähigkeiten gegeneinander zu messen. Ob sich mit solchen Kampagnen genug technikaffine Menschen für die Bundeswehr begeistern lassen werden, um das “gigantische Personalproblem”, von dem Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen jüngst sprach, zumindest im Bereich IT-Kräfte zu lösen, bleibt abzuwarten.

“Qualität vor Quantität” Die 180 neuen Stellen beim BSI sollen nicht ausschließlich mit Informatikern, sondern mit erfahrenen Kräften aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Fachgebieten (den MINT-Fächern) und auch mit IT-affinen Absolventen anderer Fächer besetzt werden. Die nationale Cyber-Sicherheitsbehörde setzt dazu ebenfalls auf eine Anzeigenkampagne. Das Motto lautet: “Was wir wollen: Deine digitale Seite”. Im Laufe des Jahres sollen laut einem BSI-Sprecher Messeauftritte, Hochschulvorträge Videos über die Behörde und ihre Aufgaben folgen. Trotz der Konkurrenzsituation ist man im BSI zuversichtlich. “Auch in Zeiten des Fachkräftemangels lautet unsere Devise ‚Qualität vor Quantität”, betont der Sprecher. “Es kann nicht immer jede Stelle sofort qualitativ abgedeckt werden, da die fachlichen Aufgaben und Anforderungen des BSI teilweise sehr speziell sind. Nichtsdestotrotz konnten bereits jetzt rund 40 Prozent der neuen Stellen für 2017 besetzt werden.” Ist die Situation also doch nicht so dramatisch? Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) kann jedenfalls nicht über Bewerbermangel klagen. Kürzlich wurden dort 36 Stellen für das Cyber-Kompetenzzentrum extern ausgeschrieben. Anfängliche Sorgen, ob man hinreichend qualifiziertes Personal gewinnen können wird, hatten sich schnell erledigt, wie das LKA NRW dem Behörden Spiegel erklärte. “Es sind über 1.000 Bewerbungen eingegangen. Das war für uns durchaus eine Überraschung.”

Alternative Öffentlicher Dienst? Nach den möglichen Gründen für das große Interesse befragt, sagte das LKA, dass größere Ar-

Capture-the-Flag-Events und LAN-Partys sollen junge, IT-begeisterte Menschen zusammenbringen und auf die Bundeswehr als Ausbilder und Arbeitgeber aufmerksam machen. Beim BND lässt man Bewerber-Challenges in Heimarbeit lösen und erregt Aufmerksamkeit in der Online-Gemeinde. Foto: BS/Alexandre Dulaunoy, cc by-sa 2.0, flickr.com

beitsplatzsicherheit und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf den Öffentlichen Dienst zu einer guten Alternative ge-

genüber der freien Wirtschaft mache. Vor allem aber biete die Ermittlungsarbeit eine interessante und verantwortungsvolle

Aufgabengestaltung. So ähnlich sehen es auch andere für die Sicherheit im Cyber-Raum zuständige Behörden. Der BND

betont die Möglichkeit, einen “wichtigen Beitrag für die Sicherheit Deutschlands” leisten zu können. Das BSI verweist auf die Vielfalt der möglichen Aufgaben “mit speziellen, sehr technisch orientierten Bereichen, z. B. Kryptografie oder Analyse von Schadprogrammen, aber auch mit breiter aufgestellten Gebieten, z. B. IT-Sicherheitsberatung oder dem Schutz Kritischer Infrastrukturen”. Diese Zuversicht kann aber an der Tatsache nichts ändern, dass in vielen Behörden Stellen unbesetzt sind. Das gilt für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das Bundeskriminalamt (BKA) und den Bundesnachrichtendienst (BND). Dort sind mal 50 oder mal 80 Stellen offen. Der Bedarf bei den Bundesbehörden führt auch zu einem Kannibalisierungseffekt zulasten der Länder. Der Bund und seine Behörden haben höher dotierte Verwendungen und werben IT-Sicherheitsexperten aus den Ländern mit dem Versprechen einer höheren Einstufung ab. Die Folge ist eine Rutschbahn innerhalb des öffentlichen Dienstes. Wer besser bezahlen kann, gewinnt.


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it simplen Methoden können irreguläre Akteure auf vertrauliche Informationen zugreifen. Speziell zentrale Geräte sind lohnende Datenquellen. Dokumente vieler Mitarbeiter laufen über eine einzelne, oft schlecht gesicherte Maschine. Informationen aus behördlichen Vorgängen können, wenn diese in falsche Hände gelangen, einen erheblichen Schaden anrichten. Selbst ohne kriminelle Absicht kommt es in vielen Organisationen zu täglichen Datenschutzverstößen. Unbeabsichtigtes Lesen von Dokumenten im Ausgabefach ist ein bekanntes, aber nicht wahrgenommenes Problem. Die finanziellen und strafrechtlichen Risiken sind oft nicht bekannt oder werden ignoriert. Weniger offensichtlich, aber nicht weniger gefährdet sind im Netz übertragene und gespeicherte Metadaten.

Geräte gegen Manipulation sichern Drucker, Multifunktionsgeräte, Faxgeräte und die damit verbundene Software sind gegen Manipulation zu sichern. Die Gefährdung reicht von eigenmächtigen Änderungen an den Endgeräten durch halbwissende Anwender bis zum möglichen Totalausfall der gesamten Ge-

Behörden Spiegel / Mai 2017

Angriffsziel Multifunktionsgeräte IT-Sicherheit im Beschaffungsprozess berücksichtigen (BS/Andreas Scholtz/Martin Stolle*) Anfang 2017 hackt ein britischer Teenager weltweit 150.000 Drucker. Der Coup des, nach eigenen Angaben “gelangweilten”, jungen Mannes war über zwei Wochen Pressethema. Der Vorfall wurde schnell vergessen. Ebenso wie das 2015 im ARD-Magazin Plusminus aufgedeckte Datenleck von Festplatten in Multifunktionsgeräten. Jedes Jahr werden IT-Sicherheits- und Datenschutzprobleme im Zusammenhang mit der Druckinfrastruktur publiziert. Gegenmaßnahmen sind erforderlich und möglich. Mangelnde Sorgfalt kann empfindliche Geldbußen bis zu strafrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Das Bewusstsein für dieses “Randthema” wird durch Angriffe auf Webserver, Datenbanken, Router und andere Teile der elektronischen Infrastruktur überlagert. Drucker, Multifunktionsgeräte, Faxgeräte, Scanner und zugehörige Systeme der IT-Landschaft erhalten eine nur geringe Aufmerksamkeit. Dieses ist die Regel, nicht die Ausnahme. räteflotte durch Sabotage. Ersteres führt zu unnötigen Supportaufwänden, letzteres führt zu erheblichen Folgekosten und möglicherweise zu einem Reputationsverlust. Die Härtung der Endgeräte und der mit ihnen verbundenen IT-Systeme ist unerlässlich. Eine besondere Herausforderung ist der kontinuierliche Erhalt des Sicherheitsniveaus. Jede Information hat einen juristischen Kontext (juristischen Tag). Je nach “Brisanz” der Information ist dieser größer oder kleiner. Das rechtliche Risiko einer Information ist unabhängig von ihrem Träger. Es spielt keine Rolle, ob sie in einem Gespräch, digital oder als vergessener Ausdruck in die falschen Hände gerät. Kevin Mitnick, laut FBI ehemals gefährlichster Hacker und heute Berater

zum Thema Security, nutzte Papiercontainer von Organisationen als reales Übungsobjekt für Studenten, damit diese über “Dumpster Diving” an wertvolle Informationen kamen. Das primäre Risiko von öffentlichen Einrichtungen liegt aktuell weniger bei externen Akteuren als internen Gefahrenquellen. Vertrauliche Informationen und/ oder personenbezogene Daten müssen zwingend ebenso durch interne Vorsorge geschützt werden. Denn rechtliche Verstöße − ob vorsätzlich oder fahrlässig – können je nach Schweregrad erheblich geahndet werden. Die Sanktionen reichen von erheblichen Geldbußen (ggf. bis in das Privatvermögen) bis zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Ein Außerachtlassen von Sicherungsmaßnahmen, welches zu Datenschutz- oder anderen

Verstößen führt, geht zulasten eines jeden IT-Verantwortlichen – gleich ob Vorstand, Geschäftsführer, Behördenleiter, angestellter oder externer ITAdministrator. Die in KRITIS festgelegten Organisationen sind zu erhöhter Sorgfalt verpflichtet. Es ist somit essenziell, Datenschutz und IT-Sicherheit im Bereich Druckinfrastruktur umfänglich zu diskutieren, zu dokumentieren und durchzusetzen.

Öffentliche Verwaltung im Übergang Die von Bund und Ländern verabschiedeten Regelungen zum E-Government fordern eine Umstellung der Verwaltung auf zeitund ortsunabhängige Dienste. In Hinblick auf diese Forderung ist es entscheidend, dass das Grundrecht auf Gewährleis-

tung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme gewahrt bleibt (BVerfG v. 27.02.2008 – 1 BvR 370/07, 1BvR 595/07, BVerfGe 120,274). Hierbei unterstützt die vernünftige Vorbereitung auf eine sich verändernde Gesellschaft, im Speziellen auch auf die sinkende Anzahl von Mitarbeitern, ob aufgrund des demographischen Wandels oder aus Kostengründen. Es wird einen Übergang der traditionellen, vielfach papierbasierenden Verwaltung zu rein digitalen Prozessen geben. Papierverarbeitende Endgeräte erhalten eine wichtige Rolle in der Zwischenperiode. Scanprozesse sind die Schnittstelle zu neuen E-GovernmentSystemen. Die notwendigen Technologien sind vorhanden. Die Beschaffungen dafür sind so zu steuern, dass neue Elemen-

EU will digitale Währungen regulieren (BS/th) Die Europäische Union (EU) plant schon seit Längerem, die Finanzströme digitaler Währungen wie Bitcoin stärker zu überwachen. Doch gleichzeitig erlebt die BlockchainTechnologie, auf deren Basis der Austausch von Bitcoins basiert, aktuell einen Aufschwung und könnte herkömmliche Bezahlsysteme bei Banken bald in Teilen ersetzen.

EU befürchtet Geldwäsche durch Bitcoin Allerdings bestehen die Adressen der jeweiligen Transaktionen nur aus anonymen Codes und können keiner Person zugeordnet werden, obwohl die Informationen der jeweiligen Bezahlvorgänge öffentlich zugänglich sind. Um mit Bitcoin

Die EU möchte Digitalwährungen wie Bitcoin künftig stärker regulieren. Foto: Tim Reckmann, pixelio.de

bezahlen zu können, wird ein “Wallet”, eine Art Konto, auf dem eigenen Computer eingerichtet. Über dieses ist es z. B. möglich, die Währung in andere Währungen zu tauschen. Die EU-Kommission hat Ende vergangenen Jahres Pläne vorgestellt, nach denen diese Wallets künftig stärker kontrolliert werden sollen und z. B. in einer

zentralen Datenbank gespeichert werden, in der die Kontoinhaber identifizierbar sind. Neben der Sorge um eine mögliche Terrorfinanzierung mittels Bitcoins geht es der EU nicht zuletzt um die Stärkung der Zentralbanken. Diese befürchten, bei einer weiteren Verbreitung digitaler Währungen die Geldund Währungsstabilität nicht

*Andreas Scholtz, Wirtschaftsjurist LL.B. und Dipl.-Ing. (TU), und Martin Stolle sind für die mc² management consulting GmbH tätig.

MELDUNG

Bitcoin im Fokus

Blockchain funktioniert Peer to Peer, d. h. die Daten werden von einem Nutzer zum anderen direkt übertragen, ohne dass es eine Zwischenstation gibt. Für Bezahlvorgänge bedeutet das, dass keine Bank oder ein Online-Bezahlsystem wie z. B. PayPal involviert ist. Die Blockchain ist eine große, neutrale Datenbank, die im Fall von Bitcoin als eine Art öffentliches Kontobuch aller Netzwerkteilnehmer dient. Ein Kontostand wird hierbei zwar nicht festgehalten, jedoch lässt sich dieser errechnen, da die Blockchain sämtliche jemals durchgeführten Kontoaktionen speichert.

te der Infrastruktur zukünftige Prozesse auch bedienen können. Mit einer durchdachten Ausschreibung lassen sich die Kosten einer Druck- und Dokumenteninfrastruktur sofort reduzieren und die zukünftige Investition in Dokumentenprozesse minimieren. Auslaufende Leasingverträge und der Wunsch nach einer Modernisierung der Druckerlandschaft sind ein guter Zeitpunkt, das Sicherheitsniveau signifikant zu erhöhen, die laufenden Kosten deutlich zu verringern und für digitale Prozesse eine leistungsfähige Basis zu schaffen. Die traditionelle, rein ökonomische getriebene Beschaffung von Druckern, Kopierern und Multifunktionsgeräten ist nicht mehr zeitgemäß. Datenschutz, IT-Sicherheit und sich verändernde Arbeitsprozesse müssen im Beschaffungsprozess berücksichtigt werden. Die mit einer ganzheitlichen Analyse, Planung und Ausschreibung verbundenen Planungsaufwände amortisieren sich innerhalb weniger Monate.

mehr in dem Rahmen betreiben zu können wie bisher. Dies ist allerdings ein tendenziell schwaches Argument, da die Zahl der Bitcoins, die sich weltweit im Umlauf befinden können, auf maximal 21 Millionen begrenzt ist. Die Blöcke der Blockchain sind begrenzt, sodass die Maximalgrenze zustande kommt. Aktuell entspricht ein Bitcoin knapp 960 Euro. Mit einer Summe von rund 20 Milliarden Euro lässt sich der Kurs des Euros nicht manipulieren. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob es überhaupt Sinn macht, die größte digitale Währung europaweit zu regulieren, ohne dass es hier weltweit einheitliche Regeln gibt. Nicht zuletzt deshalb, weil sich der Großteil der Bitcoin-Börsen, auf denen Bitcoins in andere Währungen getauscht werden können, außerhalb Europas befinden. Die Blockchain-Technologie ist für den gesamten Finanzsektor sehr interessant, da sie für die Geldinstitute die Mög-

lichkeit bietet, Kosten zu sparen.

Ist Blockchain eine Gefahr für die Banken? “Tatsächlich gibt es gerade im Bankenumfeld zahlreiche Nutzungsmöglichkeiten für – geschlossene – BlockchainSysteme, beispielsweise bei der Übertragung von Wertpapieren zwischen Banken. Dass die Banken ihre Rolle als Intermediäre verlieren, ist daher sehr unwahrscheinlich; realistischer erscheint, dass sie in einer Blockchain-Welt ihrerseits die Rolle als Blockchain-Intermediäre übernehmen”, sagt René Bader, Manager Critical Business Applications & Big Data bei NTT Security. Denkbar sei z. B., dass die Banken in einer Finanzwelt, in der die Blockchain-Technologie verstärkt genutzt wird, die Rolle der Vermittler, der sogenannten Intermediäre behalten, wenn es z. B. darum geht, Wertpapiere von A nach B zu übertragen. (Mehr zum Thema auf Seite 35).

Digital Hub in Darmstadt

(BS) Das Bundeswirtschaftsministerium hat im Rahmen der bundesweiten "Digital Hub Initiative" beschlossen, den Digital Hub für Cyber Security in Darmstadt anzusiedeln. Eröffnet wurde der neue Hub mit dem Besuch von Dr. Andreas Goerdeler vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die Wissenschaftsstadt Darmstadt ist bereits heute ein führender Innovationsstandort für Cyber-Sicherheit in Deutschland. Er verbindet namhafte Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit einer lebendigen, technologieorientierten Start-up-Szene: Das "Center for Research in Security and Privacy" (CRISP) ist das größte Forschungszentrum für Cyber-Sicherheit in Europa und verbindet die Technische Universität Darmstadt, die Hochschule Darmstadt und die beiden Fraunhofer-Institute SIT und IGD. Das "Competence Center for Applied Security Technology" (CAST e. V.) ist mit 251 Mitgliedern das größte Unternehmensnetzwerk für Cyber-Sicherheit im deutschsprachigen Raum.


IT-Sicherheit / BSI-Kongress

Behörden Spiegel / Mai 2017

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hne Informationssicherheit kann es keinen Datenschutz geben. Trotzdem wird das, was im englischen Sprachraum als “Privacy” bezeichnet wird, noch längst nicht in jeder Organisation mit der gleichen Relevanz betrachtet. Gerade kleine Unternehmen, die nicht durch den Gesetzgeber oder Branchenrichtlinien konsequent zur Compliance mit Datenschutzrichtlinien gezwungen werden, haben den Bereich bisher häufig stiefmütterlich behandelt. Was sollte auch groß passieren? Die Datenschutzbeauftragten der Länder sind mit viel zu wenig Personal ausgestattet, als dass sie allen Beschwerden nachgehen oder sogar proaktiv tätig werden könnten. Und selbst wenn sie eine Strafe aussprachen, galt laut Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) eine Haftungshöchstgrenze von maximal 300.000 Euro.

EU-DSGVO kommt in nur einem Jahr Allerdings ist seit 2016 die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) in Kraft und mit ihr steigen die Bußgeldhöhen für Verstöße nach Art. 83 Abs. 5 auf bis zu 20 Millionen Euro oder – bei Konzernen – auf bis zu vier Prozent des weltweiten Umsatzes im Vorjahr. Bisher haben Unternehmen eine Gnadenfrist, sie müssen noch nicht nach der EU-DSGVO handeln. Damit ist ab dem 25. Mai 2018 Schluss, dann endet die Umsetzungsfrist und die EU-DSGVO

Ein Blick auf die Informationssicherheit Bußgelder steigen im Rahmen der EU-DSGVO enorm an (BS/Patrick Oliver Graf) Datenschutz und Informationssicherheit gehen eigentlich Hand in Hand. Doch nicht alle Unternehmen räumen dem Datenschutz einen ausreichend hohen Stellenwert ein. Durch die neue EU-Datenschutzgrundverordnung kann das zu einem sehr teuren Versäumnis werden, da die Bußgelder bis zu 20 Millionen Euro erreichen können. Höchste Zeit, die gesamte IT-Sicherheitsstruktur hinsichtlich möglicher Probleme auf den Prüfstand zu stellen. gilt in allen EU-Mitgliedsstaaten. Bundesdatenschutzgesetz, Landesdatenschutzgesetze sowie die EU-Datenschutzrichtlinie 95/46 werden dann nicht mehr anwendbar sein. Auch in Deutschland dürfte diese Regelung zur Anwendung kommen, wie der eco – Verband der Internetwirtschaft e. V., warnt. Nach dem nunmehr eingebrachten Entwurf zum Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU (DSAnpUG) sehen die §§ 41–43 Sanktionsmöglichkeiten bei Datenschutzverletzungen auch gegenüber natürlichen Personen vor. “Somit steigt das Haftungsrisiko für Datenschutzverletzungen mit der DSGVO nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Geschäftsführer, Mitarbeiter und interne Datenschutzbeauftragte. Sie müssen bei Verstößen gegen die Datenschutzvorschriften oder ihre Aufsichtspflichten mit weitaus höheren Strafen rechnen als bisher”, erklärt RAin Dr. Katharina Küchler, Legal Department, eco – Verband der Internetwirtschaft e. V., und ergänzt: “Und nicht nur das: Bei

Neuer Standard veröffentlicht Modernisierung des IT-Grundschutzes (BS/th) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat den neuen BSI-Standard 200-2 zur IT-Grundschutz-Vorgehensweise vorgestellt. Der neue Standard etabliert drei Vorgehensweisen bei der Umsetzung des IT-Grundschutz des BSI. Neu ist die Möglichkeit einer Basis-Absicherung als Einstieg zur Initiierung eines ISMS. Sie ist weit weniger umfänglich als die Standard-Absicherung, hat aber das Ziel, diese einzuführen. Der Einstieg wird durch das neue Basis-Modell erleichtert. Die Standard-Absicherung wurde modernisiert. Mit ihr kann ein kompletter Sicherheitsprozess implementiert werden. Diese Absicherung entspricht weiterhin dem BSI-Standard 100-2 und ist kompatibel zur ISO-27001-Zertifizierung. Neu ist die Schaffung einer KernAbsicherung. Hier werden zunächst die jeweils wichtigsten Daten auf Standard-Niveau abgesichert. Auch hier ist das Ziel die vollständige Umsetzung des IT-Grundschutzes. “Der neue Standard ist ein Ergebnis aus dem Modernisie-

rungsprozess des IT-Grundschutzes und bildet die Basis der bewährten BSI-Methodik zum Aufbau eines soliden Informationssicherheitsmanagements. Mit der Veröffentlichung des Standards als Community Draft ist ein weiterer Meilenstein der IT-Grundschutz-Modernisierung umgesetzt”, so BSI-Präsident Arne Schönbohm. Der IT-Grundschutz wurde laut BSI grundlegend aktualisiert und strukturell überarbeitet. Die Umsetzung einer geeigneten Vorgehensweise soll künftig für eine Institution jeder Größe und Branche möglich sein. Die mangelnde Skalierbarkeit war in der Vergangenheit auf Kritik gestoßen. Mit der Modernisierung reagiert das BSI auf diese. Die verschlankte und modulare Herangehensweise erleichtert laut BSI insbesondere Verantwortlichen in kleinen und mittelständischen Betrieben den Einstieg in die Thematik.

MELDUNG

EU-Kritik am deutschen Datenschutzgesetz (BS/stb) Im Mai nächstes Jahr tritt die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft. Der deutsche Gesetzentwurf hierzu wird nun auch von der EU-Kommission den kritisiert. Wie Renate Nikolay, Kabinettsleiterin unter Justizkommissarin Věra Jourová, bei einer Veranstaltung der Stiftung Datenschutz erklärte, habe die EU-Kommission bereits letzten Monat ihre Bedenken in einem Schreiben an das Bundesinnenministerium geäußert. Moniert würde unter anderem die im Gesetzesentwurf vorgesehene Möglichkeit, durch öffentliche Stellen erhobene Daten für andere als die ursprünglich

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vorgesehenen Zwecke weiterverarbeiten zu dürfen. Darüber hinaus, so Nikolay, ziele die Bundesregierung auf eine Einschränkung der in der DSGVO vorgesehenen Betroffenenrechte, was Einsicht, Korrektur und das sogenannte Recht auf Vergessen von erhobenen Daten angehe. Zwar können die Mitgliedstaaten grundsätzlich konkretisierende Anpassungen der DSGVO vornehmen, jedoch würde der deutsche Entwurf zu weitreichende Abweichungen vorsehen. Das Ziel einer EU-weiten Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen auch mit Blick auf den angestrebten digitalen Binnenmarkt würde dadurch unterwandert.

sicherheit auf mögliche Lücken zu überprüfen, die den Datenschutz gefährden könnten. Mobile Patrick Oliver Graf ist GeEndgeräte stellen schäftsführer bei NCP. beispielsweise einen potenzielFoto: NCP len Angriffsvektor dar. Sie können gestohlen oder während Verstößen im Umgang mit per- der Kommunikation mit der sonenbezogenen Daten drohen Firmenzentrale abgehört werihnen laut § 42 DSAnpUG über den. Beide Situationen führen die Geldbußen hinaus straf- zum Verlust der Vertraulichkeit rechtliche Sanktionen wie eine von Informationen: Zum einen Freiheitsstrafe von bis zu drei der Daten, die auf dem EndgeJahren.” rät gespeichert sind und zum anderen der übertragenen InMobile Kommunikation formationen, was noch schwerer überprüfen wiegen kann. Gegen die Folgen eines DiebFür Unternehmen ist es also höchste Zeit, ihre Informations- stahls helfen ein Mobile Device

Management und Verschlüsselung. Abhilfe gegen das Belauschen der Datenkommunikation schafft ein Virtual Private Network (VPN). Wird vor dem Start der Kommunikation ein sicherer VPN-Tunnel aufgebaut, haben Lauscher keine Chance. Wie das im Detail funktioniert, erfahren Anwender beispielsweise auf dem Cyber-Sicherheitsfrühstück “Anforderungen und Strategien bei der sicheren mobilen Datenkommunikation” von NCP und der Redaktion des Behörden Spiegel im Kameha Grand Bonn am 17. Mai. Generell ist es beim Einsatz eines VPN wichtig, auf einige grundlegende Aspekte zu achten. So steht und fällt die Sicherheit mit der Vertrauenswürdigkeit des Software-Anbieters. Gerade ausländische Hersteller haben durch die Zugriffsbestre-

bungen der dort ansässigen Geheimdienste Defizite. Lässt man die VPN-Lösung hosten, ist es entscheidend, dass der Provider die Aktivitäten nicht aufzeichnet und die Daten, die er protokollieren muss, nicht herausgibt. Natürlich müssen die verwendeten Endgeräte und Betriebssysteme unterstützt werden und ein sicheres, intuitives Management der Gesamtlösung möglich sein. Mit diesen Maßnahmen ist der Datenschutz bei den mobilen Endgeräten in trockenen Tüchern.

Veranstaltungshinweis Cyber-Sicherheitsfrühstück “Anforderungen und Strategien bei der sicheren mobilen Datenkommunikation” 17. Mai 2017 um 8.00 Uhr im Kameha Grand Bonn Am Bonner Bogen 1 53227 Bonn Interessierte Behördenvertreter können ihre persönliche Einladung anfordern unter: bauer_sebastian@behoerden spiegel.de


Cyber Akademie

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Behörden Spiegel / Mai 2017

Themenseite in Kooperation mit:

Neues aus der Cyber Akademie

Mai 2017

IT-Gutachten erstellen und bewerten (CAk) Digitalen Beweisen kommt in Gerichtsverfahren eine immer größere Bedeutung zu. In diesem neuen Seminar der Cyber Akademie wird praxisorientiert vermittelt, was Auftraggeber von IT-Forensikern und Gutachtern erwarten können und wie belastbare IT-Gutachten erstellt werden müssen. Aufgrund der zunehmenden Relevanz, der IT-Gutachten oder digitalen Beweisen in gerichtlichen Verfahren in nahezu allen Bereichen zukommt, gilt es bspw. für Gutachter oder IT-Forensiker, die rechtlichen und technischen Anforderungen zu kennen und diesen angemessen Rechnung zu tragen. Dabei gilt es insbesondere auch, die jeweiligen essenziellen Anforderungen, etwa in Bezug auf Form und Inhaltspräsentation eines Gutachtens, zu berücksichtigen. Insbesondere bei der IT-Forensik kommt es deshalb darauf an, dass die gesicherten digitalen Beweismittel den Anforderungen der Prozessordnungen genügen. Fehler bei der Beweismittelgewinnung oder Dokumentation können im schlimmsten Fall zur Nichtverwertbarkeit dieser Beweise führen. Im Ergebnis kann dies nicht unerhebliche Konsequenzen für die Verfahrensbeteiligten, aber auch den Sachverständigen selbst, nach sich ziehen. IT-Gutachten und Forensik – Theorie trifft Praxis Um die Teilnehmenden für die Risiken zu sensibilisieren, gehen in diesem eintägigen Seminar Theorie und Praxis Hand in Hand. Die Teilnehmer lernen sehr praxisorientiert, welche Anforderungen an sie als Gutachter / IT-Sachverständige / IT-Forensiker

Informationssicherheit durch Know-how Cyber Defence Simulation Training 19.–21. September 2017, Berlin

Summer School

Lead-Auditor nach ISO/IEC 27001 17.–21. Juli 2017, Leutasch/Tirol IT-Grundschutz-Experte 7.–11. August 2017, Leutasch/Tirol

Fehler bei der Beweismittelgewinnung oder Dokumentation können im schlimmsten Fall zur Nichtverwertbarkeit von Beweisen in Gerichtsverfahren führen. Dieses gilt in besonderer Weise bei der IT-Fornsik. Foto: CAk/©deepagopi2011, Fotolia.com

und diesbezüglich auch an die von ihnen erstellten Gutachten gestellt werden. Eines der Ziele der Schulung ist es deshalb, die Teilnehmenden mit den technischen und rechtlichen Fallstricken vertraut zu machen, die es im Bereich “belastbare IT-Gutachten” zu beachten gilt. Vor diesem Hintergrund richtet sich das Seminar in erster Linie an IT-Sachverständige (wie bspw. öffentlich bestellte und vereidigte, zertifizierte oder freie Sachverständige), IT-Forensiker, Internal Investigators, Compliance Officers sowie an alle weiteren Experten, die sich (beruflich) mit IT-Gutachten auseinandersetzen müssen. Learning by doing – Gutachten erstellen, analysieren, verteidigen Zu Beginn der Schulung werden die Teilnehmer mit den relevanten, zwingend zu beachtenden theoretischen rechtlichen und technischen Anforderungen und Grundla-

gen vertraut gemacht. Die sich daran anschließende, mehrstündige Praxiseinheit wird wichtige praktische Aspekte belastbarer IT-Gutachten in der Praxis beleuchten. Dabei werden die Teilnehmer anhand eines Falls aus der Praxis jeweils ein eigenes Gutachten erstellen. Diese Gutachten werden dann in einem Rollenspiel “vor Gericht” von den Teilnehmenden analysiert. Dem jeweiligen Gutachtenersteller wird dabei auch die Möglichkeit gegeben, sein Gutachten zu verteidigen. Anschließend wird den Teilnehmenden anhand ihrer Gutachten ein etwaiges Optimierungspotenzial aufgezeigt. Das Cyber Akademie-Seminar “Belastbare IT-Gutachten erstellen und bewerten” findet am 23. November 2017 in Berlin statt. Auf Anfrage führt die Cyber Akademie diese Schulung auch in Ihrer Behörde / in Ihrem Unternehmen als Inhouse-Schulung durch.

Bereits zum vierten Mal organisieret die Cyber Akademie die Dialogveranstaltung, bei der sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über Chancen, Risiken und Gestaltungmöglichkeiten der Digitalisierung austauschen. Neben hochrangigen Vertretern aus den Verwaltungen von Bund und Ländern treffen sich Geschäftsführer und leitende Manager aus Industrie und Digitalwirtschaft, IT-Sicherheitsverantwortliche im öffentlichen und privaten Sektor sowie Experten aus Sicherheitsbehörden und Forschungseinrichtungen. Digitalisierung als Gemeinschaftsaufgabe Im April 2017 ist im Rahmen der G20Präsidentschaft der Bundesrepublik erstmals ein Treffen der für die Digitalisierung zuständigen Ressortchefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zustande gekommen. Ergebnis des G20-Digitalministertreffens ist eine gemeinsame Erklärung und ein Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre, in dem man sich auf wichtige Schwerpunkte für die aktive Gestaltung der Digitalisierung geeinigt hat. Zentral für eine positive Entwicklung sind demnach Teilhabe aller Bürger am digitalen Fortschritt, fairer Wettbewerb sowie eine internationale Harmonisierung von Normen und Standards, um Zusammenarbeit

Staatsminister Dr. Marcel Huber eröffnet den Münchner Cyber Dialog 2017. Foto CAk/Bayrische Staatskanzlei

und Vertrauen zu stärken. Die dafür nötigen Rahmenbedingungen müssen im Dialog aller Stakeholder geschaffen werden. Chancen und Risiken Nur so kann der digitale Wandel in allen Bereichen der Gesellschaft zum Vorteil der Menschen gelingen und nur so können negative Auswirkungen von wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen kontrolliert werden. Die zunehmende Automatisierung und Vernetzung der Prozesse in den Industrien birgt enorme Chancen für Wachstum und Wohlstand. Allerdings gehen Fortschritte bei Industrie 4.0, Künstlicher Intelligenz und Robotik auch mit der Furcht vor negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung in vielen Branchen einher. Im Zuge der Digitalisierung wächst auch das Schadenspotenzial durch Störungen oder Angriffe von Cyber-Kriminellen. Während Resilienz und IT-Sicherheit bei den Betreibern Kritischer Infrastrukturen mittlerweile durch Regularien eingefordert werden, haben gerade kleine und mittelständische Unternehmen Defizite im Bereich der IT-Sicherheit. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Erwartungen und Risiken zieht sich als roter Faden durch die diesjährigen Themenwork-

Best Practice

IT-Compliance: Rechtssichere IT-Strukturen und -Prozesse 30. Mai 2017, Hannover IuK-Notfallmanagement für die Polizei nach BSI 100-4 30. Mai 2017, Frankfurt a.M. Revisionssichere Service Level Agreements 1. Juni 2017, Bonn ISIS12 für Kommunen 20. Juni 2017, Berlin Netzwerk- und WLAN-Sicherheit 20.–22. Juni 2017 IT-Sicherheit und Datenschutz – neue Gesetzesvorgaben und ihre Auswirkungen auf die IT-Vergabe 21. Juni 2017, Bonn Webanwendungssicherheit und Penetrationstests 27. Juni 2017, München Informationen zu diesen und weiteren Seminaren unter www.cyber-akademie.de Cyber Akademie (CAk) ist eine eingetragene Marke.

NEUES aus IT- und Datenschutzrecht

von Thomas Feil

Aufgaben Datenschutzbeauftragter nach DSGVO

Münchner Cyber Dialog 2017 (CAk/stb) Unter dem Motto “Gestalteter Wandel oder administriertes Chaos? Sichere Digitale Transformation in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft” findet am 29. Juni der diesjährige Münchner Cyber Dialog in der bayerischen Landeshauptstadt statt.

Zentrum für Informationssicherheit

IT-Direktor Peter Batt wird eine Keynote-Rede zum Thema Cyber-Sicherheit aus Sicht des Bundeministeriums des Innern halten. Foto CAk/BMI

shops, in denen fachkundige Referenten aus Politik, Wirtschaft und Forschung Erfahrungen austauschen und nötige Weichenstellungen für die digitale Zukunft diskutieren werden. In einer Session werden Herausforderungen an die Versorgungssicherheit in der Energiewirtschaft im Zuge der Digitalisierung thematisiert. Die Resilienz von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat gegen Bedrohungen im Cyber-Raum ist Thema einer weiteren Session. In Workshop 4 wird über die Zukunft des Mittelstandes und die Auswirkungen der Digitalisierung auf traditionelle Geschäftsmodelle und -strukturen diskutiert. CIO-Talk Ein Höhepunkt der Veranstaltung ist die anschließende Diskussionsrunde mit Leitern der Informationstechnik aus Behörden und Unternehmen. Ziel ist es, die Perspektiven der Zusammenarbeit der Stakeholder der Digitalisierung zu diskutieren und Maßnahmen zu erörtern, mit denen die Chancen des Wandels optimal genutzt und Risiken minimiert werden können.

Das aktuelle Programm finden Sie unter www.muenchner-cyber-dialog.de .

Für viele Datenschutzbeauftragte stellt sich die Frage, ob mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) neue Aufgaben auf sie zukommen. In § 38 Abs. 1 a DSGVO beginnt es zunächst harmlos. Aufgabe des Datenschutzbeauftragten ist die Unterrichtung und Beratung des Verantwortlichen bzw. des Auftragsverarbeiters. Auch die Beschäftigten sind zu unterrichten und zu beraten. Neu und durchaus “speziell” ist die Anforderung aus Artikel 38 Abs. 1 b DSGVO. Nach dieser Regelung ist eine gesetzliche Überwachungspflicht festgelegt. Der Datenschutzbeauftragte soll die Einhaltung der DSGVO und der nationalen Datenschutzvorschriften überwachen. Hier stellt sich für viele Datenschutzbeauftragte die Frage, ob neue Haftungsrisiken mit dieser gesetzlichen Überwachungspflicht entstehen. Für externe Datenschutzbeauftragte ist dies sicherlich zu bejahen. Deshalb werden viele Behörden und Unternehmen in der Praxis sicherlich überlegen, die sich aus dem

Datenschutz ergebenden finanziellen Risiken durch hohe Bußgelder oder Schadensersatzansprüche über eine externe Beauftragung “auszulagern”. Für interne Datenschutzbeauftragte wird auf den Erwägungsgrund 97 der DSGVO verwiesen. Dort wird im Schwerpunkt auf eine Unterstützung des Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters abgestellt. Dies insbesondere mit Verweis darauf, dass der Datenschutzbeauftragte nicht persönlich verantwortlich gemacht werden kann, wenn die Regelungen nicht eingehalten werden. Selbst wenn man dieser Rechtsauffassung folgt, sind datenschutzrechtliche Missstände deutlich anzusprechen. Wir empfehlen Datenschutzbeauftragten, Mängel in der Datenschutzorganisation dokumentiert gegenüber der Leitungsebene zu thematisieren, um zu dokumentieren, dass die gesetzlichen Überwachungspflichten auch wahrgenommen wurden.

Wechsel des Datenschutzbeauftragten Wechselt ein Datenschutzbeauftragter, ergeben sich verschiedene Anforderungen im Zusammenhang mit dem Wechsel im Amt. Das bayerische Landesamt für Datenaufsicht hat einige Grundsätze im 7. Tätigkeitsbericht 2015/2016, Ziff. 4.2, veröffentlicht. Dem neuen Datenschutzbeauftragten sind die entsprechenden Dokumente der Datenschutzorganisation zu übergeben, beispielsweise Verfahrensverzeichnisse, Unterlagen über durchgeführte Vorabkontrollen oder laufende Beschwerdefälle. Weiterhin sind die internen Tätigkeitsberichte, die Materialien bezüglich der Mitarbeiterschulungen sowie weitere Unterlagen zu den Regelungen der Datenschutzorganisation zu übermitteln. Unterlagen, die älter als drei Jahre sind, müssen nicht übergeben werden. Nach Auffassung des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht ist bei der Verjährung

auf die Regelung des § 195 BGB abzustellen, der von einer allgemeinen Verjährungsfrist von drei vollen Kalenderjahren ausgeht. Die Verjährungsfrist beginnt immer am Ende des Kalenderjahres, in dem die Unterlagen abgeschlossen wurden. Soweit Anfragen und Beschwerden gezielt vertraulich an die bisherige Datenschutzbeauftragte und den bisherigen Datenschutzbeauftragten gerichtet wurden, sind diese zu löschen oder zu vernichten. Eine Übergabe an den neuen Datenschutzbeauftragten erfolgt nicht. Thomas Feil ist Fachanwalt für ITRecht und Dozent der Cyber Akademie. Foto CAk/privat


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Mai 2017

Sonderwagen der Polizei nicht mehr zeitgemäß Künftige Fahrzeug-Generation muss auch Kriegswaffenbeschuss standhalten (BS/Gerd Lehmann/Marco Feldmann/R. Uwe Proll) Das Bundesinnenministerium (BMI) ist gefordert. Für die in die Jahre gekommenen Sonderwagen vier (SW 4), die bei den Bereitschaftspolizeien von Bund und Ländern im Einsatz sind, müssen passende Nachfolger gefunden werden. Dabei kommt es vor allem auf zweierlei an. Zum einen ist für die körperliche Unversehrtheit der Einsatzkräfte entscheidend,dassFeuerausMaschinenpistolen und Kriegswaffen die Neubeschaffungen nicht durchschlägt. Das ist bei den SW 4, von den laut gut informierten Kreisen bei den Landespolizeien noch 47 und bei der Bundespolizei noch 34 vorhanden sind, wohl nicht der Fall. Ungeachtet der Tatsache, dass Aussagen über die ballistische Schutzklasse der Fahrzeuge schwierig sind, weil sie bei ihrer Beschaffung Ende der 1980er-Jahre nicht für den Beschuss zertifiziert wurden, ist davon auszugehen: Munition eines Sturmgewehrs, etwa einer AK-47, prallt nicht an ihnen ab.

Verschiedene Lösungen durchdacht Zum anderen muss eine Evakuierung von unter Beschuss geratenen oder verletzten Personen aus den Sonderwagen möglich sein. Diesbezüglich existieren die unterschiedlichsten Ideen. So wurde unter anderem darüber nachgedacht, einen Kranz auf dem Boden des Innenraumes anzubringen. Durch diesen hätten Personen dann in einen Rettungsraum gebracht werden können. Dieses Vorhaben wurde jedoch offenbar wieder verworfen, weil das Fahrzeug in einem Notfall nicht in der Gefahrenzone stehenbleiben darf, sondern auf jeden Fall weiterfahren muss. Aufgrund dieser Notwendigkeit wird aktuell ein anderer Weg durchdacht. Momentan sind die Experten eher geneigt, die Fahrzeuge so auszurüsten, dass aus ihrem Heck heraus eine Trage über einen Tunnel ins Freie gebracht werden kann. Das würde die Techniker wohl vor keine größeren Probleme stellen, erfordere aber eine schusssichere Ummantelung dieses Tunnels, hieß

Dem Survivor R (l.) werden gute Chancen eingeräumt, bei der Modernisierung der Sonderwagenflotte der Bereitschaftspolizeien von Bund und Ländern zum Zuge zu kommen. Hier ist das Bundesinnenministerium (BMI) unter Zugzwang. Denn: Die momentan noch genutzten Sonderwagen vier (r.) sind teilweise über 30 Jahre alt. Fotos: BS/Dombrowsky; BS/Feldmann

es von mit den Vorgängen vertrauten Personen. Eine konkrete Beschaffungsentscheidung ist aber noch nicht gefallen.

Innenminister sind am Zug Derzeit befassen sich die Gremien der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) mit dem von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeiteten ganzheitlichen Konzept für eine neue SonderwagenGeneration. So berieten Ende April etwa die Mitglieder des für Innere Sicherheit zuständigen Arbeitskreises über das Thema. Sie debattierten unter anderem über die exakte Verteilung der neuen Fahrzeuge über das Bundesgebiet. Aber auch dort wurde noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Vielmehr nahmen die Mitglieder den Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Kenntnis und beschlossen, ihr Beratungsergebnis der IMK vorzulegen. Mit einer endgültigen Beschlussfassung ist folglich frühestens auf deren nächsten Sitzung Mitte Juni in Dresden zu rechnen. Offen blieb zum Beispiel die Frage,

ob eher neue Sonderwagen oder Halbgruppenfahrzeuge angeschafft werden sollen. Das ist nicht zuletzt auch eine monetäre Frage. Während jeder Sonderwagen inklusive Innenausstattung zwischen einer und 1,2 Millionen Euro kostet, sind Mannschaftswagen bereits für einen Stückpreis von 60.000 Euro zu haben, berichten Experten. Und noch etwas muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden: Die finanziellen Unterstützungsleistungen des Bundes für die Bereitschaftspolizeien sind laut eines entsprechenden Verwaltungsübereinkommens auf maximal 20 Millionen Euro pro Jahr begrenzt.

Zunächst 100 neue Fahrzeuge Parallel zu diesem Prozess bereitet das BMI eigenen Angaben zufolge zurzeit ein Ausschreibungsverfahren für ein Nachfolgemodell der Sonderwagen der Bereitschaftspolizeien vor. Dieses sei haushälterisch aber nicht bei einem Volumen von höchstens 20 Millionen Euro gedeckelt. Ungeachtet der noch ausstehen-

den endgültigen Entscheidung durch die Ressortchefs haben sich die Verantwortlichen offenbar bereits auf Eckpunkte verständigt. Nach Informationen des Behörden Spiegel soll die Beschaffung der Sonderwagen in einem nichtöffentlichen Verfahren, wahrscheinlich mit Teilnahmewettbewerb, erfolgen.

Mehrere Modelle denkbar Des Weiteren werden – entgegen der Erwartungen der Industrie – zunächst wohl nur 100 Sonderfahrzeuge erworben. Auf Herstellerseite war man eigentlich von 200 Neubeschaffungen ausgegangen. Nun soll aber eine Option zur Bestellung weiterer Fahrzeuge vereinbart werden. Verschiedenen Modellen werden im Verfahren unterschiedlich große Erfolgschancen eingeräumt. Als relativ aussichtsreich gelten Insidern zufolge der Mowag Eagle IV sowie der Survivor R. Bei Ersterem handelt es sich um eine deutsch-schweizerische CoProduktion. Letzterer wurde von Rheinmetall zusammen mit MAN und dem österreichi-

schen Unternehmen Achleitner entwickelt. Er basiert auf einem MAN-Fahrgestell sowie einer Kabine aus Panzerstahl. Zudem erreicht das Fahrzeug, das über ein gepanzertes und individuell anpassbares Monocoque verfügt, eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 100 Stundenkilometern. Ebenfalls gut im Rennen liegen soll das gepanzerte Mehrzweckfahrzeug Armoured Multi Purpose Vehicle (AMPV), das in zwei Varianten angeboten wird. Entstanden ist das Modell im Rahmen einer Kooperation zwischen Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) und KrausMaffei Wegmann (MKW). Ebenfalls in Betracht gezogen werden könnten für den Einsatz bei den Polizeien der Nissan Patrol Peacekeeper© einer Bremer Firma, der bereits im Rahmen von Missionen der Vereinten Nationen genutzt wird, das Iveco Light Multirole Vehicle sowie der Cheetah MMPV. Gleiches gilt für den Bastion Patsas des französischen Militärfahrzeugherstellers ACMAT, der zu Renault Truck Defense gehört, sowie für das Modell Casspir des südafrikanischen Unternehmens OMC Land Systems. Die Firma ist Teil des Rüstungskonzerns BAE Systems.

Sachsen und Hamburg beschaffen selbst Zwei Landesregierungen wollen den vom BMI gesteuerten Beschaffungsprozess allerdings nicht abwarten und haben selbst sondergeschützte Fahrzeuge erworben. So kaufte der Hamburger Senat einen Survivor, Sachsen zwei. Sie kommen allerdings nicht bei der Bereitschaftspolizei zum Einsatz, sondern bei den Spezialkräften.

KNAPP Neues BKA-Gesetz

(BS/leh) Der Deutsche Bundestag hat die Neustrukturierung des Gesetzes über das Bundeskriminalamt (BKA) beschlossen. Künftig darf die Polizei unter anderem potenzielle Terroristen unter Hausarrest stellen und ihren Aufenthalt mittels Fußfessel elektronisch überwachen. Darüber hinaus schafft das Gesetz den rechtlichen Rahmen für eine grundlegende Modernisierung der polizeilichen ITSysteme und eine neue polizeiliche Infrastruktur, die zentral beim BKA angesiedelt werden soll. Mit der Reform wird ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Dieses hatte das BKA-Gesetz im vergangenen Jahr teilweise für verfassungswidrig erklärt und eine Neuregelung bis zum 30. Juni 2018 gefordert. Mehr zu der Reform lesen Sie unter www.behoerdenspiegel. de und im Newsletter “Netzwerk Sicherheit”.

Weitere Dienstposten geschaffen (BS/mfe) Die Stuttgarter Landesregierung hat 150 zusätzliche Stellen bei der Polizei geschaffen. Diese sind für Beamte vorgesehen, die im Alter freiwillig länger arbeiten wollen. Sie können bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres sowohl auf diese neuen Stellen als auch auf reguläre Dienstposten wechseln. Eine noch weiter gehende, freiwillige Arbeitszeitverlängerung lässt das Landesbeamtengesetz bisher jedoch nicht zu. Durch die zusätzlichen Stellen werden jüngere Beamte nicht in ihren Beförderungsmöglichkeiten beschnitten. Derzeit sind landesweit rund 440 Polizeibeamte in der freiwilligen Verlängerungsphase. Sie erhielten einen zehnprozentigen Zuschlag zu ihren regulären Bezügen, erklärte Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Eine Veranstaltung des

Beschaffertage 2017 30. – 31. Mai 2017, Bonn

Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeit unter: www.bos-beschaffertage.de

Fachliche Leitung:


Innere Sicherheit

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Behörden Spiegel / Mai 2017

Ein Netz für alle – eins von allen!

Kameras auf dem Vormarsch

BDBOS begeht in Berlin zehnjähriges Jubiläum

Auch Baden-Württemberg und NRW testen Technik

(BS/R. Uwe Proll/Marco Feldmann) Alles begann Mitte der 90er-Jahre, als nämlich die Innenministerkonferenz (IMK) ein Vorhaben auf den Weg (BS/mfe) Immer mehr Bundesländer erproben den Einsatz von Körperbrachte, um den Polizeifunk digital und damit zukunftsfähig zu machen. Doch es dauerte dann bis 2002, bis eine Vereinbarung zwischen den kameras bei ihren Polizeibehörden. Nachdem kürzlich Thüringen ein Ländern und dem Bund endgültig das Fundament für eine gemeinsame Organisation schuf. entsprechendes Projekt bekannt gab, ziehen nun Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen nach. In beiden Bundesländern sind die Tests tenübertragung für Statusmel- vorerst aber auf ausgewählte Dienststellen beschränkt. Es sollte eine Anstalt des öffent- die Länder stünden weiterhin lichen Rechts gegründet werden, die für Bund und Länder, aber auch die Hilfsorganisationen einen einheitlichen digitalen Funk zu errichten habe. Am 2. April 2007 folgte dann die Gründung der bundesunmittelbaren rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts, Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS). Dieses Datum war nun Anlass für eine Veranstaltung: zehn Jahre BDBOS. In der Gründungsphase der Anstalt gab es kontroverse Diskussionen, die Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) in seiner Rede anlässlich dieser Veranstaltung mit deutscher Gründlichkeit beschrieb. Es wurde abgewogen, Bedenken erörtert und Schwierigkeiten betont. Doch am Ende, so de Maizière, stehe nun ein erfolgreiches Projekt, das größte TETRA-Netz der Welt mit 700.000 Nutzern. Die deutsche Gründlichkeit, so der Innenminister, habe sich also in diesem Fall bewährt, denn es sei ein erfolgreiches Projekt mit allerlei Schwierigkeiten zu Ende gebracht worden, das heute weltweit Anerkennung finde.

Länder stehen hinter Initiative Für die Bundesländer, die in der Bundesanstalt ebenso vertreten sind wie der Bund, betonte der sächsische Innenminister Markus Ulbig (ebenfalls CDU), dass aus dem Netz für alle längst ein Netz von allen geworden sei. Auch habe man sich darüber verständigt, dass die Fortsetzung des BOS-Digitalfunks bis mindestens 2030 erfolgen solle. Dazu bedürfe es einiger Modernisierungsmaßnahmen, aber

zu der gemeinsamen Initiative zwischen Bund und Ländern. Ulbig betonte aber auch, dass die Länder einen langen Atem gebraucht hätten, um den BOSDigitalfunk gegen Widerstände von Bürgerinitiativen durchzusetzen. Eine Klage in Sachsen habe viereinhalb Jahre gebraucht. Die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium (BMI), Dr. Emily Haber, Vorsitzende des Verwaltungsrates der BDBOS, betrachtet den Aufbau, der eine schwierige Phase gewesen sei, als abgeschlossen. Der Betrieb stelle zudem weitere tagtägliche Herausforderungen dar. Eine Weiterentwicklung des Netzes und seiner Funktionalitäten sei aber heute die große Herausforderung. Für das “Blaulicht-Milieu” suchte der Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), Albrecht Broemme, den Vergleich in der Humanbiologie. Er betonte: “Die Geburtsstunde des Digitalfunks der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben kam einem Kaiserschnitt nach zehnjähriger Schwangerschaft gleich.” Begonnen habe alles mit Pilotprojekten bei der Berliner Polizei sowie für den Bereich des Katastrophenschutzes in Aachen, erläuterte der THWPräsident. Aber jetzt habe es die BDBOS geschafft: Der Bund kooperiere vertrauensvoll mit allen 16 Bundesländern und mit der Industrie. Außerdem fungiere die Bundesanstalt als Dienstleisterin für die Nutzer des Netzes. “Und das macht sie wirklich gut”, lobte Broemme. Inzwischen nutzten mehr als 720.000 Teilnehmer das BOSDigitalfunknetz. Und es kämen

Der Präsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), Andreas Gegenfurtner, unterstrich den Dienstleistungscharakter seiner Anstalt öffentlichen Rechts. Foto: BS/Wilke

monatlich zahlreiche weitere hinzu. Die Feuerwehren, Katastrophenschutzeinheiten, Rettungsdienste und das THW hätten an dieser Gesamtzahl einen Anteil von 62 Prozent, so der frühere Landesbranddirektor Berlins. Hinzu kämen 35 Prozent von den Polizeien und drei Prozent von sonstigen BOS.

Staatliches Netz schlägt jedes private Broemme lobte auch die Zuverlässigkeit des BOS-Digitalfunknetzes hierzulande. Er unterstrich: “Die Ausfallsicherheit der Vermittlungsstellen liegt bei 99,999 Prozent, die der Basisstationen bei 98,5 Prozent. Diese Werte erreicht kein privates Netz!” Und auch den Versorgungsgrad hob der THWPräsident hervor: Er liege bei 99,1 Prozent. Darüber hinaus sei der Funkverkehr abhörsicher. Weitere Vorzüge des BOSDigitalfunks sind laut Broemme eine verbesserte Sprachqualität ohne Nebengeräusche, die Da-

dungen sowie die Möglichkeit zur Einzel- und Gruppenkommunikation. Aber der ehemalige Chef der Berliner Feuerwehr sparte auch nicht mit Aussagen zu Verbesserungsmöglichkeiten aus Sicht der Netznutzer. So müssten sowohl die Datendienste als auch die Inhouse-Versorgung besser werden. Des Weiteren müsse gelten: “Bei einem Stromausfall muss gewährleistet sein, dass die Einsatzorganisationen ihre Kommunikation weiter aufrechterhalten können”, mahnte Broemme.

BDBOS keine klassische Behörde Der Präsident der BDBOS, Andreas Gegenfurtner, wollte das gemeinsam Geleistete feiern. Die BDBOS sei keine klassische Behörde, sie budgetiere zudem wie eine Kapitalgesellschaft und sei als AöR ein Dienstleister. “Das Netz lebt”, sagte Gegenfurtner und meinte damit in einem Blick nach vorne, dass derzeit noch Aufgaben zu erledigen seien, wie die Objektfunkversorgung. Gleiches gelte für die Auswirkungen der Weiterentwicklung des Digitalfunknetzes auf die Kommunikationswege der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Hierzu gibt es zahlreiche Diskussionsvorlagen, soll man LTE verwenden oder nicht? Und wie sieht es mit Voice-over-IP aus? Gegenfurtner ist derzeit zu einem Vordenker in der Szene avanciert. Er versucht nicht nur europäische Verbündete für die Zukunft nach der jetzigen TETRA-Technologie zu finden, sondern auch international für gemeinsame Lösungen zu werben.

Motorola Solutions auf Erfolgskurs Berliner Mitarbeiter des Mobilfunkherstellers erreichen neuen Rekord (BS) Motorola Solutions ist einer der führenden Hersteller von TETRA-Systemen im Bereich des Digitalfunks. Unabhängig davon, wo sie zum Einsatz kommen: Gefertigt werden sie in Berlin. Christoph Thomas, Geschäftsführer der Motorola Solutions Germany GmbH, antwortet auf Fragen zur Arbeitsweise des dortigen Kompetenzzentrums, zum Einsatz der Geräte in Berlin sowie zur Bedeutung des Erfolges für das Unternehmen. Motorola Solutions hat vor Kurzem das 1.000ste TETRA-Digitalfunksystem aus seinem TETRA-Kompetenzzentrum in Berlin ausgeliefert. Was bedeutet dieser Erfolg für Motorola Solutions? Die Übergabe des 1.000sten TETRA-Systems ist ein wichtiger Meilenstein – in dreierlei Hinsicht: Erstens, TETRA als Technologie ist gefragt und der Markt wächst. Die Technologie hat eine Zukunft. Des Weiteren unterstreicht dieser Erfolg die führende Position von Motorola Solutions und unserem Standort Berlin als weltweit bedeutsamem Zentrum für die Entwicklung und Integration sicherheitskritischer TETRA-Lösungen. Und schließlich zeigt der Meilenstein auch, über welch hohe Kompetenz unsere Mitarbeiter hierzulande verfügen. In der Hauptstadt befindet sich unser weltweites TETRA-Kompetenzzentrum, aus dem wir Kunden in aller Welt bedienen. Alle TETRA-Digitalfunknetze, die weltweit zum Einsatz kommen – darunter auch viele landesweite Netze –, werden von unseren Kollegen in Berlin designt, konfiguriert und vor Ort an Kunden aus aller Welt übergeben. Für unsere Kunden bedeutet unser TETRA-Kompetenzzentrum in Berlin langjährige Erfahrung und Know-how am Standort Deutschland.

Christoph Thomas, Geschäftsführer der Motorola Solutions Germany GmbH, ist sehr stolz auf die Arbeit seiner Berliner Kollegen. Sie konfigurieren alle TETRA-Digitalfunknetze, die das Unternehmen seinen Kunden liefert. Foto: BS/Motorola Solutions

Wo kommen die TETRA-Systeme aus Ihrem TETRA-Kompetenzzentrum in Berlin zum Einsatz? Unsere TETRA-Digitalfunksysteme liefern wir an Kunden in aller Welt. Darunter befinden sich zahlreiche landesweite TETRA-Netze für beispielsweise die Sicherheitsbehörden in Dänemark, Norwegen, Österreich, Irland, Portugal und im Vereinigten Königreich. Unsere TETRALösungen werden von Berlin aus in über 120 Länder exportiert und in allen Bereichen der öffentlichen Sicherheit und der Industrie eingesetzt.

Unser 1.000stes TETRA-System haben wir vor wenigen Tagen an die Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel übergeben, wo die Digitalfunklösung für eine zuverlässige und sichere Kommunikation sorgt. Damit haben wir in Deutschland bereits mehr als 50 TETRA-Systeme in unterschiedlichen Branchen implementiert, darunter Flughäfen, Energieversorger und öffentliche Nahverkehrsunternehmen. Zu unseren Kunden gehören beispielsweise die Flughäfen München, Stuttgart und Köln/Bonn, die Versorgungsunternehmen RheinEnergie, Stromnetz Berlin und Hamburg sowie die ÖPNVBetriebe Rhein-Neckar-Verkehr GmbH und die Rheinbahn in Düsseldorf. Bei vielen Kunden verantwortet Motorola Solutions auch den Betrieb, das Management sowie Serviceleistungen für eine reibungslose Funktionalität der Netze. Welches Know-how bieten Sie Ihren Kunden am Standort Berlin? Unser Expertenteam in Berlin designt und konfiguriert maßgeschneiderte TETRA-Digitalfunkinfrastrukturen für den globalen Markt. Die Leistungen reichen von Systemdesign und Funknetzplanung über technisches Training für Kunden, Qualitätssicherung, Supply-Chain-

Management und Logistik bis hin zum Kundenservice sowie der Integration mit neuen Technologien wie zum Beispiel LTE. Jedes Jahr finden über 50 Kundenabnahmen in Berlin statt, bei denen eine Kundenzufriedenheit von über 96 Prozent erreicht wird. Darüber hinaus können sich Kunden in einem eigens eingerichteten Demo-Center über Technologieentwicklungen und integrierte Lösungen der nächsten Generation informieren: die Zukunft von TETRA, die Integration mit Digital Mobile Radio (DMR) sowie LTE beziehungsweise breitbandigen Netzen, Cloud-basierte Leitstellenlösungen, Cyber Security, aber auch Anwendungen wie zum Beispiel Videomanagement oder Big Data Analytics. Und was wird am Berliner Standort noch gemacht? Das erfahrene und zertifizierte Team in unserem TETRA-Kompetenzzentrum in Berlin führt zudem für unsere weltweiten Kunden und Partner mehr als 150.000 Wartungs- und Reparaturtransaktionen pro Jahr an Infrastruktur und Endgeräten durch. Das Leistungsangebot umfasst außerdem Ende-zuEnde-Reparaturlogistik und Reparaturen innerhalb eines Tages für mehr als 200 Reseller und Distributionspartner.

Im Süden der Republik werden Beamte der Polizeipräsidien Mannheim, Freiburg und Stuttgart für zunächst sechs Wochen mit den Geräten ausgestattet. Es werden 30 Kameras genutzt. Dazu erklärte Innenminister Thomas Strobl (CDU): “Die Erprobung der Body-Cams findet jetzt genau dort statt, wo unsere Polizisten sehr häufig in Gewaltsituationen kommen. Nahezu 40 Prozent aller Angriffe auf Polizeibeamte müssen wir in den Polizeipräsidien Freiburg, Mannheim und Stuttgart registrieren.” Es gehe auch darum, möglichst schnell Erfahrungen mit der Technik zu sammeln, so der Ressortchef.

Nordrhein-Westfalen passte Polizeigesetz an Denn: Bereits im Juni soll dem Stuttgarter Landtag ein erster Erfahrungsbericht präsentiert werden. In Baden-Württemberg kann übrigens auch die PreRecording-Technik der Geräte genutzt werden. Das dortige Polizeigesetz räumt die Möglichkeit zur Speicherung des Videomaterials ab einem Zeitpunkt von 60 Sekunden vor der eigentlichen Aufnahme explizit ein. In Nordrhein-Westfalen sind künftig sogar 200 Körperkame-

ras im Einsatz. Sie werden von Streifenbeamten in Düsseldorf, Duisburg, Köln, Wuppertal und im Kreis Siegen-Wittgenstein verwendet. Innenminister Ralf Jäger (SPD) betonte: “Der Pilotversuch dient dazu, die deeskalierende Wirkung von Einsatz-Kameras im Dienstalltag zu testen.” Sein Haus wolle herausfinden, ob die Übergriffe auf Beamte durch den Einsatz der Body-Cams abnehmen. Auf einem Display ist jeweils zu sehen, was aktuell gefilmt wird. Für den Einsatz der Body-Cams musste im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland sogar das Polizeigesetz angepasst werden. Dies hatten die mitregierenden Grünen lange Zeit verhindert. Im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz findet sich nun jedoch ein eigenständiger Paragraph, der die Datenerhebung durch den Einsatz körpernah getragener Aufnahmegeräte ausdrücklich regelt. Seine Gültigkeit ist vorerst bis zum 31. Dezember 2019 begrenzt. Der Pilotversuch, an dem rund 400 Beamte teilnehmen, wird auch wissenschaftlich evaluiert. Damit sind Forscher der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV) in Gelsenkirchen betraut.

Aus Taser ist Axon geworden Umbenennung ohne Auswirkungen auf Alltagsgeschäft (BS/Sarah Ruiz*) Vor rund vier Wochen hat sich die Firma Taser International, Inc. in Axon Enterprise, Inc. unbenannt. In Deutschland firmiert das US-amerikanische Unternehmen künftig als Axon Public Safety Germany SE. Die Umbenennung folgt der abgeschlossenen Transformation zum digitalen Lösungsanbieter im Bereich der öffentlichen Sicherheit. Taser – nicht nur in Deutschland, sondern mittlerweile weltweit hat sich dieser Name als Synonym für Distanz-Elektroimpulsgeräte etabliert. Auch nach der Umfirmierung wird die renommierte Marke fortgeführt, doch steht sie künftig ausschließlich für die Distanz-Elektroimpulsgeräte und nicht mehr für das Unternehmen selbst. Für Christian Scherf, Country Manager Germany, Austria and Switzerland, ist das die logische Folge einer langen Entwicklung: “Effektiver Eigenschutz im Polizeidienst – ohne tödliche Gewalt anzuwenden – war 1993 unsere Gründungsidee. Schon lange sind wir jedoch faktisch weltweit als Partner für digitale Gesamtlösungen im Bereich der öffentlichen Sicherheit gefragt. Der Name Axon steht für diese erfolgreiche Transformation.”

Projektgeschäft unberührt Die Umbenennung zur Axon Public Safety Germany SE in Deutschland hat keine Auswirkungen auf das operative Kundengeschäft. Alle Verträge bleiben uneingeschränkt gültig, die Projekte werden vereinbarungsgemäß mit den gleichen Ansprechpartnern fortgeführt. Schutz und effektive Beweismittelerhebung im Polizeidienst bleiben in Deutschland im Fokus der Tätigkeit von Axon. Die aktuellen Axon-Projekte konzentrieren sich auf die flächendeckende Einführung von Distanz-Elektroimpulsgeräten sowie Testphasen von BodyCams. Spätestens bei der flächendeckenden Einführung von Body-Cams in den Bundesländern erwartet Axon eine sprunghaft ansteigende Nachfrage nach System-Lösungen.

“Body-Cams im Streifendienst müssen zwingend durch ein leistungsfähiges Back-EndManagement im Innendienst unterstützt werden, da die Aufzeichnungen zu einem massiven Video-Datenaufkommen führen. Bei der Beschaffung ist deshalb ein digitaler, automatisierter End-to-End-Service zwecks Beweismittelsicherung erforderlich”, so Scherf.

Sicherheit durch Sichtbarkeit Für Axon erschöpft sich der Nutzen digitaler Tools bei der Beweismittelerhebung aber nicht in der automatisierten Datenverarbeitung. Bewusst hat der Weltmarktführer für Body-Cams seine zentrale ITPlattform für digitales Beweismanagement “evidence.com” mit einer offenen IT-Schnittstelle zur Integration intelligenter Technologien ausgestattet. Dadurch entsteht am Schluss nicht nur mehr Effizienz beim Beweismittelmanagement. “Digitale Sicherheits-Lösungen von Axon werden von Polizeipraktikern ausschließlich für die Polizeipraxis entwickelt. Intelligent kombiniert, bedeutet das für jede Polizeidienststelle: mehr sichtbare Polizeipräsenz auf der Straße”, betont Scherf. *Sarah Ruiz ist Marketing Specialist EMEA bei Axon Enterprise.


Innere Sicherheit / Zoll

Behörden Spiegel / Mai 2017

A

nstatt eine konsequente Fehleranalyse an den Anfang zu stellen und darauf basierend zielgerichtete Korrekturen vorzunehmen, wurde zu oft ohne Diagnose bereits die Therapie verordnet. Ich bin froh, dass die Bürger sich mehrheitlich nicht von diesen schrecklichen Taten verunsichern lassen und einen kühlen Kopf bewahren. Neben der notwendigen gründlichen Aufklärung, die die Grundlage für jede Verbesserung in der Zukunft ist, muss die Politik gewährleisten, dass die Sicherheitsbehörden auch das nötige Rüstzeug für die Bewältigung der Einsatzsituation haben. An dieser Stelle kommt vor allem den Polizeibehörden eine entscheidende Rolle zu. Die Polizisten sind, neben den Kräften der Feuerwehren und Rettungsdienste, die Ersten, die bei Attentaten, Amokläufen oder anderen Großschadensereignissen vor Ort sind, Hilfe leisten und wohlmöglich Schlimmeres verhindern.

Bundesregierung verweist auf Länder Für ein sicheres Agieren in komplexen Lagen sind zuverlässige und störungsfreie Kommunikationsmittel unerlässlich. Dafür sind die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) mit einem eigenen Funknetz ausgestattet. Dieses unterliegt momentan aber noch einer Umstellung von Analog- auf Digitalfunk. Dabei sollte ein Rumpfnetz bereits zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Betrieb gehen. Die gesamte Umstellung hätte im Jahr 2012 abgeschlossen sein sollen. Dennoch ist die Digitalfunkversorgung immer noch nicht

Zuverlässige Kommunikation notwendig Sicherheitskräfte brauchen ausreichende Digitalfunkversorgung an allen Orten (BS/Irene Mihalic) Die terroristische Anschlagsgefahr steht weit oben auf der Agenda der Sicherheitsbehörden. Denn nach den furchtbaren Anschlägen in Europa, und nicht zuletzt in Deutschland, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie sich solche Attentate zukünftig verhindern lassen und ob die Sicherheitsbehörden in der Lage sind, angemessen auf entsprechende Taten zu reagieren. Leider war gerade der politische Diskurs dabei oftmals von hektischem Aktionismus seitens der Bundesregierung geprägt. vollständig gewährleistet. Anstatt hier lösungsorienteiert an einer deutschlandweit guten Netzabdeckung zu arbeiten, verweist die Bundesregierung auf die Verantwortlichkeit der Länder beziehungsweise auf “regionale Gegebenheiten”, wie eine Kleine Anfrage unserer Fraktion zeigte (BT-Drs. 18/9546). Damit reiht sich das “Großprojekt Digitalfunk” in die lange Reihe von Großprojekten ein, die nicht durch Leistung für Schlagzeilen sorgen, sondern durch zahlreiche Pannen und Verzögerungen. Die Umstellung ist eines der größten Modernisierungsvorhaben in der Bundesrepublik und die neue Technik bietet dabei durchaus wichtige Vorteile. So ist die Sprachqualität deutlich besser, es können Dokumente digital übertragen werden und nicht zuletzt soll die Kommunikation durch eine moderne Verschlüsselung abhörsicher sein. Leider sind die vielen Vorteile des Digitalfunks in der Praxis bisher kaum oder nur sehr eingeschränkt nutzbar.

Mängel in großen Gebäudekomplexen Ein besonderes Problem stellen immer noch große Gebäudekomplexe dar, die oftmals noch nicht mit neuen digitalen Gebäudefunkanlagen ausgerüstet sind. Diese Anlagen sind aber notwendig, da die

FIU wechselt zum Zoll Zentralstelle erhält auch mehr Personal (BS/mfe) Die bisher beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelte Zentralstelle für Geldwäsche-Verdachtsmeldungen (Financial Intelligence Unit, FIU) wird künftig Teil der Zollverwaltung. Sie soll als neue Abteilung D beim Zollkriminalamt (ZKA) – der Direktion VIII der Generalzolldirektion (GZD) – eingerichtet werden. Zum 1. Juli sollen zunächst 100 Mitarbeiter in zwei Referaten ihren Dienst aufnehmen. Bis 2018 soll der Personalbestand auf 165 Beschäftigte anwachsen. Bisher waren dort nur 25 Mitarbeiter tätig. Zur weiteren Personalentwicklung in den Folgejahren äußert sich ein Sprecher der GZD nur vage. Von dort heißt es: “Über eventuell erforderliche Anpassungen ist nach Betriebsaufnahme und Stabilisierung der IT-Systeme sowie der Arbeitsprozesse zu entscheiden.” Vom Wechsel der FIU aus dem Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministeriums (BMI) in jenen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) versprechen sich die Verantwortlichen einen intensiveren Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Gleichwohl stellte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kürzlich fest, dass in diesem Bereich auch schon im BKA “exzellente Arbeit” geleistet worden sei. Dennoch unterstrich der Präsident der GZD, Uwe Schröder: “Die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung gehört schon lange zu den Aufgaben des Zolls. Deshalb ist die FIU beim Zoll in den besten Händen.”

Möglicherweise zu wenig Personal Gewerkschaftsvertreter befürchten allerdings, dass der Personalkörper der gestärkten FIU zu knapp bemessen sein könnte. Zu diesen Mahnern gehört unter anderem Dieter Dewes, Bundesvorsitzender der BDZ Deutsche Zoll- und Finanz-

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gewerkschaft. Er meint aber auch: “Mit der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen wird der Schwerpunkt auf die Analyse sowie die Bewertung von Geldwäscheverdachtsmeldungen gelegt.” Und Dewes hofft: “Durch die Konzentration im Bundesfinanzministerium wird eine schlagkräftige Truppe im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gebildet.” Auch andere Interessensvertreter üben Kritik an dem Vorhaben. So bemängelt die deutsche Kreditwirtschaft unter anderem, dass Verdachtsmeldungen hinsichtlich Geldwäsche und Terrorfinanzierung künftig nur noch elektronisch an die Behörden übermittelt werden dürften. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisiert eine unklare Verdachtsmeldeschwelle im Gesetzesvorhaben. Dort werde zu stark an nicht definierte Begriffe angeknüpft. Scharfe Kritik am Gesetzentwurf kommt schließlich vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Dessen stellvertretender Bundesvorsitzender Sebastian Fiedler meint: “Die beabsichtige Neustrukturierung der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen wird nach aktuell erkennbarem Zuschnitt massive Verschlechterungen in der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bewirken und stellt ein Risiko für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar.”

Die Gebäudebetreiber sind daher auch vielfach verpflichtet, solche Gebäudefunkanlagen zu installieren. Allerdings müssen sie bestehende Anlagen nicht zwangsläufig durch neue digitale Gebäudefunkanlagen ersetzen. Das Fehlen digitaler Gebäudefunkanlagen kann dazu führen, dass die Einsatzkräfte im Gebäude weder untereinander noch mit der Einsatzleitung kommunizieren können. Dieser Zustand stellt für die Einsatzkräfte ein hohes Sicherheitsrisiko dar – gerade in Bahnhöfen, Unterführungen oder anderen Gebäuden. Einsatzkräfte müssen sich auf eine zuverlässige Kommunika-

Irene Mihalic ist innenpolitische Sprecherin der Bundestagfaktion von Bündnis 90/Die Grünen. Außerdem ist sie Obfrau ihrer Fraktion im Innenausschuss sowie Obfrau und Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss. Foto: BS/privat

Signale der Funkmasten oft nicht stark genug sind, um große Gebäude, wie Einkaufszentren oder Bahnanlagen, ausreichend zu versorgen. Mit Gebäudefunkanlagen werden die Signale dann innerhalb von Gebäuden weitergeleitet. Der Einsatz solcher Gebäudefunkanlagen ist daher nicht zuletzt für einen ordnungsgemäßen Brandschutz notwendig, weil insbesondere auch die Feuerwehr im Einsatz darauf zurückgreift.

tion jederzeit verlassen können. Wie sollen Polizisten Verstärkung rufen, wenn sie sich gerade zufällig im Funkloch befinden?

Bereits Probleme in Einsatzsituationen Ein solcher Fall hat sich Ende 2014 am Essener Hauptbahnhof ereignet. Nach einem Fußballspiel wurde ein junger Bundespolizist von einem Hooligan angegriffen und so stark gewürgt, dass er immer wieder das Bewusstsein verlor. Der Versuch seiner Kollegen, über Funk Verstärkung anzufordern, scheiterte zunächst an der schlechten Netzabdeckung. Durch einen Ortswechsel konnte schließlich ein Kollege Verstärkung rufen und der Mann überwältigt werden. Wir können von Glück sagen, dass der Vorfall nicht tragischer ausgegangen ist.

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie bereits im polizeilichen Einsatzalltag eine mangelhafte Digitalfunkversorgung zu lebensbedrohlichen Situationen führen kann. Im Hinblick auf Großschadensereignisse bekommt die Problematik natürlich noch eine zusätzliche Brisanz. An dieser Stelle müssen wir uns einmal bewusst machen, dass die größten Schwierigkeiten an den sensibelsten und gefährdetsten Orten bestehen. Nämlich in großen Gebäudekomplexen wie Flughäfen, Bahnhöfen und Einkaufszentren. Aus diesem Grund hat die Bundestagfraktion Bündnis 90/ Die Grünen im März einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, der die Bundesregierung auffordert, sich mit Nachdruck um eine entsprechende Umrüstung – zumindest der in Bundeseigentum befindlichen Bahnanlagen – einzusetzen (BT-Drs. 18/11409). Damit würde ein wirklich wichtiger Beitrag zur Inneren Sicherheit geleistet werden. Diese Anstrengung muss gemeinsam von Bund und Ländern getätigt werden, um eine tatsächlich zuverlässige Digitalfunkversorgung zu gewährleisten.


Katastrophenschutz

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ehörden Spiegel: Frau Dr. Haritz, wann findet die nächste Länderübergreifende Krisenmanagementübung (LÜ­ KEX) statt und welches Szenario wird dann geübt?

Haritz: Die nächste Übungsdurchführung einer LÜKEX wird es 2018 geben. Dann wird eine Gasmangel-Lage simuliert. In der Bewältigung der Flüchtlingslage ab Spätsommer 2015 konnten wir die LÜKEX 2015 nicht wie geplant durchführen, und der Übungszyklus hat sich hierdurch um ein Jahr verschoben. Wir sind jetzt aber bereits in der Planung der LÜKEX 2018, der mittlerweile achten LÜKEXÜbung. Behörden Spiegel: Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus der gemeinsamen Übung von Polizei und Bundeswehr (GETEX), deren Szenarien maß­ geblich vom Bundesamt für Be­ völkerungsschutz und Katas­ trophenhilfe (BBK) entwickelt wurden?

Gasmangel-Lage als nächstes Szenario LÜKEX im kommenden Jahr simuliert Versorgungsengpass in Deutschland (BS) Sie ist die erste Abteilungsleiterin im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) überhaupt. Auch in den Vorgängereinrichtungen der Bonner Bundesoberbehörde gab es keine Frau in einer solchen Position: Dr. Miriam Haritz ist für den gesamten Bereich des Krisenmanagements zuständig. Damit trägt sie auch die Verantwortung für die länderübergreifende Krisenmanagementübung (LÜKEX) und für die Warnung der Bevölkerung. Über künftige Herausforderungen in diesen Bereichen sprach die promovierte Juristin mit dem Behörden Spiegel. Das Interview führte Marco Feldmann. in künftige LÜKEX-Szenarien auch GETEX-Elemente einfließen könnten. Es gibt sicherlich noch inhaltliche Punkte, die weiter beübt werden könnten. Behörden Spiegel: Welche Probleme und Mängel sehen Sie im Bereich der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV)?

Haritz: Die Psychosoziale Notfallversorgung ist im Bereich der Gefahrenabwehr mittlerweile auf breiter Front akzeptiert. Das ist nicht zuletzt auch ein Erfolg der Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe (NOAH) in meiner Abteilung. Dort konnten in mittHaritz: Das BBK, konkret mei- lerweile rund 300 auslandsbene Abteilung, hat die Federfüh- zogenen Einsätzen intensive rung für die Koordinierung der Eindrücke und Erfahrungen GETEX erhalten, weil wir durch hinsichtlich der Betreuung von die LÜKEX bereits über einen Menschen in Extremsituatiogroßen Erfahrungsschatz in der nen gesammelt werden. Die Arbeit meines Referats ressort- und länderübergreifenden Zusammenarbeit im Be- “Psychosoziales Krisenmanareich der strategischen Krisen- gement” geht aber weit über managementübungen verfügen. NOAH hinaus. Da geht es auch Allzu viel kann ich über die ganz stark um ein gemeinsames Erkenntnisse der GETEX aber Qualitätsmanagement auf Bunnoch nicht verraten. Schließlich des-, Landes- und kommunaler läuft der Auswertungsprozess Ebene. Hier ist uns sehr an einer noch und wird uns auch noch weiteren Standardisierung zur Sicherung der gewonnen Quaeinige Zeit beschäftigen. lität in Kooperation mit allen Behörden Spiegel: Aber wel­ zuständigen Partnern gelegen. che ersten Erkenntnisse gibt es Dazu arbeiten meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr denn? eng mit den verschiedensten Haritz: Man kann sicherlich akademischen Disziplinen zufesthalten, dass sich die Zu- sammen, die auch im Referat selbst vertresammenarbeit ten sind, wie der Partner bei “GETEX ist keine kleine zum Beispiel der GETEX – soSoziologen, wohl im Bereich LÜKEX.” Psychologen, des Bundes als Pädagogen, auch im Bereich der Länder – bewährt hat. Glei- Theologen, Kommunikationsund Retches gilt für die Kommunikation wissenschaftlern zwischen den beteiligten Akteu- tungsingenieuren. ren, auch was das Testen von Behörden Spiegel: Und was Abstimmungswegen betrifft. Und das alles, obwohl wir bei muss noch verbessert werden? der GETEX eine deutlich kürzeHaritz: Aus Sicht einer Juristin re Vorbereitungszeit hatten als bei einer LÜKEX. Eines ist mir fehlt es in diesem Bereich noch wichtig festzuhalten: GETEX ist an einer gewissen Rechtsverkeine kleine LÜKEX, sondern bindlichkeit. Da gibt es in Zukunft – bei einer Kooperation von eine Übung ganz eigener Art. Bund, Ländern, Kommunen, Behörden Spiegel: Wie lang Hilfsorganisationen und Kirsind denn bei diesen Übungen chen – sicherlich noch Möglichjeweils die Vorbereitungshori­ keiten, mehr rechtlich erfasste Verbindlichkeit zu erreichen. zonte? Haritz: Die Planung und Vorbereitung einer LÜKEX dauert durchaus 18 Monate. Für die GETEX hatten wir hingegen nur rund ein halbes Jahr Zeit. Aber hinter den Übungen stehen ja auch ganz unterschiedliche Konzepte. Bei jeder LÜKEX soll schließlich nicht nur das Undenkbare geübt werden, sondern es sollen auch durch die lange Zeit der gemeinsamen Vorbereitung nachhaltige Netzwerke zwischen verschiedenen staatlichen Akteuren und den Betreibern Kritischer Infrastrukturen unter dem Motto “In der Krise Köpfe kennen” entstehen. Behörden Spiegel: Wird es eine solche Übung wie GETEX – dann vielleicht sogar nicht nur als Stabsrahmenübung – noch­ mal geben? Haritz: Eine etwaige Fortsetzung von GETEX ist eine politische Entscheidung. Ob und auf welcher Ebene und mit welcher Beteiligung – das müssen andere entscheiden. Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass

Behörden Spiegel / Mai 2017

Behörden Spiegel: Welche Weiterentwicklungen Ihrer Warn­Applikation NINA planen Sie noch? Haritz: Die Entwicklung und Inbetriebnahme von NINA hat insgesamt so gut funktioniert, dass wir mittlerweile bundesweit über eine Million Nutzer verzeichnen. Und jeder Nutzer ist im Ereignisfall ein Warnmultiplikator für andere Menschen. Jetzt entwickeln wir die Applikation kontinuierlich weiter. Eigentlich ist NINA übrigens für die Warnung des Bundes im Spannungs- und Verteidigungsfall konzipiert. Denn nur dann, nämlich wenn es um den Zivilschutz geht, sind wir als BBK originär zuständig. Gleichwohl bauen wir auf den Doppelnutzen. Denn: Die Bevölkerung wird über eine Anwendung wie NINA, die auf dem Modularen Warnsystem (MoWaS) aufbaut, im Spannungsund Verteidigungsfall nur dann erreicht werden können, wenn sie die Möglichkeit hatte, diese Warnwege bereits in Friedenszeiten zu erproben. Deshalb

Dr. Miriam Haritz ist als promovierte Juristin und europäische Verwaltungswissenschaftlerin seit Juli vergangenen Jahres Abteilungsleiterin für Krisenmanagement im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn. Hier präsentiert sie Publikationen ihres Hauses. Foto: BS/Feldmann

kann NINA auch genutzt werden, um Warnungen der Länder aus dem Bereich des Katastrophenschutzes zu verbreiten. Behörden Spiegel: Wie ver­ hält sich NINA zu anderen Warn­ Applikationen? Haritz: NINA steht nicht in Konkurrenz zu anderen Warn-Anwendungen, etwa der vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Da gibt es schließlich ganz unterschiedliche Zuständigkeiten und Zielsetzungen. NINA bietet ja beispielsweise auch Notfallhinweise des BBK an. Und außerdem fließen ja bereits durchaus Daten des DWD in NINA ein. Ich selber nutze auch verschiedene Warn-Apps auf meinem Handy. Das, was hinter NINA steht, ist in Zielsetzung, Reichweite und Sicherheit mit anderen Anwendungen aber schlicht und einfach nicht vergleichbar: An das satellitengestützte MoWaS lassen sich die verschiedens-

ten Warnmittel, von denen NINA nur eines ist, anschließen. Über MoWaS können zum Beispiel auch Fernseh- und Rundfunkanstalten oder die Züge der Deutschen Bahn mit Warnmeldungen angesteuert werden. Behörden Spiegel: Sie sind die erste weibliche Abteilungs­ leiterin im BBK. Wirkt sich diese Tatsache konkret auf Ihre alltäg­ liche Arbeit aus? Haritz: Das glaube ich nicht. In meiner Abteilung sind wir letztlich alle Krisenmanagerinnen und Krisenmanager mit Herz und Seele. Das zeigen wir natürlich als das operative Herzstück des BBK in einer konkreten Einsatzlage, aber auch im Alltag. Aus diesem Grunde sind der gegenseitige Zusammenhalt und die Unterstützung untereinander in meiner Abteilung stark ausgeprägt, und das ist wichtiger als die Frage des Geschlechts der Abteilungsleitung.

vorgesetzte ich war. Jetzt habe ich ja die Ebene der Referatsleitungen als weitere Führungsebene zwischen mir und den anderen Beschäftigten. Behörden Spiegel: Gibt es denn auch qualitative Unter­ schiede?

Haritz: Aber auch qualitativ sind die Unterschiede nicht Behörden Spiegel: Wie wür­ unerheblich, auch wenn die den Sie selbst Ihren Führungs­ LÜKEX-Referatsleitung sicherstil beschreiben? lich bereits eine herausgehobene Aufgabe war. Dieser Posten Haritz: Ich glaube nicht, dass lässt sich nicht ohne Weiteres sich mein Führungsstil grund- mit anderen Referatsleitungen legend von dem meiner männ- vergleichen. Dort arbeitet man lichen Kollegen unterscheidet. schon recht exponiert und wird Ich pflege einen kooperativen durch die Zusammenarbeit mit und situativen Führungsstil. so vielen verschiedenen exMan muss die Mitarbeiterinnen ternen Partnern auch öffentund Mitarbeiter so nehmen, wie lich stärker wahrgenommen. sie sind. Unterschiedliche Ar- Aber mit der Warnung, dem ten von Menschen benötigen Psychosozialen Krisenmanaverschiedene gement, dem “NINA steht nicht in Gemeinsamen Formen der Führung. Konkurrenz zu anderen Melde- und Lagezentrum und Ich glaube, Warn-Anwendungen.” der Grundlameine große genarbeit zum Stärke ist es, dass ich die Dinge rund um das Krisenmanagement sind neben Thema Krisenmanagement, die der LÜKEX eine Fülle an neuin meiner Abteilung erarbeitet en, herausfordernden Themen werden, glaubwürdig nach au- in meinen Verantwortungsbeßen vertreten kann. Das liegt reich gekommen. aber nicht daran, dass ich eine Behörden Spiegel: Wie ma­ Frau bin, sondern an meiner Persönlichkeit. Wie gesagt: Ich nagen Sie den Umstand, dass bin einfach Krisenmanagerin Sie neben Ihrer Funktion als und Bevölkerungsschützerin Abteilungsleiterin für Krisen­ mit Herz und Seele! Aber na- management auch noch mit der türlich ist es schon etwas Be- Wahrung der Geschäfte im LÜ­ sonderes, wenn man weiß, dass KEX­Referat betraut sind? man die erste Frau in dieser Haritz: Die Wahrnehmung Funktion im BBK und seinen dieser temporären DoppelVorgängerbehörden ist. funktion klappt gut. Es gibt ja Behörden Spiegel: Wie unter­ dankenswerterweise eine eigescheidet sich Ihre Arbeit als Ab­ ne Projektleitung LÜKEX. Mein teilungsleiterin von jener als für sehr erfahrener Kollege dort LÜKEX zuständigen Referats­ übt die entsprechende Fachaufsicht aus, ich nehme die leiterin? Dienstaufsicht wahr. Deshalb Haritz: Selbstverständlich sehe ich diesbezüglich keinen unterscheidet sich die Arbeit Interessenskonflikt. Es ist also nicht so, dass ich die einer Abteilungsleiterin von der einer Referatsleiterin. Das ist Aufgaben, die ich früher hatte, schon von der Zahl der direkt nun noch komplett zusätzlich unterstellten Mitarbeiter her zu meiner jetzigen Position als eine ganz andere Aufgabe. Als Abteilungsleiterin wahrnehme. Auch hier gilt: In meiner AbteiReferatsleiterin hatte ich zum Beispiel insgesamt mehr und lung halten wir zusammen und unterschiedlichere Beschäftig- unterstützen uns, da wo Not te, deren unmittelbare Dienst- am Mann (oder an der Frau) ist!

Städte vor zahlreichen Herausforderungen Verantwortliche in Metropolen müssen Hitze, Hagel und Feinstaub bewältigen (BS/mfe) Inzwischen leben drei Viertel aller Menschen in Großstädten. Sie sind zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Das meint zumindest Dr. Bernhard Fischer vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Der Experte aus dem Referat Bauen und Umwelt warnt Verantwortliche in Großstädten davor, mögliche Gefahren zu unterschätzen. So unterstreicht Fischer: “Wir haben auch innerstädtische Hitzeinseln.” Und: “Städte werden auch durch Hagel bedroht.” Zudem müsse das Problem der Feinstaubbelastung angegangen werden. Schließlich würden weltweit pro Jahr 420.000 Menschen an den Folgen dieser Belastung für die Lunge sowie Überhitzung sterben. Um hier zumindest für Deutschland etwas Abhilfe leisten zu können, bietet das BBSR einen Stadtklimalotsen an. Dieser zeigt auf, welche Bereiche einer Stadt für die Folgen des Klimawandels besonders anfällig sind.

Krisenstäbe müssen gemeinsam üben Ein weiteres wichtiges Element der Prävention und Vorbereitung auf den Ernstfall sind gemeinsame Übungen verschiedener Krisenstäbe und eine effektive Kommunikation in Notsituationen. Das Krisenmanagement dürfe dabei keinesfalls nur den örtlichen Feuerwehren überlassen werden, findet Christian Krom­ berg. Der Essener Beigeordnete und Geschäftsbereichsvorstand für allgemeine Verwaltung, Recht sowie öffentliche Sicher-

in Ihrem Krisenstab jemanden, der sich dauerhaft mit den freiwilligen Spontanhelfern auseinandersetzt.” Gleichzeitig räumte der Kommunalpolitiker jedoch auch ein, dass gemeinsame Krisenstabsübungen derzeit oftmals noch schwierig durchzuführen seien.

Austausch muss besser werden

Dr. Bernhard Fischer vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) warnte Stadtbewohner davor, im ersten Moment unwahrscheinlich wirkende Gefahren zu unterschätzen. Foto: BS/Feldmann

heit und Ordnung betonte auf dem Bürgermeisterkongress des Behörden Spiegel in Bonn: “Krisenmanagement geht weit über eine Katastrophe hinaus.” Deshalb solle diese Fähigkeit seines Erachtens in jeder Stadtverwaltung verankert sein. Denn es gelte zum Beispiel: “Krisenkommunikation ist etwas ganz anderes als die reguläre Alltagskommunikation in einer Verwaltung.” Daher appellierte Kromberg an die Teilnehmer: “Sie benötigen

Dabei ist das Miteinandersprechen eigentlich von entscheidender Bedeutung. Immerhin betonte Robert Kopp, Präsident des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd in Rosenheim: “Eine gute Vorbereitung ist der halbe Einsatz.” Und er warnte: “Wenn Sie im Einsatz Kräfte umlagern müssen, haben Sie ein Problem.” Leander Strate, Fachbereichsleiter für Bevölkerungsschutz im Bundesvorstand der Johanniter-Unfall-Hilfe, wiederum forderte für den Krisenfall: “Zwischen Feuerwehr und Polizei muss ein enger Draht bestehen.” Da könne es nicht angehen, dass beide Organisationen bisher noch verschiedene Begriffe für denselben Sachverhalt verwendeten. Hier bedürfe es einer Vereinheitlichung, meint Strate.

Cyber-Angriff mit erheblichen Auswirkungen Die praktische Arbeit eines Krisenstabes erläuterte schließlich Dr. Nicolas Krämer. Der kaufmännische Geschäftsführer des Lukas-Krankenhauses der Städtischen Kliniken Neuss hatte den Krisenstab nach einer Cyber-Attacke auf die Einrichtung geleitet. Er berichtete, dass aufgrund des Angriffs aus dem digitalen Raum zwar kein Patient verstorben sei und auch keine sensiblen personenbezogenen Daten entwendet wurden. Gleichwohl habe die Attacke die Krankenhausabläufe massiv gestört, da alle IT-Systeme der Klinik heruntergefahren werden mussten. Dies hatte zur Folge, dass die Aufnahme von Patienten in der Notaufnahme vorübergehend handschriftlich vorgenommen werden musste und bestimmte Notfälle in anderen Kliniken behandelt werden mussten. Außerdem sei dem Neusser Krankenhaus durch den Angriff ein Schaden von rund einer Million Euro entstanden. Ein Ertragsoder gar Vertrauensverlust konnte allerdings vermieden werden.


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Mai 2017

G

eneral Vollmer sprach über “Cyber-Sicherheit und -Verteidigung als Schlüssel für Informations-, Führungs- und Wirkungsüberlegenheit bei Landoperationen”. Die Zeiträume für die Einführung entsprechender Ausrüstungen sei jedoch bisher “viel zu lang”, um technologisch diese angestrebte Überlegenheit zu erzielen. Personaldeckung “ist nicht unser Problem im Heer”, so der Inspekteur. Die “Achillesferse” sei vielmehr die fehlende Vollausstattung mit Material – auch und gerade bei der IKT.

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Digitalisierung des Gefechtsfeldes Schwerpunkt der 31. AFCEA Fachausstellung (BS/Dr. Gerd Portugall) “Wir müssen schneller werden!” Das sagte der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Jörg Vollmer, mit Blick auf die materielle Ausstattung der Landstreitkräfte mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in seinem Eröffnungsvortrag anlässlich der 31. AFCEA Fachausstellung, die Ende April im Maritim Hotel Bonn durchgeführt wurde. Die Veranstaltung des Bonner Chapters stand unter dem Leitthema “Innere und äußere Sicherheit 4.0 – Schlüssel zur digitalen Souveränität”.

MoTaKo und MoTIV im Fokus Gegenwärtig finde weltweit die technologische Digitalisierung des “Schlachtfeldes” statt – General Vollmer betonte dabei, ausdrücklich nicht den Begriff “Gefechtsfeld” benutzen zu wollen. Im Fokus stünden bei der vernetzten Operationsführung (NetOpFü) Kommunikation und Informationsverarbeitung, die “Cyber-resilient” gerüstet werden müssten. Dabei stelle das Projekt MoTaKo den “absoluten Schwerpunkt für das Heer” dar, so dessen Inspekteur. MoTaKo steht für das Vorhaben “Mobile Taktische Kommunikation”. Zum Jahreswechsel 2013/2014 startete das Planungsamt der Bundeswehr (PlgABw) dieses Projekt zur einheitlichen Digitalisierung der Landstreitkräfte auf dem Gefechtsfeld. Auf der Grundlage von MoTaKo soll in einem zweiten Schritt das Vorhaben “Mobile Taktische Informationsverarbeitung Land” (MoTIV Land) realisiert werden, um die Fähigkeit zur Informationsübertragung mit der erforderlichen Übertragungskapazität bereitzustellen. Längerfristig seien davon insgesamt rund 90.000 Funkgeräte betroffen, so General Vollmer. Um die Einführung von MoTaKo und MoTIV zu testen, stelle das Heer einen Großverband – eine Brigade – bereit. Die IKT-Modernisierung und -Standardisierung sei ein “Milliarden-Projekt” (die Verteidigungsministerin spricht in diesem Zusammenhang von “über fünf Milliarden Euro”).

Interesse der Industrie So verwundert es nicht, dass “Digitalisierung des Gefechtsfel-

Generalleutnant Jörg Vollmer, Inspekteur des Heeres, hielt den Eröffnungsvortrag des Symposiums.

Erstmals fand die Fachausstellung im Maritim Hotel Bonn statt.

AFCEA Bonn e. V.

Blick in den Saal “Maritim”: Insgesamt 137 Aussteller folgten der Einladung von AFCEA Bonn e. V.

Generalmajor Dr. Ansgar Rieks, Stv. Vorsitzender AFCEA Bonn und künftiger Stv. Inspekteur der Luftwaffe, moderierte das Symposium am zweiten Tag. Foto: BS/Portugall

des” auch ein zentrales Thema bei den Auftritten der in Bonn anwesenden Aussteller war. Rheinmetall sowie Rohde & Schwarz, die beide mit Ständen vertreten waren, haben extra ein “Joint Venture” für die Vorhaben MoTaKo und MoTIV gegründet, wobei erstere 74,9 Prozent und letztere 25,1 Prozent der Anteile halten. Ziel dieses Zusammenschlusses ist es, Generalunternehmer für das Modernisierungsvorhaben zu werden. Die Thales Deutschland GmbH preist in enger Zusammenarbeit

mit Thales Communications Systems ihr Gesamtsystem “NEXIUM Theater” an. Dass die AFCEA Fachausstellung nicht nur immer größer wird, sondern auch immer internationaler, zeigt sich z. B. an der erstmaligen Teilnahme der Rafael Advanced Defense Systems Ltd., einem der größten israelischen Rüstungsunternehmen. Gegenüber dem Behörden Spiegel erklärte ein Firmenvertreter, dass Rafael wegen MoTaKo nach Bonn gekommen sei. Man wolle sich in der Ausstellung nach

möglichen deutschen Partnern umschauen, nutze sie also für B2B (“business-to-business”).

Fachvorträge Auch im parallel zur Fachausstellung stattfindenden Symposium war der jüdische Staat mit einem Referenten am zweiten Messetag vertreten. Major Yair Reuven Attar aus der Abteilung J6/C5I (IKT bzw. Command, Control, Communications, Computers, Collaboration, Intelligence) des Verteidigungsministeriums in Tel-Aviv wies

darauf hin, dass das digitale Zeitalter ein globaler “Game Changer” sei: Jedermann im Netz stelle einen Akteur und jede Software eine potenzielle Waffe dar. Israels Umfeld sei “ein strategisches Chaos”, weshalb seine Heimat im permanenten Verteidigungszustand leben müsse. Am zweiten Tag sollte eigentlich der erste Inspekteur des neuen militärischen Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum (CIR), Generalleutnant Ludwig Leinhos, vortragen, war aber kurzfristig nach Berlin

60 Jahre DWT

1.500. Do-DT-Drohne

(BS/por) Mitte März 1957 wurde in Bad Godesberg die Arbeitsgemeinschaft für Wehrtechnik (AWT) auf Initiative der Rüstungsabteilung des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) gegründet und wenig später als eingetragener Verein (e. V.) registriert, dem die Gemeinnützigkeit zuerkannt wurde. Dieser Schritt stand im Zusammenhang mit der Diskussion um die Ausstattung und Materialbeschaffung für die neu entstehende Bundeswehr. Treibende Kraft für die Entstehung der AWT war Generalleutnant a. D. Erich Schneider. 1967 wurde aus der AWT die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e. V. (DWT).

Organisationsstruktur

Veranstaltung des Arbeitskreises Mittelstand (AKM) der DWT vom vergangenen September in Koblenz Foto: BS/Portugall

die “Agenda Rüstung” auf der Tagesordnung. Während in den frühen Jahren der DWT ausschließlich wehrtechnische und ausrüstungsbezogene Fragestellungen im Mittelpunkt der Arbeit der zentralen Veranstaltungen standen, ver-

langen heute auch juristische und betriebswirtschaftliche Themen wie Vergabe- und Preisrecht, Ausfuhrrecht, Vertragsund Projektmanagement, aber auch Ausbildung, Simulation und Cyber eine besondere Aufmerksamkeit.

Oberst a. D. Friedrich W. Benz, Leiter der AFCEA Fachausstellung, betonte bei deren Eröffnung, dass AFCEA Bonn im Vergleich zum Vorjahr 20 Prozent mehr Online-Anmeldungen zur “olivgrünen CeBIT” in der Bundesstadt verzeichnen konnte. Erstmals fand die militärische IT-Messe im Maritim Hotel Bonn statt. Während im vergangenen Jahr 114 Aussteller den Weg in die Stadthalle von Bad Godesberg fanden, wo die Ausstellung bisher durchgeführt wurde, waren jetzt 137 Aussteller vor Ort. Das entspricht einer Steigerung um 20 Prozent. Neben München, Darmstadt und Karlsruhe sei Bonn einer der wichtigsten IT-Standorte für Forschung, Industrie und staatliche Einrichtungen, so Reinhard Limbach, Bürgermeister der Bundesstadt, in seinem anschließenden Grußwort.

MELDUNG

Motto: Wehrtechnik im Dialog

Die DWT engagiert sich als gemeinnütziger Verein “für die staatliche Sicherheitsvorsorge der Bundesrepublik Deutschland”, wie auf ihrer Homepage nachzulesen ist. Die Gesellschaft wirkt satzungsgemäß als “neutrale Dialog- und Informationsplattform”. Sie verfolgt ausdrücklich das Ziel, die Kenntnis über zentrale Themen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, der Wehr- und Sicherheitstechnik sowie der Verteidigungswirtschaft zu fördern. Heute zählt die DWT rund 270 fördernde und etwa 870 persönliche Mitglieder. Die Themenpalette der Vereinsarbeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ständig den fachlichen Notwendigkeiten angepasst. Aber einige grundsätzliche Themen finden sich immer wieder. So stand die Jahrestagung 1958 unter dem Generalthema “Rüstungsprobleme – Planung, Finanzierung, Produktion”, und bei dem Symposium “Perspektiven der Verteidigungswirtschaft” im Januar 2017 stand

beordert worden. Oberst i. G. Armin Fleischmann, kommissarischer Abteilungsleiter Planung im Bonner Kommando CIR, hatte das Symposium am ersten Tag moderiert und vertrat nun seinen Inspekteur. Wie schon General Vollmer, so stellte auch Oberst Fleischmann fest: “Bei der Schnelllebigkeit der IT kommen wir teilweise nicht hinterher.” Auf die Frage aus dem Plenum, ob die Bundeswehr für CIR auch zivile Hacker einstellen wolle, antwortete er: “Wenn wir es täten, würden wir es Ihnen nicht sagen.” Oberst Fleischmann nannte ein interessantes Beispiel – das noch nicht allgemein bekannt sei – dafür, welche Formen hybride Kriegsführung im Bereich IKT annehmen könne: Angeblich soll die ukrainische Artillerie eine App für Smartphones benutzt haben, um alte Haubitzen aus sowjetischer Produktion schneller einsetzen zu können. Mobiltelefone mit ihren GPS-Empfängern lieferten den Standort der Geschütze und ermöglichten damit eine schnellere Ausrichtung und Feuergeschwindigkeit. Allerdings soll der russische Militärgeheimdienst GRU die App gehackt und die GPSKoordinaten an die Rebellen in der Ostukraine weitergegeben haben, was der Artillerie der Kiewer Regierungstruppe sehr schlecht bekommen sein soll.

Die DWT konzentriert sich mit ihrer Informations- und Bildungsarbeit auf Veranstaltungen in Bonn, Berlin und Brüssel. Die großen Symposien mit hoher Teilnehmerzahl und entsprechenden Aufwendungen werden von ihrer Tochtergesellschaft, der Studiengesellschaft der DWT mbH (SGW) durchgeführt. Beide Organisationen sind strukturell miteinander verbunden, aber sie handeln rechtlich und finanziell selbständig. Die SGW wurde 1989 als eingetragener Verein gegründet und 1997 in die Rechtsform einer GmbH überführt. Sie unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik bei der Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Ziele. Die DWT versteht sich mit ihren Sektionen – dem Arbeitskreis Mittelstand (AKM), dem Initiativkreis Zukunft (IKZ), den wehrtechnischen Arbeitskreisen – sowie mit der SGW weiterhin als neutrale Informations- und Dialogplattform für

die Amtsseite und für die Verteidigungswirtschaft. Mit in- und ausländischen Gesellschaften vergleichbarer Zielsetzung arbeitet die DWT eng zusammen. Besondere Vereinbarungen zur Kooperation bestehen mit folgenden eingetragenen Vereinen: der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP), der Carl-Cranz-Gesellschaft (CCG), dem Deutschen Bundeswehrverband (DBwV) und dem Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRBw). Präsident der DWT ist seit 2014 Gerhard Schempp, Ex-CEO der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH. Den Vorsitz führt seit 2009 General a. D. Rainer Schuwirth, Geschäftsführer ist Generalmajor a. D. Wolfgang Döring. Geschäftsführer der SGW ist – noch – Oberstleutnant a. D. Wolf Rauchalles, ab Juni dann Oberst a. D. Bernd Kögel. Den AKM leitet Dr. Matthias Witt (WIMCOM GmbH); Sprecher des IKZ ist Gunnar Ben Schievelbein (Diehl Defence Holding GmbH).

(BS) Airbus Defence and Space hat Ende April die 1.500. Zieldarstellungs-Drohne (DoDT “Direct Target”) am Standort Friedrichshafen fertiggestellt und wird diese in Kürze im Rahmen eines Auftrages der Bundeswehr einsetzen. Seit 2002 fertigen und betreiben rund 40 Mitarbeiter des Bereichs “Target Systems & Services” Zieldarstellungsdrohnen für Training und Bewertung von Waffensystemen sowie für die zugehörigen Einheiten. Kunden sind Streitkräfte auf der ganzen Welt. Sie nutzen die Flugzieldarstellung meist als “Full-Service”-Modell. Bei einer Flugkampagne bringt Airbus Material und Personal an den Einsatzort, baut Startgeräte und Bodenkontrollstationen auf und macht die Drohnen startklar. Die eigentlichen Flüge werden nach Kundenwünschen geplant und durchgeführt. Die Drohnen simulieren verschiedene Bedrohungsszenarien, wie beispielsweise durch Flugzeuge, andere Drohnen oder Marschflugkörper. Die Bekämpfung dieser Bedrohungen kann dann mit scharfem Schuss geübt werden. Jährlich führt Airbus etwa zehn solcher Flugkampagnen mit 150 bis 200 Flügen durch.


Wehrtechnik

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ie Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und ihr Innenminister warnen immer wieder vor Terroranschlägen mit “schmutzigen Bomben”. Durch eine konventionelle Explosion setzen sie radioaktives Material frei, um Brennpunkte des öffentlichen Lebens zu kontaminieren. Schon 2007 warnt Dr. Wolfgang Schäuble: “Viele Fachleute sind inzwischen überzeugt, dass es nur noch darum geht, wann solch ein Anschlag kommt, nicht mehr, ob.” Mehr als 50 Staats- und Regierungschefs nennen auf dem Nuclear Security Summit 2016 radiologischen Terrorismus eine der größten Herausforderungen der internationalen Sicherheit, die kontinuierlich wachse. Im Vergleich zu Nuklearwaffen sind schmutzige Bomben leicht herzustellen. Fachleute sprechen von “Improvised Radiological Dispersion Devices” (IRDDs), für die sich etwa radioaktive Isotope von Cäsium, Kobalt oder Strontium eignen. In zahllosen Krankenhäusern, Forschungszentren und Industrieanlagen nahezu jedes Landes wird derartiges Material genutzt. Gemäß der Nuclear Threat Initiative vom März 2016 gelten viele Anlagen dieser Art als schlecht gesichert und anfällig für Diebstähle. Zudem finden allein in Europa jährlich Transporte radioaktiver Substanzen statt, mögliche Ziele radiologischer “Beschaffungskriminalität”. Neben den eigentlichen Schäden und Verletzungen durch schmutzige Bomben sind die gesundheitlichen, psychosozialen und wirtschaftlichen Folgeschäden langwierig und überaus groß. Abschätzungen gehen beispielsweise von fünf g Caesium137-Salz mit einer Aktivität von einigen TBq (Terabecquerel) aus, das als Pulver mit fünf kg konventionellem Sprengstoff verteilt wird. Selbstmordattentäter wird das Risiko nicht schrecken, den Herstellungsprozess nicht lange zu überleben. Allein die monetär bezifferbaren Folgeschäden be-

Was tun gegen “schmutzige Bomben”? Beiträge eines deutsch-französischen Forschungsprojekts (BS/PD Dr. Wolfgang Koch) Auch wenn noch kein Vorfall bekannt wurde: Schon lange ist die Bedrohung der Sicherheit durch “schmutzige Bomben” ein bedrückendes Thema, auch in der öffentlichen Diskussion. Welche technischen Ansätze sind ein Anfang, um wenigstens besonders gefährdete Hot-spots besser zu schützen?

“REHSTRAIN”-Versuch zur Identifizierung des Trägers einer “schmutzigen Bombe” Foto: BS/Fraunhofer FKIE

trügen mehrere Milliarden Euro. Man spricht von Massenverunsicherungswaffen (Weapons of Mass Disruption). Derartige Überlegungen basieren auf Analysen bekannter radiologischer Unfälle.

Experimentalsystem REHSTRAIN Ein Experimentalsystem, das radiologische Gefährder in einem Personenstrom erkennt und das Sicherheitspersonal auf sie aufmerksam macht, war der Beitrag des Fraunhofer-Instituts FKIE zum deutsch-französischen Vorhaben REHSTRAIN (REsilience of the Franco-Ger-

man High Speed TRAIn Network). Angesichts der terroristischen Bedrohung erforscht dieses Verbundprojekt die Verwundbarkeit des transnationalen Hochgeschwindigkeitssystems ICE/TGV. In einem ganzheitlichen Ansatz werden mit unterschiedlichen Schwerpunkten konkrete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, Reduzierung der Verwundbarkeit und Milderung von Anschlagsfolgen abgeleitet. Weitere Partner sind: Universität der Bundeswehr München (Lead), Technische Hochschule Köln, Hochschule Bonn-RheinSieg, Bundesanstalt für Mate-

“Schwere IT-Sicherheitsmängel” Bundesrechnungshof rügt Bundeswehr (BS/por) Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes will die Bundeswehr schwere Sicherheitsmängel in einem IT-System beseitigen. Damit würde das IT-System besser gegen missbräuchliche und unbeabsichtigte Änderungen zahlungsrelevanter Daten geschützt. Mit diesem IT-System veranlasste die Bundeswehr jährlich Auszahlungen von rund acht Milliarden Euro. In den Ende April vorgestellten Bemerkungen zu Band II des Jahresberichts 2016 berichtet der Bundesrechnungshof, dass das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr nach seinen Hinweisen “schwere Sicherheitsmängel beim Einsatz

Behörden Spiegel / Mai 2017

eines zahlungsrelevanten ITSystems” beseitigen wolle. Diesen Auszahlungen liegen überwiegend Verträge über Rüstungsvorhaben zugrunde. Das IT-System besteht aus einer Anwendung und einer Datenbank. Es ist zahlungsrelevant, wenn mit ihm Ein- oder Auszahlungen

angeordnet werden und es eine Schnittstelle zum zentralen Zahlungsverfahren des Bundes hat. (Mehr Informationen unter https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/bemerkungen-jahresberichte/ jahresberichte/2016-band-ii)

rialforschung und -prüfung, HBI Haerter GmbH, Ecole des Mines d’Alès, Institut Français des Sciences et Technologies des Transports, Laboratoire Central de la Préfecture de Police, EFECTIS France sowie die deutschen und französischen Bahnunternehmen DB und SNCF, die Bundespolizei und die Gendarmerie Nationale. Während sich französische Fernverkehrsbahnhöfe an Sicherheitsmaßnahmen der Flughäfen orientieren, möchte die Deutsche Bahn soweit wie möglich ein offenes Transportkonzept bewahren. Eine Analyse der in und um Bahnhöfe in der Regel vorhandenen Infrastruktur zeigt, dass es stets Bereiche gibt, die sich für eine kontinuierliche radiologische Überwachung eignen. Beispiele sind Eingänge oder Treppenaufgänge zu den Bahnsteigen. Wie gelingt es aber, auch in dichten Personenströmen Einzelpersonen zu finden, die radioaktive Gefahrstoffe mitführen, ohne dabei die informationelle Selbstbestimmung der weitaus überwiegenden Mehrzahl zu verletzten? Die biometrische Erfassung potenzieller Gefährder und ihre Weiterverfolgung sollen nur nach hinreichendem Verdacht geschehen. Angestrebt wird also ein Assistenzsystem, das

die Aufmerksamkeit des Sicherheitspersonals weckt und auf eine radiologische Gefahr lenkt. Bedrohungsadäquate Formen des Zugriffs wurden nicht untersucht, werfen aber eigene Probleme auf. Sehr viele für den Bau einer schmutzigen Bombe infrage kommenden Stoffe senden Gamma-Strahlung aus, die von miniaturisierten Gamma-Sensoren erfasst und klassifiziert werden. Eine wirksame Abschirmung der Gamma-Strahlung durch die Täter ist aus physikalischen Gründen nicht praktikabel. Derartige Sensoren liefern zwar Daten über die Existenz einer radiologischen Gefahr, die Art des Materials und die Intensität. Informationen über den genauen Ort der Quelle liefert der Einzelsensor jedoch nicht. Die Zuordnung einer radiologischen Gefahr zu einer bestimmten Person gelingt erst durch einen multisensoriellen Ansatz: Mehrere verteilte Gamma-Sensoren werden mit Kameras vernetzt und ermöglichen so eine raum-zeitliche Fusion des durch die Passanten erzeugten Sensordatenstroms.

Verfahren der mathematischen Informationsfusion, man könnte von künstlicher Intelligenz sprechen, errechnen daraus eindeutig den Bewegungsverlauf einer Person, die allein zu den Messdaten der GammaSensoren passt. Damit ist der Gefahrstoffträger identifiziert. Diese Information geht entsprechend aufbereitet an das Sicherheitspersonal, triggert die Erfassung biometrischer Daten des Verdächtigen sowie seine weitere Verfolgung durch die Videoüberwachungsanlage. Künstliche Intelligenz kann also durch ein Assistenzsystem die natürliche Intelligenz und Expertise der Sicherheitskräfte unterstützen, um terroristischer Intelligenz zu begegnen.

Dauertests am Bahnhof

Der nächste Schritt wären Dauertests im Rahmen eines Pilotprojekts an einem geeigneten Bahnhof. Dabei können zahlreiche Einzelfragen für eine Realisierung geklärt werden: Grundsätzlich sind geringe Falschalarm- und hohe Detektionswahrscheinlichkeiten zu erwarten. Wie sind sie zu quantifizieren und wie verlässlich werden Personen, die aus medizinischen Gründen radiologische Präparate einnehmen, als solche von anderen unterschieden? Welche Probleme treten erst im Dauerbetrieb auf? Grundsätzlich ist die Sensorik kompakt und kann nahtlos in die Infrastrukturen integriert werden. Wie robust ist sie? Welche Privatdozent Dr. Wolfgang SchlussfolgerunKoch ist Abteilungsleiter gen ergeben sich Sensorher“Sensordaten- und Informa- für tionsfusion” am Fraunhofer- steller und die Institut für Kommunikation, S e n s o r p r o d u k Informationsverarbeitung und tion in großen Ergonomie FKIE und lehrt an Stückzahlen? der Universität Bonn. Angesichts der MonstrosiFoto: BS/privat tät schmutziger Bomben muss Das Experimentalsystem nutzt klar sein, dass auch ein so handelsübliche Kinect-Kame- vielversprechender Ansatz wie ras, preiswerte Massenproduk- der geschilderte zunächst nur te der Spieleindustrie, die sich punktuell die Sicherheit veroberhalb des Überwachungsbe- bessern kann und ein Baustein reichs befinden. Ergänzend zur eines umfassenderen Konzepts Bildinformation, die sich auf- sein muss. grund der Anbringung und Art Bahnhofsszenarien sind nur nicht zur Personenerkennung Beispiele für diese Technologie. eignet, liefern diese Kameras Drohnengetragen kann sie raTiefeninformationen. Perso- diologische Gefahrstoffe auch nenströme erscheinen dadurch in größeren Arealen aufspüren. wie farbige Hügellandschaften, Radiologische Eingangskondie durch die sich bewegenden trollen für Stahlwerke gibt es Köpfe der Personen charakteri- bereits, die durch radioaktiv siert sind. Der Bewegungsver- belasteten Schrott kontaminiert lauf jeder Einzelperson wird so würden. Gleiches sollte für Häauch bei dichtem Personenauf- fen, Flughäfen oder Feldlager der kommen hochpräzise und ohne Bundeswehr gelten. Beim RückVerwechslungsgefahr oder Ab- bau der Kernkraftwerke stellt schattungen erfasst. sich die Frage nach der radioZugleich liefern in dichter zeit- logischen Integrität beim Translicher Folge alle Gamma-Senso- port großer Mengen (schwach) ren Messdaten. Anspruchsvolle radioaktiv belasteten Schutts.


Verteidigung

Behörden Spiegel / Mai 2017

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iese Analyse der Natur des Krieges prägte das Führungsverständnis in deutschen Streitkräften. Da Gegner listenreich handeln und Lageinformationen falsch sein können, kommt es darauf an, unteren Führungsebenen Handlungsfreiheit zu gewähren. Vorgesetzte dürfen also die grundsätzlich bestehende Ungewissheit nicht durch zu detaillierte und damit wahrscheinlich fehlerhafte Befehle aufheben. Sie müssen Komplexität vielmehr an unterstellte Soldatinnen und Soldaten weitergeben. Auftragstaktik oder, in der Begriffssprache der Bundeswehr, Führen mit Auftrag ist daher das der Natur des Krieges angemessene Führungsprinzip. Es beruht nicht zuletzt auf Clausewitz’ Erkenntnis, dass “viele Fehler der obersten Führung (…) durch Bedachtsamkeit der Truppe im Keim erstickt” werden. Führen mit Auftrag schließt Fehler allerdings nicht aus. Sie passieren trotz besten Wissens und guter Absichten der selbstständig handelnden Soldaten. Daher stellt die sofortige Suche nach Schuldigen häufig einen unangemessenen Umgang mit Fehlern dar. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass Fehler auf Einzelne oder klar abgrenzbare Gruppen von Soldaten zurückzuführen sind. Fehlerursachen sind häufig sehr komplex. Zeitdruck, unzureichende Kräfte, zu hohe Erwartungen und vieles mehr sind nicht selten mitursächlich. Die Suche nach Schuldigen hält zudem davon ab,

Der richtige Umgang mit Fehlern Teil der militärischen Professionalität (BS/Oberst i. G. Dr. Uwe Hartmann, Hauptmann d. R. René Streifer*) Soldatinnen und Soldaten machen Fehler. Unabhängig vom Dienstgrad. Im Einsatz und im Grundbetrieb. Das liegt nicht nur daran, dass “Irren menschlich ist”. Es hat auch etwas mit dem besonderen Aufgabenbereich von Streitkräften zu tun. Gewaltsam ausgetragene Konflikte sind, so schreibt Carl von Clausewitz, durch Ungewissheit und Friktion geprägt. Er verwendet diese Begriffe im Singular, um zu verdeutlichen, dass damit “Prinzipien” gemeint sind. Ungewissheit und Friktion sind unaufhebbar. Soldaten müssen damit leben und den richtigen Zugang dazu finden. schnell die negativen Wirkungen von Fehlern einzuhegen. Zudem ist die Kriegsgeschichte voll mit Beispielen, in denen selbst schwerwiegende Fehler noch in großartige Erfolge umgemünzt werden konnten. Nicht selten kommen auch Glück und Zufall zu Hilfe. Entscheidend ist, dass Soldaten aller Dienstgrade den konstruktiven Umgang mit Fehlern üben und zu einem Teil ihrer gemeinsamen Führungskultur machen. Vor allem das für das Führen mit Auftrag so wichtige Vertrauen darf durch einen falschen Umgang mit Fehlern nicht untergraben werden. Ganz im Gegenteil. Der richtige Umgang mit Fehlern führt zum Aufbau von Vertrauen. Fehlerkultur ist daher Voraussetzung für das Funktionieren des Führens mit Auftrag und damit für die Schlagkraft einer Truppe im Einsatz.

Wesenskern soldatischen Führens In militärischen Vorschriften finden sich wichtige Grundsätze für den richtigen Umgang mit Fehlern. Der Versuchung, bei wahrgenommenen Mängeln

Foto: BS/Bundeswehr

zu früh von oben einzugreifen, stellte die Heeresdienstvorschrift 100/1 von 1956 folgende klare Weisung entgegen: Der vorgesetzte Truppenführer habe “lediglich dann einzugreifen, wenn er in der Ausführung des Befehls Mängel feststellt, durch welche die Verwirklichung seiner Absicht gefährdet werden kann”. Bis heute beschreibt ein auf Helmuth von Moltke d. Ä. zurückgehender Grundsatz den Wesenskern soldatischen Füh-

rens: “So bleibt entschlossenes Handeln das erste Erfordernis im Kriege. Ein jeder, der höchste Führer wie der jüngste Soldat, muss sich stets bewusst sein, dass Unterlassen und Versäumnis ihn schwerer belasten als Fehlgreifen in der Wahl der Mittel.” Zudem fordert Entschlossenheit von Vorgesetzten aller Führungsebenen, jederzeit die Initiative zu ergreifen und Chancen, die sich aufgrund von

(BS/por) Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union (EU) sieht sich zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt: Krim-Annexion und Flüchtlingskrise, Brexit-Referendum sowie Rechts- und Linkspopulismus gefährden die Kohäsion der europäischen Einigungsbewegung, wenn nicht gar die kontinentale Friedensordnung selbst. Mit im Vergleich dazu kleinen Schritten versucht die EU, dem entgegenzusteuern. erstens die Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds, der Investitionen in die gemeinsame Forschung und

Foto: BS/EPP, CC BY 2.0, flickr.com

Entwicklung von Rüstung und Technologie fördern soll. Juncker führte dazu aus: “Um unsere kollektive Sicherheit zu garantieren, müssen wir in die gemeinsame Entwicklung von Technologien und Ausrüstung mit strategischer Bedeutung investieren – von Land-, Luft-, Seeund Raumfahrt-Fähigkeiten bis zur Cyber-Sicherheit. (…) Eine solide, wettbewerbsfähige und innovative Verteidigungsindustrie sichert unsere strategische Autonomie.” Der vorgeschlagene Fonds enthält zwei sog. “Fenster”, die sich ergänzen, aber eine unterschiedliche rechtliche Struktur aufweisen und aus unterschiedlichen Mitteln finanziert werden: Ein “Forschungsfenster”

zur Förderung der gemeinsamen Forschung zu innovativen Verteidigungstechnologien (z. B. Elektronik, Metawerkstoffe, verschlüsselte Software oder Robotik) sowie ein “Fähigkeitenfenster”, das es den beteiligten Mitgliedsstaaten ermöglichen soll, bestimmte Ausrüstungen gemeinsam zu beschaffen und dadurch ihre Kosten zu senken. Die Kommission hat für das “Forschungsfenster” bereits im Rahmen des EU-Haushalts für 2017 Ausgaben in Höhe von 25 Millionen Euro für die Verteidigungsforschung vorgeschlagen. Sie rechnet damit, dass dieser Betrag bis 2020 auf insgesamt 90 Millionen Euro steigen könnte. Für den mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020 plant

die Kommission, ein spezielles Verteidigungsforschungsprogramm mit Mitteln von schätzungsweise 500 Millionen Euro pro Jahr vorzuschlagen. Im “Fähigkeitsfenster” sollen diese von den Mitgliedsstaaten vereinbart werden; deren Technologie und Ausrüstung befände sich dann in ihrem Eigentum. Beispielsweise könnten die Mitglieder gemeinsam in Drohnen investieren oder in größeren Mengen Hubschrauber beschaffen, um ihre anteiligen Ausgaben zu reduzieren. Mit diesem Fenster sollten jährlich Mittel in einer Größenordnung von etwa fünf Milliarden Euro mobilisiert werden können. Die Kommission will diesen Schätzwert mittels einer Vorstudie präzisieren.

BSC-Partnerland Schweden

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Wiedereinführung der Wehrpflicht (BS/por) Aufgrund der verschärften Sicherheitslage in Osteuropa nach der gewaltsamen Annexion der Krim durch Russland führt das neutrale Schweden wieder die Wehrpflicht ein, zumindest partiell. Im Jahr 2000 war diese ausgesetzt worden. Dieser Schritt dürfte der Regierungskoalition von SAP (Sozialdemokraten) und MpG (Grünen) nicht leicht gefallen sein. Der SAP-Verteidigungsminister Peter Hultqvist betonte in diesem Zusammenhang aber auch Probleme bei der Personalrekrutierung. halten rund 27.000 Soldaten unter Waffen. Mit 15.000 Soldaten ist das Heer die größte Teilstreitkraft, gefolgt von der Marine mit 8.000 Soldaten. Allerdings dienen im Heer nur 6.000 Soldaten in Vollzeit, die übrigen 9.000 sind Reservisten. Daneben gibt es noch 21.500 Angehörige der Heimwehr. Das Rückgrat der Landstreitkräfte bilden 120 Kampfpanzer vom Typ Strv-122, d. h. in Lizenz gefertigte “Leopard 2”. Die größten Marine-Einheiten sind fünf Lenkwaffen-Korvetten der “Visby”-Klasse, gebaut von der Kockums-Werft in Malmö. Der Luftraum des skandinavischen Landes wird von 100 Exempla-

ren des Mehrzweckkampfflugzeugs Saab JAS 39 “Gripen” der Varianten “C” (Einsitzer) und “D” (Zweisitzer”) gesichert. Im vergangenen Jahr betrug der Verteidigungsetat umgerechnet 5,24 Milliarden Euro.

*Oberst i. G. Dr. Uwe Hartmann nimmt am Senior Course des NATO Defense College in Rom teil; René Streifer ist Hauptmann d. R. und Psychologe.

Ein zweiter Schritt ist dieses Frühjahr in Brüssel die Einrichtung eines EU-Hauptquartiers – das allerdings nicht so heißen darf. Offiziell trägt diese Einrichtung die Bezeichnung Militärische Planungs- und Führungsfähigkeit (“Military Planning and Conduct Capability” – MPCC). Erklärt wird dieser Umstand mit Rücksichtnahme auf Briten und NATO, aber auch auf neutrale Mitglieder wie Österreich und Schweden. Mit ca. 35 Angehörigen handelt es sich ohnehin wohl eher um eine Art “Stabselement”, und zwar für EU-Auslandsmissionen. Dabei geht es um Einsätze in Afrika – unter anderem in Mali und Somalia. Dort handelt es sich um Krisengebiete, in denen die Europäische Union mit Ausbildungsmissionen für die lokalen Sicherheitskräfte aktiv ist. Anders als die jeweiligen UN-Blauhelm-Kontingente sollen die EU-Ausbilder möglichst nicht in Kämpfe verwickelt werden.

Seit 1975 ist König Carl XVI. Gustaf, inthronisiert 1973, nicht mehr Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Trotz dieser Änderung gilt der Monarch noch immer protokollarisch als deren höchster Offizier. Er führt den Dienstgrad General bzw. Admiral ehrenhalber aller drei Teilstreitkräfte und trägt zu offiziellen Anlässen jeweils eine der entsprechenden Uniformen.

Partnerland der BSC 2017

Organisation Die schwedische Armee ist wie andere staatliche Einrichtungen organisiert. Als solche untersteht sie direkt der Regierung und nicht, wie in vielen anderen Staaten, dem Verteidigungsminister. Letzterer ist nur zuständig für Verteidigungsangelegenheiten innerhalb des Kabinetts. Oberkommandierender sowohl in Friedens- als

schen Reflexion über Fehler. Die von Soldatinnen und Soldaten publizierten Erlebnisberichte über ihre Einsätze belegen dies eindrucksvoll. Im dienstlichen Alltag scheint es allerdings Defizite zu geben. Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Jörg Vollmer, führte daher im August 2016 gemeinsam mit dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, eine Tagung zur Fehlerkultur im Heer durch. Die Teilnehmer stimmten überein, dass eine verbesserte Fehlerkultur einer der wichtigsten Aspekte militärischer Professionalität ist. Und diese müsse sich vor allem an der Effektivität im Einsatz und weniger an der Effizienz im Grundbetrieb ausrichten. Die Natur des Krieges lässt fehlerfreies Handeln nicht zu. Entscheidend ist der Umgang mit Fehlern. Führungsgrundsätze sowie eine darauf ausgerichtete Erziehung und Ausbildung schaffen dafür die Grundlage. Wenn der Inspekteur des Heeres am Ende der o. a. Veranstaltung die Teilnehmer mit den Worten “Handeln Sie, Sie haben prokura” zu Eigeninitiative und Selbständigkeit ermutigt, unterstreicht dies sein Vertrauen in die Soldatinnen und Soldaten sowie in die deutschen Führungsgrundsätze.

EU-Einsatzstab

Große Herausforderungen, kleine Schritte

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert ein starkes Europa.

inister Hultqvist kündigte im vergangenen September an, dass die Wehrpflicht 2018 wieder eingeführt werde – dann aus Gründen der Gleichstellung auch für Frauen geltend. Anfang März legte die Regierung unter Premierminister Stefan Löfven (SAP) dem Reichstag einen Gesetzesentwurf vor, um eine partielle Wehrpflicht einzuführen und um im Juli mit der Erfassung von rund 100.000 Männern und Frauen der Geburtenjahrgänge 1999/2000 zu beginnen. Die Musterung wird dann etwa 13.000 Wehrpflichtige umfassen. Schließlich sollen pro Geburtenjahrgang lediglich etwa 4.000 Rekruten – Wehrpflichtige und Freiwillige – eingezogen werden. Große Teile der Opposition und der Öffentlichkeit stehen hinter diesem Vorhaben. Könnte die partielle Wehrpflicht auch ein Modell für Deutschland sein? Die schwedischen Streitkräfte

Ohne Vertrauen geht nichts: Fallschirmjäger stehen sprungbereit eingehakt in der C-160 “Transall” und warten auf das Öffnen der Sprungtüren.

eigenen Fehlern oder Fehlern des Gegners ergeben, selbständig zu nutzen. Die soldatischen Tugenden der Kameradschaft und Wahrhaftigkeit sind ebenfalls wichtig für den richtigen Umgang mit Fehlern. Kameradschaftlich handeln bedeutet, Fehler anderer auszubügeln. Wahrhaftig sein heißt, zu Fehlern zu stehen und daraus zu lernen. In der Bundeswehr gibt es zahlreiche Ausdrucksformen für gelebte Fehlerkultur. Das vertrauensvolle “Du” als weithin gebräuchliche Anrede unter Piloten ist einer wichtigen “lesson learned” der Luftfahrt geschuldet: Die überwiegende Mehrzahl der Flugunfälle in der modernen Luftfahrt geht auf Fehler der Besatzung zurück. Hauptursache sind Kommunikationsprobleme, die auf eine angstbesetzte Atmosphäre innerhalb des Cockpits zurückzuführen sind. Bei Landstreitkräften gibt es das Prinzip der “Kleinen Kampfgemeinschaft”. Da das Überleben jedes Einzelnen von seinen Kameraden abhängt, entwickeln diese Gemeinschaften spezifische Formen der kriti-

EU-Verteidigungspolitik

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in erster Schritt erfolgte Ende des vergangenen Jahres mit der Vorstellung eines Europäischen Verteidigungs-Aktionsplans durch die Kommission. In seiner Rede zur Lage der Union betonte deren Präsident Jean-Claude Juncker, wie wichtig ein starkes Europa sei, das seine Bürger im Innern und im Ausland verteidigen und schützen könne. Vorgeschlagen wurde dabei

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Schweden will wieder mehr Soldaten haben. Foto: BS/Peter Fristedt, CC BY-SA 2.0, flickr.com

auch in Kriegszeiten ist ein General bzw. Admiral mit dem Titel “Oberbefehlshaber”, dem ein integrierter Stab für Heer,

Luftwaffe und Marine zuarbeitet. Diese Stellung nimmt seit Oktober 2015 Luftwaffen-General Micael Bydén ein.

Das Königreich Schweden ist das Partnerland der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz (BSC)/des 16. Kongresses zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung, die bzw. den der Behörden Spiegel Ende November veranstalten wird. 2016 war die Französische Republik Partner, davor u. a. die USA und die Russische Föderation. Das Thema der BSC 2017 lautet: “Europe under pressure – security and defence in unpredictable times”.


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avon erfasst sind unter anderem die Städte Köln, Bonn, Leverkusen und Düren. Auch Olpe, Bad Honnef und das Bergische Land müssen zollrechtlich überwacht werden. Der Schwerpunkt der Kontrollen liegt auf Autobahnen. Mit der A 3, der A 4 und der A 61 gibt es im Verantwortungsbereich drei grenzüberschreitende Bundesfernstraßen in die Niederlande hinüber. Diese Überprüfungen erstrecken sich dabei übrigens auf beide Fahrtrichtungen, also sowohl in Richtung Holland als auch weiter ins Inland der Bundesrepublik. Jansens Fokus liegt dabei eindeutig auf dem internationalen Güterverkehr. Denn die KEV-Kräfte übernehmen die zollamtliche Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs sowohl im Bereich der Ein- als auch bei der Ausreise. Es gibt nur eine einzige Bedingung, die grundsätzlich für ein Tätigwerden der KEV-Kräfte erfüllt sein muss. Es muss Grund zu der Annahme bestehen, dass Personen Waren mit sich führen, die dieser zollamtlichen Überwachung unterliegen. Um das rechtssicher feststellen zu können, sei eines besonders wichtig: dienstliche Erfahrungswerte.

Alle Verkehrswege werden überwacht Die Kontrolle beschränkt sich allerdings keineswegs nur auf Autobahnen und Bundesstraßen. Vielmehr überprüfen sie auch den Schiffs-, den Flug- und den Zugverkehr. Im Hinblick auf die Flughäfen ist er jedoch nicht für den Verkehrsflughafen Köln-Bonn zuständig. Vielmehr überwachen seine Kollegen und er vier Sportflugplätze im Zuständigkeitsbereich des Kölner Hauptzollamtes. Darüber hinaus führen sie regelmäßig Zugkontrollen durch. Dabei fahren sie in den Waggons mit und prüfen zum Beispiel, ob Drogen geschmuggelt werden.

Voraussetzungen kaum zu erfüllen

Behörden Spiegel / Mai 2017

Auf die Erfahrung kommt es an Kräfte der Kontrolleinheiten Verkehrswege müssen sich oft auf Gespür verlassen (BS/Marco Feldmann) Zöllnerische Erfahrung sei ein zentrales Kriterium, nach dem seine Kollegen und er die von ihnen zu überprüfenden Personen auswählten. Das meint Frank Jansen, Betriebsinspektor mit Zulage bei der Kontrolleinheit Verkehrswege (KEV) des Kölner Hauptzollamtes. Und da kommen einige Überprüfungen zusammen. Schließlich umfasst der Zuständigkeitsbereich der Behörde rund 10.000 Quadratkilometer.

zeit beträgt 41 Stunden. Einen großen Vorteil haben Jansen und seine Kollegen: Sie verfügen über zwei sogenannte Büromobile. Das sind zwei größere Fahrzeuge, in denen ein kompletter Schreibtischarbeitsplatz eingerichtet ist. Damit können Sachverhalte direkt am Einsatzort abgearbeitet werden. Das funktioniert aber nicht immer, wie zu hören ist, sodass einige Berichte auch im Innendienst verfasst werden müssen. Außerdem nutzt Jansen seine Zeit am stationären Schreibtisch dazu, eigene dienstliche Angelegenheiten zu regeln.

Dauerhafte Kontrollstellen vor allem bei Aktionen

Frank Jansen ist bei der Kontrolleinheit Verkehrswege (KEV) des Kölner Hauptzollamtes tätig. Der 54-jährige Zollbetriebsinspektor mit Zulage übernimmt zusammen mit seinen Kollegen die zollamtliche Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs. Im Rahmen dieser Aufgaben finden sowohl Überprüfungen auf der Straße als auch auf Schiffen, in Zügen und auf Sportflugplätzen statt.

Kontrolleinheiten Verkehrswege (BS/mfe) Die Mitarbeiter der Kontrolleinheiten der Verkehrswege (KEV) sind für die zollamtliche Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs zuständig. Dies gilt sowohl für die Ein- als auch für die Ausfuhr. Voraussetzung für eine Kontrolle durch die Beamten ist dabei immer, dass Grund zu der Annahme besteht, dass die zu kontrollierenden Personen Waren mit sich führen, die dieser zollamtlichen Überwachung unterliegen. Zahlreiche Kontrollen finden auf Autobahnen und Bundesstraßen statt, aber auch an Flug- und Seehäfen gibt es Überprüfungen. Hinzu kommen Kontrollen im internationalen Zugverkehr. Bundesweit existieren 67 Kontrolleinheiten Verkehrswege. Ihre Beschäftigten sind dabei im gesamten Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Hauptzollamtes aktiv. Bis 2008 firmierten die Einheiten noch unter einem anderen Namen. Bis dahin hießen sie Mobile

Schiffskontrollen gestalten sich jedoch schwieriger. Diese werden vor allem durchgeführt, wenn das Schiff in Köln vor Anker liegt. Rein rechtlich dürften die Beamten zwar auch in den Grenzen ihres Hauptzollamtes Reizstoffsprühgerät, Handfesauf dem Rhein mitfahren. Dann seln, einem Digitalfunkgerät müssen allerdings strikte Ar- und Beleuchtungsmittel ausb e i t s s c h u t z a n f o r d e r u n g e n gerüstet, erzählt Jansen, der auch schon erfüllt werden, mehrfach weshalb das Wissenswertes Dienst am nur selten Köln-Bonner s t a t t f i n d e t . Das Hauptzollamt Köln ist für Flughafen Zu den zu versehen hat. e r f ü l l e n d e n eine Fläche von rund 10.000 Von 1988 bis Bedingungen Quadratkilometern zuständig. 1990 und gehören unter Darin befinden sich auch drei dann noanderem eine von Mitführpflicht Bundesautobahnen, die weiter chmals 1997 bis 2001 von Schwimm- in die Niederlande führen. war er dort westen sowie tätig. In den das Tragen rutschsicheren Schuhwerks. Jahren dazwischen arbeitete Solche Ressourcen sind in der Jansen beim damaligen BunZollverwaltung aber bisher desforschungsministerium in kaum vorhanden. Egal, welches Bonn. Dieser temporäre WechTransportmittel sie kontrollie- sel habe vor allem einen Grund ren: Jansen und seine Kollegen gehabt: den Wegfall der dauermüssen immer bewaffnet sein. haften Grenzkontrollen zu den tDaneben seien sie mit einem Niederlanden und nach Belgien

Kontrollgruppen (MKG). Die Beamten der Kontrolleinheiten Verkehrswege sind während ihres Dienstes grundsätzlich bewaffnet. Ihre Arbeit versehen sie sowohl in Uniform als auch in zivil. Neben der zollamtlichen Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs sind die Beamten auch für die Steueraufsicht, vor allem im Bereich der Verbrauchssteuern wie etwa die Tabak- oder Energiesteuer, zuständig. Dabei bekämpfen sie unter anderem den illegalen Zigarettenhandel sowie die Heizölverdieselung. Bei dieser werden Fahrzeuge verbotenerweise statt mit Dieselkraftstoff mit billigerem Heizöl betrieben. Im Rahmen dieser beiden Aufgaben dürfen die Zöllner auch aktiv werden, wenn kein grenzüberschreitender Charakter der Handlung vorliegt.

und den damit einhergehenden geringeren Personalbedarf.

Des Weiteren führen die KEVBeamten Bargeldkontrollen durch. Sie befragen im grenzüberschreitenden Verkehr Personen, ob diese Bargeld, Wertpapiere oder andere Wertgegenstände in einem Gesamtwert von mehr als 10.000 Euro mitführen. Ist dies der Fall, muss das gegenüber den Mitarbeitern mündlich erklärt werden. Schließlich fungieren die Beschäftigten als Vollstreckungskräfte des Hauptzollamtes Potsdam. Dieses ist bundesweit für die Schuldeneintreibung von Firmen und Privatpersonen zuständig, die ihren Sitz im Ausland und Ausstände gegenüber der Bundesrepublik haben.

Fahrzeugs erkennen und auf tioniert. Von der RheinmetroUnregelmäßigkeiten hin über- pole aus wird dabei West- und prüfen. Der Fahrer des über- Ostdeutschland abgedeckt, die Über fünf Millionen Euro prüften Lastkraftwagens darf Ulmer Kollegen sind für den investiert sich während der Durchleuch- Süden der Republik verantSeit mittlerweile 16 Jahren tung nicht in seinem Fahrzeug wortlich und in Lübeck kümmert arbeitet Jansen nunmehr beim aufhalten. Das ist – ebenso wie man sich um Norddeutschland. Hauptzollamt Köln. Für 18 ein zu nahes Herantreten an Monate war er dort Einsatz- die mobile Röntgenanlage – aus Nie alleine unterwegs verkoordinator für die vollmobile Strahlenschutzgründen Seit inzwischen zwei Jahren Röntgenanlage. Dabei klärte boten. Deshalb können solche ist der gebürtige Rheinländer er ihren Einsatz mit ander- Kontrollen auch nur auf be- Jansen aber nicht mehr für die en Hauptzollämtern und der stimmten Park- und Rastplätzen Kölner Anlage verantwortlich. Polizei ab. Bei diesen Anlagen, durchgeführt S e i t h e r von denen die Zollverwaltung w e r d e n . ist er ausWissenswertes insgesamt drei Stück im Gesa- S c h l i e ß l i c h schließlich es mtwert von rund 5,4 Millionen bedarf einer von Kontrolliert werden alle VerEuro hat, handelt es sich um g e n ü g e n d insgesamt und kehrswege, egal ob Straße, äußerlich ganz normal wirkende Platz 13 KontrollLastkraftwagen. Im Innern ver- eines festen, Schiene, Flughäfen oder Schiff. beamten der birgt sich jedoch jede Menge m ö g l i c h s t KontrolleinTechnik, darunter zahlreiche s t r a h l e n u n heit VerkehrsUntergrunds. wege. Darunter sind auch zwei Bildschirme. Auf diesen können durchlässigen die Beamten ohne Zeitverzug Neben Köln sind die Anlagen Diensthundeführer mit Tieren, den Inhalt des kontrollierten derzeit in Ulm und Lübeck sta- die für das Erkennen von Rauschgiften ausgebildet sind. Hinzu kommen zwei Leitungskräfte des gehobenen Dienstes. Unterwegs sind die Kontrollkräfte zu fast allen Tages- und Nachtzeiten, auch am Wochenende. Auf Streife sind sie grundsätzlich zu zweit, eher zu dritt. Die Schichten dauern in der Regel neun Stunden, die fast ausschließlich im Außendienst verbracht werden. Der frühestmögliche Dienstbeginn ist um sechs Uhr morgens, die letzten Beamten starten um 16 Uhr in ihren Arbeitstag. Dabei gibt es keinen Das Hauptzollamt Köln verfügt über eine von bundesweit nur drei vollmobilen Röntgenanlagen. Sie sind jeweils 1,8 Millionen Euro teuer und erlauben das starren Wechseldienst, sondern flexible Arbeitszeitmodelle. Die Durchleuchten von Lastkraftwagen. Diese Bilder können die Kontrollkräfte dann unmittelbar über die Bildschirme im Fahrzeuginneren auswerten (r.). WochenarbeitsFotos: BS/Feldmann maximale

Ihre Fahrzeugkontrollen führen die Mitarbeiter dabei entweder als Einzelkontrollen durch – dort selektieren sie das zu überprüfende Fahrzeug aus einem größeren Verkehrsfluss heraus – oder an festen Kontrollpunkten. Diese befinden sich immer auf Rastplätzen oder Autohöfen. Auf der Autobahn selbst wird nie überprüft. Auf stationäre Kontrollstellen wird insbesondere bei gemeinsamen Aktionen mit anderen Behörden zurückgegriffen. Ohnehin darf der Zoll nur zeitlich und örtlich begrenzt Überprüfungen durchführen. Kommt es allerdings zu einer Kontrolle auf der Straße, kann diese durchaus umfangreich ausfallen. Dabei werden sowohl der Fahrzeugführer als auch die -insassen zunächst zu ihrem Start- und Zielort sowie zu den von ihnen mitgeführten Waren befragt. Dabei werden die Personen voneinander getrennt, um Absprachen untereinander zu verhindern. Auch werden sie explizit nach bei sich geführten Waffen und Drogen gefragt. Anschließend werden ihre Angaben einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Ergeben sich hier Widersprüche, können sowohl das Fahrzeug als auch das Gepäck – gegebenenfalls auch mithilfe von Spürhunden – durchsucht werden. Bei entsprechenden Anhaltspunkten – etwa wenn die Vermutung besteht, dass Drogen unter der Kleidung getragen werden - ist auch eine Leibesvisitation zulässig.

Zusammenarbeit unterschiedlich stark ausgeprägt Die Kooperation zwischen Jansens Einheit und anderen Behörden scheint sehr unterschiedlich zu sein. Während er die Zusammenarbeit mit der nordrhein-westfälischen Landespolizei, dem Zollfahndungsamt Essen und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) lobt, gilt das nicht für die Bundespolizei. Und auch die Kooperation mit dem Bundesamt für Güterverkehr sowie den Kollegen auf niederländischer Seite scheint nicht allzu ausgeprägt zu sein. Die Holländer haben nämlich schlichtweg keine KEV im deutschen Sinne, was den Austausch nochmals erschwert. Gleichwohl findet eine internationale Zusammenarbeit der Zollbehörden über das deutsche Zollkriminalamt (ZKA) statt.

Auseinandersetzungen sind die Ausnahme Konfliktsituationen im Rahmen von Kontrollen scheinen bei der KEV Köln übrigens die Ausnahme zu sein. Weitestgehend alle Überprüfungen verliefen problemlos. Nur selten gebe es verbale oder gar tätliche Angriffe, ist zu hören. Das dürfte an zwei Dingen liegen. Zum einen dem ruhigen und deeskalierenden Auftreten der Beamten und zum anderen an der zu kontrollierenden Klientel. Gleichwohl ist auch der Job bei der Kontrolleinheit Verkehrswege natürlich nicht gänzlich frei von Gefahren.


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