Behörden Spiegel April 2018

Page 1

Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. IV / 34. Jg / 15. Woche

Berlin und Bonn / April 2018

G 1805

www.behoerdenspiegel.de

Mehr Traum als Realität?!

Komfortabel, sicher und transparent

Management zum Wohl der Erde

Irmgard Badura über Barrierefreiheit

Jörn Riedel zur Digitalisierung

Nico Hickel über die Aufwertung

in der digitalen Welt ���������������������������������� Seite 36

der Verwaltung �����������������������������������������. Seite 42

von Öko-Bilanzen ..................................... Seite 51

Hilfen aufgestockt (BS/mfe) Die EU-Kommission hat ihre Mittel für humanitäre Hilfen in mehreren Fällen erhöht. So gibt es für die Soforthilfe für Flüchtlinge in Griechenland zusätzliche 180 Millionen Euro. Das Geld fließt unter anderem in ein Programm, das die Unterbringung von Migranten in Städten und ihre Versorgung mit regelmäßiger Bargeldhilfe fördert. Nun sollen bis Jahresende insgesamt 27.000 Wohnraumplätze geschaffen werden. Bis zu 2.000 davon sind auf den griechischen Inseln vorgesehen, der Rest auf dem Festland. Auch die Menschen im Bürgerkriegsland Jemen erhalten mehr Geld. Für sie stehen weitere 107,5 Millionen Euro zur Verfügung. Laut dem für humanitäre Hilfe zuständigen EUKommissar Christos Stylianides sollen die Mittel in die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten, Sanitäranlagen und Unterkünften fließen.

Hamburg wird besser (BS/mfe) Hamburgs Schüler können deutlich besser lesen als in den Vorjahren. Mittlerweile erfüllen 65 Prozent der dortigen Viertklässler in diesem Kompetenzbereich den Regelstandard. Damit erreicht die Hansestadt im Ländervergleich des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB)den Bundesdurchschnitt. Diesen hatte sie in der Vergangenheit mehrfach verfehlt. Zurückgeführt wird die Steigerung unter anderem auf den Umstand, dass in Hamburger Schulen deutlich häufiger Vergleichstests zu absolvieren sind als in anderen Bundesländern. Zudem sind die Schulen dort verpflichtet, den Aufsichtsbehörden nicht nur den Umfang des Unterrichtsausfalls zu melden, sondern auch anzugeben, welche Lehrkraft die Vertretung übernommen hat und welche Inhalte vermittelt wurden.

Zwischen den Ebenen Fall Bayern: Aufgabenerledigung zwischen Bund, Ländern und Kommunen (BS/Jörn Fieseler) Neben dem Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik beabsichtigt der Freistaat Bayern, ein eigenes Landesamt für Asyl und eine eigene Grenzpolizei einzurichten. Auch in Thüringen gibt es Überlegungen, an den Bund abgetretene Aufgaben in eigener Regie auszuführen. Was politisch opportun ist, muss im Behördlichen nicht zwangsläufig auch zielführend sein. Am Ende steht die Frage: Welche Verwaltungsstrukturen sind in Deutschland die effizientesten? “Wir bündeln Kompetenzen und Zuständigkeiten in einer Hand und beschleunigen so notwendige Abschiebungen rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber”, erläutert Ministerpräsident Markus Söder die Gründung des Landesamtes für Asyl. Ein legitimes Vorgehen, findet Prof. Dr. Arthur Benz, Mitglied der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), schließlich gehe es um die Organisation einer Landesaufgabe. Schwieriger wird es bei der Gründung einer bayerischen Grenzpolizei. Der Grenzschutz ist Aufgabe des Bundes. Eigentlich. Denn mittels einer zwischen Bundespolizei und den Ländern abgeschlossenen Vereinbarung aus dem Jahr 2006 kann diese Tätigkeit an die Landespolizeien übertragen werden. Grenzkontrollen sind in der bayerischen Bevölkerung ein stark diskutiertes Thema. Da im Herbst Landtagswahlen sind, ist es nicht verwunderlich, dass die regierende CSU hier agiert. Zumal die Grenzkontrollen während des G7Gipfels in Elmau 2015 durchaus erfolgreich waren. Damals konnten während der Überprüfungen per Haftbefehl gesuchte Personen gefasst und die Organisierte Kriminalität, insbesondere das Schleuserwesen und der Drogenhandel, wirkungsvoll bekämpft werden. “Es ist zwar ungewöhnlich, dass ein Gliedstaat Teile

dass am Ende keine Parallelverwaltung aufgebaut wird, sondern Synergieeffekte erzielt werden. Diesbezüglich hat Benz bei der Errichtung des Landesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik seine Zweifel. Für den Leiter des ARL-Arbeitskreises “Neugliederung des Bundesgebietes – oder Kooperation der Bundesländer?” sind Synergieeffekte nicht erkennbar. Denn die Abwehr von Cyber-Angriffen sei kein spezifisches Länderproblem, sondern eine nationale, wenn nicht sogar internationale Aufgabe. Dezentralisierung sei grundsätzlich zu begrüßen, doch sie ziehe auch mehr Aufgabenverflechtungen nach sich. So können schärfere Grenzkontrollen in einem Land zur Verlagerung illegaler Grenzübertritte führen. Deswegen fordert der Wissenschaftler von der Technischen Universität Darmstadt anstelle Im Mehrebenenverwaltungssytem von Bund, Ländern und Kommunen stellt sich immer wieder die Frage: Wer nimmt von neuen Behörden auf den die jeweiligen Aufgaben in welcher Struktur mit wie viel Personal wahr? Dabei gilt es, Synergien zu nutzen und nicht jeweiligen staatlichen Ebenen doppelte Strukturen aufzubauen, die – wie bei diesem Baumwipfelpfad – über das eigentliche Ziel hinausragen. vermehrte Kooperationen, in Foto: BS/© CSschmuck, Fotolia.com kleinen Ländern auch die Einrichtung gemeinsamer Behörden. der Grenze des Bundesstaates zen.” Auch Thüringen will eigene an zentraler Stelle Kenntnisse Und wenn Länder neue Verwalüberwacht”, sagt Prof. Dr. Peter Wege gehen und plant, eine Lan- über örtliche Besonderheiten tungsstrukturen einführen, sollBußjäger vom österreichischen desnetzanstalt einzurichten, um fehlen würden. “Der Umstand, ten sie diese als “Experimente” Institut für Föderalismus an der die Regulierungsaufgaben von der dass zwei Länder eigene Wege Leistungsvergleichen nach Art. Universität Innsbruck. “Aber Bundesnetzagentur (BNetzA) für gehen, ist ein Hinweis, dass sie 91d GG unterziehen. Dies gilt auch für den von Volwenn den Gliedern eines Föderal- die Gas- und Energieversorger mit der Aufgabenwahrnehmung staates ebenfalls Staatscharakter zu übernehmen, die ausschließ- durch den Bund nicht zufrieden ker Ullrich (CSU) gemachten Vorzukommt, ist es folgerichtig, dass lich innerhalb der Landesgren- sind. Das ist nicht verwerflich”, schlag, Abschiebungen in die Zusie die eigenen Grenzen schüt- zen tätig sind. Dies sei nötig, da so Bußjäger. Entscheidend sei, ständigkeit des Bundes zu geben.

Kommentar

Diskrepanz von Wort und Tat

Interkommunale Zusammenarbeit stärken

(BS) Nicht erst seit dem jüngsten Facebook-Skandal, bei dem die Daten von 87 Millionen Nutzern verkauft wurden, gibt es aus der Politik Forderungen nach einer Regulierung des Internetgiganten. Dieser und seine Mitbewerber wie Google oder Twitter entziehen sich einer solchen seit langem, sei es beim Thema Datenschutz oder bei Steuerzahlungen. Während also quer durch alle Parteien für eine staatliche Eingrenzung der Macht von Facebook geworben wird, zeigt sich die Janusköpfigkeit in der Debatte.

(BS/mfe) Sachsens Kommunen erhalten bis 2020 jährlich 500.000 Euro, um ihre Kooperation untereinander zu intensivieren. Das Dresdner Innenministerium fördert im Rahmen eines Pilotprojekts etwa gemeinsame Verwaltungseinrichtungen, die zu mehr Effizienz und größerer Bürgernähe beitragen. Aber auch soziale und kulturelle Angebote sind förderungsfähig. Staatssekretär Prof. Günther Schneider (CDU) erklärte dazu: “Die Staatsregierung nimmt die Förderung insbesondere des ländlichen Raums weiter in den Fokus.” Durch das Modellprojekt sollten die Regionen noch zielgerichteter und innovativer unterstützt werden. Vorhaben sind bei den regionalen Planungsverbänden anzumelden.

Von den 14 Ministerien des Bundes sind zehn mit eigenen Facebook-Seiten aktiv, mit prominenter Ausnahme des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Alle auf Facebook aktiven Ministerien betreiben dort einen reges Informationsangebot. Zusätzlich äußert sich die Bundesregierung gegenüber einer guten halben Million “Abonnenten” zur Umstellung auf die Sommerzeit, zu Ostern und Weihnachten. Natürlich sind auch Parteien und Politiker für ihre Anhänger auf Facebook da. Volksvertreter wie Justizministerin Katarina Barley, die in der Debatte um Facebook eine “deutliche Reaktion der europäischen Staaten” gefordert und Wahlwerbepraktiken auf der

Seite als “Gefahr für die Demokratie” gegeißelt hat, betreibt dort selber eine Seite mit mehr als 25.000 Abonnenten, deren IPAdressen allesamt im FacebookPool landen. Und so verhält es sich mit den meisten profilierten Kritikern an Mark Zuckerbergs Modell des Datenhandels! Dazu kommt nun auch noch eine Meldung, nach der die Bundesregierung eingestand, 2017 für fast fünf Millionen Euro Werbegelder allein bei Facebook, seinem Tochterunternehmen Instagram sowie Twitter ausgegeben zu haben. Im Lichte einer solchen Diskrepanz von Wort und Tat müssen sich Regierung und Ministerien nicht wundern, wenn viele Bürger den Aufklärungsbekundungen, den Warnungen

und Ankündigungen der Politik keinen Glauben schenken wollen. Die EU-Datenschutzgrundverordnung tritt am 25. Mai in Kraft. Deutsche Unternehmen und Behörden werden sich abmühen müssen, um die strengeren Regeln für den Datenschutz einzuhalten. Doch ob die globalen Datenkraken gebändigt werden können, bleibt zweifelhaft, besonders, wenn die Nutzer weiter freiwillig mit ihren personenbezogenen Daten “bezahlen” und auch noch Ministerien und Behörden durch ihre Facebook-Seiten dazu beitragen, dass das Geschäftsmodell Datenhandel weiter floriert (siehe ausführlichen Artikel hierzu auf Seite 3).

Wim Orth

Neues Landleben in digitaler Heimat


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / April 2018

Digitale und analoge Wege müssen nicht zwangsläufig Gegensätze sein. Sie können sich auch ergänzen oder parallel zueinander verlaufen. Zumal in der öffentlichen Verwaltung, wo es nur ein Nebeneinander beider Ansätze geben kann. Foto: BS/©momius, Fotolia.com

Binäre Verwaltung Nicht vor der Verantwortung flüchten

Mehrkanal-Management notwendig

Erst konsolidieren, dann digitalisieren

Anstehendes Gerichtsurteil zur Nutzung von Plattformen könnte Behörden zum Handeln zwingen ................. Seite 3

Bürger erwarten Verwaltungshandeln aus einer Hand ....................................................... Seite 26

Digitaler Wandel nicht ohne Fundament ............................................................ Seite 30

“Zum Schutz der Bürger”

Die Verwaltung der Zukunft

Der blinde Fleck

Justizkommunikationskanäle auf dem Prüfstand ................................................... Seite 5

Vollautomatisierte Prozesse bieten große Chancen zur Effizienzsteigerung .......................................... Seite 27

IT-Sicherheit und Datenschutz in Druckumgebungen ............................................ Seite 40

Digitale Champions League im Visier

Die Digitalisierung meiner Stadt

Professionelles IT-Management in der Verwaltung

Aufbruchsstimmung muss nun in konkretes Handeln münden ................................... Seite 25

Smart-City-Konzepte auf dem Vormarsch ................................................ Seite 29

Geschäftsprozesse effizient und sicher unterstützen ......................................... Seite 41

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Trending Topic Digitaler Staat mit großem Medienecho

Handbuch der Militärattachés in Deutschland

2018

Neuauflage soeben erschienen Das unentbehrliche, kompakte Nachschlagewerk im handlichen A5-Format enthält eine Auflistung sämtlicher ausländischer Militärattachés in Deutschland, einschließlich des jeweiligen Adressverzeichnisses, sowie ausführliche Strukturdaten zu den Entsendestaaten und ihren Streitkräften. Damit gehört die überarbeitete und aktualisierte Neuauflage 2018 des Handbuchs der Militärattachés in Deutschland auf den Schreibtisch eines jeden Militärattachés, sonstigen Diplomaten, Abgeordneten, Angehörigen der Streitkräfte und der Verteidigungsverwaltung sowie Managers der wehrtechnischen Industrie.

Handbuch der Militärattachés in Deutschland. Eine Publikation der Behörden Spiegel-Gruppe Sie können das Handbuch zum Preis von 20,– Euro (inkl. MwSt und Versand) unter verlag@behoerdenspiegel.de bestellen ISBN: 978-3-934401-44-0

(BS/har) Die Digitalisierung der Verwaltung – sonst bestenfalls ein Randthema in der öffentlichen Wahrnehmung – ist durch den Digitalen Staat zum ersten Mal ein Nachrichtenthema für Zeitungen, aber auch Fernsehen und Hörfunk geworden. Ende März kamen rund 1.400 Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft im Berliner Premierenkino KOSMOS zusammen. Das große Medieninteresse wurde kurz vor Beginn noch dadurch befeuert, dass sich die neue Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), angekündigt hatte, um den Kongress mit ihrer ersten öffentlichen Rede zur Verwaltungsdigitalisierung zu eröffnen. Dieser Impulsvortrag wurde von vielen Medien wie Phoenix, RTL und dem Bayerischen Rundfunk aufgegriffen; der Nachrichtensender n-tv sendete eine LiveÜbertragung aus dem Kosmos, wo neben dem Hauptsaal auch die Nebensäle bis auf den letzten Platz gefüllt waren. Zeitgleich wurde im Internet in Echtzeit über das Digitalisierungs-Plädoyer der Staatsministerin aus dem Kanzleramt diskutiert: “Wir müssen uns einig sein, dass wir in der digitalen Champions-League spielen wollen!” Spätestens nach dieser Aussage stand Bär auf zahlreichen Kanälen im Zentrum der Öffentlichkeit. Der Fachkongress Digitaler Staat wurde vom Start weg zum digitalen Hauptthema des Tages, was sich auch dadurch bemerkbar machte, dass der Hashtag #digistaat bereits morgens früh um kurz vor zehn Uhr unter den Top Fünf der beliebtesten TwitterSuchworte in Deutschland zu finden war. Experten und Bürger schalteten sich mit Posts, Tweets und Retweets in die Diskussion ein. Die unterschiedlichsten

Vielbeachtet: Dorothee Bär hielt auf dem Digitalen Staat ihre erste öffentliche Rede seit ihrer Ernennung zur Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt. Foto: BS/Dombrowsky

Gruppierungen beteiligten sich im Web am #digistaat, sodass sich auch die Anzahl der Follower in kürzester Zeit vervielfachte. Eine umfangreiche Berichterstattung über den Fachkongress Digitaler Staat findet sich ab Seite 25.

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung Foto 2: BS/Hansestadt Hamburg, Paul Hahn Foto 3: BS/Harbeke

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / April 2018

Nicht vor der Verantwortung flüchten Anstehendes Gerichtsurteil zur Nutzung von Plattformdiensten könnte Behörden zum Handeln zwingen (BS/Adrian Bednarski/Marco Feldmann/Benjamin Stiebel) Trotz des aktuellen Skandals um illegalen Datenzugriff bei Facebook und reichlich Kritik am Geschäftsgebaren des Unternehmens nutzen Politik und Behörden die Plattform weiter. Ein in wenigen Monaten erwartetes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) könnte dem ein Ende setzen. Unter Umständen werden Behörden ihre Präsenz in Sozialen Netzwerken stark einschränken, teilweise sogar aufgeben müssen. Seit Bekanntwerden des Datenklaus durch Cambridge Analytica steht Facebook mit dem Rücken zur Wand. Aus dem politischen Raum kommen Forderungen nach lückenloser Aufklärung des Falls und mehr Offenheit beim Umgang mit den Nutzerdaten. Deutliche Worte fand Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley (SPD): “Facebook ist ein Netzwerk der Intransparenz. Ethische Überzeugungen fallen kommerziellen Interessen zum Opfer.” Auch die Union kritisiert, dass die bisherigen Äußerungen Facebooks nicht ausreichen würden. Aber ob und inwiefern gesetzliche Änderungen erforderlich seien, müsse erst noch geprüft werden, heißt es von der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion. Jens Zimmermann, digitalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, vertritt die Meinung: “Die Plattformanbieter tragen die Verantwortung und sind in der Pflicht.” Mittels des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und der ab Mai geltenden europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) könne der Druck auf diese erhöht werden. Mehr Eigenverantwortung und die Offenlegung der Algorithmen fordert der Vorsitzende des Bundestagsausschusses Digitale Agenda Jimmy Schulz (FDP). So würden Entscheidungen und Dateninformationswege transparenter gemacht. Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken-Fraktion im Deutschen Bundestag, plädiert für schärfere Vorgaben zur Sammlung und Anreicherung von Daten. “Aber solange dies nicht passiert, müssen wir darüber nachdenken, ob wir unsere Nutzer informieren und warnen”, sagt Korte mit Blick auf die Auftritte seiner Partei in Sozialen Netzwerken.

aber verzichtet, heißt es. Auch dort wartet man anscheinend das Urteil des EuGHs ab.

Polizei in der Zwickmühle

Nach dem Datenskandal bei Facebook wurden Rufe laut, die großen Betreiber sozialer Netzwerke müssten ihrer Verantwortung gerecht werden oder gegebenenfalls durch verschärfte Regulierung dazu gebracht werden. Doch wie steht es um die Verantwortung derjenigen, die die Plattformen als Nutzer unterstützen? Foto: BS/Trueffelpix, Fotolia.de

An die Verantwortung von Facebook und anderen Netzwerken zu appellieren und über zusätzlichen Regelungsbedarf beim Datenschutz nachzudenken, geht aber nicht allen weit genug. Während einige das hinter kostenlosen Plattformen stehende Geschäftsmodell per se hinterfragen, kritisieren andere die Marktmacht Facebooks. So meint der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck, es brauche – gegebenenfalls kartellrechtliche – Möglichkeiten, Internetgiganten zu entflechten.

Behörden-Accounts laufen weiter Facebooks Monopolstellung ergibt sich aber auch daraus, dass über zwei Milliarden Nutzer (30 Millionen in Deutschland) allen jahrelang bekannten Bedenken zum Trotz die Plattform aktiv nutzen. Dazu gehören auch private und öffentliche Organisationen,

Gibt es den großen Wurf? Dritte Verhandlungsrunde in Potsdam (BS/jf) In der dritten Runde der Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst treffen die Protagonisten das erste Mal aufeinander. Der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) übernimmt für den Bund die Verhandlungsführung anstelle von Staatssekretär Hans-Georg Engelke. Ob mit dem neuen Mann auch ein neuer Wind in die Verhandlungen kommt, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass Engelke sich in der zweiten Runde schon zurückgehalten hat, wie es aus Verhandlungskreisen heißt. Knackpunkt sind nach wie vor der enorme Sockelbetrag von 200 Euro und die von den kommunalen Arbeitgebern ins Spiel gebrachten Bedingungen bei den Sparkassen. Diese seien durch die anhaltende Niedrigzinsphase, die ausufernde Regulatorik sowie den Auftrag, der flächendeckenden Versorgung mit Finanzdienstleistungen besonders betroffen. Allein hierauf würden sie mit Fusionen und Personalabbau reagieren. In den letzten beiden Jahren ist der Personalbestand jeweils um vier Prozent reduziert worden. Insgesamt rund 8.600 Stellen teilt die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) mit. Sechs Prozent bei einer Laufzeit

von zwölf Monaten bzw. der Mindestbetrag würden vor diesem Hintergrund eine weitere schwerwiegende Belastung darstellen. Und trotz der aus Gewerkschaftssicht erfolgreichen, aus Arbeitgebersicht unnötigen Warnstreiks liegen beide Parteien in der Entgeltfrage noch weit auseinander. Die übrigen Forderungen würden dagegen kaum ins Gewicht fallen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass am Ende ein Kompromiss in kleiner Runde gefunden wird, der dann von der Arbeitgeberseite als Angebot vorgelegt wird, über das dann die Tarifkommissionen beraten müssen. Dabei müsste der Sockelbetrag deutlich über 100 Euro liegen, damit die Verhandlungen aus Gewerkschaftssicht als Erfolg gefeiert werden können.

die hier einen der wichtigsten Kanäle für die Öffentlichkeitsarbeit sehen. Nach Bekanntwerden des Datenskandals wurde – vor allem über Soziale Netzwerke – zur Löschung von Facebook-Accounts aufgerufen. Zu einem besonderen Rückgang bei den Nutzerzahlen hat dies wohl nicht geführt. Immerhin verkündeten der USUnternehmer Elon Musk für seine Firmen Tesla und SpaceX sowie das amerikanische Männermagazin Playboy ihren Rückzug aus dem Netzwerk. Von politischen Parteien oder Institutionen der öffentlichen Verwaltung sind dahingehend keine Schritte bekannt geworden. Aus dem Bundesinnenministerium heißt es dazu, Facebook stelle einen wichtigen Zugang zu öffentlichen Informationen für viele Menschen in Deutschland dar. Dem müsse die Bundesregierung bei ihrem Dialog mit den Bürgern Rechnung tragen. Zu aktuellen Vorwürfen des Datenmissbrauchs gegen das Unternehmen müsse die Aufklärung durch die zuständigen Behörden abgewartet werden. Das sind die Daten- und Verbraucherschutzbehörden, die aber schon lange immer wieder Mängel bei Facebooks Umgang mit Daten angezeigt und diverse gerichtliche Verfahren gegen das Unternehmen angestrengt haben. Dennoch unterhalten Behörden Auftritte in Sozialen Medien und verweisen auf die Verantwortung der Betreiberfirmen. So wird zum Beispiel Nutzern, die dem Link von der Webseite des Bundesjustizministeriums auf dessen Facebook-Seite folgen, der Hinweis angezeigt, das Haus habe keinen Einfluss auf Art und Umfang der übertragenen oder gespeicherten Daten. Weiteres sei der Datenschutzerklärung von Facebook zu entnehmen. Dieses Weiterschieben der Verantwortung für die Datenschutzkonformität erfolgt im Einklang mit der aktuellen Rechtslage. Über die wird aber seit Jahren gestritten. Die Lage könnte sich ändern, wenn der EuGH im erwähnten anhängigen Verfahren dem Votum seines Generalanwalts folgt. Dieser hatte in seinem Schlussantrag dafür plädiert, dass künftig alle verantwortlichen Stellen

für die Datenschutzkonformität der von ihnen verwendeten Angebote Sorge tragen müssten. Damit würde er die bereits seit 2011 von der schleswig-holsteinischen Landesdatenschutzbeauftragten Marit Hansen vertretene Rechtsauffassung bestätigen. Deutschlands Behörden würde das unter Zugzwang setzen. Zumal, wenn man bedenkt, dass das Verfahren vor dem EuGH durch ein Vorabentscheidungsersuchen des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts ausgelöst wurde, das dann auch wieder über den Einzelfall entscheiden muss.

Öffentlicher Dienst muss Vorbild sein Soziale Netzwerke, derer sich Ministerien und andere öffentliche Stellen vielfach bedienen, sammeln personenbezogene Daten sowohl über angemeldete Nutzer als auch Nicht-Mitglieder, und sei es auch nur über sogenannte Social-Plug-ins wie den Like-Button, die in Webseiten eingebettet sind. Die Datenschutzaufsichtsbehörden sehen die Behörden daher in der Verantwortung, die Datenschutzkonformität dieser genutzten Dienste zu gewährleisten. “Können sie es nicht, dürfen sie diese Dienste nicht nutzen”, erläutert Hansen ihre Auffassung. “Die von Anbietern wie Facebook öffentlich zur Verfügung gestellten Informationen reichen jedenfalls nicht aus, um zum Ergebnis zu kommen, dass die Datenverarbeitung datenschutzkonform durchgeführt wird.” Sanktionierungen und Anordnungen konnten aber seit 2011 wegen der ausstehenden Klärung der Verantwortungsfrage nicht erfolgen. Es könne aber keine Option für Behörden sein, so Hansen, auf Dienste zu setzen, die für die Behörde kostenlos seien, aber deren Ordnungsmäßigkeit nicht gegeben sei. “Im Gegenteil muss der Öffentliche Dienst nach meiner Überzeugung Vorbild in Sachen Datenschutzkonformität sein.” Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte rät den Behörden in ihrem Zuständigkeitsbereich im regelmäßigen Austausch von der Nutzung von Sozialen Netzwerken ab. Auf strenge Vorgaben oder Sanktionen habe man bisher

Sollten die Plattformbetreiber bis dahin ihre Hausaufgaben im Sinne der neuen Dokumentations- und Nachweispflichten nach DSGVO nicht gemacht haben, werden Behörden ihre Netzaktivitäten vielleicht stark einschränken müssen. Für die Präsenz der öffentlichen Verwaltung im digitalen Raum und ihre Beteiligungsmöglichkeiten am öffentlichen Diskurs wäre das ein Rückschlag. Besonders würde das die Polizeien treffen. Für deren Aufgabenwahrnehmung seien Soziale Netzwerke inzwischen unverzichtbar, wie der Cyber-Kriminologe Thomas Gabriel Rüdiger dem Behörden Spiegel sagte. “Dabei sollte es nicht nur um Öffentlichkeitsarbeit, Nachwuchsgewinnung oder Warnungen an die Bevölkerung gehen”, so Rüdiger weiter. “Die Sichtbarkeit der Polizei im Internet zeigt, dass das Gewaltmonopol auch im digitalen Raum greift.” In dem Bereich gibt es schon länger Diskussionen über Rechtsgrundlagen und Bedingungen der Nutzung, die über das Thema Datenschutz noch hinausgehen. So zum Beispiel zur Möglichkeit von Fahndungen in Sozialen Medien. In Hessen wird die Rechtsprechung so ausgelegt, dass nach Verdächtigen nur über Facebook gesucht werden darf, wenn dies explizit im Gerichtsbeschluss vermerkt ist. Problematisch sei, wie Rüdiger erklärt, dass die aktuellen Polizeigesetze von örtlichen Zuständigkeiten ausgingen und sich daher nicht ohne Weiteres auf das Internet übertragen ließen. “Es braucht eine ganz grundsätzliche gesellschaftliche Debatte darüber, was digitale Polizeiarbeit eigentlich leisten soll”, fordert er. “Dann müssen im nächsten Schritt die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.”

Allgemeine Leitlinie erarbeiten Vielleicht braucht es ebenso eine breitere Debatte über die digitale Präsenz der öffentlichen Verwaltung – auch über die Frage nach der juristischen Verantwortlichkeit für die Datenschutzkonformität hinaus. Auf welcher Grundlage sollten öffentliche Stellen in Deutschland Soziale Netzwerke und andere kommerzielle digitale Dienste nutzen dürfen? Welche konkreten Chancen werden dabei gesehen und welche Risiken sind dagegen abzuwägen? Unter welchen Umständen sollte auf die Nutzung eines Dienstes ganz verzichtet werden? Mit der Erarbeitung einer allgemeinen Leitlinie für den Umgang mit Plattform-Diensten in der öffentlichen Verwaltung könnte der Staat mit gutem Beispiel auch für Politik, Wirtschaft und die Bürger vorangehen. Mit einer konsequent verfolgten Linie ließe sich ein Zeichen setzen, das über die Kritik am übermächtigen Datensammler Facebook hinausgeht.

MELDUNGEN

Knapp 1.000 Standorte (BS/jf) Die Bundesverwaltung setzt sich aus 16 Ressorts und weiteren 104 nachgeordneten Behörden zusammen. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage im Deutschen Bundestag (Drucksache 19/1155) hervor. Inklusive der Hauptzoll- und Zollfahndungsämter sowie der Ämter der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung verteilt sich die Bundesverwaltung, nach Zählung des Behörden Spiegel, auf 212 Hauptstandorte und weitere 777 Nebenstandorte. Insgesamt 989 Standorte über Deutschland verteilt. Die meisten Hauptsitze sind für NordrheinWestfalen verzeichnet: 60 Bundesbehörden haben hier ihren Sitz. Auf Platz zwei folgt Berlin mit 25 Behörden, knapp vor Niedersachsen (23), Bayern (19), Hessen und Baden-Württemberg (jeweils 16). In Rheinland-Pfalz sind zehn Bundeseinrichtungen angesiedelt, in Hamburg neun, in Schleswig-Holstein sieben und in Sachsen-Anhalt sechs. Jeweils fünf haben ihren Sitz in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen, jeweils zwei in Bremen, Thüringen und dem Saarland. Gefragt hatte die Partei Die Linke, die sich nach der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse erkundigt hatte und in der Ansiedlung von Bundeseinrichtungen einen wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung in strukturschwachen Regionen, vor allem in Ostdeutschland, sieht.

Weitere Grenzwerte vorgeschlagen (BS/mfe) Die EU-Kommission schlägt vor, für fünf weitere krebserzeugende Chemikalien neue Grenzwerte in die schon existierende Gesetzgebung aufzunehmen. Mithilfe dieser neuen Höchstexpositionen für Cadmium, Beryllium, Arsensäure, Formaldehyd sowie die chemische Verbindung MOCA sollen rund eine Million Beschäftigte an ihren Arbeitsplätzen besser geschützt werden. Außerdem ließen sich dadurch pro Jahr mehr als 22.000 arbeitsbedingte Krankheitsfälle, etwa Krebserkrankungen, verhindern, hieß es. Bisher sind in der EU-Richtlinie über Karzinogene und Mutagene bereits Maximalkonzentrationen in der Luft für 21 Stoffe aufgenommen oder zumindest vorgeschlagen.

Pilotprojekt gestartet (BS/mfe) Ab sofort ist es im Rahmen eines Pilotprojektes möglich, sich bei der Bundespolizei in einem Schritt sowohl für den gehobenen Polizeivollzugsdienst als auch für die anschließende fliegerische Ausbildung zu bewerben. Bisher war es nur aus dem aktiven Polizeidienst heraus möglich, sich für eine Verwendung bei der Fliegergruppe anzubieten, was jedoch den Bewerberkreis verkleinerte. Bewerbungen für das Studium mit anschließender Ausbildung zum Hubschrauberpiloten sind noch bis zum 30. Juni möglich. Anschließend finden die Auswahlverfahren für den gehobenen Polizeivollzugs- und für den Flugdienst statt. Das Studium beginnt dann im September 2019. Die Ausbildung für den Fliegerdienst schließt sich ab Januar 2023 an und endet im Sommer 2025.


Aktuelles Öffentlicher Dienst / Gesundheit

Seite 4

Wider den politischen Flurschaden

G

roße Verteiltöpfe wecken Begehrlichkeiten, und zwar erfahrungsgemäß nicht immer lautere. Insofern erscheint es nicht weiter verwunderlich, dass die Jahresberichte der Rechnungshöfe und der zentralen EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF regelmäßig Fehlförderungen offenlegen. Zwar nimmt sich der Subventionsbetrug (§ 264 StGB) laut Polizeilicher Kriminalstatistik des BKA mit rund 500 Fällen pro Jahr absolut gesehen im Vergleich zu anderen Delikten überschaubar aus. Multipliziert man dies jedoch mit jenen ca. sieben Mio. Euro, auf die die Universität Halle-Wittenberg und PricewaterhouseCoopers den durchschnittlichen Schaden je Fall im Rahmen einer Studie beziffern, beläuft sich der jährliche Verlust für die öffentlichen Haushalte auf rund 3,5 Mrd. Euro. Dies durch präventive Kontrollmaßnahmen einzudämmen, würde sich sicherlich lohnen.

Behörden Spiegel / April 2018

“Förderprogramme evaluieren und mit neuen Akzenten fortsetzen” – aber wie? (BS/Ingo Sorgatz*) Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist an zahlreichen Stellen und in vielen Sachzusammenhängen von Förderprogrammen die Rede, die neu aufgelegt, evaluiert oder auch mit “neuen Akzenten” fortgesetzt werden sollen. Wirft man einen Blick in die vom Bundeswirtschaftsministerium bereitgestellte Förderdatenbank, so kann man dem Gedanken an Evaluierungsbedarf in einigen Bereichen des öffentlichen Förderwesens wohl nur lautstark beipflichten. Eine Gesamtrecherche in der Datenbank ergibt aktuell annähernd 5.000 Förderprogramme von EU, Bund und Ländern, verteilt auf 17 Fördergebiete, von denen die Infrastrukturförderung sowie Gesundheit und Soziales den Löwenanteil ausmachen.

Zahl der Förderprogramme von EU, Bund und Ländern nach Bereichen

Blick nach Europa

Schwieriges Terrain Es sind freilich nicht nur finanzielle Risiken, die Förderprojekte in die Schlagzeilen bringen können. “Offenes Neukölln” – Bundesinnenministerium streicht Förderung für Festival” titelte etwa die Berliner Zeitung am 14. März 2018 und berichtete von einer Streichung von Fördermitteln aufgrund linksextremer Bestrebungen der Veranstalter. Auch die im vergangenen Jahr zum Teil auf Eis gelegte Förde-

Seminarhinweis Der Behörden Spiegel veranstaltet zum Thema am 7. Mai 2018 in Berlin das Praxisseminar “Öffentliches Förderwesen auf dem Prüfstand”, das sich intensiv der Betrugs- und Korruptionsaufdeckung, dem Risikomanagement und der Revision im Zuwendungsverfahren widmet. Anmeldung und Information unter: www.fuehrungskraefteforum.de, Suchwort “Förderwesen”

Grafik: BS/Förderdatenbank des Bundes (http://foerderdatenbank.de)

rung des Verbandes türkischer Moscheengemeinden (Ditib) durch das Bundefamilienministerium machte deutlich, auf welch schwierigem Terrain sich die von gleich mehreren Bundesund Landesministerien forcierten Programme zur Integration und Extremismusprävention mitunter bewegen. Denn fördert man an dieser Stelle die “Falschen”, also die Verfassungsfeinde statt der Verfassungsfreunde, so kann der politisch-reputative Flurschaden für den Zuwendungsgeber immens sein. Derartigen Risiken allerdings systematisch vorzubeugen, ist kaum möglich. Mit der Einführung einer “Demokratieklausel” für Projektförderungen scheiterte die frühere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder vor den Verwaltungsgerichten.Der Wildwuchs an geförderten Projekten erscheint enorm. Unter der Artikelbezeichnung “Warum nicht mal mit Harke und Laubbeutel losziehen?”

qanuun-aktuell

Starker Staat ./. Verbrauchermacht? von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune In ihrem Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 haben die Regierungsparteien CDU/ CSU und SPD der Wirtschaftskriminalität den Kampf angesagt. Nicht nur schärfere Sanktionen sollen Unternehmen, deren Mitarbeiter geltendes Strafrecht verletzt haben, treffen können, sondern auch mehr Öffentlichkeit sowie faktisch die Pflicht zu internen Ermittlungen. Die Bußgeldobergrenze, die 2013 auf zehn Mio. Euro angehoben worden war, soll sich künftig stärker an der Wirtschaftskraft des illegal agierenden Unternehmens orientieren, was für börsennotierte Unternehmen dann deutlich unangenehmer werden könnte. Flankiert werden diese Maßnahmen durch einen künftigen Verfolgungszwang für die Strafverfolgungsbehörden, um eine bundesweit einheitliche Verfolgungspraxis zu erreichen. Der Staat zeigt der Wirtschaft deutlich die Instrumente. Und wie positionieren sich die Verbraucher? Die aktuelle Empörungswelle wegen eines “Datenklaus” im sozialen Riesennetzwerk Facebook ist gegenwärtig noch ebenso überschaubar wie die Reaktionen auf den Dieselskandal. Ein paar aufgebrachte Verbrau-

§ 44 BHO zu entnehmen. Basis eines neuen Förderprogramms sollte das Aufstellen eines Risikomanagements ebenso wie die verbindliche Definition von Mess­ indikatoren der Zielerreichung sein. Denn nur wer die Risiken vorher benennt, bewertet und Sicherungen einzieht, wird sich spätere Fehlentwicklungen nicht vorwerfen lassen müssen. Wird eine Interessenkollision, ein Betrug oder die nicht zweckgemäße inhaltliche Ausrichtung eines Projekts zu spät erkannt oder gar erst via Presse offenkundig, ist der Zuwendungsgeber zumeist in der Defensive. Das kann man nicht vollends vermeiden, jedoch sind Risiken auf Basis eines internen Kontroll- und Monitoringsystems jedenfalls deutlich reduzierbar.

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

cher, Schulterzucken, dann sagt noch einer in die Kamera, man wisse ja, dass man von der Wirtschaft belogen werde, und man geht zur Tagesordnung über. Abgesehen davon, dass dieser Fatalismus jedem Demokraten schlecht zu Gesicht steht, fragt sich, warum man sich nicht einfach aus dem sozialen Netzwerk verabschiedet und konsequent die Automarke wechselt? Verbraucher sind keineswegs machtlos, andernfalls wären die Daten über sie nicht so interessant. Sie sollten nur endlich begreifen, dass sie diejenigen, die ihnen etwas verkaufen wollen, mindestens genauso wirksam auf den Weg der Tugend führen können wie jeder Staat.

erhob etwa die Welt am Sonntag im Mai 2017 den Vorwurf der Mittelverschwendung gegen ein Bundesprogramm zur Demokratieförderung. Zuwendungen nach den Bundes- und Landeshaushaltsordnungen sind ein geeignetes und flexibles Instrument, um auf aktuelle Entwicklungen rasch reagieren und politische Ziele flankieren zu können. Mitunter erscheinen die Ziele jedoch ambivalent. Ein aktuell viel dis-

kutiertes Beispiel sind etwa die im Zuge der Diesel-FahrverbotsDiskussion bekannt gewordenen Projektförderungen zugunsten der Deutschen Umwelthilfe e. V.

Mindeststandards für Förderprogramme Anlass, die Risiken der durch die eigene Behörde zu verantwortenden Förderprogramme einmal auf den Prüfstand zu stellen, gibt es also genug. Aber was sind eigentlich Mindeststandards der

Evaluation und Erfolgskontrolle? Die Bundeshaushaltsordnung definiert in § 7 die Grundzüge. Danach sind bei allen finanzwirksamen Maßnahmen, also auch Fördermaßnahmen, angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen, und zwar auch unter Gesichtspunkten der Risikoverteilung. Konkrete Ausführungen zur Zielerreichungskontrolle bei Förderungen sind der Nr. 11a der Verwaltungsvorschrift zu

Auf europäischer Ebene hat die Anti-Betrugsbehörde OLAF einiges an Empfehlungen zum präventiven Vorgehen bereitgestellt. Wesentliche Ziele der Betrugsbekämpfungsstrategie der Kommission sind die Verbesserung und Modernisierung der Vorgehensweise zur Prävention, zur Aufdeckung und Untersuchung von Betrugsdelikten, die konsequente Wiedereinziehung zu Unrecht ausgereichter Fördermittel sowie die Abschreckung künftiger Betrugsfälle durch angemessene Strafen. *Ingo Sorgatz, Erster Kriminalhauptkommissar und Dipl.-Verwaltungswirt (FH), ist nach langer Tätigkeit im kriminalpolizeilichen Bereich seit mehreren Jahren für Interne Revision und Korruptionsprävention zuständig.

Von Betroffenheit und Betroffensein Kindesmissbrauch ist zunächst ein psychologisches Thema (BS/Katarina Heidrich) Die Menge an kinderpornografischem Material im Internet hat stark zugenommen, obwohl die Zahl der Missbrauchsfälle gegen Kinder in den letzten Jahren gesunken ist. Schwerwiegende Fälle lösen häufig Diskussionen über Fehlverhalten in Justiz und Behörden aus. Was aber in der öffentlichen Debatte oftmals fehlt ist neben der Opferperspektive die der ermittelnden Beamten im Bereich Kinderpornografie. Ebenso wird der präventive Umgang mit Pädophilie kaum thematisiert. Jeden Tag werden in Deutschland knapp 44 Kinder sexuell missbraucht, im Jahr 2016 registrierte das Bundeskriminalamt (BKA) ca. 15.000 Opfer. Die Landeskriminalämter haben in den vergangenen Jahren ihre Dezernate zur Bekämpfung von Kinderpornografie stark aufgestockt. Abgesehen von den Missbrauchshandlungen an sich, verlagern sich die damit verbundenen Straftaten, wie das Nutzen der Missbrauchsdarstellungen, ins Internet. Dort kommen Strafanzeigen kaum vor, weshalb von einem erheblichen Dunkelfeld auszugehen ist. Ermittler aus dem entsprechenden Arbeitsgebiet müssen tagtäglich enorme Datenmengen an Material sichten. Gerlind Kirchhof vom sozialwissenschaftlichen Dienst der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen erläutert die Belastungssituation der Beamten. Die Wahrnehmung von Bildern und Filmen auf psychologischer Ebene erfolge bei allen Menschen nach dem gleichen Schema; durch eine kurze Identifikation mit den Akteuren. Die Spiegelneuronen, die als Empathie-Garanten gelten, werden beim Ausführen oder Sehen von Aktionen gleichermaßen befeuert. Der jeweilige Betrachter versetzt sich also nicht nur in die Lage des Opfers, sondern ebenfalls in die des Täters, so Kirchhof.

Gefühl der Mitschuld Alle Belastungsstudien zur Kinderpornografie zeigten, dass die Beamten neben ernsten psychologischen Belastungen vor allem von vielen Verunsicherungen im Alltag betroffen seien, erklärt die Sozialpsychologin. Im Umgang mit fremden, aber auch

den eigenen Kindern könnten Bedenken und Unsicherheiten entstehen, die sich stark auf das Leben der Ermittler auswirkten. Ebenfalls könne die eigene Sexualität leiden. Die neuronal ausgelöste Identifikation mit einem Täter führe häufig zu einem Gefühl der Mitschuld, so Kirchhof. Des Weiteren fände bei vielen betroffenen Beamten eine Art Desillusionierung aufgrund der enormen Datenmengen im Vergleich zu den geringen Aufklärungsraten statt. “Wir haben Ermittler, die einen Preis für diese Arbeit zahlen”, erinnert Kirchhof und unterstreicht den Erhalt und die Förderung der intrinsischen Motivation in der Polizei. Hierfür brauche es vor allem mehr und besser geschultes Personal in Verbindung mit therapeutischen Angeboten.

Sensibilisierung nötig Einmal veröffentlichte Bilder im Internet bedeuten unter Umständen eine lebenslange Demütigung der Opfer. Prof. Dr. Dr. Klaus M. Beier, Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité Berlin, fordert, deren Perspektive nicht aus dem Blick geraten zu lassen. In ganz Europa seien circa neun Prozent der Mädchen und drei Prozent der Jungen von Missbrauchshandlungen betroffen, stellt Beier fest. Torsten Nowak, Leiter der Geschäftsstelle White IT im niedersächsischen Innenministerium, bemängelt, dass es in Deutschland zwar 2.000 Meldestellen für misshandelte Mädchen gebe, jedoch nur 80 für Jungen. Hier soll ein gemeinsames Callcenter mit Vodafone Abhilfe schaffen. Ingo Fock, Vorsitzender des gegen-missbrauch e. V. und selbst

der Befragten einer Studie des vom Bundesfamilienministerium geförderten Forschungsprojektes “MiKADO: Missbrauch von Kindern: Aetiologie, Dunkelfeld, Opfer” gaben an, vom Täter das “Angebot” bekommen zu haben, weiterhin missbraucht zu werden. Das Gefühl des Ausgeliefertseins zusammen mit der geringen Sensibilisierung in der Gesellschaft führt nicht selten zur Angst vor Stigmatisierungen. Es ist ein gängiges Klischee, dass aus Opfern später selbst Täter werden. Eine Frage, die oft untergeht: Was passiert eigentlich mit Ermittlern, die sich tagtäglich mit Darstellungen von Gewalt gegen Kinder beschäftigen?

Foto: BS/RS, pixelio.de

Opfer sexuellen Missbrauchs im Kindesalter, fordert eine Zusammenarbeit von Behörden und Betroffenen. Gemeinsam mit anderen Opfern hat er Überlegungen angestellt, dem BKA “seine Bilder” zur Verfügung zu stellen, um rechtliche Hürden bei den Ermittlungen zu umgehen (siehe Behörden Spiegel, Februar 2018, Seite 42). “Schließlich bin ich ja der Rechteinhaber meiner Bilder”, betont er und ergänzt: “Sie können helfen, die Erfahrungen, die ich machen musste, anderen Kindern zu ersparen.” Oftmals fände sogar noch eine Kontaktaufnahme durch den Täter im Erwachsenenalter statt, berichtet Julia von Weiler, Geschäftsführerin des Innocence in Danger e. V. Diese reichten von Drohungen über Einschüchterungen hin zu Aufforderungen zu erneuten Treffen. Die Opfer könnten sich nie sicher in Sozialen Netzwerken bewegen, aus Angst, erkannt zu werden. 55 Prozent

Pädophil = Täter? Beier betont: “Pädophilie ist zunächst eine Diagnose, kein Verbrechen.” Deswegen sei es auch notwendig, von zwei Seiten an die Thematik heranzutreten. Dazu gehöre das Vorgehen bei geschehenen Fällen, aber eben auch der Versuch, präventiv die Pädophilen zu erreichen, bevor sie übergriffig würden. “Wir haben die Chance, mit Aufklärung vielen zu helfen, die sich helfen lassen wollen”, so der Sexualwissenschaftler. Das Präventionsnetzwerk “Kein Täter werden” etwa bietet ein kostenloses, durch die Schweigepflicht geschütztes Behandlungsangebot für Menschen mit pädophilen Neigungen, die therapeutische Hilfe suchen. Etwa ein Prozent der Männer weltweit seien von Pädophilie betroffen, davon aber eine große Gruppe verhaltensabstinent, erklärt Beier. Für sie selbst bedeutet dies zum einen den Verzicht auf die Erfüllung sexueller Bedürfnisse. Zum anderen eine gesellschaftliche Isolation, da sie ihre Neigung als geächtete Randgruppe selbst vor Freunden und Familie verheimlichen.


Bund / Länder

Behörden Spiegel / April 2018

Zum Schutz der Bürger?

S

eitens der Sprecherin des Bundesjustizministeriums, Dr. Stephanie Krüger, hieß es: “Die Gerichte in unserem Geschäftsbereich haben die De-Mail gut auffindbar auf ihren Webseiten eingestellt.” Dementsprechend ist dies ein Länderphänomen. Obwohl über die De-Mail mit den Gerichten kommuniziert werden soll, ist dies in der Praxis schwierig. Denn einige Gerichte veröffentlichten ihre De-MailAdresse nicht.

Probleme bei De-Mail Die Koordinatorin der Arbeitsgruppe für IT-Standards in der Justiz der Bund-Länder-Kommission für Informationstechnik, Daniela Freiheit, erläutert gegenüber dem Behörden Spiegel das Problem: “Während die besonderen Postfächer an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) angeschlossen sind, stellt die De-Mail einen separaten Kommunikationskanal dar.” Das erste Hindernis sei, dass nur Inhaber eines authentifizierten De-Mail-Postfaches auch De-Mails versenden könnten. “Im Ergebnis kann dies zur Verwirrung der Bürger führen”, so die Koordinatorin. Wenn das DeMail-Konzept unbekannt sei, sehe eine De-Mail-Adresse wie eine herkömmliche E-Mail-Adresse aus. Die Bürger könnten versuchen, De-Mails mit herkömmlichen E-Mail-Programmen zu versenden. “Leider kann es bis zu 24 Stunden dauern, bis der Absender durch eine entsprechende Fehlermeldung erfährt, dass die Nachricht nicht zugestellt wurde. Dies ist gerade bei den strengen Fristen in Gerichtsverfahren problematisch”, so Freiheit.

Keine Postkarte an das Gericht Hinzu kommt, dass die De-Mail in das EGVP integriert wurde. “Damit ist die Bereitstellung des zusätzlichen Übermittlungsweges effizienter und kostenärmer

Justizkommunikationskanäle auf dem Prüfstand

Forderungen an BRAK Aber die Geschäftsführerin der

gestaltet worden”, sagte Freiheit. Aber die EGVP-Postfächer besitzen komplexe Adressinformationen, aus denen die De-Mails der Gerichte generiert wurden. “Diese langen Adressen sind unpraktikabel in der Handhabung, aber notwendig für eine gesicherte Kommunikation und Identifikation”, fügt sie hinzu. Genau deshalb wird aber von den De-Mail-Dienste-Anbietern wie 1&1 Versatel oder Telekom ein Verzeichnis bereitgestellt. Über dieses sind die Gerichte auffindbar, ohne die komplexen Daten der De-Mail-Adressen nutzen zu müssen. “Jedoch gab es Fehler bei den Suchlogiken, weshalb dies anfangs nicht reibungslos funktionierte”, erläuterte Freiheit. Sie fährt fort: “Mittlerweile haben wir vieles ausbessern können, mussten dies jedoch jeweils mit den Anbietern klären.” Normale E-Mail-Adressen seien kritisch. “Niemand schickt eine einfache, offene Postkarte an ein Gericht, wenn es um eine Klage geht”, veranschaulicht die Koordinatorin das Vorgehen hinter den IT-Justiz-Standards. Damit zielt sie auf die Sicherstellung des Datenschutzes und der Vertraulichkeit durch die EGVPInfrastruktur ab.

Landesjustiz justiert nach Auch die Landesministerien arbeiten an der Umsetzung der De-Mail als Kommunikationsmedium. Das Niedersächsische Justizministerium hat mit einem Erlass vom 12. März 2018 seinen Geschäftsbereich aufgefordert, die jeweilige De-Mail-Adresse auf den Internetseiten zu ver-

Soforthilfe unabhängig vom Status möglich (BS/mfe) In Brandenburg können künftig bis zu 60.000 Euro an Soforthilfen an Hinterbliebene tödlich verunglückter Rettungskräfte ausgezahlt werden. Und das unabhängig von ihrem Status, beschloss das Potsdamer Kabinett. Bisher existierten in der Mark ungleiche Versorgungsregelungen bei beamteten, angestellten und ehrenamtlichen Feuerwehrleuten. gungsberechtigte Kinder den Maximalbetrag von 60.000 Euro. Eltern und nicht versorgungsberechtigte Kinder bekommen 20.000 Euro, wenn es keine Witwen und versorgungsberechtigte Kinder gibt. Großeltern und Enkel erhalten 10.000 Euro, wenn weder Witwen, Eltern noch Kinder existieren. Bisher gab es eine solche Versorgung nur für Angehörige von Beamten. Angehörige angestellter Feuerwehrleute bekamen keine Einmalhilfen und Angehörige ehrenamtlicher Feuerwehrleute lediglich maximal 26.000 Euro. Die neue Regelung gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2017, sodass auch die Angehörigen der beiden bei dem damaligen Einsatz verstorbenen Feuerwehrleute die Hilfe noch erhalten können.

Alle Organisationen einbezogen Und Innenminister Karl-Heinz Schröter (ebenfalls SPD) betonte: “Unser Ziel war es, bestehende Ungerechtigkeiten bei der Hinterbliebenenversorgung auszugleichen. Unsere neue Soforthilfe bezieht daher die gesamte Blaulichtfamilie mit ein und sie gilt nicht nur für Eheleute, sondern auch für Lebenspartner, Großeltern, eheliche und uneheliche Kinder und Enkel.” Demnach erhalten Witwen und versor-

Aktuell werde ein Gutachten erstellt, um die Sicherheit von beA zu gewährleisten.

(BS/Adrian Bednarski) Über die De-Mail, das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), das besondere elektronische Notarpostfach (beN) Bundesrechtsanwaltskammer sowie das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) soll der digitale Rechtsverkehr seit dem 1. Januar 2018 laufen. Aber beA ist offline (BRAK), Stephanie Beyrich, sagte: und auch bezüglich der De-Mail-Erreichbarkeit gibt es Probleme. Ist Abhilfe in Sicht? “Wann das beA wieder in Betrieb

Keine Unterscheidung mehr

Sie traten zuletzt besonders zutage, als im September vergangenen Jahres zwei Feuerwehrmänner bei einem Einsatz auf der Autobahn ums Leben kamen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte zu der Neuerung: “Der Schock über den Unfalltod der beiden Feuerwehrkameraden mag inzwischen abgeklungen sein, das Entsetzen und die Trauer sind es noch lange nicht.” Die Landesregierung habe zugesagt, sich der unterschiedlichen Versorgungssysteme anzunehmen und die Hinterbliebenenversorgung gerechter zu gestalten. Mit der neuen Richtlinie beschreite man den richtigen Weg. Die Soforthilfe solle dabei nicht nur die Hinterbliebenenversorgung verbessern, sondern auch den Beitrag der Angehörigen für die Gesellschaft wertschätzen.

Seite 5

Versterben Feuerwehrleute in Brandenburg, können ihre Hinterbliebenen künftig bis zu 60.000 Euro an Soforthilfe erhalten. Foto: BS/Jörn, pixelio.de

öffentlichen. “Schwierigkeiten im Zusammenhang hiermit sind aktuell nicht bekannt, die flächendeckende Umsetzung kann jedoch mitunter etwas Zeit in Anspruch nehmen”, so Christian Lauenstein, Sprecher des Justizministeriums. Zudem sei auch beBPo auf den Weg gebracht worden. Er fährt fort: “Im Februar 2018 wurde der Landesbetrieb IT.Niedersachsen als Prüfstelle für die Freischaltung von beBPos bestimmt. Aktuell werden die beBPos eingerichtet. Bisher sind keine Probleme im Prozessablauf bekannt.” In Bayern zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, Regierungsrätin Rebekka Übler äußerte sich: “Für eine Erstbilanz bei beBPo ist es noch zu früh, weil die ersten Prüfstellen und Identitätsadministratoren eingerichtet und geschult werden.” Bezüglich der De-Mails

werde zudem bei der Bund-Länder-Kommission für die Informationstechnik der Justiz geprüft, inwiefern eine Veröffentlichung der Adressen der Justizbehörden im De-Mail-Informationsportal möglich sei. “Von einer Veröffentlichung der De-Mailadressen durch einzelne Gerichte und Justizbehörden wurde bislang abgesehen, da die Mail-Adressen keine entsprechenden Bezeichnungen beinhalten”, erläutert sie den bayerischen Umgang mit der Problematik.

beN hatte Verspätung Das an das EGVP angeschlossene Notarpostfach stand auch nicht, wie geplant, ab dem 1. Januar dieses Jahres zur Verfügung. “Die Bundesnotarkammer hat nach Bekanntwerden der Sicherheitsprobleme bei beA das eigene Postfach vorsorglich

nochmals sicherheitstechnisch überprüfen lassen”, so Dominik Hüren, Sprecher der Bundesnotarkammer. Deshalb konnte es erst am 23. Februar bereitgestellt werden. Im Gegensatz zum Anwaltspostfach sei beN auf der Basis der vorhandenen EGVP-Postfächer für Notare aufgebaut worden, weshalb das System nicht komplett neu konzipiert wurde. “Eine vollständige Neuentwicklung wie bei beA, das ein spezielles Postfach mit eigener Weboberfläche, persönlicher Nutzerverwaltung und weiteren Funktionen darstellt, ist bei beN nicht erfolgt”, erläutert Hüren. Deshalb sei die Ausgangslage beider Postfächer verschieden. Jedoch bestünden bei beN keine Probleme im Prozessablauf und in der Sicherheit. Bezüglich des Anwaltspostfachs existiere noch keine Gewissheit.

gehen wird, können wir aktuell noch nicht abschließend beurteilen.” Ein Zustand, der seitens Rechtsanwälten für Unmut sorgt: “Das, was im Gesetz vorgesehen ist, muss endlich sicher umgesetzt werden – also beA. Die BRAK muss mit ihren technischen Dienstleistern dies realisieren und steht in der Pflicht”, kritisierte Prof. Dr. Wilfried Bernhard, Staatssekretär a. D. und Rechtsanwalt. Zudem solle das Postfach mittelfristig auch bedienungsfreundlicher werden. “Beispielsweise ermöglicht die eIDAS-Verordnung eine qualifizierte elektronische Signatur ohne Smart Card. Vielleicht ergibt sich daraus für die Zukunft eine Möglichkeit, Dokumente qualifiziert elektronisch zu signieren, ohne eine besonders aufwendige Struktur dafür bereitzuhalten”, so seine Zukunftsaussicht.


Finanzen

Seite 6

Behörden Spiegel / April 2018

EPSAS-Einführung – Ja oder nein? Eine Pro- und Contra-Debatte zur Reform des öffentlichen Rechnungswesens (BS) Welchen Mehrwert bringen die European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) für die öffentlichen Haushalte? Die Meinungen dazu sind geteilt. Für Prof. Dr. Dennis Hilgers bringen die EPSAS unter anderem eine Verbesserung der Transparenz sowie der Qualität und Aussagekraft der öffentlichen Daten mit sich. Der Bundesrechnungshof bezweifelt dies aufgrund der seiner Meinung nach zu erwartenden Vielzahl an Wahlmöglichkeiten und Ermessensspielräumen. Zudem habe bislang noch nicht nachgewiesen werden können, dass der Nutzen den Umstellungsaufwand und die damit entstehenden Kosten rechtfertige.

EPSAS: EU-Kommission greift zur falschen, milliardenteuren Therapie (BS/Dieter Hugo*) Die Europäische Kommission verfolgt mit Nachdruck ihr Projekt zur EU-weiten Harmonisierung der öffentlichen Rechnungslegung. Bis zum Jahr 2025 will sie einheitliche Rechnungslegungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor (EPSAS) in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verbindlich einführen. Die damit verfolgten Ziele sind relativ breit umschrieben: Dazu gehören verlässlichere und besser vergleichbare Finanzdaten, um damit die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte und letztlich das Vertrauen in die Stabilität der Wirtschaftsund Währungsunion (WWU) zu stärken. Für uns stellt sich die Frage, ob mit Blick auf die Fiskalkriterien der WWU insoweit Handlungsbedarf besteht und, wenn ja, ob eine standardisierte europäische Rechnungslegung diesen Handlungsbedarf decken kann. Der Bundesrechnungshof hat in einem Sonderbericht an den Deutschen Bundestag Vorbehalte gegen die beabsichtigte verbindliche Einführung von EPSAS angemeldet. Nach unserer Überzeugung werden die EPSAS nicht zu einer verbesserten Haushaltsüberwachung und Stärkung der europäischen Haushaltsdisziplin führen. Die Daten zur Ermittlung der Defizitund der Schuldenstandsquote, also die für die Fiskalkriterien erforderlichen Informationen, liegen der Kommission schon heute in belastbarer Form vor. Im Zweifel mangelt es nicht an qualitativ hochwertigen Fi-

EPSAS — Gibt es eine Alternative?

den damit verbundenen Umstellungsaufwand rechtfertigt. Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat sowie die kommunalen Interessenvertretungen stehen dem EPSAS-Vorhaben ebenfalls kritisch gegenüber. Unsere kritische Position zum EPSAS-Projekt ist in der öffentlichen Diskussion teilweise als Votum gegen die Doppik fehlinterpretiert worden. Das ist falsch. Nach dem Grundgesetz gilt vielmehr die föderale Eigenständigkeit von Bund und Ländern in Fragen des Finanz- und Rechnungswesens. Folgerichtig ist im Haushaltsgrundsätzegesetz die Koexistenz unterschiedlicher Systeme des öffentlichen Rechnungswesens angelegt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist eine verpflichtende Einführung der EPSAS in Deutschland abzulehnen. Die Kommission agiert mit dem Harmonisierungsprojekt am eigentlichen Problem der unzureichenden fiskalischen Tragfähigkeit vorbei: Ohne Zweifel stehen viele EU-Mitglieder weiterhin vor erheblichen finanzwirtschaftlichen Herausforderungen. Dies gilt auch für die öffentlichen Haushalte in Deutschland – ungeachtet der derzeit günstigen Rahmenbedingungen. Ein europaweit verpflichtendes neues Rechnungslegungssystem nach dem Muster von EPSAS gehört nach unserer Einschätzung nicht zu den wichtigsten Aufgaben.

nanzdaten, sondern an gelebter Haushaltsdisziplin und einer konsequenten Durchsetzung der Fiskalregeln. Die EPSAS sind nach unserer Überzeugung auch kein geeignetes Mittel, zuverlässigere und besser vergleichbare Haushaltsdaten der Mitgliedsstaaten sicherzustellen. Die Kommission hat sich mit ihrer Orientierung am internationalen Regelwerk der IPSAS bereits auf ein anglo-amerikanisch geprägtes, kapitalmarktorientiertes Rechnungslegungssystem als Blaupause für die EPSAS festgelegt. Es zeichnet sich ab, dass die EPSAS eine Vielzahl an Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten sowie Ermessensspielräume eröffnen werden, die unserem Verständnis einer objektivierten, willkürfreien Rechnungslegung zuwiderlaufen. Wir bezweifeln darüber hinaus, dass sich der absehbar erhebliche Einsatz öffentlicher Mittel für die Einführung rentiert. Allein für Deutschland gehen grobe Kostenschätzungen der EU-Kommission von mehr als drei Milliarden Euro aus. Die zu erwartenden Umsetzungsschwierigkeiten im deutschen föderalen Haushaltswesen sind hierbei noch nicht berücksichtigt. Als Anwalt der Steuerzahler sieht sich der Bundesrechnungshof in der Pflicht, gerade bei finanziell so bedeutsamen Maßnahmen eine strikte Beachtung des verfassungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots einzufordern. Bislang hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass der Nutzen einer flächendeckenden EPSAS-Einführung

*Ministerialrat Dieter Hugo ist Leitender Beamter beim Bundesrechnungshof.

(BS/Dennis Hilgers*) Das Haushalts- und Rechnungswesen für den öffentlichen Sektor der EU-Mitgliedsstaaten ist durch ein hohes Maß an Heterogenität geprägt. Hierdurch wird die Vergleichbarkeit öffentlicher Haushalte nahezu unmöglich. Trotz eindeutigem Reformpfad des Rechnungsstils im Wandel vom Cash Accounting (Kameralistik) hin zum Accrual Accounting (Doppik), in dem sich fast alle europäischen Staaten (Deutschland ausgenommen) befinden, hat dieser Prozess in der Rechnungslegung bisher zu keinem einheitlichen und vergleichbaren öffentlichen Rechnungswesen in Europa geführt. So zeigt sich insgesamt deutlich, dass die geübte Praxis der Rechenschaftslegung in den einzelnen Gebietskörperschaften durch ein hohes Maß an nationalen Besonderheiten geprägt ist. Neben dem die deutsche Praxis überwiegend bestimmenden HGB als Basis für ein öffentliches Rechnungswesen auf kaufmännischer Basis (Doppik) haben zunehmend die IPSAS in Anlehnung an den IFRS der Privatwirtschaft als Referenzmodell an Bedeutung gewonnen. In jüngster Zeit ist damit begonnen worden, ein eigenständiges, auf die öffentlichen Zwecke ausgerichtetes Framework für die IPSAS zu erarbeiten. Von daher und auch aus Mangel an Alternativen werden die IPSAS als Referenzmodell für eine Standardisierung des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens weiter an Bedeutung gewinnen. Die Ent-

wicklung der EPSAS, also durch die EU-Kommission selbst entwickelten Standards in Orientierung an IPSAS war daher nur konsequent und zu erwarten. Auf der Makro-Ebene sollen die EPSAS eine bessere Überwachung (und etwaige Steuerung) der Finanz-, Wirtschafts- und Strukturreformpolitik der EUMitgliedsstaaten ermöglichen. Zugleich soll durch die EPSAS die Qualität und Aussagekraft der Daten der europäischen Finanzstatistik verbessert werden. Auf der Mikro-Ebene (d. h. z. B. in der einzelnen Gebietskörperschaft) sollen die EPSAS u. a. eine Verbesserung der Transparenz der Finanzlage öffentlicher Körperschaften, eine Vereinfachung von staatsübergreifenden Kennzahlvergleichen, eine Stärkung der Rechenschaftspflicht und letztlich auch die Förderung einer nachhaltigen Haushaltsund Finanzpolitik bewirken. Die derzeitige, extrem schwierige Situation des vor einer neuen Epoche stehenden Europas ist zu einem ganz wesentlich auf Intransparenzen und die Vernachlässigung grundlegender volkswirtschaftlicher und fiskalischer Diskrepanzen zwischen den europäischen Nationalstaaten zurückzuführen. Andererseits hat die inzwischen erreichte europäische Integration von Mitgliedsstaaten in Form von Europäischer Währungsunion, Bankenunion, Fiskalunion, Haftungsunion, Flüchtlingsunion etc. in kurzer Zeit eine derartige Verschränkungstiefe erreicht, dass dieses politische Zusammenwachsen auch die

MELDUNG

MELDUNG

Öffentliche Schulden niedriger als im Vorjahr

“Schlechtwetterfonds” für die Eurozone

(BS/lkm) Der öffentliche Gesamthaushalt war zum Ende des vierten Quartals 2017 mit 1.965,5 Milliarden Euro verschuldet. Dem Statistischen Bundesamt (Destatis) zufolge sank der Schuldenstand gegenüber dem Ende

des vierten Quartals 2016 damit um 2,1 Prozent. Dabei konnten alle Ebenen ihre Verschuldung verringern. Die Verschuldung des Bundes verringerte sich um 1,3 Prozent auf 1,2 Billionen Euro, wäh-

rend bei den Ländern im gleichen Zeitraum ein Rückgang bei den Schulden um 3,4 Prozent verzeichnet werden konnte. Der kommunale Schuldenstand sank um 3,1 Prozent auf 137,5 Milliarden Euro.

(BS/lkm) Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hat in Berlin einen “Schlechtwetterfonds” für die Eurozone vorgeschlagen. Gerät ein Land des EU-Währungsraums in eine

nationalen Haushalte und damit die Fiskalberichterstattung (im Sinne von EPSAS) betreffen wird. Allein schon durch den Fiskalpakt bzw. ESM, in denen Deutschland finanzielle Verbindlichkeiten für Drittländer übernimmt, sollte daran gelegen sein, die Höhe und die Risiken dieses finanziellen Einstands valide, vollständig und vor allem einheitlich in (Staats-) Bilanzen zu erfassen. Dies setzt aber auch voraus, selber offen und transparent die “eigenen Bücher” zu öffnen. Gerade der deutsche Bund müsste vor dem Hintergrund der inzwischen faktisch bestehenden Haftungsunion eigentlich ein großes Interesse an den EPSAS haben. Trotz aller Unzulänglichkeiten und gravierenden Probleme, die jeder Standardisierungsprozess mit sich bringt, wie Umstellungskosten oder die Aufgabe von etablierten Praktiken, ist ein konsequentes pragmatisches Engagement Deutschlands geboten, um bei der Entwicklung von Standards aktiv und prägend mitzuwirken. Mit der Entscheidung, nicht die bestehenden IPSAS zu übernehmen, sondern EPSAS-Standards selbst zu prägen und eine EPSAS-Verwaltungsstruktur aufzubauen, hat die Kommission explizit einen Partizipationshebel geschaffen, sich in den EPSAS-Prozess prägend zu integrieren. *Prof. Dr. Dennis Hilgers leitet an der Johannes-Kepler-Universität in Linz das Institut für Public und Nonprofit Management.

Schieflage, soll es daraus Hilfen in Milliardenhöhe bekommen. “Um eine schmerzhafte Wiederholung der Krise zu verhindern, braucht die Eurozone eine zentrale Fiskalkapazität”, so IWFChefin Lagarde.

Um den Fonds zu finanzieren, soll jedes Land des Euroraums jährlich 0,35 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in dort einzahlen. Deutschland müsste dann mehr als elf Milliarden Euro pro Jahr einzahlen.

3. BUNDESKONGRESS zum Glücksspielwesen 15. 1 5. M Mai ai 2018, 2018, dbb dbb fo forum, orum, Ber Berlin rlin n Fachforen zu den Themen Kommunen

/ Verbraucherschutz / Steuern und Fina

nzen

Herausforderung Glücksspielregulierung Nach der Ankündigung der schleswig-holsteinischen Landesregierung einer Ratifizierung des vorliegenden 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrages nicht zuzustimmen, steht man in Deutschland bei der Glücksspielregulierung quasi wieder auf Anfang. Doch der Druck aus Brüssel steigt. Aktuell ist nach den Querelen kein Land bereit, die Federführung in der Angelegenheit zu übernehmen. Die seit Jahren dauernde Diskussion zwischen den Bundeländern stellt aber auch die Frage, ob diese überhaupt in der Lage sind, eine Einigung zu erzielen. Immer mehr Rufe nach

dem Bund werden deshalb laut. Eine Bund-Länder-Kommission und ein Staatsvertrag, den Bund und Länder gemeinsam unterschreiben, könnte hier eine Lösung sein. Diese und weitere Fragen sowie Lösungsmöglichkeiten zur

aktuellen Glücksspielregulierung werden auf dem 3. Bundeskongress zum Glücksspielwesen mit Entscheidern aus Politik und Verwaltung, sowie Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis diskutiert.

Referenten, u. a. Martin Gerster, MdB, Mitglied des Haushaltsausschusses

Christian Benzrath, Leiter des Ordnungsamtes, Stadt Langenfeld

Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor, Düsseldorf Institute for Competition Economics

Fotos: BzGw/www.martin-gerster.de (links); BzGw/Archiv (Mitte); BzGw/Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (rechts)

Weitere Informationen unter www.gluecksspielwesen.de

Eine Veranstaltung des

Medienpartner

Beiträge zum Glücksspielwesen


Vergaberecht

Behörden Spiegel / April 2018

Seite 7

“Kümmern sie sich drum!” (BS/Adrian Bednarski) Jede Verwaltung kennt das Problem, der Bedarf an IT-Ausstattung und Softwareprogrammen ist da – eine Ausschreibung notwendig. Aber: Die Gefahr einer Rüge und eines Nachprüfungsverfahrens ist allgegenwärtig. Erschwert wird dies durch die neuen Datenschutzanforderungen und die IT-Sicherheit. Obwohl es komplex wird, rieten viele Experten anlässlich der IKT-Beschaffertage des Behörden Spiegel zu einem essenziellen, aber oft vernachlässigten Lösungsansatz. “Vergaberecht regelt, wie sie etwas beschaffen”, betont Prof. Dr. Manfred Mayer, Rechtsanwalt und Geschäftsführer von Mayburg mbH. Aber insbesondere bei Beschaffungen in der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) existierten zahlreiche Hürden. Einer der wichtigsten, aber auch schwierigsten Schritte in IT-Angelegenheiten sei das Leistungsverzeichnis. Wie können IKT-Beschaffungen bewertet werden? “Nun, hierbei ist ein Risikomanagement wie das ISMS nach ISO 27001 oder 27005 sowie ISIS12 hilfreich. Denn diese sind häufig standardisiert”, erläutert Dr. Andreas Mück. Der IT-Leiter des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft sieht in deren Inhalten gleichzeitig übertragbare Kriterien zur Bewertung von Leistungen der Anbieter. Auch könnten Verwaltungen die IT-Sicherheitsvorgaben für die Dienstleister festschreiben. “Überwachen sie diese auch, sonst ist es nutzlos”, sagte Mück auf der Veranstaltung des Behörden Spiegel in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Mayburg.

Wirklich alle an einen Tisch! Bereits am zweiten Schritt einer Vergabe, nämlich der Markterkundung, sollten mehrere Mitarbeiter beteiligt sein. Diese könnten aus der IT oder der Rechts- sowie Haushaltsabteilung stammen. Aber dementsprechend seien dies mögliche Schlupflöcher für Informationen nach außen. Deshalb sei einer der ersten Schritte die Sensibilisierung der Mitarbeiter, so Mück. Außerdem fährt er fort: “Die Verwaltung kann sich dem digitalen Wandel nicht verschließen. Sie müssen sich darum kümmern,

Dr. Andreas Mück (li), IT-Leiter des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, und Prof. Dr. Manfred Mayer, Geschäftsführer von Mayburg, spielten sich die Themen zu. IT-Sicherheit im Zusammenspiel mit der Vergabepraxis war das Thema auf den IKT-Beschaffertagen 2018. Foto: BS/Bednarski

wie Sie Prozesse in ihrem Haus managen.” Beispielsweise sei es sinnvoll Datenschützer und Beschaffer mit in den Planungskreis zu holen, um zukünftige Konflikte zu vermeiden. Weiter hilfreich sei es, die Rollen und die Verantwortlichkeiten festzulegen und sie qualifiziert zu besetzen, erklärt er. Der IT-Leiter dürfe nicht gleichzeitig der Datenschutzbeauftragte sein. “Trennen sie die Rollen und planen ihre Personalkapazität sorgfältig”, betont Mück. Zusätzlich müssten Schwachstellen identifiziert und ausgemerzt werden. Dies seien tragende Erfolgsfaktoren für die IT-Sicherheit und Verträge. Dem Datenschutz könne auch durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen genüge getan werden. “Unversehrtheit und Integrität beim Einsatz von elektronischen Mitteln für die Vergabe lassen sich mit Verschlüsselungen und der elektronischen Signatur gewährleisten.” Aber was ihn insbesondere ärgere, sei, dass die Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverord-

nung bei den IT-lern abgeladen werde. “Ich hätte mir gewünscht, dass die Datenschutzbeauftragten in den Behörden die Verantwortung federführend übernehmen”, so der IT-Leiter.

Direktvergabe – ja oder nein? Ein anderes Problem, das auf der Veranstaltung thematisiert wurde, betrifft § 135 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Er regelt, ab wann ein öffentlicher Auftrag unwirksam ist. Absatz 3 ist neu und kann die ersten beiden Absätze unwirksam machen. Aber: “Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat ein Direktvergabeverfahren nach Absatz 3 für ungültig erklärt, obwohl es nur einen Anbieter gab”, erläutert Günther Pinkenburg, Geschäftsführer und Rechtsanwalt bei Mayburg. Die Begründung dahinter sei, dass es zu keinem völligen Wettbewerbsverzicht kommen dürfe, was die Richter in dem Fall jedoch sahen. Der Lösungsansatz: “Der vergabe-

rechtlich entscheidende Schritt liegt im Produkt. Kann ich es produktspezifisch ausschreiben oder nicht? Wenn Sie es nicht können, dann müssen Sie regulär ausschreiben”, so Pinkenburg. “Wichtig ist auch, Sie sind nach zehn Tagen nicht durch, auch wenn der Absatz dies andeutet”, so der Rechtsanwalt. Ergänzend dazu äußert sich Lars Hoppmann, stellv. Geschäftsführer des Kommunalen Rechenzentrums MindenRavensberg/Lippe: “Achten Sie darauf, dass ihre Anbieter möglichst zertifiziert sind. Hat aber ein Anbieter kein Zertifikat, dann sollten sie sich wirklich alles Nachverfolgbare zeigen lassen, um sicher zu gehen.” Außerdem solle darauf geachtet werden, dass die Sicherheitszertifikate ganzheitlich vorhanden seien und nicht nur für einzelne Fachanwendungen beziehungsweise Dienstleistungen.

Dokumentation verhindert Ärger! “Dokumentieren Sie alles. Auch die Schwachstellen in ihrem System. Bitte zwingen Sie ihre Lieferanten, während des Projektes die Sicherheit Ihres Produktes zu überprüfen”, so Mücks Appell. Pinkenburg wies wiederum darauf hin, dass Dokumentieren dabei helfe, Sachverhalte zu erfassen und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen nachvollziehbar zu gestalten. Petra Willner, Vorsitzende Richterin am OLG München, pointiert es: “Halten Sie Ihre Überlegungen fest, sodass ein Außenstehender es nachvollziehen kann. Die fehlenden Infos sind mit die häufigsten Fehler, die zu Rügen und weiteren Konsequenzen führen.”

Vergaberecht und Vergabemanagement Praxisseminare im Mai 2018

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Vergabe von Kreativleistungen 3. Mai 2018, Bonn

20 wichtigste Entscheidungen im Vergaberecht 4. Mai 2018, Hamburg

Erfolgreiche Ausschreibung von Lizenzmanagement-Tools 8. Mai 2018, Berlin

Vergabeverfahren und Vertragsgestaltung in agilen IT-Projekten der öffentlichen Hand 8. Mai 2018, München

Mehr Erfolg im Vergabeverfahren Was Unternehmen beachten sollten, um sich optimal zu präsentieren (BS/Patrick Hofstadt*) Viele Unternehmen scheuen die Beteiligung an öffentlichen Vergabeverfahren. Dabei stehen Bietern zahlreiche Möglichkeiten offen, die Gewinnwahrscheinlichkeit des eigenen Angebots zu erhöhen. Es sind die Unternehmen klar im Vorteil, die eine differenzierte Biet-Entscheidung treffen, ihre Antworten überzeugend und präzise formulieren und im Vergabeverfahren auf Augenhöhe mit der Vergabestelle kommunizieren. Beteiligen sich Unternehmen nicht an öffentlichen Ausschreibungen, ist dies für beide Seiten bedauerlich: Für die Unternehmen, denen unter Umständen lukrative Aufträge entgehen, und für den öffentlichen Auftraggeber, der geeignete und möglicherweise auch sehr wirtschaftliche Lösungen so nicht bezuschlagen kann. Unternehmen, die an öffentlichen Vergaben erfolgreich teilnehmen wollen, sollten sich daher zunächst Gedanken darüber machen, wann eine Beteiligung für sie erfolgversprechend ist und damit, auf welcher Basis sie ihre Biet-Entscheidung treffen. Auch wenn der Ausgang des Vergabeverfahrens im Vorhinein nie sicher sein kann, gibt es zahlreiche Indikatoren, die für oder gegen eine Beteiligung sprechen.

und Inhalt des Angebotes sind hierauf abzustimmen. Auch die Festlegung des Aufwands, der in die Erstellung des Angebots oder Teilnahmeantrags fließen soll, ist Teil der Biet-Entscheidung. Bieter müssen zudem die Leitplanken des Verfahrens strikt beachten. Manchmal ist es nicht möglich, die nach eigener Ansicht optimale Lösung anzubieten, da sie im vorgegebenen Bewertungsverfahren nur eine geringe Bewertung erreicht. Trotzdem versuchen Bieter in diesen Fällen immer wieder, an den Vorgaben der Ausschreibung vorbei ihren (vermeintlichen) Mehrwert zu adressieren – und scheitern im Verfahren.

Punkteausbeute bei Qualitätskriterien optimieren Eine ausgefeilte Biet-Entschei-

Eigene Stärken herausstellen, dung, die sich nicht nach dem aber Verfahren beachten Bauchgefühl, sondern nach ob-

Zu einer differenzierten BietEntscheidung gehört neben der Klärung, ob die expliziten Vorgaben der Vergabestelle durchgängig erfüllt werden können, auch die Frage nach den unausgesprochenen Anforderungen des Kunden. Auf Ebene der Positionierung sollten Unternehmen zudem die Frage beantworten können, wo die eigenen Stärken im Vergleich zur Konkurrenz liegen und welche Schwächen des Wettbewerbs gegebenenfalls ausgenutzt werden können. Art

jektiven Kriterien richtet, ist aber nur der erste Schritt zum erfolgreichen Angebot. Immer dann, wenn die Vergabestelle nicht den Preis als alleiniges Kriterium zur Bezuschlagung festgelegt hat, führt eine höhere Punkteausbeute im qualitativen Bereich zu einem besseren Leistungs-/ Preisverhältnis. In der Folge kann auch ein im Vergleich zur Konkurrenz höherer Preis noch zum wirtschaftlichsten Angebot führen. Das Ziel muss es daher sein, die

eigene Punkteausbeute zu maximieren. Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen die Ausschreibungsunterlagen zunächst richtig lesen und ihre Antworten dann so gestalten, dass die Vergabestelle nach den Vorgaben des Bewertungsverfahrens hohe Punktzahlen vergeben kann.

Sprachwahl, Syntax und Stilistik kennen Den Unterschied zwischen Eignungs- und Wertungskriterien zu kennen und sowohl das formelle Angebotsdokument wie auch die entsprechenden Komponenten des Leistungsgegenstands anhand der Bewertungsmatrix zu strukturieren, ist ein guter Anfang. Aber auch die Sprachwahl, Syntax und Stilistik beeinflussen die Verständlichkeit und die Überzeugungskraft einer Antwort maßgeblich und haben dadurch einen direkten Einfluss

Save the Date Mehr zur Kommunikation von Unternehmen bei Vergabeverfahren erfahren Interessierte in einem Seminar des Behörden Spiegel vom 24. bis 27. April 2018 in Berlin. Mehr unter: www.fuehrungs kraefte-forum.de , Suchwort “Angebotsmanagement”

auf die Punkteausbeute. Auch IT-Architekten, Techniker oder Ingenieure, die wesentliche Angebotsbestandteile ausformulieren, sollten daher texthandwerkliches Wissen und ein vertriebliches Grundverständnis besitzen. Zuletzt sollten Unternehmen Bieterfragen nicht nur zur Klärung von Unklarheiten nutzen, sondern als strategisches Werkzeug sehen, um den Leistungsgegenstand sowie den Rahmen der Ausschreibung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Hierzu ist kein Vergaberechtstudium notwendig. Oft genügt es, wenige Grundregeln und eine dem Verfahren angemessene sprachliche Form zu beachten, um das bestehende Wissen zum Leistungsgegenstand und zur Wettbewerbssituation zum richtigen Zeitpunkt nutzen zu können. Um erfolgreich an öffentlichen Vergaben teilzunehmen, benötigen Unternehmen also dreierlei: Eine bewusste Biet-Entscheidung, die neben Markt- auch Vergabekenntnisse erfordert, das handwerkliche Können, Angebote so aufzubereiten, dass diese präzise, verständlich und überzeugend sind und die Fähigkeit, mit der Vergabestelle “auf Augenhöhe” zu kommunizieren. *Patrick Hofstadt ist Angebotsberater und international zertifizierter, langjährig erfahrener Angebotsmanager.

B Bildn achw hwe weis s: ©Raine R er St Rain Stu urrm, m, pixeli ix xeli eliio.de o

IT-Sicherheit und Vergaberecht: Dokumentation ist alles

Vergaberecht für Anfänger 8. Mai 2018, Bonn

E-Vergabe in der Praxis 8. Mai 2018, München

EVB-IT Systemverträge 14.-15. Mai 2018, Berlin

Ausschreibungen von IT – praxisorientiert und rechtssicher 15. Mai 2018, Berlin

Beschaffung von Einsatzfahrzeugen 15. Mai 2018, Fulda

Update Vergaberecht 2018 18. Mai 2018, Düsseldorf

Detaillierte Information und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de


Beschaffung / Vergaberecht

Seite 8

Die Zukunft der E-Vergabe… ...vom Status quo bis zum Einsatz von Bot-Technologien (BS/Carsten Klipstein) Die elektronische Kommunikation zwischen Vergabestellen und Bietern wird sich – nicht zuletzt dank sachten Drucks der Normgeber – weiter etablieren. Viele Vergabestellen setzen darüber hinaus auf eine Digitalisierung von Prozessen rund um das öffentliche Auftragswesen, so die Einführung der E-Akte, E-Rechnung u.v.m. Diese angrenzenden Themen werden sich verstärkt zum Treiber für die Digitalisierung auch fiskalischer Prozesse entwickeln. Dabei könnte der Eindruck entstehen, dass viele technische Innovationen der letzten Jahre sich elegant an der E-Vergabe vorbeigeschlichen haben. Vielleicht aber doch nicht? Inzwischen werden immer mehr Module und Lösungen rund um komplementäre Prozesse zur EVergabe angeboten. Passend scheint hier das Verständnis der EU zum Begriff “Public EProcurement”: von der elektronischen Bedarfsermittlung über die Ausschreibung bis hin zum elektronischen Vertragsschluss (E-Contracting) oder zur E-Rechnung. Mit den Modulen Vergabemarktplatz (VMP), Vergabemanagementsystem (VMS) und Vergabekatalog (VKA) werden etwa von cosinex alle wichtigen (Kern-)Prozesse abgedeckt. Dabei kann je Vergabe- oder Beschaffungsstelle entschieden werden, welche Teilprozesse elektronisch unterstützt werden sollen. Ein Schnittstellen-Connector sowie zahlreiche weitere Standardschnittstellen erlauben eine aufwandsarme Integration in die bestehenden Systeme: von ERP-Lösungen bis hin zu Dokumentenmanagementund Archivsystemen.

Neue Funktionen Die elektronische Unterstützung der vorgelagerten Prozesse gerät dabei zunehmend in den Fokus vieler Auftraggeber. Hierzu gehören die strukturierte Abfrage zukünftiger Bedarfe zur Vorbereitung von Rahmenverträgen mittels einer sogenannten BAF (= Bedarfsabfrage, bei uns eine praxiserprobte Funktion im VKA) sowie die Abbildung von Bedarfsanträgen, welche im VMS (neben einem Connector zur Abbildung dieses Prozesses über ERP-Systeme) über ein eigenes Modul zur Verfügung stehen.

Fünf Trends in der E-Vergabe Alle Anbieter werden sich auch in den kommenden Jahren in erheblichem Umfang der Pflege der Lösungen stellen müssen, alleine schon, um Basis-Anpassungen im Zuge von Rechtsentwicklungen, neuen Vordrucken und Änderungen an der EU-Schnittstelle abzubilden. Darüber hinaus ergeben sich erkennbare Trends, die die zukünftige Weiterentwicklung der Lösungen beeinflussen werden: 1) Intuitiv nutzbare Lösungen Die Vergabe öffentlicher Aufträge gehört sicher – neben eher exotischen Beispielen wie der Neufassung eines Flächennutzungsplans oder Genehmigungsprozessen im Kontext von Immissionsschutzvorgaben – zu einem der rechtlich komplexesten, strukturiert abbildbaren Prozesse in Behörden. Gerade deswegen muss für die Softwarelösung selbst gelten: So einfach wie möglich – aber nicht einfacher. Daher wird weiterhin eine möglichst intuitive Nutzung im Vordergrund stehen, ohne die rechtlich gebotenen Aspekte und damit verbundenen Kom-

schaffungsvorhaben sind bereits angesichts der Vielzahl beteiligter Fachbereiche Carsten Klipstein ist Geschäftsführer der cosikaum mit Prozesnex GmbH und CEO der sen wie der BeGovTech-Gruppe. antragung eines Personalauswei Foto: BS/cosinex GmbH ses vergleichbar. Zukünftig werden die Lösungen gerade bei komplexitäten zu vernachlässigen. plexen Vergaben noch stärker Neue Web-Technologien bieten das kollaborative Arbeiten von erhebliche Potenziale, dies für Projekt-Teams berücksichtigen den Anwender auch intuitiv zu müssen, ohne starre Workflows gestalten. für die Teilprozesse vorzugeben, die sich eben nicht in starre 2) Open Data Workflows pressen lassen. Erste praktische Ansätze zeigen, dass Auftragsbekanntmachun- Die Zukunft: Siri und WhatsApp in der E-Vergabe? gen in Open-Data-Portalen zunehmend Einzug halten werden. Die aus unserer Sicht potenziell Die Auftragsbekanntmachun- wichtigsten Innovationen, auf die gen werden transparenter und wir uns bereits heute einstellen, die Chance auf Angebote von sind die stärkere Unterstützung Unternehmen, die sich bislang der Nutzer in rechtlicher Hinsicht wohmöglich noch gar nicht auf sowie perspektivisch die Einbinöffentliche Aufträge beworben dung neuer Technologien und haben, weil sie vor Abo-Modellen ein Informationsaustausch über alternative Lösungen. zurückscheuen, steigt. Der logisch nächste Schritt ist Damit werden Geschäftsmodelle, die nur mit der (Zweit- oder trotz der zugestandenen KomDritt-)Verwertung öffentlicher plexität des Vergaberechts nur Informationen – wie insb. Be- scheinbar visionär und technisch kanntmachungen für Unterneh- – zumindest auf eine Perspektive men – Geld verdienen, deutlich von einigen Jahren betrachtet – abnehmen. u. U. zwangsläufig: Der Einsatz sogenannter Bot-Technologien, 3) Mehr Know-how bei den die über automatisiert geführte, kontextabhängige Dialoge EntLösungs-Anbietern Je umfassender die Verwaltungs- scheider bei Einzelfragen unprozesse in der Breite und je tiefer terstützen. Innerhalb der GovTech-Gruppe, das öffentliche Auftragswesen in rechtlichen Details unterstützt zu der u. a. die cosinex gehört, werden, desto wichtiger wird das besteht mit dem GovBot die wohl Verwaltungs- und insbesondere erste technologische Basis für (vergabe-)rechtliche Know-how Bot-Technologien, die sich auf die bei den Lösungsanbietern selbst. Anforderungen der öffentlichen Bei cosinex liegt daher ein we- Hand fokussiert. Die Entwicklung sentlicher Schwerpunkt in der in anderen AnwendungsbereiVertiefung des Vergabe-Know- chen wird sorgfältig zu beobhows sowohl durch hausinterne achten sein und es dürfte keine Juristen als auch durch eine fünf Jahre mehr dauern, bis das fortwährende Qualifikation der öffentliche Auftragswesen ebenSupport-, Projekt- sowie Soft- falls hiervon profitieren wird. wareentwicklungs-Teams. Sicher Aber auch über die Grenzen ein Trend bei vielen Anbietern, strukturierter Prozesse hinweg aus dem auch mehr vergabe- wird die Digitalisierung Einzug rechtliche “Intelligenz” in den halten. Nicht alle Prozesse lassen sich sinnvoll durch rein workflowLösungen entstehen soll. basierte Systeme abbilden. Wiki4) Modularisierung und Indi- Technologien (etwa zur gemeinvidualisierbarkeit der Lösung samen Erarbeitung komplexer Mit einer breiteren Unterstützung Leistungsbeschreibungen) oder der Beschaffungsprozesse sollen Instant-Messaging-Lösungen stedie organisatorischen und struk- hen heute schon als bewährte turellen Unterschiede zwischen Lösungen zur Verfügung und den Vergabestellen abbildbar werden sicher auch im Bereich sein. des öffentlichen Auftragswesens Damit ist ein Trend zu höherer verstärkt Einzug halten – jedenModularisierung der Software falls für die Informationen, die absehbar. Hinzu kommen in nicht zwingend revisionssicher zunehmendem Maße einfach (etwa in einer E-Vergabeakte) einzusetzende Standard-Schnitt- dokumentiert werden müssen. Die Lösungen rund um das Öfstellen, um bestehende Systeme fentliche Auftragswesen werden zu integrieren. damit technologisch moderner, 5) Grenzen des “Workflows” intelligenter und noch einfacher Komplexe Prozesse wie die in bestehende sowie kommende Durchführung größerer Be- Drittsysteme integrierbar.

MELDUNG

Barrierefreiheit als Zuschlagskriterium? (BS/jf) Die Linke-Fraktion im Deutschen Bundestag fordert in einem Antrag, die Barrierefreiheit als verpflichtenden Bestandteil der Leistungsbeschreibung und als Zuschlagskriterium festzuschreiben. Dies geht aus dem Antrag “Menschenrecht auf Barrierefreiheit umsetzen – Privatwirtschaft zu Barrierefreiheit verpflichten” (Drucksache Nr. 19/1342) hervor.

So sollen öffentliche Investitionen und Fördergelder an Vorgaben der Barrierefreiheit gebunden werden und selbige als Vorgabe für öffentliche und private Auftraggeber bei allen öffentlichen und privaten Ausschreibungen für Güter und Dienstleistungen, die von Menschen genutzt werden, benannt werden. Aus Sicht der Parlamentarier um die Fraktionsvorsitzenden

Dr. Sahra Wagenknecht und Dr. Dietmar Bartsch sind private Unternehmer von öffentlich zugänglichen Gütern und Dienstleistungen nur marginal in die neuen Regelungen des Behindertengleichstellungsgesetzes einbezogen worden. Außerdem solle der Bund auf der Ebene der Europäischen Union und der Ebene der Bundesländer dafür sorgen, dass diese entsprechende Regelungen erlassen.

Behörden Spiegel / April 2018

► Entscheidungen zum Vergaberecht ► ANGEBOTSÖFFNUNG

Aufgabe des Auftraggebers Vollständige Delegation ist kritisch Der Auftraggeber hatte die Auswertung der eingehenden Angebote für Ingenieurleistungen vollständig an ein Beratungsbüro ausgelagert. Der Berater beantwortete die Bieterfragen, erstellte die numerische Auswertung und legte zuletzt einen Vergabevorschlag vor, den sich der Auftraggeber hatte zu eigen machen können, nachdem er die Auswertungsunterlagen des Beraters nachvollzogen hat. Soweit ist das Verfahren nach gängiger Rechtsprechung vom Vergaberecht gedeckt: Der Auftraggeber muss selbst entscheiden, die Entscheidung jedoch darf ein Dritter vorbereiten. Wie aber sieht es mit der Eröffnung der Angebote aus? In dem bewussten Verfahren bemängelte ein Bieter nach Einsicht in die Vergabeakte, dass die Eröffnung wohl nur durch einen einzelnen Mitarbeiter des Beratungsbüros erfolgt sei. Die Öffnung durch einen Einzelnen ist unzulässig, sagt dazu die Vergabekammer. Das VierAugen-Prinzip müsse eingehalten werden. Sollte der Zweite nur irrtümlich in der Dokumentation vergessen worden sein, sei dies auch nicht nachträglich heilbar. Hinzu kommt, dass der angeblich vergessene Zweite auch kein Mitarbeiter der Vergabestelle war, sondern einer des Beratungsbüros. Das sieht die Vergabekammer ebenfalls kritisch. Wenn der Auftraggeber jede Handlung seines Beraters nachvollziehen können muss, so muss zumindest ein Mitarbeiter des Auftraggebers bei der Öffnung zugegen sein, um Manipulationen von vornherein ausschließen zu können. VK Südbayern (Beschl. v. 02.01.2018, Az.: Z3-3-3194-1-47-08/17)

► ELEKTRONISCHE KOMMUNIKATION

Ausdrucken erlaubt Nachforderung per E-Mail möglich Der Auftraggeber führte unter Berufung auf die noch laufende Übergangsfrist für die Einführung der rein elektronischen Vergabe sein Verfahren noch papiergebunden. Er forderte von den Bietern die Abgabe der Angebote in Papierform. Einige fehlende Angaben zum Umsatz forderte er vom Bestbieter nach. Die Aufforderung übersandte er per E-Mail, die Antwort erhielt er auf dem gleichen Weg. Der Zweitplatzierte hält nach Akteneinsicht die Nachforderung für unzulässig und damit das Angebot seines Konkurrenten nicht für wertbar. Zum einen genüge eine einfache E-Mail-Kommunikation nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 2 VgV, der eine Authentizitätsprüfung der Daten vorschreibe. Zum anderen sei die Nachforderung auch nicht ordnungsgemäß dokumentiert, wenn die E-Mail ausgedruckt der Papierakte beigeheftet werde. Eine E-Mail sei elektronisch und führe dazu, dass es eine elektronische Vergabeakte gebe, welche die Vergabekammer nicht eingesehen habe. Das lässt die Kammer nicht auf sich sitzen: Eine einzelne E-Mail führe nicht dazu, dass eine elektronische Akte geführt

werde. Maßgeblich sei, dass der Inhalt der E-Mail in der Akte dokumentiert sei. Es gebe keinen Zweifel an der Übereinstimmung des Ausdrucks mit der Original-Mail. Auch sei wegen der laufenden Übergangsfrist der § 53 Abs. 1 VgV, der die elektronische Angebotsabgabe vorschreibe, noch nicht anwendbar. Insofern könne offenbleiben, ob diese Vorschrift sich auch auf Nachforderungen beziehe. § 11 Abs. 2 VgV dürfe nicht so verstanden werden, dass jede E-Mail-Kommunikation mindestens authentifiziert (also signiert) und vertraulich (also verschlüsselt) sein müsse. Sonst ergäbe § 53 Abs. 3 VgV, der auch ein geringeres Sicherheitsniveau zulässt, keinen Sinn mehr. Deswegen sei die Nachforderung im Wege einfacher E-Mail-Kommunikation nicht zu beanstanden. VK Sachsen (Beschl. v. 20.01.2017, Az.: 1/SVK/030-16)

► FAX

dass die Angebote aber bereits um 8:27 Uhr geöffnet worden waren. Diese verfrühte Öffnung nimmt er als weiteres Argument her, um eine fehlerhafte Verfahrensführung zu belegen. Ohne Zweifel war die Öffnung zu früh. Die Vergabestelle erklärte das damit, dass sie vor Öffnung der Angebote eigens in der Poststelle nachgefragt habe, ob dort bis Mitternacht weitere Angebote eingegangen seien. Nachdem dies nicht der Fall war, habe man sich für die Öffnung der Angebote entschieden. Das war zwar formal falsch, bleibt aber ohne Auswirkungen, meint die Vergabekammer. Denn es sei nicht ersichtlich, woraus durch die verfrühte Öffnung hätte ein Schaden entstanden sein können: Denn durch den Schlusstermin um Mitternacht bestand ja gar keine Möglichkeit, dass Angebote fristwahrend noch zwischen der tatsächlichen und der angekündigten Öffnung hätten eingehen können. VK Nordbayern (Beschl. v. 09.01.2018,

Nummer nicht benannt Kommunikationsweg nicht eröffnet Im Vergabeverfahren für Stromtankstellen bewarb sich unter anderem ein Bieter aus dem nicht deutschsprachigen EU-Ausland. Dessen Angebot war preislich wesentlich niedriger als erwartet, weswegen der Auftraggeber Zweifel hatte, ob dieser Bieter die komplexen technischen Anforderungen, insbesondere die Eichung, richtig verstanden habe. Dazu begehrte er Aufklärung. Allerdings benutzte er für dieses Begehren nicht die in der Bekanntmachung genannte Vergabeplattform. Statt dessen sendete er dem Bieter ein Fax. Dieses Fax blieb in der internen Kommunikation des Bieterunternehmens hängen. Es wurde in der Poststelle mangels Sprachkenntnis nicht verstanden, eine konkrete Zuordnung zu einem bestimmten Mitarbeiter enthielt der Fax-Kopf nicht. Der Bieter reagierte daher verspätet und wurde ausgeschlossen. Zu Unrecht, sagt die Vergabekammer. Das Verfahren sei ausschließlich über die benannte Plattform zu führen, es sei denn, der Bieter hätte einer Faxkommunikation zugestimmt. Diese Zustimmung fehlte, denn er hatte selbst die vom Auftraggeber genutzte FaxNummer nirgends benannt. Der Auftraggeber hatte sie von der heimatsprachlichen Website des Bieters entnommen – während die internationale, englischsprachige Website gerade keine Fax-Nummer enthielt. Daraus, so die Kammer, sei zu schließen, dass für aus Bietersicht fremdsprachliche Faxe gerade kein Kommunikationsweg eröffnet werden sollte. VK Bund (Beschl. v. 20.12.2017, Az.: VK 2-142/17)

► FRIST

Az.: RMF-SG21-3194-02-17)

► KARTELLVERBOT

Dauerbietergemeinschaft Als Indiz nicht ausreichend Für die Freihaltung der Fahrrinne sollte ein Auftrag für eine Wasserinjektionsbaggerung erteilt werden. Bei diesem System wird der lose Untergrund in der Fahrrinne nicht etwa ausgehoben, sondern durch einen Wasserstrahl gelöst und sodann von der natürlichen Strömung fortgetragen. Dazu werden relativ seltene WI-Spezialschiffe benötigt. An der Ausschreibung beteiligte sich eine Arbeitsgemeinschaft aus mehreren Bietern, die schon mehrfach in gleicher Zusammensetzung tätig war. Mehrere dieser ARGE-Unternehmen besitzen eigene WISchiffe. Ein konkurrierender Bieter sah in der Bildung der ARGE nunmehr einen Zusammenschluss, der eine Wettbewerbsbeschränkung bewirke. Er unterstellte, dass der dauerhafte Zusammenschluss zur ARGE nur den Zweck habe, sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen. Das genügt aber dem OLG Düsseldorf nicht. Es gebe durchaus Anhaltspunkte dafür, dass die beteiligten Unternehmen alleine nicht hinreichend leistungsfähig seien. So müsse berücksichtigt werden, dass die Schiffe schon aus Gründen des Arbeitsschutzes nicht rund um die Uhr genutzt werden könnten. Insofern seien die tatsächlichen Kapazitäten der Bieter geringer als die vom Konkurrenten hochgerechneten. Die Mutmaßungen über den Grund des Zusammenschlusses genügten nicht, um eine hinreichend gesicherte Erkenntnis über einen Kartellverstoß zu erlangen, die einen Ausschluss nach § 124 I Nr. 4 GWB trüge. OLG Düsseldorf

Zu früh geöffnet

(Beschl. v. 17.01.2018, Az.: VII-Verg 9/17)

Fehler blieb ohne Schaden Für Ingenieurleistungen zur Kanalinspektion sollten die Angebote bis Mitternacht eingehen. Am nächsten Morgen um 10:30 Uhr hatte der Auftraggeber vor, die Öffnung der Angebote vorzunehmen. So jedenfalls machte er es bekannt. Im Zuge eines Nachprüfungsverfahrens entdeckt ein Bieter in der Vergabedokumentation,

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄


Vergaberecht

Behörden Spiegel / April 2018

E-Vergabe für Rechtsanwälte und Co.

Durchgängig und revisionssicher E-Vergabelösung gewährleistet kompletten elektronischen Prozess (BS/Joachim Klühspies*) Der Aufbau einer Lösung zur digitalen Vergabe und Beschaffung erfolgt nicht in einem “IT-freiem” Raum, sondern muss verschiedene IT-Systeme miteinander verbinden können. Selbst innerhalb der reinen Vergabe- und Beschaffungslösung existieren zwischen einem elektronischen Einkaufskatalog, einem Vorgangssteuerungssystem und der Vergabeplattform im Internet zahlreiche Austauschpunkte, die es über geeignete Schnittstellen miteinander zu integrieren gilt. Durch die offene Struktur des AI VERGABEMANAGER lassen sich vielfältige Schnittstellen zu DrittSystemen, wie z. B. zu Dokumentenmanagement-, ERP- oder Katalogsystemen implementieren. Mehrfacherfassungen von Daten bzw. das Entstehen von Medienbrüchen können somit vermieden werden. Die AI AG bietet eine Schnittstellenkomponente auf Basis der REST-Technologie an. Mit dieser ist es möglich, sowohl verschiedene Drittsysteme innerhalb der IT-Landschaft des Kunden anzubinden als auch eigene Kundenmodule zu entwickeln. Auf Basis dieser REST-Technologie stellt die AI AG eine Schnittstelle zu AVA-Systemen wie z. B. California.pro der G&W Software AG zur Verfügung. Die Automatisierung der bidirektionalen Datenübertragung zwischen der AVA-Software California.pro und der E-Vergabelösung schließt das Risiko von Übertragungsfehlern bei der Kommunikation mit dem AI VERGABEMANAGER aus und führt zu erheblichen Zeiteinsparungen bei der Abwicklung von Beschaffungsprozessen. Der Vergabeprozess beginnt im AI VERGABEMANAGER. Hier wird eine neue Vergabe angelegt und die entsprechende Verfahrensvorlage für Bauleistungen gewählt. Mit California.pro wird ein Leistungsverzeichnis für die Ausschreibung erstellt und über den E-Vergabe-Connector im GAEB-Format an den AI VERGABEMANAGER übergeben. In der angelegten Ausschreibung

Zusammenspiel verschiedener Softwarelösungen

Grafik: BS/AI AG

werden die aus dem AVA-Tool übernommenen Daten in die Datenfelder eingetragen. Auch das Leistungsverzeichnis wird als GAEB-Datei (X83, D83 etc.) übergeben. Der Vergabeprozess wird im Weiteren im Vergabe-System durchgeführt. Die Vergabeunterlagen werden zusammengestellt und veröffentlicht. Bieter können über die AI VERGABEPLATTFORM recherchieren, die Unterlagen im AI BIETERCOCKPIT herunterladen, bearbeiten und die Angebote elektronisch abgeben. Sobald aufseiten des AI VERGABEMANAGERS die Angebotsöffnung durchgeführt wurde, werden die Angebotsdateien der Bieter und die ausgefüllten Leistungsverzeichnisse als GAEB-Datei (D84, X84 etc.) über die Schnittstelle zur Verfügung

gestellt. Diese werden in California.pro eingelesen, dort mithilfe eines detaillierten Preisspiegels bewertet und nachfolgend wird ein Vergabevorschlag ausgearbeitet. Der Preisspiegel wiederum kann als externe Datei zur Dokumentation in die Vergabeakte übernommen werden. Damit unterstützt die Software durchgängig, transparent und revisionssicher den gesamten Prozess der Kostenplanung, Ausschreibung, Vergabe sowie der Abrechnung mit permanenter Kostenkontrolle von der ersten Kostenschätzung bis hin zur Abrechnung und Dokumentation der abgeschlossenen Baumaßnahme. *Joachim Klühspies leitet den Bereich Vertrieb und Marketing der Administration Intelligence AG.

UVgO per Verwaltungsvorschrift Mecklenburg-Vorpommern novelliert Landesvergabegesetz (BS/jf) Bis zur Inkraftsetzung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ist es den meisten Landesbehörden und Kommunen noch selbst überlassen, ob sie unterhalb der EU-Schwellenwerte die E-Vergabe anwenden oder nicht. Im Bund, in Hamburg, Bayern und Bremen ist sie bereits in Kraft gesetzt worden. Weitere Länder arbeiten noch daran. Unter anderem Mecklenburg-Vorpommern. So sollen die maßgeblichen Fassungen von Abschnitt 1 der VOB/A und der UVgO vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit im Einvernehmen mit dem Finanzministerium, dem Innenministerium und dem Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung durch Verwaltungsvorschrift eingeführt werden. Außerdem ist beabsichtigt, dass das Wirtschafts- und Arbeitsministerium ermächtigt wird, weitere Rechtsverordnungen zum öffentlichen Auftragswesen an der Ostseeküste zu erlassen. Der Abschnitt 2 der VOB/A muss hingegen nicht explizit in Kraft gesetzt werden. Der Wortlaut des bisherigen Vergabegesetzes Mecklenburg Vorpommerns ließ dies ohne Änderung zu.

Vergabespezifischer Mindestlohn bei 9,54 Euro/Stunde Das Land plant nicht nur, die Vergaberechtsreform 2016 des Bundes umzusetzen, sondern auch, die Vergaben von Land und Kommunen stärker an zusätzliche Kriterien zu knüpfen. So sollen im Zuge der Eignung bzw. der Ausführungsbestimmungen die Erstausbildung des eingesetzten Personals, die Chancengleichheit von Frauen und Männern bei Aus- und Fortbildung oder im beruflichen Aufstieg sowie die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen als Kriterium bzw. Bedingungen festgelegt werden können. Zudem

wird ein Mindeststundenentgelt von 9,54 Euro festgelegt. Künftig soll das Arbeitsministerium per Rechtsverordnung die Anpassung des vergabespezifischen Mindestlohns vornehmen. Wann das Landesvergabegesetz

im Schweriner Schloss, dem Sitz des Landtages, beschlossen wird, ist noch nicht absehbar. Die erste Lesung kann frühestens in der letzten April-Woche stattfinden, dann treten die Abgeordneten im Plenum wieder zusammen.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen

Seite 9

Bewährte Technologie mit intuitiver Benutzerführung (BS/Dr. Antanina Kuljanin) Die sogenannten Projektanten wie etwa Rechtsanwälte, Bauingenieure oder Architekten spielen in der heutigen vergaberechtlichen Praxis eine immer größere Rolle. Nicht nur kleinere öffentliche Auftraggeber greifen – gerade für die Erstellung der Leistungsverzeichnisse oder die Durchführung einer förmlichen Vergabe – zunehmend auf die Unterstützung externer Berater zurück. Bei komplexen Projekten bzw. in schwierigen Märkten kommt den auf das Vergaberecht spezialisierten Kanzleien eine bedeutende Rolle zu. stellen ohne Einführungsprojekte oder Schulungen den raschen Einstieg in die EVergabe erlaubt. Dr. Antanina Kuljanin ist Geschäftsführerin des DTVP Ein weiterer VorDeutschen Vergabeportals teil liegt in den GmbH. Erfahrungen, die Foto: BS/DTVP in die technische Lösung eingeflossen sind, und dem transparenten Viele dieser Projektanten nutzen Modell für die Nutzungsentgelte: inzwischen selbst E-Vergabeplatt- Monatliche Nutzungspauschale formen, um ihren Mandanten ohne Mindestvertragslaufzeit für bzw. Kunden die elektronische Vergabestellen und die MöglichAbwicklung der Ausschreibung keit der kostenfreien elektronianzubieten bzw. die “E-Vergabe” schen Teilnahme an Vergabeals ergänzenden Mehrwertdienst verfahren für Bieter. in das eigene Portfolio aufzunehmen. Mit dem Deutschen Abbildung von Kunden bzw. Mandanten im System Vergabeportal (DTVP) konnten wir in den letzten Jahren besonSogenannte Projektanten könders viele Erfahrungen gerade in nen die Erstellung einer Ausdiesem Bereich sammeln. Das schreibung über DTVP vollständig Joint Venture der cosinex und des elektronisch durchführen. Die jeBundesanzeiger Verlags bietet weiligen Kunden bzw. Mandanten u. a. eine E-Vergabeplattform als können über sogenannte Benutkomfortablen Cloud-Dienst an. zergruppen abgebildet werden. Neben zahlreichen Vergabestel- Solche Benutzergruppen können len aus allen Verwaltungsebenen sich in DTVP und dem optionagreifen heute bereits über 70 Pro- len Vergabemanagementsystem jektanten (darunter zahlreiche eigenständig administrieren. Zuder lt. Juve “Top”-Kanzleien für dem können Vergabeverfahren Vergaberecht) auf DTVP zurück. eindeutig einer solchen BenutzerNeben zahlreichen, für die gruppe zugewiesen werden. Auf E-Vergabe wesentlichen Kom- diesem Weg haben Projektanten fortfunktionen und offenen (etwa bei der Beantwortung von Schnittstellen (z. B. zum Amt für Bieterfragen) die Möglichkeit, mit Veröffentlichungen der EU, bund. ihren Mandanten gemeinsam an de u.v.m.) liegen die Stärken des einer Lösung zu arbeiten und so Portals insb. in der intuitiven auch der jüngst entschiedenen Benutzerführung, die Vergabe- Anforderung nachzukommen,

dass die Angebotsöffnung mindestens unter Beteiligung eines Mitarbeiters der Vergabestelle stattfinden soll. So profitieren nicht nur Vergabestellen, sondern auch viele Kanzleien für Vergaberecht und Projektanten bereits heute von einer seit vielen Jahren im Praxis­ einsatz bewährten Technologie. Unter www.termine.dtvp.de besteht für Interessenten die Möglichkeit, sich zu kostenfreien Webinaren anzumelden, um die Vorteile der Lösung kennenzulernen.

MELDUNG

Einstieg noch holprig

(BS/jf) Während die öffentliche Hand mit der letzten Vergaberechtsmodernisierung den Weg für die E-Vergabe freigemacht hat und etliche öffentliche Auftraggeber diese erfolgreich anwenden, ist die Wirtschaft bei der Digitalisierung der eigenen Einkaufsprozesse nicht ganz so fortschrittlich. Dies geht aus dem Barometer Elektronische Beschaffung 2018 des Bundesverbandes für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) hervor. Demnach hat die Mehrheit der Unternehmen die klassischen Basisprozesse im Einkauf noch nicht durchgehend digitalisiert. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen seien schlecht aufgestellt.


Diplomaten Spiegel

Seite 10

E

in anderer ist “Schweiz Mittelamerikas”. Nicht wegen der Kordilleren, sondern ob seines relativen Wohlstandes, der seit 1983 erklärten “dauerhaften Neutralität” oder politischen Stabilität. Diese “Eidgenossen” haben seit 1949 nicht mal eine Armee und das Geld lieber in ihr Bildungs-, Gesundheitsund Sozialwesen gesteckt und ersparen sich soziale Unruhen, Bürgerkriege und Diktaturen. Es gibt folglich auch mehr Schulen als Polizisten bzw. Soldaten und die Analphabetenquote ist, gleich nach Kuba, die niedrigste in ganz Mittelamerika. Im Übrigen kümmern sich seine Regierungschefs (die auch Staatsoberhaupt sind) um den Frieden in der ganzen Gegend. Der Vor-Vorgänger des jetzigen Präsidenten Guillermo Solís, Óscar Arias Sánchez, erhält 1987 dafür den Nobelpreis.

Behörden Spiegel / April 2018

Oase zwischen zwei Kontinenten Ein Gespräch mit Costa Ricas Botschafter Giancarlo Luconi Coen in Berlin (BS/ps) Die Menschen in Costa Rica begrüßen sich oft mit “pura vida” – pralles Leben – und bringen damit ganz nebenbei auf den Punkt, was die schmale Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika so vielfältig macht: Die Cordillera de Talamanca (Gebirgskette von Cartago im Norden bis Panama im Südosten), einzigartige, exotische Pflanzen- und Tierarten und ein leuchtend grüner Urwald von den Ufern des Pazifiks (Osten) bis zur Karibik (Westen) geben dem Land seinen Namen – Costa Rica – reiche Küste.

Glücklich und zufrieden Botschafter dieses sympathischen und fortschrittlichen Teils Südamerikas ist seit August 2016 Giancarlo Luconi Coen. Der Jurist ist Notar, Fachanwalt für Zivil- und Handelsrecht sowie in Führungsposition bei der Nationalbank und anderen Kreditinstituten Costa Ricas tätig und bekannt. Das Außenministerium wird auf ihn aufmerksam und bietet ihm den Botschafterjob in Deutschland an. Die Akkreditierung in Berlin ist für den damals 63-Jährigen eine neue, zweite Kariere – fast 10.000 km weg von Zuhause –, die sich gut anfühlt. “Mir fehlt in Deutschland wirklich gar nichts! Wir sind sehr glücklich und zufrieden hier. Meine Frau, die Kinder und ich haben uns von Anfang an zuhause gefühlt und wurden mit offenen Armen empfangen.” Und an das typisch Deutsche

Großes Wohlwollen für die EU

Vertritt seit August 2016 die Interessen Costa Ricas in Berlin: Botschafter Giancarlo Luconi Coen.

land verfügt auf diesem Gebiet über große Erfahrung und das ist für uns sehr inspirierend.” Da trifft es sich gut, dass die bilateralen Beziehungen zwi-

Kfz und Kfz-Teile. Bei den Importen aus Costa Rica handelt es sich vornehmlich um Nahrungsmittel, Mess-/Regeltechnik, Optik, Elektronik und Elektrotechnik.

Nachhaltige Entwicklung

Längst zum inoffiziellen Nationalsouvenir des Landes avanciert: Die Carretas, bunt bemalte Ochsenkarren, sind das Symbol der costa-ricanischen Arbeiter.

wie unsere Küche haben sich die Luconis schnell gewöhnt. “Nun, wenn ich beispielsweise daran denke”, erzählt er lachend, “dann kannte ich weder die vielen Wurst- und Fleischsorten, wie die hier so populäre Currywurst, noch Schnitzel oder Schweinshaxen. Es schmeckt mir aber alles sehr gut. Vor allem mit Bier. Das gibt es in ganz vielen anderen Ländern auch, aber in Deutschland schmeckt es schon besonders gut. Als Bierliebhaber befinde ich mich hier sozusagen im Wunderland (lacht).”

Viel Sympathie Deutschland sei für Costa Ricaner ein Wirtschafts-Wunderland. “Ein großes Land, mit einer unglaublich reichhaltigen Wirtschaft, ein zutiefst demokratischer Staat mit Menschen, die sehr organisiert sind. Das Beispiel, das Deutschland der Welt gibt, gefällt uns sehr und in vielen Aspekten versuchen wir auch, das nachzuahmen. Natürlich sind uns Grenzen gesetzt, aber wir sind sicher, die gleichen Ziele erreichen zu können. Und da wir exzellente Beziehungen zur Bundesrepublik haben, werden wir uns weiterhin ein Beispiel nehmen bei den Sachen, die uns voranbringen. So interessiert es uns, wie man am besten große Investitionen in Wissenschaft und Forschung tätigt. Deutsch-

weil wir uns von je her bemüht haben, so zu handeln, dass es den größtmöglichen, positiven Nutzen für die Menschen erbringt und gleichzeitig den geringsten Schaden für die Natur verursacht. Vor diesem Hintergrund haben wir entschieden, wann, wie und wo dieser Staudamm gebaut wird, alle davon Betroffenen angehört, Konsens erreicht und es geschafft, einen Plan auszuarbeiten, der nur sehr geringe Auswirkungen auf die Natur mit sich bringt”, erläutert der Botschafter das Projekt. Kein Wunder, dass in dem “Musterländle” auf naturnahen Tourismus, der die Belange von Umwelt und ansässiger Bevölkerung besonders berücksichtigt, großer Wert gelegt wird und so als Wirtschaftsfaktor immer bedeutsamer wird. 2016 kamen allein aus Deutschland knapp 67.000 Urlauber. Tendenz steigend.

“Doch wir haben nicht nur versucht, diese zu diversifizieren, sondern weiter in Bildung investiert, sodass wir über hochqualifiziertes Fachpersonal verfügen. Das alles, kombiniert mit unserer geografischen Lage zwischen Atlantik- und Pazifik, macht aus uns ein Land, das sich schnell und nachhaltig entwickeln möchte. Ein Herzensanliegen dabei war und ist, das alles klimaneutral, CO2-frei, ohne Gift und Schadstoffe hinzubekommen”, so Luconi. “Noch ist es nicht ganz so weit, aber auf einem guten Weg dahin. Während all dieser Jahre haben wir die Bevölkerung für den Schutz und Erhalt der Natur sensibilisiert und entsprechend aufgeklärt. Wir sind, wenn es um regenerative Energien geht, Pioniere und haben uns für die Erfüllung dieser Ziele eine Frist bis 2040 gesetzt. Wir verfügen

schen Berlin und San José seit Langem herzlich, vertrauensvoll und problemlos sind, geprägt durch den Handels- und Wirtschaftsaustausch, die langjährige entwicklungspolitische Zusammenarbeit, die Kooperation bei Umwelt- und Klimaschutzthemen sowie die kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen. In der costaricanischen Öffentlichkeit genießt Deutschland viel Sympathie und zählt in der EU zu den wichtigsten Handelspartnern des Landes. Im Jahr 2016 werden Waren im Wert von 534 Mio. Euro zu uns exportiert; die costa-ricanischen Importe belaufen sich auf 242 Mio. Euro. Wichtigste deutsche Exportgüter sind chemische Erzeugnisse, Weht stolz im Wind: die Nationalflagge Cost Ricas am BalM a s c h i n e n , kon der Botschaft.

Fotos: BS/Dombrowsky

Botschafters Rezepte CHORREADAS – MAIS–TORTILLA Chorreadas sind schnell zuzubereitende traditionelle costa-ricanische Pfannkuchen aus frischem Mais. Es gibt sie zum Frühstück, Mittagsessen (dann nicht süß), zwischendurch als Imbiss oder als Dessert. CHORREADAS – DESSERT-VARIANTE (12 STÜCK): Zutaten: 2 Tassen frischer Mais / Dosenmais, 1/2 Tasse Zucker (für Süßvariante), 1/4 Tasse Mehl, 2 Eier, 2 Eßlöffel Butter, 1/3 Tasse Milch. Pikante Version: 1 Eßlöffel Oregano, 1 Knoblauchzehle

schon jetzt über viele Nationalparks, 27 Prozent des Landes stehen unter Naturschutz, es ist im Übrigen wieder vollständig aufgeforstet und die Energie, die wir verbrauchen, ist fast 100 Prozent Erneuerbare.”

Ambitioniertes Projekt Und damit das so bleibt und man mit ihr nicht knausern muss, baut die Regierung den größten Staudamm Mittelamerikas. Der “Reventazón” wird mehr als 500.000 Haushalte, das sind,

Zubereitung: Die Zutaten in der Küchenmaschine / Handquirl gut durchmischen, bis die Masse krümelig ist. Butter in einer Pfanne erhitzen und die Maismasse hinein-geben und rund ausformen. Nach 3 - 4 Minuten wenden – wie Pfannkuchen. Süßversion – warm mit Honig, Marmelade, Sirup servieren. Pikante Version: die heißen Tortillas (mit Oregano und Knoblauch) mit Käse etc. bestreuen, ggf. nachsalzen und mit Petersilie garnieren. Dazu kann man je nach Lust und Laune Tee, Kaffee und bei der pikanten Version auch Bier trinken.

bei den knapp fünf Millionen, circa ein Zehntel der Einwohner Costa Ricas, mit Strom versorgen. Ein ambitioniertes Projekt – Land, Leute und Umweltschutz unter einen Hut zu bringen. “Nun, Bauprojekte dieser Größenordnung benötigen immer umfassende, gründliche Studien, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu erforschen. Selbst wenn Sie nur ein Haus bauen, wirkt sich das auf die Umwelt aus. Dennoch ist es uns gelungen, das Projekt umzusetzen,

Letzteres trifft auch für sein Verhältnis zur EU zu, die sich einerseits nach wie vor großer Beliebtheit erfreut und andererseits von Cost Rica als “überaus wichtige Organisation wahrgenommen wird, weil unsere ersten Schritte als unabhängige Republik im Zusammenhang mit Europa gesehen werden müssen. Ein großer Teil unseres Führungspersonals, unsere Lehrer, Professoren, also Personen, die in Costa Rica wichtige Positionen innehaben, sind in der Vergangenheit entweder nach Europa oder in die USA gegangen, um sich zu bilden. Aus diesem Grund hat unsere Republik immer eine ausgesprochene Bewunderung gehegt für Europa und eine große Nähe zu allen europäischen Ländern gefühlt. Vergessen Sie nicht, dass unsere ersten Exporte nach Europa gingen. Wir haben es deswegen schon immer als einen überaus wichtigen Verbündeten wahrgenommen, sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher oder bildungspolitischer Ebene. Außerdem verfügt Zentralamerika seit 2013 ja auch über ein neues Handelsabkommen mit der EU, was unsere Beziehung weiter konsolidiert. Wir können eigentlich gar nicht anders, als die EU mit größtem Wohlwollen zu betrachten”. Ein wahres Wort, gelassen ausgesprochen – frei nach Wolfgang Goethes Drama “Iphigenie auf Tauris”, das eigentlich ein Happy End hat... Aber das ist eine andere Geschichte. Letzte Frage: Mit wem würde Botschafter Luconi gerne einen Tag lang tauschen? “Mit meinem Landsmann Franklin Chang (ehemaliger NASAAstronaut), der viele Male ins Weltall gereist ist. Er ist der Jerry Ross Costa Ricas. Ross, der insgesamt sieben Mal ins All flog, ist am häufigsten dort gewesen. Es würde mir schon sehr gut gefallen, die Welt aus einem internationalen Raumschiff heraus zu betrachten.” Und Costa Rica – eine wahre Oase zwischen zwei Kontinenten und zwei Ozeanen.

MELDUNG

Einstimmig und unverändert angenommen (BS/jf) Der Bundestag ist der Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses einstimmig gefolgt und hat das Konsulargesetz (KonsG) geändert. Damit wird der Schutz von EU-Bürgern in Drittstaaten, in denen das eigene Land keine konsularische Vertretung hat, verbessert. Deutsche Staatsbürger können sich bei schweren Erkrankungen, Un- oder Todesfällen, Festnahmen und Haft, wenn sie Opfer von Straftaten oder Naturkatastrophen werden, an jede diplomatische Vertretung eines EUMitgliedsstaates wenden, wenn Deutschland selbst keine Botschaft und kein Konsulat in dem jeweiligen Land unterhält. Dies

ist etwa in Ländern wie Bhutan, Gambia, Lesotho, Somalia der Fall sowie in mehreren Inselstaaten in der Karibik, im Pazifik sowie im indischen Ozean. Zwar ist die wechselseitige Unterstützung seit vielen Jahren gelebte Verwaltungspraxis, der Europäische Gerichtshof (EuGH) sah die bisherige Umsetzung durch innerstaatliche Verwaltungsvorschriften aber als nicht ausreichend an. Der Rat der Europäischen Union reagierte mit der Richtlinie (EU) 2015/636 vom 20. April 2015 und konkretisierte Art. 23 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Die galt es bis zum 1. Mai 2018 umzusetzen.

Dies ist durch die Einführung des Paragrafen 9a in das KonsG geschehen. Dieser normiert nicht nur die Hilfeleistung, sondern regelt auch gleichzeitig die Finanzierung. So muss ein deutscher Staatsbürger nicht sofort die anfallenden Gebühren bzw. Auslagen des hilfeleistenden Mitgliedsstaates bezahlen. Letzterer kann die Kosten der Bundesrepublik Deutschland in Rechnung stellen, die wiederrum den Bürger zum Ersatz dieser Auslagen verpflichtet. Für den Auswärtigen Ausschuss war die Lösung dieses Problems die einstimmige Annahme des Gesetzentwurfs in unveränderter Fassung.


Personelles

Behörden Spiegel / April 2018

Seite 11

Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg

Hausanschrift Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg Heinrich-Mann-Allee 107, Haus 10 14473 Potsdam

Leitungsbüro, Kabinetts- und Landtagsangelegenheiten Büroleiter Knut Kijewski-Borgel

-6004

Minister Christian Görke

Referentin für Angelegenheiten des stellvertr. MP Maria Strauß

-6014

Referent für Kabinettsangelegenheiten und Landtagsangelegenheiten Christian Scharp

Telefon: 0331 / 866-0 Telefax: 0331 / 866-6888 E-Mail: poststelle@mdf.brandenburg.de Internet: www.mdf.brandenburg.de

Foto: BS/MdF, Johanna Bergmann

-6006

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: MdF Brandenburg Stand: 10.04.2018

Pers. Referent M

Sachbearbeiter Giso Siebert

-6011

Frank Hübner

Sekretariat

Mitarbeiterin Bettina Hinz

-6008

Kathrin Albrecht Birgit Schultz

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (PÖA) Pressesprecherin Ingrid Mattern

-6007

Pressereferent Thomas Vieweg

-6005

Sachbearbeiterin Jana Kuste

-6012

Mitarbeiterin Johanna Puchta

-6009

Staatssekretärin

Sekretariat Petra Schröder

-6101

Sekretariat Annett Barthel

Karolin Prehn

-6102

Referat 21

Referat 11 Organisation, Informations- und Kommunikationstechnik (ohne Steuerverwaltung), Innerer Dienst, Vergabestelle des MdF, Verwaltungsmodernisierung im Geschäftsbereich Innenrevision, Justiziariat, Controlling der Kreditaufnahme, des Liquiditäts- und Schuldenmanagements und der Sondervermögen

-6110

Referat 12 Besoldung, Versorgung, Beihilfe, Reisekosten, Trennungsgeld und Umzugskostenvergütung, Fachaufsicht über die ZBB

Dr. Annette Fischer

Stabsstelle Personalbedarfsplanung

Gabriele Liehmann

-6053

-6120

Referat 13 Haushalt des Ressorts, Beauftragter für den Haushalt, Epl. 12 und 20, Stellenplan und Stellenbewirtschaftung

Stefanie Frenz

-6073

-6051

-6200

Abteilung 3 Steuer Anette Wagner

-6300

-6201

Sekretariat Grit Vandeuren

-6301

Referat 31

Grundsatzreferat Haushalts- und Finanzplanung, Mittelfristige Finanzplanung, Steuerschätzungen, Aufstellung und Ausführung des Gesamthaushalts, Vollzugscontrolling, Haushaltsrechnung, Haushaltsrecht, Finanzstatistik, Grundsatzfragen Public Private Partnership (PPP), Versorgungsrücklagen, Haushaltskommission

Antje Fischer

-6210

Klaus Salomon

Referat 22 Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Finanzverfassung, Bundesrat, Finanzministerkonferenz, EU- und internationale Angelegenheiten

Dr. Frank Rehbein

-6020

Landeshaushalt Einzelpläne 05-MBJS und 06-MWFK und 10-MLUL, Überregionale Finanzbeziehungen im Bildungs- und Forschungsbereich

-6230

Organisation und Automation in der Steuerverwaltung, Personalbedarfsberechnung Steuerverwaltung und Neue Steuerungselemente

Abgabenordnung, Steuerverfahrensrecht, Finanzgerichtsordnung, Steuererhebung (Buchhaltung, Erlass und Stundung, Vollstreckung, Zahlungsverkehr der Finanzämter), Petitionen

Dr. Andreas Damm

Referat 14 Personal, Aus- und Fortbildung

Landeshaushalt Einzelpläne 02-Stk, 04-MdJEV, 07-MASGF, 12-MdF und 20-Allg. Finanzverwaltung, Prüfung von Bauanträgen und Raumbedarfsplänen

Referat 34

Norbert Potthast

-6240

Referat 25 Kommunaler Finanzausgleich und Kommunalfinanzen

Annetraud Wingert

-6250

Referat 26 Landeshaushalt Einzelpläne 01-LT, 03-MIK, 08-MWE, 11-MIL, 13-LRH und 14-VerfG

Michael Sturm

-6260

Referat 27 Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

Liquiditäts- und Schuldenmanagement, Landesschuldenverwaltung, Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen, Fachaufsicht LHK, Versorgungsfonds, Kreditaufnahme und Schuldenverwaltung Sondervermögen Finanzierungsfonds Flughafen BER

Gisela Wiehoff

-6270

Referat 28 Betrieb Rechnungswesen Neues Finanzmanagement (NFM) und Lizenz-Management Customer Center of Expertise (Customer COE)

Jana Fink (m.d.W.d.G.b.)

-6291

-6320

Referat 33

Referat 24

-6140

-6310

Referat 32

Jörg-Uwe Jordan

Referat 23

Agnes Nietiedt

Umsatzsteuer (einschl. Sonderprüfung), Einfuhrumsatzsteuer und Zölle, Grundsatzfragen des EUSteuerrechts (indirekte Steuern), EU-Steuerharmonisierung, Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Luftverkehrsteuer, Rennwett- und Lotteriesteuer, Versicherung- und Feuerschutzsteuer, Spielbankabgabe, Verbrauchsteuern (z. B. Energie- und Stromsteuer, Tabaksteuer), Kommunale Aufwandsteuern, Finanztransaktionssteuer

N.N. -6130

Antje Langbecker

Dr. Folke Schneider (m.d.W.d.G.b.)

Sekretariat

-6100

Susanne Martens

-6050

Pers. Referentin St‘in

Abteilung 2 Haushalt Ulrich Hartmann

Abteilung 1 Zentrale Dienste Angelika Scherfig

Daniela Trochowski

-6330

Abteilung 4 Landesvermögen, Liegenschafts- und Bauverwaltung Hauke Roth -6400 Sekretariat Andrea Walter Elke Deneke Referat 41 Bürgschaften, Wirtschaftsförderung und Landesplanung, Staatsaufsicht über öffentlich-rechtliche Kreditinstitute und den ostdeutschen Sparkassenverband, Beteiligung des Landes an öffentlich-rechtlichen Kreditinstituten, Versicherungsaufsicht über die brandenburgischen Versorgungswerke der Freien Berufe, Mitwirkung an der Versicherungsaufsicht über das Versorgungswerk des Landtages, Umsetzung von EU-Recht auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen

Katharina Keßler

Finanzkontrolle der EU-Fonds – Prüfbehörde und Bescheinigende Stelle mit unmittelbarem Vortragsrecht bei der Hausleitung

Vera Fiebelkorn

Beteiligungen des Landes an privatrechtlichen Unternehmen, Verwaltung des Sondervermögens Finanzierungsfonds, Flughafen BER

Referat 46

Markus Semer

Referat 47

Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Kapitalanlagegesellschaften, Umwandlungssteuergesetz (ausgenommen Einbringung in PersGes), Gemeinnützigkeitsrecht, Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen, beschränkte Einkommensteuerpflicht, EU-Harmonisierung, (direkte Steuern), Betriebsprüfung, illegale Beschäftigung, Steuerstrafsachen und Steuerfahndung

Lutz Rensing

-6420

Referat 43

Einkommensteuerrecht, Bilanzsteuerrecht, Anteilsbewertung für ertragsteuerliche Zwecke, Personengesellschaften, Steuerabzug vom Kapitalertrag und Abgeltungssteuer, Altersvorsorge, Risikomanagement (für den Fachbereich), Investitionszulage (einschl. Sonderprüfung), Investmentsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Steuerberatungswesen

Referat 35

-6410

Referat 42

Johannes Werner

-6340

-6401 -6402

-6430

Vermögenssicherung und -zuordnung (einschließlich Preußenvermögen), Offene Vermögensfragen, Bodenreformvermögen, WGT-Vermögen und Fiskalerbschaften

Reinhard Bodenstab

-6460

Liegenschaftspolitik, staatlicher und öffentlich geförderter Hochbau, Fachaufsicht über den BLB

Iris-Andrea Stelzig

-6510

-6350

Referat 36 Lohnsteuer-, Einkommensteuerrecht, Risikomanagement (für den Fachbereich), Lohnsteueraußenprüfung, Kirchensteuer, steuerliche Vermögensbildung, steuerliche Sparförderung, Familienleistungsausgleich, Einheitsbewertung, Bedarfsbewertung, Grund-, Vermögen-, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Bodenschätzung, Sachverständige

Anja Peitz

-6360

Stabsstelle Controlling und Zielvereinbarungen mit den Finanzämtern und dem Bund

Referent Nils-Roman Priesnitz

Personalrat Vorsitzende Cornelia Scheer Stellv. Vors. Thomas Schierwald

Hauptpersonalrat -6060 -6263

Vorsitzender Hans-Holger Büchler Stellv. Vors. Ulrich Wolters

-6322

Gleichstellungsbeauftragte -6702 -6703

Katrin Gebhardt Sabine Beier (Vertreterin)

Schwerbehindertenvertretung -6434 -6518

Roland Schandow Karin Schuck (Vertreterin)

-6132 -6724


Zahlen & Fakten

Seite 12

Behörden Spiegel / April 2018

Dieselfahrzeuge und Emissionen

(BS/mfe/ab) Die Bundesministerien haben in ihren Fuhrparks zahlreiche Dieselfahrzeuge. Und das, obwohl solche Autos innerorts viel Stickstoffoxid (NOx) ausstoßen. Deshalb hat die Deutsche Umwelthilfe, eine nicht unumstrittene Organisation, bereits mehrere Klagen angestrengt. Besonders großer Handlungsbedarf besteht im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums. 41.449*

Fuhrpark der Ministerien (1. Quartal 2018) und nachgeordneter Behörden

15.575 13.807 6.376 5.331

Nutzfahrzeuge gesamt Diesel-Nutzfahrzeuge

191

100 44

Innerorts auftretende Emissionen des Verkehrs (2016); NOx-Anteile

33

50

21 15 30 12

177

41.449*

201 168

85 77 47

34 35 26

17 10

34

12

*umfasst die BwFuhrpark GmbH sowie die Nutzfahrzeuge der Bundeswehr mit einem vergleichbaren zivilen Verwendungszweck. Laut NATO-Standard müssen alle Militärfahrzeuge im Ernstfall mit Kerosin betrieben werden können. Dies leistet nur ein Dieselmotor.

Busse

5%

Quelle: Eigenrecherche

Leichte Nutzfahrzeuge

8%

Andere Pkws

14 %

Motorisierte Zweiräder

1%

Schwere Nutzfahrzeuge

Diesel-Pkws

18 %

50 %

Deutsche Umwelthilfe – Ergebnisse der Klagen

Quelle: Umweltbundesamt/TREMOD 5.72

Sonstige

Darmstadt u. Wiesbaden werden vom Verkehrsclub Deutschland u. der Dt. Umwelthilfe nochmals verklagt

Insgesamt 19 Klagen*

4%

D

LM

M

OF

RT

S

DA

WI

8 Klagen mit rechtskräftigem Urteil

Neuzulassungen (2017) Flüssiggas

4.400 (0,1%)

3.723 (0,1%)

Erdgas

(zweites Verfahren)

(jeweils im ersten Verfahren) AC

B

BN

E

F

GE

HAL

H

KI

K

MZ

11 Klagen im erstinstanzlichen Verfahren anhängig *Verwaltungs- und Zwangsvollstreckungsverfahren;

Elektro

25.056 (0,7%)

Hybrid

84.675 (2,5 %)

Diesel Benzin

kein Verfahren derzeit in zweiter Instanz

Quelle: Deutsche Umwelthilfe

1.336.776 (38,8 %) 1.986.488 (57,7 %)

Emissionen aus dem Straßenverkehr (2015)

Quelle: Kraftfahrtbundesamt

Quelle: Destatis, Umweltökonomische Gesamtrechnungen

Illustration: BS/Liesegang unter Verwendung von © ivan mogilevchik, Fotolia.com; © spectrumblue, Fotolia.com; © JiSign, Fotolia.com Alle Graÿken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.


Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / April 2018

Zentral oder dezentral?

KNAPP Sigmaringen soll sicherer werden

Spezialisierung versus flächendeckende Versorgung im Krankenhausbereich

(BS/mfe) Im baden-württem-

(BS/Jörn Fieseler) “Die Krankenhausstrukturen in Deutschland müssen zentralisiert werden”, so die Forderung des AOK-Bundesverbandes im Krankenhaus-Report 2018. Der Bericht bergischen Sigmaringen sollen wird heftig kritisiert, als “unseriös”, “völlig untauglich” und “wenig hilfreich” bezeichnet. In der Sache ist die Absicht der Krankenkasse jedoch berechtigt. Denn das oberste Ziel muss sich sowohl das subjektive als eine qualitativ hochwertige Versorgung in strukturschwachen und städtischen Regionen sein. Dafür gibt es bereits andere Lösungsansätze. auch das objektive Sicherheits“Es geht nicht vorrangig um die Frage, wie viele Kliniken es am Ende in Deutschland gibt”, sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Mit Blick auf die stationäre Versorgung sei es jedoch wünschenswert, wenn künftig Kliniken mit über 500 Betten nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel in der Krankenhauslandschaft wären. Deshalb schlägt die Kasse im vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) publizierten Krankenhaus-Report vor, planbare Operationen nur noch in Einrichtungen vorzunehmen, die mindestens 50 gleichartige Eingriffe verzeichnen, zum Beispiel bei Krebsoperationen oder Hüftprothesenoperationen. So würden in Deutschland etwa 44.000 Darmkrebsoperationen in mehr als 1.000 Krankenhäusern durchgeführt. In 25 Prozent der Einrichtungen jedoch nur bis zu 17-Mal im Jahr, in weiteren 25 Prozent lediglich zwischen 18- und 33-Mal. “Die Diagnose, dass die mangelnde Konzentration von stationären Fällen zu unnötigen Todesfällen führt, wird von der Politik mittlerweile akzeptiert”, ergänzt Prof. Dr. Reinhard Busse von der Technischen Universität Berlin. Eine Reaktion darauf stehe aber noch aus.

Mehr Spezialisierung Eine stärkere Zentralisierung sei deshalb nötig und möglich. Nicht nur bei planbaren Operationen, sondern auch in der Notfallversorgung, folgert Jürgen Klauber, WIdO-Geschäftsführer und Mitherausgeber des Berichts, und erhält Unterstützung durch den Hessischen Rechnungshof (siehe Seite 15 in dieser Ausgabe). Das sei machbar und auch die Entfernung

müssten. “Stattdessen müssen wir das Verhältnis von ambulant und stationär neu denken”, fordert Lübking. Das Zusammenspiel beider Versorgungsarten funktioniere nicht. Dies schließe auch die Abrechnungsmodalitäten mit ein. Ambulante Maßnahmen würden über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgedeckt, stationäre über das DRG-System, bei dem Behandlungsfälle zu Gruppen zusammengefasst und pauschal abgerechnet würden. Und auch für den Bürger sei die Trennung immer schwerer nachvollziehbarer, wie Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), meint. Bei der flächendeckenden Versorgung soll nicht die Anzahl der Krankenhäuser im Vordergrund stehen, sondern die Qualität der Einrichtungen. Allerdings darf die Zahl der Standorte in ländlichen Regionen, wie hier im Nordhessischen, nicht gänzlich aus dem Blick genommen werden. Denn die Länge der Anfahrtswege ist bei Notfällen entscheidend.

Foto: BS/Fieseler

zu einem Krankenhaus würde sich nicht wesentlich ändern. Im Mittel verlängerten sich die Anfahrtswege von acht auf 16 Kilometer. Die höchsten mittleren Fahrwege gäbe es dann in Mecklenburg-Vorpommern mit durchschnittlich 33 Kilometern. “Heute haben 0,03 Prozent der Bevölkerung einen Anfahrtsweg, der länger als 50 Kilometer ist. Dieser Anteil würde sich auf 2,5 Prozent erhöhen”, räumen die Autoren ein. “Wie jedes Jahr enthält der Krankenhausreport der AOK provozierende Beiträge. Dieses Mal sollen die Krankenhäuser mit angeblich geringen Leistungen bei Hüftoperationen, Herzinfarkten und Krebsoperationen gebrandmarkt werden”, erwidert Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) auf den Bericht. Für ihn sind die auf den Abrechnungsdaten

basierten Aussagen “völlig untauglich” und “unseriös”. “Wenn Mindestmengen helfen würden, die Qualität zu verbessern, hätte niemand etwas dagegen. Mindestmengen können aber kein Instrument sein, um die Krankenhausversorgungsstrukturen, wie z. B. bei Geburten, die in der Fläche auch bei geringen Fallzahlen gebraucht werden, infrage zu stellen”, so Baum weiter.

Für eine flächendeckende Versorgung Eine Ansicht, die vom Beigeordneten für gesundheitliche Versorgung und Krankenhauswesen im Deutschen Landkreistag, Jörg Freese, geteilt wird: “Die Landkreise stehen für eine hohe Qualität in der stationären Versorgung ein. Dies muss Hand in Hand gehen mit einer flächendeckenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Insbe-

sondere in ländlichen Räumen, wo die ambulante Versorgung mit Ärzten teilweise Lücken aufweist, fangen die Krankenhäuser schon heute häufig den Bedarf auf. An diesen Stellen weiter zu zentralisieren, würde die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung massiv gefährden.” “Bei der Frage, wie die Versorgung in ländlichen und städtischen Regionen insgesamt sichergestellt werden kann, hilft der Bericht nicht weiter”, sagt Uwe Lübking, Beigeordneter für Gesundheit und Demografie beim Deutschen Städte- und Gemeindebund(DStGB).Sicherlich sei es möglich, bei schwierigen Operationen, wo es nicht auf die Nähe zum Wohnort ankomme, zentralere Strukturen zu schaffen. Hinsichtlich der ortsnahen stationären Versorgung müsse aber auch bedacht werden, dass die Krankenhäuser in vorgegebenen Zeiten erreicht werden

Intersektorale Zentren Für die KBV sind deshalb intersektorale Zentren die Lösung. Dabei würden niedergelassene Ärzte Gebäude oder einzelne Räume in Kliniken nutzen und dort eine Praxis oder eine Zweigpraxis einrichten. Diese könnten die schon jetzt üblichen ambulanten Operationen oder Eingriffe vornehmen und für alle Fälle einzelne Betten vorhalten, falls ein Patient anschließend doch noch beobachtet werden müsse. Des Weiteren könnten dort Betten für ein “betreutes Schlafen” bis zu maximal 72 Stunden vorgehalten werden”, wie Alexandra Bodemer von der KBV weiter ausführt. Aber: Letztlich sind die Länder bei der Krankenhausplanung gefragt, nicht die Kassen”, sagt Lübking abschließend. Dabei sei es durchaus denkbar, in Ballungsgebieten mit kurzen Wegen zu zentralisieren. Andernorts aber nicht. Und dann gelte es noch, die Einsatzmöglichkeiten der Telemedizin zu bedenken.

gefühl verbessern. Dazu wird es künftig eine polizeiliche Einsatzgruppe mit acht Beamten geben, die ausschließlich für Einsätze in dem Ort mit rund 70.000 Einwohnern zur Verfügung steht. Außerdem ist der verstärkte Einsatz von Zivilpolizisten vorgesehen. Des Weiteren wurde verabredet, schwerwiegende Fälle von Mehrfach- und Intensivstraftätern dem Sonderstab “Gefährliche Ausländer” im Stuttgarter Innenministerium mit dem Ziel der Abschiebung zu melden. Bereits umgesetzt wurden verstärkte Kontrollen im Bahnhofsbereich, eine bessere Videoüberwachung der Landeserstaufnahmeeinrichtung sowie ein Glasflaschenverbot auf ihrem Gelände. Bürgermeister Thomas Schärer (CDU) sagte: “Mit dieser umfassenden Konzeption wird das Sicherheitsgefühl der Sigmaringer Bürger deutlich gestärkt und ein klares Signal an auffällige Personen gesandt.”

Mehr Smart-City- Projekte! (BS/ab) Bis 2025 werden mit Smart Cities Geschäfte mit einem Wert bis zu 1,6 Billionen Euro ermöglicht. Dies geht aus einer Berechnung des Beratungsunternehmens Frost & Sullivan hervor. Die höchsten Investitionsmengen auf der Welt werden demnach in Europa zusammengetragen. Vor allem der Markt für Fahrdienst-Apps, das Gesundheitswesen, Robotik, moderne Fahrerassistenzsysteme sowie die Energiegewinnung sind geförderte Schlüsseltechnologien und -branchen. Die Künstliche Intelligenz spiele dabei als Motor eine treibende Rolle, weil sie die Basis für viele Projekte, wie intelligentes Parken bis zum Abfallmanagement, sei.

„Für eine Zukunft ohne Barrieren“ REFERENTEN 2018 u.a.:

Prof. Dr. Matthias von Schwanenflügel, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Brigitte Döcker, Mitglied des Vorstandes im AWO-Bundesverband

Michael Löher, Vorstand, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.

Weitere Informationen unter www.kongress-soziale-infrastrukturen.de In Kooperation mit

Eine Veranstaltung des


Kommunalpolitik

Seite 14

D

ie Vertragsstaaten sichern Maßnahmen zu, um Menschen mit Behinderungen Grundfreiheiten zu garantieren. Wichtige Forderungen der UN-BRK sind in diesem Zusammenhang: Art. 9: Die Verpflichtung, bauliche Barrieren und Hindernisse abzubauen. Viele kennen die barrierefreie Gestaltung nach DIN 18040 u. a., Normen, die im deutschen Baurecht anzuwenden sind, damit die Belange von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden. Art. 19: Menschen mit Behinderung sollen selbst entscheiden können, wo und mit wem sie leben und wohnen möchten. Sie sollen nicht länger getrennt von Menschen ohne Behinderung leben müssen. Art. 21: Alle Menschen sollen freien Zugang zu Informationen haben, um politisch mitbestimmen zu können. Zum Beispiel durch die Etablierung von Blindenschrift, Gebärdensprache, leichter Sprache, Vorlesefunktion auf Websites, Tontechnik für Schwerhörige. Art. 24: Ein inklusives Bildungssystem ist vorzuhalten, in dem Menschen mit und ohne Behinderung von Anfang an zusammen lernen. Art. 27: Menschen mit Behinderung sollen gleichberechtigt auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Arbeit finden können, um ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen zu können. Art. 30: Ermöglichung der gleichberechtigten Teilnahme von

Behörden Spiegel / April 2018

Vielfalt zulassen – Teilhabe ermöglichen 2. Zukunftskongress Soziale Infrastrukturen: Für eine Zukunft ohne Barrieren (BS/Dagmar Vogt-Janssen) Der Begriff der “Barrierefreiheit” hat viele Facetten. An Bedeutung gewonnen hat er in den letzten Jahren insbesondere durch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die seit 2009 auch in Deutschland gilt. In 50 Artikeln ist festgehalten, was für das Ziel “Inklusion” umgesetzt werden muss und wie auch in Deutschland erreicht werden soll, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammen leben, lernen, wohnen und arbeiten können. Die UN-BRK weist Staat und Gesellschaft die Verantwortung zu, dass Menschen wegen ihrer Behinderung nicht benachteiligt werden dürfen. Menschen mit Behinderung an Erholungs-, Freizeit- und Sport­ aktivitäten.

Ungenügende Realisierung der UN-BRK Trotz der UN-BRK und eines im Jahr 2011 aufgestellten ZehnJahres-Planes für ihre Umsetzung gibt es noch immer Bereiche, in denen die Realisierung noch nicht genügend erfolgt ist. Vielfach wird übersehen, dass der Inklusionsgedanke auch in anderen Bereichen, wie z. B. der Integration Geflüchteter, der Ermöglichung von Teilhabe von Menschen mit Demenz, anzuwenden ist und nicht nur auf Menschen mit Behinderungen verengt werden darf. Vieles von dem, was in den 50 Artikeln zur Inklusion angespro-

Dagmar Vogt-Janssen ist die fachliche Leiterin des 2. Zukunftskongresses Soziale Infrastrukturen. Foto: BS/privat

chen wird, hat auch einen Nutzen für das soziale Miteinander in der Gesellschaft, für den Zusammenhalt, die gesellschaftliche Vielfalt und damit für alle. Die UN-BRK bezieht sich gleichermaßen auf Menschen mit und ohne Behinderung. Viele Entscheidungen zum gemeinsamen Leben, Wohnen, Lernen und Arbeiten im kommunalen Raum werden indes nicht

Mehr zum Thema: Am 6. Juni 2018 bietet der 2. Zukunftskongress Soziale Infrastrukturen im dbb forum Gelegenheit zum Austausch. Diskutieren Sie mit und bringen Sie sich ein. Weitere Informationen unter: www.kongress-soziale-infrastrukturen.de

vor dem Hintergrund der Inklusion getroffen, sondern es treten oftmals andere Erwägungen in den Vordergrund – nicht selten sind es wirtschaftliche.

Haltungen ­vorausgesetzt

Mit anderen Worten: Auch die kommunalen Entscheidungen im Bereich des sozialen Miteinanders tragen dem Inklusionsgedanken nicht immer vollumfänglich Rechnung. Dennoch bleibt das Ziel der Gestaltung des Sozialraums, der Aufbau eines sozialen, inklusiven Gemeinwesens, eine Kommune für und mit allen, die deren Vielfalt abbildet. Barrierefreiheit setzt auch Haltungen voraus. Mit der richtungsweisenden Aufforderung des 2. Zukunftskongresses Soziale Infrastrukturen “Für eine Zukunft ohne Barrieren” sind Haltungen verbunden, die sich aktiv für eine barrierefreie Gestaltung von Kommunen einsetzen. Soziale

Brückenbau in Zeiten des demografischen Wandels Kommunen entwickeln Strategien, um “demografiefest” zu werden (BS/Prof. Dr. Martina Wegner*) Um den demografischen Wandel auch praktisch vor Ort zu thematisieren, startete das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Januar 2016 das Projekt Demografiewerkstatt Kommunen (DWK) in bislang acht Städten, Landkreisen und Gemeinden. Das Projekt sieht vor, dass in diesen Kommunen exemplarisch Demografiestrategien entstehen sollen, die auf die jeweilige geografische, demografische und wirtschaftliche Situation vor Ort zugeschnitten sind. Neben neuen Projekten und Initiativen geht es dabei in erster Linie darum, weitere Handlungsfelder zu erschließen und gleichzeitig neue mit bestehenden Maßnahmen und Projekten zu verzahnen. Hintergrund ist, dass das Thema Demografie ein Querschnittsthema ist und als solches in den Kommunen oft unverbunden bleibt. Parallelstrukturen oder mangelnde Vernetzung machen es notwendig, aktiv Brücken zu schlagen.

Eine klare Methode Um hier in den Kommunen anzusetzen, beginnt das Projekt vor Ort mit einem Kick-off, zu dem relevante Akteure der Verwaltung eingeladen werden. Die wissenschaftliche Begleitung der DWK erstellt anhand von verfügbaren Studien und Statistiken sowie Befragungen vor Ort eine Bestandsaufnahme zum demografischen Wandel, die Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken offenlegt und damit eine Grundlage für weitere Diskussionen darstellt. Dieser gemeinsame Ausgangspunkt hat sich als sehr wichtig erwiesen, da auf diese Weise alle relevanten Akteure um die Situation in der Kommune wissen. Auf Basis dieses sehr konkreten Kommunalprofils wird ein Beteiligungsprozess angestoßen, der je nach Ausgangslage Bürgerinnen und Bürger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und/oder lokale Politik zu Zukunftswerkstätten einlädt.

Deren Ergebnisse werden ausgewertet und dienen als Grundlage für die Demografiestrategie, die in einem Werkstattplan festgehalten wird. Der Werkstattplan enthält die großen Linien der Ausrichtung, aber auch einzelne Projekte bis hin zu Umsetzungsplänen. So entsteht eine schlüssige Strategie, die im Laufe der Jahre immer wieder an die jeweils neue Situation angepasst bzw. auch durch neue Projekte ergänzt wird. Dieser stark strukturierte Ansatz hilft den Kommunen, den demografischen Wandel ämterund/oder kommunenübergreifend und mit Unterstützung einer externen Beratung anzugehen. Es zeigt sich, dass der methodische Ansatz ebenso viel wert ist wie die Unterstützung, welche die Kommunen in Form von Beratungsleistung erfahren. So hat der Landkreis Havelland im Februar 2018 entschieden, sich der DWK anzuschließen, um von der Methode und den Erfahrungen zu profitieren, auch wenn er finanziell nicht gefördert wird.

Brückenbau unterstützen Die Situation in den einzelnen Kommunen ist unterschiedlich; auch die inhaltliche Ausrichtung oder Schwerpunktsetzung unterscheidet sich von Kommune zu Kommune. Die DWK zeichnet sich deshalb dadurch aus, dass den Kommunen keine vorgefertigten Lösungen übergestülpt werden. Vielmehr hilft sie dabei, einen Bearbeitungsansatz für die jeweilige Situation zu entwickeln,

indem sie den Kommunen professionelle Beratung und Sachmittel für die Entwicklung der Strategie zur Verfügung stellt. Von Bedeutung ist zudem das jährliche Austauschtreffen, bei dem die Kommunen voneinander lernen können; auch Webinare und relevante Publikationen werden angeboten. Darüber hinaus bekommen die Kommunen Informationen über für sie interessante Veranstaltungen und Tagungen, bei denen auch die DWK vorgestellt wird. Zum Teil wird die DWK auch gemeinsam beworben, wodurch ein hoher Bekanntheitsgrad des Projekts entsteht. So wird die DWK 2018 voraussichtlich u. a. auf dem Deutschen Seniorentag, dem Deutschen Fürsorgetag, auf dem Zukunftskongress Soziale Infrastrukturen, dem Demografiekongress der “Gesundheitsstadt Berlin” sowie auf der ConSozial vertreten sein. Auch die Deutsche Fernsehlotterie fördert das Projekt. Auf dem Zukunftskongress Soziale Infrastrukturen des Behörden Spiegel wird in einem eigenen, 90-minütigen Forum darüber diskutiert werden, welche Arten von Barrieren es auf dem Weg zu einer demografiefesten Kommune zu überwinden gilt und mit welchen Lösungsansätzen dies gelingen kann. Das Thema soll sowohl aus kommunaler Perspektive als auch aus Sicht des Bundes beleuchtet werden. Die Ziele der DWK bleiben auch auf der Agenda der neuen Bundesregierung. Die im Koali-

tionsvertrag geforderte Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland verweist direkt auf den demografischen Wandel. Eine gute Infrastruktur vor Ort, der Aufbau eines seniorengerechten Wohnumfelds und einer entsprechenden Nachbarschaft werden im Koalitionsvertrag explizit hervorgehoben. Dies sind auch Ansatzpunkte in der DWK, die in den Modellkommunen aufgegriffen und aktiv bearbeitet werden. Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung im Koalitionsvertrag nur konsequent, die DWK in der neuen Legislaturperiode auszubauen.

Beteiligte Kommunen Adorf (Sachsen), Dithmarschen (Landkreis, Schleswig-Holstein), Dortmund (Nordrhein-Westfalen), Düren (Landkreis, NordrheinWestfalen), Emsland (Landkreis) mit Vrees als Leitkommune (Niedersachsen), Grabow (Mecklenburg-Vorpommern), Havelland (Landkreis, Brandenburg), Riesa (Sachsen), Saarbrücken (Regionalverband, Saarland). Weitere Informationen unter: www.demografiewerkstatt-kom munen.de *Prof. Dr. Martina Wegner ist Professorin für die Organisation von Zukunftsdiskursen an der Hochschule München und strategische Betreuerin des Projekts “Demografiewerkstatt Kommunen”. Dies ist Gegenstand eines Forums auf dem 2. Zukunftskongress Soziale Infrastruktur.

Infrastrukturen können solche Haltungen unterstützen und befördern. Aufgrund der sogenannten Barrieren, wie z. B. der fremden Sprache, Kultur und Religion, können nur ein offener gesellschaftlicher Diskurs, Begegnungen und ein Miteinander im Sozialraum dafür sorgen, Haltungen zu ändern und dazu führen, dass Vielfalt als Bereicherung in einer Gesellschaft empfunden und als solche anerkannt wird. Der Aufund Ausbau sozialer Infrastrukturen, die Teilhabe, Begegnung, Austausch, Wissen, Miteinander, Respekt, Toleranz näherbringen und damit ein inklusives soziales Gemeinwesen ermöglichen, sind deshalb immens wichtig.

“Barrierefrei-Check”, Zugänge schaffen Bei jeder Entscheidung und Maßnahme im kommunalen Raum die Frage nach Beachtung von “Barrierefreiheit” und “Inklusion” zu stellen, ist zugegebenermaßen nicht wenig anstrengend, aber ohne diese Prüfung wird es kaum gelingen können, eine Zukunft ohne Barrieren zu errichten. Vielleicht braucht es auch einen “Barrierefrei-Check”/ “Inklusions-Check”. Es geht bei der Ermöglichung einer Zukunft ohne Barrieren um Zugänge. “Ob krank oder gesund, dieser oder jener kulturelle Hintergrund – es geht darum, Zugänge zu Lebensqualität zu schaffen. Um den Schutz von Selbstbestimmung und Integrität künftig sicherstellen zu können”

(siehe Behörden Spiegel, Juni 2017, Seite 23). Teilhabe braucht barrierefreie Zugänge zum sozialen Gemeinwesen. Nur so können auch Menschen mit Behinderungen zu mitwirkenden Akteuren im Sozialraum werden. Nur dann kann von Inklusion gesprochen werden.

Vernetztes miteinander Gestaltenwollen Zusätzlich geht es bei der Umsetzung dieser Forderung auch darum, durchlässige (barrierefreie) Organisationsstrukturen der Akteure, die vor Ort Verantwortung für den Prozess tragen, zu schaffen bzw. auszubauen. Im Zentrum dieser Umsetzungsprozesse steht die Koordination und Steuerung durch die Kommunen. Die Kommunen sind damit der Ort, an dem Vielfalt und Teilhabe ermöglicht wird. Viele (neue) Aufgaben liegen bei den Kommunen, die sie jedoch nicht aus sich selbst heraus gestalten können, z. B. der Ausbau häuslicher Unterstützungsstrukturen und zugehender vorpflegerischer und pflegerischer Leistungen sowie die Begleitung und Koordinierung bürgerschaftlichen Engagements. Hier ist stärker als bisher ein vernetztes Vorgehen nötig, das alle Beteiligten – Bürgerinnen und Bürger, Nachbarn, Familien, Krankenund Pflegekassen, ambulante Dienstleister, Wohnungswirtschaft, Einzelhandel, Träger aus dem Bereich Gemeinnützigkeit und Wohlfahrtspflege, Kirchen, Vereine – mit ihren Angeboten einbezieht. Ein vom vernetzten miteinander Gestaltenwollen der Akteure getragener kommunaler Prozess ist in Gang zu setzen und zu halten, um für eine Zukunft ohne Barrieren einzutreten. Eine so verstandene und gelebte “Barrierefreiheit” kann in den Kommunen mit dem Titel überschrieben werden: “Vielfalt zulassen – Teilhabe ermöglichen”.

Das etwas andere Helferlein Bremer Pilotprojekt soll ältere Menschen unterstützen (BS/ab) In der Hansestadt soll ab April eine Kooperation zwischen dem Land und verschiedenen regionalen Unternehmen starten. Das Ziel: die Infrastruktur für ältere Menschen in den Stadtteilen zu verbessern und zu ergänzen. Als Mittelsmann und Helfer agieren hierbei jene Personen, die bereits jetzt unseren Alltag begleiten. Ältere Menschen werden häufig in zwei Kategorien eingeteilt: Jene, die noch mobil sind und Altentagesstätte und Verwandte besuchen und jene, die pflegebedürftig sind. Aber für jene, die weder zur einen noch zur anderen Gruppe gehören und beispielsweise mobilitätseingeschränkt sind, fehlt es an einem passgenauen Unterstützungsangebot. Der Schritt in die Pflegebedürftigkeit ist dann meist nur ein kleiner.

Die Bremer Herbsthelfer Als sogenannte Herbsthelfer plant die Hansestadt Mitarbeiter der Verwaltung, Postboten der Deutschen Post, die Johanniter, die vier aktiven Wohlfahrtsverbände sowie die AOK und die Sparkasse Bremen einzubinden. Hierbei existieren verschiedene Teilprojekte. Zum einen könnten Formulare postalisch über die 115 oder online angefordert werden. Zum anderen komme das Bürgeramt für Ummeldungen direkt zu den Menschen nach Hause. Daneben entstehe noch ein

Bibliotheksdienst, über den EReader und Tablets bereitgestellt würden. Aber eine tragende Rolle komme hierbei den Postboten zu. Diese übernähmen stärker die Position eines Lotsen und seien die Verbindung zur Außenwelt.

Der geschulte Lotsenbote Die Postboten würden für diese Aufgabe geschult. Außerdem verkleinerten sich ihre Zuständigkeitsbereiche, weil diese Aufgaben arbeitsintensiver würden. Mittels der Post sei eine Institution dahinter, die bereits implementiert sei und vertrauenswürdig. Sie werde die Mitarbeiter auch auf dieselbige prüfen. “Wir wollen keinen Sozialarbeiter oder Pfleger ersetzen, noch Ältere kontrollieren. Wir möchten eine Lotsenfunktion. Wenn jemand die Steuererklärung machen, oder seinen Hund anmelden möchte, dann wird dies telefonisch angesagt und der Postbote bringt es”, so Henning Lühr, Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen. Das Pilotprojekt ist das erste seiner Art in ganz Deutschland.


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / April 2018

Seite 15

Zentralisieren für das Patientenwohl

Hilfe, ich muss Protokoll schreiben!

AOK-Krankenhausreport aus Sicht des Landesrechnungshofes Hessen

Mit einem gut formulierten Protokoll kann man durchaus punkten

(BS/Dr. Walter Wallmann) Durch bedarfsgerecht geplante Klinikstrukturen lassen sich in Deutschland die Qualität der medizinischen Leistungen und damit das Wohl der Patienten erhöhen. Beispielsweise existiert im Rhein-Main-Gebiet eine Vielzahl von Krankenhäusern nah beieinander, die oft identische Leistungen anbieten. Dies führt zu einem hohen Wettbewerb und zu Konkurrenz zwischen den Kliniken und dadurch auch zu weniger Behandlungen je Krankenhaus.

(BS/Gerda Schneider*) Bei steigender Komplexität, wachsender Vernetzung und zunehmender Arbeitsverdichtung ist die Besprechung in vielen Fällen die effektivste Form, Zuständigkeiten zu verteilen und Lösungen zu finden. Zielorientierte und effiziente Besprechungen sparen Zeit und stärken das Team. Allerdings sind gesprochene Worte mehrdeutig und flüchtig. Deshalb werden bei den meisten Sitzungen Protokolle verfasst. Sie dienen den Teilnehmenden als Gedankenstütze und dokumentieren auch für andere den Verlauf, die Inhalte, die getroffenen Entscheidungen und vereinbarten Maßnahmen.

Der aktuelle Krankenhaus-Report 2018 der AOK zeigt unter anderem am Beispiel von Darmkrebsoperationen, dass die Versorgung der Patienten durch eine Zentralisierung deutlich verbessert werden kann. 2015 wurden in Deutschland in mehr als 1.000 Krankenhäusern rund 44.000 Darmkrebsoperationen ausgeführt. Allerdings fanden diese Operationen in der Hälfte der Kliniken weniger als 34 Mal im Jahr statt; das sind durchschnittlich nicht einmal drei Fälle je Monat. Die AOK erachtet es als möglich, bei der Krankenhausplanung in Deutschland, die Klinikstrukturen qualitätsorientiert zu zentralisieren und zu spezialisieren. Wir haben vor fast fünf Jahren mit Unterstützung eines interdisziplinären Expertenteams sieben kommunale Kliniken mit sog. Maximalversorgung untersucht. Dabei zeigten sich auch bereits die negativen Auswirkungen der Klinikstrukturen auf das Patientenwohl. Die medizinischen Leistungen waren nicht zwischen den Häusern koordiniert. Ähnlich wie beim Krankenhausreport 2018 lagen auch bei unserer Prüfung extrem niedrige Fallzahlen für

uns untersuchten sieben Kliniken haben wir ein Potenzial von rund 100 Millionen Euro pro Jahr pro­ gnostiziert. DieDr. Walter Wallmann ist Präsident des Hessischen Rechse Verbesserung nungshofes. könnte durch Kooperation und Foto: BS/LRH Hessen Koordination und den damit einhergehenden Abbau einzelne medizinische Leistun- von Überkapazitäten erreicht gen vor: In einer Klinik wurden werden. Seit unserer Untersuim untersuchten Jahr lediglich chung im Jahr 2013 ist in Heszwei Leukämiebehandlungen sen noch nicht viel passiert. Zwar und neun Polytraumabehand- fusionierten die Kreiskliniken Main-Taunus und das städtische lungen erbracht. Für eine angemessene Leis- Krankenhaus Frankfurt Höchst tungserbringung sind neben im Jahr 2016. Dies ist aber nur Medizinkenntnissen auch qua- ein erster Schritt und noch kein litätssteigernde Aspekte aus der weiter Sprung in wirtschaftlipraktischen Arbeit, wie Routine chere Strukturen zugunsten des und Expertise, maßgeblich. Ei- Patientenwohls. Insofern sollten ne ausreichende Zahl von zu die Verantwortlichen den Report behandelnden Patienten ist zum Anlass nehmen, sich unsere für eine qualitativ hochwertige Empfehlungen und Szenarien medizinische Versorgung not- noch mal genau anzuschauen. wendig. Als “Nebeneffekt” las- Im Ergebnis lassen sich sowohl sen sich durch bedarfsgerechte die Qualität der Versorgung und Klinikstrukturen auch deutliche damit das Patientenwohl steigern wirtschaftliche Vorteile für die als auch die wirtschaftlichen Kliniken und die sie tragenden Ergebnisse der Krankenhäuser Kommunen erzielen: Bei den von verbessern.

Platz ist in der kleinsten Hütte Diskrepanz zwischen Wohnungsbedarf und Wohnbauförderung in Frankfurt/Main (BS/kh) In deutschen Großstädten wie Frankfurt am Main fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Die Tätigkeiten und Ausgaben im Bereich der Wohnbauförderung stehen hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Um den Wohnflächenverbrauch zu senken, werden neue Wege erprobt, soziale, ökonomische und umweltverträgliche Aspekte zu kombinieren. Ein futuristisch wirkender Würfel erhebt sich auf einer Freifläche. Betritt man ihn, entdeckt man kleinere Kuben, die sich auf zwei Geschosse verteilt um einen größeren Raum gruppieren. Jeder der zwölf Innen-Würfel misst exakt 7,2 Quadratmeter, die sich wiederum auf zwei Räume aufteilen. Das Wohn- und Schlafzimmer wird fast hälftig ausgefüllt von einem Bett (90 x 200 cm) mit eingelassenen Schubfächern und einer kleinen Schrankablage, hinzu kommen eine ausziehbare Tischplatte und ein Stuhl. Das winzige zugehörige Bad bietet eine Toilette, ein Waschbecken und eine Duschkabine. Was nach einem innovativen Wohnkonzept aus einer von Raumnot beherrschten japanischen Großstadt klingt, ist Wohnrealität für Studenten in Frankfurt am Main. Das Projekt “Cubity” wurde an der TU Darmstadt entwickelt, vermietet werden die Wohnwürfel vom Studentenwerk Frankfurt, der Platz wurde von der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/ Wohnstadt zur Verfügung gestellt. “Ziel ist es, das modulare und temporäre Bauen sowie das energetische Konzept in der Praxis zu erproben”, erläutert Jens Duffner, Leiter Unternehmenskommunikation bei der Nassauischen Heimstätte/ Wohnstadt.

Privatsphäre Fehlanzeige Wenig Privatraum, viel Gemeinschaft scheint die Devise im Kubus zu lauten. Die einzelnen Wohnwürfel sind sehr hellhörig. Auch gibt es kein direktes Tageslicht, da sie ohne Fenster nach draußen im Inneren des großen Kubus angeordnet sind. Dieser besteht aus Polycarbonat und hat zumindest in den Ecken eine transparente Verglasung. Außer den Wohn-Cubes beinhaltet er einen Gemeinschaftsraum – den

Frankfurter Studenten haben im Cubity ungefähr so viel Platz zum Wohnen wie in diesem Kinderspielhaus. Mit dem Unterschied, dass letzteres Fenster hat. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de

“Marktplatz” –, eine gemeinsame Küche, eine Galerie und eine Terrasse. Der monatliche Mietpreis für einen der zwölf 7,2-QuadratmeterWürfel liegt bei 250 Euro warm. Wie in einer “normalen” Wohngemeinschaft aber werden die Kosten auf die Gesamtfläche des 256 Quadratmeter großen Cubity umgelegt. “Dann liegt der Qua­ dratmeterpreis bei ca. zehn bis elf Euro und somit deutlich unter dem Mietspiegel in Frankfurt”, erklärt Projektbetreuerin Elisa Stamm von der TU Darmstadt. Lässt man die gemeinsam genutzten Räume allerdings außer Acht, ergibt sich daraus ein Quadratmeterpreis von fast 35 Euro.

Antwort auf die Wohnungsnot? Wohnraum in deutschen Universitätsstädten ist rar und teuer. Aber nicht nur für die steigenden Studentenzahlen wird die

Suche nach Bezahlbarem immer schwieriger. Auch für Geringverdiener, Sozialleistungsempfänger und Alleinstehende ist die Situation alles andere als rosig. Gerade günstige Ein- bis Zweizimmerwohnungen sind stark gefragt, das Angebot bleibt aber hinter der Nachfrage zurück. Ob ein einzelnes Projekt wie der Cubity dem aber entgegenwirken kann, ist fraglich. “Der Cubity war nie geplant, um die Frankfurter Wohnungsprobleme zu lösen. Er gehört eindeutig in die Kategorie experimentelles Bauen”, betont Duffner. Allerdings kann er Impulsgeber sein und das Bewusstsein für die Gesamtproblematik um den Wohnflächenverbrauch schärfen. Das Wohnungsdefizit in Frankfurt liegt bei ca. 36.700 Wohnungen. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 4.722 Wohnungen fertiggestellt. “Das ist der Spitzenwert der letzten vier Jahrzehnte”, heißt es aus dem Dezernat für Planen und Wohnen der Stadt Frankfurt. Aus der Wohnungsbedarfspro­gnose 2040 geht hervor, dass sich insgesamt von 2014 bis 2040 in Frankfurt ein Wohnungsbedarf von 106.465 Wohnungen ergibt. Im Schnitt müssten jährlich 4.095 Wohnungen fertiggestellt werden. Die Stadt hat jährlich 45 Millionen Euro für ihre Wohnungsbauförderprogramme zur Verfügung. Hinzu kommen jährlich fünf Millionen Euro für den Erwerb von Belegungsrechten. “Die tatsächlich ausgegeben Summen schwanken stark von Jahr zu Jahr. 2017 gingen Anträge über ca. 23 Millionen Euro ein, 20,5 Mio. Euro wurden bewilligt und rund 20,7 Mio. Euro wurden ausgezahlt, die teilweise aus Bewilligungen der Vorjahre stammen”, gibt das Baudezernat bekannt.

Es lohnt sich, das Schreiben des Protokolls nicht nur als lästige Zusatzarbeit zu sehen, sondern als Chance, seine Fähigkeiten zu zeigen und auszubauen. Es bietet die Möglichkeit, wertvolle Informationen zu erhalten und sich fachlich weiterzuentwickeln. Mit einem gut formulierten Protokoll kann man zudem durchaus punkten. Dabei sollten folgende sieben Tipps beherzigt werden: Bereiten Sie sich gut vor: Machen Sie sich mit den Themen der Sitzung vertraut. Stimmen Sie sich mit dem Sitzungsleiter ab, welche Protokollart erwünscht ist. Wofür und für wen soll das Protokoll erstellt werden? Reicht es, das Ergebnis festzuhalten oder sollen auch der Verlauf und die Wortmeldungen dokumentiert werden? Machen Sie sich mit dem Teilnehmerkreis vertraut, damit Sie Wortmeldungen zuordnen können. Erstellen Sie eine Vorlage: Im besten Fall ist die Einladung Ihre Vorlage. Falls nicht, entwerfen Sie Ihre eigene Protokollvorlage. Im Kopf der Vorlage sollten Datum, Ort und Zeit der Sitzung sowie die Teilnehmenden stehen. Tragen Sie dann die einzelnen Tagungsordnungspunkte möglichst mit dem jeweilig festgelegten Ziel ein. Lassen Sie genügend Raum für Ihre Notizen. Fragen Sie nach: Wenn es zu hitzigen Diskussionen kommt und Sie nicht sicher sind, was Sie im Protokoll festhalten sollen, fragen Sie nach. Das kann

Foto: BS/Feldmann

im Verlauf der Sitzung hilfreich sein, weil es die Diskussion zusammenfasst und es den Teilnehmenden leichter macht, zu einem Konsens zu kommen. Erstellen Sie das Protokoll zeitnah: Am besten ist es, das Protokoll gleich zu schreiben, so lange Sie noch alle Einzelheiten im Kopf haben. Es gelingt Ihnen auch schneller, da Sie noch nah an den Themen sind. Formulieren Sie richtig und abwechslungsreich: Das Protokoll sollte wahr, vollständig und klar sein. Wählen Sie das richtige Stilmittel. Das kann je nach Protokollart direkte oder indirekte Rede, Präsens, Indikativ oder Konjunktiv sein. Formulieren Sie verständlich und leserorientiert. Bringen Sie Abwechslung in Ihren Text und vermeiden Sie Wortwiederholungen. Berücksichtigen Sie das VierAugen-Prinzip: Lassen Sie das Protokoll – wenn es nicht sowieso freigegeben werden muss – gegenlesen. Falls dies nicht möglich ist, schauen Sie nach kurzer Zeit mit frischem Auge auf Ihr Protokoll und lesen Sie es nochmals gründlich durch, bevor Sie es versenden.

Sammeln Sie Erfahrung: Übung macht den Meister – auch beim Protokollieren. Drücken Sie sich also nicht vor dieser Aufgabe, sondern nutzen Sie die Möglichkeit, dazuzulernen und Erfahrungen zu sammeln. Das Führen und Schreiben des Protokolls ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Es gilt, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, den Überblick zu behalten und Meinungen von Fakten zu unterscheiden. Was von dem Gesagten in Erinnerung bleibt, wird vom Protokoll beeinflusst und hängt auch von der richtigen Wortwahl ab. Zur Macht des richtigen Wortes sagte Mark ­Twain: “Der Unterschied zwischen einem nahezu richtigen Wort und einem treffenden ist groß – es ist der Unterschied zwischen einem Glühwürmchen und einem Blitz.” * Gerda Schneider ist seit 2008 als Trainerin für öffentliche Verwaltungen tätig.

Save the Date Mehr zur Macht der richtigen Worte beim Praxisseminar “Professionelle Korrespondenz – E-Mails, Briefe und Protokolle professionell und ansprechend verfassen” am 6./7. November 2018 in Bonn. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “Protokoll”.


Kommunalpolitik

Seite 16

Behörden Spiegel / April 2018

Projekt Smart “Country Side”

Es geht nicht um Dieselrettung

Bürger erproben das digitale Dorf von morgen

Können wir das Ziel 2030 noch erreichen?

(BS/Heidrun Wuttke*) Die Digitalisierung verändert alle Lebensbereiche. Um die Lebensqualität, Daseinsvorsorge und Zukunftsfähigkeit in den (BS/ab) “In der Gesamtbilanz, bei der Betrachtung aller Abkommen, Dörfern zu sichern, nutzen die beiden Kreise Höxter und Lippe die Chancen der Digitalisierung und erproben zusammen mit 16 Modellorten digitale aller Konferenzen und Projekte, muss ehrlich gesagt werden: Wir haben Anwendungen, die bei Erfolg als Blaupause für andere Dörfer dienen. keinen einzigen durchschlagenden Erfolg erzielt”, resümierte Winfried Hermann (Die Grünen), Verkehrsminister des Landes Baden-Würtneue Maßstäbe mit dem bun- temberg. Die Debatte über die Verkehrswende müsse vorangetrieben Der demografische Wandel stellt ländlich geprägte Regionen vor desweit einmaligen Angebot für werden und es brauche mehr als nur Lippenbekenntnisse. Seitens der große Herausforderungen. Dadie Bürger im ländlichen Raum, Agora Verkehrswende gebe es Möglichkeiten, aber diese erforderten je seinsvorsorge, Mobilität, Ehihre digitale Kompetenz zu schu- nach Wirkungsgrad harte Einschnitte.

renamt und gesellschaftliche Teilhabe sind nicht mehr überall gewährleistet und gut organisiert. Bedarfsgerechte und nutzerfreundliche Lösungen sind gefragt, die nah an der Lebenswelt der Menschen vor Ort sind und bei deren Ausarbeitung und Erprobung die Bürger von Beginn an eingebunden sind. Entgegen landläufiger Meinungen ist die Digitalisierung im Alltag vieler Bürger längst angekommen. Sie wissen, dass sich ihre Lebens- und Arbeitswelt rasant ändert und wollen die Chancen, die die Digitalisierung bietet, für sich nutzen. Genau hier setzt das EFRE -geförderte Leuchtturmprojekt “Smart Country Side (SCS)” an, das für den Kreis Höxter von der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (GfW) mbH und für den Kreis Lippe vom Zukunftsbüro betreut wird. Es kanalisiert die Erfahrungen der Bürger, stärkt und fördert ihre digitale Kompetenz und begleitet sie bei der Erprobung innovativer Ideen in den vier projektrelevanten Handlungsfeldern Mobilität, Ehrenamt und E-Governance sowie E-Partizipation. In der ersten Projektphase (10/2016 bis 12/2017) wurden im Rahmen eines transparenten Auswahlverfahrens 16 Modellorte ausgewählt, die sich durch eine aktive Dorfgemeinschaft sowie ein starkes Interesse an der Entwicklung und Erprobung bedarfsgerechter digitaler Anwendungen auszeichnen. In den SCS-Aktionsgruppen, wurden erste Ideen entwickelt und im Herbst 2017 auf Dorfkonferenzen interessierten Bürgern vorgestellt und ausführlich diskutiert. Am Ende gab es aus der Dorfgemeinschaft grünes Licht für die smarten Ideen. Viele Bürger erklärten sich bereit, von Beginn an ehrenamtlich an der Umsetzung mitzuwirken.

Bei einem Pressegespräch stellte das Projektteam “Smart Country Side (SCS) ” mit den Projektverantwortlichen Michael Stolte (r.) und Heidrun Wuttke (6.v.r.) die Umsetzungsprojekte im Kreis Höxter vor. Foto: BS/GfW Gesellschaft für Wirtschaftsförderung im Kreis Höxter mbH

“Smart Country Side” hat sich als interkommunales Kooperationsprojekt in kurzer Zeit zu einem Modellvorhaben mit bundesweiter Strahlkraft entwickelt. Bewohner aus 16 Dörfern setzen jetzt ihre bürgernahen Ideen um und stärken ihre digitale Kompetenz. Diese Umsetzungsphase bietet Verbänden und Kommunen gute Chancen, von den Erfahrungen vor Ort zu lernen. Es gibt überall intensive Diskussionen, wie sich der digitale Wandel auf Stadt und Land auswirkt und welche neuen Angebote und Möglichkeiten geschaffen werden müssen, um für eine vernetzte Zukunft gut gerüstet zu sein. Hier liefert das Projekt SCS wichtige Erfahrungswerte. In der Umsetzungsphase (01/2018 bis 04/2019) entsteht bedarfsgerecht für alle 16 Modellorte eine gemeinsame digitale Dorfplattform, über die aktuelle Informationen zum Dorf, den Vereinen sowie der Kommune abgerufen werden können. Ein digitaler Marktplatz ermöglicht den Bürgern eine Kommunikation in Echtzeit, um z. B. Termine/News auszutauschen,

Europäischer Protesttag Für Inklusion setzen sich deutschlandweit viele Menschen ein. Unter anderem am 5. Mai, dem Europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Unzählige Aktivisten organisieren im Zeitraum vom 28. April bis 13. Mai Infoveranstaltungen, Diskussionsrunden, Lesungen oder auch Filmabende. Sie beschäftigen sich mit Barrierefreiheit und bringen die Menschen in ihrer Nachbarschaft und Stadt miteinander ins Gespräch. Seit mehr als 20 Jahren bündelt die Aktion Mensch das vielfältige Engagement unter einem jährlich wechselnden Thema. Das Motto in diesem Jahr: Inklusion von Anfang an. Dabei geht es im

Digitale Angebote fördern ländliches Miteinander Drei Umsetzungsprojekte sind sozial besonders innovativ, da sie Potenzial haben, die Gemeinschaft, das Ehrenamt sowie die nachbarschaftliche Fürsorge zu stärken. “Das Sorgende Dorf” ist eine digitale KümmererPlattform für alle Hilfsbedürftigen, zu denen auch Alleinerziehende, Alleinstehende, Kranke und Menschen in Krisen zählen. Die digitale Kirchen-Plattform bringt die Kirche mit ihren zahlreichen Angeboten ins Netz und ermöglicht ein neues Miteinander von Jung und Alt sowie eine Teilhabe und Mitgestaltung auch von unterwegs. Für alle, die sich neu im ländlichen Raum niederlassen wollen oder nach dem Studium ins Dorf zurückkehren und eine Familie gründen wollen, wird es eine digitale Immobilien-Plattform geben, die ansässige Eigentümer und neue Bauherren miteinander vernetzt und neu Zugezogene in die Dorfgemeinschaft einführt. Beide Kreise setzen zudem

*Heidrun Wuttke ist Projektmanagerin “Smart Country Side” bei der GfW Gesellschaft für Wirtschaftsförderung im Kreis Höxter mbH.

Projekt SCS Smart Country Side ist eines von zehn Digitalisierungsprojekten in der Region Ostwestfalen-Lippe. Es hat das Ziel, die digitalen Transformationsprozesse vorzudenken und in innovativen Modellprojekten zu erproben. Weitere Infos unter: http://owl-morgen.de/projekte/ smart-country-side/

“Entscheidend ist, dass es einen Mix aus unterschiedlichen regulatorischen Maßnahmen braucht, um die Wende voranzutreiben”, resümiert Christian Hochfeld, Direktor der AgoraVerkehrswende. Wichtig sei, die wirkungsmächtigsten Maßnahmen anzugehen, jene, die über die Nutzerkosten die Anzahl der Fahrzeuge reduzieren könnten. Aber all diese Maßnahmen müssten kurzfristig erfolgen, würden kostenintensiv und bedeuten Einschränkungen der Behörden und der Bürger bei ihren Wahlmöglichkeiten.

800 Millionen und Tempolimits… Mögliche eingreifende Maßnahmen seien ein Tempolimit von 120 km/h auf allen Autobahnen und die Radverkehrsförderung von 800 Millionen Euro pro Jahr. Insbesondere würde sich Letzteres anbieten, um Radschnellwege für Pendler zu realisieren. Wohingegen die Angleichung der Dieselsteuer an die Benzinsteuer unabdingbar sei. Auch die Einführung von Lkw-Grenzwerten und die Einführung der Dienstwagensteuer könnten hilfreich sein. Synthetische Kraftstoffe als Alternative seien hingegen weniger förderlich. Denn sie bräuchten das Dreifache an erneuerbarem Strom, der aktuell in Deutschland produziert werde.

Neuer Kurs in der Automobilbranche Auch bei den Automobilherstellern setzt ein Umdenken ein. Bis 2025 möchten einige 20 bis 25 Prozent ihrer Produktion der E-Mobilität widmen. Bis 2030 sollen sogar 50 Prozent der Produkte E-Fahrzeuge sein. “Aber auch wenn bis 2030 auf den deutschen Straßen 40 Prozent der Fahrzeuge elektrisch be-

Gemeinsam von Anfang an

I

nklusion wird in der Öffentlichkeit durchaus kontrovers diskutiert – dabei ist der Begriff für viele sehr abstrakt. Was ist damit also gemeint? Zunächst einmal sollen alle Menschen selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Jeder kann überall dabei sein. Zum Beispiel lernen Kinder mit und ohne Behinderung zusammen in der Schule. “Inklusion ist der Schlüssel für mehr Chancengleichheit, weil alle in persönlichen Stärken, Fähigkeiten und Besonderheiten akzeptiert und gefördert werden”, sagt Christina Marx, Leiterin Aufklärung der Aktion Mensch.

Mitfahrgelegenheiten anzubieten oder Hilfe nachzufragen.

len. Sogenannte “Dorf-DigitalExperten” sind bereit, Wissen im Bereich Digitalisierung zu erwerben und dieses ehrenamtlich an die Dorfgemeinschaft weiterzugeben. Dazu werden in den Dörfern sogenannte Lernund Medienecken eingerichtet. Hier können die Bürger in Ruhe die digitale Welt erkunden, Skype ausprobieren, OnlineBanking üben oder Reisen und Bahntickets online buchen. Zusätzlich können die Bürger an Veranstaltungen, Vorlesungen, Exkursionen und Unternehmensbesuchen teilnehmen. Die Umsetzungsphase wird wissenschaftlich evaluiert. Untersucht wird, ob der gewählte Bottom-up-Prozess ein zielführender Ansatz ist und ob es gelingt, die Umsetzungsprojekte nachhaltig vor Ort zu etablieren. Die Projekterfahrungen fließen zusammen mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Evaluation in einen Leitfaden ein, der anderen Orten geeignete Wege aufzeigt, wie sie Chancen der Digitalisierung im ländlichen Raum für sich nutzen können.

Inklusion: gemeinsames Leben und Lernen (BS/Carolina Zibell*) Am Aktionstag am 5. Mai dreht sich alles um die Situation von Menschen mit Behinderung. Bundesweit setzen sich viele Aktivisten mit lokalen Aktionen und Initiativen für mehr Gleichstellung und gesellschaftliche Teilhabe ein. In diesem Jahr geht es dabei insbesondere um gemeinsames Leben und Lernen von Anfang an. Schwerpunkt um gemeinsames Leben und Lernen. Die Idee dahinter: Bildung beginnt bereits vor der Schulzeit in den Kindergärten. Hier kann Inklusion den Grundstein für spätere Erfahrungen in Schule, Ausbildung, Universität und allen Lebensbereichen legen. Wenn Kinder und Jugendliche unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft, Geschlecht oder Behinderung miteinander aufwachsen, entstehen Berührungsängste erst gar nicht. Von Anfang an lernen sie so miteinander und voneinander. Unterschiedliche Stärken, Schwächen, Besonderheiten, Fähigkeiten und Bedürfnisse werden dabei akzeptiert, gefördert und als Stärke verstanden. Marx: “Wenn Kinder schon in der Tagesstätte, in der Schule und in der Freizeit erfahren, dass das Miteinander ganz normal ist, dann wird Inklusion im späteren Leben auch selbstverständlich sein. Barrieren in den Köpfen können so gar nicht erst entstehen. Deshalb setzen wir uns für Inklusion in Bildung und Jugendarbeit ein.” Für den 5. Mai stellt Deutsch-

Jeder kann überall dabei sein: Kinder mit und ohne Behinderungen beim gemeinsamen Spielen. Foto: BS/Tobias Schult

lands größte soziale Förderorganisation den Aktiven vor Ort viele verschiedene Aktionsmittel zur Verfügung. Darunter sind auch drei Spezialpakete, zum Beispiel eins für die Durchführung von inklusiven Lesungen. Im Mittelpunkt steht dabei die “Bunte Bande”. Der 5. Band der AktionMensch-Kinderbuchreihe ist das erste vollständig barrierefreie Buch Deutschlands. Es erscheint in Alltagssprache, Leichter Sprache und Brailleschrift.

Verschiedene Organisationen und auch Schulen brechen mit Jugendlichen und Klassen zu einer “Wheelmap Rallye” auf. Dabei erkunden sie ihre Umgebung und bewerten online mit der erfolgreichen WheelmapApp die Barrierefreiheit von öffentlich zugänglichen Orten. So versetzen sich die Jugendlichen in die Rolle von Rollstuhlfahrern oder Menschen mit anderen Einschränkungen und schärfen ihren Blick für die Bedürfnisse von

anderen. Die Botschaft der Aktion: Umfassende Barrierefreiheit ist ein wichtiger Baustein für Inklusion, denn sie ermöglicht Menschen, an allen Lebensbereichen teilzunehmen. Ein weiteres Highlight: ein Film-Event mit Hella Wenders’ zweiter Dokumentation “Schule, Schule. Die Zeit nach Berg Fidel”, die Kinder mit und ohne Behinderung nach ihrer gemeinsamen Zeit in der Grundschule begleitet. Nach den Filmvorführungen in Kinos, Gemeindesälen, Bildungszentren oder auch Vereinsheimen und Schulen bleibt bei Podiumsdiskussionen oder Gesprächsrunden Gelegenheit, sich über gemeinsames Lernen und Inklusion auszutauschen.

Kernfragen im Fokus Bei dem Thema Inklusion geht es für Menschen mit Behinderung, Erzieher, Lehrer, Sozialarbeiter, aber auch für Eltern um echte Kernfragen: Wo steht unsere Gesellschaft bei der Umsetzung von Inklusion? Welche Art von Bildung brauchen wir, damit unsere Kinder zu starken Persönlichkeiten heranwachsen? Was bringt Inklusion von

trieben werden, wird dies nicht ausreichen, um die Emissionen entscheidend zu mindern,” so Hochfeld, auf der Veranstaltung “Verkehrswende 2030”. Um die Erderwärmung in den Griff zu kriegen, müsse binnen der nächsten 17 Jahre ein Minderungspfad für unseren CO2und Stickoxidausstoß eingeschlagen werden, so Hochfeld. Es gehe dabei nicht nur um das Erreichen der Ziele, sondern um einen schnelleren und effizienten Weg. “Hierfür sind die drei zentralen Regler die Elektrifizierung des Verkehrs, die Nutzerkosten und die Verkehrsnachfrage sowie die Kraftstoffe.” Mittels verschiedener Maßnahmen könnte das Pariser Ziel – den CO2-Austoß auf 100 Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren – machbar sein.

Keine Dieselrettung “Bei den aktuellen Debatten entsteht der Eindruck, es geht um die Rettung des Diesels und nicht um jene der Lebensqualität. Der Diesel wird uns jedoch nicht im Sinne des Klimaschutzes retten”, betonte Hermann. Um das Pariser Abkommen einzuhalten, müsse der CO2-Austoß jährlich um fünf Prozent reduziert werden, so der Minister. Aktuell steige dieser jedoch jährlich um zwei Prozent an. “Aber je später wir handeln, desto drastischer werden die Maßnahmen der Zukunft. Auch wirtschaftlich kommt uns ein Aufschieben teurer, als wenn wir präventiv handeln”, sagte Hermann. Bezüglich der Diesel-Diskussion äußerte er sich ebenso kritisch: “Das Klima interessiert sich nicht dafür, ob wir es mit alten oder neuen Dieselfahrzeugen ruinieren. Wir leben auch von der Automobilindustrie, brauchen aber eine, die endlich nachhaltig ist.”

Anfang an für die Persönlichkeitsentwicklung? Wie stehen Pädagogen und Eltern mit Regelund Förderschulerfahrung zu Inklusion? Wie lässt sich Inklusion in allen Lebensbereichen umsetzen? Dabei ist klar: Jeder kann etwas bewegen und sich in seinem Umfeld für das Thema Inklusion stark machen. Das zeigt auch die positive Resonanz auf den Aktionstag am 5. Mai. Im gesamten Bundesgebiet beteiligen sich inzwischen regelmäßig mehr als 600 Organisationen. Und das Interesse in der Bevölkerung ist groß – an Infoständen und bei individuellen Aktionen. Mehr Informationen zum Aktionstag sowie Veranstaltungen und Aktionen vor Ort gibt es im Internet unter www.aktionmensch.de/5mai *Carolina Zibell arbeitet im Bereich Strategie und Inklusion der Aktion Mensch e. V.

Aktionen zum 5. Mai Wer bei den Aktionen zum 5. Mai auf dem Laufenden bleiben will, ist in den Sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Instagram genau richtig. Dort teilen Menschen ihre Erlebnisse rund um den Aktionstag unter dem Hashtag #VonAnfangAn.


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / April 2018

Kunde Kommune

D

ie kreisangehörige Stadt Friedberg in Bayern zählt ca. 30.000 Einwohner und ein Haushaltsvolumen von 100 Millionen Euro. Die städtische Verwaltung umfasst insgesamt sechs Referate, in denen 370 Mitarbeiter beschäftigt sind. Davon sind 80 Prozent angestellt und 20 Prozent verbeamtet. Zwischen den Abteilungen gebe es eine starke Trennung und auch im Dienstverhältnis lägen schon unterschiedliche Interessen begründet, erläutert der erste Bürgermeister der Stadt, Roland Eichmann. Unternehmen, die der Kommune ihre Produkte oder Dienstleistungen anbieten wollen, müssten zunächst den richtigen Ansprechpartner finden. Das Problem beginne schon mit den unterschiedlichen Bezeichnungen in den Bundesländern, zum Beispiel für Gemeinderäte. Doch selbst wenn die Kontaktperson gefunden sei, seien “in den Kommunen Entscheidungsprozesse sehr langsam”, betont Eichmann. Die Beweggründe für Beschaffungen lägen zum einen im ständigen Bedarf einer Verwaltung, wie beispielsweise für IT, Schreibmaterial oder Möbel. Zum anderen hingen sie von “politischen Projekten” wie dem Breitbandausbau oder dem Bau

Seite 17

Überzeugungsarbeit durch Unternehmen erforderlich (BS/Katarina Heidrich) Für Unternehmen, die mit Kommunen ins Geschäft kommen wollen, gibt es vielerlei Schwierigkeiten. Das beginnt schon bei der Suche nach dem richtigen Ansprechpartner. Anlass und Umsetzung von Beschaffungen sind abhängig von unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen. Deshalb gibt es auch nicht die eine richtige Kommunikationsstrategie, sondern einzelne Handlungs-Konzepte. von Umgehungsstraßen oder Kulturzentren ab, erläutert der ehemalige Geschäftsführer der SGK Bayern im Rahmen des Praxisseminars “Kommunale Entscheider richtig ansprechen” des Behörden Spiegel und der ASK Agentur für Sales und Kommunikation GmbH Berlin. Unternehmen könnten entweder nur auf Ausschreibungen reagieren oder selbst aktiv werden.

Proaktiv Geschäfte machen Letzteres könnte so aussehen, dass Unternehmen auf (neue) gesetzliche Vorgaben, wie zum Beispiel die Datenschutzgrundverordnung oder Brandschutzvorgaben, eingehen. Im zweiten Schritt müssten sie den Kommunen deutlich machen, dass sie das erforderliche Know-how und das Produkt oder die Dienstleistung bieten, die zur investiven Umsetzung der Vorgaben benötigt werden, schlägt die Inhaberin

Roland Eichmann, Erster Bürgermeister der Stadt Friedberg in Bayern, erläutert die Herausforderungen für Unternehmen, die Kommunen ihre Produkte oder Dienstleistungen anbieten wollen. Foto: BS/Heidrich

von “The LeaderShip – Agentur für Wahlen, Führung und Strategie”, Gwendolin Jungblut, vor. Unternehmen hätten beispielsweise auch die Möglichkeit, durch Berichterstattungen aus den jeweiligen Kommunen abzulesen, wie bestimmte Themen

gewichtet würden. So erhielten sie einen Einblick in die kommunale Strategie und könnten darauf reagieren. Im Gegensatz zum Verwaltungskörper sei die politische Ebene aber oft emotional und nicht ökonomisch getrieben. “Politik kann

Spontane Sprachmittlung für Behörden Überwindung von Sprachbarrieren mittels Telefondolmetschens

unglaublich irrational sein”, pointiert Bürgermeister Eichmann. Die Volljuristin und Journalistin Jungblut ergänzt, dass auch innerhalb der ehrenamtlichen Kommunalpolitik verschiedene und zum Teil divergente Motivationslagen herrschten. Daraus resultierten unterschiedlich gängige Sprachmuster und Kodizes, die eine Ausschreibung häufig verkomplizierten. Dies führe oft schon zu einem “Unwillen, Anträge zu stellen”, moniert die ehemalige Referatsleiterin des Niedersächsischen Städtetags.

Komplexes Beschaffungswesen als Hürde Darüber hinaus müssten die Unterschiedlichkeiten in den kommunalen Haushalten beachtet werden, denn “die Hürden für Anträge seitens der Kommunen sind sehr hoch geworden”, gibt Oliver Lindner aus der Bau- und Liegenschaftsabteilung des Fi-

nanzministeriums zu bedenken. Gerade den Einsatz von Eigenmitteln zur Vorfinanzierung und verschiedene gesetzliche Vorgaben, wie energetische Richtlinien bei Sanierungen, hebt das ehrenamtliche Präsidiumsmitglied der AWO Sachsen-Anhalt e.V. als Hindernisse hervor. Lindner schlägt vor, dass Unternehmen Produkte und Dienstleistungen anbieten könnten, die nicht nur für eine Kommune sinnvoll seien, sondern auch Zweckverbänden nützten. Die entsprechende Werbung müsse genau auf den Kunden Kommune zugeschnitten sein, unterstreicht der Leiter Kommunale Kommunikation der ASK, Henning Witzel. Oft fehle in den Kommunen das Bewusstsein für konkrete Fördermöglichkeiten. Die Unternehmen könnten diese in ihrem Angebot aufzeigen und auf die Effizienz dieser eingehen, so Witzel. Die Komplexität bei Beschaffungen im Vergaberecht zeigt sich ebenso in den Unterschieden zwischen zentraler und dezen­traler Beschaffung. Hinzu kommt, dass ab 2021 Kommunen Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen müssen. Ausgeschlossen sind davon nur noch hoheitliche Dienstleistungen der Kommunen.

MELDUNG

WiFi4EU-Initiative läuft an (BS/kh) Die EU fördert europa-

line-Plattform für die Förderung

Initiative profitieren und mit einer einzigen Registrierung Zugriff auf alle WiFi4EU-Hotspots in jedem EU-Mitgliedsstaat haben. Interessierte Gemeinden können sich ab sofort auf der WiFi4EU-On-

Land wurden 15 solcher Gutscheine zugesichert, doch bei der konkreten Vergabe gilt das Prinzip “first come, first serve”. Finanziert werden Anschaffungsund Installationskosten.

(BS/Thomas Jasper*) LingaTel-Telefondolmetscher ermöglichen eine professionelle und sprachübergreifende Kommunikation bei Beratungsge- weit die Einrichtung freier WLAN- registrieren. Die Antragstellung sprächen und schaffen die Voraussetzung für einen strukturierten und flüssigen Gesprächsverlauf. Eine kurze Praxiserläuterung am Beispiel des Hotspots an öffentlichen Plätzen. für einen Voucher beginnt am Prostituiertenschutzgesetzes. Alle EU-Bürger sollen von der 15. Mai um 13:00 Uhr. Jedem Wir bieten heute eine 24/7-Sofortvermittlung für mehr als 35 Sprachen an und wickeln inzwischen über 1.500 Gespräche im Monat ab. Die Nutzung des Dienstes ist denkbar einfach, alles, was Sie benötigen, ist ein Telefon. Ein individuell geschaffenes Telefonie-System sowie ein hoch professionelles Ausfallmanagement gewährleisten stets die Verfügbarkeit eines Dolmetschers. Bereits heute vertrauen Kunden aus dem öffentlichen, medizinischen und sozialen Bereich sowie aus der freien Wirtschaft auf die Services von LingaTel. Hierbei schätzen diese besonders unsere hohe Flexibilität und den günstigen Preis im Gegensatz zum Dolmetscher vor Ort.

Sprachbarrieren beenden! In Anbetracht der zunehmenden Zahl von nicht deutschsprachigen Kunden wird es für die Mitarbeiter in den Ämtern immer schwieriger, effizient und exakt zu arbeiten. Sprachbarrieren führen innerhalb der Prozesse, beispielsweise beim Ausfüllen von Formularen, oftmals zu erheblichen Verzögerungen und zu Fehlern, wenn keine professionel-

Die Mischung macht es – interkulturelle und soziale Kompetenz treffen auf die Leidenschaft für Sprachen. LingaTel steht Behörden auch bei schwierigen Themen fachkompetent per Telefon zur Seite. Foto: BS/LingaTel, iStock, Rawpixel Ltd, Stock-Fotografie

le Sprachmittlung zur Verfügung steht. Da es oft nicht möglich ist, einen Vor-Ort-Dolmetscher hinzuzuziehen und der jeweilige Bedarf auch nicht planbar ist, stellt LingaTelTelefondolmetschen die ideale Lösung dar.

Telefondolmetscher flexibel erreichbar Im Bedarfsfall kann ein geeigneter Dolmetscher unmittelbar zu einer Situation hinzugezogen werden und der Sachbearbeiter ist in der Lage, den Vorgang exakt und ohne Verzögerung zu bearbeiten und abzuschließen.

Unsere Telefondolmetscher verfügen neben ihrer sprachlichen Qualifikation über eine hohe soziale sowie interkulturelle Kompetenz. Damit sind wir in der Lage, Brücken zu bauen und schwierige Gesprächssituationen professionell zu managen. Dies führt zu einer deutlichen Verbesserung der Arbeitsergebnisse sowie auch zu einer erheblichen Steigerung der Zufriedenheit bei allen Beteiligten.

Einfühlungsvermögen bei schwierigen Themen Ein hervorragendes Beispiel für die erfolgreiche Unterstüt-

zung einer behördlichen Aufgabe durch spontan verfügbare Telefondolmetscher von LingaTel sind die Beratungen im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes. Die Beratungsgespräche im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes können oft nicht in deutscher Sprache geführt werden. Gleichwohl ist die Überwindung von sprachlichen Hürden bei dieser Thematik eine wichtige Voraussetzung für die vertrauensvolle, unbefangene und zielorientierte Durchführung der Gespräche. Bereits zahlreiche Gesundheitsund Ordnungsämter führen die 20 bis 30-minütigen Beratungsgespräche unter Einbeziehung eines LingaTel-Telefondolmetschers. Insbesondere die Sprachen Thai, Rumänisch, Ungarisch, Tschechisch und Russisch, aber auch Englisch und Französisch werden benötigt. Wollen Sie mehr über LingaTel erfahren? Dann sprechen Sie uns gerne an oder informieren Sie sich auf unserer Webseite unter www. lingatel.de. *Thomas Jasper ist Geschäftsführer der LingaTel GmbH.

STELLENAUSSCHREIBUNG

Bei der Universitäts- und Hansestadt Greifswald sind die Stellen Leiterin/Leiter Rechtsamt und Leiterin/Leiter Tiefbau- und Grünflächenamt zu besetzen.

Für weitere Informationen besuchen Sie bitte unsere Internetseite: www.greifswald.de/stellenangebote


Seite 18

Personelles

Behรถrden Spiegel / April 2018


Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / April 2018

Seite 19

“Reset-Taste” für Kommunen

Kommunale Verschuldung nach oben korrigiert

Kontroverse um Ausgestaltung der Hessenkasse

Statistiker erweitern Berechnung um integrierte Schulden

(BS/jf) Die Kassenkredite der hessischen Kommunen betragen mehr als fünf Mrd. Euro. “Die Altenlasten drücken, aber nicht gleichmäßig”, sagt Landesfinanzminister Dr. Thomas Schäfer. Entlastung soll die Hessenkasse schaffen. Doch das Finanzinstrument ist nicht unumstritten.

(BS/lkm) Immer mehr Kommunen verlagern ihre Aufgaben aus den kommunalen Kernhaushalten in öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen (FEU), wie beispielsweise Eigenbetreibe, Zweckverbände, aber auch öffentliche Unternehmen in privater Rechtsform. Für die Finanzstatistiken hat das zur Folge, dass ein interkommunaler Vergleich immer schwieriger wird. Die Statistischen Ämter der Länder und das Statistische Bundesamt haben deshalb ihre Methodik angepasst und beziehen nun erstmals auch die ausgegliederten Einheiten mit ein. Mit dem Effekt, dass der errechnete Schuldenstand in allen Ländern deutlich zunahm.

Breitenbach am Herzberg gehört zu den zehn finanzschwächsten Kommunen des Landes, hat aber keinen Euro Kassenkredit. Anders Neu-Isenburg. Die Stadt zählt seit 15 Jahren in Folge zu den zehn einkommensstärks­ ten Gemeinden, hat aber über zehn Mio. Euro Kassenkredite. 1998 hat das Land die Genehmi­ gungspflicht der Kassenkredite abgeschafft, erläutert Harald Semler, Bürgermeister der Stadt Wetzlar. “Parallel hat auch die Aufsicht nachgelassen.” In diesem Punkt kann der hes­ sische Finanzminister nicht widersprechen: “Die Kommu­ nalaufsicht war zu nachlässig.” Die Genehmigungspflicht sei jedoch damals auf Wunsch der Kommunen gestrichen worden, betont er. Deshalb sollen mit der Hessenkasse die Kommu­ nen unterstütz werden. 200 Mio. Euro per anno sollen aus dem Landeshaushalt in den Finanz­ fonds fließen. Weitere 100 Mio. Euro durch die Kommunen bei­ gesteuert werden. Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des Deut­

schen Landkreistags, begrüßt die Initiative. Kritikwürdig sei allerdings die Finanzierung des Konzepts. Denn es sei abzuleh­ nen, dass Entschuldungspro­ gramme allein oder überwiegend aus kommunalen Mitteln finan­ ziert würden. Bei der Hessen­ kasse betrage der kommunale Eigenanteil unter dem Strich 80 Prozent. “Hier muss es zu einer deutlichen Veränderung der Lastenverteilung kommen”, fordert Henneke. Die Kritik ist nicht ganz un­ berechtigt. Denn das Land will die 200 Mio. Euro aufbringen, indem Landes- und Bundes­ mittel, die für die Kommunen vorgesehen sind, verwendet wer­ den. Auch wird über eine Umla­ ge der Gewerbesteuer diskutiert. “Dann müssen auch Gemein­ den wie Breitenbach mitzahlen und würden für ihre jahrelange vorbildliche Haushaltsführung bestraft”, kritisiert auch Semler. Noch zeichnet sich keine Lö­ sung ab. Der zugrunde liegende Gesetzesentwurf befindet sich im Landtag noch im Status der Ausschussberatungen.

Charakteristisch für die ausge­ gliederten Einheiten ist, dass ih­ re Schulden nicht in den Haus­ haltsplänen enthalten sind, sondern dass sie über eine eige­ ne Rechnungslegung mit eige­ nem Jahresabschluss verfügen. Um die öffentlichen Schulden vergleichen zu können, müs­ sen jedoch alle ausgegliederten Einheiten in die Betrachtung einbezogen werden. Unabhän­ gig davon, ob eine Stadt bei­ spielsweise ihr Schwimmbad im Kernhaushalt führt, in eine eigene Einheit ausgliedert und überwiegend durch Zuschüsse finanziert (damit Klassifikation als Extrahaushalt) oder in eine eigene Einheit ausgliedert, die die Produktionskosten aus Um­ sätzen deckt (damit Klassifikati­ on als sonstige FEU), muss der Schuldenstand des Schwimm­ bads derselben regionalen Ein­ heit zuzuordnen sein. Mit einer neuen Modellrechnung bezogen die Statistiker daher die Schulden der öffentlich be­ stimmten Fonds, Einrichtun­

entsprechende fachkundige und praxiserfahrene Trainer und Berater in externen oder internen Workshops umfassend vermittelt. Der Schlüssel des Er­ folgs beim Telefoninkasso ist ein ganz einfacher – es ist der Auf­ bau einer Beziehungsebene am Telefon während des Telefonats mit dem Schuldner. Beachtet man jetzt noch die erfolgsversprechenden Punkte wie Planung und Durchführung inkl. frühzeitiger Anruf mittels eines praxisbewährten Ge­ sprächsleitfadens einschließ­ lich der Einwandbehandlung, steht dem Erfolg nichts im We­ ge. Projekte wie bei der Bundes­ agentur für Arbeit (BA) verspre­ chen bis 2020 Mehreinnahmen von rund 70 Millionen Euro pro Jahr. Telefoninkasso hat seinen Einzug in das Forderungsma­ nagement von Kommunen und Behörden gehalten. Auch wenn noch nicht alle damit regemäßig arbeiten, die Erfolge sprechen eine konkrete Sprache.

Und wie sieht es heute aus?

Praxisseminar

Schätzungen gehen davon aus, dass die Außenstände der öffent­ lichen Hand sage und schreibe rund 70 Milliarden Euro betra­ gen. Damit hat sich der Betrag, der dem Steuerzahler zusteht, mehr als verdreifacht. Mit den Jahren hat sich herauskristalli­ siert, dass es zwei mögliche Wege gibt, die hier zur Anwendung kommen können. Der erste Weg ist die Inan­ spruchnahme von externen Dienstleistern, in der Regel be­ stehende Inkassounternehmen. Sie agieren hier als verlängerter Arm der Verwaltung. Neben da­ tenschutzrechtlichen Bedenken auf der einen Seite konnten auf der anderen Seite positive Erfah­ rungen in diesem Bereich z. B. in NRW gesammelt werden. Der zweite Weg ist eine In­ house-Lösung. Dabei hat es sich bestens bewährt, auf be­ stehendes Verwaltungspersonal zurückzugreifen. Das dazuge­ hörige Fachwissen wird durch

Am 19.06.2018 steht der Autor in Berlin beim Praxisseminar des Behörden Spiegel “Telefo­ ninkasso für Kommunen und Behörden” kompetent Rede und Antwort. Insbesondere die Möglichkeit von Kommu­ nen und Behörden, dieses In­ strument erfolgsorientiert in den Arbeitsablauf einzubinden und anzuwenden, wenn mög­ lich mit bestehendem Perso­ nal, wird hier diskutiert. Hinzu kommen neben der Stellung im Prozess, auch die Planung und die Durchführung bis hin zum sofort anwendbaren Ge­ sprächsleitfaden einschließlich der Einwandbehandlung. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fueh rungskraefte-forum.de, Such­ wort “Telefon”. *Udo Peilicke schult als Telefontrainer Interessierte in Sachen Telefoninkasso.

Eingeschränkte Aussagekraft Die Stadt Siegburg, die nach der neuen Berechnung mit Schulden von rund 10.002 Eu­ ro je Einwohner die am höchs­ ten verschuldete Kommune in NRWs ist, weist aber auf Män­ gel der Berechnungsmethode hin. Denn ermittelt würden dort ausschließlich die Schulden in den einzelnen Städten und Ge­ meinden, die von kommunalen Eigenbetrieben, eigenbetriebs­ ähnlichen Einrichtungen und kommunalen Anstalten Öffent­ lichen Rechts, die in einer öf­ fentlich-rechtlichen Organisati­ onsform geführt würden. Damit enthalte die Statistik weder die

Schulden von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Aktiengesellschaften und anderen Organisationsformen des Privatrechts, die mehrheit­ lich im Eigentum von Städten und Kommunen stehen. So fehlten in der Statistik folglich beispielsweise die Verbindlich­ keiten von Stadtwerken, Ver­ kehrsbetrieben, Entsorgungs­ betrieben, Kultureinrichtungen etc., die privatrechtlich geführt würden und sich vollständig oder mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand befänden. “Deshalb bietet die Statistik nur eine eingeschränkte Aussage­ kraft hinsichtlich der Gesamt­ verschuldung eines städtischen Konzerns, da gerade bei grö­ ßeren Städten ein Großteil der in privatrechtlichen Betrieben ausgelagerten Schulden außen vor bleibt”, heißt es in einer Mitteilung der Stadt. Der Ver­ schuldung pro Kopf in Höhe von 10.000 Euro stehe ein Pro-KopfVermögen in Höhe von 18.000 Euro gegenüber.

“Gesunde” Gemeindefinanzen?

Inhouse-Lösung für Kommunen und Behörden

Im April 2014 wurde bereits über die Frage “Wie kann das Forderungsmanagementins­ trument Telefoninkasso effektiv und erfolgreich bei den Kom­ munen und Behörden integriert werden?”, berichtet. Damals war nach Aussage des BDIU Präsidenten Wolfgang Spitz die Situation so, dass Städ­ te und Gemeinden in Deutsch­ land fast 20 Milliarden Euro Au­ ßenstände hatten. Praktikable Lösungen sollten und mussten daraufhin gefunden werden. Kommunen und Behörden als Dienstleister des Staates gegen­ über den Bürgern hatten sich deshalb verstärkt mit Alterna­ tiven auseinanderzusetzen. So kam man auch zum Thema “Telefoninkasso – Außenstände erfolgreich per Telefon anmah­ nen/hereinholen”. Warum und wie, dass zeigten seit Jahren er­ folgreich umgesetzte Projekte in der Privatwirtschaft. Es folgten erste Pilotprojekte bei Behörden und Kommunen.

Den größten Anteil ausgelager­ ter Schulden machten die Sta­ tistiker in Düsseldorf aus. 82 Prozent ihrer Schulden hat die Stadt der neuen Berechnung zufolge ausgelagert. Dieser Teil der Schulden sei damit auch der direkten kommunalen Par­ lamentskontrolle entzogen, mo­ niert der Steuerzahlerbund.

“Mehrkomponentenmodell”

Telefoninkasso (BS/Udo Peilicke*) Immer mehr Kommunen und Behörden nutzen das Element Telefoninkasso – Außenstände erfolgreich selbst per Telefon anmahnen / hereinholen – als Bestandteil Ihres Forderungsmanagement. Und dies mit Erfolg.

gen und Unternehmen über das Stimmrecht anteilig mit ein. Im Ländervergleich wurde da­ bei deutlich, dass die Effekte der unterschiedlichen Zuord­ nung bei den Extrahaushalten eher gering ausfielen. Die Ein­ beziehung der sonstigen FEU in die Berechnung der integrierten Schulden hatte hingegen einen weit größeren Effekt. Dies wird in allen Ländern klar ersicht­ lich, absolut am stärksten in Nordrhein-Westfahlen und Ba­ den-Württemberg. So beliefen sich die Gesamtschulden NRWs ohne die erweiterte Betrachtung im Jahr 2016 auf 63,4 Milliarden Euro. Mit der neuen Berechnung erhöhten sie sich auf 82 Milliar­ den Euro. Ein Plus von knapp 30 Prozent. Jeder dritte geschul­ dete Euro betraf somit die sons­ tigen öffentlichen Fonds, Ein­ richtungen und Unternehmen, an denen die kommunale Ebene als Eigner beteiligt ist. Die Extra­ haushalte trugen hingegen mit lediglich 6,3 Prozent zur Ver­ schuldung bei.

von Dr. Ulrich Keilmann

Kommunen haben ihre Haus­ haltswirtschaft so zu führen, dass sie ihre Aufgaben stetig erfüllen können. In einigen deutschen Gemeindeordnun­ gen (z. B. § 10 HGO) steht sogar ganz plakativ, dass die Gemein­ definanzen “gesund” bleiben sollen. Aber wann sind denn eigentlich die Gemeindefinan­ zen “gesund”? Und wann genau sind sie krank, fragil oder sogar konsolidierungsbedürftig an­ geschlagen? Um diese Fragen zu beant­ worten, haben wir aus unseren bisherigen Erfahrungen heraus ein “Mehrkomponentenmodell” entwickelt, das die Haushalts­ lage der geprüften Körperschaf­ ten aus doppischer Sicht ana­ lysiert. Es hat pro Jahr drei Betrachtungsebenen: 1. Kapitalerhaltung (Ordentli­ ches Ergebnis + Jahresergeb­ nis + Rücklagen), 2. Substanzerhaltung (Selbst­ finanzierungsquote + Liqui­ dität), 3. Haushalts- und Wirtschaftsführung (fristgerechte Jah­ resabschlüsse + mittelfristige Ergebnisplanung).

Erste Beurteilungsebene – Kapitalerhaltung Auf der ersten Beurteilungs­ ebene wird das Ordentliche Ergebnis als zentrale Kennzahl zur Beurteilung der Haushalts­ lage betrachtet. Selbst ein ne­ gatives Ordentliches Ergebnis ist dann weniger dramatisch, wenn genügend Rücklagen

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

aus den Überschüssen des Ordentlichen Ergebnisses vo­ rangegangener Jahre vorhan­ den sind, die zur Deckung des Fehlbetrags im betrachteten Jahr ausreichen. Schwierig ist die Situation für die Kommune nur dann, wenn bei einem ne­ gativen Ordentlichen Ergebnis keine ausreichenden Rückla­ gen zum Haushaltsausgleich vorhanden sind. Daneben wird auf der ersten Beurteilungsebe­ ne auch das Jahresergebnis mit herangezogen, das zusätzlich die außerordentlichen Vorgän­ ge betrachtet.

Zweite Beurteilungsebene – Substanzerhaltung Auf der zweiten Ebene wird beurteilt, ob die Körperschaft in der Lage ist, aus der laufen­ den Verwaltungstätigkeit aus­ reichend Liquidität zu erwirt­ schaften, um die Tilgung ihrer Kreditverbindlichkeiten aus Investitionen zu finanzieren. Eine positive Innenfinanzie­ rungskraft sollte in einem an­ gemessenen Verhältnis zu den allgemeinen Deckungsmitteln stehen (Selbstfinanzierungs­ quote). Die allgemeinen De­

ckungsmittel definieren sich im Wesentlichen aus den Steuer­ erträgen und den frei verwend­ baren Schlüsselzuweisungen. Schließlich ist auf der zweiten Ebene noch maßgeblich, dass die Körperschaften ihre Verwal­ tungsaufgaben ohne Kassen­ kredite erbringen können.

Dritte Beurteilungsebene – Haushalts- und Wirtschaftsführung Auf der dritten Ebene wird begutachtet, ob der Jahresab­ schluss des jeweiligen Haus­ haltsjahres fristgerecht aufge­ stellt, geprüft und beschlossen wurde. Parallel wird die mit­ telfristige Ergebnisplanung ei­ nes Jahres herangezogen, um Aussagen zum nachhaltigen Haushaltsausgleich treffen zu können. Es wird dargelegt, ob eine Körperschaft über den dreijährigen Planungszeitraum schon mit kumuliert ordentli­ chen Fehlbedarfen plant. Dann besteht eine große Wahrschein­ lichkeit, dass sie einen nach­ haltigen Haushaltsausgleich nicht erreicht.

Mehrjahresbetrachtung Allerdings reicht die Betrach­ tung nur eines einzigen Jahres nicht aus, um ein treffendes Bild der Gemeindefinanzen zu zeichnen. Allein die Wirt­ schaftslage ist zu oft volatil und zudem lokal sehr unter­ schiedlich. Schon der Wegfall eines wichtigen Gewerbesteu­ erzahlers kann das Bild dras­

tisch verändern. Daher ist es notwendig, die Haushaltssitu­ ation über mehrere Jahre nach dem Mehrkomponentenmodell zu beleuchten. Erst das zeigt, wie die Kommune aufgestellt ist und in welche Richtung sie sich entwickelt. Je nach Aus­ prägung der o. g. Kennzahlen und der Tendenz der Kenn­ zahlenentwicklung in den betrachteten Jahren wird die Haushaltslage über einen FünfJahres-Zeitraum bewertet. Im Detail werden fünf Wertungen verwendet: stabil (mindestens vier Jahre stabil), hinreichend stabil (mindestens drei der fünf Jahre stabil), noch stabil (drei der fünf Jahre stabil), fragil (zwei der fünf Jahre stabil) oder konsolidierungsbedürftig (min­ destens vier Jahre instabil). Aktuell ist die Wirtschaftslage gut. Insofern stoßen auch wir erfreulicherweise wieder öfter auf “gesunde” Haushalte. Das ist gut für alle. Die Politik kann wieder mit Augenmaß gestal­ ten und die Bürger haben eine funktionierende Verwaltung vor Ort, die ohne Steuererhö­ hung ihre Aufgaben wirkungs­ voll erfüllen kann. Lesen Sie mehr zum Thema “Mehrkomponentenmodell” im Kommunalbericht 2017, Hessischer Landtag, Drucksache 19/5336 vom 28. November 2017, S. 38 ff. sowie S. 90 ff., und schauen Sie sich dort die konkreten praktischen Anwendungen und die Einstufungen der Kommunen an.


Kommunalwirtschaft / Beleuchtung

Seite 20

Adé, alte Funzel

D

ie Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzprojekten in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen (Kommunalrichtlinie) des Bundesumweltministeriums (BMU) ermöglicht die Sanierung der Außen-, Straßen-, Innen- und Hallenbeleuchtung sowie von Lichtsignalanlagen durch LED. Seit 2008 wurden mit diesen Förderbereichen insgesamt 3.162 Kommunen erreicht. Davon wurden 2.746 Kommunen bisher gefördert, heißt es aus dem Ministerium. Deliana Bungard, Referatsleiterin für Allgemeines Umweltrecht, Abfallwirtschaft, Immissionsschutz und Urheberrecht beim Deutschen Städteund Gemeindebund (DStGB), fasst die Rückmeldungen aus

Kommunale Fördermittel für die öffentliche Beleuchtung (BS/ Katarina Heidrich) In Jena gingen während der jährlich im März stattfindenden weltweiten Klimaschutzaktion “Earth Hour” zahlreiche Notrufe bei Polizei und Feuerwehr ein, weil Bewohner wissen wollten, warum die Straßenlaternen und Leuchten an öffentlichen Gebäuden ausgeschaltet seien. Die Beschwerden blockierten über die ganze Nacht hinweg den Notruf – Symbolwirkung verfehlt. Damit solche Aktionen hin zu einer energieeffizienteren Beleuchtung nicht für sich stehen, stellt der Bund bis 2019 umfangreiche Haushaltsmittel zur Verfügung, die die Kommunen bei der Erreichung der nationalen Klimaschutzziele unterstützen sollen. Zahlreiche von ihnen nehmen die Fördermittel dankend in Anspruch. den Kommunen insgesamt als positiv zusammen. “Insbesondere die Aufnahme der Förderung finanzschwacher Kommunen in die Kommunalrichtlinie hat dazu beigetragen, dass weitere Hemmnisse, die mit einer zusätzlichen finanziellen Belastung der Kommunen verbunden sind, beseitigt wurden”, lobt Bungard.

Allerdings scheuten einige Kommunen das Einwerben von Finanzmitteln aufgrund des Umfangs und der fachlichen Tiefe eines Förderantrags. Zudem sei die Einbindung eines Klimaschutzmanagers mit einem separaten Antrag auf Förderung verbunden. Dies führe zu Verzögerungen der Projektrealisierung, erläutert

Volle Kontrolle über die Straßenbeleuchtung Offenbach vereint Datenmanagement mit flexibler Lichtpunktsteuerung (BS) Aufgrund ihrer Langlebigkeit und ihres geringen Energiebedarfs werden inzwischen in immer mehr Kommunen Laternen mit LEDs installiert. Damit die Betreiber alle Vorteile dieser Leuchtmittel nutzen können, hat die sixData GmbH mit “luxData.control” eine Anbindung an Steuerungssysteme entwickelt. Diese herstellerunabhängige Software erlaubt eine zentrale Steuerung direkt aus der Verwaltung heraus. Dies spart nicht nur Aufwand und Zeit, sondern bietet auch eine einheitliche Übersicht über alle Betriebsdaten. Bereits seit 2006 nutzt die Energieversorgung Offenbach AG (EVO) die Datenbanksoftware “luxData.licht” für das Management ihrer Beleuchtungsdaten. Darin lassen sich alle relevanten Informationen vom Mastmodell und Leuchtmitteltyp über Angaben zu Wartungsarbeiten bis hin zu Verbrauchsdaten hinterlegen. Geschaltet wurde die Straßenbeleuchtung in Offenbach bisher über ein Rundsteuersignal, wobei der Einschaltimpuls von einem Dämmerungssensor kam. “Wir haben uns schon seit Jahren Gedanken über neuartige, praktikable und effiziente Schaltungsarten gemacht”, berichtet Peter Roser, Teamleiter bei Energienetze Offenbach GmbH. Dabei kam die Idee auf, das Steuerungssystem Owlet zu ver-

Behörden Spiegel / April 2018

wenden. Dadurch kann jeder einzelne Lichtpunkt angepasst werden, um eine optimale Beleuchtung bei minimalen Kosten sicherzustellen.

Einheitliche und zielgerichtete Steuerung Bei der konkreten Planung war sich der Beleuchtungsverantwortliche der ENO sofort sicher, dass luxData und Owlet kombiniert werden sollten: “Ich wollte auf jeden Fall die Möglichkeit haben, jederzeit auf das System zugreifen zu können. Zugleich sollte sich aber alles aus nur einem Programm steuern lassen.” Über diese Verbindung erhält der Betreiber nicht nur die direkte Kontrolle über jeden Lichtpunkt, sondern kann in derselben Benutzeroberfläche auch weitere Daten aus der

Steuerungseinheit der Leuchten abfragen und archivieren. Mit derartigen Zusatzinformationen, die den verschiedenen Leuchten zweifelsfrei zugeordnet werden können, lässt sich beispielsweise die Koordination der Instandhaltung und präventiven Wartung deutlich vereinfachen. “Die Kommunikation zwischen den Systemen ist aus Sicherheitsgründen so angelegt, dass jede Aktion von luxData ausgeht”, erklärt Armin Mühlberger, Geschäftsführer von sixData. “Damit ist gewährleistet, dass kein Zugriff von außen auf das Netzwerk des Versorgers erfolgen kann.” Der Teamleiter der ENO ergänzt: “Für uns war in erster Linie wichtig, dass wir vollen Zugriff auf die Steuerung haben, dadurch sind wir sehr flexibel.”

Die luxData-Stammdaten mit allen relevanten Informationen zu einzelnen Leuchtstellen

Foto: BS/sixData GmbH

Bungard. Der DStGB begrüßt die Förderprogramme und fordert insbesondere eine dauerhafte Aufnahme der Förderung der öffentlichen Beleuchtung in den Außenbereichen wie Straßen, Wegen und Plätzen. Im Jahr 2017 gingen insgesamt 2.245 Anträge für diese Förderbereiche beim BMU ein. Die beantragte Fördersumme betrug über 75 Mio. Euro. Bewilligt wurden in diesem Zeitraum insgesamt 1.863 Anträge mit einer Gesamtfördersumme in Höhe von rund 55,6 Mio. Euro. Gefördert wird der Einbau hocheffizienter LED-Beleuchtungstechnik. Zuwendungsfähig sind Ausgaben für Investitionen in Anlagenkomponenten einschließlich der Steuer- und Regelungstechnik, deren Austausch direkt eine Minderung von Treibhausgasen hervorruft, sowie für die Installation durch qualifiziertes externes Fachpersonal. Besonders attraktiv ist das Programm für Kommunen, die aufgrund ihrer Haushaltslage nur über begrenzte Finanzmittel verfügen. Sie können erhöhte Zuschüsse erhalten.

Um ihre veralteten öffentlichen Beleuchtungssysteme gemäß den Nationalen Klimaschutzzielen zu erneuern, stehen Kommunen verschiedene Fördermöglichkeiten zur Verfügung.

Foto: BS/Henning Hraban Ramm, pixelio.de

Ebenfalls bieten die BMWiFörderprogramme bei der KfW “IKK-/IKU – Energieeffizient Bauen und Sanieren” Finanzierungsmöglichkeiten. Mit dem IKK – Investitionskredit Kommunen fördert die KfW Investitionen der Kommunen in die kommunale und soziale Infrastruktur

in Deutschland. Hierzu gehört auch die öffentliche Straßenbeleuchtung. Antragsberechtigt sind kommunale Gebietskörperschaften, deren rechtlich unselbstständige Eigenbetriebe sowie Gemeindeverbände wie kommunale Zweckverbände. Gefördert werden bis zu 150 Millionen Euro Kreditbetrag pro Jahr und Antragsteller. Der IKU – Investitionskredit Kommunale und Soziale Unternehmen richtet sich an Unternehmen mit mindestens 50-prozentigem kommunalen Gesellschafterhintergrund, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts mit mehrheitlich kommunalem Hintergrund und Öffentlich Private Partnerschaften. Gefördert werden bis zu 50 Millionen Euro Kreditbetrag pro Vorhaben. Bundesweit hat die KfW im Jahr 2016 insgesamt 371 IKK- und IKU-Förderprodukte in Höhe von 591 Millionen Euro herausgegeben, im darauffolgenden Jahr waren es 375 in Höhe von 856 Millionen Euro. Gegenwärtig sei “keine verstärkte Inanspruchnahme von KfW-Krediten durch Kommunen beziehungsweise kommunale Unternehmen zu erkennen”, heißt es seitens der KfW. Die Kommunalrichtlinie wird derzeit novelliert. “Es wird angestrebt, dass diese am 1. Januar 2019 in Kraft treten kann. 2018 können Anträge gemäß der Richtlinie wie gewohnt gestellt werden”, heißt es aus dem Bundesumweltministerium.

Umrüstung von Straßenbeleuchtung auf LED Im Vergleich: LED-Austauschmodule oder neue Straßenlampenköpfe? (BS/ Wolfgang Endrich*) Bei einer Umrüstung von alter Straßenbeleuchtung auf LED ist es laut Industrie noch immer vernünftiger, den ganzen Lampenkopf statt nur des Leuchtmittels (NAV/HQL-Lampen) auszutauschen. Diese Argumentation stimmt nur dann, wenn die Straßenlampen bereits stark verschlissen sind – bei jüngeren Modellen ist ein kompletter Austausch äußerst unwirtschaftlich. Um KFW-Mittel beantragen zu können, muss die CO 2 -Einsparung bei einer Umrüstung über 70 Prozent betragen. LEDLampenköpfe sind zwar um ein Vielfaches teurer als das bloße LED-Leuchtmittel, erfüllen aber die 70-Prozent-Schwelle. Bei Austauschmodulen beträgt die Ersparnis 60 bis ca. 65 Prozent. Viele Gemeinden haben sich also bisher gescheut, die Umrüstung durchzuführen, weil sie die Finanzmittel nicht aufbringen konnten. Leider ist dies nur kurzzeitig richtig gedacht, wie ein Rechenbeispiel zeigt: Eine 30-W-Einschraublampe von euroLighting kostet ca. 45 Euro, ihre jährlichen Stromkosten liegen bei etwa 18 Euro (tarifabhängig). Im Vergleich dazu verbraucht eine 70-W-NAV-Lampe mit zusätzlichem Netzteil ca. 52 Euro Stromkosten. Nach ca. einem Jahr hat sich das LED-Austauschmodul von euroLighting bereits amortisiert, während ein neuer LEDLampenkopf nicht annähernd an die Amortisationszeit der Austauschmodule herankommt.

Förderungshürden trotz deutlicher Einsparung In den letzten drei Jahren konnte euroLighting den Gemeinden durch den Verkauf von LEDLeuchtmitteln erhebliche Einsparungen von Stromkosten und damit auch von CO 2-Ausstoß ermöglichen. Die Erfolgsbilanz des Unternehmens zeigt: Der Stromverbrauch hätte mit konventionellen Leuchtmitteln (HQL/ NAV) pro Jahr 1,3 Mio. Euro betragen. Durch Umrüstung auf LED-Austauschmodule liegt er bei nur noch 0,4 Mio. Euro. Das bedeutet eine Ersparnis von 0,9 Mio. Euro. Die Berechnung beruht auf 26.500 Einschraublampen bei einer Brenndauer von acht Stunden, 365 Tagen mit einem Strompreis von 0,20 Eu-

ro/KWh. Bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes zeigen sich ähnliche Zahlen: Bei konventionellen Leuchtmitteln wären es 4,2 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr gewesen – im Vergleich zu 1,2 Mio. Tonnen mit LED-Modulen (Einschraublampen). Das bedeutet eine durchschnittliche Einsparung von 70-Prozent an CO2. Damit lässt sich unschwer zeigen, dass die Aussagen von interessierten Kreisen die Gemeinden zu höheren Investitionsausgaben treiben sollen. Durch die 70 Prozent-Schwelle der Kreditvergabe durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) werden Gemeinden davon abgehalten, die dringend notwendigen Investitionen für die Erneuerung der Straßenbeleuchtung in Angriff zu nehmen.

Umrüstung wagen Amortisationszeiten von ca. einem Jahr sind in der Industrie Traumergebnisse und sollten zum Nachdenken anregen, ob man nicht bereits jetzt den Schritt zur Umstellung problemlos wagen kann. Die im Jahr 2017 getätigten Investitionen wären bereits Ende 2018 durch die Stromersparnis amortisiert. Nimmt man z. B. eine stufenweise Investition vor, zahlt die erste Stufe der Investition bereits die zweite Stufe durch die Stromersparnis. Schneller lassen sich Investitionen in moderne LEDTechnik bei Straßenlampen nicht realisieren. Moderne LED-Leuchtmittel für

Straßenlampen werden bei euroLighting nach dem neuesten Stand der Technik mit integrierter “Treiber-on-board”-Elektronik gebaut und sind TÜV- sowie ENEC-zertifiziert. Die Herstellergarantie beträgt fünf Jahre, optional zehn Jahre, und bedeutet schlussendlich einen Gewinn für die Gemeinden. *Wolfgang Endrich ist Geschäftsführer der euroLighting.

Über euroLighting (BS) Die euroLighting GmbH aus Nagold konzentriert ihre Vertriebs- und Entwicklungsaktivitäten in der treiberlosen ACTechnologie. Die LED-Module in neuer AC-Technik eignen sich zum Einbau in Lampen jeglicher Art und benötigen keine konventionelle Stromversorgung mehr. Eine Neuheit sind die Leuchtdioden mit sonnenlichtähnlichem Spektrum. Das Produktportfolio umfasst zudem verschiedenste Formen von modernen LED-Leuchtmitteln, darunter LED-Straßenlampen bis 150 W ( −≥HQL 400 W), Einschraubmodule als Ersatz für HQL- und NAV-Lampen in Leuchtenköpfen, zylindrische Bauformen sowie T8-LEDRöhren bis 1,5 m und LEDFlächenleuchten als Ersatz für quadratische Rasterleuchten. Alle Produkte werden in neuer AC-Technik geliefert.


Kommunale Infrastruktur / Smart City

Behörden Spiegel / April 2018

Kommunen als Taktgeber

I

m Landkreis Kaiserslautern haben beispielsweise mehrere Verbandsgemeinden einen Antrag auf Förderung für Schnellladesäulen für Elektrofahrzeuge (Gleichstrom [DC], ≥ 50 kW) über das “Kommunale Investitionsprogramm 3.0 – Rheinland-Pfalz (KI 3.0)” gestellt.

Hilfe durch Experten Um die individuelle Mehrarbeit einzelner Antragsteller bei Antragstellung, Ausschreibung und Markterkundung zu reduzieren und offene Fragen zu klären, unterstützte die Lotsenstelle für alternative Antriebe der Energieagentur Rheinland-Pfalz die Kommunen durch Moderation und Einbindung von Experten. Die wichtigsten Diskussionspunkte der Arbeitstreffen waren vor allem die Standortwahl, die Wahl des Betriebsmodells, der diskriminierungsfreie Zugang gemäß der Ladesäulenverordnung (LSV) und Antragsinhalte. Die Anträge wurden im Januar gebündelt durch die Verbandsgemeinde Otterbach-Otterberg

Seite 21

struktur etabliert werden, die es schafft, mit einem Zugangssystem so viele Ladesäulen wie möglich einzubinden (Roaming).

Offensives Aufbauen von flächendeckender Ladeinfrastruktur

Synergieeffekte nutzen

(BS/Florian Strunk*) Viele Städte und Gemeinden in Deutschland sind noch unsicher, welche Rolle sie beim Aufbau von Ladeinfrastruktur für Die Erstellung von LeistungsElektrofahrzeuge einnehmen. In der Pfalz gehen einige Kommunen an das Thema offensiv heran und installieren Ladesäulen in der Region. Dabei verzeichnissen stand im Januar nutzen sie die vorhandenen Fördermöglichkeiten und kooperieren mit Energieversorgern. 2018 auf der Agenda weiterer Areingereicht. Die Teilnehmer (Otterbach-Otterberg, Hochspeyer, Enkenbach) hatten zuvor in einem Arbeitstreffen einen Antragsentwurf ausgearbeitet und diesen weiteren potenziellen Antragstellern als “Blaupause” zur Verfügung gestellt.

Konsortium beschafft Ladesäulen Aufgrund eines Hinweises der Lotsenstelle für alternative Antriebe zur Förderrichtlinie Elek­ tromobilität des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) fanden sich pfalzweit 14 Kommunen sowie Stadt- und Gemeindewerke, die einen gemeinsamen Antrag auf Investitionszuschüsse für Ladeinfrastruktur und Elektrofahrzeuge

Harald Westrich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Otterbach-Otterberg, bei der Übergabe der ersten Elektrofahrzeuge für die Verwaltung Foto: BS/VG Otterbach-Otterberg, Bianca Gass

stellten. Unterstützt wurden sie dabei von den Kooperationspartnern Pfalzenergie, Verbandsgemeinde Grünstadt-Land und

dem Landkreis Südwestpfalz. Zur Vorbereitung auf eine anstehende Beschaffung gab die Lotsenstelle einen Überblick über die

am Markt erhältlichen Produkte und Dienstleistungen. Anhand von Praxisbeispielen stellten sich Hersteller und Dienstleister vor, die den Betrieb (Stromversorgung, Abrechnung, Wartung und Anbindung an Roaming-Netzwerke) von Ladesäulen übernehmen. Die gestellten Förderanträge wurden im August 2017 durch das BMVI bewilligt. In vier Workshops wurden im Herbst 2017 die Themen Anschaffung von Ladesäulen und Elektroautos sowie Betrieb und Wartung beziehungsweise Service der Ladeinfrastruktur angegangen. Die Teilnehmer einigten sich, durch Bündelausschreibungen Kostenvorteile zu erzielen. Auch soll eine kohärente Ladeinfra-

beitstreffen. Auch hier moderierte die Lotsenstelle für alternative Antriebe der Energieagentur Rheinland-Pfalz den Prozess. Ziel war es, durch möglichst gemeinsame Vorgehensweisen den einzelnen Kommunen und kommunalen Energieversorgern den Ausschreibungsprozess zu erleichtern, Synergien zwischen den Kommunen herzustellen und finanzielle Vorteile durch Rabattierungen bei der Beschaffung zu erzielen. Mehr Informationen zu den Projekten aus der Pfalz erhalten Sie auf dem Kongress “Neue Mobilität” am 9. Mai 2018 in Mainz. *Florian Strunk, Projektleiter Elektromobilität im ländlichen Raum bei der Energieagentur

Im Notfall gut geschützt!

MELDUNGEN

Das Personen-Notsignal-Gerät “SoloProtect ID”

Erfolgreiche Tempolimits? (BS/ab) Hamburg hat an sechs Hauptverkehrsstraßen ein nächtliches Tempolimit eingeführt, um die Lärmbelastung zu reduzieren. Von 22 bis 6 Uhr dürfen die Strecken mit nur 30 km/h befahren werden. Hierbei wurden die notwendigen Verkehrszeichen in einem Zeitraum von Anfang Januar bis Mitte März 2018 aufgestellt. Aktuell liegen jedoch keine Messungen vor, inwiefern die Limits eingehalten werden. Auch inwiefern sich die Lärmsituation für die Anwohner verbessert hat, bleibt, nach der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage, vage. Denn Messungen sind in der Verordnung nicht vorgesehen. Jedoch wird auf Basis der Aufrundungsregel nach “Richtlinien

für den Lärmschutz an Straßen RSL-90” sowie der Verkehrslärmschutzordnung erwartet, dass der Lärm um drei db(A) abnehmen wird. Das ist jedoch schwierig festzustellen, weil dies von verschiedenen Faktoren wie den “Straßenneigung, Verkehrsbelastung und -zusammensetzung, dem Verflüssigungsgrad und der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit” abhänge [Drs. 21/5614]. Ob diese Tempolimits gleichzeitig die Schadstoffbelastung reduzieren, bleibt auch offen und kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Weitere Teststraßen sind zudem nicht vorgesehen. Es wird erst noch eine Evaluation erfolgen, ob positive Effekte verzeichnet werden können.

Bad Sassendorf: Geodatenoptimierung (BS/ab) Bad Sassendorf möchte seine eigene Geodaten-Infrastruktur aufbauen. Hierbei erhält die Gemeinde Unterstützung seitens ihres nordrhein-westfälischen Kreises Soest. Dies wurde in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung beschlossen, die die interkommunale Zusammenarbeit vorantreibt. Die Da-

ten sollen für die Mitarbeiter des Kurortes verfügbarer sowie leichter zugänglich werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Kreis die Gemeinde personell und organisatorisch unterstützen. Dies bedeutet auch eine Verbesserung der Online-Bereitstellung der Daten sowie der bereits vorhandenen Web-Services.

(BS/Bianca Frenzer*) Arbeitnehmer, die außer Sicht- und Hörweite von Kollegen arbeiten, sind in Notsituationen vollkommen auf sich selbst gestellt. Oft ist diese Arbeit auf bestimmte Tätigkeiten begrenzt, wie beispielsweise bei Außenterminen oder Kontrollgängen. Aber neben der Gefahr durch Unfälle oder plötzliches Unwohlsein können ebenso andere Personen ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen. Diese sogenannten Alleinarbeiter finden sich auch in verschiedenen behördlichen Arbeitsbereichen. Zum Schutz ihrer Mitarbeiter nutzt die Stadt Diepholz unter anderem das Personen-Notsignal-Gerät “SoloProtect ID” der Firma SoloProtect, das speziell für Alleinarbeiter mit Personenkontakt entwickelt wurde. Mit dem als Namensschild getarnten Gerät kann ein Alarm schnell und diskret ausgelöst werden. Ein Alarmempfangszentrum sorgt dann für die nötige Hilfe. Aktuell nutzt der bei der Stadt Diepholz beschäftigte Elektriker Norbert Fränzel das Gerät bei seinen externen Einsätzen beispielsweise in Unterkünften für Obdachlose, in Flüchtlingsheimen, im Klärwerk oder im städtischen Bauhof. Dort führt er nötige Arbeiten in der Regel ganz allein durch.

Individuelle Alarmmöglichkeit “Herr Fränzel steigt viel auf Leitern, hantiert mit elektrischen Leitungen und ist oft in Rohbauten unterwegs, wo man leicht stürzen kann. Deshalb machen

auf den ersten Blick erkennen, dass ich von der Stadt komme.” Auch die Stadt Diepholz als Arbeitgeber nutzt das Gerät: “Wir bringen durch den Einsatz des Gerätes zum Ausdruck, dass uns das Wohlergehen unserer Mitarbeiter wichtig ist”, erläutert Klumpe seine Entscheidung für den Arbeitsschutz durch “SoloProtect ID”.

Wer ist SoloProtect? Norbert Fränzel, beschäftigter Elektriker bei der Stadt Diepholz, nutzt “SoloProtect ID” bei seinen externen Einsätzen, um sich abzusichern und Notfalls Hilfe erhalten zu können. Foto: BS/SoloProtect

wir hier in Sachen Arbeitsschutz etwas mehr als sonst und setzen die “SoloProtect ID” ein”, erklärt Michael Klumpe, Vertreter des Bürgermeisters der Stadt Diepholz und Leiter des Fachdienstes Zentrale Steuerung und Zentrale Dienste. Bei dem Gerät ist die Handhabung sehr einfach und man kann die Alarmierungskette individuell gestalten. Denn das zertifizierte Alarmmeldezentrum im Hintergrund gibt den Alarm je nach Art der Notlage sowohl

intern als auch an Polizei und Rettungsdienst weiter.

Gerüstet für das Schlimmste Norbert Fränzel schätzt die Vorteile der “SoloProtect ID”: “In der Regel gehe ich natürlich davon aus, dass alles gut gehen wird – bis es eben doch mal schief geht! Daher gibt mir das Gerät ein größeres Sicherheitsgefühl. Ein angenehmer Nebeneffekt ist auf jeden Fall die Funktion als Namensschild. Jeder kann

Als führender Anbieter von Sicherheitslösungen für Alleinarbeiter in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Europa hat SoloProtect bereits mehr als 260.000 Personennotsignalgeräte in Benutzung und überwacht diese weiterhin. SoloProtect hat seinen Hauptsitz in Sheffield (Großbritannien), seit 2014 gibt es eine Niederlassung in Roermond (Niederlande). Mehr Infos unter www.SoloPro tect.de *Bianca Frenzer, Public Relations, SoloProtect

Fotos: www.gruene-mainz.de

© MWVLW; © MUEEF, Feisal Grombali

Neue Mobilität

Strategien für Kommunen und öffentliche Fuhrparks 9. Mai 2018, Mainz

Top-Referenten:

THEMEN DER KONFERENZ u.a.: ► Elektromobilität im ländlichen Raum

► Nachhaltige Mobilitätsstrategien und klimafreundliche Verkehrsentwicklung Katrin Eder, Umweltdezernentin, Landeshauptstadt Mainz

Eine Veranstaltung des

Staatssekretär Andy Becht, Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz Mitveranstalter:

Staatssekretär Dr. Thomas Griese, Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz

► Flächendeckende Infrastrukturen für Elektromobilität ► E-Busse und E-Nutzfahrzeuge: Viel Potential für deutsche Innenstädte

www.kommunale-mobilitaet.de


s e r -

y

Kommunale Infrastruktur / Smart City

Seite 22

Behörden Spiegel / April 2018

Wissensaustausch statt Algorithmen

Error: nicht verbunden!

Stakeholder-Analysen sind essenzielle Bausteine!

5G als Alternative für den Glasfaserausbau bis zur Tür?

(BS/Monika B. Arzberger*) Ohne eine fundierte Themen- und Stakeholder-Analyse machen weder Projektmanagement im Allgemeinen noch stark partizipativ geprägte Vorhaben einen Sinn. Vor allem in Beteiligungsverfahren bedeutet dies, dass aus einer grundsätzlichen Analyse der politischen Position eines Stakeholders eine detaillierte Akteursanalyse werden muss, die ggf. auch das einzelne Individuum in den Blick nimmt.

(BS/Adrian Bednarski) Die komplette Erschließung aller deutschen Haushalte mit Glasfaser würde 70 bis 80 Milliarden Euro kosten. Eine Summe, bei der vielen der Atem stockt, vor allem der Politik. Deshalb kamen Stimmen auf, den ländlichen Raum teilweise mittels 5G erschließen zu wollen, aber dies wurde kritisiert. Kam die Kritik jedoch auf der politischen Ebene an?

Doch was dürfen die Prozessverantwortlichen über den Einzelnen wissen und was darf wo wie dokumentiert werden? Verfahrensbeteiligte im Sinne der Verfahrensvorbereitung konstruktiv in den Blick zu nehmen, braucht keine komplexen Datenbanken, sondern Kenntnis der jeweiligen Situation, der Menschen und ein strukturiertes Vorgehen.

Unbedachte Beteiligungsverfahren Beteiligungsverfahren ist nicht gleich Beteiligungsverfahren. Was banal klingt wird in der Praxis oft nicht bedacht und führt meist zu unnötigen Verzögerungen. Gerade für die öffentliche Verwaltung ist es wichtig, sich frühzeitig über den Charakter des Verfahrens Gedanken zu machen und sich die Frage zu stellen, wer zu beteiligen ist. Während in raumprägenden Industrie- und Infrastrukturprojekten in der Regel die gesamte gesellschaftliche Breite von Anspruchsgruppen (= Stakeholdern) und Öffentlichkeit einzu-

beziehen ist, kennzeichnen sich Verfahren zur Erarbeitung neuer Handlungsstrategien oder Landesprogrammen durch eine themenspezifische Akteursauswahl.

Wer sitzt mit am Tisch? Oftmals wird sich auch in der Vorbereitung dieser Verfahren auf eine Medienanalyse beschränkt, um die Beteiligten zu charakterisieren. Das hat zwar den Vorteil, dass sich die Verantwortlichen nur auf bereits veröffentlichte Daten beziehen und sich Fragen des Datenschutzes nicht stellen. Für eine differenzierte Betrachtungsweise der Akteure reicht diese Form der Analyse jedoch nicht aus. Hier braucht es einen fundierten Wissensaufbau über die Beteiligten, nicht, um manipulativ Einfluss zu nehmen, sondern um das gesamte Verfahren – unabhängig vom Ergebnis – für alle zu einer sinnvoll investierten Zeit zu machen. Das ist wie bei einer Hochzeitstafel: Da tut das Brautpaar gut daran, genau zu

überlegen, wer mit wem zusammensitzt, wer mit wem welche gemeinsamen Anknüpfungspunkte hat oder welche Konstellation von Sitznachbarn garantiert die Veranstaltung platzen lässt. Es ergibt also Sinn, sich nicht allein mit “globalen Analysen”, sondern sich mit konkreten Menschen zu beschäftigten. Erfolgreiche Beteiligungsprojekte zeichnen sich dadurch aus, dass im Projektteam systematisch Wissen zu den beteiligten Akteuren zusammengetragen wird. Zusammen mit den Prozessbegleitern werden bisherige Erfahrungen gesammelt und ausgewertet. Zentral ist eben nicht nur die Beziehung “Verfahrensthema – Akteur”, sondern sind auch die Beziehungen “Verfahrensträger – Akteur” und besonders wichtig sind die Beziehungen der zu beteiligenden Akteure untereinander.

Wie an unserer Hochzeitstafel Nur weil alle Gäste das Brautpaar schätzen, heißt das noch lange nicht, dass alle Gäste ge-

meinsam gut feiern können. In der Praxis haben sich für diese Analysen vielfältige Instrumente bewährt. Egal ob Themenlandkarten, Stakeholder-Portfolios, Vier-Felder-Matrices oder Netzwerkanalysen – sie alle sind geeignet, das Wissen über Gruppen aber auch Individuen zu systematisieren. Das ist sicherlich im Interesse des Verfahrens, verlangt aber von den Projektverantwortlichen und den Prozessbegleitern eine hohe Sensibilität im Umgang mit dem Wissen über die und den Daten von Personen. Neben den grundsätzlichen Regeln und Vereinbarungen zur Vertraulichkeit ist in den Projekten von Anfang an sicherzustellen, dass personenbezogene Bewertungen nicht in die Hände Dritter gelangen und dass z. B. eine Verknüpfung mit Adressdatenbanken in der Organisation verhindert wird. *Monika B. Arzberger ist Geschäftsführerin der koiné GmbH, Agentur für Bürgerdialog und Konfliktklärung in Freising.

Das neue Bauvertragsrecht Wichtige Änderungen für öffentliche Auftraggeber (BS/Dr. Ute Jasper und Dr. Christopher Marx*) Seit dem 01.01.2018 gilt das neue Bauvertragsrecht. Auch öffentliche Auftraggeber müssen sich darauf einstellen. Die neue Rechtslage gilt für jeden Bauvertrag, den Auftraggeber seit Jahresbeginn bezuschlagen. Das Gesetz sieht insbesondere neue Regelungen für Leistungsänderungen vor. Jedem Bauvertrag liegt seit diesem Jahr das neue Bauvertragsrecht zugrunde. Neben den häufig erläuterten Effekten für private Bauherren wirkt es sich auch auf öffentliche Auftraggeber aus. Diese müssen ihre Vertragsentwürfe an die neue Rechtslage anpassen. Jeder Bauherr sollte sich bemühen, seine Planung nach Beauftragung der Bauunternehmen nicht mehr zu ändern. Gerade bei Pauschalverträgen sind Nachträge ein sicherer Weg, das ursprüngliche Budget zu sprengen. Trotzdem lassen sich Änderungswünsche nicht völlig vermeiden. Nach dem neuen Bauvertragsrecht gibt es erstmals ein gesetzliches Anordnungsrecht des Bauherrn – oft sogar gegen den Willen des Bauunternehmens. Nach § 650b BGB müssen Bauherr und Bauunternehmen bei

einem Änderungswunsch versuchen, sich über die Mehr- oder Minderkosten zu einigen. Hierfür erstellt das Bauunternehmen ein Nachtragsangebot. Können sie sich nach 30 Tagen nicht einigen, darf der Bauherr die Änderung trotzdem in Textform einseitig anordnen – hierfür genügt sogar eine E-Mail. Das Bauunternehmen muss diese Änderung umsetzen. Nur wenn es nachweisen kann, dass ihm die Bauausführung unzumutbar ist, darf es sie verweigern. Der Bauherr kann sogar eine einstweilige Verfügung erwirken, damit das Bauunternehmen die Änderung ausführt. Das Bauvertragsrecht gibt in § 650c BGB vor, wie sich die geänderte Vergütung berechnet: Maßgeblich sind die tatsächlich erforderlichen Kosten des Bauunternehmens mit angemessenen

Seminarangebot Die Neuerungen im Bauvertragsrecht werden in einem Seminar des Behörden Spiegel am 27. April 2018 in Düsseldorf thematisiert. Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort “Bauvertragsrecht”

Zuschlägen für Overhead, Wagnis und Gewinn. Hat der Bauherr eine Urkalkulation verlangt, ist diese maßgeblich. Diese Berechnungsmethode weicht deutlich von den Mehrvergütungsregelungen des § 2 Abs. 5, 6 VOB/B ab. Können sich die Beteiligten über

Zecken-Frey® 4 – 8 Std. effektiver Schutz vor Zecken und Mücken für die ganze Familie.

Stark in der Wirkung – Sanft in der Anwendung ! Wirkstoff IR3535 von der WHO für die Anwendung beim Menschen empfohlen sowie für unbedenklich erklärt Dermatologisch getestet Seit Jahren im Jagd-, Forst- und Outdoorbereich erfolgreich Auch bei Bundeswehr/Polizei im Einsatz Ohne Parfümöle Zecken-Frey sicher verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformation lesen.

Kontakt: HAGOPUR AG Tel. 08191 / 947 2010 • www.hagopur.de • www.hagopur-shop.de

die Mehrvergütung nicht einigen, darf das Bauunternehmen trotzdem Abschlagszahlungen verlangen. Diese betragen insgesamt 80 Prozent der Mehrvergütung aus dem Nachtragsangebot. Ohne Abschlagszahlungen muss das Bauunternehmen nicht weiterbauen. Das Anordnungsrecht des Bauherrn ist nur ein Beispiel für die Unterschiede zwischen der VOB/B und dem neuen Bauvertragsrecht. Mitte Januar hat der für die VOB/B zuständige Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen beschlossen, die VOB/B noch nicht an das neue Recht anzupassen. Zunächst will er die ersten gerichtlichen Entscheidungen abwarten. Dies ist ein Dilemma für öffentliche Auftraggeber. Nach § 8a VOB/A sollen sie die VOB/B zum Bestandteil des ausgeschriebenen Bauvertrages machen. Die VOB/B basiert leider weiterhin auf dem alten Werkvertragsrecht. Weicht der Bauherr von der VOB/B ab, unterliegt die VOB/B der vollständigen AGBKontrolle. Das heißt, dass die VOB/B-Klauseln unwirksam sind, die erheblich vom geltenden Recht abweichen. Es bleibt abzuwarten, wie Gerichte diese Unterschiede zwischen VOB/B und Bauvertragsrecht bewerten. Zusammengefasst sollten sich öffentliche Auftraggeber intensiv mit dem neuen Bauvertragsrecht beschäftigen. Zwar erscheint das neue Anordnungsrecht auf den ersten Blick hilfreich. Viele Tücken liegen jedoch im Detail. Dies gilt auch für Architekten- und Ingenieurverträge, die erstmals gesetzlich geregelt sind. *Dr. Ute Jasper und Dr. Christopher Marx sind beide Rechtsanwälte bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Die nächste Mobilfunk-Generation steht in den Startlöchern. Aber ist sie gleichermaßen auch ein Ersatz für einen flächendeckenden Glasfaserausbau? Foto: BS/© hywards, Fotolia.de

“Das an die Mobilfunknetzbetreiber bereits zugeteilte Frequenzspektrum – inklusive dem unter einem Gigahertz – wurde technologieneutral vergeben, sodass dieses Spektrum ab dem Zeitpunkt der Verfügbarkeit von 5GTechnik für 5G-Dienste genutzt werden kann”, sagte Michael Reifenberg, Sprecher der Bundesnetzagentur, dem Behörden Spiegel. Ergo ist Deutschland bereits teilweise 5G-fähig. Im Gegensatz zu den vergangenen Mobilfunkgenerationen, bei denen eine Generation die andere ersetz habe, würden bei 5G verschiedene Merkmale weiterentwickelt und verbessert. Der neuste Mobilfunkstandard LTE werde weiterhin unter 5G verwendet und könne so den ländlichen Raum versorgen. Aber: “Hierbei ist ein Glasfaseranschluss der Basisstationen an das dazugehörige Backbonenetz ein wichtiger Faktor.” Seitens der Breitbandverbände hagelt es Kritik, denn die Datenmengen würden ansteigen und dadurch auch das 5G-Netz an seine Grenzen treiben (siehe Behörden Spiegel, März 2018, Seite 21).

Keine Zukunft ohne Glas Petra Sitte, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke und Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda, plädiert für die Glasfasertechnik: “Nur Glasfaserkabel bringt die künftig nötigen Geschwindigkeiten und ist langfristig fortschrittsfähig.” In diesem Zusammenhang ist sich ihre Partei einig mit der SPD. Gustav Herzog, Berichterstatter der SPDBundestagsfraktion im gleichen Ausschuss, ergänzt, dass “es gleichwertige Anschlüsse- und Versorgungsbedingungen in den Ballungsräumen und dem ländlichen Raum” geben müsse. Die 5G-Technologie könne kein

“vollwertiger Ersatz” hierfür sein. Deshalb positioniert sich die SPD und fordern eine entsprechende Versorgungsauflage für die Vergabe der 5G-Frequenzen (siehe dazu Seite 23). Eine Ansicht, die sie mit der CDU/CSU teilen. Seitens der Union wurde noch einmal untermauert, wie Deutschlands Glasfaserzukunft gestaltet wird: “Unser Ziel ist Glasfaser in jeder Region und jeder Gemeinde, möglichst direkt bis zum Haus. Hierfür investieren wir 4,4 Milliarden aus der alten Wahlperiode und weitere zehn bis zwölf Milliarden Euro”, so Thomas Jarzombek, digitalpolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Fraktion.

Verkauf der Telekom? Aber Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP möchten bezüglich der Finanzierung einen weiteren Weg einschlagen: “Ich habe erhebliche Zweifel daran, ob die Finanzierung der Förderung in dieser Legislatur und erst recht darüber hinaus sichergestellt ist,” so Manuel Höferlin, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. “Wer die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ernst meint, darf die digitale Infrastruktur nicht außen vor lassen. Diese möchten wir durch den Verkauf der Bundesanteile an der Telekom und zusätzliche Steuermittel finanzieren,” so Margit Stumpp, Sprecherin für Bildungs- und Medienpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Fazit: Von den sechs Parteien im deutschen Bundestag sehen fünf in der 5GTechnologie keinen vollwertigen Ersatz zum Glasfaserausbau für den ländlichen Raum. Seitens der AfD-Bundestagsfraktion lag bis Redaktionsschluss keine Antwort vor.

MELDUNG

Kölner Breitband-Koordinator (BS/ab) Köln benennt seinen eigenen Breitband-Koordinator. Thomas Rossbach übernimmt diese Position, um den Ausbau und die Fortentwicklung der Kölner Breitbandstrukturen, wie das Glasfasernetz, das WLAN-Netz und die Funktechnologien, vo­ ranzutreiben. Vorher war er bei NetCologne tätig und hat Breitband-Projekte begleitet. Die Stadt

habe eine Glasfaserabdeckung von 55 Prozent der Haushalte sowie 85 Prozent bei den Unternehmen. Um diese weiter auszubauen, sei er stadtweit mit der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und den Bürgern in Kontakt. Auch kümmere er sich um die Bundes- und Landesförderprogramme und deren Umsetzung, so Koordinator Rossbach.


Kommunale Infrastruktur / Smart City

Behörden Spiegel / April 2018

Seite 23

Frequenzvergabe in der Vorbereitung

“Wir müssen Gas geben”

Zuteilung nur bei flächendeckendem Ausbau für 5G

Die Liberalisierung als Motor

(BS/Gerd Lehmann) Die Bundesregierung will, dass die Mobilfunkanbieter schon bald die für ein 5G-Netz erforderlichen Frequenzen erwerben und sich verpflichten, das Netz flächendeckend auszubauen. Um das Vergabeverfahren so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen, sammelte die Bundesnetzagentur Vorschläge von allen Interessenten ein. Nun soll entschieden werden, wie die Frequenzen für das Netz der Zukunft vergeben werden. Es geht um die Zukunft, um die Realisierung der Vision einer rundum vernetzten Welt, die in Echtzeit Daten über ein Mobilfunknetz transportiert. Und der neue Mobilfunkstandard 5G bietet dafür alle Vo­ raussetzungen. Gegenüber dem heutigen Standard LTE weist 5G kaum merkliche Latenzzeiten, eine um den Faktor 100 höhere Datenkapazität und eine mehr als tausendfach schnellere Datenübertragung auf. Er ermöglicht Anwendungen mit hohen Anforderungen an den Datenaustausch wie zum Beispiel 4K-Video-Streaming, Virtual Reality, Augmented Reality und Echtzeit-Kamera-Feeds. Sicher ist, dass allein schon die Nutzung von Medien über ein 5G-Mobilfunknetz wesentlich individueller, flexibler und vielfältiger als heute sein wird. Ein bedeutsames 5G-Einsatzfeld dürfte zudem die Industrie 4.0 mit ihren vernetzten Wertschöpfungs- und Lieferketten, der breitflächigen Sensorüberwachung von Produktionsanlagen und miteinander interagierenden Robotern sein. Im Fokus stehen auch die Themen Mobilität 4.0, Smart City und Smart Home.

Deutschland soll Leitmarkt werden Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition sieht vor, den Ausbau der Mobilfunkversorgung zu forcieren und Deutschland zum Leitmarkt für 5G zu entwickeln. Demzufolge sollen die Frequenzpolitik und die frequenzregulatorischen Festlegungen der Re-

V

ideo-Streaming, InternetTV und die wachsende Bedeutung von Cloud-Computing sind nur einige der Trends, die in den kommenden Jahren für rasant steigende Bandbreitenbedarfe sorgen werden. Einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) zufolge werden im Jahr 2025 über 75 Prozent aller Nachfrager in Deutschland Bedarf an Bandbreiten von mindestens 500 MBit/s im Down- und 300 MBit/s im Upload haben. Die Bedarfe von Unternehmen liegen noch weit darüber. GlasfaserAnschlüsse sind die einzige Infrastruktur, die alle aktuellen und künftigen Bedarfe abdeckt und somit Wachstumschancen und Innovationen ermöglicht. Die moderne Technologie ermöglicht Internet-Geschwindigkeiten von bis zu 100 GBit/s – das ist über 1.000-mal schneller als DSL.

Vorhandene GlasfaserInfrastruktur optimal nutzen Für Kommunen und kommunale Unternehmen sind der Aufbau und die Erweiterung eines eigenen Glasfasernetzes daher eine wichtige Investition in die Zukunft und die Standortattraktivität. Die von 1&1 Versatel entwickelten Kooperationsmodelle helfen ihnen, vorhandene Glasfaser-Infrastruktur optimal zu nutzen und zu vermarkten. Dabei können die kommunalen Unternehmen bzw. Stadtwerke flexibel bestimmen, in welcher Intensität sie die eigene Infrastruktur bewirtschaften und nutzen möchten. Je nach angestrebter Marktrolle ergeben sich verschiedene Wertschöpfungsmodelle und Möglichkeiten der Kooperation im Hinblick auf Vermarktung, Dienste, Netzbetrieb aktiver Komponenten und Betrieb passiver Infrastruktur. Möchte

(BS/ab) Das Ziel 2025 ist die Gigabit-Gesellschaft. “Im Koalitionsvertrag haben wir uns richtig festgelegt, die Infrastruktur soll flächendeckend auf Glasfaser setzen”, so Annegret Kramp-Karrenbauer. Die CDU-Generalsekretärin eröffnet die großen Herausforderungen, aber erinnert gleichzeitig an einen entscheidenden Treiber des Ausbaus: die Versorgung mit 5G soll an Bun- rechtlichen Vertrag verankert Liberalisierung. desfernstraßen und in zeitlicher Perspektive abgestuft auch im nachgeordneten Straßennetz und an allen Bahnstrecken sichergestellt sein. Um den Ausbau in bisher unterversorgten Gebieten wirtschaftlicher zu machen, will die Regierung den Mobilfunkanbietern durch entsprechende Änderungen im Telekommunikations- und Kartellrecht für ein nationales Roaming Absprachen erlauben.

Vorhaben umstritten

Die Fünf nicht nur auf, sondern auch in der Straße. Glasfasernetze werden die Zukunftstechnologie 5G ermöglichen. Bevor diese jedoch kommt, müssen die Frequenzen vergeben werden, die Planung des Verfahrens befindet sich im vollen Gange. Aber es hagelt Kritik. Foto: BS/squidish, CC BY 2.0, flickr.com

gulierungsbehörde sicherstellen, dass es zu einer verlässlichen und lückenlosen Mobilfunkversorgung insbesondere im ländlichen Raum kommt. Die Lizenzvergabe soll mit Ausbauauflagen kombiniert werden, um bestehende Lücken zu schließen und 5G dynamisch aufzubauen. Es soll die Vorgabe gelten: Neue Frequenzen nur gegen eine flächendeckende Versorgung. Die

Das Vorhaben der Regierung stößt auf Kritik. Selbst die Bundesnetzagentur hält eine Universaldienstverpflichtung für unangemessen. Der Branchenverband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) warnt vor einer Gefährdung der Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber durch die Frequenzregulierung. Wird der flächendeckende Ausbau vorgeschrieben, müssten die Netzbetreiber massiv investieren, weil ein 5G-Netz angesichts der geringeren Reichweite bei hohen Frequenzen viel enger aufgebaut werden muss als andere Netze. Das heißt, dass viel mehr Basisstationen als bisher erforderlich sind und diese wiederum an eine gute Glasfaserinfrastruktur anzubinden sind. Nach Auffassung des Verbandes ist der Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber Vorrang einzuräumen. Daher sollten Versorgungsauflagen lediglich als freiwillige Verpflichtungen seitens der Netzbetreiber in einem öffentlich-

werden. Im Gegenzug sollte die Politik auf eine gewinnmaximierende Frequenzauktion verzichten und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen. Der Ausbau in wirtschaftlich unrentablen Gebieten sollte zudem bedarfsgerecht und gezielt mit öffentlichen Mitteln gefördert werden (mehr zu VATM siehe im Beitrag rechts).

Höchste Eile geboten Es ist nicht damit zu rechnen, dass den Lösungsvorschlägen des Verbandes – Verzicht auf eine gewinnmaximierende Frequenz­ auktion und Bereitstellung von Fördermitteln für den Aufbau von 5G in wirtschaftlich unrentablen Gebieten – gefolgt wird. Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition sieht vor, dass die Erlöse aus der Frequenzversteigerung in einen Investitionsfonds eingebracht und zweckgebunden für den Glasfaserausbau bereitgestellt werden. Die Regierung geht dabei von einem Förderungsbedarf von zehn bis zwölf Milliarden Euro allein in der laufenden Legislaturperiode aus. Mit Spannung darf nun erwartet werden, welche Vorschläge zu der anstehenden 5G-Frequenzauktion im Rahmen der Konsultation noch unterbreitet werden und mit welchen Eckpunkten und Regeln das Vergabeverfahren letztendlich auf den Weg gebracht wird. Damit der kommerzielle Betrieb von 5G in Deutschland – wie geplant – spätestens 2020 aufgenommen werden kann, ist höchste Eile geboten.

“Der Ursprung für die Erfolgsgeschichte Deutschland: Am Anfang der BRD stand nach der Wende die Entscheidung dafür, mutig zu sein, Freiheiten zu schaffen und weg von der Planwirtschaft zu kommen. Es entwickelte sich hin zu unserer heutigen sozialen Marktwirtschaft”, resümierte die Generalsekretärin. Die Liberalisierung insbesondere der Telekommunikationsbranche habe einem Kulturkampf geglichen. “Aber diese vielfältige Unternehmenslandschaft und ihre Geschäftsmodelle sind gleichzeitig der größte Erfolg”, so Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur.

5G ist unabdingbar! Heutzutage wird weniger darüber diskutiert, was getan werden muss, sondern wie es umgesetzt wird, ein Beispiel ist das 5G-Netz. “Wir brauchen es als nächste Generation der technischen Entwicklungen. Aber wir schwimmen auch hier nicht vor der Welle. Wir wollen zum Leitmarkt werden und müssen dafür Gas geben”, betonte Kramp-Karrenbauer auf einer Festveranstaltung des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). Die Versteigerung sei zwar mit Auflagen verbunden, aber über diese werde noch diskutiert, damit die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen weiterhin erhalten blieben. “Alles, was freiwillig vertraglich zwischen den Unternehmen und den Bürgern

Mit Lichtgeschwindigkeit durchstarten! Kooperationen für kommunales Highspeed-Internet (BS/Walter Denk) Strom, Gas, Wasser, Verkehr – und schnelles Internet: Die Erweiterung des eigenen Produktportfolios spielt für kommunale Unternehmen eine immer bedeutendere Rolle. Im Fokus steht dabei, dem Kunden ein möglichst breites Service-Spektrum aus einer Hand zu liefern und so die eigene Marke zu stärken sowie den regionalen Footprint zu vergrößern. Hier bietet der auf Glasfaser spezialisierte Telekommunikationsanbieter 1&1 Versatel maßgeschneiderte Kooperationsmodelle zur bestmöglichen Nutzung bestehender Glasfaser-Infrastruktur in kommunaler Hand sowie zur Erschließung von Gewerbegebieten. sich ein Stadtwerk neben ternet. Gemeinsam können seiner Rolle als EnergieverKommunen und Telekommunikationsanbieter die hosorger auch als verlässlicher hen Bandbreiten liefern, die Partner für Telekommunikafür die fortschreitende Digitionsdienste positionieren, talisierung benötigt werden. kann 1&1 Versatel LeistunSo kann Deutschland der gen in verschiedene Bereiche Sprung ins Gigabit-Zeitalter einbringen. Diese reichen gelingen! vom technischen Betrieb des kommunalen GlasfasernetGigabit-Bandbreiten für zes über die Bereitstellung Unna von maßgeschneiderten TelekommunikationsvorBeispiele für Kooperationen leistungen – sogenannten zwischen unserem UnterWhite-Label-Produkten – bis nehmen und der kommuhin zur Geschäftskundennalen Wirtschaft finden sich Vermarktung oder der Überin ganz Deutschland – unnahme von Servicediensten. ter anderem in den Städten Münster, Kassel, Solingen Die Kommunen entscheiden, sowie in Rostock. Auch in ob der Telekommunikationsanbieter den jeweiligen Unna arbeiten 1&1 VersaStadtwerke bestimmen flexibel, in welcher Intensität sie ihre Glasfaser-Infrastruktur bewirtschaften. Wertschöpfungsschritt nur tel und die Stadtwerke eng Grafik: BS/1&1 Versatel unterstützen oder komplett zusammen, um Unterneherbringen soll. men im gesamten Stadtgederselben Infrastruktur eigene idealerweise unter SchirmherrIn der Praxis kann sich dies Produkte für Firmen inklusive schaft des (Ober-)Bürgermeisters. biet mit Gigabit-Bandbreiten zu zum Beispiel so darstellen, Rund-um-die-Uhr-Service an. Im Rahmen einer umfassenden versorgen und schaffen so im dass wir die Stadtwerke einer Perspektivisch können kommu- Infrastrukturinitiative haben wir Schulterschluss die nötigen VoKommune beim Betrieb ihres nale Unternehmen darüber hi­ seit 2015 so bereits über 100 raussetzungen, damit diese von Netzes unterstützen und es für naus ihre Glasfaser-Anschlüsse Gewerbegebiete erschlossen und der Digitalisierung profitieren sie dadurch vermarktungsfähig über die 1&1-Versatel-Open- diese an unser Glasfasernetz an- können. 1&1 Versatel vergrömachen. Dabei bieten wir dem Access Plattform auch anderen gebunden. ßert durch die Kooperation seine kommunalen Unternehmen nicht Nachfragern vermieten und so Von den beschriebenen Ko- Netzabdeckung und bietet auf nur Know-how im Netzbetrieb, ihr eigenes Netzwerk noch besser operationsmodellen profitieren der derzeit 100 Kilometer umfassondern stellen ihm auch Tele- auslasten. alle Beteiligten: Kommunen senden Glasfaser-Infrastruktur Zudem erschließen wir gemein- und Stadtwerke finden dank der Stadtwerke innovative Prokommunikationsvorleistungen für Privatkunden, wie Telefonie-, sam mit Kommunen Gewerbege- des Know-hows von Telekom- dukte mit Gigabit-Bandbreiten Internet- und TV-Produkte, be- biete mit Gigabit-Bandbreiten. munikationsanbietern wie 1&1 für Unternehmen an. Darüber reit. Diese können die Stadtwerke Die Identifizierung geeigneter Versatel die passgenaue Lösung, hinaus wollen die Stadtwerke dann wiederum unter eigenem Gebiete für den Glasfaseraus- um eine Glasfaser-Infrastruktur und 1&1 Versatel das bestehenNamen an Privatkunden ver- bau geschieht dabei jeweils aufzubauen, zu betreiben, zu de Glasfasernetz kontinuierlich markten. Gleichzeitig betreut in enger Zusammenarbeit mit vermarkten oder ihr Netz opti- erweitern und beispielsweise Ge1&1 Versatel als Geschäftskun- den lokalen Wirtschaftsförde- mal auszulasten. Privatkunden werbegebiete in Unna an das denspezialist die ansässigen Un- rungen, Breitbandbeauftragten und Unternehmen surfen mit Glasfasernetz der Stadtwerke ternehmen und bietet ihnen auf und Bürgervertretern – sowie zukunftsfähiger Glasfaser im In- anbinden.

Annegret Kramp-Karrenbauer, CDUGeneralsekretärin, widmet sich der Liberalisierung als essenziellem Motor der deutschen Telekommunikationsbranche. Foto: BS/VATM

beziehungsweise Bundesländern festgelegt wird, ist besser, als wenn es gesetzlich geregelt werden muss”, so ihr Resümee. Ihr Parteikollege Thomas Jarzombek, Digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagfraktion, sagte ergänzend: “Ab Mai soll die 5G-Versteigerung starten.” Aber viel dringender sei die Vereinfachung des Breitbandförderprogramms. Von den 4,5 Milliarden Euro, die durch die Versteigerung der alten DVBT-Frequenzen zusammengekommen seien, seien keine 100 Millionen Euro ausgegeben worden. “Ergo: Das Programm ist zu kompliziert. Vor der Sommerpause müssen wir mit einem neuen Fördersystem glänzen, sonst können auch die geplanten zehn bis zwölf Milliarden Euro nicht verbaut werden”, so sein Resümee.

“Netze aufzubauen und professionell zu betreiben, darin haben wir als Stadtwerke viel Know-how und jahrzehntelange Erfahrung. Dieses Wissen nutzen wir im Sinne unserer Kunden auch im Bereich der Glasfasernetze. Wir freuen uns, dass durch unsere Zusammenarbeit mit 1&1 Versatel Unnaer Unternehmen künftig mit hohen und stabilen Bandbreiten versorgt werden können”, sagt Jürgen Schäpermeier, Geschäftsführer der Stadtwerke Unna. Kooperationen wie die in Unna zeigen deutlich, wie wichtig es ist, bei der Erschließung Deutschlands mit Glasfaser nachhaltig und vernetzt zu denken. Um den Aufbau eines flächendeckenden Gigabit-Netzes voranzutreiben, sind die Investitionen eines einzelnen Anbieters nicht ausreichend. Stattdessen müssen Kommunen und Telekommunikationsanbieter an einem Strang ziehen, denn in Zusammenarbeit kann das Potenzial bestehender passiver Infrastruktur optimal ausgeschöpft und es können die “weißen Flecken” auf der Breitbandlandkarte in eine flächendeckende Glasfaser-Infrastruktur umgewandelt werden.

Walter Denk, Vorsitzender der Geschäftsführung von 1&1 Versatel Foto: BS/1&1 Versatel


Kommunale Ordnung

Seite 24

K

ommunale Sicherheit, das ist ein weites Feld. Es betrifft die Stadtentwicklung, den Städtebau, die Vorbeugung vor äußeren Gefahren ebenso wie den Brand- und Werkschutz, die Sicherheit im öffentlichen Raum ebenso wie in eigenen Schulen, Museen und Kliniken, die Sicherheit in Veranstaltungsräumen und Grünanlagen, die Sicherheit in Wohnvierteln ebenso wie in Geschäftsvierteln und dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Sicherheit wird vom Bürger im unmittelbaren Lebens- und Arbeitsumfeld erlebt oder vermisst. Deshalb bestimmt das Ausmaß kommunaler Sicherheit wesentlich das Sicherheits- oder Unsicherheitsgefühl der in der Kommune lebenden und arbeitenden Menschen. Ein wichtiger Partner ist neben der Polizei die Sicherheitswirtschaft. Beauftragt von Unternehmen, Veranstaltern oder Hauseigentümern, schützen Sicherheitsdienstleister Wohnhäuser, Gewerbeobjekte und öffentlich zugängliche Hausrechtsbereiche. Sie schützen den Ablauf von Massenveranstaltungen und ihre Besucher sowie den ÖPNV in Großstädten. Im Rahmen von Sicherheitspartnerschaften zwischen Innenministern beziehungsweise Polizeien der Bundesländer und dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) oder einzelnen Sicherheitsunternehmen sind deren Beschäftigte gehalten, bei Tätigkeiten und Fahrten im öffentlichen Raum auf polizeirelevante Vorkommnisse zu achten und solche Vorfälle unverzüglich an die vereinbarte Stelle zu melden. Die IT-Dienstleister sichern kommunale Informationssysteme und Digitalisierungsprozesse. Kriminalitätsbezogene Indikatoren für die kommunale Sicherheit sind vor allem das Ausmaß von Wohnungseinbrüchen und von Straßenkriminalität. Insbesondere beim Wohnungseinbruch ist nach einem Anstieg von 2006 bis 2015 um insgesamt 57,5 Prozent seit 2016 und nach den vorliegenden Kriminalstatistiken auch 2017 ein deutlicher Rückgang festzustellen. Dass fast jeder zweite Wohnungseinbruch inzwischen im Versuchsstadium steckenbleibt, macht das steigende Sicherheitsbewusstsein der Bürger und die Bedeutung der mechanischen und elektronischen Sicherheitstechnik deutlich. Aber das sind keine Gründe, die Hände jetzt in den Schoß zu legen. Mehr als 1,3 Millionen Delikte der

Behörden Spiegel / April 2018

Auch Gemeinden sind in der Pflicht Gewährleistung von Sicherheit ist nicht nur eine polizeiliche Aufgabe (BS/Reinhard Rupprecht*) Für Sicherheit im Lande zu sorgen, ist primär Aufgabe der Polizeien des Bundes und der Länder und ihrer Sicherheitsbehörden. Das entbindet aber die Kommunen nicht von ihrer Pflicht, für die Sicherheit im Ortsbereich Sorge zu tragen. Diese Pflicht ist Teil der kommunalen Daseinsfürsorge und in einzelnen Gesetzen verankert. Straßenkriminalität registrierte die Polizeiliche Kriminalstatistik 2016. Das sind 150 pro Stunde. So ist es nur folgerichtig, dass die Polizeien des Bundes und der Länder nach dem aktuellen Koalitionsvertrag um 15.000 Stellen verstärkt werden und auch Städte ihre Präventionsanstrengungen erhöhen (siehe Behörden Spiegel, März 2018, Seite 42). Seit August 2017 fördert auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein Verbundprojekt “Sicherheit im Bahnhofsviertel (SiBa)” mit dem Ziel der Entwicklung eines praxistauglichen, generalisierbaren Präventionskonzepts. Das Potenzial der privaten Sicherheitsdienstleister mit ihren über 260.000 Beschäftigten zur Unterstützung der kommunalen Sicherheit ist noch längst nicht ausgeschöpft. Dazu bedarf es allerdings des grundsätzlichen Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit dieser Branche, die von der Innenministerkonferenz (IMK) schon 2009 und nun auch durch die Ankündigung eines eigenständigen Gesetzes im neuen Koalitionsvertrages als eine Säule in der Architektur der Inneren Sicherheit bewertet wird. Wohnungsbaugesellschaften könnten kompetente, ressourcenstarke Sicherheitsdienstleister mit der Bestreifung, sicherheitstechnischen Ausrüstung und Kontrolle auch großflächiger Wohnquartiere beauftragen. Gleiches gilt für Einzelhandelsgeschäfte. Der für die Umsetzung kommunaler Verordnungen und Satzungen und für die Bestreifung von Grünanlagen sowie oft schlecht beleuchteten Angsträumen zuständige Kommunale Ordnungsdienst (KOD) ist oftmals zahlenmäßig zu schwach und in manchen Städten auch fachlich nicht ausreichend ausgebildet. So können Nachtzeiten und Wochenenden, in denen die Bestreifung besonders wichtig wäre, meist nicht abgedeckt werden. Und städtische Angestellte verursachen hohe Personalkosten. Die Beauftragung von Sicherheitsdienstleistern, den KOD durch eigene oder gemischte

Streifen zu unterstützen, hätte mehrere Vorteile: Qualifizierte und in der Arbeitszeit flexible Einsatzkräfte könnten gerade auch zu dienstungünstigen Tages- und Wochenzeiten eingesetzt werden und wären letztlich kostengünstiger. Ihre Effizienz würde durch eine gesetzliche Beleihung der sonst nur mit den Befugnissen des Privatrechts ausgestatteten Kräfte mit den relativ niedrigstufigen Hoheitsbefugnissen der Personenanhaltung, Personalienfeststellung und des Platzverweises wesentlich

gestärkt werden. Die Kommune könnte auch zusammen mit der Polizei, dem kriminalpräventiven Rat und einem ressourcenstarken Sicherheitsdienstleister eine Gesamtkonzeption kommunaler Sicherheit entwickeln und alle privatisierbaren Sicherheitsfunktionen einer zusammen mit dem Unternehmen gegründeten Beteiligungs- oder Führungsgesellschaft übertragen, an der die Kommune sich mit 51 Prozent beteiligt und damit ihre politische Gesamtverantwortung wahrnehmen kann.

Vorbilder sind die Münchner UBahnwache und die Hamburger Hochbahngesellschaft. Dem Beispiel der Polizei folgend, könnten ferner großstädtische Ordnungsämter nicht-kommerzielle Ordnungspartnerschaften nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit zuverlässigen Sicherheitsdienstleistern schließen und so veranlassen, dass Beschäftigte dieser Unternehmen auf ordnungswidrige Umstände – etwa illegale Abfalllagerungen oder neue Graffitischäden – besonders achten und dem Ordnungsamt auf einem

vereinbarten Weg unverzüglich melden. Voraussetzung für eine so verstärkte Einbindung von privaten Sicherheitsfirmen in verschiedene Funktionsbereiche der kommunalen Sicherheit ist deren nachgewiesene Zuverlässigkeit und Kompetenz, Infrastruktur und Qualifikation der einzusetzenden Mitarbeiter. Diese Voraussetzungen sind im geltenden Gewerberecht normiert und sie werden in dem angekündigten eigenständigen Gesetz strenger und detaillierter geregelt werden, auch durch normative Verknüpfung mit der neuen DIN-Norm 77200. In ihr werden als Voraussetzung einer Zertifizierung allgemeine und funktionsspezifische Anforderungen festgelegt. *Reinhard Rupprecht ist ehemaliger Polizeibeamter und inzwischen Berater von Securitas Deutschland.

Vier Wochen feiern – aber wie? Public Viewing soll ein Fest für alle sein (BS/Matthias Kreuz*) Nahezu jede Stadt in Deutschland wird sich mit dem Thema Public Viewing zur diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft auseinandersetzen. Viele vermissen die Unbeschwertheit und Leichtigkeit, die eine solche Veranstaltung in der Vergangenheit ausgezeichnet hat – und dennoch werden auch 2018 die Fanmeilen großen Zuspruch erfahren. Im Laufe der letzten Jahre hat sich das Public Viewing zu einem festen Bestandteil der sportlichen Freizeitkultur entwickelt. So ist neben dem Unterhaltungswert und der Feierlaune auch ein zum Teil attraktiver wirtschaftlicher Wert im Umfeld der Veranstaltung entstanden. Ebenso ist eine Entwicklung zu sehen, bei welcher die Fanmeilen als Besucher- und Tourismusmagnet eine bedeutende Rolle spielen. Daher ist bei Städten ein vitales Interesse zu sehen, bei dem Public Viewing stellvertretend für eine attraktive und offene Stadtkultur wirbt.

Sicherheitskonzept muss gebilligt werden Das Angebot von Public Viewing wird derzeit von privaten Events geprägt. Oft sind es Kooperation zwischen privaten Veranstaltern und Sponsoren, die ein solches Event planen und durchführen. Zum Teil sind es aber auch kommunale Veranstalter, die im Rahmen des Stadt- oder Tourismusmarketings Public Viewing ausrichten. Bei der Umsetzung und Genehmigung von Public Viewing müssen die Verantwortlichen in den kommunalen Be-

hörden eine qualifizierte Risikobewertung und ein daraus resultierendes Sicherheitskonzept billigen. In diesem Zusammenhang werden dieses Jahr große Herausforderungen auf Ordnungsbehörden, Fachplaner und Veranstalter zukommen. Die Erwartungen eines unterhaltsamen und erfolgreichen Public Viewings teilen zugleich Besucher, Veranstalter und Kommunen. Um diese Erwartungen zu erfüllen, bedarf es einer dezidierten und inhaltlich anspruchsvollen Auseinandersetzung mit möglichen Risikobewertungen, Gefahrenlagen und adäquaten Sicherheitskonzepten. Vor dem Hintergrund einer OpenAir-Veranstaltung, die zum Teil bis weit nach 23 Uhr stattfindet, sind möglichst komplexe und wenig auffällige Sicherheitslösungen wünschenswert.

abgestimmte Komponenten, ist allwettertauglich, flexibel planbar, mit visuellen, optischen und akustischen Sicherheits- und Event-Managementlösungen ausgestattet und bietet für Veranstalter und Sicherheitsdienst optimale Arbeitsbedingungen. Zudem ist die Kosten- und Einsatzsicherheit im Verhältnis zur qualitativen Verbesserung der Sicherheitsleistung, gegenüber konventionellen Lösungen, von nennenswertem Vorteil. MOVETOS hat bei seinem Roll-

out in München vor Kurzem allen geladenen Gästen die Fähigkeiten und den Nutzen mobiler EventSicherheitstechnik erfolgreich vorgestellt. Neben der Vermietung wird MOVETOS spezielle Seminare für Städte und Kommunen anbieten, welche die Grundlagen und Voraussetzungen für eine verbesserte Eventsicherheit zum Inhalt haben. *Matthias Kreuz ist Technischer Leiter bei MOVETOS.

Technische Systemkomponenten mit Vorteilen Dabei bieten technische Systemkomponenten, die in das Gesamtkonzept der Sicherheit eingebunden sind, entscheidende Vorteile. Eine professionelle technische Sicherheitslösung beinhaltet aufeinander

MOVETOS hat kürzlich die Fähigkeiten und den Nutzen mobiler Event-Sicherheitstechnik präsentiert (Foto). Foto: BS/MOVETOS


Digitaler Staat Behörden Spiegel

A

lle gemeinsam – Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft – müssten den unbedingten Willen zur aktiven Gestaltung der Zukunft haben, forderte Staatsministerin Dorothee Bär vor dem Auditorium im bis an die Kapazitätsgrenzen gefüllten Premierensaal des ehemaligen Kinos KOSMOS. “Es wäre gut, wenn die Verwaltung in Zukunft an der Spitze voranmarschieren möchte”, so Bär weiter. Den Fachkongress Digitaler Staat bezeichnete sie dafür als wichtigen Impulsgeber und hob die proaktive Herangehensweise hervor, nicht über das “Ob”, sondern nur über das “Wie” der Digitalisierung zu diskutieren.

“Ambitionierter Plan” Mit Blick auf die notwendige Beschleunigung der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung wies Bär auf den “ambitionierten Plan” von Union und SPD für das E-Government laut Koalitionsvertrag hin. Als eines der zentralen Projekte für die aktuelle Legislaturperiode nannte sie das Bürgerportal. Wichtig sei es hier, zu zeigen, welche Gewinne an Lebensqualität eine durchgängige Nutzung von elektronischer Identifikation und einmalige Datenerhebung (Once-Only) in einer flächendeckend vernetzten Landschaft von Verwaltungsdienstleistungen bringen können. “Jeder soll am Ende

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / April 2018

Digitale Champions League im Visier

NKR-Vorsitzende auch die Verlagerung der Verantwortlichkeit für IT-Steuerung des Bundes vom Bundesinnenministerium ins Bundeskanzleramt.

achten auf die Notwendigkeit der Registermodernisierung in Deutschland aufmerksam gemacht. Hier sei dringender Handlungsbedarf ersichtlich, dazu seien aber auch derzeit noch offene (daten-)rechtliche Fragen zu klären, damit rechtssicher gelöst sei, wer in welchem Fall auf welche Daten zugreifen dürfe. Unter Verweis auf die starke juristische Prägung der Verwaltung – nicht zuletzt auf der Ebene der Ministerialbeamten – forderte Ludewig einen Kulturwandel dergestalt, dass Maßnahmen ergriffen würden, um die Vollzugstauglichkeit der Gesetze in der digitalen Welt zu gewährleisten. Der NKR habe hier schon entsprechende Arbeiten geleistet, die in einen Leitfaden für Gesetzgebungsreferenten münden sollen. Auf diesem Wege sei es auch möglich, Standards eines digitalen Verwaltungsrechts zu schaffen. Ein Thema, an dem der NKR schon lange arbeitet sei das Normenscreening im Hinblick auf die Abschaffung des Schriftformerfordernisses für möglichst viele Verwaltungsverfahren. Ludewigs Ansatz ist hier klar: Er forderte in Berlin eine Beweislastumkehr, sodass der Gesetzgeber bei jeder neuen Regelung begründen müsse, warum dieses zwingend der Schriftform bedürfe.

Bescheidene Bilanz

Kein Weiter-so-wie-bisher

Neben dem Lob goss er jedoch auch reichlich Wasser in den Wein. Die Bilanz der letzten vier Jahre sähe doch eher bescheiden aus. Zwar habe man mit Blick auf die Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) zwar verstanden, welche Bedeutung das Thema habe, mit den bislang vom Bund eingeplanten 500 Millionen Euro für dessen Umsetzung wird man aber nach seiner Ansicht nicht auskommen. Auch habe der NKR zuletzt in einem Gut-

“Die Verwaltung kann in ihrem Kern nicht so weitermachen wie bisher”, stellte Ludewig klar. Es sei zudem nicht genug, lediglich nur die bestehende Strukturen zu digitalisieren. Man müsse vielmehr die “Prozesse neu denken”. Nachdem die Verwaltungsreformer Stein/Hardenberg als erster “Think Tank” die deutsche Verwaltung lange Zeit geprägt hätten, sei nun – inmitten der digitalen Revolution – die Zeit für eine Neugestaltung gekommen.

Aufbruchstimmung muss nun in konkretes Handeln münden (BS/Benjamin Stiebel/Guido Gehrt) Für Leidenschaft und Optimismus warb Dorothee Bär (CSU) vor über 1.400 Zuhörern in ihrer Eröffnungsrede zum Fachkongress Digitaler Staat 2018, den der Behörden Spiegel gemeinsam mit zahlreichen Partnern am 20./21. März in Berlin veranstaltete. “Wir müssen uns einig sein, dass wir in der digitalen Champions League spielen wollen”, sagte sie bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt in ihrer neuen Funktion als erste Staatministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt. Wenn man in Europa und weltweit bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zu den besten aufschließen will, wird dies nur mit einem tiefgreifenden Kultur- und auch Strukturwandel in der Verwaltung möglich sein, daran ließ der Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrates, Dr. Johannes Ludewig, keinen Zweifel. spüren können, dass Digitalisierung nicht nur das Land voranbringt, sondern auch jedem Einzelnen etwas bringt”, so Bär. “Die Bürger werden die Verwaltung in Zukunft deutlich schneller, flexibler und komfortabler erleben.” So sei es sinnvoll, dass Eltern nach der Geburt ihres Babys das Kindergeld antraglos beziehen könnten. Auch die Gründung von Unternehmen könne mit durchdachten digitalen Prozessen vereinfacht werden. Sobald ein Gründer ein Startup anmelde, regte Bär an, sollte er direkt Informationen über alle relevanten Förderprogramme bekommen, statt sie sich mühevoll selbst erarbeiten zu müssen.

Transparenz herstellen Damit die Bürger solche Angebote bereitwillig annähmen, sei aber Vertrauen in die Digitalisierung nötig, räumte Bär ein. Dazu würden die Behörden viel beitragen können, indem

Dorothee Bär (li.) hielt ihre erste öffentliche Rede als neue Staatsministerin für Digitalisierung. Ihr Anspruch: das allerbeste aus der Digitalisierung machen. Auch der NKR-Vorsitzende Dr. Johannes Ludewig (re.) betonte die Chancen der Digitalisierung für die öffentliche Verwaltung. Hierzu bedürften deren Strukturen jedoch einer grundlegenden Neugestaltung

sie transparent machten, was mit den Daten der Bürger geschieht und welche positiven Effekte sich aus deren Verarbeitung ergeben könnten. “Die Digitalisierung steht nicht vor der Tür – sie ist schon längst da”, stellte Bär klar. “Wir müssen

Das KOSMOS bot als ehemaliges Kino einen idealen Rahmen, um die Geschichte des Digitalen Staates um eine spannende Episode mit bekannten wie neuen Akteuren zu erweitern. Fortsetzung folgt! Großer Andrang im Hauptsaal, obwohl das Hauptprogramm parallel noch in zwei weitere Säle und die Ausstellung übertragen wurde. Fotos: BS/Dombrowsky

schauen, dass wir das Allerbeste daraus machen.” Die Berufung Bärs zur Staatsministerin für Digitalisierung begrüßte der Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrates (NKR), Dr. Johannes Ludewig. Dies sei insbesondere positiv, da das Thema Digitalisierung dadurch endlich auf die politische Ebene gehoben worden sei. Er zeigte sich erleichtert, dass man sich gegen die Bildung eines eigenen Digitalisierungsministeriums entschieden habe, welches in seinen Augen nur zusätzlichen “Ballast” geschaffen hätte. Mit Dorothee Bär, dem neuen, “sehr digitalisierungsaffinen” Kanzleramtsminister Helge Braun und dem IT-Beauftragten der Bundesregierung für Informationstechnik, Klaus Vitt, sei nun ein “Dreieck” geschaffen worden, welches hinsichtlich der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung neue Möglichkeiten schaffe. In diesem Zusammenhang begrüßte der

FACHKONGRESS 2.–3. April 2019, Berlin

DIGI T ALER

STAAT

JETZT VORMERKEN!

03. Juli 2018 in Stuttgart

Baden-Württemberg 4.0 Die Digitalisierung von Kommunen, Land und Verwaltung aktiv gestalten Im Juli 2017 hat die Landesregierung Baden-Württemberg die Digitalisierungsstrategie „digital@bw“ verabschiedet, um die Chancen der Digitalisierung für das Land zu nutzen und es so zu einer Leitregion des Digitalen Wandels in Deutschland und Europa zu machen. Ein Jahr nach der Verabschiedung der Strategie bietet der Kongress eine gute Gelegenheit, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen, aber auch um – im intensiven gegenseitigen Austausch – die nächsten Schritte der Digitalisierung bei Kommunen und Land sowie deren Verwaltungen in den Blick zu nehmen. Schirmherr:

Eine Veranstaltung des

Referent u.a.: Thomas Strobl

Stefan Krebs

Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg

Chief Information Officer (CIO) und Chief Digital Officer (CDO) der Landesregierung Baden-Württemberg

››› www.bw-4-0.de ‹‹‹

#bw40

in Zusammenarbeit mit


Behörden Spiegel / April 2018

Seite 26

D

as berichtete Prof. Jörn von Lucke, Direktor des Lehrstuhls für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformation an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen. Zudem zeigte sich der Wissenschaftler überzeugt: “Es wird sicherlich der elektronische Kanal sein, mit dem die Bürger in Zukunft auf die Verwaltung zukommen werden.” Gleichwohl seien der schriftliche, der telefonische und der persönliche Kontaktkanal zwischen Bürger und Verwaltung damit keineswegs obsolet, unterstrich der Forscher. Vielmehr brauche es ein Mehrkanal-Management in der öffentlichen Verwaltung. Dies könne horizontal oder vertikal aufgebaut sein.

Mehrkanal-Management notwendig Bürger erwarten Verwaltungshandeln aus einer Hand (BS/Marco Feldmann) Die Bundesbürger haben zum Teil hohe Ansprüche an die öffentliche Verwaltung. So wollen sie unter anderem ein Verwaltungshandeln aus einer Hand im Sinne eines One-Stop-Services sowie proaktive Verwaltungsleistungen. Des Weiteren wollen sie digitale Verwaltungsangebote nutzen können und E-Government sowie IT-Sicherheit und Datenschutz erfüllt sehen.

OZG: nur Flickenteppich bis 2022? Als eine “Herkulesaufgabe” bezeichnete von Lucke die Verpflichtung von Bund, Ländern und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsdienstleistungen auch elektronisch anzubieten. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Online-Zugangsgesetz (OZG). Von Lucke sieht jedoch die Gefahr, dass bis zu diesem Zieldatum nur ein “Flickenteppich” entstehe. Ungeachtet dessen plädierte der Professor dafür, den Ansatz des Bürgertelefons 115 mittelfristig in den Portalverbund zu integrieren. Darüber hinaus verlangte von Lucke, verschiedene Verzeichnisse zu erstellen. Notwendig seien unter anderem eine Übersicht über alle deutschen Gebietskörperschaften sowie ein Verzeichnis über jegliche Verwaltungsdienstleistungen. Auch Beate Lohmann, Abteilungsleiterin im Bundesinnenministerium (BMI), gab 2022 als Zieljahr für den Portalverbund an. Zugleich verlangte sie: “Wir müssen die Mehrwerte der Digitalisierung gemeinsam heben.” Denn: Ohne Digitalisierung gehe es in der öffentlichen Verwaltung nicht mehr. Der Anpassungsdruck sei riesig. Es gehe ein “kleines Erdbeben durch die Verwaltung”, berichtete Loh-

Umsetzung ohne weitere finanzielle Mittel unmöglich

Diskutierten über die Herausforderungen eines Portalverbundes (v.l.n.r.): Dorothea Störr-Ritter, Klaus Vitt, Matthias Kammer (Moderator), Mathias Oberndörfer und Prof. Dr. Jörn von Lucke.

mann. Schließlich werde jeder Arbeitsplatz von der Digitalisierung betroffen sein, wenn auch in unterschiedlichem Maße.

Mitarbeiter bei Digitalisierung mitnehmen Aus diesem Grunde komme es auch entscheidend darauf an, die Beschäftigten beim Digitalisierungsprozess mitzunehmen. Immerhin veränderten sich dadurch Arbeitsweisen, Aufgaben und Kulturen zum Teil grundlegend. Gelinge dieser Wandel jedoch, bringe er eine höhere Effektivität und Effizienz der öffentlichen Verwaltung mit sich, zeigte sich die Abteilungsleiterin überzeugt. Schließlich könnten dann etwa zentrale Infrastrukturen sowie gemeinsame Register genutzt werden. An einer Ent-

wicklung führe gleichwohl kein Weg vorbei: “Wir werden lernen müssen, lebenslang zu lernen.” Der Chief Digital Officer (CDO) Hamburgs, Christian Pfromm, gab zu bedenken, dass die Digitalisierung ein Transformationsprozess sei. Dementsprechend führe die verstärkte Bereitstellung von Online-Dienstleistungen auch dazu, dass interne Verwaltungsabläufe und -prozesse verändert werden müssten. Dies habe auch Auswirkungen auf die Arbeitsplätze der Beschäftigten, war sich Pfromm mit Lohmann einig. Zudem sei Digitalisierung ein gesamtgesellschaftliches Thema, das Auswirkungen auf alle Lebensbereiche habe. Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI) und Beauftragter der Bundesre-

Bürger mitnehmen Kunden-Feedback bei Digitalisierung der Verwaltung besonders wichtig (BS/mfe) Um die Akzeptanz der Veränderungen, die mit einer fortschreitend digitalisierten Verwaltung einhergingen, zu erhöhen, müssten Kunden und Bürger immer wieder um Rückmeldung gebeten werden. Anders könnten sie bei diesem Prozess nicht wirksam mitgenommen werden, erläuterte Dr. Markus Schmitz. Eine radikale Bürgerorientierung sei zwingend erforderlich, so der Generalbevollmächtigte und Chef der IT der Bundesagentur für Arbeit (BA). Aus diesem Grunde wolle die BA den direkten Kundenkontakt, allen Digitalisierungstendenzen und -prozessen zum Trotz, auch auf jeden Fall aufrechterhalten. Der persönliche Kontakt zwischen Mitarbeitern und Bürgern solle durch digitale Kanäle nur ergänzt, keineswegs ersetzt werden, erläuterte Schmitz, der bereits seit 2005 bei der BA tätig ist. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass die Kundschaft Online-Angebote bereits heute stark nutze und es schon erste Ansätze einer digitalen Arbeitsagentur gebe. So habe die BA im vergangenen Jahr rund 120 Millionen Besucher auf ihrem neuen Online-Portal verzeichnet. Zudem seien 2017 bereits 800.000 Anträge auf Arbeitslosengeld internetgestützt gestellt worden. Dies habe für die BA erhebliche Konsequenzen: “Wir müssen unsere Arbeitsweisen komplett umstellen.” Für die Kunden wiederum habe die Digitalisierung positive Folgen. So könne etwa der neue Antrag auf Auszahlung von Kindergeld deutlich schneller ausgefüllt werden als die Vorgängerversion. Dauerte dieser Vorgang früher durchschnittlich noch neun Minuten, seien es mittlerweile nur noch zwei, berichtete Schmitz. Und er unterstrich: “Wenn jemand mit unseren Online-An-

gruppen mit der Verwaltung. Hierfür erhielt sie Zuspruch von Marc Reinhardt, Head of Public Sector and Health bei Capgemini. Er betonte: “Die Digitalisierung der kommunalen Eben ist die Königsdisziplin.” Schumann räumte allerdings auch ein: “Wir kennen die Bedürfnisse der Bürger nicht ausreichend.” Eine andere Forderung erhob Dorothea Störr-Ritter, Landrätin im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und Mitglied im Nationalen Normenkontrollrat. Sie verlangte: “Wir brauchen einen Digitalisierungspakt, in dem sich Bund, Länder und Kommunen auf Augenhöhe wiederfinden.” Noch besser sei ein Staatsvertrag. Was es bei der Digitalisierung der Verwaltung hierzulande jedoch keineswegs geben dürfe, seien Insellösungen, so Störr-Ritter.

gierung für Informationstechnik, wiederum kündigte an, dass der Portalverbund ab Oktober dieses Jahres schrittweise aufgebaut werden solle. In diesem Zusammenhang verlangte Mathias Oberndörfer, Bereichsvorstand für den öffentlichen Sektor bei KPMG, aber: “Wir brauchen digitale Anwendungen.” Und er forderte, die Verwaltung bei der Digitalisierung mitzunehmen. Das müsse gelingen, auch wenn es sich um eine Mammutaufgabe handele.

gen können. Und: Im gesamten Digitalisierungsprozess dürfe der Wunsch zahlreicher Bürger nach Nähe zur Verwaltung nicht unterschätzt werden, verlangte die Kommunalpolitikerin. Dies gelte insbesondere für (werdende) Eltern. Sie hätten die meisten Kontakte aller Bevölkerungs-

Überzeugt zeigte sie sich zudem, dass die Umsetzung des Portalverbundes nicht ohne zusätzliche finanzielle Mittel möglich sein werde. Darüber hinaus bemängelte Störr-Ritter in Hinblick auf die öffentliche Verwaltung: “Momentan geht es noch stark darum, das bisherige analoge Leben digital zu machen.” Auch kritisierte sie, dass es keine bundesweit einheitliche Lösung zur E-Akte gebe. Einig war sich die Landrätin aus dem Breisgau mit dem KPMGVertreter Oberndörfer übrigens, dass die Digitalisierung vor keinen Grenzen haltmache.

Kunde will es möglichst einfach haben Ramona Schumann, Bürgermeisterin der niedersächsischen Stadt Pattensen, bezeichnete die Einführung des Portalverbundes als überfällig. Schließlich wolle der Kunde es im Kontakt mit der Verwaltung möglichst einfach haben und mit einer ID möglichst viele Dienstleistungen in Anspruch nehmen oder staatliche Leistungen beantra-

Verlangte das gemeinsame Heben der Mehrwerte der Digitalisierung: Beate Lohmann, Abteilungsleiterin im Bundesinnenministerium. Fotos: BS/Dombrowsky

Technik ist nicht das Wichtigste Kulturwandel muss Innovationen begleiten (BS/lkm) “Technik ist nicht innovativ. Technik ist nicht die Innovation, die wir brauchen.” Jürgen Fritsche von msg machte deutlich, dass es beim digitalen Wandel um mehr geht als nur um die Frage nach der richtigen Technik.

Plädierte für eine Bürgerorientierung bei der Digitalisierung der Verwaltung: Dr. Markus Schmitz von der Bundesagentur für Arbeit. Foto: BS/Dombrowsky

geboten nicht umgehen kann, gibt es immer eine persönliche Beratung.”

Neue Beratungsformen einrichten Gleichwohl kündigte er auch an, dass die BA künftig immer mehr Verfahren und Vorgänge digitalisieren und teilautomatisieren wolle. Des Weiteren sollten zusätzliche Beratungswege, zum Beispiel in Form eines Videochats, etabliert werden. Man dürfe sich bei der Digitalisierung nämlich nicht nur auf den Leistungsbereich beschränken, sondern müsse auch die Beratung im Blick behalten.

Außerdem plane die BA, ihre Selbst-Assessment-Tools weiterzuentwickeln und ihren digitalen Campus auszubauen. Dies zeige, dass die Digitalisierung ein kontinuierlicher Prozess sei. Und: “Der digitale Kanal ist ein Thema der täglichen Führung.” Schließlich habe man damit – neben dem persönlichen und dem schriftlichen Kontakt – einen dritten, wichtigen Kanal bereitgestellt. Ungeachtet dessen stehe die BA vor einer großen Herausforderung, schloss Schmitz. Die Verfahren zur Beantragung von Hartz IV und Grundsicherung müssten ins Online-Zeitalter überführt werden.

Die OECD definiere beispielsweise vier Typen von Innovation: die Produkt-, die Prozess-, die Marketing- und die Organisationsinnovation. “Da ist nirgends von Technik die Rede”, so Fritsche. Bei Innovationen gehe es hauptsächlich um Produkte und Services. Am Beispiel eines Eisberges machte der IT-Experte deutlich, dass es dabei einen sichtbaren sowie einen weitaus größeren unsichtbaren Bereich gebe. So seien Services von der Verwaltung für den Bürger sichtbar, während Services, die die Arbeit innerhalb der verschiedenen Behörden und untereinander vereinfachten, meist unsichtbar für den Betrachter von außen. Der größte Hebel für Innovationen innerhalb der Verwaltung seien die Prozess- und Organisationsinnovationen, die – um beim Beispiel des Eisberges zu bleiben – ganz tief unter Wasser den größten Teil des Kolosses ausmachten. Doch warum dominiert dennoch in der Diskussion um Innovationen meist die Technik? Hierfür hat Fritsche eine klare Antwort: “Der wahre Kern der Innovation liegt im Wandel des Menschen, das ist das wirklich dicke Brett.

Da traut sich keiner ran und redet deswegen lieber über Technik.” Stattdessen solle mehr über den Wandel, den Innovationen für die Menschen bedeuteten, geredet und Innovationen in der Kultur verankert werden, damit sie auch zum Wandel und Fortschritt führten. In anderen Ländern sei man schon weiter als in Deutschland. So könne man beispielsweise in Estland eine E-Identity beantragen und damit E-Resident

des Landes werden. Damit ist man zwar kein Staatsbürger, kann aber mit der digitalen ID verschiedene Services der estnischen Regierung in Anspruch nehmen. In Delaware sind Unternehmensgründungen über das Internet in wenigen Minuten möglich. “In Deutschland brauche ich dafür vier bis sechs Monate. Diese langen Wartezeiten kann ich nicht dafür nutzen, Business zu machen”, kritisierte Fritsche.

Ohne einen Kulturwandel seien Innovationen nur sehr schwer auf den Weg zu bringen, erläuterte Jürgen Fritsche von msg. Foto: BS/Dombrowsky


Seite 27

Behörden Spiegel / April 2018

B

earbeitungsstaus könnten vermieden oder zumindest merklich reduziert werden, fehlerhafte Sachbearbeitung könnte korrigiert werden und eine digitalisierte Post würde zusätzlich die Umwelt schonen, da sie den Papierverbrauch deutlich he­ runterfahren würde. Während es vereinzelt bereits teilautomatisierte Massenverfahren in den Kommunen gibt, wie beispielsweise die Ausstellung von Strafzetteln, müssen stetig weitere Prozesse erschlossen werden und der mittelfristige Blick hin zu einer Vollautomatisierung gehen.

Erst mal muss die Basis gelegt werden Daher plädierte Dr. Martin Deeg, Leiter des IT-Systemhauses bei der Bundesagentur für Arbeit (BA), auf dem Fachkongress Digitaler Staat für eine Einplanung von automatisierten Prozessen schon bei der Konzeption von Verwaltungsdiensten. Der Fokus solcher Konzepte müsse dabei auf der Kundenperspektive liegen, “da wir als Behörden nunmal Dienstleistungen anbieten. Und der Kunde will unsere Dienstleistungen sofort, jederzeit

Die Verwaltung der Zukunft Vollautomatisierte Prozesse bieten große Chancen zur Effizienzsteigerung (BS/Wim Orth) Die Automatisierung unserer Gesellschaft schreitet unaufhörlich voran. Viele Flughafen-Shuttles fahren heute schon ohne Fahrer und die Entwicklung autonomer Autos und Lkw-Flotten ist ebenfalls schon lange keine ferne Zukunftsvision mehr. Die Automatisierung der öffentlichen Verwaltung hingegen bewegt sich trotz aller Digitalisierungsbemühungen eher gemächlich. Dabei gibt es viele Felder, in der automatisierte Prozesse die behördliche Arbeit effizienter machen könnten. und überall nutzen können”. Als Basis für solche Dienste sieht Deeg ein auf Medienbruchfreiheit und Ende-zu-Ende ausgelegtes Prozesssystem. In dieselbe Kerbe schlug auch Roland Jab­ kowski, Co-CIO beim Hessischen Finanzministerium. Er sieht die Ende-zu-Ende-Services als große Herausforderung, “aber die Bürger sind es gewöhnt und erwarten das auch von den Diensten der öffentlichen Verwaltung”. Jabkowski erweiterte die definierten Grundlagen noch um die Einführung des Once-OnlyPrinzips: “Die Customer Experience als Pflichtaufgabe sollten wir erstmal ordentlich erfüllen und die Vollautomatisierung ist dann die Kür.” In Hessen sei für die Implementierung dieser Basisprinzipien das Projekt der “Digitalen Modellbehörde”

ins Leben gerufen worden, um Grundlagen für die digitale Verwaltungsarbeit zu entwickeln. Als grundsätzliches Ziel sieht er eine Implementierung von Künstlicher Intelligenz (KI) und Automatisierung, wo immer es möglich ist. Dr. Markus Richter, Abteilungsleiter für Infrastruktur und IT beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), sprach sich in der Diskussion vor allem dafür aus, mutiger zu werden, “auch wenn dadurch mal Fehler passieren. Die Fehler kann man beheben und aus ihnen für die Zukunft lernen.” Gleichzeitig seien aber auch Schulungen wichtig, damit Sachbearbeiter sich nicht nur auf automatische Systeme verlassen, denn die Verantwortung verbleibe schließlich beim Menschen. Bei Fragen mit

Diskutierten Wege zum vollautomatisierten Verwaltungsakt: (v.l.n.r) Roland Jabkowki (Co-CIO des Landes Hessen), Dr. Martin Deeg (IT-Systemhaus der Bundesagentur für Arbeit), Dr. Matthias Flügge (Fraunhofer FOKUS/Moderator), Dr. Markus Richter (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), Dr. Kay Ruge (Deutscher Landkreistag) und Thomas Langkabel (Microsoft). Fotos: BS/Dombrowsky

Ermessensspielraum sieht der gültige Rechtsrahmen ohnehin keinen Einsatz automatisierter Systeme vor.

Chatbots entwickeln sich stetig weiter Eine Automatisierungslösung, die heute schon in vielen Kommunen und auch Bundesländern genutzt wird, ist der Govbot. Die Software aus dem Hause des Düsseldorfer Unternehmens publicplan dient als Chatangebot für die Bürger und kann in so gut wie jedes digitale Umfeld implementiert werden, sei es eine Webseite, eine App oder eine FacebookPräsenz der Behörden. Der Bürger kann in einem Chatfenster mit einer künstlichen Intelligenz in Kontakt treten und Fragen zu behördlichen Anliegen

Im Kinosaal des KOSMOS ging es dabei weniger um Science-Fiction als um eine realistische Perspektive für die Nutzung von Automatisierung und Künstlicher Intelligenz in den Behörden.

stellen. So kann das Bonner Angebot “Botty” beispielsweise den aktuellen Rheinstand anzeigen oder zur Auswahl von Wunschkennzeichen genutzt werden. Auch Services wie die Regularien für einen neuen Personalausweis können abgefragt werden, inklusive Terminvereinbarung im Bürgerbüro. Die Software arbeitet dabei auf Basis von Datenbanken, Open Data und behördlichen Angeboten wie dem Zuständigkeitsfinder. So sind die kommunalen Bots auch in der Lage, den Bürger bei fremden Zuständigkeiten direkt an die für ihn passende Stelle weiterzuleiten. Im Rahmen des Digitalen Staates schloss der Govbot-Entwickler eine Partnervereinbarung mit dem IT-Dienstleister Materna, um in Zukunft zusammen weitere Lösungen für

das digitale Verwaltungstool zu entwickeln. In einem gemeinsam ausgerichteten Fachforum präsentierte Sören Müller aus dem Innovation Center von Materna einige Möglichkeiten, mit denen der Govbot in Zukunft erweitert werden könnte: “Wenn ich den Bot in einer App nutze, könnte er mich ja beispielsweise per Push-Nachricht daran erinnern, wenn ich meinen Reisepass oder Personalausweis verlängern muss.” Und auch für den internen Einsatz bei Behörden könne der Bot genutzt werden, zum Beispiel zur Führung von Mitarbeitern durch bestimmte Vorgänge oder zum Einlernen neuer Leute. Für generelle Erklärungen könnte der Bot auch Videos integrieren, um intern und extern Sachverhalte leichter verständlich zu machen. Generell waren sich alle Forumsteilnehmer einig, dass der Bot aktuell auf einige Fragen noch zu bürokratisch antwortet oder schlicht behördliche Formulierungen abruft und im Fenster darstellt. Hier müsse noch daran gearbeitet werden, die Informationen auf kundenfreundlichere und somit einfachere Art und Weise darzustellen.

Dr. Christian Knebel, Geschäftsführer von publicplan, und Johannes Rosenboom, Vice President Business Development and Marketing Businessline Government bei Materna, wollen den Govbot gemeinsam fit für die digitale Zukunft machen.

Auf den Weg machen

Gemeinsam etwas schaffen

Kulturwechsel und Kooperationen für digitale Erfolge

Neues Behördennetzwerk NExT stellt sich vor

(BS/wim) Um die öffentliche Verwaltung fit für die Herausforderungen der digitalen Zukunft zu machen, ist eine Abkehr von den monolithischen (BS/wim) Um einen effizienten Austausch bei der Konzeption von MaßStrukturen notwendig, mit denen die behördlichen IT-Systeme seit Jahrzehnten betrieben werden. Stattdessen sollte der Weg freigemacht werden nahmen bei der digitalen Transformation in der Verwaltung zu schaffen, für innovative Strukturen, die eine agile Softwareentwicklung zulassen und effizientere Prozessabläufe gewährleisten. hat sich Anfang des Jahres das behördenübergreifende Netzwerk NExT gegründet, das sich auf dem Digitalen Staat erstmals der Öffentlichkeit me Datennutzung bei den Behör- da man bei diesem Thema noch präsentierte. Dessen Arbeit verteilt sich auf sechs “Werkstätten”. Auf dem Fachkongress Digitaler

Staat skizzierte Jan Gottschick, Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Fraunhofer FOKUS, die bisherige Software-Tradition in der Behördenwelt als “charakterisiert von langen Entwicklungszeiten, wenig Flexibilität, hohen Betriebskosten und einer mangelhaften Skalierbarkeit.” Um alle diese Faktoren so gut wie möglich zu verbessern, schlägt der Wissenschaftler stattdessen eine Mischung aus Agilität und Microservices vor, die größtenteils auf Cloud-Technologie basieren sollten. So sollten große Vorhaben in mehrere kleine Projekte untergliedert werden, um die Entwicklung einzelner Komponenten zu verkürzen und die Skalierbarkeit des Gesamtproduktes zu verbessern. Gleichzeitig ginge nach Ansicht von Gottschick damit auch eine gute Kombinierbarkeit der einzelnen Kleinprojekte einher. Als Beispiel für ein agiles Arbeitsprinzip nannte der Fraunhofer-Experte die Arbeit nach der Scrum-Methode, bei der jedes Projekt in kleine sogenannte “Sprints” unterteilt wird, um in kurzer Abfolge greifbare Ergebnisse sichtbar machen zu können.

BAMF war zum Handeln gezwungen Nach dem Scrum-Prinzip arbeitet beispielsweise das IT-Labor im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), welches im vergangenen Sommer eingeweiht wurde. Im BAMF war die Flüchtlingskrise der vergangenen Jahre Auslöser für ausgiebige Experimente in der IT-Abteilung,

Dr. Markus Richter vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sieht vor allem in der Mischung aus Transparenz und Leistungsfähigkeit ein großes Plus der BlockchainTechnologie. Foto: BS/Dombrowsky

um durch Automatisierung der riesigen Herausforderungen Herr zu werden, die plötzlich über die Behörde hereinbrachen. So ist die Nürnberger Behörde beispielsweise die weltweit einzige, die eine Software besitzt, mit der arabische Akzente und Dialekte auf elektronischem Wege einer Region zugeordnet werden können. Die größte Hürde bei solchen IT-Projekten ist – im BAMF ebenso wie in allen anderen Behörden – der Datenschutz, erklärt René Böcker, Gruppenleiter für Prozesse, Informationstechnik und Projektmanagement beim BAMF: “Die Technik kann heutzutage schon viel mehr, als die rechtlichen Rahmenbedingungen zulassen.” So ist eine gemeinsa-

den immer noch sehr schwierig, obwohl dem BAMF im Zuge der Flüchtlingskrise vom Gesetzgeber einige begrenzte Möglichkeiten eröffnet wurden, um die Arbeit effizienter zu machen und somit den riesigen Datenhaufen schneller bearbeiten zu können. Für Böcker hat die Krise gut gezeigt, zu welchen Leistungen die eigenen IT in der Lage ist. Dennoch solle man “nicht nur dann neue Wege gehen, wenn es zum Krisenfall kommt, sondern auch sonst offen für Neues sein.” Beim BAMF sei vorher nie Geld für ITAbteilungen freigegeben worden und erst nach Beginn der Krise investiert worden. Seitdem hat sich beim BAMF aber viel getan, sodass es im April zum ersten Mal eine hausinterne Schulung geben wird, bei der der Leiter des IT-Labors, selbst durch Weiterbildungen zum “Agile Coach” ausgebildet, nun persönlich die eigenen Kollegen aus- und weiterbilden kann.

Auch bei der Blockchain in der Vorreiterrolle Ein weiteres Projekt, für das im BAMF derzeit ein Proof of Concept ausgearbeitet wird, ist die Nutzung der Blockchain in ausgewählten Prozessen. Für Dr. Markus Richter, Abteilungsleiter für Infrastruktur und IT beim BAMF, bietet die Blockchain vor allem “eine wertvolle Mischung aus breiter Performanz und Nachvollziehbarkeit, da sich immer nachvollziehen lässt, wer in der Blockchain etwas angepackt hat”. Gleichzeitig ist in der Behörde noch Basisarbeit nötig,

komplett auf neuen Wegen unterwegs sei, wie Richter betonte. Für Joachim Lohkamp, Co-Initiator und Vorstandsmitglied im Blockchain-Bundesverband, sind vor allem ein sinnvoller gesetzlicher Rahmen und die gesellschaftliche Implementierung wichtig: “Transparenz ist beim Thema Blockchain unabdingbar, um eine Akzeptanz bei den Bürgern zu erreichen.” Ein Beispiel für die erfolgreiche Implementierung der Blockchain in den Behördenalltag ist die Stadt Zug in der Schweiz. Martin Würmli, Stadtschreiber in Zug, was in etwa dem deutschen Kämmerer entspricht, plädiert für einen mutigen Umgang mit der neuen Technologie. Die Schweizer haben sich schon früh mit der Blockchain beschäftigt und sind zudem die weltweit erste Behörde, die den Bitcoin als Zahlungsmittel anerkennt: “Wenn wir alles vorher genau abgewogen hätten, wären wir damit vermutlich heute noch dran. Stattdessen haben wir die Sache einfach mal ausprobiert, ohne einen genauen Plan zu haben.” Inzwischen gibt es in Zug eine Digitale Identität auf Blockchain-Basis in einer eigenen App, die von der Verwaltung authentifiziert und anschließend unabänderlich fixiert wird. Mit dieser Identifikation kann im Alltag das Handy als Ersatz für den Personalausweis genutzt werden. Dabei bietet die Blockchain große Sicherheiten, denn gehackt wurde dieses Prinzip bisher aufgrund seiner Struktur noch nie. Probleme gab es lediglich mit dazugehörigen, aber extern ablaufenden Diensten.

Diese werden jeweils von einem Panelmitglied geleitet und sollen zusammengenommen einen breiten Rahmen konzeptioneller Herausforderungen der Digitalisierung abdecken. So gibt es unter anderem Arbeitsgruppen zu Themen wie “Digitale Projekte”, wo beispielsweise Projekte zur Digitalisierung von Unterstützungsprozessen behandelt werden, die in mehreren Behörden auf gleiche Weise durchgeführt werden können. Im Themenbereich “Neue Technologien” soll eine Agenda von themenspezifischen Experten-Communities erstellt werden mit dem Ziel, Best-Practice-Lösungen und Proof-of-Concept-Portfolios zu entwickeln. Und beim Feld “Organisation und Arbeitsweise” soll die interne und externe Kommunikation koordiniert werden. Die Teilnehmer des Netzwerkes sehen sich dabei als Macher, die abseits der aktuellen Politik etwas bewegen wollen, wie Dr. Markus

Richter vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärt: “Es geht uns nicht darum, theoretische Konzepte zu diskutieren. Wir wollen Dinge umsetzen und das mit größtmöglicher Praxisnähe tun.” Das Netzwerk hat sich gegründet, da die Entscheider in den beteiligten Behörden oft auf gleiche Probleme stoßen und eine Möglichkeit suchten, sich auf Augenhöhe darüber auszutauschen, um ein gemeinsames Verständnis zu erarbeiten und in der Folge Lösungen zu finden. In Zukunft will sich das NExTPanel mindestens zweimal im Jahr treffen, um sich über aktuelle Projekte auszutauschen. Dabei wollen die Experten erstmal im behördlichen Kreis bleiben, zielgerichtet aber auch externe Akteure einbeziehen. Der Behörden Spiegel als Me­ dien­partner wird zukünftig re­ gelmäßig über die Aktivitäten des Netzwerks NExT berichten.

Behörden Spiegel-Chefredakteur R. Uwe Proll stellte das NExT-Panel auf dem Digitalen Staat vor. Die Mitglieder des Netzwerks wollen nicht mehr nur über theoretische Ideen reden, sondern aktiv und behördenübergreifend die Digitalisierung vorantreiben. Foto: BS/Dombrowsky


Behörden Spiegel / April 2018

Seite 28

“N

orwegen hat sich digital hochgekämpft, dies geschah jedoch vielmehr aus einem nicht unerheblichen Problemdruck. “Unsere Gesellschaft wird älter, unsere Öl- und Gasgewinnung versiegt langsam und unsere Steuern gehen runter”, erklärte Paul Chaffey, Staatssekretär im norwegischen Ministerium für öffentliche Verwaltung und Modernisierung. Dies müsse aufgefangen werden. “Wir mussten den Haushalt effizienter gestalten und Einsparpotenziale seitens der Regierung verwirklichen. Deshalb modernisierten wir uns”, so der Staatssekretär. Lars Frelle-Petersen, seit März Geschäftsführer für Digitalisierung des dänischen Industrieverbandes, nährt sich dem Thema humorvoll. “Die Wahrheit ist, Norwegen hat von uns geklaut, aber wir auch von ihnen”, erläuterte er den engen Austausch zwischen den Ländern. Dänemark ist da angekommen, wo wir gerne wären. Aktuell seien die Behörden dort nämlich digital besser aufgestellt als viele Unternehmen.

Digitalisierung fernab von Floskeln Norwegen: Nicht alles Gold, was glänzt

(BS/Adrian Bednarski) Deutschland gehört europaweit nicht zu den digitalen Vorreitern. Dies wird deutlich, wenn Vertreter aus Norwegen oder Fortschritt bringt Probleme mit sich Dänemark ihre digitale Wirklichkeit skizzieren. Aber auch die Skandinavier mussten im Zuge der digitalen Transformation viel dazulernen und befanden sich auch teilweise auf Irrwegen. Deutschland kann nicht nur von ihren Best-Practice-Beispielen, sondern auch aus ihren Fehlern lernen. Dies sei mit dem “Once-Only”Dafür wiederum, muss Deutschland lernen, nicht nur über Digitalisierung zu diskutieren, sondern sie gleichwohl umzusetzen. Prinzip abgerundet worden.

Nach Dänemark im vergangenen Jahr war Norwegen diesmal Partnerland des Fachkongresses. Staatssekretär Paul Chaffey (li), norwegisches Ministerium für öffentliche Verwaltung und Modernisierung, und Lars Frelle-Petersen, Geschäftsführer beim dänischen Industrieverband, gaben Einblicke in Entwicklungen und Herausforderungen der skandinavischen Digitalisierung. Fotos: BS/Dombrowsky

Wie modernisiert man sich? Um dies in Norwegen zu schaffen, seien vor allem Prinzipien und Prioritäten festgelegt worden. Eines der Prinzipien sei “Digital-by-Default”, welches 2014 eingeführt wurde. Bereits vorher wurden erste Prozesse und Abläufe digitalisiert. Aber jenes Prinzip gelte als “essenziell”, so Chaffey, weil alles, was digitalisiert werden könnte, solle auch digital abgewickelt werden. “Aber obwohl das Angebot da war, nutzten die Bürger es aus Gewohnheit nicht”, war FrellePetersens Resümee auf das dänische digitale Angebot. Deshalb sei in Dänemark die digitale Kommunikation verpflichtend eingeführt worden, indem keine Briefe, sondern nur E-Mails an die Bürgerkonten versandt wurden. Analog könnten die Bürger trotzdem noch ihre Behördengänge erledigen, aber viele nutzten die digitalen Möglichkeiten, weil es einfacher sei. Dies führt zum nächsten entscheidenden Punkt – dem Bürger. Dänemark habe es deshalb leichter gehabt als Deutschland, weil die Dänen größeres Vertrauen in den Staat hätten. Der Geschäftsführer pointiert es: “Sie erwarten sogar, dass der Staat ihre Daten besitzt und diese sinnvoll nutzt. Wir wissen viel über unsere Bürger.” Ein Beispiel hierfür sei die Steuererklärung. “85 Prozent unserer Bürger brauchen für eben diese nur fünf bis zehn Minuten. Denn die Steuererklärung wird automatisch aus den vorhande-

nen Daten generiert,” so FrellePetersen, der bis Ende Februar Unterstaatssekretär im dänischen Finanzministerium war. In einem bestimmten Zeitraum im Jahr werde deshalb die Erklärung einsehbar gemacht, damit die Bürger diese nachrechnen und nachvollziehen könnten, sie müssten sie aber nicht mehr selbst erstellen. Norwegen ist dahingehend Deutschland ähnlicher. Sie hätten den Bürgern die Wahl gelassen, ob sie digital oder analog den Service und die Dienstleistungen des Staates in Anspruch nehmen möchten. Aber vor allem: “Auch wir mussten das Vertrauen zu den Bürgern aufbauen. Wir hatten auch viele Probleme in der Anfangszeit, die das Vertrauen zu den digitalen Services untergraben haben”, merkte Tor Alvik, Head of Department der Agency for Public Management and eGovernment, an. Alviks Lehren daraus: “Starten sie nicht zu groß und fokussieren sie sich auf Qualität und Benutzerfreundlichkeit. Es braucht nicht von heute auf morgen eine breite Angebotspalette, sondern bauen sie schrittweise aus.” Es seien den Bürgern “gute” Angebote zurückgegeben worden und damit sei das Vertrauen wieder erhöht worden. “Sie müssen die digitalen Angebote für unterschiedliche Zielgruppen anpassen und dies konsequent beachten.” Ein Beispiel hierfür sei das “Lederfinger-Phänomen”.

Älteren Menschen trockneten die Finger aus, wodurch sie Touchdisplays schwieriger bedienen könnten und das Angebot eben nicht nur für Tablets und Smartphones ausgelegt werden dürfte. Den Bürger im Fokus zu haben, sei entscheidend, so Cathrine Holten, Abteilungsleiterin Digitalisierung im norwegischen Broennoesund Register Center. “Der Bürger braucht und behält die Datenhoheit. Er entscheidet, welche Behörde welche Daten erhalten darf.” Somit würden diese an die jeweils passende Behörde geschickt und der Datenschutz eingehalten, so Holten.

Keine Technologie = keine Digitalisierung Aber hinter dem digitalen Wandel stecken nicht nur ein Paradigmenwechsel und Vertrauenssteigerung. “Das Wichtigste ist die Identifikation und Authentifikation der Menschen. Die Technik dahinter muss stabil, sicher und bedienungsfreundlich sein”, so Alvik. Hierfür sei der Schlüsselfaktor die eID. Aber diese habe Norwegen keinesfalls selbst erfunden. “Wir nutzen das Bank-ID-Verfahren, da es bereits geprüft und sicher war”, so der Head of Department. Ein Ansatz, den Norwegen konsequent verfolgt, denn auch Chaffey merkte an: “Wieso sollte die Regierung eine Lösung erarbeiten, wenn diese bereits sehr gut im privaten Sektor existiert und funktioniert? Damit sparen wir auch Steuergelder.” Deshalb

Moderne Architektur als Fundament Gordischer Knoten in der Verwaltung muss zerschlagen werden (BS/mfe) Ohne moderne Architektur ist die Transformation der öffentlichen Verwaltung hin zur Digitalisierung nicht möglich. Davon zeigte sich Christian R. Maierhofer überzeugt. Außerdem betonte der General Director A/V Software Solutions 360° von Bechtle auf dem Digitalen Staat: “Das bloße Aneinanderreihen neuer Technologien bringt keinen Mehrwert.” Wirkliches Fundament der Transformation sei vielmehr die Architektur, so der Betriebswirt. Nur mit ihr sei es möglich, den Gordischen Knoten, der innerhalb der Verwaltung und ihrer Informationstechnologie existiere und aus mehreren verschiedenen Elementen bestehe, zu zerschlagen. Und ebenfalls nur mit ihrer Hilfe sei es möglich, die alte und neue Welt zusammenzubringen. Zu den Elementen des nur schwer zu lösenden Gordischen Knotens zählte der gebürtige Österreicher Maierhofer, der lange in Hannover lebte und sich bereits seit 26 Jahren mit IT beschäftigt, unter anderem das Personal, die genutzte Informationstechnologie, die interbehördliche Kollaboration sowie die Legislative und die

inhalteten die notwendigen Informationen für E-Government, deshalb sei es wichtig, sie aktuell zu halten und auf sie zurückzugreifen.

würden vielfach Kooperationen mit Unternehmen angestrebt. Als Nebeneffekt werde damit gleichzeitig die Wirtschaft gefördert. Zudem würden E-Government-Projekte qualitätsorientierter und modul­artiger geplant, damit nicht jedes Projekt durch das Parlament müsse, was eine Zeitersparnis mit sich bringe. Damit die Bürger aber auf den neusten Stand bezüglich der Angebote blieben, brauche es sinnvolle Kommunikationsmöglichkeiten. Zu diesem Zweck seien die Telefonnummern sowie E-Mail-Adressen der Bürger abgefragt worden. Fast 99 Prozent aller Norweger hätten sich registriert, wodurch eine direkte Kommunikation ermöglicht werde. Unter anderen existieren digitale Mailboxen. Eine E-Mail gehe an das Bürgerkonto und werde dann auf das mobile Endgerät

Der Behördengang als Erlebnis Digitale Dienste müssen den Bürger emotional abholen (BS/wim) Um ihre Dienstleistungen attraktiv für den Bürger zu gestalten, sollte die öffentliche Verwaltung die Gestaltung des digitalen Behördengangs an erlebnisorientierten Angeboten im digitalen Raum orientieren. Das ist das Ergebnis einer Studie, die von Adobe in Auftrag gegeben wurde und deren Inhalte auf dem Kongress Digitaler Staat erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. So waren für die rund 1.000 repräsentativ Befragten vor allem fünf Dimensionen wichtig, um eine Dienstleistung im Internet als positiv zu empfinden: Die sogenannte “Citizen Journey”, welche den rundum durchdachten Gesamtprozess einer Dienstleistung zusammenfasst, die Mobilität, das Design, die Relevanz und somit die Personalisierung auf persönliche Bedürfnisse und zu guter Letzt die Beziehung, mit der die Frage einhergeht, ob ein Dialog zwischen Behörde und Bürger gefördert wird. Für Dr. Thomas Meyer, Director Business Management bei Adobe Central Europe, haben Vorbilder wie Amazon, die als One-StopShop viele Dienstleistungen unter einem Dach mit einem positiven Erlebnis verbinden, eine riesige Anspruchshaltung im Bereich der Consumer Experience bei Konsumenten aufgebaut: “Bei Amazon sieht das alles so einfach aus. Und dann fragen sich die Leute natürlich schnell, warum das nicht auch bei Behörden so geht.”

Der Fokus muss auf dem Nutzer liegen Bei der Transformation der Verwaltung sei die Architektur von zentraler Bedeutung, meinte Christian R. Meierhofer von Bechtle. Foto: BS/Dombrowsky

Bürger selbst. Und noch etwas dürfe nicht vergessen werden: die Benutzerfreundlichkeit von

Software. Ansonsten könne der Gordische Knoten nicht zerschlagen werden, schloss Maierhofer.

direkt weitergeleitet. Aber damit die Menschen mitgenommen werden, müssen diese regelmäßig herangeführt werden. “Dies taten wir unter anderem über die Bibliotheken, über welche die Bürger Verwaltungsservices in Anspruch nehmen können und dort auch geschult werden”, resümierte der Staatssekretär. “Natürlich geben die diese Informationen nicht weiter, nur der Staat hat sie”, betont Holten. Sie ergänzte, dass die IT-Systeme mit “höchster” Konzentration gebaut worden seien, um die sensiblen Daten der Bürger zu schützen. “Sie werden stetig optimiert, darauf verwenden wir sehr viel Zeit. Denn wir haben auch viele Attacken, wissen jedoch gleichzeitig, wie wir damit umgehen müssen. “Wichtig seien zudem die nationalen Register, ergänzt Alvik. Denn diese be-

“Weshalb sollen wir unsere Bürger Formulare mit ihren Informationen ausfüllen lassen, wenn wir diese bereits besitzen?”, so Chaffey. Aber auch hierbei stehen die Norweger vor Problemen, die sie lösen müssen. “Wir haben die Identifikation, wir haben die Register, aber wir haben zu viele Daten im öffentlichen Sektor”, erläutert wiederum Holten. Aktuell werde daran gearbeitet, welche Daten vorhanden seien und wer die Erlaubnis besäße, diese zu nutzen. “Somit haben wir dann einen Datenkatalog. Das nächste Level wird sein, darauf neue Geschäftsmodelle zu setzen, die wir transportieren können. Denn Daten werden das neue Öl sein”, zeichnete die Abteilungsleiterin die Zukunft Norwegens ab. Dänemark hat hingegen ein anderes Problem festgestellt: “Die dänische Post ist praktisch durch den digitalen Wandel pleitegegangen. Früher wurden 2,5 Milliarden Briefe, nun unter zwei Millionen verschickt”, so der dänische Geschäftsführer. Deshalb werde sie von staatlicher Seite refinanziert. Hinzu komme, dass die Digitalisierung zwar die älteren Bürger, aber nicht die jüngeren erreiche. Nahezu 17 Prozent der 15- bis 17-Jährigen öffneten keine digitale Post der Regierung. “Deshalb muss sich diesen über die Schule genähert werden”, erläutert Frelle-Petersen. Aber welche Schlüsse ziehen wir für Deutschland? Nach Ansicht von Frelle-Petersen wird “in Deutschland sehr viel geredet, aber leider nicht viel umgesetzt”. Eine Meinung, die auch in hierzulande vielfach geteilt werden dürfte.

Eine Anpassung der behördlichen Dienstleistungen an diese kommerziell erfolgreichen Portale kann laut Meyer den Zugang zum Bürger für die öffentliche Verwaltung nachhaltig verändern, denn der digitale Weg über

Die Online-Angebote der Behörden brauchen mehr Nutzerorientierung, das zeigte auch der Vortrag von Dr. Thomas Meyer, der Ergebnisse einer aktuellen Studie seines Arbeitgebers Adobe vorstellte. Foto: BS/Dombrowsky

das Internet sei “heutzutage der wichtigste Interaktionskanal, um mit anderen in Kontakt zu treten und Erlebnisse zu schaffen”. Laut Meyer stimmen Citizen Journey und Mobilität in den meisten Fällen, sodass die Bürger zufrieden damit seien. Haken würde es stattdessen bei den funktionalemotionalen Faktoren, die eben ein Erlebnis aus dem Behördengang machten. Aus den Studienergebnissen konnten drei ganz bestimmte Verbesserungsvorschläge für die Verwaltung extrahiert werden: Zum einen sollten Formulardaten speicherbar sein, um eine spätere Fortsetzung des Prozesses zu ermöglichen. Dazu sollten Fehler in Formularen direkt gekennzeichnet werden und

abschließend sollte eine Vorselektion vorgenommen werden, in der nur für den Nutzer aktuell relevante Dienste angezeigt würden. Ina-Maria Ulbrich, Staatssekretärin im Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommerns, schlug auf dem Kongress in dieselbe Kerbe: “Wir haben zwar Portale, aber die sind alle sehr verwaltungslastig und orientieren sich kaum am Nutzer.” Um die Akzeptanz für die Angebote zu verbessern, fordert Ulbrich eine weniger umständliche Umsetzung, bei der man “einen kleinen Schritt vom Datenschutz weg macht und den Behörden mehr Vernetzung ermöglicht”.


Seite 29

Behörden Spiegel / April 2018

Z

ur Umsetzung der kommunalen Digitalisierungsvorhaben hat die PricewaterhouseCoopers GmbH (PwC) ein Methodenlabor konzipiert – das “StadtLabor”. Es basiert auf Methoden, die eine individuelle Anpassung an die jeweilige Problemstellung in der Kommune ermöglichen sollen. “So werden Digitalisierungsvorhaben erlebbar”, erläuterte Adrian Gelep, Manager bei PwC Deutschland. Um zukünftigen Herausforderungen innovativ begegnen zu können, liegt dem StadtLabor die Methode des Design-Thinking-Prozesses zugrunde. Der Entwicklung digitaler Lösungen dient die Betrachtung von vier Handlungsfeldern als Basis. Diese sind Führung und Kultur, Innovation, Bürger und Kunden sowie Prozesse. Das StadtLabor, das in der Verwaltung als begehbarer Arbeitsraum konzipiert wird, sei eher als Methode beziehungsweise als Denkund Arbeitsweise zu verstehen, ergänzt Dr. Moritz Asche, Senior Advisory Consultant bei PwC. Eine anfängliche Ist-Analyse soll dabei helfen, ganzheitliche Digitalisierungslösungen zu implementieren und den Soll-Zustand festzulegen, so Asche. Im ersten Schritt eines StadtLabor-Projektes ginge es aber zunächst um die Bereitschaft zur gemeinsamen Lösungsfindung und um das Hinterfragen etablierter Denkmuster. Herausforderungen in den Handlungsfeldern müssten zuerst erkannt werden, bevor es zur konkreten Projektarbeit komme. Asche veranschaulicht dies am Beispiel einer jungen Mutter im Handlungsfeld Bürger und Kunden. Ganz konkret wird überlegt, vor welchen Hürden und Problemen diese Einzelperson bezüglich der nötigen Behördengänge steht. Asche spricht von einem “Behördenmarathon”, den die Mutter zur An- und Ummeldung durchlaufen müsse. Im nächsten Schritt werden Lösungen erforscht, wie durch Digitalisierungsprozesse

Die Digitalisierung meiner Stadt Smart-City-Konzepte auf dem Vormarsch (BS/Katarina Heidrich) Von Methoden, wie Probleme digital gelöst werden können, bis hin zu konkreten Digitalisierungsprojekten – Dörfer, Städte und Gemeinden bereiten sich auf den digitalen Kulturwandel vor. Einige Konzepte gehen von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise aus, um individuelle Lösungen zu implementieren. Andere setzen von Anfang an auf interkommunale Kooperationen, um gemeinsame Lösungen zu finden. die Situation vereinfacht werden kann. Beispielsweise würde sich ein Service-Cluster anbieten, in dem sich die entsprechenden Behörden vernetzen und Dokumente auf einem gemeinsamen Dokumentenspeicher hinterlegen können.

Digitalisierung als Chance

Von der Idee zur Umsetzung Steht eine konkrete Idee, könnte im folgenden Schritt ein Prototyp erprobt werden, schlug Frederic Gogoll, Consultant bei PwC, vor. Am Beispiel einer Bürger-App stelle sich zunächst die Frage, wie diese gestaltet sein solle. Mögliche Designs und Funktionen könnten im Rahmen des Prototypings in einem Vorführungsmodell (Mock-up) umgesetzt werden. Um frühzeitig Feedback zu generieren, können dann der Prototyp (Klick-Dummy) in einer Testphase zum Beispiel in einem Bürgerbüro mit den Bürgern gemeinsam ausprobiert werden. StadtLabore, verbunden mit einem Beteiligungsprozess als Instrument zur Stadtentwicklung,

Die Oberbürgermeister Gunter Czisch (Ulm), Dr. Ulf Kämpfer (Kiel) sowie Landrat Manfred Schnur (Landkreis CochemZell) diskutierten mit Moderator Guido Kahlen (Stadtdirektor a.D. Köln) und Oberbürgermeister Jochen Partsch (Darmstadt) über die Digitalisierungsstrategien ihrer Kommunen (v.l.n.r.). Fotos: BS/ Dombrowsky

hob ebenfalls der Oberbürgermeister von Darmstadt, Jochen Partsch, hervor. Darmstadt als Wissenschaftsstadt und “digitales Ökosystem” stehe vor der Frage, wie die Kaufkraft in der Stadt gehalten werden könne. Hierfür sei die Erforschung digitaler Mobilitätsketten durch intelligente Verkehrsführung notwendig. Damit verbunden seien

Dr. Moritz Asche, Senior Advisory Consultant bei PwC erklärte den Teilnehmern das StadtLabor am Beispiel der Lebenslage einer jungen Mutter.

Behördenkommunikation voll automatisiert Dialogisches E-Government mit Chatbots (BS/Dr. Christian Knebel*) Verwaltungsanliegen sind für Bürger häufig noch mit viel Aufwand verbunden: Von der zuständigen Behörde über Öffnungszeiten bis zu notwendigen Formularen müssen zahlreiche Informationen auf Internetseiten recherchiert oder per Telefon in Erfahrung gebracht werden. Für diese immer wiederkehrenden Anfragen lohnt sich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel in Form eines Chatbots, um Anliegen schnell und effizient abzuhandeln. Chatbots bilden voll automatisiert Informationen verschiedenster Art ab, helfen bei Fragestellungen rund um Serviceleistungen weiter oder wickeln ganze Prozesse ab. Ein Beispiel für solch einen intelligenten Assistenten ist der von publicplan entwickelte GovBot: Der für Behörden optimierte Chatbot stellt nicht nur auf Bürgerseite eine serviceorientierte Alternative dar – für Verwaltungsmitarbeiter bedeutet er eine große Erleichterung im Arbeitsalltag, da er einen großen Teil der Bürgeranliegen aufnimmt und ohne menschliche Unterstützung bearbeitet. Nur dann, wenn der Chatbot eine Frage nicht beantworten kann, wird diese an einen Mitarbeiter weitergeleitet.

Automatisierter Service Die Einsatzmöglichkeiten der Bot-Technologie sind vielseitig: Der GovBot kann allgemeine Informationen, zum Beispiel zur Wetter- oder Verkehrslage abbilden oder fungiert bei einer anstehenden Wahl als interaktives Medium, um wichtige Inhalte zu Parteiprogrammen abrufbar zu machen. Der Bot greift dafür auf verschiedenste Datensätze zurück: Über eine Schnittstelle ist er an den Verwaltungsservice “Linie6Plus” oder die Verwaltungssuchmaschine NordrheinWestfalen angebunden. Je nach Aufgabe, die der Bot erfüllen soll,

können weitere offene Datensätze (Open Data) angebunden werden. So zeigt beispielsweise der GovBot für die Stadt Bonn (Botty Bonn) den Pegelstand des Rheins oder die städtische Parkhausbelegung an. Aber auch sogenannte unstrukturierte Informationen können mit dem GovBot verarbeitet werden. Dabei handelt es sich zum Beispiel um FAQ-Datenbanken oder Gesetzestexte. Zudem lassen sich ganze Verwaltungsprozesse mit dem GovBot abwickeln. Er bietet zum Beispiel die Möglichkeit, in nur wenigen Minuten ein Wunschkennzeichen zu beantragen und durch einen angebundenen EPayment-Dienst zu bezahlen.

Interaktive Bürger-Kommunikation Im Fokus der Bot-Technologie steht der interaktive Dialog mit dem Bürger: Der Chatbot kommuniziert mittels Smalltalk und versteht dabei auch umgangssprachlich formulierte Eingaben. Möglich ist das durch maschinelles Lernen, das die Firma publicplan für den GovBot zum Einsatz bringt. Durch die integrierte Texterkennung namens “LeiKa-Magic” werden eingegebene Begriffe analysiert und direkt der korrekten Verwaltungsleistung zugeordnet. Dadurch erkennt der Bot zum Beispiel, dass mit den Worten “Fleppe verloren” der Verlust

plätzen. Mithilfe der SmartphoneApp “Park and Joy” können die Nutzer freie Parkmöglichkeiten finden und bezahlen. Hamburg nutzt das System bereits, hier sollen bis Ende 2019 bis zu 11.000 Sensoren installiert werden, berichtete Mario Riedel von T-Systems. Auch Stefan Kondmann von 1&1 Versatel gab den Kommunen die Empfehlung an die Hand, sich einen klaren Fokus zu setzen und eine Auswahl der Top Drei Handlungsfelder zu treffen.

des Führerscheins gemeint ist. Machine-Learning-Technologie spielt aber auch in puncto Antwortqualität seine Stärken aus: Die Künstliche Intelligenz entwickelt sich mit jeder Interaktion weiter und beherrscht dadurch nicht nur reine Frage-/AntwortOptionen.

Datensicheres Machine Learning Ein Hemmnis, das den Einsatz von Bot-Technologien für die öffentliche Verwaltung erschwert, ist das Thema Datenschutz. Anders als bei vielen anderen selbstlernenden Systemen verarbeitet der GovBot jedoch personenbezogene Daten vollständig datenschutzkonform. Dank einer ausgefeilten “Microservice”-Architektur werden alle für den Datenschutz relevanten Komponenten gekapselt und getrennt voneinander in Deutschland betreibbar gemacht. Diese Komponenten können dann in einem öffentlichen Rechenzen­ trum oder in der Microsoft Cloud Deutschland liegen. Damit ist der für Behörden optimierte GovBot eine Lösung, um E-Government sowohl sicher als auch interaktiv zu gestalten und damit Bürgeranliegen effizient und vor allem zeitgemäß zu bearbeiten. *Dr. Christian Knebel ist Geschäftsführer der publicplan GmbH.

Fragen der Cyber-Sicherheit und des Datenschutzes, die bei jeder Strategie mitgedacht werden müssten, mahnte Partsch.

Gemeinsam mehr schaffen Wie interkommunale Lösungen gemeinsam gefunden werden können, macht das Pilotprojekt “Modellkommune E-Government” deutlich. Olaf Neumann, Amtsleiter Zentrale Organisation im Landkreis Ortenaukreis, ist überzeugt vom Mehrwert einer kommunalen Vernetzung auch über die Laufzeit des Projektes hinaus. “Wir arbeiten alle an denselben Themen. Aber nicht immer miteinander, sondern nebeneinander”, beklagte er. Kooperationen lohnten sich allein schon vor dem Hintergrund, dass bei Insellösungen jeder seine eigenen Personal- und Finanzressourcen benötige. Standardisierte Abläufe hingegen hielten Vorteile für die Bürger und die Verwaltung bereit, betont Neumann. Gemeinsam mit den anderen Modellkommunen wurde ein “Kochbuch” für kommunales EGovernment entworfen, das musterhaft schrittweise den Weg zur Digitalisierung von Verwaltungsleistungen erkläre. Das “Kochbuch” soll anderen Kommunen “Mut machen” und als lebendes Dokument eine Plattform zum Erfahrungsaustausch bieten. Der

Amtsleiter Digitale Dienste der Modellstadt Norderstedt, Norbert Weißenfels, betonte den föderalen Dreiklang durch Bund, Länder und Kommunen bei digitalen Vorhaben. “Erst wenn diese Zahnräder ineinandergreifen, kann die Herausforderung gestemmt werden”, illustrierte Weißenfels. “Kommunen müssen einen Spagat machen”, beschrieb Dr. Stefan Ostrau, Leitzielverantwortlicher für Digitalisierung im Kreis Lippe, die aktuelle Situation einer fehlenden Gesamtstrategie und eines “Förderdschungels”. Das Themenspektrum, in dem sich praktische Herausforderungen zeigten, umfasse Bereiche wie digitales Planen und Bauen, digitalen Tourismus, digitale Gesundheit, digitale Umwelt und Energie sowie digitale Mobilität. Für Dr. Jan Fritz Rettberg vom Kompetenzzentrum für interoperable Elektromobilität, Infrastruktur und Netze an der TU Dortmund ist die Digitalisierung der “Enabler” (Ermöglicher) auf dem Wege zu einer Smart City. Deren Ziel sei es, nachhaltiges Wirtschaftswachstum und eine verbesserte Lebensqualität zu erreichen. Dortmund gehört zu den Städten, die noch in diesem Jahr ein digitales Parkmanagement einführen wollen. Das von der Telekom entwickelte System basiert auf einem Sensornetz auf Park-

“Digitalisierung ist kein Strohfeuer”, betonte der Oberbürgermeister der Stadt Kiel, Dr. Ulf Kämpfer. Den Blick auf Partnerstädte oder andere Länder, die schon weiter sind, empfindet er als ermutigend. Nach dem Vorbild der erfolgreichen Kieler Woche schuf der Oberbürgermeister in seiner Stadt die sogenannte “digitale Woche”. Der Anklang, den diese erstmals efunden habe, bestätige die Bedeutung des Themas für die Stadt. Kiel habe mittlerweile mehr Arbeitsplätze in der IT als in den Werften und der Marine zusammen, so Kämpfer, und er plädierte für einen “reflektiert optimistischen Zugriff auf Digitalisierung”. Einen solchen forderte auch der Oberbürgermeister der Stadt Ulm, Gunter Czisch. Er betonte, dass Digitalisierung bedeute, auch neue Wege zu gehen und teilweise Kontrollverluste auszuhalten. Städte müssten einen authentischen Weg finden, dieses Mammutprojekt umzusetzen, das aber bisher zu sehr von IT getrieben sei. “Wir müssen das Thema Digitalisierung stärker emotionalisieren”, postulierte Czisch. Ein Projekt, das in diese Richtung weist ist der 3D-Flugsimulator “Birdly”. Das Programm umfasst eine digitale Animation der Stadt Ulm im Jahr 1890. Mit einer 3D-Brille kann der Nutzer einen virtuellen Rundflug durch die Stadt erleben. Der Landrat des Landkreises Cochem-Zell, Manfred Schnur, deutete indes auf die Digitalisierung als Problemlöser in puncto Daseinsvorsorge hin. Gerade für den ländlichen Raum bedeute diese die Chance zur gesellschaftlichen Teilhabe. “Der ländliche Raum hat die Wichtigkeit der Digitalisierung für das Überleben erkannt”, schloss Schnur.

Smarte Verwaltung durch Innovationen Die Arbeitswelt von morgen erfordert Kreativität und Sicherheit (BS/kh) Das Telefon hat 75 Jahre gebraucht, um 50 Millionen Nutzer zu erreichen. Das Internet benötigte dafür nur noch vier Jahre, Webchats brauchten 14 Monate. Und das Smartphone-Spiel “PokémonGo” erreichte innerhalb von 19 Tagen diese Menge an Menschen. Zunehmende Vernetzung und rasant steigende Datenmengen treiben Innovationen an, schüren aber auch Ängste. Digitale Tools wie Blockchain, Programme und Anwendungen für das digitale Ehrenamt oder auch Smart-City-Konzepte. Innovative Systeme der Benutzerführung, der Erfassung von Informationen und Bürgerdaten oder der nachhaltigen Stadtentwicklung mehren sich. Digitale Lernangebote ermöglichen ortsund zeitunabhängige Lehrmethoden. Susanne Diehm, Leiterin Public Services & Healthcare und Mitglied der Geschäftsleitung bei SAP Deutschland, erläuterte: “Durch die Digitalisierung entsteht ein völlig neues Verhältnis zur Arbeit. Nicht nur zur Arbeitszeit, auch das Verhältnis zwischen Lernen und Arbeit ändert sich.” Vor dem Hintergrund, dass die Digitalisierung bereits Realität sei und in das Leben aller Einzug gehalten hat, forderte Diehm das Bewusstsein dafür, dass “wir alle Teil dieser Entwicklung sind”. Es sei keine Generationenfrage mehr, sondern vielmehr die Möglichkeit zur Teilhabe beziehungsweise -nahme. “Digitalisierung

Susanne Diehm, Leiterin Public Services & Healthcare und Mitglied der Geschäftsleitung bei SAP Deutschland, erläutert auf dem Digitalen Staat die Notwendigkeit von Innovationen für die Verwaltung. Foto: BS/Dombrowsky

ist mehr als der Einsatz neuster Technologien, sie ist die größte Herausforderung”, betonte die Betriebswirtin. Dieser Feststellung müsse eine gesellschaftliche Debatte über die Auswirkungen des digitalen Wandels folgen. Es zeige sich bei vielen in der Bevölkerung

bereits eine Überforderung angesichts der Häufung von elektronischen (Service-)Angeboten, so Diehm. Hinzu komme, dass verschiedenste Studien von einer umfangreichen Freisetzung der menschlichen Arbeitskraft zugunsten der Automatisierung ausgingen. Andere Studien hingegen, wie beispielsweise das Weißbuch “Arbeiten 4.0” des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, sprächen von einer relativen Aufhebung des Stellenwegfalls durch neu geschaffene Stellen in anderen Branchen. Dies schüre Ängste bei der erwerbstätigen Bevölkerung und jungen Generationen, beklagte Diehm. Ihrer Meinung nach sei der Einsatz von Innovationen nur erfolgreich im Mix aus digitalen und analogen Elementen. Dafür sei allerdings eine konsistente Gesamtstrategie nötig, fordert sie. Der Kulturwandel erfordere den Ausbau von Experimentierräumen, in denen Unternehmen gemeinsam mit der Verwaltung neue Ideen für die Arbeitswelt von morgen entwickeln und erproben.


Behörden Spiegel / April 2018

Seite 30

“S

ollen Geschäftsprozesse digitalisiert werden, so ist es mit einer Betrachtung auf Anwendungsebene nicht getan.” Das betonte der Vorsitzende der Geschäftsführung der BWI GmbH, Ulrich Meister. Für einen erfolgreichen digitalen Wandel müsse zuerst das Fundament geschaffen werden: den IT-Betrieb modernisieren, nachhaltige IT-Sicherheit etablieren und Voraussetzungen für agiles Arbeiten schaffen. Wichtige Aufgaben seien die Standardisierung der Weitverkehrsnetze, der Betrieb leistungsfähiger zentraler Rechenzentren sowie die Einrichtung eines effizienten Servicemanagements. “Digitalisierung kann erst dann angegangen werden, wenn die IT-Modernisierung bereits vollzogen oder zumindest auf den Weg gebracht ist”, so Meister. Genau in dieser Phase befindet sich die Bundesverwaltung derzeit im Zuge des Projekts IT-Konsolidierung Bund. Die 100-prozentige Bundesgesellschaft BWI tritt hier neben dem ITZBund als zentraler Dienstleister auf. Letztere steht kurz vor dem Abschluss von zwei Pilotprojekten, wie der Stellvertretende Leiter des Leitungsstabes des ITZBund, Holger Lehmann, berichtete. Die Bundeszentrale für politische Bildung und das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie haben als erste den Betrieb von

Erst konsolidieren, dann digitalisieren Digitaler Wandel nicht ohne Fundament (BS/Benjamin Stiebel) Die Forderung, endlich Tempo in die Digitalisierung der Verwaltung zu bringen, hat zur Zeit Hochkonjunktur. Doch auch wenn es am politischen Willen nicht fehlen mag, so ist ein moderner digitaler Staat, der sich vor dem internationalen Vergleich nicht verstecken braucht, eine ambitionierte Zielmarke. Eine Verwaltungsanwendung nach der anderen online zu stellen, wird nicht reichen. Es braucht auch einen technischen und organisatorischen Unterbau, der Effizienz und Innovation fördert.

Der CEO der BWI GmbH, Ulrich Meister, sprach über Grundvoraussetzungen für die Digitalisierung der Verwaltung. Dazu gehören ein moderner, standardisierter IT-Betrieb und ein effizientes Servicemanagement. Holger Lehmann (re.), stellvertretender Leiter des Leitungsstabes des ITZBund, gab einen Einblick in laufende Pilotprojekte im Rahmen der IT-Konsolidierung der Bundesverwaltung. Fotos: BS/Dombrowsky

zentralen IT-Systemen an den IT-Dienstleister ausgelagert.

Miteinander konsolidieren Wichtig sei es, bei der Konsolidierung von Betrieb und Diensten mit den Kunden an einem Strang zu ziehen. Daher werde bei der Ertüchtigung des ITZBund auch ein neues Kundenmanagement

Mehr Projektarbeit und Vertrauen Die Wünsche wirken dabei nicht utopisch: Das Team sollte hierbei seinen Teamleiter wählen dürfen, um seine Akzeptanz zu erhöhen. Auch solle die Organisationsform mehr Raum für Projektarbeit ermöglichen, zumal diese Arbeitsweise in viele Universitäten gelehrt und gelebt werde. Der Leiter solle mehr auf Augenhöhe führen und weniger delegieren, sondern mehr kommunizieren. So könnte er in diesem Kontext weniger inhaltliche Vorgaben machen und stattdessen vielmehr das Problem oder Projekt vorgeben. “Er muss einen Mitarbeitern die Aufgaben anvertrauen und gemeinsam mit ihnen eine Lösung erarbeiten”, betonte die

D

avon zeigte sich Dirk MeyerClaassen, Abteilungsleiter für E-Government in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport, überzeugt. Auch der IT-Sicherheitskoordinator beim Landkreis Vorpommern-Greifswald, Heiko Franke, forderte: “Die Mitarbeiter müssen stärker für IT-Sicherheit sensibilisiert werden.” Das gelte auch behördenübergreifend. Denn: “Ohne Informationssicherheit kann Verwaltung 4.0 nicht funktionieren.” Meyer-Claassen räumte allerdings ein: “Die Informationssicherheit hat technische Grenzen. Dadurch wird das Vertrauen in die Digitalisierung der Verwaltung belastet.” Und er konstatierte: “Die Verwaltungskunden müssen das Vertrauen in die Informationssicherheit der Verwaltung erst erlernen.” Heino Sauerbrey aus dem Fachbereich IT-Sicherheit beim Deutschen Landkreistag wiederum unterstrich: “Informations-

Krause berichten konnte. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung bei der BWI, die als Dienstleister für die nicht-militärische IT der Bundeswehr Erfahrungen in die IT-Konsolidierung des Bundes einbringt. Im Zuge des Projekts Herkules wurde die enorm heterogene IT-Landschaft der Streifkräfte

Verwaltung attraktiver machen

I

m Rahmen der Diskussion tauschten sich die Studenten des Master-Studiengangs “Nonprofit-Management und Public Governance” von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) sowie für Wirtschaft und Recht (HWR) mit erfahrenen Verwaltungsangestellten aus. Die Studenten skizzierten zwei wichtige Komponenten: Wie die Arbeit und das Team auszusehen haben und wie der Arbeitsplatz eingerichtet werden sollte.

etabliert. Dazu sagte Lehmann: “Bei jedem Konsolidierungsprojekt müssen wir frühzeitig mit allen Stakeholdern sprechen und die jeweiligen Interessenvertretungen in die Planungen einbeziehen.” Denn: Kundenwünsche passten nicht immer mit den Anforderungen an IT-Großprojekte zusammen, wie auch Michael

zwischen 2006 und 2016 zentralisiert. Zum Zeitpunkt der ersten Bestandsaufnahme sei die Kundenzufriedenheit auf einem Tiefpunkt gewesen, erinnerte sich Krause. Schließlich gingen ein konsolidierter Betrieb und eine zentrale Beschaffung mit Kompetenz- und Komforteinbußen einher. “Erst seit Mitte des Projekts ist die Nutzerzufriedenheit deutlich gestiegen”, so Krause weiter. Zentral sei es, das Kundenverhältnis nicht im Sinne eines klassischen Vertriebsansatzes zu verstehen, sondern den Kunden kennenzulernen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Daher werde man als Dienstleister für weitere Bundesbehörden auch eine klare Trennung im Kundenmanagement und im Lösungsdesign vollziehen. “Allein schon aus Datenschutzgründen werden die Bundeswehr und jeder neue Kunde jeweils für sich betreut”, stellte Krause klar. Auch für Sven Stephen Egyedy, Chief Technology Officer im Aus-

Behördenvertreter und Studenten diskutierten (BS/ab) Viele Behörden beklagen sich über Personalnot und überlegen, wie sie neue Mitarbeiter in ihren Verwaltungen gewinnen können. “Warum fragen wir dann nicht die nächste Generation?”, eröffnete Kim Bastian Warmbunn von der Prognos AG die Diskussionsrunde. Endergebnis: Je nach Ebene finden sich die Anregungen und Wünsche anders wieder. Studentin Maria Berndt. Abgerundet würde dies durch regelmäßige Feedback-Runden und dem “Decision Circle”. Dieser sei ein Gremium, welches einzelne Mitarbeiter sowie den Teamleiter und die Behördenleitung miteinander zusammenbringe. “Hierbei stellen die Teams ihre Projekte vor und bieten ihre Lösungen an. Dann wird über die Erfolgsaussicht und die finanziellen Mittel entschieden”, so Anatol Broszat, Master-Student. Dabei dürfe auch der Raum für Fehler nicht fehlen und eine dementsprechend hohe Fehlertoleranz, denn unsere Arbeitswelt sei komplexer geworden. Entscheidend sei, wie damit umgegangen werde. Die Fehler müssten transparent gemacht, ausgewertet und daraus gelernt werden. Hilfreich sei bei der Projektarbeit vor allem ein interdisziplinäres Team über alle Altersstrukturen, ethnische Hintergründe und Berufe hinweg. Durch diese

Janna Gall, Hauptpersonalrätin beim Hessischen Ministerium des Innern und Sport, sieht den Personalzuwachs in den Verwaltungen kritisch. Sie wüscht sich eine wettbewerbsfähige Verwaltung, um mit der Privatwirtschaft mithalten zu können. Dann kämen die Behörden aber um Modernisierungen nicht herum. Foto: BS/ Dombrowsky

Mischung erhöhe sich zudem die interne Expertise, um Projekte durchzuführen, wodurch diese nicht eingekauft werden müsse.

Mitarbeiter schulen Mitarbeiter Der gängige Wunsch nach mehr Home-Office wurde ebenfalls genannt. Aber die Arbeitsplatzgestaltung höre hierbei nicht auf. Diese würde abgerundet durch ein dienstliches Smartphone,

Laptop oder Computer sowie ein Tablet, über die auf die Verwaltungs-Cloud und deren Daten zugegriffen werden könnte. Der Arbeitsplatz an sich solle modern gestaltet sein und Technik auf dem aktuellen Stand beinhalten. “Wir wünschen uns weg, von den Einzelbüros, hin zu mehr offenen Räumen, wo Austausch auch gelebt werden kann”, so Julia Kämpf, MasterStudentin. Auch das Motto – ein

lebenslanges Lernen – solle gelebt werden. Lerntandems und Aufstiegsmöglichkeiten seien wünschenswert. “Die Kollegen schulen sich untereinander und die E-Plattformen dienen für die Weiterschulung, denn ohne lebenslanges Lernen kommen Sie nicht weiter”, so Kämpf. Die Personalabteilung solle hierbei als Kontrollinstanz dienen, die auf genügend Schulungen achtet. Aber Projektarbeit bringe auch einen verantwortungsvollen Umgang mit sich, deshalb solle es Weiterbildungen geben, damit die Mitarbeiter besser in der Selbstorganisation werden, um ihre Aufgaben auf Vertrauensbasis zu schaffen.

Was sagt die Verwaltung? Dr. Michael Frehse, Unterabteilungsleiter in der Abteilung Z im Bundesinnenministerium (BMI), betonte: “Der Öffentliche Dienst ist attraktiv, wir müssen uns nicht attraktiver machen. Wir erhalten genügend Bewer-

“Verwaltung 4.0” nicht ohne IT-Sicherheit Mitarbeiter sensibilisieren / Kommunen unterstützen (BS/mfe/stb) Die Digitalisierung der Verwaltung braucht das Vertrauen der Beschäftigten. Zudem müssten Regelungen aufgestellt und Zuständigkeiten konsequent durchgesetzt werden. Auch die Awareness der Mitarbeiter für die Bedeutsamkeit der IT-Sicherheit müsse hochgehalten werden. Ansonsten könne der Prozess nicht erfolgreich umgesetzt werden. sicherheit muss Chefsache sein.” Zudem betonte er, dass auch für Kommunen am Grundschutz des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) kein Weg vorbeiführe. Dem schloss sich auch der Bundestagsabgeordnete Marian Wendt (CDU) an: “Wir wollen, dass jede Kommune BSI-zertifiziert ist. Dafür muss gegebenenfalls der Bund das nötige Geld in die Hand nehmen.” Wendt schlug vor, dass das BSI den Kommunen Zertifizierungen kostenlos anbieten solle. Ebenfalls könne er sich vorstellen, dass das BSI vorbereitende Unterstützung in Form von kostenlosen Schulungen leisten könne.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt will eine flächendeckende BSI-Zertifizierung der Kommunen in Deutschland, notfalls mit finanzieller Unterstützung des Bundes. Foto: BS/Dombrowsky

Damit ließe sich vielleicht einem oft angeführten Kritikpunkt begegnen, den auch Regina Holzheuer, IT-Sicherheitsbeauftragte im Landratsamt Esslingen, anführte. “Der BSI-Grundschutz ist sehr aufwendig und schreckt

eher ab”, so Holzheuer. “Ein ordentliches IT-Sicherheitsmanagement ist für kleine Behörden ein Mons­trum.” Hilfe leiste demnächst ein Handlungsleitfaden zur Umsetzung des Grundschutzes für Kommunen, der derzeit

an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg ausgearbeitet werde.

Sicherheit in die Kommunen bringen Als Alternative zu Wendts Idee, Ressourcen des Bundes für die kommunale IT-Sicherheit aufzuwenden, brachte Holzheuer das “Bayerische Modell” ins Spiel: Im dem Freistaat werden kommunale Einrichtungen mit Landesmitteln gefördert, wenn sie ein Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) einführen. Ein solches wird über den Umweg des Datenschutzrechts ab Mai von praktisch allen Behörden gefordert. Während bisher wenig

wärtigen Amt, ist die Kundenzentrierung ein wichtiger Aspekt. Eine Herausforderung ergebe sich daraus, dass Kunden heute komfortable und gut integrierte Lösungen aus ihrer privaten ITWelt gewohnt seien. Es komme darauf an, zu kommunizieren, dass zwischen dieser Sphäre und der Verwaltungs-IT große Unterschiede bestünden. “Es muss klar sein, dass in Bereichen mit hohen Anforderungen an Sicherheit und Geheimhaltung die Nutzererfahrung leidet”, sagte Egyedy. “In offeneren Bereichen dagegen sollte die Nutzerorientierung stärker berücksichtig werden.” Als Betreiber eines weltweiten Netzes mit IT-Systemen in über 240 Auslandsvertretungen sei das Auswärtige Amt besonders in Bezug auf Sicherheit und Verfügbarkeit mit besonderen Anforderungen konfrontiert, wie Egyedy erläuterte. Vom Projekt IT-Konsolidierung Bund sei man, zumindest was die Auslands-IT angehe, prinzipiell ausgenommen. Eine Bündelung der Dienstleistungsaufgaben in drei zentrale Service-Hubs an Standorten im Ausland sei bereits realisiert. “Wir spielen aber mit, indem wir unsere IT-Lösungen an die Generalunternehmer ITZBund und BWI verkaufen, die sie dann in ihr Portfolio für die Kunden in der Bundesverwaltung aufnehmen können”, erklärte Egyedy.

bungen.” Er betont, dass modernes Arbeiten bereits Einzug in sein Haus gefunden habe, insbesondere hinsichtlich der Technik. Auch Home-Office sei möglich, werde aktuell wiederum eingedämmt, auf jene, die es wirklich für Pflege oder für die Kinder benötigten. Denn er habe Home-Office-Anträge von Hausmeistern erhalten, die zu einer kritischeren Haltung gegenüber Home-Office führten. Eine Ansicht, die nicht all teilten. Janna Gall, Hauptpersonalrätin beim Hessischen Ministerium des Innern und Sport, war kritischer: “Wir sind weit weg von der Vision der Studenten. Aber es muss beachtet werden, dass der Arbeitsschutz nicht ohne Grund existiert.” Die Arbeit von der Couch zu erledigen, sei zwar bequemer, aber nicht rückenfreundlich. “Nichtsdestotrotz wünsche ich mir mehr flexibles Arbeiten. Dies ist eine Grunderwartung, ohne die wir nicht wettbewerbsfähig sind.” Denn im Gegensatz zum BMI sehe die Situation auf der landes- und kommunalen Ebene bezüglich des Personals anders aus. Mehr zu den Diskussionen auf Digitaler Staat rund um das Thema Arbeit und Personal 4.0 auf der Seite 33.

juristischer Zwang zur IT-Sicherheit bestand, schreibt die neue europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Stellen, die für ihre Kerntätigkeiten personenbezogene Daten verarbeiten, die Umsetzung eines ISMS vor. Das BSI hat den Bedarf ebenfalls erkannt und baut sein Beratungsengagement Richtung Länder und Kommunen aus. Dr. Astrid Schumacher, Fachbereichsleiterin für Beratung und Unterstützung in der Cyber-Sicherheitsbehörde stellte einige Aktivitäten vor. So seien nach den BSI-Länder-Kooperationsvereinbarungen mit NordrheinWestfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz noch weitere geplant, in Berlin und Wiesbaden seien die ersten Verbindungsbüros für Beratungstätigkeiten eingerichtet worden, mit den kommunalen IT-Dienstleistungszentren sowie den kommunalen Spitzenverbänden stehe man in engem Austausch.


Seite 31

Behörden Spiegel / April 2018

DSGVO ante portas

D

ie Folgen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) waren ein zentrales Gesprächsthema im Fachprogramm “Digitaler Datenschutz”, das der Behörden Spiegel in Kooperation mit der Initiative D21 im Rahmen des Kongresses Digitaler Staat veranstaltete. Trotz der insgesamt zweijährigen Übergangsfrist bis zur Geltung am 25. Mai haben bisher noch längst nicht alle öffentlichen Stellen alle Anpassungen vorgenommen. So sei davon auszugehen, dass Prozesse zur Erfüllung von Auskunftspflichten gegenüber Betroffenen in vielen Landkreisen erst in den nächsten Monaten etabliert würden, berichtete Dr. Ariane Berger, Referentin für E-Government und Verwaltungsmodernisierung beim Deutschen Landkreistag. Noch ernüchternder fiel die Einschätzung des Bayerischen Datenschutzbeauftragten Prof. Thomas Petri aus. “Die Öffentliche Hand ist im Großen und Ganzen überhaupt nicht gut vorbereitet.” Einzelne Behörden seien schon gut aufgestellt, fasste Petri seine Wahrnehmung aus Prüftätigkeiten zusammen, andere hätten dagegen noch nicht einmal angefangen, Änderungsprozesse in Gang zu setzen. “Und ich befürchte, dass Bayern im Bundesvergleich noch weit vorne steht.”

Juristische Unwägbarkeiten Das könnte auch damit zusammenhängen, dass die Rechtssicherheit derzeit noch nicht sehr hoch ist. Gerade für den öffentlichen Bereich hat der europäische Gesetzgeber den Mitgliedsstaaten etwas Gestaltungsspielraum in Form von Öffnungsklauseln gelassen. So können allgemeine Rechtsgrundlagen für die Datenerhebung bei der Wahrnehmung von Aufgaben im

Wie gut sind die Behörden aufgestellt? (BS/Benjamin Stiebel) Gut zwei Monate vor Geltung des neuen europäischen Datenschutzrechts ist der Diskussionsbedarf um die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die öffentliche Verwaltung groß. Wie einige der Vorgaben im Detail praktisch umzusetzen sind, darüber wird zum Teil wohl erst die kommende Rechtsprechung Aufschluss geben können. Klar ist indessen, dass für Behörden durch ausgeweitete Dokumentations- und Nachweispflichten einiger Aufwand entsteht.

Informierte über technische und organisatorische Maßnahmen, die Kommunen im Zuge der Novellierung des europäischen Datenschutzrechts umzusetzen haben: Dr. Ariane Berger vom Deutschen Landkreistag.

Der Betrieb von innovativen Plattformangeboten unterliegt strengen Anforderungen an Datenschutz-, Urheber- und Persönlichkeitsrecht und könnte sich für öffentliche Stellen als Minenfeld erweisen, wie Prof. Louisa Specht ausführte. Fotos: BS/Dombrowsky

öffentlichen Interesse formuliert und Abhilfe- und Sanktionsmaßnahmen konkretisiert werden. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist bereits im vergangenen Jahr novelliert worden, die Anpassung auf Länderebene dagegen ist überwiegend noch nicht vollzogen. “Noch ist nicht klar, ob die Entwürfe für die Landesdatenschutzgesetze konform zum EU-Recht sind”, sagte Berger. Die Aufsichtsbehörden hätten teilweise Beanstandungen vorgebracht, entscheiden müssten letztlich die Gerichte. Diese juristischen Unwägbarkeiten änderten aber nichts daran, dass Datenschutzkonformität herzustellen, eine ressourcenintensive Aufgabe sei. So stellte Berger klar: “Das ist keine ein-

malige Angelegenheit. Sie brauchen die personelle Kompetenz und Ausstattung, um fortlaufend Prozesse zu prüfen sowie IT-geschulte Personen, um Verfahren auch entsprechend umzusetzen.” Für Kommunen, die sich bisher schon datenschutzkonform verhalten hätten, seien die Aufwände aber überschaubar, beruhigte Berger.

Plattformbetrieb im öffentlichen Sektor schwierig Größere Herausforderungen könnten sich allerdings ergeben, wenn die öffentliche Verwaltung sich an innovative digitale Angebote wage. Ein rechtliches Minenfeld erwarte vor allem Plattform-Betreiber, wie Prof. Louisa Specht von der Universi-

Datenschutzgerechte digitale Dienstleistungen Once-Only-Prinzip muss dezentral umgesetzt werden (BS/stb) Um das Versprechen eines effizienteren, flexibleren und komfortableren Staats aus Sicht des Bürgers zu erfüllen, wird das Onlinestellen von Verwaltungsdienstleistungen allein nicht reichen. Eine wichtige Voraussetzung ist sinnvolles Management von Daten, sodass Bürger nicht für jeden Behördengang immer wieder dieselben Informationen in Formulare eingeben müssen. Welche Herausforderungen das Once-Only-Prinzip aus datenschutzrechtlicher Sicht mit sich bringt, wurde auf dem Fachkongress Digitaler Staat diskutiert. Wenn einmal angegebene Daten im besten Fall behörden- und länderübergreifend wieder abgerufen werden sollen, stellt sich die Frage, wie die Datenhaltung und der Zugriff datenschutzkonform abzubilden sind. Peter Büttgen, Referatsleiter bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), räumte ein, dass die Vorteile des Once-OnlyAnsatzes auf der Hand lägen. Er warnte aber auch vor Gefahren für die Persönlichkeitsrechte der Nutzer, wenn die Umsetzung des Ansatzes nicht von vornherein die datenschutzrechtlichen Grundprinzipien beachte. Once-Only dürfe nicht so verstanden werden, dass möglichst viele Daten über jeden Bürger zentral an einem Ort aufbewahrt und für den Zugriff durch öffentliche Stellen bereitgehalten werden. “Sonst werden Begehrlichkeiten geweckt, die Daten auch in der Wirtschaft zu nutzen”, so Büttgen. Er verwies hier auf das österreichische Stammdatenregister, dass auch durch Finanzdienstleister mitverwendet würde. Problematisch sieht Büttgen vor allem die sich daraus ergebende Möglichkeit, dass für kommerzielle Interessen Daten über das Verhalten der Bürger aus verschiedenen Beständen zusammengeführt werden könnten und dabei auch auf amtlich bestätigte Daten zurückgegriffen werden könne. Die Gefahren des Missbrauchs würden sich noch erhöhen. Dem schloss sich auch Prof. Thomas Petri an. Zentrali-

gewährleistet werden, so Specht. Auch die Maßgabe, schon auf technischer Ebene sicherzustellen, dass von vornherein so wenig Daten wie möglich erhoben werden (Privacy by Default) und die Verarbeitung schon im Kern Anforderungen an die Informationssicherheit erfüllt (Privacy by Design), bringe Aufwände mit sich. (Über Herausforderungen bei der datenschutzgerechten Nutzung kommerzieller Plattformen wie Facebook lesen Sie im Artikel auf Seite 3 in dieser Ausgabe.)

sierung sei für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zwar notwendig, gehe aber meist mit Datenmaximierung einher, um Prozesse effizienter gestalten zu können. “Der Datenschutz fordert aber genau das Gegenteil”, so Petri. Der Idee einer zentralen Datenbank erteilte er eine Absage. Von datenschutzrechtlichen Bedenken abgesehen sei diese auch schon rein technisch und organisatorisch nicht umsetzbar. Für die digitale Verwaltungslandschaft forderte er mehr Vertrauen in den dezentralen Ansatz. “Wir brauchen nicht eine zentrale Lösung für alles”, so Petri weiter. “Es reicht ein zentrales Frontoffice als einheitlicher Zugang.”

Datenaustausch transparent gestalten Auch Marc Reinhardt, Präsidiumsmitglied bei der Initiative D21, stellte klar: “Die Daten werden auch weiterhin da liegen, wo sie jetzt liegen.” Die entscheidende Frage sei, wie man Übertragungswege zukünftig gestalten wolle. Zu klären sei, welche Stellen unter welchen Umständen und zu welchem Zweck auf welche Daten zugreifen könnten. Für die datenschutzkonforme Umsetzung sah Reinhardt zwei Ansätze. Entweder entwickele man ein sehr “enges Korsett” für den gegenseitigen Datenzugriff oder man lasse dafür eine “lockere Leine” auf Basis von Grundregeln und setze dafür auf schärfere Kontrolle. Entscheidend seien Rechtsicherheit und Transparenz in der Umsetzung.

Eine Frage der Technik?

tät Passau ausführte. Je nach Geschäftsmodell sei in Zukunft “ein bunter Strauß von Vorgaben” zu beachten. PlattformGeschäftsmodelle sind bisher vor allem aus der Wirtschaft bekannt. Die Zurverfügungstellung von digitalen Infrastrukturen zur Interaktion zwischen Nutzern und zum Teilen von Daten ist aber auch für den öffentlichen Sektor interessant. Beispiele sind Bewertungsplattformen für Behörden oder Vergabeplattformen. Nicht nur die DSGVO sei hier maßgeblich, wie Specht betonte, sondern auch das BDSG-neu, die Landesdatenschutzgesetze, die bevorstehende europäische E-Privacy-Verordnung, datenschutzrechtliche Bestimmungen aus dem Telemediengesetz sowie das Urheber- und Persönlichkeitsrecht. Allein auf technischer Ebene würden sich große Herausforderungen ergeben. So verlange europäisches Datenschutzrecht die Übertragbarkeit von einmal auf einer Plattform erhobenen Nutzerdaten. In der Praxis müsse also zumindest eine Überführbarkeit in standardisierte Formate

Für Prof. Dirk Heckmann von der Universität Passau sind Privacy by Design und by Default dem Grunde nach keine neuen Anforderungen. Datenminimierung und Datensicherheit sind schließlich schon seit Jahren im deutschen und europäischen Recht verankerte Prinzipien – unabhängig von der konkreten

Ausgestaltung der Verarbeitung. “Das Recht hört ja nicht auf, nur weil Verfahren technisch umgesetzt werden”, gab Heckmann zu bedenken. Letztlich müsse klar sein, dass Prozesse nicht beliebig, sondern im Einklang mit Recht und Ordnung umgesetzt werden müssten. Im Gegenteil: “Wenn wir Verfahren richtig digitalisieren, sollten wir im Ergebnis eigentlich permanent und zuverlässig rechtmäßige Abläufe vorfinden”, so Heckmann weiter. Die große Herausforderung sei es, sicherzustellen, dass das Recht durch die Programmierer in die Lösungen mit “eingebaut” werde. Die DSGVO sei im Übrigen nicht wegen Deutschland geschaffen worden, fuhr Heckmann fort. Aus deutscher Sicht handele es sich eher um eine klarere und konzentrierte Umsetzung dessen, was durch Gesetze und laufende Rechtsprechung schon vorher galt. Stimmen, die die DSGVO als innovationsfeindlich kritisiert haben, hielt Heckmann nüchtern entgegen: “Letztlich muss man sich nur redlich verhalten und Selbstverständlichkeiten beachten, zum Beispiel fragen, wenn man Daten verwenden will und diese wieder löschen, sobald man sie nicht mehr braucht.” Betreiber seriöser Geschäftsmodelle bräuchten sich keine Sorgen zu machen.

Im Fachprogramm “Digitaler Datenschutz” wurde über die Folgen der DSGVO für Behörden sowie über rechtskonformen Datenaustausch diskutiert. V.l.n.r: Carsten Maßloff (Geschäftsführer Ceyoniq Technology), Peter Büttgen (Referatsleiter bei der Bundesdatenschutzbeauftragten), Prof. Thomas Petri (Bayerischer Landesdatenschutzbeauftragter), Moderator Björn Stecher (Initiative D21), Marc Reinhardt (Initiative D21), Prof. Dirk Heckmann (Universität Passau)

Alles beim Alten? Schwieriges Terrain Beschäftigtendatenschutz (BS/stb) Der Beschäftigtendatenschutz ist ein sensibles Thema. Überraschend ist es daher, dass der europäische Gesetzgeber Details zur Regelung weitgehend den Mitgliedsstaaten überlässt – obwohl mit der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eigentlich das Ziel verfolgt wurde, ein einheitlich hohes Datenschutzniveau in der EU zu etablieren.

Sprach sich für Transparenz und Kontrollmöglichkeiten für die Bürger bei der Datenerhebung- und Weitergabe durch Behörden aus: Peter Büttgen, Referatsleiter bei der Bundesdatenschutzbeauftragten. Foto: BS/Dombrowsky

Transparenz forderte auch Datenschützer Büttgen. Der Bürger müsse wissen, an welche Stelle seine personenbezogenen Daten zu welchem Zweck weitergegeben würden, betonte er. Außerdem müsse es Verlass darauf geben, dass personenbezogene Daten nicht zweckfremd genutzt würden. “Es wird der Transparenz eines jeden Verfahrens dienen, wenn die Bürger selbst die Datenerhebung und den Datenabruf auslösen.” Darüber hinaus sollte einsehbar sein, welche Stellen auf welche Daten zugreifen. (Mehr zur Informationssicherheit in der digitalen Verwaltung lesen Sie im Interview mit Hamburgs CIO Jörn Riedel auf Seite 42.)

Ein sensibles Thema ist der Beschäftigtendatenschutz schon deshalb, weil im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und -nehmer ein Ungleichgewicht besteht und so die Freiwilligkeit bei der Einwilligung in bestimmte Formen der Datenverarbeitung infrage gestellt werden kann. Schwierig ist auch die Abwägung zwischen berechtigten Interessen des Arbeitgebers einerseits und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte andererseits bei Maßnahmen zur Kontrolle und Leistungsbewertung. In Deutschland war der Beschäftigtendatenschutz lange ein Streitthema. Nachdem vor etwa zehn Jahren Regelungsbedarf aufgrund einiger Fälle möglicherweise illegitimer Leistungsüberwachung erkannt wurde, wurde zunächst ein Platzhalterparagraf in das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) eingeführt. Anschließend gab es mehrere letztlich gescheiterte Ansätze zu einer detaillierteren Änderung. “Der Gesetzgeber wurde in den Mühlen der Interessenvertreter regelrecht zermahlen”, erinnerte sich der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Prof. Thomas Petri zurück. “Das Projekt wurde beerdigt, weil man gemerkt hat, dass man nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommt.”

Die Vorgänge seien in Europa genau beobachtet worden, so Petri. Daher sei auf den Versuch, mit der DSGVO einheitliche Regeln zu schaffen, verzichtet worden. Der Bundesgesetzgeber habe die Öffnungsklausel in der Verordnung genutzt, indem er lediglich die bisherigen Regeln ins BDSG-neu überführt habe. Das heiße aber nicht, dass der Bereich nach wie vor juristische Grauzone wäre, so Petri: “Eigentlich ist das meiste ausjudiziert, es finden sich zu den meisten wichtigen Punkten ein oder zwei Entscheidungen.” Das Ziel, den Beschäftigtendatenschutz als Ganzes konzentriert in einem Gesetz abzubilden, scheint aber auf unbestimmte Zeit begraben.

Regelungen ausreichend? Dementsprechend sah auch Alexander Faber, Abteilungsleiter Interne Personaldienste, Bezüge und Versorgung bei der Deutschen Bundesbank, in der konkreten Anwendung keine erheblichen Rechtslücken. “Vom novellierten Bundesdatenschutzdatengesetz hätten wir uns zwar detailliertere Regeln gewünscht, mit dem Status quo können wir aber leben”, sagte er. Grundsätzliche Schwierigkeiten sieht Faber aber noch beim Thema Einwilligung: “Das Subordina-

tionsverhältnis schwebt über allem.” Größere Probleme habe es in seiner Organisation jedoch bisher nicht gegeben. Mehr Klarheit wünschte sich der Datenschützer Petri für die Grundlagen zur privaten Nutzung von Geräten wie Arbeitsplatzrechnern. Dieses Thema sei nach wie vor umstritten: Während manche von einem grundsätzlichen Anspruch auf private Nutzungsmöglichkeit ausgingen, hielten andere dagegen, dass die Entscheidung über die Nutzung der Betriebsmittel eindeutig beim Arbeitgeber liege. Aus der Perspektive des Personalers empfahl Faber in dem Zusammenhang auf Dienstvereinbarungen im Schulterschluss mit den Personalräten zu setzen. Beide Seiten sollten Klarheit darüber schaffen, was im Zusammenhang mit privater Nutzung erlaubt sei und was nicht. Auch beim Thema Überwachung sei Transparenz entscheidend. So werde bei der Bundesbank mit großen Geldmengen gearbeitet. Einige Räumlichkeiten würden deshalb videoüberwacht. “Die Mitarbeiter haben dafür Verständnis, begrüßen die Maßnahme sogar”, so Faber. Das setze aber voraus, dass die Überwachung verhältnismäßig sei und offen geschehe.


Behörden Spiegel / April 2018

Seite 32

B

is Ende November 2018 wird die E-Rechnung im Bund eingeführt sein und ein einheitliches E-Rechnungsportal des Bundes zur Verfügung stehen, erläuterte Dr. Stefan Werres, seit 2015 Leiter des Projektes E-Rechnung Bund im Bundesinnenministerium (BMI). Ebenfalls im November einsatzfähig sein wollen auch die Bremer, wie Hans-Henning Lühr, Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen und Vertreter des Landes im IT-Planungsrat, erklärte. Bremen und das BMI sind beide Federführer des Steuerungsprojektes E-Rechnung des Bund-Länder-Gremiums. Zu diesem Duo stießen im Herbst vergangenen Jahres auch noch die Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hinzu. Alle drei Partner streben nun eine gemeinsame Lösung an, die auch von weiteren Ländern übernommen werden kann. An der Weser baut man bei der Einführung der E-Rechnung stark auf die Kooperation mit der örtlichen Handels- bzw. Handwerkskammer. “Es ist wichtig, dass sich die elektronische Rechnung auch in der Wirtschaft durchsetzt”, so Lühr. Um dabei bis hinunter zum kleinen Handwerksbetrieb auch alle Unternehmen mitzunehmen, soll in Bremen eine Beratungsstelle eingerichtet werden, die im Bedarfsfall Hilfestellung leistet. Unterstützung bei der E-Rechnung will auch die Sparkasse zukünftig für ihre Kunden schaffen, indem sie diese als Angebot für ihre Kunden in den Kommunen aufschaltet. Die Kommunen haben zwar mit der Einführung noch bis spätestens April 2020 Zeit, doch mahnte Dr. Markus Hild, Geschäftsführer der Spar-

“E” – wie elektronisch und Erkenntnis Digitale Prozesse brauchen eine Strategie (BS/Lora Köstler-Messaoudi/Guido Gehrt) In den nächsten Jahren werden E-Akte sowie E-Rechnung bei Bund, Ländern und Kommunen flächendeckend eingeführt. Die übergeordnete Zielsetzung ist dabei die Schaffung einer medienbruchfreien und – wo dies möglich ist – in einem hohen Maße automatisiert arbeitenden öffentlichen Verwaltung. Dieses und weitere Maßnahmen der digitalen Transformation müssen aber weit mehr sein als die schlichte Elektrifizierung bestehender Verfahren. Es bedarf einer strategisch ausgerichteten Prozessoptimierung. Programms Digitale Verwaltung NRW angehen”, erklärte Dr. Markus Brakmann, Referatsleiter im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes. Er weist damit auf eine zentrale Problemstellung des Digitalisierungsprozesses in den Behörden hin. Denn in den VerwaltunProzessoptimierung als Basis einer erfolgreichen Digitalisierung war Gegenstand der Diskussion von Eckart Hagenloch, Sebastian Seifert, Annette Kirchner, Sabine Smentek, gen gibt es unzähTorsten Müller und Sabine Möwes (v.l.n.r.). lig viele Prozesse. Fotos: BS/Dombrowsky Oft weiß man dort selbst kaum genau, kassen-eigenen GiroSolutions Bundesjustizministerium, der wie viele es eigentlich sind. Für GmbH, fehlende Rahmenbe- Bundeszentrale für Politische die Berliner Landesverwaltung dingungen an. Die Kommunen Bildung sowie dem Statistischen schätzt Staatssekretärin Sabibräuchten verbindliche Regelun- Bundesamt liefen bereits, wie ne Smentek, dort zuständig für gen, daher sollten die Gesetzge- Dr. Lydia Tsintsifa berichtete, Informations- und Kommunikabungsverfahren in sämtlichen die sich in der Abteilung O im tionstechnik, dass es zwischen Ländern nun schnell zu einem BMI schwerpunktmäßig mit der 5.000 bis 7.000 sind. Um dieses Abschluss geführt werden, sonst Einführung der E-Akte in der Wusts Herr zu werden, gibt es sei es fraglich, ob die Einführung Bundesverwaltung beschäftigt. mittlerweile in jeder Berliner Ein Jahr länger, bis 2021, gibt Verwaltung zwei Geschäftsprofristgerecht erfolgen könne. Die Einführung der E-Akte wird man sich in NRW Zeit, um die zessmanager. Wenn man über die Arbeitsabläufe in den Behör- E-Akte flächendeckend in der Prozessoptimierung nachdenke, den in den kommenden Jahren Landesverwaltung einzuführen. sei es wichtig, zu priorisieren maßgeblich verändern. Im Bund “Die große Herausforderung liegt und sich transparent zu machen. soll sie bis zum Jahre 2020 ein- dabei darin, dass die E-Akte mit “Wir müssen uns die Prozesse hegeführt sein. Erste Pilotprojekte zahlreichen anderen Modernibeim Bundesamt für Justiz, dem sierungsvorhaben verflochten Bundesfinanzministerium, dem ist, die wir im Rahmen unseres

raussuchen, die mit dem Bürger zu tun haben”, so Smentek. “Die Zugänge für Bürger einfacherer zu gestalten, ist ein großes Ziel bei der Optimierung”, bestätigt auch Sabine Möwes, Leiterin der Stabsstelle Digitalisierung der Stadt Köln. Auch die Wegrationalisierung beispielsweise des Schriftformerfordernisses, sei ein wichtiger Punkt bei der Prozessoptimierung. Die Berliner Staatssekretärin verglich die Prozessoptimierung dabei mit dem Zerlegen eines Elefanten: “Wie isst man einen Elefanten? Stück für Stück – und so machen wir das bei der Optimierung unserer Prozesse.” Unabdingbar sei zudem ein zen-trales Reporting, damit man nicht in den vielen Stücken durcheinanderkomme. Ein sukzessives Vorgehen befürwortet auch Eckart Hagenloch, Managing Director der BOC Information Technologies Consulting AG und Experte für Geschäftsprozessmanagement. “Oft sind Abläufe nicht hinreichend dokumentiert und Verantwortlichkeiten nicht festgelegt, das führt zu Problemen”, so Hagenloch. Ist-Prozesse wichen damit in der Praxis oft vom Soll-Prozess ab. Wichtig sei es daher, erst einmal heraus-

zu- finden, wo man mit seinen Prozessen stehe. Das “E” dürfe hier nicht allein für “elektronisch”, sondern müsse vor allem für “Erkenntnis” stehen. Wenn Zusammenhänge klarer würden, sei auch die Prozessoptimierung einfacher. Auch Annette Kirchner, verantwortlich für Prozesse und Serviceorientierte Architekturen beim Deutschen Patent- und Markenamt, betonte, dass man sich nicht nur einzelne Prozesse anschauen und optimieren sollte, sondern sich die Gesamtheit aller Prozesse im Haus und deren Ausrichtung an den strategischen Zielen anschauen müsse. Ein wichtiges Werkzeug zur Prozessoptimierung ist laut Torsten Müller, Experte für den Public Sector bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die Entscheidungsautomatisierung. Mit ihr könne eine schnelle Reaktions- und Umsetzungsgeschwindigkeit sowie die Automatisierung von Routinetätigkeiten erreicht werden. Mitarbeiter könnten sich damit mehr auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren, so Müller. Sebastian Seifert, Geschäftsführung von Cash Payment Solutions, zeigte anhand von Beispielen, wie sich Bezahlprozesse für die Verwaltung mithilfe von IT deutlich vereinfachen und optimieren lassen. So ist es technisch möglich, mit einem Barcode auf dem Strafzettel diesen einfach beim nächsten Einkauf im Supermarkt gleich mitzubezahlen. Auch andere staatliche Leistungen können so an den Bürger an der Supermarktkasse ausgezahlt werden.

Es braucht Vorgaben Ohne Verordnung bewegt sich nichts

Digitale Ökosysteme

(BS/kh) Mit dem im Jahr 2013 verabschiedeten E-Justice-Gesetz ist die Justiz verpflichtet, elektronische Nachrichten entgegenzunehmen, die über sichere Übermittlungswege versandt werden. Anwendungen hierfür gibt es mittlerweile mehrere. Allerdings bestehen in der praktischen Umsetzung Probleme bezüglich der (BS/ab/gg) Plattformen bieten der öffentlichen Verwaltung große Möglichkeiten, ihre Effizienz zu steigern eindeutigen Identifizierung sowie einer fehlenden Informationspolitik. und gleichsam Bürgern und Unternehmen bessere Services zur Verfügung zu stellen. Diese Vorteile im Hinblick auf Flexibilität und Komfort gilt es zu nutzen, ohne dabei das erforderliche Maß an Datensicherheit Sowohl per De-Mail als auch wie zum Beispiel in Nordrhein- einem Brief normalerweise nicht außer Acht zu lassen. Die Frage, wo dieses Maß im Einzelfall genau liegt, bietet Raum für Diskussionen. über das elektronische Ge- Westfalen oder Mecklenburg- die Menge an Daten betroffen sei

Plattformen der Verwaltung als Datendrehscheibe

Cloud Computing gilt einerseits als eine der tragenden Zukunftstechnologien, bringt jedoch andererseits die Juristen ins Schwitzen. “Wir haben Schwierigkeiten mit der Cloud, denn auch frei zirkulierende Daten müssen den rechtlichen Rahmen wie Datenschutz und -sicherheit beachten”, merkt Dr. Carsten Intveen, Fachanwalt für IT-Recht, an. Aber die Cloud in Worte und somit in einen rechtlichen Rahmen zu packen, sei herausfordernd. “Der Begriff wird überstrapaziert und als eierlegende Wollmilchsau verkauft. Eigentlich ist es nicht Neues, sondern nur eine Weiterentwicklung, die abstrakter geworden ist”, warf Thomas Telgheider, Direktor der Systemberatung von Oracle, kritisch ein. “Jedoch dieses Abstrakte den Richtern dann näherbringen zu müssen, ist die Krux”, so Intveen.

In einer physischen Umgebung, wo der Mitarbeiter jeden Serverraum eines Unternehmens oder einer Behörde einzeln besuchen müsse, sei dies zu zeitintensiv und wenig effizient. Ein weiteres Beispiel ist Amazon. Zum “Black Friday” braucht der Konzern die Rechenleistung an einem einzigen Tag, die er sonst für einen Monat bräuchte. Kurzerhand wird dann per Cloud Rechenleistung dazu- geholt beziehungsweise gebucht. Dafür wiederum braucht es die notwendigen Standards, wie Glasfasernetze, den neusten Stand der IT und Fachverfahren, die für die Cloud optimiert sind, damit diese sinnstiftend funktionieren können.

eID als unabdingbares Werkzeug? E-Government-Angebote für die Bürger müssen verfügbar und

sicher sein. In diesem Kontext herrscht noch Klärungsbedarf. Die EU-Kommission hat 2014 drei Vertrauensniveaus (gering, substanziell, hoch) definiert, die europaweit gültig sein sollen. Diese erfordern verschiedene Authentifizierungsmethoden. Entscheidend hierbei sei jedoch, welches Niveau zukünftig welchem Verfahren zugeordnet werde. Auf dem Digitalen Staat wurde im Zuge der Diskussion die These aufgeworfen, dass 70 bis 80 Prozent der Verwaltungsleistungen mit “niedrigem” Schutzniveau abgebildet werden könnten – also nur durch ein Passwort geschützt. “Wichtig ist: Es braucht auch im Falle einer Kompromittierung die Möglichkeit, den Dieb zu sperren und die Identität wieder zu entziehen”, so Olaf Rohstock, Direktor des Unternehmens Governikus.

Evolution mit Power dahinter Trotzdem birgt Cloud Computing einiges Potenzial in sich. “Cloud wird vielfach unterschiedlich definiert und interpretiert. Wir sprechen darum eher von automatisierten Umgebungen, denn dies ist der eigentliche Kern”, so Jens Fromm, stellv. Vorstand des IT-Dienstleistungszentrums Berlin. Auch wenn Cloud abstrakt klinge, so finde dies in einem Rechenzentrum statt, in dem mehrere Server liefen. Diese könnten bei Bedarf dazugeholt werden, auch Speicherkapazitäten könnten freigesetzt werden, wenn es nötig sei. Ein Beispiel: “Mit Angriffen wie WannaCry setzen wir uns täglich auseinander. Wir schaffen es innerhalb weniger Stunden, tausende von Servern zu patchen, um dem Angriff standzuhalten”, so Fromm.

richts- und Verwaltungspostfach (EGVP) soll eine gesicherte Kommunikation mit der Justiz gewährleistet sein. Letzteres biete neben kostenfreien Nachrichten ebenso eine echte Ende-zuEnde-Verschlüsselung, erläutert der Regierungsdirektor im Bayerischen Staatsministerium der Justiz, Dr. Martin Wachter. Hieran angeschlossene sichere Übermittlungswege sind beispielsweise das besondere elektronische Notarpostfach (beN), das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) oder das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA; siehe hierzu kritische Auseinandersetzung mit dem Thema auf Seite 5). Im Gespräch sei ebenfalls ein besonderes elektronisches Verbändepostfach als Teil des Kommunikationsnetzes. Vice versa kann die Justiz selbst elektronische Nachrichten an Behörden oder an juristischer Korrespondenz beteiligte Personen versenden, vorausgesetzt die Zustellung wird über ein elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB) nachgewiesen. Dieses ist seit dem 1. Januar 2018 in strukturierter, maschinenlesbarer Form zu übermitteln. Das beBPo biete den Vorteil, dass es einen Umwandlungsdienst von De-Mail und EGVP biete, zeigte Wachter auf. Auf diese Weise könne auf beide Postfacharten empfangen und versandt werden.

Vorpommern, keine Prüfstelle für das beBPo gebe, monierte der Regierungsdirektor. “Solange keine Verordnung da ist, bewegt sich keiner”, so Wachter. Dr. Wolfram Viefhues, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen EDV-Gerichtstages, warf die Frage auf, ob “denn von jedem Bürger eine Identitätsprüfung verlangt werden muss”. Dies sei ein enormer Aufwand. Er gab zu bedenken, dass es zwar ein allgemeines Horrorszenario sei, unter falscher Identität Prozesse zu führen, aber niemand habe bisher im Schriftverkehr Unterschriften und Briefköpfe auf gesicherte Identitäten überprüft. Auch ein Datenklau durch einen Hacking-Angriff sei ein “Aufregerthema”, wohingegen ein Brief ebenso durch die Hände Dritter gehe.

Gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen Wachter vertrat die Ansicht, dass die Lösung, die man finden müsse, irgendwo in der Mitte liegen werde. Er betonte, dass in

wie bei einem IT-Angriff. Für den Nachweis, dass ein Schreiben wirklich von einer bestimmten Behörde oder dem Gericht komme, schlägt er ein Behördensiegel in Form eines qualifizierten elektronischen Siegels (QES) vor. Authentizität, Integrität, Vertraulichkeit und ständige Verfügbarkeit: Das seien die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs, so Wachter. Auch sei nicht allen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bewusst, dass sie ebenfalls seit dem 1. Januar 2018 vom elektronischen Rechtsverkehr und dessen gesetzlicher Regelung betroffen sind. Dies erfordere eine stärker ausgeprägte Informationspolitik, unterstrich Wachter. Behörden reagierten oft langsam auf die Vorgaben und müssten diese rechtzeitig aufdecken, forderte auch Viefhues. Das Reichen von Handlungsanweisungen könne helfen, die Grundlagen “an den Mann zu bringen”, so der Jurist.

Wer identifiziert wen?

Jens Fromm, stellv. Vorstand des IT-Dienstleistungszentrums Berlin, sieht die Vorteile des Cloud Computings, aber auch noch den langen Weg, bis es vollständigen Einzug in die Verwaltung gehalten hat.

Zukunftsmusik: Den Staat als Plattform für digitale Ökosysteme sieht Prof. Dr. Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT), erst, “wenn wir eine Generation des E-Governments über-

Der Theorie nach führen die von den obersten Behörden des Bundes oder den Landesregierungen für ihren Bereich bestimmten öffentlich-rechtlichen Stellen das Identifizierungsverfahren durch. Allerdings stelle sich in der Praxis das Problem, dass es in einigen Ländern,

Dr. Martin Wachter, Regierungsdirektor im Bayerischen Justizministerium, erläuterte das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo).


Seite 33

Behörden Spiegel / April 2018

“Statt Staat 4.0 haben wir nur 1.8”

“Z

u 98 Prozent arbeite ich mobil. Entweder bin ich in Sitzungen oder tatsächlich unterwegs”, berichtet Beate von Kempen, Leiterin Produktmanagement Verbundsysteme bei der LVR-Infokom. Pro Woche hinterlasse sie rund 100 digitale Spuren im Teamnet bzw. Intranet. Und die eigene To-do-Liste umfasse täglich 24 Aufgaben – mit permanenter Fluktuation, versteht sich. “Trotz alledem bleibt die Kommunikation von Mensch zu Mensch das zentrale Element der Digitalisierung”, so von Kempen, “aber es braucht Bewegung in den Köpfen.” Die Erwartungshaltung an die Arbeit sei inzwischen eine andere, konstatiert Staatssekretär a. D. Dr. Ralf Kleindiek. Für diese Erwartungen gelte es Angebote zu machen, um als Arbeitgeber konkurrenzfähig zu bleiben. Dabei geht es längst nicht mehr um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dies zeige sich auch im Bundesfamilienministerien (BMFSFJ). Dessen Dienstanweisung zum mobilen und flexiblen Arbeiten werde von über 90 Prozent der Beschäftigten genutzt. Auch von denen, die keine Kinder

Verwaltung gezwungen, Arbeitsbedingungen und Weiterbildung zu verbessern (BS/Jörn Fieseler) “Die Digitalisierung der Verwaltung steht nicht vor der Tür, sie ist in vollem Gange”, sagt Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes. Längst geht es nicht mehr nur um flexible Arbeitszeitangebote für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Obwohl auch hier noch Nachholbedarf besteht. Es geht um die komplette Arbeitsorganisation und wie neue und alte Mitarbeiter darauf vorbereitet werden. oder pflegebedürftigen Angehörigen haben. Zuvor musste jeder Mitarbeiter eine Resilienzschulung besuchen. “Diese Schulung halte ich für außerordentlich wichtig”, sagt Thomas Langkabel, National Technology Officer (NTO) von Microsoft Deutschland. In seinem Unternehmen gebe es deshalb die Vertrauensarbeitszeit. Der Mitarbeiter entscheide, wann, wo und wie viel er arbeite, da sei eine solche Schulung äußerst sinnvoll. Außerdem würden Nachwuchskräfte die Abkehr von bisherigen Dienstwegen erarbeiten und in Netzwerken arbeiten. Doch diese Arbeitsweise müsse erst ins Mindset von Arbeitgebern und Führungskräften. Die dominierende Säulenorganisation sei nicht mehr zeitgemäß, meint auch Dr. Ralph Bürk, Präsident

Wie wird sich die Arbeitswelt durch die Digitalisierung verändern? Diese Frage diskutierten (v.l.n.r.) u. a. Dr. Ralf Kleindiek und Thomas Langkabel (Bild links) sowie Dr. Ralph Bürk, Dr. Georg Thiel, Prof. Dr. Hilmar Schneider, Moderatorin Dr. Petra Wolf, Kapitän zur See Roland Obersteg und Frank Dethlefsen (Bild rechts). Fotos: BS/Dombrowsky

der Führungsakademie BadenWürttemberg. Für ihn stelle sich die künftige Verwaltungsorganisation eher als Ring dar, der zwar aus verschiedenen Teilstücken

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

Die (Un)Möglichkeiten …

… des flexiblen Arbeitens

(BS/Roland Dathe*) Die Präsentation für die Sitzung in zwei Tagen muss dringend fertig werden – doch an ein konzentriertes Arbeiten ist nicht zu denken. Ständig wollen Kollegen etwas, das Telefon klingelt und der allgemeine Geräuschpegel tut sein Übriges. Wie schön, wenn man in diesem Fall die Möglichkeit hat, sich an einen ruhigeren Ort zurückzuziehen und vielleicht sogar am nächsten Tag von zu Hause aus die Präsentation fertigstellen kann. Der Handwerker kommt morgen gegen elf Uhr vorbei? Dann einigt man sich auf einen Tag Homeoffice und muss nicht den halben Tag freinehmen. Soweit die Theorie vom flexiblen, mobilen Arbeiten, Telearbeit und Homeoffice. Doch in der Praxis kann gerade einmal jeder sechste Berufstätige in Deutschland, bzw. 30 Prozent der Menschen mit Bürojobs, diese Arbeitsmodelle nutzen. Dabei sind eigentlich Bürojobs, die keinen direkten Kundenkontakt vor Ort verlangen, dafür prädestiniert – und damit auch viele Stellen in der Verwaltung. Doch die Chancen des mobilen Arbeitens sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer werden in Deutschland bei Weitem nicht ausgeschöpft. “Das ist in meinem Unternehmen oder Bereich nicht möglich”, sagt mehr als jede/r Vierte mit Aufgaben, die grundsätzlich modernes Arbeiten zulassen. Hier sind die Arbeitgeber gefragt, sich zu öffnen, neue Möglichkeiten anzubieten und einen Kulturwandel einzuläuten. Denn diese Modelle bedeuten eine Entkopplung von Arbeitsort und Arbeitszeit, von Anwesenheit und Arbeitsleistung und erfordern entsprechend auch größeres Vertrauen in die Arbeitnehmenden. Zudem müssen Arbeitgeber die notwendige Infrastruktur und Technik bereitstellen und die Möglichkeiten schaffen, mobil auf Daten zuzugreifen und auch online mit den Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten. Auch die neue Bundesregierung hat die Notwendigkeit erkannt und möchte laut neuem Koalitionsvertrag einen rechtlichen Rahmen für mobiles Arbeiten schaffen. Der D21-Digital-Index zeigt aber auch: Die Chancen zur Nutzung mobiler und flexibler Arbeit

“Und wir brauchen ein Geschäftsprozessmanagement, bei dem sämtliche Prozesse digitalisiert sind”, fordert der Vizepräsident des Deutschen Patent- und Markenamts, Günther Schmitz. Elementarer Bestandteil dafür sei wiederum die elektronische Akte. Zu einem digitalen Geschäftsprozessmanagement gehöre auch, dass sämtliche Führungskräfte und Mitarbeiter über digitale Kompetenzen verfügten. Hier bestehe noch großer Nachholbedarf (siehe Beitrag Wiesinger/Daub auf dieser Seite) in der Aus- und Weiterbildung. “Wir brauchen keine höheren Qualifikationen, wir müssen generell mehr in Bildung investieren”, fordert Kapitän zur See Roland Obersteg, Abteilungsleiter Führung vom Kommando Cyberund Informationsraum. Derzeit sei das Verhältnis zwischen Ausbildung und Arbeit fünf zu 95 Prozent. Es müsse aber gewandelt werden, hin zu 40:60. Vor allem für den mittleren Dienst müsse viel mehr in Fortbildungen investiert werden, ergänzt Destatis-Präsident Thiel.

“Reskilling” Aus- und Fortbildung als Schlüssel erfolgreicher Digitalisierung

30%

Gerade einmal 30 Prozent der Menschen mit Bürojobs nutzen bei ihrer derzeitigen Tätigkeit Telearbeit, Homeoffice oder mobiles Arbeiten. sind ungleich verteilt. Über verschiedene Branchen hinweg erhalten Männer mehr als doppelt so häufig wie Frauen die Möglichkeiten. Das hängt auch mit der Überrepräsentation von Männern in Managementpositionen zusammen, die davon besonders profitieren. Zudem offenbart die Studie, dass der Zugang zu Homeoffice und Co. mit höherem Bildungsgrad deutlich steigt: Während unter den Personen mit Abitur 20 Prozent die Möglichkeiten haben, sind es bei denen mit Volks- oder Hauptschulabschluss nur 0,6 Prozent. Auch zeigt sich, dass gerade Arbeiternehmer über 50 von Homeoffice und Co. ausgeschlossen sind, die 30- bis 49-Jährigen erhalten doppelt so häufig die Möglichkeiten. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung ist also derzeit von den Möglichkeiten moderner, flexibler und digitaler Arbeit ausgeschlossen. Die Zugänge zu entsprechender Technik und die unternehmerischen Rahmenbedingungen könnten jedoch viel mehr Arbeitnehmenden zur Verfügung gestellt werden, deren Beruf dies grundsätzlich erlaubt. Nach wie vor werden iPads, Ta-

bestehe, die aber gemeinsam ein Ganzes bildeten. “Die meisten arbeiten gezwungenermaßen in Netzwerken, aber noch nicht massenhaft”, berichtet der frühere Staatssekretär Kleindiek aus dem BMFSFJ. Wobei besonders Frauen ein hohes Innovationspotenzial hätten, lobt Kleindiek. Dennoch sei nicht alles von selbst gegangen, vor allem im mittleren Management, auf der Ebene der Referatsleiter habe es Bedenken gegen ein mobiles, flexibles Arbeiten in Netzwerken gegeben. Diese seien jedoch ausgeräumt worden. “Anstelle von einem Staat 4.0 haben wir nur eine Version 1.8”, meint Langkabel. Die Arbeitsweisen seien zum Teil veraltet, Tätigkeitsbeschreibungen noch sehr archaisch, Telearbeitsplätze vielerorts quotiert. Kurzum, es herrsche immer noch die Anwesenheitskultur. Stattdessen sollte ein Wandel von der Input- zur Output-Orientierung stattfinden. Dies gelinge, wenn zu 100 Prozent über Zielvereinbarungen geführt werde, wofür eine Vertrauenskultur essenzielle Voraussetzung sei.

Dieser stelle rund 50 Prozent des gesamten Personals. Denn jeder Mitarbeiter habe den Anspruch auf eine wertschätzende Tätigkeit – jeden Tag. “Für einen solch hohen Anteil an Aus- und Weiterbildung haben wir weder die Schulungskapazitäten noch die notwendige Infrastruktur und auch nicht die Finanzierungsstrukturen”, mahnt Bürk aus Baden-Württemberg. Zum Glück würden die Kapazitäten jedoch nicht von jetzt auf gleich gebraucht. Auch die Weiterbildung werde sich ändern, ist sich Thiel sicher. Youtube-Videos seien nur der Anfang. Vor allem Zusatz-Studiengängen prophezeit er einen enormen Zuwachs. “Die Mitarbeiter haben vor allem Angst um ihre Jobs und die Perspektiven”, berichtet Frank Dethlefsen, Personalrat der Stadt Köln. “Bleibt mein Arbeitsplatz erhalten,?” sei eine der am häufigsten gestellten Fragen. Aber Angst sei ein schlechter Ratgeber. “Die Arbeit wird uns nicht ausgehen”, entgegnet Prof. Dr. Hilmar Schneider, Vorsitzender der Geschäftsführung des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit. Die viel ziterte Studie zur Zukunft der Arbeit von Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne prognostiziere einen Rückgang der Arbeitsplätze um 50 Prozent. Sie basiere auf der Erwerbstätigenzahl der USA aus dem Jahre 2010: 138 Mio. 2018 sei die Zahl auf über 150 Mio. gestiegen, also entgegen der Prognose. Allerdings sei in diesen Zahlen kein Wechsel der Jobs zu sehen, so Schneider. Der Mensch werde immer Tätigkeiten ausüben, die durch Interaktion oder Kreativität gekennzeichnet seien. Allerdings seien Personalräte und Arbeitgeber gefordert, neue Schutzmechanismen zu entwickeln, so Dethlefsen. Ein erster Schritt müsse sein, Aus- und Weiterbildung als festen Bestandteil der Tätigkeitsmerkmale aufzunehmen. “Auch muss Weiterbildung innerhalb der Arbeitszeit erfolgen und nicht im Work-LifeBlending.”

blets und Smartphones häufig noch eher als Statussymbol denn als Arbeitsgeräte verstanden. Die Verwaltung könnte mit dem Ausbau des mobilen Arbeitens genau hier ansetzen. Denn flexible Arbeitsmodelle können einen Wettbewerbsvorteil bedeuten und neue Arbeitnehmer anlocken. Gerade jungen Leuten ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei der Jobauswahl immer wichtiger. Umfangreiche Angebote von Homeoffice oder Telearbeit kennzeichnen moderne Arbeitgeber, die auch die Attraktivität für Nachwuchskräfte steigern. Denn für 72 Prozent der Befragten gehören flexible Arbeitszeiten zu einer modernen Arbeitsumgebung dazu – von den Menschen mit Bürojobs sagen das sogar 84 Prozent. Der D21-Digital-Index zeigt: Mobiles Arbeiten bietet viele Vorteile und die Arbeitnehmer/-innen wünschen sich mehr Flexibilität. Die Arbeitswelt muss sich den neuen Möglichkeiten öffnen und die Chancen der Digitalisierung nutzen. *Roland Dathe ist Pressereferent bei der Initiative D21.

(BS/Dr. Anna Wiesinger/Dr. Matthias Daub*) Unsere Arbeitswelt verändert sich rasant: durch zunehmende Digitalisierung, demografischen Wandel, wachsenden Fachkräftemangel und damit verbunden steigende Konkurrenz um verfügbare Talente. Der Staat als Arbeitgeber und seine Behörden als Dienstleister für den Bürger haben in dieser sich verändernden Welt eine besondere Vorbildrolle. Auf dem Weg zur Digitalisierung der Verwaltung muss das Personal für die digitale Zukunft fit gemacht, aus- und weitergebildet werden. Der Druck zur Veränderung ist groß: Schon bis 2025 wird laut Statistischem Bundesamt mehr als ein Viertel der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung aus dem Dienst ausscheiden. Gleichzeitig wandeln sich die Anforderungen an die Beschäftigten – es werden mehr IT-Kompetenzen benötigt. Schon heute sind mehr als zehn Prozent der Stellen im höheren Dienst für Absolventen der MINT-Fächer ausgeschrieben. Der Arbeitsmarkt gerade für IT-Fachkräfte ist unter Druck – die Nachfrage liegt weit über dem Angebot. Die öffentliche Verwaltung hat in diesem Wettbewerb um die besten Talente einige strukturelle Nachteile gegenüber der Privatwirtschaft. Zu Unrecht gilt sie oft als unattraktiv, weil von außen der Einblick fehlt und häufig auch Vorteile wenig bekannt sind. Gleichzeitig sind die Einstellungsverfahren noch immer stark auf Juristen ausgerichtet, die notwendigen Kenntnisse für das digitale Zeitalter stehen in Hintergrund. Darüber hinaus mangelt es teilweise an Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten oder dem Verständnis, dass diese durch den digitalen Wandel von noch größerer Bedeutung sind. Damit Deutschland tatsäch-

lich die modernste und digitalste Verwaltung der Welt – so der Anspruch des Kanzleramts – werden kann, benötigen unsere Behörden und Ämter eine übergreifende Personalstrategie mit neuen Ansätzen. Dies beginnt mit gemeinsamen Anstrengungen zur Personalgewinnung. Ein gemeinsamer Ansatz der öffentlichen Verwaltung könnte die gezielte Kommunikation der Vorteile des Öffentlichen Dienstes ebenso umfassen wie eine mögliche Bündelung von Auswahlverfahren, größere Flexibilität bei geforderten Einstiegs-Qualifikationen und verstärkt häuserübergreifend aufgesetzte Personalentwicklungsmaßnahmen.

Stärkung der Weiterbildung Im Kern muss aber vor allem die Stärkung der Weiterbildung stehen: Aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktlage werden die benötigen Fähigkeiten nicht nur über neue Mitarbeiter aufgebaut werden können. Vielmehr müssen neue, relevante Fähigkeiten auch in der vorhandenen Belegschaft entwickelt werden. Dies gilt vor allem im Bereich digitaler Kompetenzen, aber auch für kommunikative Kompetenzen, wenn sich Tätigkeiten stärker hin zu Beratungsaufgaben entwickeln. Jeder Mitarbeiter muss

zielgerichtet aus- und weitergebildet werden – Stichwort “Reskilling”. Dazu braucht es das passende Angebot von Qualifizierungsmaßnahmen für Beschäftigte. Erfahrungen aus der Privatwirtschaft zeigen hier, dass auch vergleichsweise kurzfristige, konzentrierte Maßnahmen (so genannte Bootcamps) spezifische Fähigkeiten vermitteln können – eine Neuausrichtung für den Einzelnen setzt keinen entsprechenden Hochschulabschluss voraus. Mindestens ebenso wichtig ist aber die gezielte Motivation und Vorbildfunktion durch die Führungskräfte – für jeden Einzelnen muss der Wert der Weiterbildung gestärkt werden und regelmäßige Qualifizierung eine Selbstverständlichkeit sein. Die langfristige Veränderung hin zur digitalen Verwaltung kann nur erfolgreich und nachhaltig sein, wenn in kleinen Schritten Erfolge und Vorbilder entstehen. Das gilt in besonders hohem Maße für die Weiterentwicklung des Personals – die digitalen Vorreiter sollten auch hier als Beispiel vorangehen und die Zukunft ihrer Belegschaft aktiv gestalten. *Dr. Anna Wiesinger ist Associate Partner, Dr. Matthias Daub ist Partner bei McKinsey & Company.


Behörden Spiegel / April 2018

Seite 34

Ein Kampf mit harten Bandagen

Trendreport Digitaler Staat

Start-ups liefern sich Wettbewerb beim Pitch-Voting

Auf dem Weg zur digitalen Organisation

(BS/wim) Die modernen Ideen von Start-ups könnten der Verwaltung oft weiterhelfen, doch Vergabepraxis und Vorbehalte erschweren eine Zusammenarbeit. Auf dem Digitalen Staat waren dahererstmals auch Start-ups mit von der Partie, um der Behördenwelt ihre Lösungen rund um die Verwaltungsmodernisierung und -digitalisierung vorzuführen. Als besondere Präsentationsfläche bot sich den jungen Unternehmen der Start-up-Pitch.

(BS/gg) Die Vision der digitalen Verwaltung braucht mehr als nur Technologie. Vielmehr muss es auch gelingen, die Organisation der Behörden im Rahmen der Transformation zu erneuern. Welche Anforderungen dieser Weg zur digitalen Organisation stellt, welche Chancen er bietet und was zu beachten ist, um diesen erfolgreich zu beschreiten, ist Gegenstand des aktuellen Trendreports Digitaler Staat, den Marcel Hölterhoff, Bereichsleiter Managementberatung bei der Prognos AG, auf dem Kongress vorstellte.

Bei diesem durfte jedes zur Teilnahme berechtigte Start-up einen Vertreter auf eine Bühne schicken, um sein Produkt für die Kongressteilnehmer aus dem Öffentlichen Dienst vorstellen und erklären konnte. Der Pitch fungierte somit als Brücke zwischen der oft traditionell und bewahrend eingestellten Verwaltung und den disruptiv ausgerichteten Jungunternehmen. Eine der Moderatoren war Verena Hubertz. Sie ist Mitgründerin des Start-ups “Kitchen Stories”, welches Kochrezepte mit Erklärvideos als App und im Internet anbietet und inzwischen mehr als 13 Millionen Benutzer zählt. Wo Hubertz mit den Kitchen Stories angekommen ist, wollen die jungen Unternehmen vom Digitalen Staat in Zukunft auch hin. Den ersten Platz in der Zuschauergunst erreichte die Beteiligungsplattform “Insights”, mit der Führungskräften die Möglichkeit gegeben wird, Entscheidungsprozesse an ein breites Feld von Menschen abzugeben, die in allen denkbaren Kanälen offline und online mit dem Frageszenario konfrontiert werden und ihre Meinung abgeben sollen. Die Software verdichtet all diese Antworten am Ende des Prozesses zu Erkenntnissen, die dem Behördenmitarbeiter als Handlungsoption zurückgegeben werden. Mit dieser Hilfe sollen Qualität und Akzeptanz für die Entscheidungen in der Bevölkerung gesteigert werden. Ein weiteres Beispiel für die im Pitch vorgestellten Möglich-

Elf Start-ups konnten das Publikum von sich überzeugen und durften ihr Produkt beim Pitch vorstellen. Nach der Präsentation bekamen sie alle eine Siegertrophäe überreicht. Foto: BS/Dombrowsky

keiten der digitalen Verwaltung war ein selbsternannter OnlineMarktplatz für Kommunalfinanzierungen. Auf dem Portal mit dem Namen “Commnex” können sich Kommunen kostenfrei registrieren und Ausschreibungen einstellen, um Bankkredite deutschlandweit transparent vergleichen zu können. Die Plattform sieht sich dabei als Schnittstelle zwischen Kommune und Bank, die die Ausschreibung an die Finanzinstitute weiterleitet und interessierte Banken mit der ausschreibenden Stadt oder Gemeinde verbindet. Durch SSL-Verschlüsselung und Bafin-Zertifizierung werden für die Kommunen dabei sämtliche Datenschutz- und ComplianceRegelungen gewahrt.

Hacking-Versuch beim Voting Weitere Unternehmen auf dem Start-up-Pitch stellten unter an-

derem ein zentrales Fundbüro im Internet mit aktuell bereits mehr als 8,7 Millionen registrierten Fundsachen, eine Plattform zur Meldung von Mängeln wie Schlaglöchern oder Baumschäden sowie eine Lösung für die intelligente Messung der kommunalen Luftqualität vor. Um zu ermitteln, welche der insgesamt 21 Jungunternehmen auf dem Kongress teilnehmen durften, wurde unter allen Kongressteilnehmern eine Abstimmung im Internet durchgeführt, bei dem die beliebtesten zehn Start-ups einen Slot auf der Bühne einnehmen durften. Um kleinere Unstimmigkeiten durch einen “Hacker-Angriff” des Start-ups Crashtest Security zu bereinigen, mit dem sie zeigen wollten, wie schnell auch vermeintlich sichere Systeme angreifbar sein können, wurde der Kreis der Voting-Sieger auf elf Start-ups erhöht.

Die digitale Transformation wird die Arbeitswelt in den nächsten Jahren massiv verändern – auch und gerade in der öffentlichen Verwaltung. Die Aufgaben und Anforderungsprofile, aber ebenso die Struktur der Beschäftigten in den Behörden, werden einem tiefgreifenden Wandel unterworfen sein. Nicht “nur” Arbeitsprozesse werden in Zukunft durchgehend digitalisiert sein, vielmehr werden die Behörden ihre Organisation digitalisieren müssen. Doch was bedeutet das konkret und welche Stellschrauben sind auf dem Weg zur digitalen Organisation entscheidend? Für den mittlerweile dritten Trendreport Digitaler Staat, den Hölterhoff gemeinsam mit Kollegen von der Prognos AG und der Unterstützung des Behörden Spiegel erstellt hat, wurde sich hierzu auf vier Kernbereiche konzentriert: Organisation, Personalmanagement, Führungskultur und strategische Steuerung. Um den Praxisbezug nachdrücklich zu stärken, wurden für die Erstellung des Reports erneut zahlreiche Gespräche mit Experten aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft geführt. Mit Blick auf die Organisation sei es wichtig, Silos aufzubrechen und die Vernetzung zu fördern. Es bedürfe einer konsequenten Nutzerorientierung. Zudem müsse die Organisation entsprechende Räume für Innovation öffnen. Im Zentrum der Herausforderung beim Personalmanagement steht eine strategische Personalent-

Marcel Hölterhoff von Prognos präsentierte im KOSMOS den aktuellen Trendreport Digitaler Staat. Foto: BS/Dombrowsky

wicklung, die heute noch vorhandene Zugangsbarrieren senkt und zudem kompetenzorientiert angelegt ist. Im Ergebnis müsse auf dieser Grundlage eine flexible, selbstbestimmte Arbeitsorganisation ermöglicht werden. Hieraus ergeben sich auch veränderte Anforderungen an Führungskultur bzw. “Digital Leadership” in der digitalen Organisation und der Begleitung des Transformationsprozesses durch ein entsprechendes Change-Management. Hier gelte es, auch beim Führungsnachwuchs Kompetenzaufbau zu betreiben und sicherzustellen, dass den Führungskräften auch angemessen “Zeit für Führung” eingeräumt werde. Digitale Technologien bieten letztlich auch ein großes Potenzial für die ziel- und wirkungsori-

entierte strategische Steuerung. Im Trendreport wird dies u. a. anhand eines Best-Practice- Beispiels der Digitalisierung der wirkungsorientierten Steuerung in Österreich gezeigt. Auf der Grundlage der Betrachtungen und Erkenntnisse werden in der Publikation abschließend Handlungsempfehlungen entwickelt, welche die Behörden für deren Weg zur digitalen Organisation unterstützen sollen. Der aktuelle Trendreport Digitaler Staat “Auf dem Weg zur digitalen Organisation – Neue Arbeits- und Steuerungsformen für die öffentliche Verwaltung 2030” steht ebenso wie die vorangegangenen Publikationen unter www. digitaler-staat.org/trendreport zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Impressionen von Digitaler Staat 2018

Fotos: BS/Dombrowsky


Seite 35

Behörden Spiegel / April 2018

Digitaler Haushalt

W

ill man Haushalt 4.0 verstehen, ist es hilfreich, zuerst die Vorgänger einordnen zu können. Dr. Ulrich Keilmann, Leiter der Überörtlichen Prüfung beim Hessischen Rechnungshof, versuchte sich daher an einem Darstellungsversuch der neuen Materie: Unter Haushalt 1.0 subsumiert er die Kameralistik, eine inputorientierte Form der Buchführung, die primär in der öffentlichen Verwaltung – hier vor allem noch auf Landes- und Bundesebene – Anwendung findet. Der nächste Schritt zum Haushalt 2.0 ist dem Rechnungsprüfer zufolge das Neue Steuerungsmodell (NSM). Es empfiehlt eine Steuerung der Organisationseinheiten nicht über die Zuweisung von Haushaltsmitteln (es gibt X Mio. Euro für das Personal des Stadttheaters), sondern über die (zusätzliche) Definition des erwarteten Outputs (mit den

Mit Haushalt 4.0 zu mehr Transparenz und besserer Steuerung (BS/lkm) Die Begriffe “Digitaler Haushalt” und “Haushalt 4.0” sind noch recht neu im Kontext der Verwaltungsmodernisierung. Googelt man danach, bekommt man von der digitalen Mikrowelle, dem smarten Kuvertür-Roboter bis zum kompletten Smart Home, bei dem sich vom Büro aus Heizung, Licht und vieles mehr steuern lassen reichlich Technik geboten, aber vom Haushaltswesen und den aktuellen Entwicklungen, die in den Kämmereien und Finanzbehörden von Bund und Ländern stattfinden, ist dort nichts zu finden. Worum geht es hier also konkret? zugewiesenen Haushaltsmitteln wird das Theater im kommenden Haushaltsjahr X Vorstellungen mit Y Zuschauern und einer durchschnittlichen Steigerung der Sitzplatzauslastung um Z Prozent anbieten). Das Stichwort hieß hier “Outputorientierung”. Haushalt 3.0 sei schließlich die Doppik. Hierbei findet im Gegensatz zur Kameralistik eine Abbildung von Ressourcenverbrauch und -aufkommen statt. Der kommunale Vermögensbestand wird nachgewiesen. “Hier haben wir noch viel zu tun”, betont Keilmann. Der Schritt zum Haushalt 4.0 seinen letztendlich digitale Instrumente für mehr Transparenz und die bessere Steuerung kommunaler Finanzen. Hierzu zählt Keilmann neben offenen Haushalten auch Bürgerhaushalte.

Grafische Darstellung statt seitenlangem PDF

Allein mit der Veröffentlichung des Haushaltes in Form eines PDFs würde die öffentliche Verwaltung ihrer Rechenschaftspflicht nicht genügend nachkommen, findet Michael Peters, Data Scientist im Bereich Finanztransparenz bei der Open Knowledge Foundation.

Foto: BS/Open Knowledge Foundation

Während die Doppik in nahezu allen Kommunen umgesetzt worden sei, verfüge aktuell nur ein Bruchteil der öffentlichen Verwaltungen über offene Haushalte, so Michael Peters, Data Scientist im Bereich Finanztransparenz bei der Open Knowledge Foundation. Aktuell nutzten in Deutschland von rund 11.000 Kommunen gerade einmal 24 Kommunen sowie ein Landkreis den offenen Haushalt der Open Knowledge Foundation. “Status quo ist immer noch, dass ein Haushalt eine

Drucksache oder ein PDF ist. Diese sind häufig 1.000 Seiten lang”, so Peters. Der Umfang der Haushaltspläne resultiert aus Vorschriften der Gemeindeordnung und der Gemeindehaushaltsverordnung. Mit ihnen soll sichergestellt werden, dass die Kommunen bei der Aufstellung ihres Haushaltes den gesetzlich verankerten Informationsgehalt erfüllen. Mit dem daraus resultierenden Umfang schwindet jedoch die Zugänglichkeit, der Leser wird mit Informationen regelrecht erschlagen. Laut Peters erfüllt die Verwaltung mit diesen Konvoluten daher auch nicht ihre Rechenschaftspflicht. Besser seien daher offene Haushalte. Komplexe Daten könnten dort einfach und für jeden zugänglich dargestellt werden. Anhand der grafischen Darstellung soll so auch Laien ein Überblick über die Daten eines öffentlichen Haushalts ermöglicht werden. Die Nutzer hätte zudem die Möglichkeit, die Daten zu durchsuchen und nach eigenen Kriterien zu ordnen, zu vergleichen und zu visualisieren. Der aktuelle Haushaltsplan der Freien Hansestadt Bremen umfasst mehr als 300 Seiten und steht als PDF auf der Homepage der Finanzsenatorin zur Verfügung. Doch auch hier hat man seit einigen Jahren in Ergänzung den offenen Haushalt. “Diese Anwendung ist für den Bürger

Modernisierung der HKR-Verfahren bei Bund, Ländern und Kommunen (BS/lkm) Zur Modernisierung der öffentlichen Haushalte gehört auch das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen (HKR). Genauso breit wie das Thema, genauso vielfältig sind auch die Treiber, die hinter der Modernisierung der HKR-Verfahren stehen. Neben den zuständigen Referaten und Haushaltsabteilungen treiben u. a. auch die Rechnungshöfe, die Ressorts, die Systembetreiber und Softwarehersteller, der IT-Planungsrat und die EU die Modernisierung in diesem Bereich voran.

“Wir sollten uns bei der Modernisierung des HKR nicht zurückhalten, sondern gestaltend eingreifen”, findet Rainer Heldt, Referatsleiter Reformen im Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen der Hansestadt Bremen. Fotos: BS/Dombrowsky

bei der Robotron DatenbankSoftware, stellte in diesem Zusammenhang ein System zur Fördermittelverwaltung für Kommunen vor. “Viele Kommunen arbeiten hier noch mit Excel”, so Zeranski. Hier seien die Daten jedoch nicht standardisiert angelegt und auch nicht automatisch auswertbar.

Standardisierte Lösung statt Excel-Wirrwarr Für das kommunale Fördermittelmanagement bietet Robotron daher eine Gesamtlösung an, in der sowohl die Sicht des Zuwendungsempfängers als auch die des Zuwendungsgebers ab-

Haushalt 4.0 ist laut Dr. Ulrich Keilmann, Leiter der überörtlichen Prüfung beim Hessischen Rechnungshof, nach der Doppik der Schritt zu mehr Transparenz und besserer Steuerung.

entwickelt, sie eignet sich aber auch hervorragend für Kollegen”, findet Arne Schneider, Haushaltsdirektor der Hansestadt Bremen. Doch in Bremen geht man noch einen Schritt weiter. Aktuell ist

man mit der Implementierung eines E-Haushaltes beschäftigt. Mit ihm soll insbesondere eine Verknüpfung von Finanz-, Personal-, und Fachkennzahlen ermöglicht werden. Der E-Haushalt

Foto: BS/Dombrowsky

Analytik und Controlling

Ein bunter Strauß, der optimiert werden muss

Rainer Heldt, Referatsleiter Reformen im Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen der Hansestadt Bremen, zeigte auf dem Digitalen Staat, wie vielfältig die HKR-Themen sind. So fallen darunter neben EPSAS, der Finanzplanung, dem SAPRelaunch, dem Forderungsmanagement, der E-Rechnung, dem E-Haushalt, der Neuordnung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, dem Investitionscontrolling, dem Aufbau einer Beteiligungsdatenbank unter anderem auch Governance, Risk and Compliance. Dabei ist diese Aufzählung dem Haushälter zufolge noch lange nicht abschließend. “Das ist ein bunter Strauß, und das alles muss optimiert werden”, betonte Heldt. Die EU nehme dabei immer mehr Einfluss auf das das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen in Deutschland. Ein Beispiel hierfür sei die E-Rechnung. Bremen arbeite hier an einem entsprechenden Leuchtturmprojekt, bei dem es um die Schaffung einer IT-, Organisations- und Prozess-Infrastruktur gehe. “Bremen soll hier keine Insellösung haben”, betonte Heldt. Man wolle föderal mit anderen Ländern zusammenarbeiten. “Für die kleinen Kommunen bedeutet das, dass die Länder hier eine entsprechende Infrastruktur bereitstellen müssen. Die Länder können nicht von den Kommunen erwarten, so etwas aufzubauen”, machte Heldt deutlich. André Zeranski, Projektleiter

Bei einem digitalen Haushalt müsse den Anwendern unbedingt klargemacht werden, welchen einzigartigen Nutzen das digitale Produkt biete, betonte Arne Schneider, Haushaltsdirektor der Hansestadt Bremen Foto: BS/Freie Hansestadt Bremen

soll das klassische Berichtswesen ersetzen und die Steuerung auf Basis von Wirkungszusammenhängen ermöglichen. Auf einer gemeinsamen Datenbasis sollen sich unterschiedliche Berichte generieren lassen – sowohl vorgefertigte Berichte als auch Ad-hocAnalysen. Der E-Haushalt soll zudem über nutzerfreundliche Berichtsportale und Analysewerkzeuge verfügen. Benutzerspezifische Anwendungen sollen die für den jeweiligen Nutzer individuell wichtigsten Kennzahlen grafisch darstellen. In Zukunft soll mit dem E-Haushalt auch eine verbesserte Ressourcensteuerung mittels Gender Budgeting möglich sein. Später soll im EHaushalt u. a. das Beteiligungscontrolling ergänzt werden. Wichtige Bausteine sind dabei laut Schneider Transparenz, Analytik, ein ERP-System (Enterprise Resource Planning) zur Ressourcenplanung, die Digitalisierung sämtlicher Prozesse sowie die Automatisierung. Das Entscheidendste sei aber das Marketing. Es sollte beim digitalen Haushalt an oberster Stelle stehen. Den Anwendern müsse klargemacht werden, welchen einzigartigen Nutzen das digitale Produkt biete. Um es mit den Worten des US-amerikanischen Soziologen Richard Sennett zu sagen: “Werkzeuge werden erfunden, bevor die Menschen vollständig erkennen, welchen Gebrauch sie davon machen können.”

gebildet werden könnten. Dabei behalte jeder Fachbereich / jedes Amt die Verantwortung für “seine” Fördermittel. Darüber hinaus werde der Gesamtüberblick über alle erhaltenen und ausgegebenen Fördermittel ermöglicht. Schnittstellen zu verschiedenen Systemen sollen zudem die Parallelbearbeitung mit mehreren Programmen überflüssig machen, sodass z. B. Buchungen ausgelöst oder Plandaten aus dem Haushaltsplan importiert werden könnten. Schnittstellen zu den Mittelbewirtschaftungssystemen von SAP und SASKIA. de-IFR seien vorhanden. Der Austausch von finanzrelevanten Daten erfolge über den XFinanzStandard.

Fachleute notwendig Laut Heldt sollte man den aktuellen Digitalisierungshype nutzen, um sich in den Verwaltungen gegenseitig nach vorn zu schubsen. “Bei der Modernisierung der HKR sollten wir uns nicht zurückhalten, sondern gestaltend eingreifen”, betonte der Reformer. Da das Thema jedoch sehr komplex sei, brauche man Fachkräfte und den entsprechenden Mut dafür. Oft seien es kleine Räder, an denen man auf dem Weg zur Modernisierung des Haushaltswesen drehen müsse, bevor man Großes in Gang setzen könne. “Wir wollen beispielweise das Vier-Augen-Prinzip bei der ERechnung abschaffen, das kann man automatisiert machen. Hier gibt es aber noch viel Widerstand”, erklärt Heldt.

Langer Weg ohne genaues Ziel Die Einführung der EPSAS in Europa (BS/lkm) Mit den European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) sollen zukünftig einheitliche Rechnungslegungsstandards für alle staatlichen Ebenen eingeführt werden. Die EPSAS sollen auf der doppelten Buchführung mit Periodenabgrenzung (Doppik) basieren und verbindlich gelten. Ziel ist es, eine bessere Vergleichbarkeit, mehr Transparenz und nachhaltige Tragfähigkeit für die öffentlichen Haushalte in Europa zu schaffen. In Deutschland gibt es hier aber noch Skepsis. “Mit den EPSAS ist es wie bei den Abgaswerten für Stickoxid. So richtig wollen wir das nicht, aber wir wollen auch saubere Luft”, beschreibt Prof. Dr. Dennis Hilgers, Leiter des Instituts für Public und Nonprofit Management an der Universität Linz, die aktuelle Situation. Im Unterschied zu den Abgaswerten beschäftige man sich aber schon sehr lange mit den EPSAS, ohne zum Ziel zu kommen. “Das Thema begleitet uns schon lange, aus mancher Sicht zu lange”, findet auch Dr. Andreas Glöckner, Referent beim Hessischen Rechnungshof. Seit 2012 befasst man sich auf EU-Ebene in verschiedenen Taskforces, Working Groups und Konferenzen mit dem Thema. Auch der deutsche Bundestag und Bundesrat, die Rechnungshöfe, Forschung und Wirtschaft hätten sich in mehreren Berichten, Studien und Beschlüssen bereits mehrfach dazu geäußert. Ausgangspunkt für die EPSAS waren die Public Sector Accounting Standards (IPSAS). Laut Glöckner sprachen sich sowohl die EU-Kommission wie auch die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder gegen eine EUweite Einführung der IPSAS für die Mitgliedsstaaten aus. Die Kommission schlug daher die Schaffung und Einführung der EPSAS vor. Die IPSAS sollten hierfür als Referenzrahmen dienen. Zunächst solle dabei eine stufenweise, freiwillige Umstellung auf die IPSAS erfolgen. Zeitgleich sollten ein EPSAS-Framework und Standards entwickelt werden und zuletzt die Umstellung auf EPSAS folgen. Bis zur vollständigen Harmonisierung sieht der Plan der EPSAS-Taskforce der EU eine Reformdauer von zehn Jahren – also bis 2025 – vor. “Im Ergebnis würden die EPSAS sehr ISPAS-nah ein, denn IPSAS-Anwender werden kein

großes Interesse an abweichenden EPSAS haben”, erläutert der Rechnungsprüfer. Die Bundesregierung erklärte vergangenes Frühjahr, dass sie eine verpflichtende Einführung der EPSAS ablehnt. Sie will die Wahlfreiheit bei den Rechnungslegungssystemen erhalten und die Einflussnahme Dritter begrenzen.

Noch ist nichts beschlossen Aber weder die EPSAS-Standards noch deren verbindliche Einführung sind beschlossene Sache. Eine vom Rat der EU eingeforderte Folgenabschätzung soll daher unter anderem eine Einschätzung der Notwendigkeit von Eingriffen auf EU-Ebene geben und politische Handlungsoptionen entwickeln. Die möglichen Optionen für die Folgenabschätzung reichen dabei laut Glöckner von einer verbindlichen EPSAS-Einführung über eine freiwillige Einführung bis hin zur kompletten Einstellung an der Arbeit am EPSAS-Projekt.

Nach derzeitigem Vorgehen könnten die EPSAS am Ende sehr ISPAS-nah sein, meint Dr. Andreas Glöckner vom Hessischen Rechnungshof. Foto: BS/Dombrowsky

“Wenn man ein gewisses Interesse an Stabilität und Austerität in den Haushalten hat, muss man sich aber damit beschäftigen”, meint Hilgers. Die Schwarze Null, die man im Bundeshaushalt erreicht habe, sei eine kamerale Null. Sie sei zinsbedingt und nicht von struktureller Natur, warnt der Experte. “Nach kaufmännischem Ermessen betrachten wir die Staatsverschuldung sehr eindimensional”, so Hilgers. Zwar werde EPSAS die Staatsverschuldung nicht aufhalten, aber eine Reform des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens sei unabdingbar. Viele europäische Länder hätten den Mehrwert der EPSAS erkannt und würden Reformbereitschaft zeigen.

Reformbereitschaft vorhanden Nach einer aktuellen Studie, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Zusammenarbeit mit dem Institut für den öffentlichen Sektor und T-Systems erstellt hat, finden 84 Prozent der befragten Haushaltsexperten aus 24 europäischen Ländern, dass sich die Vergleichbarkeit der Mitgliedsstaaten durch einen EPSAS-basierten Jahresabschluss erhöhen würde. 73 Prozent gehen davon aus, dass EPSAS zu mehr Transparenz der gegenseitigen Haftungsrisiken führen würden und 74 Prozent erwarten, dass die europaweit harmonisierten Standards Bürgern mehr Informationen über das staatliche Handeln und die finanzielle Situation zugängig machen würden. Zwei Drittel der befragten Experten gehen davon aus, dass eine Einführung der EPSAS nicht mehr allzu lange auf sich warten lässt: 63 Prozent erwarten, dass die neuen Standards innerhalb der kommenden zehn Jahre eingeführt werden. 13 Prozent glauben, dass sie nie kommen.


Informationstechnologie

Seite 36

D

enn oft werden wichtige Hinweise oder Bedienfelder, wie Bestätigung ja oder nein, nicht vorgelesen. Wenn man zum Beispiel ein Passwort anlegen muss und die Angaben, dass dieses Passwort einen Großbuchstaben, zwei Sonderzeichen, eine Zahl und mindestens 25 Zeichen lang sein soll, nicht vorgelesen werden, komme ich nicht weiter. Da probiere ich lange herum und ärgere mich oft, spüre also tatsächliche Barrieren. Diese fühlen sich heftig und ausgrenzend, also wie Diskriminierungen an und deshalb setze ich mich für deren Abbau ein. Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen verpflichtet in Artikel 9 die Unterzeichnerstaaten, geeignete Maßnahmen zu treffen, um für Menschen mit Behinderung den Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, zu Information und Kommunikation sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offen steht oder für sie bereit gestellt werden, zu gewährleisten. Deutschland hat diese Konvention 2009 unterzeichnet. Gerade das Internet und sämtliche Online-Plattformen haben das Leben leichter gemacht, für viele Menschen mit Behinderung allerdings auch unnötige Hürden eingebaut. Die technischen Möglichkeiten erlauben inzwischen, fast jede Software und jede Webseite barrierefrei zu machen. Die Krux ist nur, dass daran gedacht werden muss und leider nicht jedes

O

ft beschränken sich E-Government-Umsetzungsprojekte bisher auf die punktuelle Einführung neuer online-basierter IT-Systeme, ohne die vorhandenen Verwaltungsstrukturen und -prozesse umfassend zu betrachten. Dies führt jedoch zu nicht durchgängig digitalisierten Prozessen und einer mangelnden Akzeptanz von E-GovernmentAngeboten. BPM hilft dabei, Insellösungen, Medienbrüche und Redundanzen zu vermeiden, E-Government-Angebote qualitativ zu verbessern und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf wichtigen organisatorischen Aspekten wie der strategischen Ausrichtung, der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben z. B. der EU-DSGVO oder des E-Government-Gesetzes, auf

Behörden Spiegel / April 2018

Mehr Traum als Realität?! Barrierefrei durch die digitale Welt (BS/Irmgard Badura) Haben Sie heute schon im Internet die Zeitung gelesen? Vielleicht mal kurz im Intranet die neuesten personellen Änderungen gecheckt? Und dann einen Urlaubsantrag über das Online-Portal abgeschickt? Ich auch. Allerdings lese ich diese Webseiten und Portale nicht, sondern lasse sie mir wegen meiner starken Sehbeeinträchtigung von einem Screen Reader, also einer synthetischen Sprachausgabe-Software, vorlesen. Und das hat so seine Tücken. System automatisch barrierefrei gemacht wird. Hierzu bräuchte es die von uns beeinträchtigten Menschen schon lange geforderte Verpflichtung zur Barrierefreiheit auch für private Anbieter.

Digitale Verwaltung für JEDEN Dorothee Bär, unsere neue Staatsministerin für Digitales, sagte erst kürzlich auf dem Fachkongress “Digitaler Staat”, dass es ihr wichtig ist, dass “jeder Bürger und jede Bürgerin für sich selber nachweisen kann, dass sein Leben in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens wesentlich entspannter geworden ist”. Ich teile diese Einschätzung dem Grunde nach, will aber auf die eben genannten, weiterhin zu oft bestehenden Barrieren hinweisen. Tatsächlich bin ich gespannt, was sich hier im Laufe der nächsten Jahre ändert. Die Verwaltung so digital und einfach wie möglich für JEDEN zu machen, sollte das Ziel sein. Ich bin der Meinung, dass das Thema digitale Barrierefreiheit uns früher oder später fast alle betrifft. Es geht hier nicht nur um die Rollstuhlfahrerin, der dann der Gang zum Amt erspart

können, für Menschen mit Hörbeeinträchtigung sollen Videos mit Untertiteln oder gleich mit Gebärdensprache eingestellt werden. Chat-Funktionen sind eine hervorragende Methode, Foto: BS/ Beauftragte der um nicht zum TeBayerischen Staatsregierung für die Belange lefon greifen und von Menschen mit Behinderung hören zu müssen. Die Möglichwird, sondern auch die Mutter keit Farben, Kontraste und die mit dem Säugling im sperrigen Schriftgröße zu ändern, bedeuten Kinderwagen oder die alte Dame, eine große Erleichterung für Menfür die der Weg ins Amt sehr schen mit Sehschwierigkeiten. anstrengend ist. Eine Webseite gut zu strukturieMenschen mit Behinderung sind ren und mit leicht verständlichem so unterschiedlich wie die Farben Text zu versehen, ist nicht nur unserer Augen. Allen gerecht zu für Menschen mit Lernschwierigwerden, ist schwierig, aber man keiten eine große Erleichterung, kann ein gutes Stück aufein- sondern auch für Menschen mit ander zugehen. Menschen mit Deutsch als Zweitsprache oder körperlichen Einschränkungen die Nicht-Juristen unter uns. können zum Beispiel Probleme Ob Ihre Webseite ausreichend damit haben, eine Maus zu bedie- barrierefrei ist, können Sie zum nen. Für sie ist es wichtig, dass Beispiel über BITinklusiv prüfen alles über die Tastatur machbar lassen. Dort gibt es auch nicht ist. Für mich persönlich müssen das ultimative Patentrezept, aber Webseiten und Portale über ein die Hinweise sollen deutlich maProgramm vorgelesen werden chen, dass man verschiedene Irmgard Badura ist seit neun Jahren Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Sie selbst hat eine degenerative Netzhauterkrankung und ist im Lauf der Zeit fast blind geworden.

Dimensionen der Barrierefreiheit denken muss.

Barrierefreiheit muss nicht teurer sein Oft werden neben “Schönheitsaspekten” der Webseite auch Kostengründe als Argument genommen, die digitale Barrierefreiheit nicht umzusetzen. Dr. Christian Radek, Leiter der Meldestelle des Projekts “Digital informiert – im Job integriert”, ist der Meinung, dass “die barrierefreie Gestaltung einer neuen Webseite nicht teurer ist als die Gestaltung einer nicht-barrierefreien Seite”. Es kommt natürlich immer auf den Umfang an. Wenn Sie sich ein Auto kaufen und die Standardausstattung nehmen, kostet Sie das meistens auch nicht mehr. Schwierig wird es bei dem Soundsystem, das Sie nachträglich einbauen lassen und mit dem sie eigentlich die ganze Stadt beschallen können. Das freut mit Sicherheit ein paar Jugendliche, kostet allerdings auch recht viel Geld. Das Thema Sicherheit im digitalen Raum ist ein extrem wichtiges. Jeder Bürger und jede Bürgerin möchte ihre sehr persönlichen Daten gut

Transformation der öffentlichen Verwaltung Effizient digitalisieren mit Business Process Management (BS/Christine Siepe*) Vor dem Hintergrund des rasant fortschreitenden technologischen Wandels und der Anforderungen für die digitale Transformation in der öffentlichen Verwaltung müssen Behörden ihre Prozesse überdenken und ihr traditionell vertikales Organisationsmodell beweglicher gestalten, um die Veränderungen zu bewältigen. Nur so lassen sich E-Verwaltung und E-Government-Projekte erfolgreich umsetzen und die Chancen der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung nutzen. Eine systematische Methode hilft dabei, die Verwaltungsprozesse effektiver und anpassbar zu machen und sich serviceorientierter auszurichten: Business Process Management (BPM). der Organisationskultur sowie Einbindung der beteiligten Mitarbeiter. Durch eine vorgelagerte, umfassende Modernisierung von Strukturen und Abläufen lassen sich die Prozesse in der Verwaltung effizienter digitalisieren. BPM-Vorhaben setzen voraus, dass sich die Organisation über ihre Geschäftsprozesse im Klaren ist. Vorhandene Beschreibungen fachlicher Zusammenhänge dienen als Ausgangspunkt, um Prozessabläufe zu vervollstän-

digen. Auf dem Weg zu einer serviceorientierten Architektur werden alle fachlichen Anforderungen und Services unter die Lupe genommen und komplexe Zusammenhänge vollständig und präzise dargestellt. Eine besondere Herausforderung auf dem Weg zu durchgängig digitalisierten E-GovernmentAngeboten sind die zahlreichen spezialisierten Fachverfahren, deren Prozesse unvollständig dokumentiert sind. Abstimmungs-

und Verständnisprobleme zwischen Fach- und IT-Abteilungen erschweren oftmals die Umsetzung der Prozesstransformation. Hier hilft BP3M, ein von Materna entwickeltes, erweitertes und in der Praxis erprobtes BPM-Vorgehensmodell, dabei, fachliche Anforderungen in IT-spezifische Anforderungen zu übersetzen und somit eine Brücke von der Fachlichkeit zur IT-Implementierung zu schlagen. So lassen sich Prozesse effizient standardi-

sieren und die Systemlandschaft harmonisieren. Mit BPM-Methoden und -Werkzeugen lassen sich auch neue Prozesse und Services kostengünstig erstellen. So kann die Verwaltung schneller auf ein verändertes Kundenverhalten in dynamischen, digitalisierten Umfeldern reagieren und innovative E-Government-Vorhaben umsetzen. BPM ermöglicht die Automatisierung der Prozesse sowie eine bessere Performance

geschützt wissen. Aber denken Sie an mein Beispiel mit dem Passwort. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, um rauszufinden, ob ein Roboter oder ein Mensch am Computer sitzt. Es muss nicht die Bilderfolge sein, auf der man die Stoppschilder sehen, erkennen und anklicken muss, um sich zu schützen. Wenn Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungen keinen Zugang haben, hilft die ganze Digitalisierung nur wenig. Wichtig sind mir die Personen, die immer noch nötig sind, um die digitale Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken, einzubringen und umzusetzen. Bei Ausbildungen und Fortbildungen, gerade im Öffentlichen Dienst, muss die digitale Barrierefreiheit selbstverständlich sein. Die privaten Anbieter müssten barrierefreies Web-Design endlich als Kundenfreundlichkeit und Wettbewerbsvorteil erkennen. Gerade die “Digital Natives”, also die Personen, die schon in ihrer Kindheit mit Computer und Co. aufgewachsen sind, tun sich oft leicht, diesen Aspekt mitzudenken und in ihren persönlichen Checklisten abzuspeichern. Wir müssen unbedingt hier schon ansetzen und die digitale Barrierefreiheit zur Normalität werden lassen. Mehr zum Thema Barrierefreiheit auf Seite 16 sowie auf dem 2. Zukunftskongress Soziale Infrastrukturen (www.kongresssoziale-infrastrukturen.de) am 6. Juni 2018 in Berlin.

und Skalierung einer prozessorientierten Organisation. Damit ist BPM ein entscheidender Treiber für weitere Digitalisierungsvorhaben und methodische Grundlage für innovative Ansätze, beispielsweise beim Einsatz von Chatbots als zusätzliche Bürgerschnittstelle oder bei der Nutzung der Blockchain-Technologie für sichere Transaktionen. Der IT-Dienstleister Materna begleitet die öffentliche Verwaltung von der Prozessmodellierung über die Implementierung standardisierter, skalierbarer IT-Lösungen bis zur Integration ressortspezifischer Fachverfahren ganzheitlich bei der digitalen Transformation. *Christine Siepe ist als Manager Corporate Communications für die Materna GmbH tätig.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / April 2018

Breiter Dialog statt Amtsstube

I

m Gegenteil: Federführend durch das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung wurde ein breiter Dialogprozess angeschoben, um möglichst viele Menschen und Institutionen im Land mitzunehmen. Das ist uns gelungen! Die insgesamt acht Workshops zu den wichtigsten Digitalisierungs-Themen für Sachsen-Anhalt hatten eine enorme Resonanz – zwischen März und Juli 2017 haben gut 1.300 Menschen aus Wirtschaft, Vereinen und Verbänden sowie der Landesverwaltung teilgenommen. Und auch im Zuge der Online-Konsultation haben uns viele wichtige Hinweise erreicht, etwa zum Breitbandausbau an Schulen oder zum digitalen Museumsportal. Mit diesem wertvollen externen Input und nach weiteren Abstimmungen innerhalb der Ministerien konnte die “Digitale Agenda” Ende 2017 aus der Taufe gehoben werden.

Frisches Know-how aus dem neuen Digitalisierungs-Beirat Doch damit war und ist die Arbeit natürlich nicht beendet. Denn ebenso wie die Digitalisierung selbst ist auch die “Digitale Agenda” ein Prozess. Dieser wird in Sachsen-Anhalt begleitet von einem engagierten und fachlich versierten Digitalisierungs-Beirat, der sich Mitte

Seite 37

Die “Digitale Agenda” des Landes Sachsen-Anhalt

ge Datenautobahnen – und das nicht nur in den großen Städten, sondern gerade im ländlichen Raum.

Digitale Infrastruktur kommt voran (BS/Thomas Wünsch) Sachsen-Anhalt ist auf dem Weg in die digitale Zukunft. Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg ist die im Dezember 2017 durch die Landesregierung beschlossene “Digitale Agenda”. Sie enthält mehr als 150 Maßnahmen, sechs strategische Ziele sowie das Quer- Deshalb spielen der flächenschnittsziel “Verbraucherschutz, Datenschutz und Informationssicherheit”. Mit der “Digitalen Agenda” haben wir also ein umfassendes Paket aus deckende Breitbandausbau, die Initiativen geschnürt, mit denen die Ministerien den digitalen Wandel in Sachsen-Anhalt gestalten wollen. Die “Digitale Agenda” ist zwar von den Errichtung von kostenfreiem Ministerien erstellt worden. Sie ist aber keinesfalls nur in Amtsstuben entstanden – und schon gar nicht im Alleingang. WLAN an vielen Orten sowie die März 2018 konstituiert hat und schon bald seine Arbeit aufnehmen wird. Auch dabei setzen wir auf neue Technologien – so wurde eine digitale Plattform gestartet, um die Arbeit des Beirates zu erleichtern und einen effektiven Austausch zu ermöglichen. Die Weichen sind also gestellt, damit die insgesamt 14 Expertinnen und Experten aus SachsenAnhalt und Deutschland mit ihrem Know-how dazu beitragen können, den digitalen Wandel für Sachsen-Anhalt zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Und sollte das geballte Wissen des Beirates doch einmal nicht ausreichen, können jederzeit weitere Spezialisten von außen oder aus den Landesministerien hinzugezogen werden. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Beirates – wie auch der “Digitalen Agenda” insgesamt – ist die Unterstützung des Landes zur Digitalisierung der heimi-

schen Wirtschaft. Vor allem mit Blick auf unsere vielen kleinen Mittelständler setzen wir hauptsächlich auf zielgenaue Sensibilisierung und umfangreiche Beratung durch landesweite, aber auch regionale Akteure. Stellvertretend hierfür steht vor allem das vom Bund geförderte “Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0” in Magdeburg, das seit August 2017 aktiv ist und allen Branchen offensteht. Kleine und mittlere Unternehmen erhalten

Weitere werden folgen: Auf Hoch“Ebenso wie die Digitalisierung touren laufen etwa selbst ist auch die “Digitale die VorbereitunAgenda” ein Prozess.” gen für einen Innovationsscheck “Digital InnovaThomas Wünsch ist seit April 2016 Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Wissention”. Mit diesem schaft und Digitalisierung Sachsen-Anhalt. niedrigschwelligen Förderinstrument Foto: BS/Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und wollen wir kleiDigitalisierung Sachsen-Anhalt nen und mittleren Firmen dabei helfen, eigene digitale hier Unterstützung, um ihre in- Projektideen gemeinsam mit dividuellen Herausforderungen Ideengebern aus der sachsenim Rahmen der Digitalisierung anhaltischen IT- und Kreativmeistern zu können. wirtschaft weiterzuentwickeln. Neu ist auch das Programm Breite Unterstützung für “Digital Creativity” – aus dieMittelstand sem fördert das Land innovative, Für den digitalen Wandel in digitale Medienproduktionen mit der Wirtschaft setzen wir neben interaktiven Inhalten “made in kompetenter Beratung auch auf Sachsen-Anhalt”. Basis für den digitalen Wandel finanzielle Unterstützung – dafür steht schon jetzt eine breite Pa- in Wirtschaft und Gesellschaft lette neuartiger und unbürokra- ist die entsprechende Infrastruktischer Förderangebote bereit. tur. Wir brauchen leistungsfähi-

Versorgung mit schnellen Mobilfunkverbindungen eine zentrale Rolle in der “Digitale Agenda”. Besonderes Augenmerk richten wir dabei auf die Unternehmer und Fachkräfte von morgen: Die Landesregierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, alle Schulen in Sachsen-Anhalt durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Ministerien, Schulträgern und Telekommunikationsunternehmen bis Ende 2020 mit leistungsfähigen Glasfaseranschlüssen und modernen WLAN-Netzen auszurüsten. Sie sind die Grundlage für zeitgemäßen Unterricht mit digitalen Medien sowie für die Nutzung moderner Software zum Bildungsmanagement. Gerade für Sachsen-Anhalts Schülerinnen und Schüler müssen HighspeedInternet sowie das Wissen um Chancen und Risiken der Digitalisierung selbstverständlich sein. Denn davon hängt nicht weniger ab als die Zukunft unseres Landes.

MELDUNGEN

Dritter Digital Leader Award (BS/gg) Im Rahmen des Wettbewerbs “Digital Leader Award”, den die Zeitschrift “Computerwoche” und Dimension Data Deutschland veranstalten, werden bereits zum dritten Mal die besten Digitalprojekte ausgezeichnet und vorgestellt. In der Wettbewerbskategorie “Digitize Society” geht es dabei

explizit auch um digitale Innovationen, die in Behörden und sonstigen öffentlichen Einrichtungen umgesetzt wurden. Interessierte können dabei sein, wenn am 28. Juni 2018 die Preisträger die besten Digitalprojekte vorstellen und Fragen beantworten. Sie können zudem Zeuge werden, wenn am Abend auf der

“Cybersicherheits-Gipfel” Hessen großen Gala in den BOLLE Festsälen in Berlin der Vorhang fällt und die Gewinner ausgezeichnet werden. Weitere Informationen zum “Digital Leader Award” unter www. digital-leader-award.de oder bei Agnes Fröschl, 089/36086520, afroeschl@digital-leader-award. de

Digital Administration Öffentlicher Sektor mit neuem Auftritt bei der CEBIT (BS/gg) Die CEBIT 2018 präsentiert sich mit neuem Konzept, neuen Themen, neuen Formaten, neuer Hallenaufteilung und einem neuen Termin. Erstmals findet die CEBIT im Frühsommer statt – vom 11. bis 15. Juni 2018 in Hannover. Auch für Aussteller und Besucher aus dem öffentlichen Sektor wird sich in diesem Jahr einiges ändern. Das neue CEBIT Konzept basiert auf vier Elementen: d!conomy, d!tec, d!talk und d!campus. Der Bereich d!conomy richtet sich an IT-Professionals und Entscheider aus Unternehmen, öffentlichem Sektor und Handel und präsentiert thematisch all das, was für die Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung notwendig ist. Die Schwerpunkte heißen Digital Business, Digital Administration, Internet of Things, Security, Communication & Networks, Channel & Distribution, Mobile Solutions und Data Center. Bei d!tec dreht sich alles um Entwickler, Innovationen und Start-ups. D!talk steht für die Visionäre, Querdenker, Experten und Kreative aus aller Welt, die auf der CEBIT 2018 zu Gast sein werden. Emotionales Herzstück der neuen CEBIT soll der d!campus werden, ein Bereich mit viel Platz zum Netzwerken in Lounge-Atmosphäre, mit Streetfood und Livemusik.

Auf der CEBIT 2018 wird es einen neuen Anlaufpunkt für Besucher aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung geben. Grafik: BS/Deutsche Messe

und Weiterbildungsangebote. Der Behörden Spiegel wird auch in diesem Jahr wieder in einer täglichen Sonderausgabe des Newsletters “E-Government, Informationstechnologie und Politik” über die Ereignisse auf der CEBIT, insbesondere im Bereich Digital Administration, berichten.

“Public Adminstration Ticket”

Halle 14 ist das neue “Public-Zentrum” Dem öffentlichen Sektor bietet das neue CEBIT-Konzept im Bereich d!conomy in Halle 14 die Plattform “Digital Administration”, wo zahlreiche Unternehmen sowie Behörden von Bund, Ländern und Kommunen ihre ITLösungen für die öffentliche Verwaltung präsentieren werden. Mit der unmittelbaren Nähe zum Ausstellungsbereich des “Digital Business” sollen Synergien zu den Bereichen Data Management & Digital Processes sowie Workplace 4.0 & Collaboration

“Wir freuen uns auf die Präsentation der öffentlichen Verwaltung im Bereich Digital Administration. Hier geht es um den aktuellen Entscheidungsund Investitionsbedarf in der Digitalisierung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene”, so Oliver Frese, CEBIT-Vorstand beim Veranstalter Deutsche Messe AG. Foto: BS/Deutsche Messe

geschaffen werden. Die d!talk Bühne in Halle 14 bietet zudem Konferenzen, Expertenaustausch

Besucher von Behörden und Verwaltungen haben die Möglichkeit, eine besondere Eintrittskarte für die CEBIT 2018 zu erwerben, das sogenannte Public Adminstration Ticket. Dieses Dauerticket kann, nur in Verbindung mit einem aktuellen Dienstausweis oder einer Bescheinigung des Arbeitgebers zum Nachweis der Ermäßigungsberechtigung, zum Vorzugspreis von 50 Euro unter www.cebit. de/#tickets bestellt werden. Mehr zur konzeptionellen Neuausrichtung der CEBIT und der Plattform “Digital Administration” im Interview mit Deutschen Messe-Vorstand Oliver Frese in der Mai-Ausgabe des Behörden Spiegel.

(BS) Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport veranstaltet am 9. Mai 2018 im RheinMain CongressCenter in Wiesbaden den 3. “Cybersicherheits-Gipfel” Hessen. Die Veranstaltung beschäftigt sich mit Cyber-Sicherheitsstrategien über die Landesgrenzen hinweg. Daher werden erstmalig auch die

politischen Entscheidungsträger aus Österreich und der Schweiz an dem Gipfel teilnehmen und ihre Cyber-Sicherheitsstrategien vorstellen. Begrüßen und einführen in die “Agenda Cybersicherheit@Hessen” wird der Hessische Innenminister Peter Beuth. Weitere Redner sind u.a. Arne Schönbohm, Präsident des

Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik; Prof. Dr. Reinhard Posch, CIO der Bundesregierung Österreich; Peter Fischer, Delegierter für die Informatiksteuerung der Schweiz. Wegen der begrenzten Teilnehmerzahl ist eine Anmeldung per E-Mail erforderlich: anmeldung@ cybersec-gipfel-hessen.de .


Informationstechnologie

Seite 38

B

ehörden Spiegel: Die ITKonsolidierung des Bundes schreitet voran. Inwieweit ist das Auswärtige Amt Teil dieser Konsolidierung? Egyedy: Die Auslands-IT des AA ist von der inländischen Konsolidierung als sogenannte “Ressortausnahme” grundsätzlich ausgenommen und hat auch im Koalitionsvertrag den Auftrag, die IT für die Bundesverwaltung im Ausland bereitzustellen. Nichtsdestotrotz schauen wir im Sinne der Wirtschaftlichkeit natürlich, welche Teile der IT wir bei einem inländischen IT-Dienstleister konsolidieren könnten. Wir haben auch schon IT-Systeme in das Inland konsolidiert. Bei einigen IT-Systemen haben wir bei der Konsolidierung leider die Erfahrung gemacht, dass das Ergebnis unsere Kernaufgaben nur suboptimal unterstützt bzw. zu höheren Aufwänden geführt hat. Mit diesem Vorwissen gehen wir jetzt an die gesamte Konsolidierung heran. Unser Auftrag aus dem Kabinett lautet, die Leistungen unserer Auslands-IT auch anderen Ressorts anzubieten. Wir haben in einem ersten Schritt grundlegend analysiert, welche unserer Services und IT-Systeme anderen kurzfristig zur Nutzung angeboten werden können und bieten diese auch teilweise schon heute für andere Ressorts im Ausland an. Behörden Spiegel: Sie haben also eine allgemeine Bestandsaufnahme durchgeführt. Was war am Ende das Ergebnis der Analyse? Egyedy: Wir haben dabei festgestellt, dass ein Großteil unserer

Behörden Spiegel / April 2018

Die Auslands-IT des AA IT-Spezialisten im weltweiten Einsatz (BS) Die IT des Auswärtigen Amtes ist der exklusive Auslands-IT-Dienstleister für die unmittelbare Bundesverwaltung im Verbund der IT-Dienstleister des Bundes. Von der Softwareentwicklung bis zum Ad-hoc-Aufbau von Kommunikationsnetzen zählen weltweit hochkomplexe und innovative IT-Lösungen zum Portfolio der Auslands-IT. Viele Bundesministerien und -behörden nutzen derzeit bereits die Dienstleistungen der Auslands-IT an etwa 230 Auslandsvertretungen. Der Behörden Spiegel sprach mit Sven Stephen Egyedy, der seit Herbst vergangenen Jahres die Position des Chief Technology Officers (CTO) im Auswärtigen Amt innehat. Das Interview führte R. Uwe Proll. Dienste originäre “Auslands-IT” ist. Es gibt nur einen ganz kleinen Teil, der diese Besonderheiten nicht aufweist. Die Auslands-IT wurde in die Domänen aufgeteilt, die man auch aus dem Architekturmodell des BMI kennt. In unserer IT-Systemarchitektur versuchen wir, uns weitgehend an den gemeinsamen Architekturrichtlinien zu orientieren, um die Anschlussfähigkeit der Dienste sicherzustellen. Die AuslandsIT hat allerdings Anforderungen, die meist deutlich höher als in der Inlands-IT sind. Im Rahmen der Auslands-IT entwickelte Basisund Querschnittsdienste können meist passfähig in die Architektur von ITZBund und BWI eingebracht werden. Der Gedanke eines IT-Leistungsverbundes wird von uns gelebt. Systeme, die als Querschnittsdienst im Inland entwickelt worden sind, müssen für unsere besonderen Zwecke allerdings in der Mehrzahl der Fälle noch mal ertüchtigt werden. Wir nutzen beispielsweise den Basisdienst der E-Akte, prägen ihn aber bei uns speziell aus und betreiben ihn auch bei uns. Umgekehrt, zum Beispiel im Fall unserer Krisenfrüherkennung, entwickeln wir ein System und bieten es BWI und ITZBund dann an, sodass die es wiederum ih-

ren Kunden im Inland anbieten können. Durch diese organisatorische Aufteilung Inland/Ausland vermeiden wir, dass wir in eine ungewollte Konkurrenzsituation zu den Inlands-IT-Dienstleistern treten. Behörden Spiegel: Nun sind die etwa 230 Auslandsvertretungen ja über den gesamten Globus verteilt. Wie lässt sich dies effizient kontrollieren und steuern? Egyedy: Natürlich ist es nicht trivial, eine Analyse über die ganze Welt verteilt durchführen zu müssen und auch einheitliche IT-Richtlinien weltweit umzusetzen. Dazu kommt noch, dass wir – ebenfalls im Gegensatz zu den

“Krisenkoffer” – für längere Einsätze “Im Rahmen der Auslands-IT und unterschiedentwickelte Basis- und Querliche Kommunikationszwecke, schnittsdienste können meist zwecks schnellen passfähig in die Architektur Transports in die von ITZBund und BWI Krisenregion. Mit diesen unterstüteingebracht werden.” zen wir Krisenmissionen, aber auch andere BundesSven Stephen Egyedy ist seit September 2017 Chief Technology Officer des Auswärtigen einrichtungen, Amtes. wie das THW, im Foto: BS/Auswärtiges Amt Bedarfsfall vor Ort. Zusätzlich halten inländischen Ressorts – viele als wir in den Auslandsvertretungen vertraulich eingestufte Kommu- im Rahmen der Krisenprävention nikationswege haben. Wir stel- Systemkomponenten (digitaler len ein weltweites und sicheres Krisenfunk, Satellitentelefone, Kommunikationsnetz bereit. Um sichere Smartphone-Lösungen) die Services anzubieten, haben bereit. Die Auslands-IT stellt wir neben unseren drei Service- weltweit ein sicheres Netz und hubs in Singapur, New York und sichere Infrastruktur zur VerPretoria zusätzlich sogenannte fügung. Das ist einer der Teilbe“regionale Fachkräfte”, die welt- reiche, in denen wir über Service weit verteilt sind. Dazu gibt es Level Agreements künftig für exRegionen, in denen wir im Zuge terne Kunden Services abbilden der Konsolidierung mit Sicherheit werden. unsere Präsenz vor Ort erhöhen müssen, um die verschiedenen Behörden Spiegel: Sie haben Kundenbedürfnisse befriedigen die drei Rechenzentren genannt, zu können. Viele lokale Proble- die neben den innerdeutschen me lassen sich nicht per Fern- Rechenzentren in Bonn und Berlin wartung beheben. Dazu haben vom AA betrieben werden. Welche wir auch ein modulares Krisen- Erwägungen haben dazu geführt, reaktionssystem – sogenannte diese Standorte auszusuchen?

zügiger wieder einen Regelbetrieb zur Verfügung stellen. Die Auslands-IT ist die strategische IT-Reserve des Bundes. Behörden Spiegel: Das IT-Personal in den Auslandsvertretungen besteht aus ortsansässigen Fachkräften oder aus Mitarbeitern des AA, die dorthin versetzt wurden? Egyedy: Unsere Beschäftigten in den Bereichen Hard-, Software und Infrastruktur sind im Regelfall Ingenieur/-innen und Techniker/-innen des AA. In New York sind wir in einer Transformationsphase, in Pretoria und Singapur befinden wir uns aktuell in der Aufbauphase. In dieser Aufbauphase werden die Auslandsvertretungen von der Rechenleistung hinüber in die Rechenzentren migriert. Es geht aber nicht nur um Rechenzentrumsleistung, sondern auch um Servicehubs, in denen wir Schulungen und Beratungen durchführen. Da wird dann auf die speziellen Anforderungen eingegangen, die regional notwendig sind. Es ist ein Unterschied, ob sie auf durch Industrienationen oder durch Entwicklungsländer geprägten Kontinenten eine technische Infrastruktur aufbauen müssen. Unsere Mitarbeiter/innen sind so ausgebildet und erfahren, dass sie auch in Ländern, die von europäischen Standards substanziell abweichen, unsere Ansprüche an Qualität und Sicherheit an allen deutschen Auslandsvertretungen umsetzen können. Behörden Spiegel: Wo sehen Sie die größten Sicherheitsrisiken für solche Rechenzentren?

Egyedy: Die Hauptgründe waEgyedy: Die Sicherheitsrisiken ren politischer und sicherheitstechnischer Natur, aber auch sind von der technischen und geologische und wirtschaftliche organisatorischen Seite nahezu Aspekte haben dabei eine Rol- identisch mit denen eines im le gespielt. Durch die weltweite Inland befindlichen RechenzenAktivität sind Latenzzeiten in trums. Die Sensibilität bei der der Auslands-IT natürlich von Umsetzung und Einhaltung der anderer Bedeutung als im Inland, erforderlichen Maßnahmen ist insbesondere in den Ländern, die bei unserem Personal im Ausland nur über Satellit angebunden allerdings erhöht. werden können. Wir befinden uns in einem TransformatiBehörden Spiegel: Und diese onsprozess, der schon vor der Rechenzentren sind dann auch IT-Konsolidierung angestoßen gegen Stromausfall, Hubschrauwurde. Eigene Rechnerräume in berabstürze und Hochwasser Auslandsvertretungen werden in gesichert? Regionalzentren künftig zusamEgyedy: Grundsätzlich untermengezogen. Dieses Zusammenziehen ermöglicht häufig bessere liegen die globalen Zentren den Performanzen, reduziert Kosten gleichen Regeln, die das Bunund Kompledesamt für Sixität und wir cherheit in der können eine si“Ab 2019 wollen wir […] Informationsgnifikant höhetechnik (BSI) den anderen Ressorts re IT-Sicherheit auch für die anbieten können, gewährleisten. Rechenzentren Zusätzlich haihre Kerndatensätze in im Inland aufgestellt hat. Wir ben wir durch einem sogenannten sind im Dialog unsere autark digitalen Ausweichsitz mit dem BSI zu aufgestellte IT und die drei den Regeln, die zu speichern.” globalen Refür den Auschenzentren landseinsatz die Möglichkeit, bei einer Groß- noch einmal angepasst werden schadenslage rechtzeitig die müssen. Auslands-IT vom Inlands-Netz Behörden Spiegel: Und ihre abzukoppeln und handlungsfähig zu bleiben. Im Gegensatz zu den Techniker reisen dann im schwarinländischen IT-Dienstleistern zen Anzug durch die Welt, dekönnen wir eine echte Geo-Re­ klarieren ihren Technikkoffer als dundanz anbieten. Ab 2019 wol- Diplomatengepäck und reparieren len wir auf Basis dieser Redun- damit die verschlüsselte Technik danz einen Dienst entwickeln, mit in den Auslandsvertretungen? dem wir den anderen Ressorts Egyedy: Die Kleiderwahl ist anbieten können, ihre Kerndatensätze in einem sogenannten jedem selbst überlassen. Ein digitalen Ausweichsitz zu spei- Alleinstellungsmerkmal, im chern. Wenn es dann zu einem Gegensatz zu den anderen ITGroßschadensereignis kommt, Dienstleistern, ist, dass wir die das nicht sofort unter Kontrolle volle Fertigungsbreite und Fertizu bringen ist, können wir durch gungstiefe liefern müssen. Demdie Auslands-IT ein nicht kom- entsprechend müssen wir auch promittiertes IT-System aufbauen die Fähigkeit haben, in unseren und die Ressorts bleiben, wenn Auslandsvertretungen selbst Kaauch eingeschränkt, handlungs- bel zu verlegen und Infrastrukfähig. Und sollte doch ein lokaler turen aufzubauen. Im Vergleich Schaden entstehen, können die ist das Auswärtige Amt von den inländischen IT-Dienstleister im vier Ressorts, in denen ich geRahmen von Disaster-Recovery- arbeitet habe, definitiv eines der Maßnahmen den Ressorts durch fortschrittlichsten Ressorts, was ein Neuaufspielen der Kerndaten die Digitalisierung angeht.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / April 2018

Governikus unterstützt

G

leichzeitig ist der erkennbare und begonnene Trend zur Konsolidierung zwingend notwendig, um entstandene Silos aufzubrechen. Die immer größer werdenden Datenplattformen erfordern ein Höchstmaß an Interoperabilität und auch Föderation, was uns alle vor allem auch aus Datenschutzgründen vor neue Herausforderungen stellt. Basisdienste und Webservices, um diese in wachsende und vernetzte Infrastrukturen zu integrieren und den vielen einzelnen Prozessworkflows gebündelt “vor der Klammer” zur Verfügung zu stellen, sind wichtige Bestandteile auf dem Weg in die digitale Zukunft der Verwaltung. Das Governikus-Portfolio liefert viele solcher Dienste und Services, die in vorhandene Infrastrukturen integriert werden können. Ein Großteil davon steht über die Anwendungen des IT-Planungsrates Governikus und Governikus MultiMessenger zur Nutzung zur Verfügung. Die Einsatzszenarien sind vielfältig, offene Industriestandards erlauben dabei ein Höchstmaß an Integrationsfähigkeit in vorhandene Infrastrukturen, grenzübergreifende Szenarien und föderierte Systeme werden ebenfalls unterstützt.

Sichere Identitäten Der Umgang mit digitalen Identitäten ist eine komplexe Herausforderung. Die Heterogenität der IT-Systeme, in denen Identitäten und Berechtigungen in den unterschiedlichsten Facetten gespeichert und verwendet werden, macht das Management von Identitäten mit der Fülle von Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Einfachheit und Risikominimierung schier unmöglich. Zudem nehmen der Bedarf und auch der Anspruch an den Schutz personenbezogener Daten stark zu. Explizite Berechtigungsstrukturen für den Zugriff auf Daten sind essenziell, wobei diese auf gespeicherten Identitäten beru-

Herausforderungen mit IT-Planungsratsanwendungen lösen (BS/Petra Waldmüller-Schantz*) Das Onlinezugangsgesetz, das E-Rechnungsgesetz, das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, Multikanal, Plattformen und Gateways, Interoperabilität sowohl im Bereich von eDelivery als auch bei eID: Die Aktivitäten und Entwicklungen im E-Government und E-Justice haben sowohl in Deutschland als auch bei unseren europäischen Nachbarn rasant an Fahrt aufgenommen. Im Laufe der letzten Legislaturperiode wurden einige Gesetze zur Förderung der Digitalisierung der Verwaltung und Justiz verabschiedet, neue Vorhaben ins Leben gerufen, bereits laufende wurden forciert. Der Einfluss aus Brüssel hat nicht zuletzt durch die eIDAS-Verordnung zugenommen, sodass Interoperabilität und Standardisierung weiter an Bedeutung gewinnen. hen. Gleichzeitig steigt bei weiterer Globalisierung die Erwartungshaltung an gegenseitiger Anerkennung unterschiedliche Identitätstoken bzw. -systeme. Mehr denn je bedarf es einer intelligenten Vernetzung und somit Föderation von Systemen und verteilten Identitäten. Die Anwendung Governikus des IT-Planungsrates beinhaltet Lösungsbausteine auf Basis offener Industriestandards, die in unterschiedlichen Identitätsszenarien, wie z. B. beim Einsatz von Servicekonten, verwendet werden können. Die Funktionsschwerpunkte der umfassenden Governikus-Identitätsmanagementlösung decken dabei u. a. die sichere Identifizierung und Authentisierung, die Benutzerverwaltung und das Management rund um den Identitätslebenszyklus wie auch Verzeichnisdienstfunktionen ab. Die eIDAS-Konformität ist dabei gewährleistet.

Sichere Kommunikation Ob Kommunikation auf dem bewährten OSCI-Standard, in XTA-Szenarien, im elektronischen Rechtsverkehr oder die Einbindung von Multikanalkommunikation: Mit den Governikus-Anwendungen des IT-Planungsrates stehen modulare Lösungsbausteine zur Verfügung, die eine sichere und dabei flexible Integrationen ermöglichen. Auf Basis von EU-Projekten und ETSI-Standards werden dabei grenzübergreifende Kanäle zugänglich gemacht und Kommuni-

NACHRUF

Governikus trauert um Elke Ortmann “Zutiefst betroffen sind wir vom viel zu frühen Tod unserer Kollegin Elke Ortmann. Wir verabschieden uns von einer Kollegin, die allen stets als sehr sympathischer, engagierter, begeisterungsfähiger und verlässlicher Mensch in Erinnerung bleiben wird! Viele Jahre lang war die in Berlin aufgewachsene Elke Ortmann im Public Sector beruflich zu Hause. Schon während ihrer Zeit als Vertriebsleiterin bei einem namhaften deutschen Elektronik-Konzern haben wir Elke als eine verlässliche Kooperationspartnerin kennengelernt. Anfang 2015 wechselte sie zur Governikus KG, um als Prokuristin Verantwortung in unserem Führungskreis zu übernehmen und unsere Niederlassung in Berlin aufzubauen. Ihre Begeisterung für das E-Government war eine wesentliche Antriebsfeder für ihr Wirken. Nicht nur deshalb wurde sie von Kunden und Partnern sowie Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt. Von einem auf den anderen Tag wurde Elke Ortmann aus ihrem Berufsleben gerissen und kämpfte tapfer und voller Optimismus gegen ihre Krankheit. Ein Kampf, der unseren größten Respekt ver-

Elke Ortmann (11.07.1962 – 05.02.2018) Foto: BS/Governikus

diente, denn Elke hat zu keiner Zeit aufgegeben oder sich beklagt. Auch dies sagt sehr viel über den Menschen Elke. Leider hat sie ihren Kampf nicht gewonnen und – wie wir heute wissen – auch gar nicht gewinnen können. Wer das Glück hatte, mit Elke zusammenzuarbeiten, weiß, wie wichtig es ihr war, die richtigen Lösungen zu finden und mit wie viel Begeisterung sie sich dafür einbringen konnte. Unsere Gedanken sind bei der Familie von Elke. Unser Mitgefühl gilt ihrem Ehemann, ihren Kindern und dem Enkelkind. Elke, wir vermissen Dich!” Die Belegschaft, Geschäftsführung und der Aufsichtsrat der Governikus GmbH & Co. KG zum Tode von Elke Ortmann

MELDUNG

E-Government-Gesetz in Bremen verabschiedet (BS) Die Bremische Bürgerschaft hat ein landeseigenes EGovernment-Gesetz beschlossen. Verwaltungsverfahren sollen dadurch einfacher und nutzerfreundlicher werden. Außerdem wurden Regelungen zum E-Rech-

Seite 39

nungsverfahren getroffen, um durchgängig medienbruchfreie Prozesse von der Auftragsvergabe bis zur Bezahlung zu ermöglichen. Bis 2022 soll zudem die E-Akte in allen Verwaltungsbereichen eingeführt sein.

kation entsprechend der eIDASVerordnung ermöglicht. Mit den modularen Lösungsbausteinen können vielfältige Kommunikationsszenarien abgedeckt werden und leicht in vorhandene Infrastrukturen integriert werden. Die gewachsenen Anforderungen an unterschiedlich verschlüsselte Kommunikation sind nutzerfreundlich umsetzbar und ermöglichen künftige Erweiterungen, ohne in zu-

Die drei Lösungssuiten verbinden Sicherheit bei Daten, Identität und Kommunikation. Grafik: BS/Governikus

sätzliche Clientanwendungen investieren zu müssen. Eine durchgängige und transparente Protokollierung jeglicher Kommunikation bietet darüber hinaus deutliche Mehrwerte hinsichtlich Rechtssicherheit und Nutzerakzeptanz.

Sichere Daten Das Signaturgesetz ist tot, es lebe die eIDAS – so oder ähnlich könnte das Revival im Bereich der Signaturen beschrieben werden. Qualifizierte elektronische Signaturen sind aus E-Government und EJustice nicht wegzudenken. Er-

leichtert wird nun durch Fernsignaturen und Siegel der Umgang für die Kommunikationspartner, denn sie ermöglichen, weitere Vorgänge online, medienbruchfrei und dennoch rechtssicher anbieten zu können. Auch hier spielt die Interoperabilität und Anerkennung europäischer Standards eine wichtige Rolle, der in der Anwendung Governikus mit etlichen Lösungsbausteinen für die unterschiedlichsten Szenarien Rechnung getragen wird. Signaturen spielen ebenfalls eine gewaltige Rolle, wenn es um die Beweiswerterhaltung elektronischer Kommunikation und Daten über lange Zeiträume hinweg geht. Die TR-ESOR-zertifizierte Lösung Governikus LZA kann aufgrund standardisierter Schnittstellen einfach integriert werden. Durch die Anbindung der Verifikations-Komponenten aus der Anwendung Governikus stellen dabei auch europäische Signaturen kein Problem dar. Ein Großteil der für Governikus LZA benötigten Komponenten sind Bestandteil der Anwendung Governikus. *Petra Waldmüller-Schantz ist Director Communications bei der Governikus GmbH & Co. KG.


IT-Sicherheit

Seite 40

Der blinde Fleck

“D

ie Verantwortlichen unterschätzen das Thema”, beobachtet der Wirtschaftsjurist Andreas F. Scholtz. “Es wird inzwischen viel für die Netzwerkund Serversicherheit getan, die Druckumgebung ist aber ein blinder Fleck in den Sicherheits- und Datenschutzkonzepten.” Dem zertifizierten Datenschutzbeauftragten zufolge gewinnt das Thema aktuell noch an Brisanz durch die ab Mai geltenden strengeren Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). IT-Sicherheits- und Datenschutzverantwortliche müssen sich klarmachen, dass Drucker, Scanner und ähnliche Geräte nicht nur selbst vollwertige Server im Netzwerk darstellen, die grundsätzlich angreifbar sind. Beim Drucken, Scannen und Faxen handelt es sich außerdem in den meisten Organisationen um Verarbeitungen von personenbezogenen oder teilweise sogar geheimhaltungspflichtigen Daten.

Behörden Spiegel / April 2018

IT-Sicherheit und Datenschutz in Druckumgebungen (BS/Benjamin Stiebel) Bewusstsein für Gefahren im Cyber-Raum ist in den meisten Organisationen vorhanden und so werden Maßnahmen zur Absicherung von Datenverkehren zwischen Arbeitsplatzrechnern, Routern und Webservern umgesetzt. Die Druckumgebung wird dagegen oft vernachlässigt.

Daten entsorgen Eine der wichtigsten Baustellen bei der Umsetzung eines Sicherheitsmanagements in Druckumgebungen sei die Datenhaltung, erklärt der Technologieberater Martin Stolle. Der Technologieberater ist seit über 20 Jahren in der Druckerbranche tätig. Das Problem: Drucker speichern standardmäßig Nutzdaten inklusive Inhalten der verarbeiteten Dokumente auf internen Festplatten. Eine Verschlüsselung dieser Daten ist notwendig. “Am besten sollten Nutzdaten nur temporär für die unmittelbar zu verarbeitenden Aufträge gespeichert und dann regelmäßig durch Überschreiben unwiderruflich gelöscht werden”, so Stolle. Auf jeden Fall sollte eine dauerhafte Löschung der Daten oder physikalische Zerstörung der Festplatte erfolgen, wenn Altgeräte abgebaut werden. Personenbezogene oder sensible Daten treten aber nicht nur in Form konkreter Nutzdaten auf. Weniger offensichtlich, aber

In den Druckumgebungen der meisten Organisationen werden sensible Daten verarbeitet – entsprechend sind auch hier technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz notwendig. Foto: BS/Stiebel

u. U. ebenso kritisch können Metadaten von Druckaufträgen sein. Schon ein Druckjobname wie “Kündigung Erika Mustermann.doc” oder “Auftrag Firma XY.pdf” kann sensible Informationen enthalten. Dazu sagt Stolle: “Metadaten sind je nach Infrastruktur häufig im Druckserver, im internen Webserver oder auf dem Bedienpanel von Druckern sichtbar. Im Idealfall sollten Metadaten daher abgeschaltet oder nur anonymisiert übertragen werden.” Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass am Ende aller Datenübertragung und -speicherung beim Drucken das Endergebnis ein Papierdokument ist – und auch dieses ist häufig vertraulich. Zu den größten Risiken für den Schutz persönlicher oder geheimer Informationen gehören daher Ausgabefächer und Papierkörbe, vor allem, wenn Drucker-

Gemeinsames Signal gegen wahllose Cyber-Angriffe In diesem Fall und zum ersten Mal in solch koordiniertem Vorgehen haben ein halbes Dutzend Regierungen sich entschieden, die Verantwortlichen zu benennen. Die britische Regierung war die erste, die Moskau öffentlich für NotPetya anprangerte, dicht gefolgt von der amerikanischen und der australischen Regierung, ergänzt durch ähnliche Äußerun-

wertvollen Informationen, sei, wie Stolle betont, eine durchaus praktizierte Methode von Kriminellen, um zum Beispiel gezielte Phishing-Angriffe oder Betrugsversuche vorzubereiten. Im Papiermüll lassen sich nicht nur Informationen über Mitarbeiter und Geschäftsbeziehungen zu Kunden, Auftragnehmern oder Lieferanten finden. Gefundene Dokumente lassen sich auch als Blaupause für überzeugende Fälschungen verwenden.

Übertragungswege absichern Mit einer sicheren Entsorgungsroutine und einem überlegten Datenhaltungsmanagement im Gerät ist es aber noch nicht getan. Auch Übertragungswege im Netzwerk vor Ort müssen abgesichert werden. “Der Zugriff auf die Druckerfestplatte von außen sollte gesperrt sein”, rät Stolle. Das ist aber nicht der einzige

Weg, im Druckumgebungsnetz an sensible Informationen zu kommen. Druckdaten können grundsätzlich auch bei der Übertragung abgefangen werden – sowohl durch Innentäter als auch durch Cyber-Kriminelle, wenn sie einmal über typische Methoden wie Phishing oder Man-in-theMiddle-Angriffe einen Fuß ins Behördennetz bekommen konnten. Sind die Druckdaten gesammelt, ist die exakte Rekonstruktion von Dokumenten mithilfe von frei erhältlichen Programmen ein Kinderspiel. Die üblichen IT-Sicherheitsmaßnahmen- und Lösungen dürfen daher nicht an der Druckumgebung vorbeilaufen. Auch hier sind Beschränkung, Überwachung und Protokollierung von Datenverkehren sinnvoll. Mindestens dann, wenn hohe Anforderungen an die Geheimhaltung gelten, sollten Druckdaten auch

Cyber-Angriffe von Staats wegen?

N

achdem zuerst Computersysteme in der Ukraine von der Schadsoftware infiziert und danach blockiert wurden, traf es in Windeseile Netzwerke auf der ganzen Welt. Selbst Geschäftsprozesse von Weltunternehmen wie dem dänischen Transportunternehmen Maersk wurden unterbrochen. Auch das System zur Messung von Radioaktivität in Tschernobyl funktionierte vorübergehend nicht. Insgesamt wird der Schaden durch diesen einzigen Vorfall auf über eine Milliarde Euro geschätzt. In der Öffentlichkeit wurde lange diskutiert, wer hinter dem NotPetya-Angriff steckt. Oft ist bei solchen Vorfällen unklar, ob Kriminelle, politisch motivierte Akteure oder gar Nationalstaaten verantwortlich sind, da es im Internet relativ leicht ist, seine Spuren zu verstecken. Es kommt auch nicht selten vor, dass es auch eine Mischung von verschiedenen Akteuren ist, die gemeinsame Sache machen. Nur Organisationen mit signifikanten Ressourcen und Technik haben die Möglichkeit, die Quelle solcher Angriffe erfolgreich zurückzuverfolgen und den wahren Übeltäter mit hoher Wahrscheinlichkeit zu identifizieren.

räume öffentlich zugänglich sind oder von mehreren Abteilungen gemeinsam genutzt werden. Als eleganteste Lösung schlagen die Experten Scholtz und Stolle hier das sog. Pull Printing vor: Druckaufträge werden gesammelt und erst gedruckt, wenn der Mitarbeiter sich per RFID-Chip – z. B. mit seinem Mitarbeiterausweis – an einem Gerät authentifiziert. So lässt sich auch vermeiden, dass Kollegen beim Durchsuchen der überfüllten Ausgabefächer unfreiwillig auf Informationen stoßen, die nicht für sie bestimmt sind. Eine Entsorgung von Papierdokumenten sollte im besten Fall nur in abschließbare Behälter mit Einwurfschlitz erfolgen. In die Papiertonne vor dem Gebäude gehört nur hinreichend zerkleinerter Papiermüll. Sogenanntes “Dumpster Diving”, das Durchsuchen von Containern vor Organisationen nach

Der Ruf nach Regeln wird lauter

verschlüsselt übertragen werden. Die größte Herausforderung bei der vollständigen Einbindung der Druckumgebung ins IT-Sicherheitsmanagement ist aber häufig nicht technischer Natur, wie Scholtz und Stolle aus langjähriger Erfahrung berichten können. Wegen mangelnden Problembewusstseins und einer Scheu vor den Umsetzungskosten fehle es häufig an der notwendigen Unterstützung seitens der Leitungsebene. Auch von Mitarbeitern seien Widerstände zu erwarten, wenn diese befürchten, durch einen zentralen und standardisierten Betrieb Komfortverluste hinnehmen zu müssen – sei es, weil eine Authentifizierung als mühselig betrachtet wird oder weil Sonderlösungen wie Drucker am Arbeitsplatz oder im Home Office nicht mehr zugelassen werden können. Als erster Schritt, noch bevor technische und organisatorische Maßnahmen im Detail ausgearbeitet würden, müsse daher auf allen Ebenen Bewusstsein geschaffen werden. Im zweiten Schritt seien klare Verantwortlichkeiten festzulegen. “Der Admin ist für die Leitung so eines Projekts nicht unbedingt der Richtige”, merkt Stolle an. “Jedenfalls sollten auch die Beauftragten für Compliance, Datenschutz und IT-Sicherheit beteiligt sein.” Unverzichtbar sei die Rückendeckung durch die Organisationsleitung. Die Mitarbeiter seien während des gesamten Projektablaufs mitzudenken: Maßnahmen müssten den betrieblichen Realitäten entsprechend konzipiert und umgesetzt werden, neue Richtlinien und Datenschutzbestimmungen sollten in Form von internen Schulungen vermittelt werden. Zu dem Themenkomplex bietet die Cyber Akademie im November 2018 das Seminar “Wenn der Drucker zum Sicherheitsrisiko wird” an. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.cyberakademie.de

Diskussion höchst kontrovers geführt. Denn letzten Endes wird nicht nur entscheidend sein, ob es eine Konvention gibt, sondern auch, was darinsteht.

(BS/Tim Maurer*) Der UNO-Generalsekretär António Guterres kam jüngst in einer Rede auf die Notwendigkeit eines neuen internationalen Regelwerks für Cyber-Sicherheit zu sprechen. Praktisch zeitgleich veröffentlichten eine Reihe von Regierungen, allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich, Stellungnahmen, in denen sie offiziell Russland für den NotPetya-Vorfall im Juni 2017 verantwortlich *Tim Maurer ist Co-Director machen. Dieser gilt als der bisher schwerste Cyber-Angriff. der Cyber Policy Initiative des gen aus Dänemark, Estland, Kanada und Neuseeland. Rob Joyce, Cyber-Sicherheitskoordinator der amerikanischen Regierung im Weißen Haus, stellte klar, dass die koordinierte Aktion der Regierungen zum Ziel hat, eine internationale Norm gegen wahllose Cyber-Angriffe zu etablieren und ein entsprechend klares Signal an Moskau zu schicken. Die russische Regierung soll für den massenhaften Schaden, den NotPetya verursacht hat, zur Rechenschaft gezogen werden. Moskau hat, wie zu erwarten war, die Schuldzuweisungen weit von sich gewiesen und Beweise gefordert. Wie viele Details und Beweise letztlich veröffentlicht werden, wird sich noch zeigen müssen. Das Problem bei solchen Veröffentlichungen besteht darin, dass Regierungen mit der Herausgabe von Beweisen unter Umständen auch die Methoden preisgeben, wie diese gesammelt wurden. Angreifer könnten sich dann entsprechend anpassen, sodass die Rückverfolgung zukünftiger Vorfälle möglicherweise erschwert wird.

Mehr Resilienz für Europa Unabhängig vom geopolitischen Machtspiel ist NotPetya ein wichtiger Wegweiser für die zukünftige Bedrohungslage, mit der sich Deutschland und die Europäische Union konfrontiert sehen. Das wachsende Ausmaß

der Kosten und negativen Auswirkungen veranschaulicht, dass Cyber-Sicherheit zunehmend eine Frage nationaler und internationaler Sicherheit ist. Nur wenige Monate vor NotPetya hatte eine ähnliche Schadsoftware sogar dazu geführt, dass Krankenhäuser Termine mit Patienten absagen mussten, weil die Computersysteme nicht funktionierten. Kurz, es geht mittlerweile auch um die Gesundheit und das Leben von Menschen. In Europa hat sich im Bereich Cyber-Sicherheit in den vergangenen Jahren viel getan. Eine neue Richtlinie soll für mehr Schutz und Resilienz gegen Cyber-Angriffe sorgen und die neue EU-Datenschutzgrundverordnung Daten vor unerlaubtem Zugriff schützen. Nun kommt es auf eine effektive Umsetzung an – gepaart mit der Flexibilität vonseiten der Regulierer, unter Umständen schnell Änderungen vorzunehmen, sollten sich bestimmte Details als unzulänglich oder unbrauchbar erweisen. Letzten Sommer verabschiedete die EU auch eine Reihe von Maßnahmen, die sie im geopolitischen Bereich mit besseren Instrumenten ausstatten soll. Hier stellt sich auch die Frage, ob mehr europäische Staaten sich in Zukunft an einem koordinierten Vorgehen wie im NotPetya-Fall beteiligen werden

– Deutschland und Frankreich haben sich beispielsweise bisher zurückgehalten. Ob es letztlich eine internationale Konvention zu CyberSicherheit geben wird, wie prominent von Microsoft gefordert

und vom UNO-Generalsekretär jüngst erwähnt wurde, bleibt abzuwarten. Russland und China pochen nun schon seit über einem Jahrzehnt auf die Notwendigkeit eines solchen Abkommens – Auch deshalb wird die

Carnegie Endowment for International Peace, eines Instituts spezialisiert auf Außenpolitik in Washington, DC, und Autor von “Cyber Mercenaries – The State, Hackers, and Power”, erschienen im Januar 2018 bei Cambridge University Press.

BSI IT-Grundschutz mit DocSetMinder Hohe Akzeptanz des GSTOOL-Nachfolgers bei Behörden (BS/Krzysztof Paschke*) Eine Vielzahl von Installationen und sehr positives Feedback der Sicherheitsexperten aus diversen Behörden bescheinigen die praxisnahe und innovative Umsetzung des modernisierten IT-Grundschutzes im DocSetMinder-Modul “IT-Grundschutz”. DocSetMinder setzt mit dem Modul “IT-Grundschutz” konsequent alle Anforderungen und die Methodik des modernisierten IT-Grundschutzes um. Durchdachte Softwarefunktionen unterstützen die Anwender aktiv in jeder Phase des Sicherheitsprozesses von der Planung über die Umsetzung bis hin zum Audit. Für den Übergang von den BSIStandards 100-2/-3 zu 200-2/-3 wird der parallele Betrieb gewährleistet. In dieser Phase können sowohl die GS-Kataloge als auch das GS-Kompendium verwendet werden. Strukturanalyse, Schutzbedarfsfeststellung und Modellierung berücksichtigen das aktuelle Schichten-Modell der neuen ITGS-Methodik. Durch die konfigurierbare Auswahl der Umsetzungsmethode

(Basis-, Kernund StandardAbsicherung) und des Schutzniveaus (Basis-, Standardanforderung und erhöhter Schutzbedarf) eignet sich DocSetMinder für den Einsatz in Behörden jeder Größe. In Kombination mit den Modulen “EU-DSGVO” und “Notfallmanagement” ist DocSetMinder eine Komplettlösung für die Informationssicherheit und den Datenschutz einer Organisation. Für die unmittelbaren Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen in Deutschland fallen

für das Modul “IT-Grundschutz” keinerlei Lizenzkosten an. Die Lösung bietet somit eine hervorragende Grundlage, um Behörden sicher und “Ready for Audit” zu machen. *Krzysztof Paschke ist Geschäftsführer der GRC Partner GmbH.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / April 2018

Seite 41

Professionelles IT-Management in der Verwaltung Geschäftsprozesse effizient und sicher unterstützen

MELDUNG

Gesetzesentwurf zum Datenschutz kritisiert (BS/stb) Die Landesbeauftrag-

(BS/Benjamin Stiebel) Mit verbindlichen Vorgaben zur Einführung digitaler Prozesse und Anwendungen stehen den Verwaltungen in Bund, Ländern und Kommunen in den nächsten te für den Datenschutz NiederJahren anspruchsvolle Aufgaben bevor. Genannt seien hier exemplarisch die elektronische Aktenführung sowie die Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen nach dem On- sachsens, Barbara Thiel, fordert linezugangsgesetz. Diese Herausforderung zu meistern, erfordert ein Umdenken hin zu einem professionellen Management von Projekten, IT-Services und der Informationssicherheit. Nachbesserungen beim DatenBei der Umsetzung ambitionierter und ressourcenintensiver ITProjekte würden viele wichtige Weichen schon zu Beginn gestellt, wie Frank Moses auf einem Workshop der Cyber Akademie in Berlin berichtete. “Ohne die Rückendeckung von oben und eine entsprechende Projektbeauftragung wird sich niemand in Bewegung setzen. Es gilt: no budget – no project”, stellte der Chief Information Security Officer (CISO) im Saarländischen Ministerium für Finanzen fest. Auch nach dem Projektstart sei es notwendig, bei allen Beteiligten Begeisterung zu erzeugen, indem eine überzeugende Vision entwickelt und kommuniziert werde. Zentral seien klar definierte Ziele. “Sonst müssen Sie mit bösen Überraschungen rechnen und unangenehme Nachverhandlungen führen oder Kostensteigerungen verantworten”, warnte Moses. Dabei sei es aber durchaus möglich, dass sich Vorstellungen und Anforderungen im Detail erst im Laufe früherer Projektphasen herauskristallisierten, wenn das komplexe Gesamtvorhaben systematisch in einzeln zu bewältigende Teilprobleme aufgelöst werde. Ein strukturiertes Vorgehen bei der Umsetzung einzelner Projekte sollte auf dem Fundament eines professionellen Gesamt-IT-Betriebs aufbauen. Hier müsse sich die Verwaltung auf einen Wandel einstellen, wie Dr. Andreas Mück, IT-Leiter im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, erklärte. Die Auslagerung bestimmter Services werde zunehmend zur wirtschaftlichen Notwendigkeit. Es sei nur eine Frage der Zeit, dass Microsofts Betriebssysteme und Office-Anwendungen nur noch als zentral gehostete Services angeboten würden. “In naher Zukunft werden Geschäftsprozesse der Verwaltung bausteinweise im eigenen Haus, in gemeinsamen Rechenzentren und in der Cloud laufen”, so Mück. Entsprechend habe man es zunehmend mit einem Mix aus eigenen und extern eingekauften Diensten zu tun. “Die IT-Leiter werden die Rolle von ServiceLevel-Managern annehmen müs-

bohm darauf hin, dass besonders den Entscheidern auf der Leitungsebene klargemacht werden müsse, dass Maßnahmen zum Perimeterschutz wie AntivirusLösungen und Firewalls längst nicht mehr ausreichten, um ITSicherheit zu gewährleisten. Über Fortbildungsmaßnahmen sowie interne Schulungen sollten auch Führungskräfte direkt adressiert werden.

Gezielt sensibilisieren Rund 40 interessierte Teilnehmer informierten sich auf dem Workshop der Cyber Akademie über Grundlagen des IT-Managements für Bund, Länder und Kommunen. Foto: BS/Lahr

sen.” Eine effiziente Unterstützung von Geschäftsprozessen erfordere daher ein vernünftiges IT-Service-Management (ITSM). Dazu gehöre die Festlegung von Rollen und Verantwortlichkeiten, die auch qualifiziert zu besetzen seien, betonte Mück. Beim Management von externer Diensterbringung seien Betriebsprozesse und Anforderungen über Service Level Agreements genau zu klären und zu dokumentieren.

Sicherheit als ManagementAufgabe Kernziel des ITSM ist ein nachhaltig zuverlässiger IT-Betrieb. Das umfasst auch die IT-Sicherheit im Hinblick auf die Ausfallsicherheit. Auch hier empfahl Mück eindeutige Zuständigkeiten und umfassende Dokumentation. Im Ernstfall sollte klar sein, wer wo einen Serviceauftrag auszulösen hat, wie eine Back-up-Routine einzuleiten ist und wie Prozesse übergangsweise aufrechterhalten werden können. Darüber hi­ naus gelten Anforderung an die Sicherheit und Vertraulichkeit von personenbezogenen oder geschäftskritischen Daten. Die IT-Sicherheit und den Datenschutz in diesem weiteren Zusammenhang umfasst das Informationssicherheitsmanagement. Thomas Rehbohm, CISO bei der Senatorin für Finanzen in der Hansestadt Bremen, stellte die wichtigsten Rahmenwerke vor, nach denen Behörden dafür technische und organisatorische

Maßnahmen umsetzen und zertifizieren können. Während für Schnittstellen zu den Netzen des Bundes der IT-Grundschutz des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vorgeschrieben sei, könne in anderen Bereichen die Wahl an der Behördengröße festgemacht werden, wie Rehbohm nahelegte. “Sie sollten aber nicht gleich mit den komplexen Rahmenwerken anfangen”, sagte er. So biete sich ISIS12 als schlanke Vorgehensweise für den Einstieg an. Für kleine Institutionen sei ISIS12 laut IT-Planungsrat sogar als gleichwertig zum BSI-Grundschutz anzusehen. Bei Bedarf könne später auf die deutlich komplexeren Rahmenwerke nach ISO oder auf BSI-Grundschutz hingearbeitet werden. Bei der Umsetzung des Informationssicherheitsmanagements sei ein Monitoring unbedingt zu empfehlen, so Rehmbohm: “Es geht vor allem darum, den aktuellen Stand für sich selbst im Blick zu behalten. Eine Zertifizierung ist dagegen nicht in allen Bereichen zwingend notwendig.” Dem hielt der CISO aus dem Saarländischen Finanzministerium Moses entgegen: “Mit einem Zertifikat halten Sie einen verlässlichen Umsetzungstand in Händen.” Da klar werde, wo genau noch Mängel vorlägen, habe man damit auch ein solides Argument, wenn zusätzliche Mittel eingefordert werden sollen. In dem Zusammenhang wies Reh-

Der Prozess zur Umsetzung eines Informationssicherheitsmanagements sollte außerdem idealerweise von einer Kampagne zur Mitarbeiter-Sensibilisierung begleitet werden. Am besten lasse sich Bewusstsein für das Thema IT-Sicherheit nicht mit sachlicher Aufklärung, sondern auf emotionaler Ebene erzeugen, erklärte dazu Thoralf S. Thorson von der init AG. Mit Mail-Attack stellte er ein Tool vor, mit dem sich zu Schulungszwecken ein realistischer Phishing-Angriff in der eigenen Organisation simulieren lässt. In einem Selbstversuch habe Thorson im eigenen Haus erschreckende Resultate erzielt: In dem digital affinen Unternehmen hätten mehr als einhundert Mitarbeiter auf den Link in einer fingierten Mail geklickt und ihre Nutzerdaten auf einer Webseite

Die Cyber Akademie bietet Seminare mit Fokus auf das Management von IT-Projekten, IT-Services und der Informationssicherheit an. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.cyberakademie.de

von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security

Seit Wochen beherrscht Facebook die negativen Schlagzeilen in aller Welt. Es geht um Datenmissbrauch in ganz großem Stil mit Auswirkungen, die so umfangreich sind, dass sie vielleicht sogar die USamerikanischen Wahlen beeinflusst haben. Welch verheerende Folgen eine derart massive Sicherheitsverletzung für den Ruf und das Geschäft einer Firma haben kann, zeigt auch das Beispiel Yahoo. Der Konzern hatte Geheimdiensten Zugriff auf Millionen E-Mail-Konten ge-

währt. Seit Bekanntwerden des Skandals erlebte Yahoo einen beispiellosen Niedergang und ist heute in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Doch nicht nur große Firmen und Institutionen müssen die Gefahr eines Datenmissbrauchs endlich ernst nehmen. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf das Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai. Spätestens ab dann müssen alle Unternehmen ein angemessenes Maß an Sicherheit, Rückverfolgbarkeit und Organisation der von ihnen

Risiken und Chancen für die Sicherheit durch Blockchain (BS/Prof. Reiner Creutzburg) Die Berichte über Hackerangriffe gerade auf das Online-Banking vieler Kreditinstitute machen Cyber-Sicherheit zum Thema mit hoher Priorität. Die Maßnahmen gegen die Attacken reichen jedoch noch nicht aus. IT-Sicherheit ist der Wermutstropfen bei der sonst grundsätzlich guten Stimmung in der deutschen Finanzbranche. für sich zu nutzen. Gleichzeitig sollen die Märkte sicherer und für neue Marktteilnehmer leichter zugänglich werden. Davon werden sowohl Verbraucher und Anleger als auch Banken und neue Marktteilnehmer profitieren. Darüber hinaus schlägt die Kommission ein europaweites Label für Crowdfunding-Plattformen vor, damit die Lizenz eines Landes genügt, um die Plattform in der gesamten EU zu betreiben. Der Aktionsplan ist Teil der Arbeit der Kommission zur Schaffung einer Kapitalmarktunion und eines echten Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen für Verbraucher. Zudem unterstützt er das Projekt zur Schaffung eines digitalen Binnenmarkts. Die Kommission möchte die EURegeln zukunftsorientierter gestalten und sie an die rasanten technologischen Entwicklungen anpassen. Der Finanzsektor ist der größte Nutzer digitaler Technologien und

schutzgesetz des Landes. Die Landesregierung hatte einen Gesetzesentwurf beschlossen, mit dem der Datenschutz für Behörden ergänzend zur europäischen Datenschutzgrundverordnung neu geregelt werden soll. Der Entwurf weise erhebliche Mängel auf, so Thiel. “Er bleibt hinter dem bisherigen Datenschutzniveau zurück und setzt die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung nur unzureichend um“, so die Landesbeauftragte. Kritisiert wird die Aufgabe des Direkterhebungsgrundsatzes, demzufolge Behörden erforderliche Daten bisher zunächst direkt beim betroffenen Bürger zu erheben haben. Mit der Gesetzesänderung könnten Behörden dagegen Daten über Dritte besorgen. Thiel kritisiert außerdem eine “unangemessene Ausweitung der Videoüberwachung”. Bisher war diese auf die Ausübung des Hausrechts und den Schutz von Personen und Sachen beschränkt. Zukünftig soll Videoüberwachung generell bei Erforderlichkeit zur Wahrnehmung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben zulässig sein. Nachbesserung fordert Thiel auch in Bezug auf Abhilfebefugnisse der Datenschutzaufsicht gegenüber Behörden. Der Gesetzesentwurf sieht hier keine Vollstreckungsmöglichkeit vor.

Wollen Sie das nächste Facebook sein?

Innovationen bei FinTechs

D

rei Viertel der befragten Banken und Finanzdienstleister messen insbesondere der Datensicherheit eine sehr hohe Bedeutung bei. So sehen 89 Prozent der Befragten diese als Wettbewerbsfaktor an. Zu Recht, denn 47 Prozent der deutschen Internetnutzer sind im Jahr 2015 Opfer von Cyber-Kriminellen geworden. Das zeigen Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter 1.017 Internetnutzern im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Die Europäische Kommission legte am 8. März 2018 einen Aktionsplan vor, mit dem sie die Chancen nutzen will, die sich aus technologiegestützten Innovationen bei Finanzdienstleistungen (FinTech) ergeben. Europa soll zum globalen FinTech-Zentrum werden, das Unternehmen und Anlegern in der EU die Möglichkeit bietet, die Vorteile des Binnenmarkts in diesem schnelllebigen Sektor bestmöglich zu nutzen. Der vorgestellte Aktionsplan soll es dem Finanzsektor ermöglichen, die raschen Fortschritte bei neuen Technologien wie Blockchain, künstliche Intelligenz und Cloud-Diensten innerhalb Europas und in der Welt

eingegeben, um Zugriff auf einen – erfundenen – Musik-StreamingDienst der init AG zu erhalten. Das Szenario mag perfide sein, wäre einem Cyber-Kriminellen, der etwas Rechercheaufwand nicht scheut, aber durchaus zuzutrauen. Eine Kampagne mit Mail-Attack zeige eindrücklich, so Thorson, wie schnell man in einem unachtsamen Moment gut gemachten Phishing-Angriffen zum Opfer fallen könne. “Konfrontiert man die Mitarbeiter anschließend mit den Ergebnissen des Tests, entwickeln die meisten einen Ärger, der einen bleibenden Eindruck hinterlässt.” Anschließend werde der fingierte Angriff Schritt für Schritt erläutert: von der Informationssammlung über die Erstellung einer zugeschnittenen Phishing-Mail bis hin zum Abschöpfen der arglos weitergegebenen Zugangsdaten. “So erfahren die Mitarbeiter, was in der eigenen Organisation für einen böswilligen Hacker de facto machbar ist”, sagte Thorson.

nale Behörden in einem neutralen, gemeinnützigen Rahmen mit Anbietern von TechReiner Creutzburg ist Professor am Fachbereich Innologielösungen formatik und Medien und zusammenkomLeiter des IT-Forensik-Lamen. bors an der Technischen • Die KommisHochschule Brandenburg. sion hat bereits das “EU BlockFoto: BS/Privat chain Observatory and Forum” aus eine maßgebliche Triebkraft des der Taufe gehoben. Das Forum digitalen Wandels in der Wirt- wird 2018 über die Chancen und schaft. Der neue Aktionsplan Risiken von Krypto-Anlagen besieht verschiedene Schritte vor, richten und arbeitet an einer um die Expansion innovativer umfassenden Strategie für DisGeschäftsmodelle zu fördern, tributed-Ledger- und Blockchainden Einsatz neuer Technologi- Technologien, die alle Bereiche en zu unterstützen, die Cyber- der Wirtschaft berücksichtigt. Sicherheit zu erhöhen und die Ein Distributed Ledger ist eine Integrität des Finanzsystems zu Datenbank, die in einem Netzstärken. Vorgesehen sind unter werk geteilt wird. Die bekannteste anderem folgende Maßnahmen: Form des Distributed Ledger ist • Die Kommission wird ein die Blockchain. • Die Kommission wird StelEU-FinTech-Labor einrichten‚ in dem europäische und natio- lungnahmen dazu einholen, wie

sich die Digitalisierung der von börsennotierten Unternehmen in Europa veröffentlichten Informationen am besten fördern lässt, unter anderem durch den Einsatz innovativer Technologien zur Vernetzung nationaler Datenbanken. Damit werden Anleger sehr viel einfacher auf wesentliche Informationen zugreifen können, auf deren Grundlage sie ihre Investmententscheidungen treffen. • Die Kommission wird Workshops veranstalten, um den Informationsaustausch im Bereich der Cyber-Sicherheit zu verbessern. • Die Kommission wird auf der Grundlage von Leitlinien der Europäischen Aufsichtsbehörden ein Konzept mit empfehlenswerten Praktiken bei regulatorischen “Sandkästen” vorlegen. Ein regulatorischer “Sandkasten” ist ein von Regulierungsbehörden errichteter Rahmen, der es FinTech-Start-ups und anderen

verarbeiteten sensiblen Daten gewährleisten. Bei Nichteinhaltung drohen erhebliche Folgen. Lässt sich Datenmissbrauch à la Facebook aber überhaupt vermeiden? Moderne Sicherheitslösungen sind definitiv in der Lage, den unkontrollierten Zugriff auf sensible Daten zu verhindern. Mit den richtigen Tools ist es daher gar nicht so schwer, Datenmissbrauch zu verhindern. Man muss sie nur nutzen. Ihr Jan Lindner

Innovatoren ermöglicht, unter Aufsicht einer Regulierungsbehörde lebensechte Experimente unter kontrollierten Bedingungen durchzuführen. Regulatorische “Sandkästen” gewinnen zunehmend an Beliebtheit, vor allem auf entwickelten Finanzmärkten.

Wandel im Finanzsektor Noch steht Blockchain vor einigen Herausforderungen, insbesondere was Fragen der Skalierbarkeit und Kosteneffizienz angeht, außerdem sind keinesfalls alle Fragen zur Sicherheit von konkreten Anwendungen der Technologie geklärt. In der nächsten Zeit muss sich auch noch zeigen, welche Standards sich etablieren können und welche Regularien ggf. durchgesetzt werden. “Wir stehen gerade erst am Anfang dessen, was in den kommenden Jahren aus der FinTech-Branche auf den Markt kommen wird”, sagt dazu der FinTech-Experte Spiros Margaris. “Wir werden zahlreiche Innovationen sehen, die wir nicht für möglich gehalten hätten – in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Blockchain, Zahlungen, Versicherungen, Anleihen etc. Vieles davon ist selbst heute noch unvorstellbar.”


IT-Sicherheit

Seite 42

B

ehörden Spiegel: Das OZG soll beim EGovernment etwas Druck auf den Kessel bringen mit der Forderung, binnen fünf Jahren alle Verwaltungsdienste online anzubieten. Ist das überhaupt zu schaffen? Riedel: Ja, weil in dem Gesetz die Definition von “alle” offenbleibt.

Komfortabel, sicher und transparent Mehrwert durch Online-Dienste (BS) Bund und Länder haben sich mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) darauf festgelegt, binnen fünf Jahren alle Verwaltungsdienste online über einen Portalverbund verfügbar zu machen. Über die konkreten Mehrwerte sowie über IT-Sicherheit bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sprach der Behörden Spiegel mit dem Chief Information Officer (CIO) der Hansestadt Hamburg, Jörn Riedel. Das Gespräch führte Benjamin Stiebel. Der Kunde möchte einfach nicht die Daten noch einmal eingeben, die wir an anderer Stelle schon gespeichert haben.

Behörden Spiegel: Bringt das Gesetz also kein Tempo in die Digitalisierung? Riedel: Doch, das tut es zweifelsfrei. Weil eine Frist genannt ist und die deutsche Verwaltung positiverweise so gestrickt ist, dass sie eine gesetzlich gegebene Frist als Vorgabe nutzt, um sie dann auch einzuhalten. Insofern bringt es in der Masse natürlich Druck darauf. Die First Mover, zu denen wir uns zählen würden, also die, die sowieso immer vorne-weg sind, hätten wahrscheinlich auch ohne Frist in hohem Tempo Online-Dienste bereitgestellt. Hamburg hat schon vor zwei Jahren mit der Strategie Digital First begonnen, das OZG umzusetzen – auch wenn es das Gesetz da noch nicht gab. Aber in der Fläche bringt das Gesetz natürlich Druck auf den Kessel. Und aus dem Druck wird dann hoffentlich auch eine Leistung.

Behörden Spiegel: Glauben Sie, dass mit dem jetzt eingeforderten Tempo auch Risiken für die Sicherheit der Daten von Bürgern und Unternehmen entstehen?

Jörn Riedel ist seit 2008 der CIO der Freien und Hansestadt Hamburg. Im neuen, der Senatskanzlei unterstellten Amt für IT und Digitalisierung vertritt er die Amtsleitung. Foto: BS/Hansestadt Hamburg, Paul Hahn

Riedel: Die einzige Voraussetzung ist, dass die entsprechende Seite im Portal, auf der ein bestimmtes Verfahren startet, eine URL hat. Das ist die Mindestvoraussetzung, um im Portalverbund auffindbar zu sein. Das ist also leicht zu erfüllen. Insofern ist alles, was wir jetzt online stellen, auch portalverbundfähig.

Riedel: Der Mehrwert im Portalverbund ist aus der Sicht des Kunden, nicht mehr wissen zu müssen, wie die deutsche Verwaltung organisiert ist. Das ist zweifelsfrei ein Mehrwehrt. Für den Bürger in den Flächenländern ist es nicht ganz trivial zu wissen, ob er mit einem Anliegen zur Kommune, zum Landkreis oder zum Regierungspräsidium muss oder ob das eine zentral vom Land oder gar vom Bund wahrgenommene Aufgabe ist. Das ist in Hamburg natürlich ein bisschen einfacher. Wir sind ein Stadtstaat, wir sind immer zuständig, außer der Bund ist zuständig. Daher ist das für die Hamburger ein überschaubarer Zugewinn. In unserer Kommunikation mit dem Bürger stellt der Portalverbund aber eine enorme Vereinfachung dar, weil wir nicht mehr kommunizieren müssen, wofür wir zuständig sind. Wir sagen dem Bürger: “Komm auf unsere Plattform, wenn wir nicht zuständig sind, findest du das gesuchte Online-Verfahren trotzdem. Wenn du bei uns ein Servicekonto hast, kannst du das auch bei allen anderen benutzen.” Das halte ich schon für eine deutliche Erleichterung aus Kundenperspektive.

Behörden Spiegel: Sehen Sie denn im Portalverbund an sich einen besonderen Mehrwert?

Behörden Spiegel: Was halten Sie denn von der Idee eines einheitlichen Servicekontos?

Behörden Spiegel: Wie ist der Umsetzungsstand im Zuge der Strategie Digital First? Riedel: Wir werden an der Schnittstelle zum Bürger bzw. zu den Firmen in den nächsten Jahren alle Anwendungen online bringen. Wir haben schon ungefähr 85 Anwendungen online und werden ab 2019 ca. 50 Anwendungen online stellen. Behörden Spiegel: Sind diese Anwendungen auch portalverbundfähig, sobald sie online sind?

Behörden Spiegel / April 2018

Riedel: Ohne ein Servicekonto funktionieren alle Pläne schlicht nicht. Wenn ich einen Portalverbund habe und nicht mehr wissen muss, wer zuständig ist, aber mich dafür dann wieder bei jeder Behörde registrieren muss, dann ist unter KomfortGesichtspunkten höchstens die halbe Miete gemacht. Insofern ist das Servicekonto integraler Bestandteil einer Portalstrategie. Behörden Spiegel: Sehen Sie durch den Portalverbund auch Chancen, was den Datenaustausch zwischen Behörden angeht – Stichwort: Once-OnlyPrinzip? Riedel: Das muss man sauber auseinanderhalten, da sprechen Sie von zwei unterschiedlichen Entwicklungen. Der Portalverbund bringt Richtung Once-Only erst einmal nichts. Wenn man aber moderne digitale Anwendungen für Bürger oder Unternehmen schafft, will man ja nicht einen schlechten Prozess digitalisieren. Zum Digitalisieren gehört nach unserem Verständnis, dass wir die Daten und nicht den Bürger laufen lassen. Ich sehe Once-Only weniger als Prinzip. Ich sehe eher konkrete Anforderungen aus Sicht des Kunden. Der möchte z. B. eine vorausgefüllte Steuererklärung und dabei ist ihm egal, ob wir das Once-Only-Prinzip verfolgen.

Riedel: Nein. Wir haben in Deutschland kein technisches Problem bei der schnellen Herstellung attraktiver Dienste, sondern ein Regulierungsproblem. Wir haben Regeln geschaffen, die so kompliziert sind, dass sie ein Nutzererlebnis nicht möglich machen, wie man es von anderen Services gewohnt ist. Insofern ist immer die Zeit da, Datensicherheit herzustellen. Behörden Spiegel: Die IT-Sicherheit ist doch aber eine der größten Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung, oder nicht? Riedel: Das ist aber keine Frage der Geschwindigkeit. Wir haben kein technisches Problem, Verwaltungsprozesse sicher abzubilden. Das beweist das OnlineBanking seit vielen Jahren. Wenn wir die Geschwindigkeit der kundenorientierten Herstellung von Online-Komponenten erhöhen, dann können wir trotzdem sichere Lösungen produzieren. Ihre Frage war, ob Geschwindigkeit zu schlechterer Sicherheit führt. Und da sage ich deutlich: “Nein”. Behörden Spiegel: Dann stelle ich eine andere Frage: Was ist nötig, um bei der Verwaltungsdigitalisierung die erforderliche IT-Sicherheit zu gewährleisten? Riedel: Das kann man aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Wenn man es aus betrieblicher Perspektive betrachtet, ist das erste, was gebraucht wird, ein professioneller Rechenzentrumsbetrieb. Den messe ich daran, dass ein Rechenzentrum BSI-zertifiziert ist. Das ist für mich Schritt eins. So können die Daten zunächst einmal sicher gehalten werden. Der zweite wichtige Punkt ist

für mich Transparenz über die Datenverwendung. Ein Beispiel, das heute aus rechtlichen Gründen noch nicht geht: Wenn ich mein Einkommen in einem Verfahren nachweisen muss, dann muss mir die Möglichkeit gegeben werden, den Zugriff auf meine Steuerdaten zu eröffnen. Dies muss dann für den Nutzer einfach und transparent erkennbar sein. Behörden Spiegel: Wie wird man sich auf ein einheitlich hohes Sicherheitsniveau im Portalverbund einigen, wenn einige Kommunen aus Mangel an Ressourcen vermutlich gar nicht in der Lage sein werden, das im selben Maß wie Bund und Länder abzubilden? Riedel: Da bin ich anderer Meinung. Es fehlt nicht, wie von Ihnen unterstellt, am Geld. Wenn die öffentlichen Stellen eine Vollkostenbetrachtung machen, sind viele kleine “Rechenzentren” mit niedriger Sicherheit viel teurer als wenige professionelle. Da die öffentlichen Stellen nun mal sehr unterschiedlich groß sind, werden nur wenige sich eigene professionelle Rechenzentren leisten können. Alle anderen müssen sich in Verbünden organisieren. Auch Hamburg war Anfang dieses Jahrtausends der Meinung, dass wir alleine zu klein sind und daher haben wir uns mit anderen norddeutschen Bundesländern zusammengetan und Dataport gegründet. Behörden Spiegel: Die Lösung liegt für Kommunen also darin, sich zusammenzutun? Riedel: Noch mal: Es ist kein Problem von Kommunen, sondern von kleinen öffentlichen Einrichtungen. Kein Wirtschaftsunternehmen betreibt für 500 Mitarbeiter ein hochprofessionelles eigenes Rechenzentrum. Warum sollte das in der öffentlichen Verwaltung anders sein? Wir haben sehr viele kleinere öffentliche Einrichtungen. Es wird niemand aus IT-Sicherheitsgründen eine Verwaltungsreform durchführen, um alle Verwaltungen zu großen Verwaltungsein-

heiten zusammenzufassen. Das ist erst einmal als Rahmenbedingungen zu akzeptieren. Ich bleibe aber dabei: Jede Verwaltung kann sich so organisieren, dass Sicherheit zu vertretbaren Kosten erzeugt werden kann. Behörden Spiegel: Wie gut ist die Landesverwaltung in Hamburg auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vorbereitet? Riedel: Da haben wir in der Tat einen echten Startvorteil. Als eine relativ große Organisation haben wir ganz viele Prozesse, die wir jetzt liefern müssten, schon lange geliefert. An vielen Stellen bekommen Dokumente, die gefordert sind, neue Namen, aber die Inhalte sind schon da. Hätten wir bisher keine klare Dokumentation gehabt und müssten nun alles mit einem Mal nachholen, dann wäre das eine sehr herausfordernde Aufgabe. Natürlich ergibt sich für eine bestimmte Zeit eine Schwerpunktsetzung im vorhandenen Personal. Behörden Spiegel: Bei der Anpassung der Landesdatenschutzgesetze an die DSGVO hatte Dataport vor einem Flickenteppich gewarnt und einheitliche Regeln für länderübergreifende Verfahren gefordert. Sehen Sie diese Gefahr auch? Riedel: Wir haben die Gefahr auch gesehen. Dataport hat eine Musterformulierung für die Dataport-Länder entwickelt. Diese ist nicht eins zu eins umgesetzt worden, aber dem Grunde nach. Insofern werden am Ende des Tages die Zusammenarbeit und damit auch die guten Dienste für Bürger an dieser Stelle schlanker und einfacher möglich sein. Behörden Spiegel: Kürzlich wurde in Hamburg ein neues ITAmt unter der Leitung des ersten CDOs Christian Pfromm eingerichtet. Wie sind nun die Kompetenzen im Bereich IT verteilt? Riedel: In Hamburg sind jetzt alle Funktionen und Aufgaben, die im weitesten Sinne mit IT, Digitalisierung und Datenschutzrecht bezogen auf die Verwaltung zu tun haben, im Amt für IT und Digitalisierung zusammengeführt. Herr Pfromm ist der Amtsleiter, ich bin der Vertreter. Im Moment erarbeiten wir hier ein Arbeitsprogramm für die nächste Zeit und machen einen Organisationsentwicklungsprozess, um das Amt schlagkräftig aufzustellen.

PITS 2018

Der Fachkongress Deutschlands für IT- und Cybersicherheit bei Staat und Verwaltung

Sicherheit und Risiko

Technologie-Partner:

Strategien für eine erfolgreiche Digitalisierung Key Note und Eröffnung der PITS 2018 Prof. Dr. Helge Braun Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben

10.–11. September 2018, Hotel Adlon, 10117 Berlin Foto: © Jakub Jirsak, Fotolia.com

Weitere Referenten u.a.: Prof. Dr. Andreas Pinkwart Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

Eine Veranstaltung des

Security-Partner „Mobile Sicherheit“

Klaus Vitt Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern

Themenpartner


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / April 2018

Große Regelungslücken beim Drohneneinsatz Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben mit weitem Ermessen

KNAPP Mehr Geld für Wehrführer

(BS/Marco Feldmann/Dr. Gerd Portugall) Polizeien, Feuerwehren, das Technische Hilfswerk (THW) und auch die Bundeswehr haben eines gemeinsam: Sie alle dürfen in (BS/mfe) In Schleswig-Holstein weiten Teilen von den eigentlich geltenden gesetzlichen Bestimmungen bei der Nutzung unbemannter Luftfahrzeuge abweichen. Hinzu kommt allerdings, dass einige zentrale Punkte erhalten die Wehrführer der rund noch offen und ungeregelt sind. 1.350 Freiwilligen Feuerwehren Fest steht eigentlich nur: Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) dürfen mit ihren Drohnen nicht die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden. Das aber ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der erheblichen Interpretationsspielraum lässt. Deshalb meint der Luftverkehrsrechtler Prof. Elmar Giemulla: “Die Vorschriftenlage ist nicht günstig. Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sind vom Gesetz- und Verordnungsgeber komplett freigestellt.” Als Beispiel führt der Jurist an, dass BOS ihre Geräte im Gegensatz zu privaten Nutzern etwa auch über Justizvollzugsanstalten, Atomkraftwerken und Bundesfernstraßen sowie in Höhen von mehr als 100 Metern und außerhalb der Sichtweite des Steuerers einsetzen dürfen. Davon machen sie Gebrauch. So nutzt etwa das Rote Kreuz (DRK) ab kommendem Monat an der Ostseeküste erstmals ein unbemanntes Luftfahrzeug, berichtet Thomas Wodrig, Leiter Ausbildung und Technik im Rettungsdrohnenprojekt des DRKKreisverbandes OstvorpommernGreifswald. Bei deutschen Feuerwehren sind derartige Geräte teilweise bereits im Einsatz, zum Beispiel in Dortmund und Frankfurt am Main. Sie werden unter anderem zur Ortung von Menschen bei Großschadenslagen oder zur Detektion von Brandnestern und Schadstoffen verwendet.

Freiräume verantwortungsvoll ausfüllen Vonseiten des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) heißt es, dass ihm die Förderung des Drohneneinsatzes ein besonderes Anliegen sei, da er vielfältige Vorteile biete und eine schnellere und gefahrlosere Aufgabenerfül-

Nicht nur bei der Starthilfe für Autos kommt es auf ein effektives Überbrücken an. Auch hinsichtlich der Nutzung von Drohnen durch Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) müssen in Deutschland noch rechtliche Lücken geschlossen werden. Foto: BS/ Picture-Factory, © Fotolia.com

lung ermögliche. Der Präsident der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb), Dirk Aschenbrenner, weist darauf hin, dass der DFV bereits im vergangenen Jahr eine Lenkungsgruppe zum Thema beim Bundesinnenministerium (BMI) initiiert habe. Zugleich räumt er ein: “Durch die Änderung der Luftverkehrsordnung im März 2017 haben die Feuerwehren weitgehende Freiheiten beim Betrieb von unbemannten Luftfahrzeugsystemen erhalten.” Nun gelte es, diese verantwortungsbewusst umzusetzen. Aschenbrenner sagt: “Wir Feuerwehren verstehen das keineswegs als Freibrief, sondern streben eine sichere und an den Anforderungen des Einsatzes orientierte, weitgehend einheitliche Handhabung der Drohneneinsätze an.” Das verlangt auch Giemulla. Hier könnte es zeitnah zu Verbesserungen kommen. Laut Aschenbrenner wirkt die vfdb momentan

aktiv an der Entwicklung einer Muster-Dienstvorschrift des BMI für den Bevölkerungsschutz mit. Einen Entwurf solle es Ende dieses Jahres geben.

Interne THW-Dienstanweisung kommt Beim THW ist eine interne Dienstanweisung sogar bereits ausgearbeitet, aber noch nicht in Kraft getreten. Sie soll voraussichtlich ab Mitte des Jahres gelten, berichtet Martin Zeidler. “Bis dahin gilt ein generelles Aufstiegsverbot, das nur in sehr eng umrissenen Notfällen außer Kraft gesetzt wird”, so der Leiter des Inlandsreferates bei der Bundesanstalt. Offiziell seien beim THW derzeit aber ohnehin noch keine Drohnen im Einsatz. In Zukunft werde sich das gleichwohl ändern: Die entsprechenden Beschaffungsvorhaben seien bereits ausgeschrieben und man befinde sich in der Ausgestaltung

einer eigenen taktischen Einheit. Weiter sind hier bereits einige Polizeibehörden. So nutzt etwa die Berliner Polizei eine Drohne für Aufnahmen nach Verkehrsunfällen. Aber auch hier existiert noch eine Regelungslücke. Umfassende Dienstvorschriften für den Einsatz der Geräte gibt es laut Giemulla bisher nicht.

Bundeswehr ist ein Sonderfall Luftfahrzeuge des Militärs gelten als “Staatsluftfahrzeuge”, auf die das internationale Zivilluftfahrtübereinkommen von Chicago nicht anwendbar ist. Gleiches gilt für die EU-Verordnung zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt. “Soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben erforderlich ist”, darf die Bundeswehr von den einschlägigen Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) des Bundes abweichen. So steht es in Paragraf 30 LuftVG und gilt

sowohl für bemannte als auch für unbemannte Luftfahrzeuge (UAS). Anders als bei den BOS gibt es für die deutschen Streitkräfte keine Regelungslücke für den Einsatz von Drohnen: Einschlägig sind hier insbesondere die Zentralen Dienstvorschriften (ZDv) 19/3 (Bundeswehr-interne Regeln) und 19/13 (Anforderungen an Steuerer unbemannter Luftfahrzeuge). 2007 erhielten das damalige Beschaffungsamt der Bundeswehr sowie die Euro Hawk GmbH als beauftragte Agentur von Cassidian (heute Airbus) und Northrop Grumman den Auftrag zur Lieferung eines Prototyps des Langstrecken-Aufklärungs-UAS für große Höhen (HALE) “Euro Hawk”. Der Flugbetrieb sollte durch das Aufklärungsgeschwader 51 “Immelmann” (AG 51 “I”) vom Fliegerhorst Schleswig aus durchgeführt werden. Im Mai 2013 beendete jedoch das Bundesverteidigungsministerium das “Euro Hawk”-Programm mit der Begründung, weil die EU-Flugsicherheitsbehörde diese Drohne nur für den Flug über unbewohntem Gebiet zertifiziert hatte. Mit einer Einzelfallgenehmigung durfte die “Euro-Hawk” zwecks Teilnahme an einem NATO-Manöver 2014 mehrfach im deutschen Luftraum verkehren. Immerhin wurde die zweite Staffel des AG 51 seit 2010 formell mit dem Aufklärungs-UAS für mittlere Höhen (MALE) “Heron 1” ausgestattet, das vom Hersteller Israel Aerospace Industries Ltd. (IAI) geleast worden ist. Seit 2010 nutzt die deutsche Luftwaffe die “Heron 1” in Afghanistan und seit 2016 auch in Mali. Allerdings findet die Ausbildung zum “Heron”-Piloten generell bei IAI in Israel statt und dauert knapp elf Wochen. In Deutschland ist die “Heron 1” noch nicht geflogen.

ab sofort höhere Entschädigungszahlungen. So bekommt der Wehrführer in einer Kommune mit bis zu 40.000 Einwohnern nun maximal 473 Euro im Monat. Bisher waren es höchstens 430 Euro. Auch die stellvertretenden Wehrführer werden besser entlohnt. Statt wie bisher 50 Prozent der Sätze ihrer Vorgesetzen erhalten sie nunmehr drei Viertel davon. Der Kieler Innenminister HansJoachim Grote (CDU) sagte dazu: “Die Freiwilligen Feuerwehren in Schleswig-Holstein leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Sicherheit bei uns im Land.” Da sei es nur gerecht, dass der hohe Einsatz ihrer Kräfte angemessen honoriert werde. Auch die künftige finanzielle Gleichbehandlung von Gemeinde- und Ortswehrführern begrüßte der Christdemokrat.

Staatssekretär Zimmer im BMVg vereidigt (BS/por) Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen hat Anfang April die Ernennungsurkunde zum beamteten Staatssekretär im BMVg an Generalleutnant a. D. Benedikt Zimmer ausgehändigt. Er tritt damit die Nachfolge von Dr. Katrin Suder an, welche die Bundeswehr auf eigenen Wunsch verlässt. Zuletzt hat er die Abteilung Ausrüstung (A) im Ministerium geleitet. Staatssekretär Zimmer sind ab sofort die Abteilungen Ausrüstung und Cyber/Informationstechnik (CIT) im Ministerium unmittelbar unterstellt. Zudem ist er zuständig für die Angelegenheiten der Abteilung Planung. Er ist damit nach General a. D. Karl Schnell (1977 bis 1980) und Generalleutnant a. D. Jörg Schönbohm (1992 bis 1996) der dritte beamtete Staatsekretär im BMVg, der aus der Generalität der Bundeswehr kommt.

14. Europäischer Katastrophenschutzkongress “Katastrophenschutzarchitektur in Europa” DI / MI

Vienna House Andel’s Berlin

SAVE THE DATE Der Europäische Katastrophenschutzkongress vom 26. bis 27. Juni 2018: Dieser Kongress ist eine internationale Fachkonferenz, welche die verschiedenen Entscheidungsträger und Akteure des nationalen, europäischen und internationalen Katastrophenschutzes über die aktuellsten Entwicklungen informiert. Themen 2018 sind u.a. ›› Zukünftige EU-Sicherheitsarchitektur ›› Konzeption Zivile Verteidigung ›› CBRN ›› Ehrenamt

Veranstalter

›› ›› ›› ››

Urbane Sicherheit Robotik und autonome Systeme Hochwasserschutz Schutz Kritischer Infrastrukturen

Fotos: ASB Deutschland e.V.; DLRG; Malteser; THW; Feldmann; Dombrowsky

www.katastrophenschutzkongress.de

26.– 27. Juni 2018


Innere Sicherheit

Seite 44

Behörden Spiegel / April 2018

Terrorfinanzierung stoppen

Verhalten ist vorhersagbar

Offene und verdeckte Unterstützung muss beendet werden

Software hilft Polizei bei Delikt-Prognose

(BS/Uwe Kranz) Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) und der Gazastreifen werden zu 90 Prozent und in Höhe vieler Milliarden Dollar von internationalen Spendern finanziert. Über 40 Prozent ihres Spendenbudgets überweist die PA an die Hamas, die seit 2006 über den Gaza­streifen herrscht. Damit werden nicht nur medizinische oder humanitäre Hilfsgüter bezahlt und Wiederaufbaugelder überwiesen, sondern auch die Gehälter der 26.000 illegal bewaffneten Mitglieder der Hamas-Kampfeinheiten. Mahmud Abbas, der (ebenfalls illegitime, da seit Jahren nicht wiedergewählte) PA-Präsident, ließ 2004 ein Gesetz verabschieden, wonach, neben anderen Leistungen, sozusagen aus sozialen und fürsorgerischen Gründen, monatliche “Gehälter” für die Angehörigen getöteter oder in Israel inhaftierter Terrorristen zu zahlen sind. 2017 wurden aus dem internationalen Spendenaufkommen 198 Millionen Dollar für den sogenannten “martyrs’ families fund” und weitere 160 Millionen Dollar für den “Palestinian Prisoners’ Club” entnommen. Auch nach dem fast schon grotesken Gefangenen“austausch” im Jahre 2011, in welchem Israel als Gegenzug für die Freilassung eines einzigen Soldaten, Gilad Shalit, 1.027 palästinensische Gefangene, größtenteils Terroristen, freiließ, sitzen immer noch fast 5.000 Palästinenser in israelischen Gefängnissen ein. Die PA zahlt jedem von ihnen eine monatliche Alimentation von rund 2.000 Dollar (abhängig von der Dauer der Freiheitsstrafe), 300 Dollar erhält jede seiner Ehefrauen, US-Dollar jedes seiner Kinder. Man beachte: Das Durchschnittseinkommen eines Palästinensers liegt gerade einmal bei 580 Dollar.

Generöse Einladung für “lone wolves” Das reine Spenden-Budget der Hamas – 2017 waren es 693 Millionen Dollar – verschlingt fast die Hälfte für diese laufenden “Stipendien”, nämlich 345 Millionen Dollar. Ein Ende ist nicht in Sicht, denn die Zahlen getöteter oder schwer verletzter Terroristen steigen seit Jahren. Außerdem werden die “Stipendien” regelmäßig den steigenden Lebenshaltungskosten angeglichen. Für dieses Jahr soll die Summe um weitere 56 Millionen Dollar anwachsen. Das ist eine generöse Einladung für “lone wolves”, die ihre Familie absichern wollen, sowie für die “Märtyrer” im “heiligen Kampf gegen Israel”. Eine Gegenleistung ist auch nicht in Sicht – wie auch: Die “HamasCharta” aus dem Jahre 1988 ruft unverändert zur Zerstörung Israels und zur Tötung aller Juden auf. Die inzwischen fast alltäglichen Messer- und AutoAttacken, der Aufruf zu “Tagen des Zorns” oder gar zu einer

Serie TERRORZIELE (TEIL 21) erneuten Intifada, der Beschuss Israels durch Tausende von Raketen oder der unglaublich kostenintensive Auf- und Ausbau des terroristischen Tunnelsystems sind beredte Zeugen einer besorgniserregenden Entwicklung. Krieg liegt in der Luft.

Große internationale Spendergemeinschaft Die Liste der internationalen Spendergemeinschaft ist lang. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind es aber im Wesentlichen zwölf Spender, die über 90 Prozent des Spendenaufkommens finanzieren, allen voran die USA. Auch die UN Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA), die 1949 gegründet wurde, wird zu einem Großteil von den USA und der Europäischen Union finanziert. 2016 zahlten die USA 355 Millionen Dollar, und damit fast ein Drittel des gesamten Budgets, und die Europäische Union zahlte 190 Millionen Dollar. Weitere wichtige Spender sind Australien, Japan, Kanada, Norwegen und die Schweiz sowie einige EU-Länder, die zusätzliche Mittel vor allem für die UNRWA aufbringen. Auch Deutschland zahlte von 2012 bis 2014 378,9 Millionen Dollar. Vergleichsweise niedrig ist dagegen erstaunlicherweise das Spendenaufkommen aus der arabischen Welt. Seit dem “Palestinian AntiTerrorism Act” aus dem Jahre 2006 zur Entwicklung demokratischer Strukturen im Zuständigkeitsgebiet der PA ist auch in den USA eigentlich die indirekte Finanzierung der Terrororganisation Hamas verboten. Mit dem “Taylor Force Act” aus dem Dezember des vergangenen Jahres wurde die Rechts- und Finanzlage signifikant verschärft: Solange die Alimentation der gefangenen Terroristen oder der Familien der getöteten Terroristen durch die PA nicht beendet werde, sollen die US-Spenden um diesen Anteil reduziert werden. Zunächst wurden im Frühjahr dieses Jahres insgesamt 65 Millionen Dollar an UNRWAHilfen eingefroren. Erstaunlicherweise finanziert

BS/Wolfgang Inderst*) Straftaten bereits vor ihrer Entstehung zu verhindern, bleibt eine große Herausforderung. Daran kann auch von der Polizei genutzte Prognosesoftware zunächst nur wenig ändern. Schließlich fungiert sie quasi nur als “Kristallkugel”. Dennoch ist menschliches Verhalten in einem gewissen Maße berechen- und damit auch vorherauch Israel die PA und damit EuGH, aus den US- und israe- sehbar. Das können sich die Sicherheitsbehörden unter anderem im indirekt auch die Terrororga- lischen Gesetzen gibt es bisher Kampf gegen Wohnungseinbrüche zunutze machen.

nicht. Im Gegenteil: Im Januar 2017 wurde der insgesamt unglaublich unkritische “Evaluation Report of PEGASE DFS and EU-PA Results-Oriented Framework (ROF) 2014 - 2015” vorgelegt, der sogar eine Verlängerung der Programme ohne Wenn und Aber bis 2022 vorschlägt. Im Oktober 2017 wurde im EuropaparlaDer Terrorexperte des Bement wenigstens hörden Spiegel, Uwe Kranz, verlangt eine völlige Einsteleine einzige, eher lung aller finanziellen Hilfen zaghafte Anfrafür terroristische Organisatige gestellt, ob onen. Auch die Europäische die Europäische Union sei hier gefordert. Kommission angesichts der Foto: BS/Dombrowsky von der PA betriebenen SchuForceAct” vergleichbares Gesetz lindoktrination da­ ran denke, gegen diese “indirekte Terrorfi- den PEGASE DFS in Höhe von nanzierung” wurde monatelang 390 Millionen Euro zu evaluiediskutiert, von der Regierung ren, um sicherzustellen, dass aber erst ab Mitte Februar auf die Europäische Union keine den Weg gebracht und muss Gelder für volksverhetzende noch durch die diversen Lesun- schulische Ausbildung oder für gen im israelischen Parlament. die Gehälter von Terroristen mehr bereitstelle. nisation Hamas. Nach dem Abkommen von Oslo aus dem Jahre1993 und einem “economic agreement” von 1994 überweist Israel jährlich rund 1,5 Milliarden Dollar an die PA. Die Mittel stammen aus Erwerbsund Mehrwertsteuer sowie aus Zöllen. Ein dem US-“Taylor-

USA haben gehandelt

Im November 2017 verkündete selbst der Großmufti von SaudiArabien, Abdulaziz Al Sheikh, überraschend im Rahmen einer TV-Ansprache eine Fatwa, in der die Hamas zur Terrororganisation erklärt und die Tötung von Israelis untersagt wurde. Auch Katar hat seine Unterstützung der Hamas seit Herbst 2017 deutlich zurückgefahren, was vielleicht auch dem arabischen Boykott zuzurechnen ist. Anfang Februar wurde der HamasMinisterpräsident Ismail Haniyeh von den USA endlich auch offiziell in die Liste globaler Terroristen aufgenommenen. Die EU stufte die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas schon 2001 als Terrororganisation ein und fror ihre Vermögenswerte ein. Die Klagen dagegen wurden letztinstanzlich im Juli 2017 vom Europäischen Gerichtshof abgewiesen. Seit Jahren finanziert die Europäische Kommission die PA dennoch unter anderem mit ihrem “EC-Humanitarian-Aidand-Civil-Protection(ECHO)”Programm, dessen Umfang in der Zeit von 2000 bis 2014 rund 850 Millionen US-Dollar betrug. Konsequenzen der Europäischen Union aus dem Urteil des

Kritischerer Blick erforderlich Nach einem Vierteljahrhundert ist es an der Zeit, die Effektivität der Spenden, der Spendenstrukturen (auch die der UNRWA) und der damit erzielten Ergebnisse etwas kritischer unter die Lupe zu nehmen. Die Finanzhilfen, die die Europäische Union seit Jahren in verschiedenen Ländern der Erde leistet, sind bei genauerem Hinsehen oft nichts anders als eine gigantische Verschwendung von Steuergeldern. Denn die Milliarden kommen häufig nicht bei der Bevölkerung an, sondern versickern in der Regel in dunklen Kanälen, in der Korruption oder werden anderweitig missbraucht. Die Europäische Union sollte schon genauer beobachten, was mit ihren Mitteln passiert. Deren Auszahlung sollte spätestens dann gestoppt oder reduziert werden, wenn sie keine ausreichenden Ergebnisse erzielen oder lediglich zur Durchsetzung fragwürdiger, gar terroristischer Regime beitragen. Und das gilt offensichtlich auch für deutsche Finanzhilfen und die all der anderen internationalen Spender, die sich an dieses heiße Eisen bislang noch nicht gewagt hatten.

Neues bayerisches Polizeigesetz verfassungswidrig? Gewerkschaft der Polizei im Freistaat kritisiert Teile der rechtlichen Bestimmungen (BS/mfe) Einige Bestimmungen des novellierten Polizeiaufgabengesetzes in Bayern könnten einer Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe möglicherweise nicht standhalten. Davon geht zumindest der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Peter Schall, aus. Für rechtlich besonders bedenklich hält er die Möglichkeiten, den Sicherheitsgewahrsam auszuweiten, sowie die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (mehr dazu im Behörden Spiegel, März 2018, Seite 39). Zu Letzterer meint er in Reaktion auf den Beitrag, dass es sich bei ihr einerseits um einen sehr schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte handele. Andererseits – und hier steht der polizeiliche Alltag im Fokus – hält Schall die Möglichkeit aus praktischen Gründen für nicht zielführend.

Fußfessel zeigt nicht alles Denn: Die elektronische Aufenthaltsüberwachung müsse von einem Richter angeordnet beziehungsweise bestätigt werden. Um diese zu erhalten, benötige die Polizei aber wiederum recht konkrete Beweise, dass von dem Betroffenen tatsächlich eine konkrete Gefahr ausgehe.

Deshalb kritisiert der bayerische GdP-Chef: “Dann stellt sich aber eher die Frage des Gewahrsams beziehungsweise bei Vorliegen bereits strafbarer Vorbereitungshandlungen die der Untersuchungshaft.” Außerdem könnten mithilfe der Fußfessel nur der aktuelle Aufenthaltsort des Delinquenten sowie das eventuelle Betreten von Verbotszonen festgestellt werden. Ansonsten blieben seine Aktivitäten aber “völlig im Dunkeln”. Aus diesem Grunde unterstreicht Schall: “Ein Terrorist, der sein Leben für die Durchführung eines Anschlags opfert, wird sich mit oder ohne Fußfessel in die Luft sprengen oder ins Feuergefecht begeben.” Insofern wer-

de dieses Instrument nicht die Wirkung erzielen, die sich der Gesetzgeber verspreche, zeigte er sich überzeugt.

Eher auf Untersuchungshaft setzen Ebenfalls heftige Kritik äußerte Schall an den ausgeweiteten Möglichkeiten des Sicherheitsgewahrsams. Dazu meint er: “Für die richterliche Anordnung der längeren Freiheitsentziehung sind aus der Praxis heraus sehr konkrete Anhaltspunkte für unmittelbar bevorstehende Straftaten notwendig.” Im Hinblick auf einen möglichen Terroranschlag dürften hier bereits strafbare Vorbereitungshandlungen vorliegen. Dann wäre

auch in einem solchen Fall eher die Untersuchungshaft als der Sicherheitsgewahrsam angezeigt. Und bei anderen Delikten geringerer Qualität sei die rechtliche Grundlage wohl zu unbestimmt. Dann würde wohl kein Richter eine entsprechende Freiheitsentziehung anordnen, prognostizierte Schall. Der bayerische GdP-Vorsitzende findet aber auch lobende Worte. So begrüßt er unter anderem die Ausweitung der Möglichkeiten zur erkennungsdienstlichen Behandlung sowie die Kontaktund Aufenthaltsverbote. Er sagt: “Grundsätzlich sind weitergehende Polizeirechte in der derzeitigen Sicherheitslage zu begrüßen.”

Auch in der kriminologischen Forschung wurde dieses Phänomen bereits mehrfach nachgewiesen. All diese Erkenntnisse sind Grundlage der Softwaremethode einer Zeit-Raum-Verbrechensvorhersage auf Basis der vorhandenen polizeilichen Vorgangsdaten. Diese werden auch zur Bewertung der Folgedeliktswahrscheinlichkeit herangezogen. Für die Vorhersage von Wohnungseinbrüchen ist die “Routine-Activity-Theorie” als theoretische Grundlage von besonderer Bedeutung. Danach sind drei Elemente für die Entstehung einer Straftat relevant: die Tatmotivation, ein geeignetes Tatobjekt und eine Tatgelegenheit. Bezogen auf Wohnungseinbrüche lässt sich daraus ableiten, dass veränderte gesellschaftliche Handlungsroutinen neue Tatgelegenheiten schaffen können. Das können etwa berufsbedingt unbeaufsichtigte Wohnräume, die steigende Anonymität städtischer Nachbarschaften oder die größere Vielfalt transportabler und wertvoller Tatbeute sein. Setzt man

Im Kampf gegen Einbrecher helfen Prognoseanwendungen wie Precobs der Polizei durchaus dabei, ihren Kräfteansatz zu optimieren. Verhaftungen auf frischer Tat bleiben dennoch schwierig.

Foto: BS/Tim Reckmann, pixelio.de

das in Kontext zur Vorhersage von Wohnungseinbrüchen, so bedeutet dies, dass potenzielle Täter durch Beobachtung erfahren, wann und wo geeignete Tatobjekte schutzlos sind, sprich in welche leicht einzudringen und wo die Beuteerwartung am höchsten ist.

Höchstes Risiko direkt nach Tat Als Ergänzung der “RoutineActivity-Theorie” dient die im Zusammenhang mit Predictive Policing, also vorhersagender Polizeiarbeit, und Wohnungseinbrüchen häufig genannte Forschung zur “Repeat-Victimization”. Sie stützt sich auf Fälle wiederholter Opferwerdung. Ausgehend davon, dass das Risiko einer Tatwiederholung kurz nach der Ausgangstat am höchsten ist, wird zwischen “virtual repeats” (hohe Übereinstimmung weiterer Delikte mit der ersten Tat in Bezug auf das Tatziel oder Opfer) und “near repeats” (räumliche Nähe der Objekte) unterschieden. Demnach steigt die Wahrscheinlichkeit für Folgetaten, wenn sich in einem bestimmten homogenen Gebiet ein entsprechendes Delikt ereignet hat. Auch hier fällt der Transfer, die Gedanken zur “Routine-Activity-Theorie” einbeziehend, auf die analytische Vorhersage von Wohnungseinbrüchen leicht. Neben psychologischen Lernef-

fekten des Täters kommen auch Erwartungen bezüglich weiterer potenzieller Tatziele und einer räumlich günstigen Situation zum Tragen.

Situation hat sich entspannt Nachdem in München bis ins Jahr 2014 ein kontinuierlicher Anstieg der Wohnungseinbrüche auf zuletzt 1.426 Taten zu verzeichnen war, setzte die Polizei auf die Prognosesoftware Precobs. Ein Pilotprojekt mit der Anwendung, die die Vorhersage professionellen Täterverhaltens auf Basis datenbankbasierter Algorithmen für sich beanspruchte, begann im Oktober 2014. Anschließend war eine deutliche Entspannung der Situation zu beobachten. 2015 wurden in München nur noch 1.108 Wohnungseinbrüche registriert. Dies entspricht einem Rückgang von 22,3 Prozent. Im darauffolgenden Jahr musste jedoch ein Anstieg um 10,1 Prozent verzeichnet werden. Dieser war allerdings auf eine langanhaltende Serie eines Einzeltäters zurückzuführen. Mithilfe von Precobs erstellen geschulte Operatoren täglich Prognosen und setzen diese in überwiegend mehrtägige Überwachungs- und Fahndungsaufträge um. Alle Polizeikräfte erhalten Zugriff auf detaillierte Karten mit der Darstellung der Alarmgebiete mit erwarteten Wohnungseinbrüchen. Diese Aufträge werden in den Streifendienst integriert, sodass sie sowohl Bestandteil der täglichen Routinearbeit als auch Grundlage für zielgerichtete Kontrollaktionen werden. Die Bewertung der Kausalität bleibt dennoch schwierig, da Precobs überwiegend präventiven Charakter hat und es viele Faktoren gibt, die die aktuelle Entwicklung beeinflussen. Dennoch belegen messbare Indikatoren die grundsätzliche Wirksamkeit der Software. So sinken seit ihrer Einführung die absoluten Fallzahlen und in den aktiven Prognosegebieten halbierte sich die Anzahl der Wohnungseinbrüche. Zudem zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit von Folgedelikten bei zielgerichtetem Einsatz von Polizeikräften in den Gebieten abnimmt.

Kein Allheilmittel Methoden im Zusammenhang mit Predictive Policing sind eine geeignete Möglichkeit, um den polizeilichen Kräfteansatz zu optimieren und dabei einen ganzheitlichen Bekämpfungsansatz zu betreiben. Precobs ist daher als Ergänzung anderer Maßnahmen, etwa der kriminalpolizeilichen Beratung, zu betrachten. Der präventive Ansatz steht dabei im Vordergrund. Bisherige Erfahrungen zeigen aber auch, dass trotz überwiegend richtiger Prognosen die Festnahme von Tätern auf frischer Tat schwierig bleibt. Auch das Gelingen einer Abschreckung hängt im Wesentlichen vom Täter ab. Eine wichtige Voraussetzung, neben einer funktionierenden Software und qualifizierten Operatoren, ist daher die Verfügbarkeit ausreichend personeller Ressourcen, insbesondere wenn Maßnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg betrieben werden. *Wolfgang Inderst ist Erster Kriminalhauptkommissar beim Polizeipräsidium München.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / April 2018

Vor die Lage kommen

S

chließlich alarmierten die Feststellungen von Paketbomben aus dem Jemen bereits im Jahr 2010 Luftsicherheitsbehörden weltweit und machten einmal mehr deutlich, dass nicht nur durch den Fluggast gefährliche Gegenstände an Bord eines Flugzeugs gelangen können. Heute ist diese Gefährdungslage beunruhigender denn je. Der Absturz eines russischen Metrojets über dem Sinai im Oktober 2015, der Anschlag auf ein Passagierflugzeug der Daallo Airlines im Februar 2016 und der verhinderte Sprengstoffanschlag auf einen Flug von Sydney nach Abu Dhabi im Juli 2017 beweisen dies eindrücklich. Die anhaltende Bedrohung erfordert eine stetige Weiterentwicklung und Anpassung der Sicherheitsmaßnahmen im zivilen Luftverkehr. Es ist Aufgabe der zuständigen Ministerien und der ihnen nachgeordneten Luft-

Luftsicherheitskontrollen müssen mit der Zeit gehen (BS/Markus Bierschenk) Nach vorläufiger Bilanz des Aviation Safety Networks war 2017 das sicherste Jahr in der zivilen Luftfahrtgeschichte. Auf kommerziellen Passagiermaschinen gab es in diesem Jahr keine tödlichen Unglücke. Nie war das Fliegen demnach so sicher wie 2017. Eine trügerische Meldung.

nah getragene Sprengsätze zuverlässig detektieren können, zunehmend die Torsonden aus der Personenkontrolle. Hiervon profitiert die Luftsicherheit, ohne dass die Reisefreiheit über Gebühr eingeschränkt wird. Im Gegensatz zu einer manuellen Durchsuchung des Fluggasts ist der Eingriff in dessen Persönlichkeitsrecht auch deutlich geringer, da die Alarmgebung des Sicherheitsscanners eine sehr gezielte Nachkontrolle ermöglicht. Die aktuelle Gefährdungslage veranlasst die Luftsicherheitsbehörden, noch weiter zu gehen und nicht nur den Blick von metallischen Gegenständen auf andere feste Stoffe zu lenken, sondern Polizeidirektor Markus Bierschenk ist Referatsleiter Luftauch flüssige, sicherheit im Bundespolizeipulverförmige, präsidium in Potsdam. granulatartige oder gasförmige Foto: BS/Bundespolizeipräsidium Stoffe mit einzubeziehen. Dabei bleiben größere sicherheitsbehörden, fortlaufend elektronische Geräte eine beeinen dieser Bedrohung entspre- sondere Herausforderung. Die chenden Sicherheitsstandard zu Entwicklung der Sprengstoffdegewährleisten. Im polizeilichen tektion hat diverse Szenarien zu Sprachgebrauch bedeutet das: berücksichtigen, wie sie umfangWir müssen vor die Lage kom- reicher noch nie waren. men!

Freiheit darf nicht verloren gehen Gleichzeitig darf die Freiheit zu reisen durch die Sicherheitsvorkehrungen nicht verloren gehen. Sie darf nur eingeschränkt werden, soweit dies zur Gewährleistung der Sicherheit notwendig ist. Diese Abwägung stellt eine zunehmende Herausforderung dar. Im Januar und Februar 2018 nutzten knapp 30 Millionen Fluggäste deutsche Verkehrsflughäfen. Das entspricht einem Verkehrswachstum um 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dieser Anstieg wird sich voraussichtlich im laufenden Jahr deutlich beschleunigen. Der Flughafenverband ADV rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum der Passagiernachfrage um 4,2 Prozent und erwartet einen neuen Rekord von 245 Millionen Privat- und Geschäftsreisenden. Besonders stark wird der Anstieg im Europaverkehr prognostiziert, wo 5,1 Prozent mehr Fluggäste erwartet werden. Auch für den innerdeutschen Verkehr werden wieder Fluggaststeigerungen erwartet. Der im Wesentlichen durch die Insolvenz der Fluglinien Air Berlin und Niki verursachte Rückgang Ende letzten Jahres wird voraussichtlich schon bald aufgefangen sein. Unsere Flughäfen platzen sprichwörtlich aus allen Nähten. Die Flughafenbetreiber wirken dem mit dem Umbau bestehender Terminals, aber auch mit Terminalneubauten entgegen. Die Bedarfe an Luftsicherheitskontrolltechnik, an Polizeibeamten und an Luftsicherheitsassistenten steigen – und das bei gleichzeitig wachsenden Anforderungen an Kompetenz und Zuverlässigkeit.

Sicherheitsscanner statt Torsonden Die Bundespolizei begegnet der Gefährdung unter anderem mit der Einführung verbesserter technischer Verfahren und der stetigen Weiterentwicklung von Kontrollprozessen und -standards. So verdrängen mittlerweile auf den Flughäfen im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei moderne und leistungsstarke Sicherheitsscanner, die körper-

Seite 45

Handgepäckkontrolle vor Wandel

In der Handgepäckkontrolle stehen wir daher vor wegweisenden Veränderungen, um die Sicherheit im Luftverkehr weiter zu erhöhen. Als unmittelbare Reaktion auf die aktuellen Lageerkenntnisse beabsichtigten das Bundesinnenministerium (BMI) und die Bundespolizei, noch in diesem Jahr an den Röntgengeräten für das Handgepäck die automatische Erkennung von Festsprengstoffen zu aktivieren, und zwar beginnend mit den Kontrollstellen im US-Verkehr. Die entsprechende Nachrüstung der Geräte ist bereits erfolgt, die Detektionsstandards entsprechen im Wesentlichen den aktuell von der amerikanischen Luftsicherheitsbehörde TSA verwendeten Standards. Eine weitere zukunftsweisende Entwicklung könnte die Einbeziehung von Computertomografen in die Handgepäckkontrolle darstellen. Solche Geräte werden derzeit erprobt. Sie sind in der Lage, den Luftsicherheitsassistenten nicht mehr nur statische, sondern rotierende Bilder anzubieten und sollen damit eine noch lebensnahere Bewertung der Monitorbilder ermöglichen. In jedem Fall bleibt das Zusammenwirken von Mensch und Maschine existenziell für die Luftsicherheitskontrolle. Alle technischen Systeme können den Menschen nur unterstützen, aber nicht ersetzen. Die letzte Entscheidung trifft immer der Mensch, nicht die Technik!

Teilweise ganzen Hausstand dabei Klar ist aber auch, dass das sicherste Handgepäckstück dasjenige ist, das der Fluggast gar nicht erst mit zur Sicherheitskontrolle bringt, worauf er also während des Fluges gar keinen Zugriff hat. Je weniger Handgepäckstücke die Fluggäste mitführen, umso sicherer ist der Flug und umso schneller, übersichtlicher und entspannter verläuft die Luftsicherheitskontrolle. Leider ist derzeit eine Entwicklung genau in die andere Richtung zu beobachten. Das Kontrollpersonal wird immer wieder mit Reisenden konfron-

tiert, die anscheinend ihren gesamten Hausstand mit in die Flugzeugkabine nehmen! Und einige Airlines scheinen solche, aus Luftsicherheitssicht bedenkliche Entwicklungen, noch zu fördern, um Ersparnisse bei der Abfertigung des aufgegebenen Gepäcks zu erzielen. Die Initiativen einiger Airlines, die mitgeführten Handgepäckstücke je Fluggast sukzessive zu reduzieren, sind vor diesem Hintergrund ausdrücklich zu begrüßen. Es wäre wünschenswert, wenn sich weitere Fluggesellschaften diesem guten Beispiel anschlössen. Hinsichtlich des Gepäcks, das dennoch zur Handgepäckkontrolle vorgelegt wird, kommt es indes darauf an, dass die Fluggäste durch Informationen im Vorfeld bestmöglich auf die Kontrolle vorbereitet werden. Auch hier sind die Airlines gefordert, die ihre Fluggäste weit im Vorfeld, am besten schon bei der Ticketbuchung, darauf hinweisen sollten, was ins Handgepäck gehört, was nicht und was wie zu verpacken ist. Und auch nach dem Eintreffen am Flughafen bis zur Sicherheitskontrolle ist es wichtig, dass die Airlines und Flughafenbetreiber ihre Fluggäste kontinuierlich mit Informationen zur Kontrolle versorgen. Das entspannt nicht nur die Kontrollsituation für alle Beteiligten, es beschleunigt sie auch.

Trotz aller Technik – entscheidend ist der Mensch Trotz bester Vorbereitung von Fluggästen und ungeachtet immer leistungsfähiger werdender Kontrolltechnik wird es am Ende auch künftig auf das Kontrollpersonal, also auf die vor Ort eingesetzten Polizeibeamten und Luftsicherheitsassistenten ankommen. Besonders bedeutsam sind daher sichere, effektive und sorgsam strukturierte Kontrollprozesse. Und bei stetig steigenden Reisendenzahlen darf auch die Effizienz im Verhältnis zum Nutzen nicht außer Acht gelassen werden. Zielrichtung muss es sein, durch die ineinander­ greifenden Luftsicherheitsmaßnahmen aus der Vielzahl der Fluggäste diejenigen zu identifizieren, von denen eine Gefahr ausgeht oder ausgehen kann. Für die Technik ist jeder Fluggast gleich. Der Mensch ist es, der die Ergebnisse der Kontrolltechnik und das Verhalten der Fluggäste richtig einschätzen muss, um die feinen Unterschiede zu erkennen, die am Ende über Leben und Tod einer Vielzahl von Menschen entscheiden können. Die Bundespolizei stellt sich dieser Herausforderung auch mit einem eigenen Forschungsprojekt, welches das Ziel verfolgt, wissenschaftlich fundierte Indikatoren für auffälliges Verhalten von Fluggästen, aber auch von Flughafen- und Airlinemitarbeitern aufzustellen. Unsere Polizistinnen und Polizisten müssen erkennen, was nicht in den Kontext passt, wo es sich also lohnt, genauer hinzuschauen. Denn genau dieses Verständnis stellt einen weiteren wesentlichen Faktor in der Abwehr von Gefahren dar.

Angemessene Arbeitsbedingungen fördern Sensibilität und Aufmerksamkeit sind gefragt an einem Arbeitsplatz, der wie Arbeit an einem Fließband erscheinen mag, der aber keine Routinen zulässt, und an dem es trotz Abfertigung einer Vielzahl von Fluggästen auf eine zutreffende individu-

Dr. Dieter Romann, Präsident des Bundespolizeipräsidiums, spricht sich für eine Entlastung seiner Behörde von administrativen, vollzugsfremden Aufgaben im Bereich der Luftsicherheit aus. Foto: BS/Feldmann

elle Bewertung des Einzelfalls ankommt. Denn trotz aller technischen Neuerungen ist es am Ende immer der Mensch, der die Entscheidungen trifft. In einem solch verantwortungsvollen Arbeitsbereich wie der Luftsicherheitskontrolle, der mit vielen Anforderungen gespickt ist, bedarf es neben einer guten und soliden Ausbildung auch einer angemessenen Arbeitsumgebung. Um den hohen Anforderungen gerecht zu werden, sind motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt, die mit fachlicher Expertise und langfristigem Erfahrungswissen die entscheidenden Aspekte erkennen und ihr Handeln daran ausrichten, um so Luftsicherheit bestmöglich zu gewährleisten. Es gilt, den Arbeitsplatz schon in seiner Gestaltung frei von Stressoren zu machen, die zu Ablenkungen und zusätzlichen

Belastungen führen. Stickige Luft und lärmende Technik sind zwei von mehreren Faktoren in diesem Zusammenhang. Wenn sich quer durch das Terminal Fluggastschlangen bilden und sich genervte Fluggäste, die Angst haben, ihren Flug zu verpassen, ihres Frustes an der Sicherheitskontrolle entledigen, führt dies nicht zur Verbesserung der Kontrollqualität sondern provoziert geradezu Überlastungsanzeigen. Eine gute und strukturierte Passagiervorbereitung, -information und -steuerung durch Flughafenbetreiber und Airlines üben maßgeblich Einfluss auf die Kontrollsituation aus. Genauso wie eine möglichst gleichmäßige Verteilung des Fluggastaufkommens. Die Bundespolizei und die Sicherheitsdienstleister sind mit immer höheren Peaks und immer beengteren Platzverhältnissen konfrontiert, die sie selbst nicht zu verantworten haben! Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Technische Systeme sind ein Beispiel, wie gegengesteuert werden kann: So helfen zum Beispiel Sensoriksysteme heute bei der Berechnung der Passagierströme einschließlich deren Eintreffverhalten an den einzelnen Prozessstellen. Solche Systeme sollten an allen Flughäfen zur Unterstützung der Abfertigungsprozesse zum Einsatz kommen.

Bundespolizei entlasten Angesichts der aktuellen Gefährdungslage und der beschriebenen Herausforderungen kommt es für die Bundespolizei

entscheidend darauf an, dass sie ihre personellen Ressourcen gezielt im Kernbereich der hoheitlichen Luftsicherheitsaufgabenwahrnehmung einsetzen kann. Hierauf wies auch der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dr. Dieter Romann, auf den diesjährigen Luftsicherheitstagen in Potsdam hin. Er sprach sich dafür aus, die Bundespolizei von administrativen Aufgaben im Bereich der Luftsicherheit, etwa bei der Steuerung des Personals für die Sicherheitsdienstleister und der Kalkulation von Gebühren, zu entlasten.

Mehr an Flughafenbetreiber übertragen So könnte – nicht zuletzt, weil im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ohnehin eine Begutachtung der bestehenden Organisation und Aufgabenwahrnehmung und -verteilung für die Luftsicherheit vorgesehen ist – die Verantwortung für die Steuerung von Fluggast- und Gepäckkontrollen künftig an die Flughafenbetreiber übertragen werden. Das würde unter anderem auch den Erwerb, den Betrieb und die Wartung der Kontrolltechnik umfassen. Die Organisation der Kontrolle von Fluggästen und deren Gepäck würde damit von der Bundespolizei an die Flughafenbetreiber übergehen. Die Flughäfen könnten – wie heute die Bundespolizei - private Sicherheitsdienstleister mit der Durchführung der Kontrollen beauftragen oder eigene Sicherheitsfirmen gründen und wettbewerbskonform zum Einsatz bringen. Bei Flugplanänderungen oder kurzfristig auftretenden Peaks könnten die Flughafenbetreiber dann einfacher Personal umverteilen und die Fluggastkontrolle etwa durch entsprechend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Personal- und Warenkontrolle verstärken.


Innere Sicherheit

Seite 46

Berliner Abgeordnete uneins

MELDUNGEN

Premiere für “Gefährder-Paragrafen”

Videobeobachtung in Bundeshauptstadt bleibt umstritten (BS/Marco Feldmann) Das “Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz”, das sich unter anderem für die visuelle Beobachtung von bis 50 Orten in Berlin einsetzt (siehe Behörden Spiegel März 2018, Seite 24), hat mit 21.000 gültigen Unterschriften die nächste Hürde auf dem Weg zum Volksentscheid genommen. Gleichwohl gehen die Meinungen über die Notwendigkeit des Vorhabens im politischen Raum des Abgeordnetenhauses weiter auseinander. So kritisiert etwa Niklas Schrader, Innenpolitiker und Sprecher für Datenschutz der Linken-Fraktion: “Den eigentlichen Inhalt ihres Gesetzentwurfes verschleiert die Initiative. Ihre führenden Köpfe betreiben Propaganda sowie eine Desinformationskampagne.” Zudem bemängelt er, dass weiterhin unklar sei, was unter intelligenter Videotechnik genau zu verstehen sei. Und Schrader erachtet den Katalog von Orten, an denen nach den Vorstellungen der Initiativenmitglieder künftig Videobeobachtung stattfinden soll, als unpräzise formuliert und extrem weit gefasst. Darüber hinaus konstatiert er: “Videoüberwachung führt nicht zu mehr Sicherheit, denn keine Kamera kann Straftaten im öffentlichen Raum verhindern.” Eingreifen könnten in kritischen Situationen weiterhin nur Menschen. Außerdem sei offensichtlich, dass das Vorhaben auch in der überarbeiteten Version in mehrerer Hinsicht gegen höherrangiges Recht verstoße.

Bürger werden in die Irre geführt Hart mit dem Gesetzentwurf ins Gericht geht auch Marcel Luthe. Der Innenpolitische Sprecher der Berliner FDP-Fraktion meint: “Das Volksbegehren ist eine absolute Irreführung der

In Berlin will eine Initiative die Beobachtung des öffentlichen Raumes mithilfe von Kameras (Foto) massiv ausweiten. Die Landespolitik bewertet das Vorhaben – je nach Parteizugehörigkeit – jedoch unterschiedlich. Foto: BS/Stephan Mosel, CC BY 2.0, flickr.com

Bürger”. Schon die Überschrift der Initiative verspreche eine Bewachung, obwohl es nur um die Aufzeichnung gehe. “Wer Sicherheit will, bekommt stattdessen eine Aufzeichnung von Verbrechen”, so sein Urteil. Schließlich verhindere Videoaufzeichnung nur Bagatelldelikte wie etwa Sachbeschädigungen. Dies zeige sich auch bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Jeder Euro für Kameras fehle für Personal bei der Polizei, das erheblich wichtiger sei. Hier komme es vor allem auf zusätzliche

Verwaltungsangestellte an, die die Vollzugsbeamten von vollzugsfremden Aufgaben entlasten könnten. Dann würde auch die Polizeipräsenz auf den Straßen der Bundeshauptstadt wieder zunehmen, prognostiziert Luthe. “Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Vollzugsdefizit”, bemängelt er.

Zu viele Kameras? Sven Kohlmeier, Sprecher für Rechtspolitik, Datenschutz und Netzpolitik der SPD-Fraktion, wiederum sagt: “Es überrascht

Sensibilität der Mitarbeiter erhöhen Cyber- und Wirtschaftskriminalität verursachen massive Schäden (BS/mfe) Die Bedrohungen aus dem Cyber-Raum nehmen zu. Kriminelle versuchen auf immer perfidere Art und Weise, an die Daten und das Geld ihrer Opfer zu kommen. Im Kampf gegen Wirtschaftsspionage und -ausspähung kommt es deshalb vor allem auf eine ausreichende Sensibilisierung der Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung an. Schließlich ist der Mensch in diesem Bereich der große Schwachpunkt. Handelt der Beschäftigte hier falsch, helfen auch die besten IT-Sicherheitsvorkehrungen nicht. Dabei führt Wirtschaftskriminalität in Deutschland – trotz eines großen Dunkelfeldes, weil zahlreiche Taten aufgrund eines befürchteten Reputationsverlustes nicht angezeigt werden – jedes Jahr zu massiven Schäden.

Dabei können die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) viel gegen Wirtschaftsspionage tun und Mitarbeiter sensibilisieren.

Aktuelle Gefährdungslage wird vorgestellt Wie das erfolgt, wird auf einer Veranstaltung der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Nordrhein-Westfalen e. V. (ASW NRW),

ASW Norddeutschland und Cyber Akademie am 26. April in Osnabrück gezeigt. Hier werden Vertreter des niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) sowie des Düsseldorfer Landeskriminalamtes (LKA) die aktuelle Gefährdungslage darstellen. Weitere Informationen: https:// www.aswnrw.de/veranstaltun gen/

Behörden Spiegel / April 2018

mich nicht, dass es jetzt mal ein Volksbegehren zu einem Thema der Inneren Sicherheit gibt.” Ungeachtet dessen sieht auch er das Vorhaben kritisch. So merkt er etwa an, dass nicht hinreichend bestimmt sei, welche Videotechnik genau eingesetzt werden solle. Außerdem hält der Sozialdemokrat die Zahl der geplanten Kameras für zu hoch. Das im Gesetzentwurf vorgesehene, dann möglicherweise noch zu gründende wissenschaftliche Institut erachtet Kohlmeier darüber hinaus als verfassungswidrig, weil dann auch Stellen des Bundes gebunden würden. Dafür verfüge das Land Berlin jedoch nicht über die Gesetzgebungskompetenz, gibt er zu bedenken. Allerdings lehnt der SPD-Politiker das Volkbegehren nicht in Gänze ab. Vielmehr kann er sich zum Beispiel an kriminalitätsbelasteten Orten auch eine Ausweitung von Videotechnik vorstellen.

(BS/mfe) Die hessische Landesregierung hat erstmals einen Islamisten auf Grundlage des sogenannten “Gefährder-Paragrafen” im Aufenthaltsgesetz abgeschoben. Der Tunesier Othman D. wurde gemäß einer auf Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes beruhenden Abschiebungsanordnung in sein Heimatland zurückgebracht. Gegen den 31-Jährigen, der sich seit seinem achten Lebensjahr in Deutschland befand, bestand hierzulande der Verdacht, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten. Dies ist gemäß Paragraf 89a Strafgesetzbuch verboten. D. saß aufgrund eines von der Wiesbadener Ausländerbehörde beantragten Haftbefehls bereits seit Mitte Juni letzten Jahres in Abschiebungshaft. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) erklärte zu der Abschiebung: “Dieser Gefährder bedeutete ein Sicherheitsrisiko für die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik und ist bei uns nicht mehr willkommen.” Man nutze alle rechtsstaatlichen Mittel, um die Bevölkerung vor

Peter Beuth ist seit Januar 2014 hessischer Innenminister. Foto: BS/Feldmann

radikalen Islamisten zu schützen. D. sei tief in der salafistischen Szene der Bundesrepublik verwurzelt gewesen. In Hessen sind nach Angaben des Innenministeriums rund 40 Personen als islamistische Gefährder eingestuft. Davon befinden sich fast zwei Drittel entweder im Ausland oder in Haft. Ungefähr ein Drittel der Gefährder hat keinen deutschen Pass. Nahezu alle von ihnen befinden sich entweder außerhalb des Bundesgebietes oder sind hierzulande inhaftiert.

AfD will massive Ausweitung

Keine Cannabis-Liberalisierung

Unterstützung für das Volksbegehren kommt hingegen von den Christdemokraten und der Alternative für Deutschland. So hält etwa deren Innenpolitischer Sprecher, Karsten Woldeit eine massive Ausweitung der Videobeobachtung für zwingend erforderlich. Zugleich kritisiert Woldeit aber auch die aus seiner Sicht parteipolitische Vereinnahmung des Volksbegehrens durch die CDU. Deren Innenpolitischer Sprecher, Burkard Dregger, schließlich sagt: “In Berlin werden die meisten Straftaten im Vergleich aller Bundesländer begangen und die wenigsten aufgeklärt. Wer das ändern will, muss der Polizei erlauben, an den Kriminalitätsschwerpunkten unserer Stadt Videoaufklärung einzusetzen.” Auf Bundesebene könnte es unterdessen zu verstärkten Initiativen zur Ausweitung der Videobeobachtung kommen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) sagte jedenfalls schon in seiner ersten Rede im Bundestag: “Ich werde dafür eintreten, dass die intelligente Videotechnik weiter ausgebaut wird.”

(BS/mfe) Die Bundesregierung lehnt eine Legalisierung der Verwendung von Cannabis zu Genusszwecken weiterhin ab. Begründet wird dies mit Gründen des Gesundheitsschutzes. Zudem sei Rauschgiftkriminalität aufgrund hoher Gewinnmargen ein zentrales Betätigungsfeld der Organisierten Kriminalität (OK). Hierzu heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der GrünenFraktion im Deutschen Bundestag wörtlich: “Der Wegfall einer

illegalen Substanz würde daher nicht zu einer spürbaren Reduzierung der organisierten Rauschgiftkriminalität führen, sondern allenfalls zu einer Verlagerung der kriminellen Aktivitäten auf den Handel mit anderen illegalen Substanzen.” Laut Bundesregierung sei sogar davon auszugehen, dass bei einer Cannabis-Legalisierung die OK die von diesem Schritt ausgenommene Gruppe der Kinder und Jugendlichen besonders in den Blick nehmen könnte.

Über 10.000 Zurückweisungen (BS/mfe) Im vergangenen Jahr haben die Bundespolizei sowie die mit der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden insgesamt 10.265 Personen zurückgewiesen. Sie waren ohne gültiges Reisedokument unterwegs oder verfügten über ein gefälschtes Visum. Unerlaubt in die Bundesrepu­blik kamen zudem zwischen Januar und Dezember letzten Jahres insgesamt 50.154 Menschen. Die meisten illegal Eingereisten wurden dabei an

der deutsch-österreichischen Grenze verzeichnet (16.312). Es folgen die deutschen Verkehrsflughäfen (11.220), die Grenze zur Schweiz (5.551) sowie die Übergänge zwischen der Bundesrepublik und Tschechien (4.035). Ebenfalls zahlreiche unerlaubt eingereiste Personen wurden an der deutsch-französischen Grenze (3.946) sowie zu Dänemark (1.783) aktenkundig. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD hervor.

Beschaffertage 2018 6. – 7. Juni 2018

Eine Veranstaltung des

Fachliche Leitung

Geplante Themen, u. a.: • Das Leistungsbestimmungsrecht bei BOS-Beschaffungen in der Praxis

• Rechtliche und praktische Aspekte des Bewertungsvorgehens

• Ausschreibung von Rettungsdienstleistungen – aktueller Praxisbericht

• Bieterkonstellationen (GU, Sub & Co.)

• E-Mobilität: Beschaffung von E-Einsatzfahrzeugen

• Zukunft der Fahrzeugbeschaffung: Customized Chassis

• Praxisbeispiel: DLA(K)-Sammelbeschaffung

• Von der Eignungsprüfung und dem Ausschluss „ungeliebter“ Bieter

www.bos-beschaffertage.de


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

Behörden Spiegel / April 2018

Die Spielregeln müssen eingehalten werden

MELDUNGEN

Kommunen vor großen Herausforderungen (BS/mfe) Egal, ob Prostituiertenschutzgesetz, neues Versicherungsvermittlungsrecht oder Änderungen im Bewachungsgewerbe. Das Ordnungs-, Gewerbeund Wirtschaftsverwaltungsrecht hat zuletzt zahlreiche Änderungen erfahren. Zurück gehen diese sowohl auf Reformen des EU- als auch des nationalen Rechts. Und immer den Durchblick behalten müssen die Mitarbeiter der Kommunen, die die Gesetze implementieren. Dies ist aufgrund der Komplexität der Materie sowie der Schnelligkeit und Tiefe der Reformen nicht immer einfach. Hier will der Behörden Spiegel mit

seiner Tagung “Zukunft Gewerberecht 2018”, die am 18. April in Königswinter stattfindet, Abhilfe schaffen. So wird dort etwa Thomas Busse vom Fachbereich öffentliche Ordnung der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover das behördliche Anmeldeverfahren im Zusammenhang mit dem neuen Prostituiertenschutzgesetz erläutern. Der Leiter der Abteilung für Ordnungs-, Markt- und Gewerbeangelegenheiten in der Bonner Stadtverwaltung, Harald Borchert, wiederum widmet sich der praktischen Umsetzung des neuen Glücksspielstaatsvertrages sowie der Zukunft der Spiel-

hallen. Und Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW), geht auf das zentrale Bewacherregister ein, das das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ab Anfang kommenden Jahres zu führen hat. Die Herausforderungen bei der Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung in der kommunalen Verwaltungspraxis beleuchtet schließlich der Datenschutzbeauftragte der Stadt Köln, Frank Fricke. Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefte-forum. de; Suchbegriff: Gewerberecht

Bayerische Polizei testet Bekleidung für Fahrradstreifen (BS/mfe) In Bayern werden ab sofort verschiedene Outfits für Fahrradpolizisten erprobt. Dazu testen zwölf Beamte voraussichtlich bis Ende Oktober in Erlangen, München und Passau verschiedene Oberteile, Fahrradhosen, sogenannte SoftshellJacken und Helme. Die Kleidungsstücke, die untereinander auch gemischt und neu kombiniert werden sollen, stammen aus den Ausrüstungskonzepten verschiedener Polizeien.

Dazu gehören die Kollegen aus Österreich, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte zu dem Trageversuch: “Unsere Polizistinnen und Polizisten werden die Konzepte ausgiebig auf Funktionalität, Atmungsaktivität, Witterungsbeständigkeit, Sichtbarkeit und praktische Aspekte prüfen.” Ziel sei es herauszufinden, welche Zusammenstellung sich am besten bewähre und wo noch

Anpassungen erforderlich seien. Bisher existiert für die rund 400 Fahrradpolizisten im Freistaat noch keine eigene, einheitliche Uniform. Zugleich unterstrich der Münchner Ressortchef: “Wir wollen den Einsatz von Fahrradstreifen der bayerischen Polizei weiter fördern.” Pro Ausstattungspaket, das aus einem Helm, Regenschutz und Funktionsbekleidung besteht, wird mit Kosten in Höhe von circa 500 Euro gerechnet.

Werbung für Rettungsgassen in Nordrhein-Westfalen (BS/mfe) Immer wieder gelingt es Einsatzkräften von Feuerwehr und Rettungsdienst bei Einsätzen auf Autobahnen nur schwer an die Unglücksstelle zu gelangen. Der Grund dafür: Die Verkehrsteilnehmer bilden keine Rettungsgasse. Hier will die nordrhein-westfälische Landesregierung gegensteuern. Mit 250 Bannern an Autobahnbrücken

werben unter anderem das Düsseldorfer Verkehrs- und das Innenministerium für mehr Rücksichtnahme. Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) appellierte: “Blockierte Fahrbahnen gefährden Gesundheit und Leben von Unfallopfern, weil die Rettungskräfte wertvolle Minuten verlieren. Wir wollen erreichen, dass die Verkehrsteilnehmer wieder

Seite 47

aufmerksamer und rücksichtsvoller unterwegs sind.” Und Innenminister Herbert Reul (ebenfalls CDU) sagte: “Rettungsgasse rettet Leben. Mit den Bannern möchten wir den Menschen in Nordrhein-Westfalen zeigen, wie sie eine Rettungsgasse bilden müssen.” Nach schweren Unfällen komme es schließlich auf jede Sekunde an.

Deutsches Rotes Kreuz nicht grundsätzlich gegen rescEU-Idee (BS) Mit rescEU will die Europäische Kommission eigene Katastrophenschutzressourcen aufbauen. Dagegen regt sich in mehreren Mitgliedsstaaten Widerstand. Die Sicht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) erläutert im Gespräch mit dem Behörden Spiegel Dr. Johannes Richert. Die Fragen an den Leiter des Bereichs Nationale Hilfsgesellschaft stellte Marco Feldmann. Behörden Spiegel: Herr Dr. Richert, wie bewerten Sie den rescEU-Vorschlag? Welche Rolle spielt dort das Deutsche Rote Kreuz? Dr. Richert: Das Deutsche Rote Kreuz ist im nationalen Kontext in humanitären Fragen von seiner Verfasstheit her auxiliar zur Bundesrepublik und nicht zu einer supranationalen Organisation. Wir wirken im Bevölkerungsund Zivilschutz des Bundes und der Länder mit. In Deutschland sind wir die klassische, humanitäre Zivilschutzorganisation. Unserem Verständnis nach ist es sinnvoll, Mangelressourcen in einem europäischen Kontext zu poolen. Diese dürften dann aber auch nur innerhalb der Europäischen Union und assoziierten Staaten zum Einsatz kommen. Dann bekommen wir hinsichtlich der Auxiliarität kein Problem. Behörden Spiegel: Das heißt, Sie begrüßen den Vorschlag grundsätzlich? Richert: Ja. Wir fordern aber auch, dass – wenn diese Mangelressourcen zum Einsatz kommen – weiterhin die jeweiligen Mechanismen der nationalen Einsatzführung greifen. Die vorhandene “line of command” muss erhalten bleiben. Das Deutsche Rote Kreuz begrüßt es, wenn Mangelressourcen europäisch gepoolt werden. Die Vorgaben und Spielregeln der Rotkreuzbewegung müssen jedoch, wenn sie vom Roten Kreuz gestellt werden, weiter eingehalten werden. Dann können auch Dinge, die wir für den Bevölkerungsschutz vorhalten, der Kommission als Reserve gemeldet werden. Dazu gehört derzeit unser mobiles InfektionsKrankenhausmodul. Das wurde als Infektionsmodul bereits nach Brüssel gemeldet, mehr allerdings noch nicht. Schließlich ist der rescEU-Vorschlag ja auch noch recht neu und unausgegoren. Behörden Spiegel: Um Ihre Wortwahl aufzugreifen: Welche “Spielregeln” müssen denn unbedingt eingehalten werden? Richert: Die Strukturen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung dürfen nicht angetastet werden. Schließlich sind wir ein

Völkerrechtssubjekt und keine Nichtregierungsorganisation. Was wir nicht wollen, ist ein eigenes Linienmanagement der Europäischen Union. Es muss dabei Dr. Johannes Richert, hier auf dem Europäischen Katastrobleiben, dass phenschutzkongress, leitet beim Deutschen Roten Kreuz die Einsatzko- (DRK) den Bereich Nationale Hilfsgesellschaft. ordination aller Foto: BS/Dombrowsky Komponenten in Konfliktlagen weiterhin durch Kommando des Internationalen das Internationale Komitee vom Komitees vom Roten Kreuz arbeiRoten Kreuz erfolgt. Bei großen ten dürften, nicht unter jenem Naturkatastrophen muss die Ko- der Europäischen Union. Wir ordination auch weiterhin durch wollen schlicht und einfach keine die Internationale Föderation der konkurrierenden Systeme. Denn Rotkreuz- und Rothalbmond- dann würden wir uns auch die Gesellschaften stattfinden. Au- freiwilligen Helfer, die ohnehin ßerdem gilt für uns das Territo- schon knapp sind, gegenseitig rialprinzip, wonach wir als DRK wegnehmen. Würde die Europäische Union nie ohne Zustimmung der jeweiligen nationalen Rotkreuz- oder eigene personelle Ressourcen für Rothalbmond-Gesellschaft in eigene Einsätze aufbauen, würde anderen Ländern aktiv würden. das zwangsläufig zulasten der Diesen Strukturen muss sich je- deutschen Hilfsorganisationen de Einsatzkomponente des Roten und Feuerwehren gehen. Denn Kreuzes unterwerfen. Hier muss das Helferpotenzial wird demodurch entsprechende Vorabver- grafiebedingt ja eher kleiner als einbarungen bei der Beteiligung größer. Deshalb darf die Euroan rescEU eine mögliche Interes- päische Union aus unserer Sicht senskollision vermieden werden. auch künftig nur ergänzend zu nationalen Strukturen im BeBehörden Spiegel: Welche Pro- reich des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe tätig bleme sehen Sie hier? werden. Richert: Kritisch würde die Situation in einem internationalen Behörden Spiegel: Wie steKonflikt werden. Dann könn- hen andere nationale Sektionen te es passieren, dass deutsche der Rotkreuzbewegung zu dem Rotkreuzhelfer einmal unter der rescEU-Vorschlag? Flagge der Europäischen UniRichert: Da sind wir noch im on und einmal unter jener des Internationalen Komitees vom Meinungsbildungsprozess. Aber Roten Kreuz tätig würden. Das eines ist schon klar: Die internawäre für uns nicht hinnehm- tionale Rotkreuzbewegung wird bar. Das Rote Kreuz muss immer darauf beharren, dass die beals neutraler Akteur auftreten, währten Koordinierungsmechadarf nie zur Partei werden. Die nismen nicht angerührt werden. Europäische Union würde aber Das Finnische Rote Kreuz zum sicherlich in einigen Fällen von Beispiel hat hinsichtlich des Voreinem der Kombattanten nicht schlags der Europäischen Union als neutral anerkannt werden. die gleiche Positionierung wie wir. Dann wäre für uns als Deutsches Rotes Kreuz der Weg für einen Das Thema rescEU wird auch Einsatz versperrt. auf dem diesjährigen Europäischen KatastrophenschutzkonBehörden Spiegel: Welche kon- gress des Behörden Spiegel behandelt. Dieser findet am 26. kreten Folgen hätte das? und 27. Juni 2018 im Vienna Richert: Das hätte zur Folge, House Andel‘s Berlin statt. Weidass wir etwa im Jemen, wo Bür- tere Informationen unter: www. gerkrieg herrscht, nur unter dem katastrophenschutzkongress.de.


Wehrtechnik

Seite 48

Behörden Spiegel / April 2018

Neues aus der Wehrtechnik Mit “Network Computing Awards” ausgezeichnet

UK kündigt Programm-Rückkehr an

Rohde & Schwarz Cybersecurity

Rheinmetall

(BS) Die Cloud-Lösung “TrustedGate” des ITSicherheitsunternehmens Rohde & Schwarz Cybersecurity wurde Ende März in London mit dem “Network Computing Award” in der Kategorie “Security Product of the Year” ausgezeichnet. Mit “TrustedGate” können Behörden und Unternehmen mit virtualisierten Daten einerseits in einer “Public Cloud” transparent und sicher arbeiten und gleichzeitig andererseits diese datenschutzkonform vor Angriffen von innen oder außen schützen. Die “Network Computing Awards” werden vom “Network Computing Magazine” verliehen und würdigen herausragende Leistungen und Innovationen der Branche. Jährlich zeichnet der Preis diejenigen IT-Sicherheitslösungen aus, die Unternehmen helfen, ihre Daten umfassend zu schützen. Mit der “Deep Packet Inspection Software R&S PACE 2” belegte Rohde & Schwarz Cybersecurity außerdem in der Kategorie “Software Product

of the Year” den zweiten Platz. Die moderne SoftwareBibliothek bie tet feingranulare Einsicht in den IPbasierten Netzverkehr, klassifiziert Rohde & Schwarz Cybersecurity Tausende von Pro- ist sichtlich stolz auf die beiden tokollen und An- Preise. Grafik: BS/Rohde & Schwarz wendungen, bietet Content- und Metadaten-Extraktion und liefert Metriken und Heuristiken aus dem IP-Verkehr. Anbieter von Netzwerkmanagement-, Netzwerkanalyse- und Netzwerksicherheitslösungen können so ihre Produkte mit modernsten IP-Netzwerkanalysefunktionen ausstatten. Mehr Informationen unter https://cybersecurity. rohde-schwarz.com

(BS) Das Verteidigungsministerium in London hat angekündigt, über die europäische Rüstungsagentur OCCAR in das “Boxer”-Programm zurückkehren zu wollen. Dies ermöglicht die Beschaffung des Gepanzerten Transport-Kraftfahrzeugs (GTK) “Boxer” im Rüstungsprojekt “Mechanised Infantry Vehicle” (MIV). Der jetzt gewählte Ansatz kann dem Vereinigten Königreich eine Reihe von Vorteilen bringen – darunter die schnelle Auslieferung des einsatzerfahrenen “Boxers”, einen offenen und transparenten Beschaffungs- und Lieferprozess, Kompatibilität mit NATO-Verbündeten, Investitionen in die britische rüstungsindustrielle Basis sowie ein großes Potenzial für den internationalen Export von in Großbritannien gebauten “Boxern”. Die ARTEC ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Rheinmetall mit einem Anteil von 64 Prozent und von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) mit 36 Prozent, das mit der Lieferung von über 600 “Boxer”Fahrzeugen an die deutschen, niederländischen

und litauischen Streitkräfte sowie m i t U n t e r s t ü tzungsleistungen beauftragt ist. ARTEC und Rheinmetall führen bereits Gespräche mit einigen britischen Das Gepanzerte Transport-KraftPartnern über die fahrzeug “Boxer” im “UnionRealisierung des Jack”-Muster Foto: BS/Rheinmetall MIV-Programms, darunter mit BAE Systems, Thales UK, Raytheon, Rolls-Royce und Pearson Engineering. Dieser Ansatz soll substanziell Arbeitsplätze im gesamten Vereinigten Königreich sichern, um die britische “Boxer”-Flotte herzustellen und während ihrer Lebenszyklusphase zu erhalten und zu modernisieren. Mehr Informationen unter www.rheinmetall.com

Vereinbarung über Luftverteidigungssystem

Wachstum und weitere Neueinstellungen

Raytheon

MBDA

(BS) Die polnische Regierung hat eine Vereinbarung über den Kauf des Luftverteidigungssystems “Patriot” von der US-Armee unterzeichnet. Das Abkommen, offiziell als “Letter of Offer and Acceptance” (LOA) bezeichnet, schafft die Voraussetzungen zur Aufnahme der Vertragsverhandlungen zwischen der Regierung in Washington und Raytheon. Derzeit nutzen die NATO-Nationen USA, Deutschland, Griechenland, die Niederlande und Spanien “Patriot”. Mit Rumänien unterzeichnete Ende November des vergangenen Jahres die sechste NATO-Nation einen LOA für die Beschaffung des Systems. Mit einem Beschluss des US-Kongresses wurde außerdem der Weg für einen möglichen “Patriot”-Verkauf nach Schweden freigemacht. “Polen wird Teil einer starken Gemeinschaft von mittlerweile 15 Nationen sein, die dem “Patriot”System vertrauen, um ihr Militär, ihre Bürger und damit schließlich ihre Souveränität zu verteidigen”, sagte Wes Kremer, Präsident von Raytheon Inte-

R

heinmetall empfiehlt sich als “Systemhaus für die gesamte bodengebundene Luftverteidigung” der Bundeswehr und innerhalb derer als “nationaler Partner von Raytheon für die künftige Weiterentwicklung des Waffensystems “Patriot””. Beim Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS) setzt das Düsseldorfer Unternehmen auf einen “EffektorenMix aus Kanone, Flugkörper und perspektivisch dem HochenergieLaser”. In der Kombination eines mobilen NNbS-Systems von Rheinmetall mit einem modernisierten “Patriot”-Waffensystem, ergänzt durch ein einheitliches, übergreifendes Führungssystem, könnte auf mittlere Sicht der komplette Bedarf im Bereich der weitreichenden bodengebundenen Luftverteidigung abgedeckt werden – sowohl mobil als auch stationär, unterstrich Mannheim. Dies sei von besonderer Bedeutung mit Blick auf Deutschlands Rolle als Anlehnungsnation für andere NATO-Partner und als Truppensteller der Eingreiftruppe VJTF 2023. Das Nächstbereichs-Schutzsystem (NBS) C-RAM (“CounterRocket, -Artillery, -Mortar”), das unter dem Namen MANTIS (“Modular, Automatic and Network capable Targeting and Interception System”) in der Bundeswehr eingeführt wurde, besitzt mit seiner 35-mm-Kanone eine Reichweite bis etwa 3,5 Kilometer. Aufgabe des ortsfesten FlugabwehrWaffensystems ist der Schutz von Objekten und Einrichtungen gegen jede Art von Bedrohungen aus der Luft. MANTIS ist seit Mai 2013 Bestandteil der Flugab-

grated Defense Systems. “Mit der Entscheidung Polens für das “Patriot”-System wird die transatlantische Sicherheit und Partnerschaft gestärkt, indem die Grund- Das bodengebundene Luftverteilagen für eine in- digungssystem “Patriot” tegrierte Luft- und Foto: BS/Portugall Raketenabwehr gelegt- und Arbeitsplätze in den USA und Polen geschaffen werden”, so Kremer weiter. Der LOA gehört zur Phase I von Polens zweiphasigem Beschaffungsprogramm “WISLA” für eine integrierte Mittelstrecken-Luft- und Raketenabwehr. Mehr Informationen unter www.raytheon.com

(BS) Im fünften aufeinanderfolgenden Jahr hat MBDA einen hohen Auftragseingang verbucht – zuletzt 2017 einen Auftragseingang im Wert von 4,2 Milliarden Euro und einen Umsatz von 3,1 Milliarden Euro. Der Auftragsbestand insgesamt erreichte damit zum Jahresende 2017 ein neues Rekordniveau von 16,8 Milliarden Euro. Der deutsch-französische Gipfel von Mitte Juli 2017 hat Perspektiven für eine Zusammenarbeit im Bereich Hubschrauberbewaffnung und der Entwicklung eines zukünftigen europäischen “Future Combat Air System” (FCAS) eröffnet. Die neuen Fähigkeiten dieser Plattform werden auch im Lenkflugkörperbereich Neuerungen mit sich bringen. Darüber hinaus haben sich 25 EU-Staaten der Initiative der “Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit” (engl. PESCO) angeschlossen. MBDA nimmt am ersten Forschungsprogramm im Bereich Verteidigung (Projekt “Ocean 2020”) teil, das vom neuen Europäischen Verteidigungsfonds finanziert

wird. Es hat zum Ziel, die zukünftigen maritimen Fernüberwachungstechnologien zu erforschen. Antoine Bouvier, CEO von MBDA, erklärte: “Die Gruppe macht weiterhin Fortschritte auf ihren drei strategischen Achsen: Sie garantiert ihren Heimatländern souveränen Zugriff auf Technologien im Lenkflugkörperbereich, sie führt die europäische Konsolidierung fort, sie baut ihre Aktivitäten im internationalen Markt aus. Diese drei Maßnahmen tragen dazu bei, dass MBDA seine kritische Größe sichert und sich damit – angesichts der internationalen Wettbewerber – langfristig weitentwickelt. Wir sehen weiterhin optimistisch in die Zukunft und streben für 2020 einen Umsatz von vier Milliarden Euro an. Nachdem in den Jahren 2016 und 2017 jeweils 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt wurden, beabsichtigt MBDA, in diesem Jahr weitere ca. 1.200 Personen einzustellen.” Mehr Informationen unter mbda-systems.com

Luftverteidigung der Bundeswehr Ganz im Zeichen deutsch-amerikanischer Zusammenarbeit (BS/Dr. Gerd Portugall) Die Unternehmen Rheinmetall aus Deutschland und Raytheon aus den USA deckten zusammen 100 Prozent der existierenden bodengebundenen Luftverteidigung für die deutschen Streitkräfte ab. Das sagte in einem Gespräch Mitte März in Berlin Harald Mannheim, Senior Vice President der Rheinmetall Electronics GmbH. James E. Monroe, Vice President der Raytheon International Inc., ergänzte, dass beide Konzerne neben der Flugabwehr auch bei Waffen und Munition, taktischen Fahrzeugen, Simulation und Ausbildung sowie Cyber weltweit kooperierten. wehrraketengruppe (FlaRakGrp) 61 im schleswig-holsteinischen Panker. Ein System dient der Ausbildung, das andere befindet sich aktuell im ersten Auslandseinsatz bei der UN-Friedensmission MINUSMA in Mali. Mit der Inbetriebnahme des Systems in der Konfiguration “Sense and Warn”, d. h. ohne Geschütze, wird der Schutz des Personals im deutschen Feld-lager Camp Castor sowie im angrenzenden UN-Camp in Gao weiter erhöht. Damit erfüllt die Bundeswehr eine Fähigkeitsforderung der Vereinten Nationen nach einem Warnsystem für die beiden Lager. Über einen Aktionsradius von bis zu sechs Kilometern verfügt das mobile Leichte Flugabwehrsystem (LeFlaSys) mit dem Waffenträger “Ozelot”, der die Flugabwehrrakete “Stinger” von Raytheon verschießt. Dessen Fähigkeitserhalt soll bis 2025 sichergestellt sein. Plattform hierfür ist der Luftlande-Waffenträger “Wiesel 2”. Während dieser Nächst- und Nahbereich von Produkten von Rheinmetall abgedeckt wird, ist für den Fernbereich das Flugabwehr-Raketensystem “Patriot” von Raytheon zuständig, dessen Flugkörper der Upgrade-Version PAC-3 (“Patriot Advanced Capability”) eine we-

anderen Worten: Hier zeichnet sich eine erhöhte multinationale Nachfrage ab.

Parlamentarischer Abend

Wirkungsteil des Leichten Flugabwehr-Systems (LeFlaSys): der Waffenträger “Ozelot” mit “Stinger”-Raketen von Raytheon auf dem “Wiesel 2” von Rheinmetall Foto: BS/Portugall

sentlich größere Reichweite hat. Begonnen hat die Modernisierung auf “Patriot Config 3+”. Rheinmetall und Raytheon propagieren im Anschluss die Hochrüstung auf die “Next Generation Patriot”. Hierdurch soll das Luftverteidigungssystem auch die Fähigkeit zur Rundumüberwachung (“360-Grad-Radar”) sowie eine moderne rollen- und ebenenbasierte Architektur erhalten. Manager Mannheim verwies in diesem Zusammenhang jedoch auf die existierende Fähigkeitslücke im mobilen Nah- und

Nächstbereichsschutz (NNbS), die entstanden sei durch die Ausmusterung der Flugabwehrsysteme “Gepard” (Kanone) von KMW und “Roland” (Lenkflugkörper). Letzteres war ein deutsch-französisches Projekt von Messerschmitt-Bölkow-Blohm und Aérospatiale gewesen. Die Schließung dieser Lücke sei das “vordringlichste Programm” für die deutsche Luftverteidigung, aber nicht nur hier. Auch bei vielen Partnerarmeen gebe es diese Lücke im Nah- und Nächstbereich, so der Rheinmetall-Manager. Mit

Wie multinational die Rheinmetall AG bei der Wehrtechnik agiert, machte deren Vorstandsvorsitzender Armin Papperger am Vorabend in der Parlamentarischen Gesellschaft deutlich. Gerade am Tag zuvor habe die australische Regierung 200 Exemplare des Radspähpanzers GTK “Boxer” im Wert von rund zwei Milliarden Euro öffentlich zur Beschaffung vorgeschlagen. Außerdem nannte der Rheinmetall-CEO Kooperationen mit Großbritannien (Munition) und Rumänien (Fahrzeugsystem). Das ARTEC-Konsortium der Mutterkonzerne KMW und Rheinmetall hat Anfang Februar mit den britischen Verteidigungsunternehmen BAE Systems, Pearson Engineering und Thales UK Vereinbarungen zur Fertigung des “Boxers” unterzeichnet. Nun warte man auf die Auswahlentscheidung des Londoner Verteidigungsministeriums. Sollte das gepanzerte Radfahrzeug von der britischen Armee ausgewählt werden, würde die Endmontage des “Boxers” im Vereinigten Königreich stattfinden. Dann würde

aus dem deutschen ein europäisches Produkt, so Papperger. Darüber hinausgehend bestünden mit Frankreich wie mit den USA regelrechte industrielle “Achsen” der bilateralen Zusammenarbeit. Zwar stelle einerseits die deutsch-französische Achse ein “europäisches Gravitationszentrum” dar, andererseits könne man aber “nicht immer” nur Projekte in jenem Rahmen verfolgen, so der RheinmetallVorstandsvorsitzende. Bei der gleichen Abendveranstaltung, an der u. a. der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der SPD-Abgeordnete Wolfgang Hellmich, sowie der Inspekteur Heer, Generalleutnant Jörg Vollmer, teilnahmen, sprach auch John D. Harris, Vice President Business Development und CEO von Raytheon International Inc. Der Amerikaner wies darauf hin, dass mit der Gründung der Raytheon Anschütz GmbH gemeinsam auf 100 Jahre deutsche Industriegeschichte zurückgeblickt werden könne. Heute arbeiteten rund 1.000 Menschen in Deutschland direkt für Raytheon sowie 3.000 bei Partnerunternehmen hierzulande. “Wir sind zusammen stärker”, betonte Harris, und: “Raytheon ist hier, um zu bleiben.” Weder transatlantische noch innereuropäische Rüstungskooperation könnten jedoch tatsächlich funktionieren “ohne eine gemeinsame Exportpolitik” der an den jeweiligen Projekten beteiligten Staaten, so Papperger. Diese sei ein “absolutes Muss”, um künftig wirtschaftlich agieren zu können.


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / April 2018

Digitalisierung im Heer

M

Mobile Taktische Kommunikation (MoTaKo) Zur Auftragserfüllung im gesamten Aufgabenspektrum muss, gemäß den Vorgaben der Kon-

Führungsfähigkeit der Landstreitkräfte der Zukunft (BS/Oberstleutnant i. G. Mario Brux*) Digitalisierung ist nicht nur in der Industrie eines der zukünftigen Themen. Auch im militärischen Bereich schreitet die Digitalisierung insbesondere bei den Landstreitkräften (LandSK) voran. Im Bereich der Führungsfähigkeit steht vor allem die vernetzte Operationsführung (NetOpFü) mit der Anbindung aller Sensoren und Effektoren in effizienten multinationalen Prozessen im Mittelpunkt. Dies erfordert einen durchgängigen, interoperablen und leistungsfähigen Informations- und Kommunikationsverbund, der es ermöglicht, Führungs- und damit Wirkungsüberlegenheit zu erlangen. zeption der Bundeswehr (KdB), die Bundeswehr aus dem Fähigkeitsverbund Führung – Aufklärung – Wirkung – Unterstützung (F-A-W-U) vorrangig über “Führungsfähigkeit” als querschnittliche Grundvoraussetzung für den wirkungsvollen Einsatz der Streitkräfte verfügen. Der dazu erforderliche Informations- und Kommunikationsverbund auf der mobilen taktischen Ebene geht über die bisherige Qualität der Informationsaustauschbeziehungen im mobilen Bereich hinaus. Die mobile taktische Ebene, vom Gefechtsstand über einzelne Plattformen bis zum einzelnen Soldaten, erfordert, unter Einbindung aller Kampf-, Kampfunterstützungs- und Einsatzunterstützungskräfte, einen gemeinsamen, übergreifenden und interoperablen sowie störungsresistenten Kommunikationsverbund, der die Anforderungen an durchgängige, Internet-Protocol(IP)-basierte Kommunikation erfüllt. Erst die Bereitstellung und Integration entsprechender Geräte/ Systeme ermöglicht den Systemzusammenhang der Bundeswehr und in Bündnissen. Dazu stellt das Gesamtsystem MoTaKo verschiedene Fähigkeiten durch Teilsysteme bereit, die nach den speziellen Anwendungsfällen unterschiedlich beziehungsweise mit verschiedener Intensität genutzt werden. Das Teilsystem “Taktischer Funk” wird hauptsächlich in den Bereichen der Kampftruppen und der Kampfunterstützung genutzt werden. Dieser Truppenfunk im VHF/UHF-Band erfüllt die Anforderungen an eine zuverlässige Sprachkommunikation, auch in Stresssituationen. Dem Vorteil der guten Sprachübertragung steht der Nachteil der geringen Datenübertragungsrate dieser taktischen Systeme aufgrund des genutzten Frequenzbandes gegenüber. Das Teilsystem Zellulare Netze wird bereits in Übung und Ausbildung eine hohe Auslastung haben. Es wird im Einsatz für den rückwärtigen Einsatzraum der Brigaden und Divisionen für mobile Endteilnehmer, wie zum Beispiel einen Instandsetzungstrupp oder auch die Sicherungskräfte für GefStd, genutzt. Es muss interoperabel mit dem Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) sein, um bspw. im Krisen- oder Katas­trophenfall mit anderen Behörden und Ressorts Informationen austauschen zu können. Für das Teilsystem Satellitenkommunikation werden im Programm MoTaKo grundsätzlich nur fahrzeuggebundene und

Zusammenfassung

Die Digitalisierung schreitet überall unaufhaltsam voran. Dies gilt auch und gerade für die deutschen Landstreitkräfte. Grafik: BS/© Dreaming Andy, Fotolia.com

tragbare Geräte betrachtet. Nur so können mobile Kräfte über weite Entfernungen kommunizieren. Das Teilsystem HF-Funk stellt einen redundanten Übertragungsweg als Back-up bereit und wird bei Ausfall aller anderen Übertragungswege bzw. bei besonderen geografischen Gegebenheiten genutzt. Interoperabilität der unterschiedlichen Teilsysteme wird auf der taktischen Ebene durch den Mobilen Kommunikationsknoten (MKK) erreicht. Zur Realisierung von Daten- und Sprachkommunikation wird der MKK mit einem Taktischen Service Provider (TSP) – einem Router – ausgestattet und ermöglicht damit auch das Einbinden der Hubschrauber des Heeres. Der MKK ist damit das wesentliche Element zur Realisierung des Kommunikationsverbundes. Aufgrund der Einbindung fliegender Plattformen (Starr- und Drehflügler) in die Gesamtoperation verbundener Kräfte sind auch die für diese Systeme vorgesehenen Kommunikationsmittel synchronisiert im Kommunikationsverbund zu betrachten. Um jedoch eine durchgängige, ebenengerechte Führungsfähigkeit ganzheitlich und zukunftsorientiert sicherstellen zu können, bedarf es der Bereitstellung von MoTIV.

Kampf gegen einen räumlich und zeitlich zahlenmäßig ggf. sogar überlegenen und technologisch gleichwertigen Gegner. Den sich daraus ergebenden Veränderungen gilt es, sich zu stellen und die sich ergebenden Potenziale durch Digitalisierung und das damit einhergehende Zukunftsthema “Automatisierung und Autonomisierung” zu nutzen. Impulsgeber für die Ausgestaltung von MoTIV sind die technisch-konzeptionellen Ansätze von Partnernationen, alle Sen-

soren und Effektoren aus unterschiedlichen Plattformen für eine vernetzte Operationsführung wirksam und verzugsfrei in einem “Sensor-to-Shooter”-Verbund zu verketten. Im Kern bedeutet die Digitalisierung für die Streitkräfte: • Entlastung der Soldaten durch (teil-)automatisierbare Aufgaben, • gemeinsames synchrones Lagebild, insbesondere von Eigenpositionen, • besseres Lagebewusstsein

Das Heer als der Träger von Landoperationen verfolgt die konsequente Digitalisierung aller Systeme und Prozesse der Landstreitkräfte, da nur so ein durchgängiger Verbund digitaler Datenverarbeitungs- und Datenübertragungssysteme geschaffen und letzten Endes ein zukunftsfähiges, interoperables “System LandSK” realisiert werden kann. Und genau das braucht das Heer für den Erfolg im Einsatz. Mit der zukunftsorientierten Digitalisierung beschreiten die Streitkräfte den unabdingbaren Weg in eine intensive Nutzung des Cyber- und Informationsraumes, um so alle Möglichkeiten zu nutzen, durch Informationsüberlegenheit Führungs- und damit Wirkungsüberlegenheit erzielen zu können. *Oberstleutnant i. G. Mario Brux ist Koordinator MoTaKo/MoTIV im Amt für Heeresentwicklung

Mobile Taktische Informationsverarbeitung (MoTIV) Das strategische Umfeld mit der Refokussierung auf die Landesund Bündnisverteidigung verlangt von den Landstreitkräften vor allem den hoch beweglichen

Praxisseminare Sicherheit und Verteidigung

MELDUNG

Die neue Beschaffungspraxis der Bundeswehr 12.09.2018, Düsseldorf

Internationale Highlights auf der ILA 2018 (BS/por) Bald ist es wieder soweit: Vom 25. bis 29. April öffnet die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung Berlin 2018 (“ILA Berlin Air Show”) auf dem Berlin ExpoCenter Airport Schönefeld ihre Tore. Damit dauert die Messe einen Tag länger als bei der letzten Messe vor zwei Jahren. Dieses Mal gibt es, anders als 2016, wieder ein offizielles Partnerland: Frankreich. Aus diesem Grund wird erstmals der führende französische Hersteller von Militärflugzeugen, Dassault Aviation, auf der Berlin Air Show vertreten sein. Im “Gepäck” hat er

durch ebenengerecht aggregierte und umfassend konsolidierte Informationen, • Vernetzung von Sensoren und Effektoren auf dem Gefechtsfeld, • Beschleunigung des Führungsprozesses durch Informationsüberlegenheit und • Interoperabilität mit multinationalen Partnern. Mit MoTIV machen die mobilen Kräfte den nächsten Schritt bei der Umsetzung dieses eingeschlagenen Weges. MoTIV bildet dazu den Kern und die Basis für die Bereitstellung von IT-Services (Hard- und Software) für mobile Elemente auf der taktischen Ebene sowie die standardisierte Integration der IT-Komponenten von Fahrzeugen (inkl. Sensoren, Effektoren, Führungsmittelausstattung und anderer ITrelevanter Rüstsätze) mit einer querschnittlichen Bedien- und Anzeigeausstattung.

Foto: Bundeswehr

it dem Programm “Harmonisiertes Führungsinformationssystem” (HaFIS) hat die Überführung des IT-Systems Bundeswehr (IT-SysBw) in ein serviceorientiertes, modulares, skalierbares und flexibles System begonnen. Dieses Vorhaben wird mit dem Projekt “German Mission Network” (GMN) zielgerichtet fortgeführt. Hierbei reichen die IT-Services aus der Basis Inland jedoch nur bis zu den stationären und verlegefähigen Führungseinrichtungen im Einsatzgebiet. Mit dem Programm “Mobile Taktische Kommunikation” (MoTaKo) erneuert und modernisiert die Bundeswehr ganzheitlich ihre Kommunikationsfähigkeit im Bereich der mobilen Informationsübertragung und stellt diese zugleich bis in die Einsatzräume sowie innerhalb dieser sicher. Die Fähigkeitslücke für eine durchgängige Informationsverarbeitung, welche die notwendigen mobilen Endgeräte und die nationale sowie multinationale Interoperabilität auf der unteren taktischen Ebene beinhaltet, wird durch das Projekt “Mobile Taktische Informationsverarbeitung” (MoTIV) geschlossen. MoTaKo und MoTIV sind eng miteinander gekoppelt und werden unter “Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO)” zusammengeführt. Somit wird die Informationsversorgung aus einem stationären Rechenzentrum in Deutschland (HaFIS) und verlegefähigen Rechenzentren (HaFIS/GMN) in den Bereichen der mobilen Kräfte bis zum Einzelschützen, aber auch in gegensätzlicher oder horizontaler Richtung, sichergestellt. Dabei soll die Übertragung von Lagebildern, Lagekarten, logistischen Daten, Text- und Bilddateien etc. unter Nutzung verschiedener Informations- und Kommunikationssysteme nahezu in Echtzeit erfolgen. Eine derartige Umsetzung dient dem Ziel zur Schaffung eines durchgängigen und leistungsfähigen Informations- und Kommunikationsverbundes als Voraussetzung für die Befähigung zur vernetzten Operationsführung sowie der Gewinnung der Führungsüberlegenheit durch Nutzung eines bundeswehr- und bündnisgemeinsamen digitalen Lagebildes. Dieses befähigt Landstreitkräfte, “aus der Bewegung” bedrohungsgerecht und schnell passende Fähigkeitspakete zu konfigurieren und zu rekonfigurieren, erlaubt ihnen hohe Flexibilität und Reaktionsfähigkeit in der Operationsführung bei hohem operativen Tempo gegen einen gleichwertigen Gegner, hilft dem Heer, abnutzende Duellsituationen zu vermeiden und schützt es grundsätzlich vor schneller Zerschlagung durch massive gegnerische Feuerschläge.

Seite 49

zwei Exemplare des MehrzweckKampfflugzeuges “Rafale”. Auch ein Modell der künftigen europäischen MALE-Drohne im Maßstab 1:1 wird zum ersten Mal in Berlin zu sehen sein. Ebenfalls stark vertreten sind die Amerikaner. Lockheed Martin hat das erstmalige Kommen des hochmodernen MehrzweckKampfflugzeuges F-35 “Lightning II” nach Deutschland angekündigt. Die F-35 ist als ein marktverfügbarer Nachfolger für den Bundeswehr-”Tornado” im Gespräch. Gleich zwei Nachfolgekandidaten für den schweren deutschen

Transporthubschrauber CH-53G werden auf der ILA am Boden und in der Luft zu bestaunen sein: der CH-53K “King Stallion” von der Lockheed-Tochter Sikorsky und der CH-47F “Chinook” von Boeing. Aus dem fernen Japan kommt das Seeraum-Überwachungsflugzeug Kawasaki P1 und aus Schweden das MehrzweckKampfflugzeug JAS 39 “Gripen”. Natürlich wird auch der Eurofighter “Typhoon” der Bundeswehr am Boden und in der Luft zu sehen sein. Ohnehin ist die ILA für die deutschen Streitkräfte ein “Heimspiel”.

Preisrecht und Preisprüfung bei Verteidigungsaufträgen 20.09.2018, Berlin Traumatisierten und belasteten BOS-Einsatzkräften begegnen 25.10.2018, Berlin Vergabe verteidigungs- und sicherheitsspezifischer Aufträge 26.11.2018, Berlin www.fuehrungskraefte-forum.de


Verteidigung

Seite 50

H

ans-Peter Müller aus dem BMWi gab einen Einblick in den aktuellen Stand der Reformbestrebungen der mittlerweile über 60 Jahre alten Preisrechtsverordnung (VO PR). Basierend auf den Ergebnissen des Gutachtens zur Bedeutung und Erforderlichkeit des Preisrechts bei öffentlichen Aufträgen beleuchtete Müller mehrere Alternativen, welche die VO PR Nr. 30/53 auf eine modernere Rechtsgrundlage stellen sollen. Auch wenn konkrete Ergebnisse bezüglich erforderlicher Anpassungen seitens des BMWi erst gegen Ende des Jahres 2019 erwartet werden, bekamen die Tagungsteilnehmer einen Eindruck vermittelt, in welcher Gestalt der Verordnungsgeber Modernisierungen vornehmen könnte. Hervorzuheben ist hierbei der Marktpreis als Wesenselement der VO PR, der im Rahmen einer Überarbeitung weiter gestärkt werden soll. Kapitän zur See Ludwig Lennartz beleuchtete Hintergründe zur engen Zusammenarbeit zwischen den Ressorts BMVg und BMWi. Als größter öffentlicher Auftraggeber vergibt die Bundeswehr jährlich Auftragsvolumina in Höhe von ca. zehn Milliarden Euro, was eine Preisprüfung auf einzelvertraglicher Basis rechtfertigt. Aufgrund der besonderen Stellung der Bundeswehr als volumenmäßig wichtigster öffentlicher Auftraggeber in Deutschland regte Lennartz zudem an, ggfs. die Prüfungsrechte des BAAINBw auszubauen. Diesen Faden griff Direktor Dietmar Weidenfeller als Vertreter des BAAINBw auf. Er konkretisierte, welche preisrechtlichen Erfordernisse im Verteidigungsressort eine Herausforderung

A

ls symptomatisch hierfür kann das Gruppenfoto des jüngsten Gipfeltreffens von Recep Tayyip Erdogan, Wladimir Putin und Hassan Rouhani in Ankara gelten, das um die Welt ging. Im Rahmen des sogenannten Astana-Prozesses trafen sich die Präsidenten der Türkei, Russlands und des Irans zu einer wie auch immer gearteten Lösung des Syrien-Konfliktes. Allein diese drei repräsentieren zusammen rund 304 Millionen Einwohner. Auch verfügen alle drei Staaten über Atomtechnik. Der Fall der Berliner Mauer im November 1989 läutete das Ende der bipolar-konfrontativen Weltordnung des Kalten Krieges ein, die – vorübergehend – von einer unipolar-kooperativen Ordnung abgelöst wurde. Der ehemalige französische Außenminister Hubert Védrine hatte für die Vereinigten Staaten in diesem Zusammenhang die Bezeichnung “hyperpuissance” geprägt. Spätestens mit der gewaltsamen Annexion der Krim

Behörden Spiegel / April 2018

Preisrecht in der Bundeswehr Kommt der “Wettbewerbspreis light”? (BS/Sara Kranemann*) “Preisrecht in der Bundeswehr – was Unternehmen wissen müssen”. Unter diesem Motto trafen sich Mitte März in Bonn Auftragnehmer aus der Wehrtechnik, aber auch Vertreter von Auftraggebern und Forschungsinstituten, Juristen und Berater. Bei den Referenten war das “Who’s Who” des Preisrechts vertreten, angefangen beim Verordnungsgeber BMWi über die wichtigsten Anwender BMVg und BAAINBw, den Herausgebern der beiden Kommentare, der bekanntesten deutschen Preisprüferin bis hin zu den führenden Beratern. Initiiert wurde diese bisher größte Tagung zum öffentlichen Preisrecht von der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT). im Behördenalltag darstellen. Aufgrund der Ressortvereinbarung mit dem BMWi, die dem BAAINBw eine einzelvertragliche Prüfung wehrtechnischer Aufträge unabhängig von der hoheitlichen Prüfung durch die Preisüberwachung zusichert, eröffnete Weidenfeller Einblicke in die Organisation einer Planpreisprüfung durch das BAAINBw. Hervorzuheben ist zudem seine “Vision”, dass der Wettbewerbspreis als Preis, der im Rahmen einer freihändigen Vergabe oder Ausschreibung durch mehrere Marktteilnehmer gebildet wurde, künftig konsequent und offiziell als Marktpreis, der keiner weiteren Überprüfung bedarf, anerkannt werden könnte. Dies war für die Experten im Thema die eigentliche Sensation der Veranstaltung: der vorsichtige Hinweis auf die mögliche Einführung eines “Wettbewerbspreises” durch die Hintertür. Prof. Dr. Andreas Hoffjan, Inhaber des Lehrstuhls Unternehmensrechnung und Controlling an der TU Dortmund, fasste aus seiner akademischen Forschung “Do’s & Don’ts” im Preisrecht und Handlungsempfehlungen für KMU zusammen. Der Mit-Herausgeber des Leitkommentars Ebisch/Gottschalk ermutigte dabei die Tagungsteilnehmer,

Auch für Panzer und Kampfflugzeuge müssen rechtmäßige Preise gefunden werden. Foto: BS/Portugall

sich als Auftragnehmer eines öffentlichen Auftrags im Vorfeld proaktiv mit dem Preisrecht zu beschäftigen und die Zuständigkeiten im Unternehmen zu klären. Zusammenfassend gab Hoffjan den Teilnehmern zehn praktische Tipps im Umgang mit dem Preisrecht an die Hand, welche neben dem Aneignen von Fachkenntnissen und dem Aufbau einer verursachungsgerechten Kostenzuordnung insbesondere die saubere Auftragsdokumentation beinhalten. Mit Britta Friedrich aus der Preisüberwachungsstelle Kiel referierte eine prominente Ver-

treterin des Berufsstands der Preisprüfer. Zunächst stellte sie den Unterschied zwischen Grundsatzprüfungen, die eine Prüfung der Gemeinkosten und der Gemeinkostenzuschlagssätze darstellen, und Einzelauftragsprüfungen, welche die verordnungskonforme Ermittlung der Einzelkosten eines Auftrags beabsichtigen, dar. Im Anschluss an Friedrichs Vortrag wurde unter den Anwesenden die Problematik einer nicht eindeutig durch die VO PR Nr. 30/53 spezifizierten Verjährungsfrist für Preisprüfungen intensiv diskutiert. Friedrich betonte hierbei, dass

in der Preisrechtsverordnung lediglich Aufbewahrungsfristen von fünf Jahren genannt würden. Das Recht, eine Preisprüfung durchzuführen, verjähre in diesem Sinne also nicht. Da Unterlagen zu Geschäftsvorfällen aufgrund handels- und steuerrechtlicher Erfordernisse zehn Jahre aufzubewahren sind, empfiehlt sie, Dokumentationen sicherheitshalber zehn Jahre lang zugänglich zu machen. Insbesondere der letztgenannte Aspekt der Verjährung von Prüfungsansprüchen bot einen Übergang zu dem Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Marc Pauka, Herausgeber des Kommentars Michaelis/Rhösa. So gab Pauka zu bedenken, dass ein Preisprüfer nach Ablauf von fünf Jahren aufgrund der gesetzlichen Lage nicht mehr erwarten könne, preisrechtlich relevante Dokumentationen aufseiten des Auftragnehmers vorzufinden. Gleichwohl sei es der Preisprüferschaft grundsätzlich möglich, eine Prüfung nach sechs Jahren anhand steuerrechtlicher Unterlagen vorzunehmen. In so einem Fall stellt sich laut Pauka die Frage nach der Zweckmäßigkeit oder Sinnhaftigkeit, nicht aber nach der Rechtmäßigkeit einer Prüfung. Zudem beleuchtete er anhand ausgewählter Fallbei-

Weltordnung! Welche Weltordnung? Die machtpolitischen “Karten” werden global neu gemischt (BS/Dr. Gerd Portugall) Deutsche Außen- und Sicherheitspolitiker führen gerne “die internationale Staatengemeinschaft” im Munde. Schon der deutsche Sozialwissenschaftler Ferdinand Tönnies (1855 bis 1946) wies in seinem Grundlagenwerk “Gemeinschaft und Gesellschaft” (1887) auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen beiden soziologischen Formen hin. Kann man heutzutage überhaupt noch von “der” internationalen Gemeinschaft sprechen? Ist nicht vielmehr längst eine alternative Staatengemeinschaft im Entstehen begriffen? durch Russland im März 2014 endete diese “Übergangszeit”. Nun ist wieder vermehrt von einem “neuen Kalten Krieg” die Rede. Da Geschichte sich bekanntlich nicht wiederholt, gibt es signifikante Unterschiede. Der wichtigste: Es gibt keinen ideologisch-totalitären “Ostblock” mehr. Aber es zeichnen sich neue Entwicklungslinien ab. Eine solche Linie entsteht zum Beispiel entlang der russischen Grenzen zum “Nahen Ausland”. Diese besondere Form der “Nachbarschafts-Politik” begann Anfang der 1990er-Jahre unter Präsident Boris Jelzin. Man denke hierbei an den Transnistrien-Konflikt mit Moldawien (1992), den Krieg gegen Georgien

Internationale Politik ist immer komplex.

(2008 unter Präsident Putin), die Annexion der Krim (2014), den Aufstand in der Ostukraine (seit 2014) und Drohgebärden gegenüber den drei baltischen Staaten.

Foto: BS/Portugall

Gleich zwei verschiedene Linien treibt die Volksrepublik China voran: eine neue kontinentale “Seidenstraße” und eine maritime “Seidenstraße”. Der Iran errich-

tet eine “schiitische Achse” über den Südirak und Syrien bis zur Hisbollah im Libanon. Dabei entstehen auch neue Formen des multinationalen Zusammenschlusses: Die “Shanghai-Five”-Gruppe, bestehend aus China, Russland sowie den ehemaligen Sowjet-Republiken Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan, schloss 1996 in der chinesischen Hafenmetropole einen Vertrag über die Vertiefung des militärischen Vertrauens in Grenzregionen. Daraus ging 2001, erweitert um Usbekistan, die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) hervor. Seit 2005 finden gemeinsame Manöver statt. 2017 traten Indien und Pakistan bei. Addiert man

spiele Rückforderungsansprüche des Auftraggebers aus juristischer Sicht. Infolge der Rückforderungsregularien des BGB sei auch nach bis zu zehn Jahren noch eine Forderung preisrechtlich übergezahlter Beträge möglich, worauf sich Unternehmen einstellen sollten. Die Berater Philipp Hermisson und Stefan Dreßler von PricewaterhouseCoopers leiteten die Tagungsteilnehmer anhand einer Musterkalkulation durch die Ermittlung von Selbstkostenpreisen. Sie wiesen dabei auf das wirtschaftsprüferische Erfordernis einer Rückstellungsbildung für die aus einer Preisprüfung ggfs. entstehenden Rückzahlungsverpflichtungen hin. Zudem stellten sie auf die besondere Funktion des Wirtschaftsprüfers als Erfüllungsgehilfe des Preisprüfers ab. Demnach stellt die Basis der Selbstkostenpreiskalkulation stets einen mit einem Bestätigungsvermerk versehenen Jahresabschluss dar. Anschaulich zeigten die beiden Referenten weiterhin wesentliche Bestandteile der Selbstkostenkalkulation anhand beispielhafter Fallgestaltungen auf. Prof. Hoffjan veranstaltet am 2. Oktober dieses Jahres in Bonn zusammen mit Hans-Peter Müller vom BMWi ein Tagesseminar zum Thema “Das Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen”. Mehr Informationen unter www.fueh rungskraefte-forum.de/detail. jsp?v_id=2393. *Sara Kranemann ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Unternehmensrechnung und Controlling von Prof. Hoffjan an der Technischen Universität Dortmund.

die Einwohner aller Mitgliedsländer, so kommt man auf 3,11 Milliarden, d. h. rund 42 Prozent der Weltbevölkerung. Neben der geopolitischen Shanghai-Organisation hat sich Anfang des 21. Jahrhunderts auch ein zunächst loser wirtschaftspolitischer Zusammenschluss zusammengefunden: die sogenannten BRICS-Staaten, benannt nach den Anfangsbuchstaben seiner Mitglieder: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Immerhin ging daraus 2014 die New Development Bank BRICS hervor. Erschwert wird die globale Lage durch eine nie gekannte Schwäche dessen, was einmal der attraktive liberal-demokratische Westen war. Als Stichworte seien hierzu Trump-Administration, Brexit sowie Rechts- und Linkspopulismus in Kontinentaleuropa genannt. Das wirft die Frage auf, ob diese destruktive Entwicklung nicht zusätzlich auch von außen aktiv beeinflusst wurde – und wird.

Kommentar

MELDUNG

Kann Europa “Kampfflugzeug”?

Neuer Traditionserlass für die Bundewehr

(BS) “Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.” Diese sprichwörtliche Volksweisheit gilt auch und gerade in der Politik – selbst in der Außen- und Verteidigungspolitik, sogar auch, wenn mehr als eine nationale Regierung beteiligt ist. Jüngst anstehendes Beispiel, vorgestellt auf einer gemeinsamen deutsch-französischen Kabinettssitzung Mitte Juli des vergangenen Jahres in Paris: das Vorhaben, ein Mehrzweckkampfflugzeug der 6. Generation zusammen zu entwickeln, zu bauen und auch zu beschaffen. Doch das verabredete FCAS (“Future Combat Air System” – sinnigerweise zumindest hierzulande mit einem englischen Projekttitel!) ist in jeder Beziehung ein Schwergewicht: finanziell wie technologisch. In Bezug auf die fliegerischen Fähigkeiten handelt es sich hier unbestreitbar um die “Königsklasse” der Luftfahrzeuge. Nicht zuletzt deshalb werben beide Projektpartner auch um die Beteiligung weiterer europäischer Staaten. Deutsch-französische Kooperationserfahrungen gab es bereits beim Transportflugzeug

“Transall” sowie beim Schul- und leichten Kampfflugzeug “Alpha Jet”. Auch multinationale Erfahrungen mit einem komplexeren Mehrzweck-Kampflugzeug konnte die Bundesrepublik sammeln: zuerst mit dem “Tornado”, später mit dem Eurofighter – an dem ursprünglich auch Frankreich mitwirken wollte. Auf der einen Seite könnte man denken: Weder Deutschland noch Frankreich haben bisher Erfahrungen mit der 5. Generation, die u. a. geprägt ist durch “Stealth” (d. h. Tarnkappen-Fähigkeit) und Sensorfusion (d. h. Datenver-

knüpfung). Wie sollen dann die beiden Partner einen HightechJet der 6. Generation auf die Beine – oder besser: in die Lüfte – bringen? Auf der anderen Seite fliegen nicht nur Russen und Chinesen – die Amerikaner sowieso – Fighter der 5. Generation. Auch die Türkei, Indien und Südkorea arbeiten an entsprechenden Vorhaben. Dann sollten doch Deutsche und Franzosen auch in der Lage sein, ein solches Vorhaben zu stemmen! Exkurs: Ein Argument begegnet einem immer, wenn ein nichtamerikanischer Kampfjet ent-

wickelt werden soll: Wie steht es dann um die nukleare Teilhabe der Bundeswehr? Damit, dass Amerikaner und Franzosen sich gegenseitig in die “black boxes” schauen lassen, ist nicht unbedingt zu rechnen. Über eine denkbare Alternative spricht in diesem Zusammenhang jedoch niemand: Wäre dann nicht auch eine französische Atombewaffnung für ein Flugzeug der deutschen Luftwaffe nach dem gleichen “Zwei-Schlüssel-Prinzip” möglich, wie es aktuell mit den Amerikanern läuft? Dr. Gerd Portugall

(BS/por) Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen hat Ende März den neuen Traditionserlass gezeichnet. Er trägt den Titel: “Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege”. Bei dem Erlass handelt es sich um ein sog. “Dachdokument”: Weitere Einzeldokumente der Organisationsbereiche sollen folgen, die dann spezifische Aspekte regeln. Der neue knüpft an den bisherigen Erlass an, der noch von SPD-Verteidigungsminister Dr. Hans Apel 1982 herausgegeben worden war. Das BMVg erklärt dazu: “Es geht nicht um eine radikale Neufassung, sondern um eine Weiterentwicklung.” Das jetzige Dokument stellt dazu fest: “Zentraler Bezugspunkt der Tradition der Bundeswehr sind ihre

eigene, lange Geschichte und die Leistungen ihrer Soldatinnen und Soldaten, zivilen Angehörigen sowie Reservistinnen und Reservisten.” Gleichzeitig ist dort nachzulesen: “Tradition und Identität der Bundeswehr nehmen (...) die gesamte deutsche (Militär-)Geschichte in den Blick. Sie schließen aber jene Teile aus, die unvereinbar mit den Werten unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind.” Zu den ausgeschlossenen Teilen werden ausdrücklich Reichswehr, Wehrmacht und NVA gezählt. General a. D. Harald Kujat kritisierte, dass Tradition nicht davon abhängig sein dürfe, welche Partei gerade an der Macht sei und wie das jeweilige tagesaktuelle Geschehen aussehe.


Behörden Spiegel / April 2018

B

ad Ems an einem kalten Wintertag, es ist Aschermittwoch. Nach dem närrischen Treiben scheint der Ort in einen Dornröschenschlaf versetzt. Im Stadtkern ist es ruhig, die Sonne scheint, wenige Autos fahren durch die Straßen. Auch das Rathaus der Verbandsgemeinde (VG) Bad Ems, ein repräsentativer Bau aus wilhelminischer Kaiserzeit, strahlt den bedächtigen Stolz der alten Kurstadt aus. Nicht aber der 28-jährige Klimamanager der VG, Nico Hickel, der mit lässigem Pferdezopf und sympathischem Lächeln einen munter begrüßt. In den nächsten drei Stunden wird Hickel voller Leidenschaft für seine Berufung schwärmen. Vom ersten Augenblick der Begegnung wird klar: Hier möchte jemand etwas zum Wohle des Klimas tun, etwas mit Nachhaltigkeit für die Bürgergesellschaft im Kommunalen bewegen.

Die letzte Seite

Seite 51

Management zum Wohl der Erde Klimaschutzmanager Nico Hickel wertet die Öko-Bilanz der VG Bad Ems auf (BS/Michael Harbeke) Vordergründig betrachtet ist sein Beruf durch und durch empirischer Natur, geht von Zahlen und Fakten aus. Nüchtern, kalkulatorisch, sollte man meinen. Das jedenfalls impliziert die Begrifflichkeit Management. Bohrt man jedoch tiefer, erfährt man von Nico Hickel, dass Klimaschutzmanagement durchaus einen grünen Daumen besitzt. Die Aufwertung der Öko-Bilanz, durch Erneuerbare Energien, ist zu einer ethischen Profession des gebürtigen Schwaben geworden.

Klimaschutzmanager braucht das Land Es gibt relativ wenige seiner Zunft in Deutschland, doch die Tendenz steigt. Circa 150, vornehmlich junge Persönlichkeiten, sind zumeist im Öffentlichen Dienst beschäftigt. Andere wiederum beraten Konzerne. Was sie eint? Die Klimaschutzmanager haben oftmals gerade erst Universität und Fachhochschule verlassen. Es sind Pioniere, die in urbanen sowie ländlichen Räumen bei subventionierten Mod- Herr und Hüter über Heizung und Strom: Nico Hickel (Klimaschutzmanager der ellprojekten des Bundes und der Länder, zum Wohl der Öko-Bilanz Klimaschutzprogramm umzu- es nun, die kommunale Ökoeingesetzt werden. Der vermeint- setzen. Die angetretene Stelle Bilanz aufzuwerten: “Ich musste lich lukrativere Karrierezweig in ist zunächst auf drei Jahre be- schauen, welche Werte verbeseinem Unternehmen war für Hick- fristet – was bei dem Berufsbild serungswürdig waren. Anhand el nie eine Option: “Ich unserer Liegenschaften wie dem Rathaus, den wollte etwas auf kommunaler Ebene bewirken, da “Alles was mit Energiesparen zu tun Kindergärten, Schulen hier der Praxisbezug überFeuerwehrgerätehat, kann Begeisterung entfachen!” und wiegt. In der VG Bad Ems häusern erstellte ich ein habe ich viele Spielplätze, Profil. In Korrespondenz um mich auszutoben. Das mit dem Bürgermeister, ist nah am Bürger und nicht so eines Klimaschutzmanagers dem Bauamt und dem VG-Rat technisch wie in einem Unterneh- zumeist die Regel ist. Das liegt entstand ein Masterplan zur Remen.” Außerdem sei die Scharni- daran, dass die Stellen vom duzierung unserer Emissionen. erfunktion seines Jobs eine echte Bund gefördert werden. 65 Pro- Wir haben erkannt: Der SchlüsHerausforderung. Die geballte zent des Gehalts werden vom sel klimafreundlicher Energie Bandbreite unterschiedlicher In- Bundesumweltministerium ge- kann zum Beispiel die Geotherteressensgruppen aus Politik, tragen. Als Klimaschutzmanager mie sein!” In einer Kommune Wirtschaft und Bürgern unter müsse man flexibel und dürfe wie der VG Bad Ems habe Hickeinen Hut zu bringen, sei kom- nicht ortsgebunden sein: “Mein el viele Möglichkeiten, beruflich pliziert, aber beflügelnd: “Als Wunsch ist es, in meinem Beruf und menschlich Akzente zu Mediator muss mir die Sensi- möglichst viele Erfahrungen zu setzen. Flache Hierarchien und bilisierung der divergierenden sammeln. Mir ist es wichtig, mich Bürgerkontakt machten seinParteien gelingen. Ich muss für immer weiter zu professionalis- en Job attraktiv. Kommunikajede Gruppierung die passenden ieren, um mit meiner Arbeit aktiv tion wäre immer erforderlich. Worte finden, muss unnachgiebig zum Klimaschutz beizutragen. Bei zahlreichen Außentermiüberzeugen, darf nicht zögerlich In der Regel ist es so, dass man nen müsse er ein Ohr für die sein.” Hickel, der bei der VG Bad bei einem Projekt drei bis fünf Menschen haben: “ÖffentlichEms in den Geschäftsbereich 2: Jahre bleibt. Dann muss man keitsarbeit ist ein wesentlicher “Natürliche Lebensgrundlagen sich umorientieren. Daran liegt Bestandteil meiner Tätigkeit. In und Bauen”, eingegliedert ist, aber auch ein Reiz.” den Amtsblättern informiere ich wird als Angestellter mit der Enmit meinem Newsletter die Bürger über Neuinvestitionen und tgeltgruppe 11 (TVÖD) entlohnt. Teamplayer und Überzeugungstäter erreichte Ziele im kommunalen Flexibilität ist das A und O Was einen guten Klimamana- Klimaschutz.” Richtig stressig Mit einem Leitbild und einem ger auszeichnet? Da muss Nico sei es, wenn Ratssitzungen den Klimaschutzprogramm fing al- Hickel nicht lange überlegen: Alltag bestimmten. Dann müsse les an. Das war die Basis für “Man braucht Begeisterung für Hickel ein Überzeugungstäter den Berufseinsteiger Nico Hick- seinen Job, muss gut mit Zah- auf ganzer Linie sein. Das größte el. Schon im Vorfeld hatten das len umgehen und rhetorisch fit Projekt, was Hickel im Team verwirklicht habe und worauf Bundesumweltministerium, er besonders stolz sei, sei die Deutsche Energie-Agen“Ich wollte etwas auf kommu- die Nutzung der Erdwärme tur (dena) und die Energieagentur Rheinland-Pfalz in naler Ebene bewirken, da hier für das VG-Rathaus. der Verbandsgemeinde Bad Geothermie als Schlüsder Praxisbezug überwiegt.” Ems Grundlagenforschung sel klimafreundlicher betrieben, um Basisdaten für Energie die Reduktion der kommunalen sein!” Seine Tätigkeit erfordert CO2-Emissionen aufzustellen. zum einen analytische KompeDas wertvolle Nass strömt aus Als die Ergebnisse vorlagen, tenz und gleichzeitig Kreativität. der Tiefe. Aus alten Bergwerksuchte die VG aktiv nach einem Die harten Zahlen und Fakten schächten gelangt es an die OberKlimaschutzmanager und fand des kommunalen Flächennut- fläche und ergießt sich mit 25 Nico Hickel. Seit Anfang 2016 zungsplanes und des integri- bis 27 Grad Celsius dampfend ist er dort beschäftigt, um das erten Klimaschutzkonzeptes auf in den Ems-Bach. Die innewohHerz und Nier- nende Wärme des Wassers ist en zu prüfen, ein hohes Gut, wird sie doch für war eine Sis- den hausinternen Energiekreisy p h o s - A r b e - lauf gewinnbringend genutzt. it. Mit dem Hickel erklärt mit Enthusiasg e w o n n e n e n mus die Vorzüge der GeotherMaterial, das mie im modernen Heizkeller als Quintes- der Verbandsgemeinde, der an senz in den 1. einen futuristischen MaschinenEnergiebericht raum erinnert: “Seit 14 Tagen der Verbands- ist die neue Heizung ans Netz gemeinde Bad- angeschlossen. Wir speisen das Modernität im Fokus: Auf dem Display hat Nico Hickel alle Ems eingeflos- Wasser aus dem alten Stollen in Daten im Blick. sen war, galt unseren Kreislauf und können

VG Bad Ems)

damit 95 Prozent unseres Energiebedarfes decken.” Technisch ist das gar nicht so schwierig, wie Hickel sagt: “Mit ungefähr 17 Grad Celsius fließt es in unsere Rohre und wird dann auf circa 60 Grad erhitzt. Die neue Technologie macht es möglich, dass wir fast komplett autark sind.” Nur bei harten Wintern müsse auf herkömmliche Ressourcen wie Gas (als Spitzenlastoption) zurückgegriffen werden. Mit der neuen Wärmepumpe, die das Grubenwasser für die VG nutz-

Skalen und Messgeräte im glänzenden Chrom liefern Erkenntnisse über die genutzte Geothermie.

bar macht, können 75.000 kg CO2 (pro Jahr) im Vergleich zur Gasheizung eingespart werden, die einen Endenergieverbrauch von 365.000 Kilowattstunden (pro Jahr) produziert hat. Die Projektkosten für den Bau der Grubenwasserwärmeheizung betrugen (brutto) knapp 500.000 Euro. 250.000 Euro wurden vom Umweltministerium RLP gefördert. Die wissenschaftliche Begleitung dazu kostete (brutto) 94.000 Euro, wovon 80 Prozent gefördert wurden.

Begeisterung entfachen Hickel versteht seinen Beruf als Berufung. Anders gehe es

Fotos: BS/Michael Harbeke

tisches Beispiel parat: “Uns als Kommune sind oft die Hände gebunden. Die Rathaus-Spitze, der VG-Rat und die Bürger waren sich einig, in der VG moderne LED-Beleuchtungen zu installieren. Doch da wir an unseren Energieanbieter gebunden waren, dem die Straßenlampen gehören, wären die Kosten explodiert, da in diesem juristischen Rahmen keine Fördermittel beantragt werden konnten. Wir konnten uns nicht so einfach aus dem langjährig abgeschlossenen Vertrag lösen.” Dennoch bleibe genügend Spielraum für Innovationen. Überhaupt seien Kommunen Treiber für fortschrittliche Klimaschutzprojekte: “Im Kleinen wächst das Engagement für die achtsame Energiebewirtschaftung wertvoller Ressourcen. Bund und Länder subventionieren und bewilligen. Sie schaffen den finanziellen Rahmen zum angestrebten Energiewandel. Doch wir als Kommune setzen Impulse, machen Visionen möglich.” In der VG Bad Ems wird zum Beispiel konkret über E-Mobility nachgedacht. Nico Hickel hat ein E-Bike angeschafft, das allen Mitarbeitern für kurze Wege zur Verfügung steht. In den kommenden Jahren soll der Fuhrpark auf E-Mobility umgerüstet werden. An innovativem Gründergeist mangelt es dem jungen Klimaschutzmanager jedenfalls nicht.

Außergewöhnliche Studienkombination mit Tiefgang

nicht. Klimaschutzmanagement Für Hickel stand schon während sei eine wichtige gesellschaftliche seiner Gymnasialzeit fest: “Ich Angelegenheit, die nicht ohne die will Ökonomie mit Ökologie notwendige Philosophie funktion- verbinden, mich wirtschaftlich iere. Man könne Job und Privates und naturschützend einbringnicht trennen. Wichtig sei eine en. Beide Komponenten stehen große Frustrationstoleranz und im Einklang zueinander, wenn das Wissen um eingefahrene man Klimaschutzmanager ist.” D e n k Zunächst studs t r u k ierte Hickel von turen: “Für 2010 bis 2013 “Klimaschutzmanagement den Kliin Nürtinsetzt im Kleinen Impulse.” g e n - G e i s l i nmaschutz zu werben, gen VWL im ist das Fachbereich eine. Den Klimaschutz umzu- Energiewirtschaft und Ressetzen, gestaltet sich mitunter sourcenmanagement. Nach dem schwierig. Wir sind viel zu selten Bachelor ging er nach Erfurt. bereit, uns aus unserer Kom- Dort stieg er in den komplett neufortzone zu bewegen.” Bei seiner en Studiengang Renewable EnerArbeit in der Verbandsgemeinde gy Design (RED) ein: “Im Studium Bad Ems genieße er jedoch viele wurden uns Grundlagen zum Freiheiten – auch im pädagogis- Thema Stadtplanung, Geografie chen Bereich. In den Schulen und Klimaschutz vermittelt. Ich der Verbandsgemeinde Bad Ems hatte Gelegenheit, in meiner Abist er regelmäßig anzutreffen. schlussarbeit über futuristische Dort werden Workshops zum “Earthships” zu forschen. Diese richtigen Umgang mit Heizu- autarken Passiv-Häuser machen ng, Strom und Wasser vermit- es möglich, aus den Ressourcen telt. Vielleicht könne das ja bei der Natur zu schöpfen.” Alleine dem einen oder anderen eine mit Sonnenlicht und Materialien Initialzündung freisetzen, hofft wie Altreifen sei es möglich, den Hickel: “Alles, was mit Ener- Energiebedarf zu decken und giesparen zu tun hat, kann Be- klimaneutral zu wohnen. “Ein geisterung entfachen! Voraus- Modell mit Zukunftscharakgesetzt, man setzt das Thema ter” – so Hickel. Außerdem hat spielerisch um. Wir wollen das e r d e n B u n d e s v e r b a n d mit einem CO2-Wettbewerb re- Klimaschutz (BVKS e. V.) mitalisieren. Die Klasse, welche die begründet, wo er sich in der meisten Emissionen am Ende Arbeitsgruppe Außendarsteleinspart, wird von uns prämiert!” lung und Öffentlichkeitsarbeit einbringt. In seiner Freizeit ist Im Kleinen wächst das Enga- Hickel gerne in der Natur, liebt gement für Großes Trekking und Camping und A l s K l i m a s c h u t z m a n a g e r interessiert sich für Kunst. brauche man Geduld. Vorha- Nico Hickel ist eine Persönlichben ließen sich oftmals recht keit, die voller kreativer Ideen mühevoll oder gar nicht reali- sowohl im Job als auch im sieren. Dazu hat Hickel ein prak- Privaten steckt.

Die VG Bad Ems: Zahlen, Daten, Fakten (BS/har) Nico Hickels Arbeitgeber ist geprägt von der ländlichen Struktur. Im Rathaus der VG Bad Ems hat Hickel sein Büro, wo alle Fäden seiner Tätigkeit zusammenlaufen. Die Verbandsgemeinde Bad Ems ist eine rheinlandpfälzische Gebietskörperschaft im Rhein-Lahn-Kreis. In den Kommunalverbund sind neun Gemeinden eingegliedert: nämlich Arzbach, Bad Ems (Stadt), Becheln, Dausenau, Fachbach, Frücht, Kemmenau, Miellen und Nievern. Insgesamt leben dort rund 16.500 Einwohner. Derzeit wird die VG kommissarisch durch den Beauftragten der VG Rainer Lindner geführt. Am 01.01.2019 wird die VG Bad Ems mit der VG Nassau zu einer Gebietskörperschaft

verschmelzen. Das Rathaus der VG ist im Jahr 1901 erbaut worden und war zunächst ein Krankenhaus (Marienstift). Die VG Bad Ems hat 2016 als erste VG des Landkreises Lahn-Taunus einen Klimaschutzmanager eingestellt. In ihrem Leitbild formuliert sie Ziele, wie man zur Reduktion von Treibhausemissionen “in einer vorausschauenden kommunalen Energie- und Klimapolitik” beitragen kann, um ökologische, soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen mit diesen Schritten zu ebnen.



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.