Berlin und Bonn / Oktober 2024 www.behoerdenspiegel.de
An die Grenze kommen
Binnenkontrollen belasten Bundespolizei
(BS/Mirjam Klinger/Bennet Biskup-Klawon) Erfolgsgeschichte oder wirkungslos – Mitte September hat die Bundesinnenministerin Nancy Faeser die stationären Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen verlängert. Die Maßnahme ist eine Reaktion auf den Anschlag in Solingen. Sie soll die illegale Migration eindämmen und die Sicherheit im Land erhöhen. Doch der tatsächliche Nutzen der Kontrollen ist umstritten.
gefüllt werden können, mahnte . Bereits jetzt habe die Bundespolizei ein großes Problem damit ,genügend Personal zu finden. Allein im bahnpolizeilichen Bereich fehlten der Bundespolizei aktuell rund 3.500 Mitarbeitende.
Wir kommen an unsere Grenze –personell, materiell und strukturell.“
Andreas Roßkopf, Gewerkscha der Polizei
Im Kontrast zu der äußerst kritischen Einschätzung der GdP,steht die Meinung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Diese begrüßte die erweiterten Kontrollen in einer Stellungnahme. So seien die Grenzkontrollen eine beispiellose Erfolgsgeschichte. 330 Personen wurden an der Grenze zu Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden in den letzten zwei Wochen zurückgewiesen. „Diese Zahlen sprechen für sich und belegen eindrucksvoll die Wirksamkeit von Grenzkontrollen“, sagt der Chef der DPolG Bundespolizeigewerk-
schaft, Heiko Teggatz. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, fordert sogar: „Die Grenzkontrollen sind so lange aufrechtzuerhalten, bis Schengen wieder funktioniert.“ Das Schengen-Abkommen ist bei den Binnengrenzkontrollen jedoch der Knackpunkt. Zwar sind Grenzkontrollen grundsätzlich möglich, aber nur vorübergehend. Sie dürfen maximal drei Jahre lang durchgeführt werden und müssen alle sechs Monate bei der EU-Kommission neu begründet werden. Andernfalls droht ein Vertragsverletzungsverfahren. Als Begründung gilt hier eine schwerwiegende Bedrohung der Inneren Sicherheit. Außerdem sind auch Zurückweisungen direkt an den Grenzen bei der derzeitigen Rechtslage schwer möglich. Beantragt eine Person Asyl, ist Deutschland nach der Dublin-Verordnung zunächst einmal dazu verpflichtet die Einreise zuzulassen. Abgesehen vom hohen Personalaufwand für die Bundespolizei muss sich die Bundesregierung jedoch die Frage stellen, ob ein Aussetzen von geltendem Recht die Grenzkontrollen rechtfertigt. Zudem fordert die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen innerhalb der EU und in der internationalen Politik die Einhaltung des „Rule of Law“, also die Rechtsstaatlichkeit, und die Erfüllung von Verträgen.
Wohnen mit Zukunft
Um die Wohnungsnot zu bekämpfen, wird derzeit an mehreren Stellschrauben gedreht. Wie erfolgversprechend sind die Maßnahmen?
Seite 15
Der etwas andere Stadtverkehr
Bus und Bahn sind ÖPNV schlechthin. Manche Städte bieten zudem Alternativen wie Fähren und Seilbahnen. Seite 18
Endspurt bei NIS2
Die Umsetzungsfrist für NIS2 steht an. Der Bund und die meisten Länder werden den Termin nicht einhalten. Seite 34
Deutsche Datenpflege
Der Öffentliche Dienst verwaltet eine große Menge von Daten. Diese Daten fallen tagtäglich, auf allen staatlichen Ebenen und zu unterschiedlichsten Kontexten an. Manchmal werden Daten bewusst gesammelt. Manchmal tauchen sie zufällig auf. Mal ist ihre Erhebung mit einer Menge Arbeit verbunden. Mal weiß eine Stelle nicht, auf welchem Schatz sie sitzt. Wir beleuchten die Mehrwerte und Herausforderungen. Mehr dazu ab Seite 2.
Berlin und Bonn / Oktober 2024 www.behoerdenspiegel.de
An die Grenze kommen
Binnenkontrollen belasten Bundespolizei
(BS/Mirjam Klinger/Bennet Biskup-Klawon) Erfolgsgeschichte oder wirkungslos – Mitte September hat die Bundesinnenministerin Nancy Faeser die stationären Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen verlängert. Die Maßnahme ist eine Reaktion auf den Anschlag in Solingen. Sie soll die illegale Migration eindämmen und die Sicherheit im Land erhöhen. Doch der tatsächliche Nutzen der Kontrollen ist umstritten.
A n der über 3.800 Kilometer langen deutschen Außengrenze kontrollieren seit dem 16. September Bundespolizistinnen und -polizisten, wer ins Land darf und wer nicht. „Wir wollen die irreguläre Migration weiter zurückdrängen, Schleuser stoppen, Kriminellen das Handwerk legen und Islamisten frühzeitig erkennen und aufhalten“, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Die Grenzkontrollen sind Teil eines umfassenden Sicherheitspakets der Bundesregierung. Das Paket sieht vor, das Waffenrecht zu verschärfen, Islamismus zu bekämpfen und irreguläre Migration einzudämmen. Bereits seit Oktober letzten Jahres gehören Kontrollen an den Landgrenzen zu Österreich, der Schweiz, Tschechien und Polen zum Alltag der Bundesbeamtinnen und -beamten. Neu dazugekommen sind nun vor allem die Grenzen im Westen Deutschlands. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) teilt mit, dass keine zweckgebundene Erfassung von Personal für diese Aufgabe durchgeführt wird. Aus einsatztaktischen Erwägungen wolle man sich auch nicht zur konkreten Stärke der eingesetzten Kräfte äußern. Weiter heißt es seitens des BMI, dass die Kräfte für die Binnengrenzkontrollen durch weitere Einheiten der Bundesbereitschaftspolizei und aus anderen Bereichen
der Bundespolizei unterstützt werden. Laut dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Bereich Bundespolizei/Zoll, Andreas Roßkopf, stellen die Kontrollen an weiteren 1.400 Kilometern Grenzfläche eine Belastungsprobe für die Bundespolizei dar. „Wir kommen an unsere Grenze – personell, materiell und strukturell“, erklärte Roßkopf dem Behörden Spiegel. So gebe es an der Westgrenze aktuell wenige stationäre mit zusätzlichen flexiblen Kontrollen. Laut Roßkopf hat dies zur Folge, dass – wenn überhaupt –die Migration an der Westgrenze nur sehr gering reduziert werden kann. Zwar sehe die GdP die Grenzkontrollen in der aktuellen Lage als notwendig an, jedoch sei es in den vergangenen Jahren versäumt worden, die Bundespolizei zu einer modernen Grenz- und Fahndungspolizei auszubauen, um bessere Ergebnisse bei den Grenzkontrollen zu erzielen. Hinzu komme jetzt mit den sinkenden Temperaturen, dass es den Beamtinnen und Beamten an ausreichend Schutz vor Kälte und Schnee fehle. Das BMI betonte auf Nachfrage, dass die Bundesregierung zur Unterstützung der Bundespolizei plane, diese im Jahr 2025 um insgesamt 1.000 Stellen aufzustocken. Dies sei zwar grundsätzlich zu begrüßen, jedoch stelle sich hier die Frage, ob die neuen Stellen auch
gefüllt werden können, mahnte Roßkopf. Bereits jetzt habe die Bundespolizei ein großes Problem damit ,genügend Personal zu finden. Allein im bahnpolizeilichen Bereich fehlten der Bundespolizei aktuell rund 3.500 Mitarbeitende.
„Wir
kommen an unsere Grenze –personell, materiell und strukturell.“
Andreas Roßkopf, Gewerkscha der Polizei
Im Kontrast zu der äußerst kritischen Einschätzung der GdP,steht die Meinung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Diese begrüßte die erweiterten Kontrollen in einer Stellungnahme. So seien die Grenzkontrollen eine beispiellose Erfolgsgeschichte. 330 Personen wurden an der Grenze zu Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden in den letzten zwei Wochen zurückgewiesen. „Diese Zahlen sprechen für sich und belegen eindrucksvoll die Wirksamkeit von Grenzkontrollen“, sagt der Chef der DPolG Bundespolizeigewerk-
schaft, Heiko Teggatz. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, fordert sogar: „Die Grenzkontrollen sind so lange aufrechtzuerhalten, bis Schengen wieder funktioniert.“ Das Schengen-Abkommen ist bei den Binnengrenzkontrollen jedoch der Knackpunkt. Zwar sind Grenzkontrollen grundsätzlich möglich, aber nur vorübergehend. Sie dürfen maximal drei Jahre lang durchgeführt werden und müssen alle sechs Monate bei der EU-Kommission neu begründet werden. Andernfalls droht ein Vertragsverletzungsverfahren. Als Begründung gilt hier eine schwerwiegende Bedrohung der Inneren Sicherheit. Außerdem sind auch Zurückweisungen direkt an den Grenzen bei der derzeitigen Rechtslage schwer möglich. Beantragt eine Person Asyl, ist Deutschland nach der Dublin-Verordnung zunächst einmal dazu verpflichtet die Einreise zuzulassen. Abgesehen vom hohen Personalaufwand für die Bundespolizei muss sich die Bundesregierung jedoch die Frage stellen, ob ein Aussetzen von geltendem Recht die Grenzkontrollen rechtfertigt. Zudem fordert die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen innerhalb der EU und in der internationalen Politik die Einhaltung des „Rule of Law“, also die Rechtsstaatlichkeit, und die Erfüllung von Verträgen.
Wohnen mit Zukunft
Um die Wohnungsnot zu bekämpfen, wird derzeit an mehreren Stellschrauben gedreht. Wie erfolgversprechend sind die Maßnahmen?
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Der etwas andere Stadtverkehr
Bus und Bahn sind ÖPNV schlechthin. Manche Städte bieten zudem Alternativen wie Fähren und Seilbahnen. Seite 18
Endspurt bei NIS2
Die Umsetzungsfrist für NIS2 steht an. Der Bund und die meisten Länder werden den Termin nicht einhalten.
Seite 34
Hanno Pevkur
Verteidigungsminister Estland
Carl-Oskar Bohlin Minister für Zivilverteidigung Schweden
Dr. Tobias Lindner Staatsminister im Auswärtigen Amt
Admiral Rob Bauer Vorsitzender Militärausschuss NATO
www.euro-defence.eu
Schwerpunktthema der Ausgabe Deutsche Datenpflege
Mit Daten smarter unterwegs
Das Potenzial urbaner Daten heben
Alle Register ziehen
Deutschlands schlafender Datenriese
Berliner Datenschutzbericht veröffentlicht
Verstöße bei der Polizei und der MS 365 Nutzung
Gesichtet im Netz
Geplante Befugnisse fordern Datenschutz heraus
SCHWERPUNKT
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Impressum
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Herausgeberin und Chefredakteurin Dr. Eva-Charlotte Proll
Stellvertretender Chefredakteur Guido Gehrt Leiterin der Berliner Redaktion Anne Mareile Walter Leiter der Bonner Redaktion Bennet Biskup-Klawon Aktuelles Öffentlicher Dienst Ann Kathrin Herweg, Sven Rudolf, Hans-Jürgen Leersch
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Digitaler Staat Christian Brecht, Mirjam Klinger, Paul Schubert, Anna Ströbele
Sicherheit & Verteidigung Jonas Brandstetter, Thomas Hönig, Lars Mahnke, Klaus Pokatzky
Sonderkorrespondenten BOS Dr. Barbara Held, Gerd Lehmann
Online-Redaktion Tanja Klement
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Kommentare Nicht sexy genug
(BS) Berlin, Unter den Linden, 12. September 2024, 11 Uhr – zwei Handys piepen. Sirenen: Fehlanzeige, andere Warnsysteme: nicht vorhanden. Zum guten Ton der Hauptstadt gehört es, sich nicht unterbrechen zu lassen. Wenn unweit der deutschen Regierungszentrale der bundesweite Warntag nicht stattfindet, ist das kein „Erfolg“. Selbst wenn BMI und BBK davon sprechen, dass 95 Prozent der Bürgerinnen und Bürger erreicht wurden, dann hätten sich die anderen fünf Prozent zu dieser Zeit genau in Berlin-Mitte aufgehalten.
von Dr. Eva-Charlotte Proll
Es handelt sich um ein Armutszeugnis, wenn die technischen Voraussetzungen für fast 300 neu installierte Geräte nicht vollständig gegeben sind. Schließlich gab es in Berlin bereits Verzögerungen beim Aufbau wegen Lieferengpässen und fehlender Fachkräfte. Die Misere existiert nicht erst seit der Inbetriebnahme. Ist das dann auch das Argument im Ernstfall? Am Geld liegt es jedenfalls nicht. Der Bund unterstützt Länder und Kommunen seit 2021 beim Wieder-
aufbau der Sireneninfrastruktur mit 100 Millionen Euro. Hochwasser, Erdbeben oder andere Naturkatastrophen scheinen für das Leben in der Hauptstadt keine Relevanz zu haben. Dass Berlin als Regierungssitz aber auch Ziel von Luftangriffen werden könnte, scheint erst mal zweitrangig – so gilt bei der Warnung der Bevölkerung scheinbar das Motto des ehemaligen Regierenden: arm, aber sexy. Und sexy sind eben nicht Investitionen zum Schutz Kritischer Infrastrukturen oder Präventivmaßnahmen. Sie werden eben nur selten und im Ernstfall benötigt. Wenn Sie aber fehlen, kostet genau das viel, nämlich Leben.
In Rheinland-Pfalz hat die Flut im Ahrtal Prioritäten verschoben und das Land reagiert mit einem neuen Landesamt mit übergreifendem Lagezentrum und ändert gesetzliche Strukturen. Eine neue Behörde löst zwar noch lange nicht alle Probleme, aber sie zeugt von Lernfähigkeit.
In Berlin indes schwiegen bereits beim vergangenen Warntag die Sirenen. Es herrscht maximale Verantwortungslosigkeit. Aber selbst diese Sirenen hört keiner.
Mehr zum Thema auf Seite 42 dieser Ausgabe
Bürokratischer Hemmschuh
(BS) Ein Ruck beim Ausbau Erneuerbarer Energien und eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland: Ende August veröffentlichte das Bundesfinanzministerium (BMF) den Entwurf für ein zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz und hat sich darin hehre Ziele auf die Fahnen geschrieben. Kapitalmittel sollen in stärkerem Umfang als bislang für Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien nutzbar gemacht werden. Zudem will man die steuerlichen Rahmenbedingungen von Investments in Venture Capital verbessern und den Kündigungsschutz für Spitzenverdiener im Finanzsektor lockern. Auch kündigt das BMF darin den Abbau bürokratischer Hemmnisse an und plant, das Mitarbeiter- und Beschwerderegister bei der BaFin abzuschaffen. Im zweiten Quartal 2025 soll der vorliegende Gesetzentwurf in Kraft treten. So vielversprechend die darin enthaltenen Vorgaben auf den ersten Blick klingen, so wenig zielführend sind einige von ihnen auf den zweiten. So stellt die in dem Gesetzesentwurf festgeschriebene Prospektpflicht für das Einwerben
von öffentlichem Kapital für eine Erneuerbare-Energien-Anlage sowohl eine bürokratische wie finanzielle Hürde dar. Gerade kleine Projektierer, wie kleinere Stadtwerke oder Bürgerenergiegesellschaften, sind darauf angewiesen, Kapital bei Anlegern einzusammeln. Sie müssen dafür detailliert darlegen, wie sie ihre Verpflichtungen gegenüber den Investoren zu erfüllen gedenken – ein hoher administrativer und finanzieller Aufwand, der die Kapitalbeschaffung in vielen Fällen erschwert.
von Anne Mareile Walter
Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) für kleinere Projektierer und Bürgergesellschaften nun eine komplette Befreiung von der Prospektpflicht. Ein sinnvolles Postulat – schließlich sorgen bessere Rahmenbedingungen auch dafür, dass die Akzeptanz von und (Bürger-)Beteiligung an der Energiewende steigen.
Sie sind das Herzstück des Bahnbetriebs; von hier aus erfolgt die Steuerung des gesamten Zugverkehrs, Weichen und Gleissperren werden gestellt und die Belegung der Gleise überwacht. Doch seit einiger Zeit häufen sich in den Stellwerken der Deutschen Bahn die Missstände, der Betrieb liegt immer häufiger auf Eis. Vor allem Stellwerke im Osten Deutschlands werden nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ in den Stunden nach Mitternacht geschlossen, wichtige Strecken sind dann nicht mehr befahrbar.
Das ist bekanntermaßen nicht die einzige Misere bei der Deutschen Bahn: Hinzu kommen Sanierungsstau sowie ein in weiten Teilen marodes Schienennetz – im Verbund mit den geschlossenen Stellwerken treibt das die Zahl der Zugausfälle und Verspätungen weiter nach oben.
Investition in 40 elektronisch betriebene Stellwerke
Zuständig für den Betrieb der Stellwerke ist die zu Beginn des Jahres gegründete Schwestergesellschaft der Deutschen Bahn, die DB InfraGO AG. Sie betreibt insgesamt das Schienennetz sowie die Bahnhöfe im Bundesgebiet, rund 2.600 Stellwerke fallen in ihren Zuständigkeitsbereich. Diese basieren auf unterschiedlichen Techniken und werden unter anderem digital oder elektronisch betrieben.
Der Grund für die geschlossenen Stellwerke ist nach Angaben der Bahn Personalmangel. Dabei würden die Engpässe bei den Zugverkehrssteuernden vor allem aus einer überalterten Stellwerkslandschaft resultieren, teilte ein Sprecher der Deutschen Bahn auf Anfrage mit. Es werde „sehr viel Personal“ be-
Innerhalb eines Jahres wurde die Idee mit Leben gefüllt. Eine als Tandem etablierte Programmsteuerung sorgt seit dem für die Frequenz bei der praktischen Umsetzung und berichtet direkt an den Dezernenten für Finanzen, Personal, Ordnung und Feuerwehr. Die Einheit umfasst drei Teilbereiche: Das Team „Einsatz“ konzentriert sich auf klassische Sachbearbeitung, das Team „Führung“ kompensiert vornehmlich personelle Vakanzen auf der Führungsebene (Interimsmanagement) und das im Aufbau befindliche Team „Spezial“ soll perspektivisch Projektarbeit (u. a. zu Digitalisierungsthemen) unterstützen.
Fachlichkeit vs. Flexibiltät
In der Austauschbeziehung zwischen Fachlichkeit und Flexibilität orientiert sich die öffentliche Verwaltung traditionell eher an der Fachlichkeit. Eine Reduzierung der Ansprüche an fachspezifische Expertise zugunsten allgemeinerer Führungs- oder Problemlösungskompetenz war daher in der Vergangenheit ungewöhnlich. Durch den Zielkonflikt zwischen Spezialisierungsgrad und flexibler Einsatzfähigkeit erfordert das Konzept des flexiblen Einsatzamts hier ein Umdenken. Sorgen ergeben sich in Bezug auf Qualifikation, inhaltlichen Mehrwert und örtlichen Einarbeitungsaufwand, bestätigen sich in der Praxis bei sorgfältiger Einsatzvorbereitung und -steuerung sowie professionellem Ziel- und Erwartungsmanagement aber kaum. So gelingt die positive Konnotation der FLEX:Unit über den Erfolg ihrer Einsätze.
Es ist nicht entscheidend, dass alle Details neuer Konzepte im Vorfeld beschrieben bzw. ausgedacht und kritisch diskutiert wer-
Geschlossene Schaltzentralen
Fachkräftemangel bei der Bahn und seine Folgen
(BS/Anne Mareile Walter) Das Personal fehlt und es fallen noch mehr Züge aus: Bei der Deutschen Bahn gibt es weitere offene Baustellen. Bei der Bundesnetzagentur wurde nun ein Verwaltungsverfahren gegen die DB InfraGO AG zu Ende gebracht.
In den Stellwerken werden die Weichen gestellt und der komplette Zugverkehr gesteuert: Immer häufiger werden diese wegen Personalmangels stundenweise geschlossen. Die Bundesnetzagentur richtete nun Forderungen an die Bahn. Foto: BS/Deutsche Bahn AG, Pablo Castagnola
nötigt, um die noch nicht modernisierten Stellwerke zu betreiben. Um die entstandene Personallücke zu schließen, investiere der Konzern: Noch in diesem Jahr sollen knapp 40 elektronische Stellwerke in Betrieb genommen werden, die eine Vielzahl von Stellwerken mit älterer Technik ersetzen. Dabei komme erschwerend hinzu: Für das Stellwerkspersonal werden hochspezialisierte Fachkräfte benötigt, allerdings sei der Arbeitsmarkt begrenzt und die Job-Auswahl für Arbeitnehmende groß. „Wir müssen
deutlich mehr Menschen als früher ausbilden, um sie als Zugverkehrssteuernde langfristig zu halten“, erläuterte der Sprecher. Die Bundesnetzagentur in Bonn befasst sich als zuständige Aufsichtsbehörde für die DB ebenfalls mit der Ursache der Stellwerksmisere. Vor gut einem Jahr – im September 2023 – hatte das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e.V. (NEE) bei der Bundesnetzagentur ein Verfahren zu dieser Thematik angeregt und für den Fall von nicht ausreichend besetzten Stellwerken
Die Kieler FLEX:Unit
von der DB InfraGO die Zahlung von Vertragsstrafen gefordert. Daraufhin eröffnete die Bundesnetzagentur ein Verfahren, damit die Stellwerke möglichst schnell mit Personal ausgestattet werden. Das Verfahren wurde am 16. September 2024 abgeschlossen. Der vorliegende Beschluss sieht Folgendes vor: Künftig müssen die Streckenöffnungszeiten, die im Infrastrukturregister der DB InfraGO veröffentlicht sind, überall sichergestellt werden. Damit ist die Verpflichtung verbunden, einsatzbereites Stellwerkspersonal in den einzelnen Regionen in ausreichendem Maß vorzuhalten und die Bundesnetzagentur über die Personalbedarfsdeckungsquote zu informieren.
Veraltete technische Ausstattung und Gebäudesubstanz
Die Ursachen für die Personalknappheit seien vielschichtig, führt die Bundesnetzagentur weiter aus. Eine Sprecherin sagte gegenüber dem Behörden Spiegel: „Einen sehr wesentlichen Einfluss scheinen Fehleinschätzungen des Managements der DB InfraGO zur Entwicklung des Personalbedarfs zu haben.“ Technische Ausstattung und Gebäudesubstanz seien zum Teil stark veraltet und die Arbeitsplätze in den Stellwerken in der Folge für junge Menschen „nicht hinreichend attraktiv“.
Weniger Personallücken dank flexiblem Einsatzamt (BS/Christian Zierau/Daniel Diekmann) Unter dem Eindruck der Herausforderungen der Corona-Pandemie gründete die Landeshauptstadt Kiel die FLEX:Unit mit dem Ziel, Personalkapazitäten schnell und zielgerichtet dort zu platzieren, wo sie aktuell und bedarfsbezogen gebraucht werden. Es handelt sich um ein „flexibles Einsatzamt“, welches Beschäftigte mit unterschiedlichen Profilen umfasst, die zeitlich begrenzt für drei, sechs oder neun Monate in wechselnde Einsätze innerhalb der Stadtverwaltung entsandt werden, um vor Ort zu unterstützen.
den, sondern vielmehr, zunächst ins Handeln zu kommen. Aus der initialen Idee der FLEX:Unit und dem Mut, tätig zu werden, entsteht seither ein wachsendes Portfolio an Potenzialen, welche für die Stadtverwaltung, ihre Mitarbeitenden und die Bürgerinnen und Bürger wertstiftend sind.
Entlastung vor Ort Zunächst folgt aus der Reaktion auf konkret dargestellte Herausforderungen der Ämter durch eine temporäre Entsendung die Entlastung vor Ort. War dies zum Start der Kieler FLEX:Unit noch eine Hypothese, ist dieser Entlastungseffekt seither konkret beobachtbar: Rückstände werden abgebaut und Bearbeitungszeiten beschleunigt. Außerdem werden Führungsvakanzen besetzt, was Teams und vertretende Führungskräfte vor Ort ebenso entlastet wie durch FLEX:Unit-Kolleginnen und Kollegen bewirtschaftete, amtsspezifische Projekte, denen im Tagesgeschäft sonst nicht vollumfänglich Rechnung getragen werden kann. Auch sendet die Stadtverwaltung durch die Installation und Entsendung der FLEX:Unit ein bedeutsames Signal der Fürsorge an ihre Mitarbeitenden.
Transformation
Die FLEX:Unit verzahnt sich außerdem mit für Verwaltungstransformation, Digitalisierung, aber auch Organisationskultur zustän-
digen Teams, um auch in deren Sinne agieren zu können. Durch das Verständnis von strategischer Ausrichtung, Führungs- und Zusammenarbeitsidealen, Optionen der Prozessberatung etc. kann die FLEX:Unit vor Ort entsprechend wirken, Bedarfe identifizieren und Veränderung implementieren. Dies dient sowohl der weiteren Modernisierung der Verwaltung als auch der Einsatznachhaltigkeit.
Silos auflösen, Best Practice teilen Es stellt sich als Stärke der FLEX:Unit heraus, dass deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über verschiedene Formate eng miteinander vernetzt arbeiten und Plattformen geschaffen wurden, über welche sich die Kollegen zur Lösung spezifischer Herausforderungen gegenseitig unterstützen können. So profitieren Mitarbeiter und Ämter von der gesammelten Kompetenz der FLEX:Unit-Mitarbeitenden und es kommt zum Austausch von Best Practices zwischen Ämtern bzw. deren Kooperation wird stimuliert. Ganz praktisch werden klassische „Silos“ aufgebrochen, Separierung weicht konstruktiver Zusammenarbeit.
Besetzung von Langzeitvakanzen
Nachdem durch die Entsendung von Mitarbeitenden zunächst der konkrete Bedarf auf einer langzeitvakanten Stelle unkompliziert gedeckt wird, besteht weiterhin die Möglichkeit, dass sich sowohl
Aus einer umfangreichen Datenerhebung der Bundesnetzagentur geht hervor, wie ausgeprägt der Fachkräftemangel bei den Stellwerken ist. Im September 2023 lag die Quote demnach bundesweit bei 95,4 Prozent. Die aktuellste Personalbedarfsdeckungsquote stammt aus dem Mai 2024 und war damals mit 95,3 Prozent ebenfalls einiges unter der 100-Prozent-Marke. Sie gibt Aufschluss darüber, ob in den Stellwerken ausreichend Personal zur Steuerung des Zugverkehrs vorhanden ist. Bis Ende 2025 strebt die DB InfraGO nach eigener Aussage eine stabile Besetzung der Stellwerke an und will eine Quote von „99,2 bis 100 Prozent“ erreichen.
Knapp 7.000 Zugausfälle wegen Personalmangels
Die Folgen der unterbesetzten Stellwerke zeigen sich an diesen Zahlen: 6.947 Zugausfälle aufgrund von Personalmangel hat es nach Angaben der DB InfraGO im Jahr 2022 gegeben. Davon waren 6.865 Züge des Schienenpersonennahverkehrs, 43 Züge des Personenfernverkehrs sowie 39 Züge des Schienengüterverkehrs betroffen. Im ersten Halbjahr 2023 summierte sich die Zahl der Zugausfälle auf 3.405.
Um Bewegung in die angespannte Personalsituation zu bringen und die Stellwerke am Laufen zu halten, hat der Staatskonzern nun eine Imagekampagne gestartet. Damit soll Werbung für den Beruf des Zugverkehrssteuernden gemacht werden. Weitere Maßnahmen, die Abhilfe schaffen sollen: Schulungsanlagen sollen ausgebaut werden und die Deutsche Bahn will für „deutlich mehr Ausbildungsplätze“ sorgen.
die empfangenden Ämter als auch die entsandten Kollegen im Laufe der Zeit auch einen dauerhaften Verbleib auf der entsprechenden Position vorstellen können. Dies wird als sog. „Match“ ausdrücklich konzeptionell ermöglicht. Im Zusammenspiel aller Beteiligten kann der permanente Wechsel aus der FLEX:Unit in das Amt realisiert und die langjährige Vakanz aufgelöst werden.
Personalentwicklung
Die Kieler FLEX:Unit zeigt weiterhin Potenziale in Bezug auf die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden. Der konsequente Wechsel zwischen inhaltlich und strukturell unterschiedlichen Teileinheiten der Stadtverwaltung stärkt u. a. das fachliche Verständnis und die Problemlösungskompetenz der Kollegen. Auch sind Mentorinnen- und Mentor-Mentee-Verbindungen und Tandem-Entsendungen denkbar. Die Einsatzstationen im Rahmen eines flexiblen Einsatzamtes lassen sich perspektivisch in bestehende Personalentwicklungspfade einbetten oder können neue begründen.
Personalgewinnung
Die Landeshauptstadt Kiel zeigt durch die Implementierung der FLEX:Unit langfristige berufliche Perspektiven auf, welche nicht mit der Festlegung auf eine inhaltliche Spezialisierung verbunden, sondern per Definition durch Abwechslung und neue Herausforde-
rungen gekennzeichnet sind. Damit macht die Stadtverwaltung sowohl ein Angebot zum Einstieg in die öffentliche Verwaltung unter Berücksichtigung eines beobachtbar abnehmenden Bedürfnisses nach frühzeitiger beruflicher Festlegung als auch zu einem generell bereichernden Arbeitsalltag. Dies zahlt neben individueller Zufriedenheit auch auf die Arbeitgeberattraktivität ein und spricht explizit die neuen Generationen an. Mehrere dieser Potenziale zeigten sich erst im praktischen Umsetzungsprozess und werden nun in Strukturen bzw. Prozesse überführt. Es zahlt sich aus, zunächst mutig zu starten und „auf dem Weg“ stetig zu justieren und fortzuentwickeln. Viele Hypothesen bestätigen sich dabei, nicht alle. Darauf wird dann professionell und pragmatisch reagiert. 2025 werden die Erfahrungen aus der ersten Generation evaluiert und die FLEX:Unit 2.0 soll in Kiel real werden.
Christian Zierau ist Stadtrat für Finanzen, Personal, Ordnung und Feuerwehr der Landeshauptstadt Kiel. Zuvor war der Diplom-Verwaltungswirt bis 2019 Kämmerer des Kreises Herford.
Daniel Diekmann leitet die Stabsstelle FLEX:Unit der Landeshauptstadt Kiel und verantwortet in dieser Funktion deren operative Umsetzung sowie konzeptionelle Fortentwicklung. Fotos: BS/privat
Die Verfassungstreuepflicht der Beamten zählt zu den sog. hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG). Sie stellt eine verfassungsrechtlich fundierte Grundpflicht eines jeden Beamten dar. Deren Verletzung kann sogar zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis führen. Und in der Tat ist es unmittelbar einleuchtend, dass niemand für einen Staat handeln darf, den er offen bekämpft oder zumindest innerlich ablehnt.
Verfassungsfeind: ab wann?
Darüber, dass sich die Bundesrepublik Deutschland als wehrhafte Demokratie gegen ihre Feinde behaupten muss, besteht deshalb im Grundsatz Konsens. Die Frage lautet nur: Wann genau ist ein Beamter oder ein Bewerber um eine Stelle im Öffentlichen Dienst als Verfassungsfeind anzusehen?
Die Antwort fällt umso schwerer, als die von den Verwaltungsgerichten in den vergangenen Jahren entschiedenen Einzelfälle äußerst vielfältig waren: das Stechen von Tätowierungen mit verfassungsfeindlichen Symbolen, die Mitgliedschaft in Parteien, die von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der Länder zum Teil als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden, rassistische Posts von Polizisten in MessengerDiensten oder auf Social-MediaPlattformen. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.
Kritiker oder Feind
Extremist oder nicht?
Herausforderungen des Beamtenrechts durch Verfassungsfeinde
(BS/Prof. Dr. iur. Thomas Sauerland) Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Dennoch rücken seit einigen Jahren zunehmend extremistische und rassistische Verhaltensweisen von Staatsdienern in den Fokus der Öffentlichkeit. Den Herausforderungen durch Verfassungsfeinde muss sich das Beamtenrecht daher in besonderem Maße stellen.
Manchmal ist juristisch belangbares Verhalten und das Recht auf Meinungsfreiheit nur durch eine dünne Linie getrennt. Diese wird aber überschritten, wenn eine Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen oder verbotenen Partei besteht.
Bild: BS/studio v-zwoelf, stock.adobe.com
individuell zu beurteilende Frage. Kollektive Zurechnungen hingegen verbieten sich.
Problematische Mitgliedschaften
feindlichkeit zu belegen. Dies gilt sogar dann, wenn der Verfassungsschutz die Partei als „gesichert extremistisch“ eingestuft hat. Es besteht keine Akzessorietät zwischen Verfassungsschutzrecht und Beamtenrecht. Umgekehrt ist der Dienstherr nicht gezwungen, die Verfassungstreue eines Beamten zu bejahen, weil eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit einer Partei aussteht. Aus dem grundgesetzlichen Parteienprivileg folgt kein Beamtenprivileg. Zwar kann sich die mangelnde Verfassungstreue des Beamten nicht in seiner Parteimitgliedschaft als solcher, sehr wohl aber in seinen Äußerungen und Verhaltensweisen sowie der Art seines Engagements in dieser Partei manifestieren.
Tückenhafte Details
Verfassungsfeinden im Öffentlichen Dienst muss ohne Wenn und Aber entgegengetreten werden. Die Tücke steckt freilich im Detail: Nicht jeder geschmacklose Witz, nicht jede geschmacklose Tätowierung ist gleich Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung. Denn die große Mehrheit der Beamten von Bund, Ländern und Gemeinden bekennt sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
Die öffentliche Diskussion darüber lässt gelegentlich eine Erkenntnis vermissen: In einer Demokratie dürfen und sollen sich auch Beamtinnen und Beamte öffentlich äußern oder politisch betätigen. Keinesfalls verzichten Beamte mit ihrer Ernennung auf ihre Grundrechte, wie etwa die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit. Nicht jeder Verfassungskritiker darf daher pauschal zum Verfassungsfeind abgestempelt werden.
Wenn extremistische Parteien Regierungsverantwortung übernehmen oder Schlüsselpositionen in der Verwaltung besetzen, besteht die Gefahr, dass sie ihre Entscheidungsbefugnisse zur Durchsetzung einer autoritären Agenda missbrauchen. Dies kann sich etwa in rechtswidrigen Anordnungen oder politisch motivierten Personalentscheidungen widerspiegeln. Erste Anzeichen dafür gibt es in Sonneberg: Dort hat ein AfDLandrat seinem Beigeordneten die Zuständigkeit für Migrationsfragen entzogen und erklärt, dass dessen Parteizugehörigkeit zur CDU offensichtlich nachteilig für die effektive Erledigung der Aufgaben sei. Missbräuchliche Entscheidungen der Verwaltung gehen auch zulasten der Bevölkerung. Denkbar sind willkürliche Entscheidungen über staatliche Förderungen, Genehmigungen von Veranstaltungen oder Versammlungsauflagen. Dabei sind insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen und Vereine mit abweichender politischer Ausrichtung gefährdet. Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Landtagswahlergebnisse und der möglichen Erfolge extremistischer Parteien ist es entschei-
Was nottut, ist vielmehr eine Besinnung auf die Umstände eines jeden Einzelfalls. Sowohl im Er-
nennungs- als auch im Disziplinarverfahren steht der Beamte als Individuum auf dem beamtenrechtlichen Prüfstand. Ob ein Staatsdiener charakterlich geeignet ist, weiterhin sein Amt auszuüben, ob ein Beamtenbewerber die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes einzutreten, ist eine ausnahmslos
Die Mitgliedschaft von Beamten in einer verfassungsfeindlichen Partei verdeutlicht diesen Maßstab: Eindeutig mit dem Beamtenstatus unvereinbar ist die Mitgliedschaft in Parteien, die vom Bundesverfassungsgericht nach Art. 21 Abs. 2 und 4 GG verboten worden sind, weil sie „nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden“. Ebenfalls mit dem Beamtenverhältnis nicht vereinbar ist die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen, aber nicht verbotenen Partei, die nach Art. 21 Abs. 3 und 4 GG von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen ist. In Deutschland ist dies derzeit nur die NPD (jetzt „Die Heimat“). Komplexer abzuwägen ist jedoch die Mitgliedschaft in einer Partei, die (partiell) verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, über die das Bundesverfassungsgericht aber noch kein Urteil gefällt hat. Die Mitgliedschaft in einer solchen Partei allein rechtfertigt nicht, den Beamten ebenfalls mit dem Verdikt der Verfassungs-
Wer schützt unsere Verwaltung?
Extremismus auf dem Vormarsch
(BS/Davy Wang) Der Aufstieg von extremistischen Parteien gefährdet demokratische Strukturen und den Rechtsstaat, sowohl innerhalb der Verwaltung als auch in staatlichem Handeln nach außen. Der folgende Artikel zeigt Handlungsmöglichkeiten und Herausforderungen auf, die bei Konfrontationen mit rechtswidrigem Verwaltungshandeln bestehen – und wie der neue Fonds „Gegenrechtsschutz“ einen Beitrag zum Schutz des Rechtsstaats leisten kann.
Zum Schutz der Verwaltung vor extremistischen Tendenzen können die Beschäftigten einiges beitragen und beispielsweise Fehlverhalten bei internen oder externen Meldestellen anzeigen. Bild: BS/JackF, stock.adobe.com
verlangt, sich bei politischen Äußerungen im Amt zurückzuhalten, hindert sie sie aber gerade nicht daran, sich aktiv für die Verteidigung der Verfassung einzusetzen. Im Falle einer rechtswidrigen Anordnung besteht zunächst die Pflicht und das Recht zur Remonstration (§ 63 Abs. 2 BBG für Bundes- bzw. § 36 Abs. 2 BeamtStG für Landesbeamtinnen und Landesbeamten). Mit diesem Instrument können sie dagegen Einwände erheben, dokumentieren lassen und sich vor einer eigenen Haftung schützen.
Prof. Dr. Thomas Sauerland ist Studiendekan des Masterstudiengangs „Master of Public Administration“ an der Hochschule des Bundes in Brühl.
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Es ist von großer Bedeutung, Rechtsunsicherheiten aus dem Weg zu räumen und Verbeamtete dabei zu unterstützen, sich aktiv gegen autoritäres Handeln innerhalb der Verwaltung einzusetzen.
„Gegenrechtsschutz“
Um den Rechtsschutz gegen missbräuchliches Verwaltungshandeln rechtsextremer Akteure zu erleichtern, haben die Gesellschaft für Freiheitsrechte, der Verfassungsblog und FragDenStaat gemeinsam den neuen Fonds „Gegenrechtsschutz“ eingerichtet. Gerichtsverfahren sind zeitaufwendig und erfordern finanzielle Ressourcen –ein möglicher Grund, sich nicht gegen rechtswidrige Maßnahmen zu wehren.
Zukunft Dienstrecht
19.–20. November 2024, Kameha Grand Hotel Bonn
Karin Spelge
Vorsitzende Richterin BAG (6.Senat)
Prof. Dr. Markus Stoffels
Universität Heidelberg
Dr. Franz Werner Gansen
Präsident Sozialgericht Koblenz
www.zukunft-dienstrecht.de
dend, dass unsere Verfassung auch innerhalb der Behörden verteidigt wird. Beamtinnen und Beamten, die auf dem Boden der Verfassung stehen, sind essenziell für den Schutz und Erhalt unseres demokratischen Rechtsstaats.
Beamte müssen handeln Alle Beamtinnen und Beamte unterstehen der Pflicht zur Verfassungstreue. Nach dem Bundesverfassungsgericht beschränkt sich diese nicht nur auf eine formal korrekte Haltung, sondern erfordert auch, sich eindeutig von Bestrebungen zu distanzieren, die den Staat und unsere Verfassung angreifen, bekämpfen und diffamieren.
Neutralitätspflicht Viele zögern aber aus Angst vor dienstrechtlichen Konsequenzen, sich gegen verfassungsfeindliche Tendenzen innerhalb der Verwaltung auszusprechen. Es besteht die Gefahr, dass Vorgesetzte solche Äußerungen unter dem Vorwand eines Verstoßes gegen die Neutralitätspflicht unterbinden und Beschäftigte dafür rechtswidrig benachteiligen, z. B. durch schlechte Beurteilungen oder die Androhung von Sanktionen. Während die Neutralitätspflicht von Verbeamteten
Angst vor Folgen Fürchten Beschäftigte Nachteile für den Hinweis auf Fehlverhalten auf offenen Wegen, besteht die Möglichkeit, eine Meldung bei einer internen oder externen Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz zu machen. § 36 Abs. 1 HinSchG schützt hinweisgebende Personen vor Sanktionen.
Der Umgang mit rechtswidrigen Vorkommnissen im Dienst ist für Beamtinnen und Beamte herausfordernd und risikoreich. Für sie ist oft unklar, was im Rahmen ihrer Dienstpflichten zulässig ist. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht etwa kann auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Auch Angst vor Repressalien und Ausgrenzung kann zu der Entscheidung führen, Einwände lieber für sich zu behalten.
Der spendenfinanzierte Fonds informiert und unterstützt Betroffene in ihrem Rechtsschutz. Wenn Sie in ihrer Behörde auf Vorgänge stoßen, bei denen Sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit haben, können Sie sich an den „Gegenrechtsschutz“ wenden. Sie werden an spezialisierte Anwältinnen und Anwälte weitergeleitet, die überprüfen, ob z. B. eine rechtswidrige Weisung vorliegt. Der Fonds übernimmt die Kosten, auch für etwaige Gerichtsverfahren.
Der „Gegenrechtsschutz“ soll so einen Beitrag zum Schutz von Rechtsstaat, Grundrechten und Demokratie leisten.
Davy Wang LL.M. ist Verfahrenskoordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Foto: BS/privat
Nun wurde das Berufsbildungsgesetz (BBiG) im Rahmen des Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetzes aktualisiert. Diese Novelle macht den Weg frei für digitale und mobile Ausbildungsformen. Künftig wird in Paragraf 28 Absatz 2 BBiG geregelt, dass Ausbildungsinhalte unter bestimmten Voraussetzungen auch digital und mobil vermittelt werden können, ohne dass Ausbildungsverantwortliche und Auszubildende sich am selben Ort aufhalten müssen. „Mobiles Ausbilden und Lernen hat mir die Möglichkeit gegeben, in modernen und flexiblen Umgebungen zu lernen und zu arbeiten, die perfekt zu meinen Bedürfnissen passen“ sagt Jessica Müller. Sie habe in ihrem eigenen Tempo arbeiten und gleichzeitig wertvolle Erfahrungen im Homeoffice sammeln können, erläutert die Auszubildende zur Veranstaltungskauffrau im BIBB. „Diese Kombination hat mir geholfen, mich optimal auf meine berufliche Zukunft vorzubereiten.“
Eine Erfolgsstory
Ein Jahr Mobiles Ausbilden und Lernen im BIBB
(BS/Kerstin Siebertz*) Vor genau einem Jahr hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) das Konzept „Mobiles Ausbilden und Lernen (MAL)“ offiziell in seine betriebliche Ausbildung integriert. Zeitgleich wurde die entsprechende Empfehlung des BIBB-Hauptausschusses im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Diese moderne Form der Ausbildung ermöglicht es den BIBB-Auszubildenden, flexibel und außerhalb des Büros zu arbeiten und dabei wertvolle berufliche Handlungskompetenzen zu erlangen.
MAL ermöglicht es Nachwuchskräften, in ihrer Ausbildung eigenverantwortlich und flexibel zu lernen und zu arbeiten. Die junge Zielgruppe macht gern von dem neuen Angebot Gebrauch.
Persönliches Lernumfeld MAL kombiniert selbstgesteuertes und selbstverantwortliches Lernen mit modernster digitaler Technologie. In virtuellen Lernräumen findet eine aktive Kommunikation zwischen Ausbildungsverantwortlichen und Auszubildenden statt, was ein ideales Zusammenspiel von beruflicher Weiterbildung und modernen Lebensumständen ermöglicht. Die Umsetzung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen: von speziellen Lernportalen über Videokonferenztools bis hin zu E-Mail und Telefon. „Ich sehe MAL als eine tolle Chance, meine digitalen Fähigkeiten zu verbessern und gleichzeitig flexibel und selbstständig zu arbeiten“, berichtet Kubat Buyar, ein weiterer Auszubildender. Insbesondere in seiner Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement gebe es viele Aufgaben, die er problemlos von überall erledigen kön-
Aktuelles aus dem Arbeitsrecht
Stimmt schon!
Eine Kolumne von Ralph Heiermann Beamte erhalten Besoldungsmitteilungen oder Versorgungsmitteilungen in unregelmäßigen Abständen im Verlauf eines Jahres, nämlich immer. Ich gehe davon aus, dass die große Mehrheit der Leserinnen und Leser dieser Kolumne ihre Besoldungsmitteilungen allenfalls grob durchsieht: Stimmen die aufaddierten Bruttobezüge? Erscheint der Netto-Auszahlungsbetrag plausibel? Ist das der Fall, dürfte im Anschluss daran das Blatt im Normalfall einfach abgeheftet werden. Stimmt schon! Tatsächlich ist diese verbreitete Praxis nicht ungefährlich. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte haben nämlich Beamte die besondere Pflicht, die Höhe der ausgezahlten Bezüge zu überprüfen. Geschieht dies nicht, müssen zu viel geleistete Bezüge regelmäßig zurückgezahlt werden. Die Anforderungen an die Überprüfung sind nicht gering.
Änderungen sind genau zu kontrollieren
So gehört es zu den Sorgfaltspflichten, die Bezügemitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Das bedeutet, dass immer dann, wenn es Änderungen beispielsweise in den Familienverhältnissen (persönlicher Bereich) gibt oder auch im dienstlichen Bereich durch Wegfall von Zulagen, Anrechnung von Besoldungsbestandteilen bei Beförderungen usw., das genau zu kontrollieren ist. Finden sich diese Änderungen im familiären oder dienstlichen Bereich auch in den Bezügemitteilungen wieder?
Bestehen daran Zweifel oder Verständnisschwierigkeiten, ist es unbedingt zu empfehlen, die Bezüge-
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ne. Dazu gehörten zum Beispiel die Erstellung von Formularvorlagen, Tabellen und Schriftstücken sowie von Fachberichten oder das Erfassen der Ausbildungsnachweise in BLoK – dem Online-Berichtsheft. „Für mich war MAL eine praktische und entgegenkommende Lösung. Da mobiles Arbeiten im BIBB schon fest etabliert ist, konnte ich von Anfang an flexibel und unabhängig
stelle zu kontaktieren, am besten nachweisbar, d. h. nicht nur telefonisch.
Das gilt übrigens auch für kleine Abweichungen. Sie fallen häufig nicht gleich auf. Werden über lange Zeit Bestandteile der Besoldung weitergezahlt, auf die kein Anspruch mehr bestand, drohen gleichwohl höhere Rückforderungen. Der Versuch, sich dann gegen die Rückforderung mit dem Argument zu wehren, dass man die Überzahlung nicht verursacht habe und vielmehr der Dienstherr selbst dafür verantwortlich sei, gelingt meist nicht. Gleiches gilt für den Einwand, die Überzahlungen seien im guten Glauben an die Richtigkeit längst ausgegeben worden.
Prüfpflicht der Beamten Diese sogenannte „Einrede des Bereicherungswegfalls“ kann zwar insbesondere bei geringfügigen Überzahlungen helfen. Die Verwaltungspraxis nimmt dann grundsätzlich an, dass die „Bereicherung“ tatsächlich weggefallen ist. Darauf können sich Betroffene aber nicht berufen, wenn sie den Fehler in der Abrechnung erkannt hatten oder dieser Fehler so offensichtlich war, dass sie ihn hätten erkennen müssen, nämlich etwa bei der ordnungsgemäßen Prüfung der Bezügemitteilung.
Für die Offensichtlichkeit eines Fehlers unterscheidet die Rechtsprechung nach den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten der
Dr. Ralph Heiermann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht und besitzt eine Kanzlei in Hannover. Er berichtet an dieser Stelle regelmäßig über arbeitsrechtliche Entwicklungen in der Verwaltung und die aktuelle Rechtsprechung. Foto: BS/privat
Beamten. Es gilt, dass jeder Beamte grundsätzlich darüber informiert sein muss, in welcher Weise seine Bezüge oder sonstige ihm gewährte Leistungen von seinem Amt und seiner Funktion abhängen. Genau deshalb ist es besonders wichtig, die Mitteilungen zu prüfen, wenn insoweit Änderungen eintreten. Besoldungsrechtliche Spezialkenntnisse werden zwar nicht erwartet. Es wird aber das Erkennen klarer Berechnungsfehler oder Widersprüche von der Rechtsprechung verlangt. Es hilft dann nicht weiter, sich darauf zu berufen, dass man die Verschlüsselungen und Abkürzungen in den Bezügemitteilungen nicht verstanden habe. Denn diese werden auf den übersandten Blättern erläutert. Gegebenenfalls besteht die Pflicht zur Nachfrage. Beruhen Überzahlungen darauf, dass der Beamte oder Versorgungsempfänger Fragen des Dienstherrn unvollständig oder unrichtig beantwortet hat, liegt ein außergewöhnlicher Verstoß gegen die notwendige Sorgfalt vor. Vertrauen auf die Richtigkeit der Bezügemitteilung ist dann von vornherein ausgeschlossen.
Zu guter Letzt: Die Rückforderung erfolgt in Höhe der Bruttoüberzahlung! Erleichterung bietet nur die Billigkeitsentscheidung der Bezügestelle darüber, ob der Gesamtbetrag zurückgefordert wird und ob Rückzahlungsraten eingeräumt werden.
arbeiten, was meine Selbstständigkeit enorm gefördert hat.“
Immer in Kontakt Auch Max Frost, Veranstaltungskaufmann im BIBB, hebt die Vorteile von MAL hervor, betont jedoch auch die Bedeutung des persönlichen Austauschs: „Gerade zu Beginn der Ausbildung ist der direkte Kontakt zwischen Ausbildenden und Auszubildenden im Büro wichtig.“ So könnten Missverständnisse vermieden und die Grundlagen der Zusammenarbeit und der Arbeitsabläufe vermittelt werden. Für andere Aufgaben, die ein ruhiges Arbeitsumfeld benötigen, sei das mobile Lernen eine gute Alternative. Der stetige Austausch zwischen Ausbildenden und Auszubildenden bleibe dabei durch Telefonate, Videokonferenzen oder Mails gewährleistet. „Durch MAL das verantwortungsvolle Arbeiten im Homeoffice zu lernen, ist ein wichtiger Bestandteil in der Ausbildung, da diese Fähigkeit heute unverzichtbar ist“, findet Frost Ein Jahr MAL zeigt, dass das Konzept funktioniert: Mehr als 20 Aus-
zubildende und unzählige Ausbildende im BIBB profitieren von den flexiblen Möglichkeiten, die mobiles Lernen bietet. Die flexible Wahl des Lernortes – ob zu Hause oder an einem anderen mobilen Ausbildungsort – fördert ein ungestörtes und qualitativ hochwertiges Lernen, ohne an einen festen Standort gebunden zu sein.
Individuelle Lösungen
Um MAL erfolgreich zu gestalten, stellt das BIBB laut Paragraf 14 Absatz 1 Nummer 3 BBiG die notwendige IT-Ausstattung zur Verfügung, darunter Laptops, Tablets und die entsprechende Software. So können die Auszubildenden optimal in die digitale Lernwelt eintauchen und jederzeit mit ihren Ausbildungsverantwortlichen digital in Kontakt bleiben.
MAL basiert im BIBB auf Freiwilligkeit: Es gibt keinen Zwang zur Teilnahme, sondern die mobile Ausbildung wird individuell vereinbart und umfasst maximal 20 Prozent der monatlichen Ausbildungszeit – im Einklang mit den neuen Regelungen im BBiG vom 01.08.2024.
Nach einem Jahr erfolgreicher Umsetzung blickt die Ausbildungsleitung des BIBB positiv in die Zukunft und setzt weiterhin auf die innovative Verbindung von traditionellen und modernen Ausbildungsformen.
*Kerstin Siebertz ist Ausbildungsleiterin im Bundesinstitut für Berufsbildung.
Lehren im Ruhestand
Pensionierte Lehrer im Dienst (BS/sr) Wer in den Ruhestand geht, denkt eigentlich, dass er seine Tätigkeit abgeschlossen hat. Für mehr als 350 Lehrer in Niedersachsen ist dies jedoch nicht der Fall. Sie wurden gebeten, zurückzukommen, um den steigenden Lehrerbedarf abdecken zu können.
Lehrermangel ist in ganz Deutschland ein Problem, dem sich viele Landesregierungen gegenübersehen. Nun ergeht auch die Bitte an pensionierte Lehrkräfte, noch einmal in den aktiven Dienst zurückzukehren. In Niedersachsen hat sich die Zahl der so in den Dienst Zurückgebetenen in den letzten Jahren stark erhöht, wie aus einer Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der CDU-Abgeordneten Christian Fühner und Christoph Eilers hervorgeht.
Erfahrungsschatz
Die Landesregierung erklärt, dass der aktuelle Lehrermangel auf die stark gestiegenen Schülerzahlen zurückzuführen ist. Der dadurch ebenfalls anwachsende Lehrkräftebedarf könne nicht gedeckt werden. Großer Bedarf bestehe in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern der nicht gymnasialen Sekundarstufe I. Die in den Ruhestand gehenden oder sich in diesem befindlichen Lehrkräfte verfügen jedoch über einen umfangreichen Erfahrungsschatz, sodass ihr Verbleiben oder ihre Rückkehr dabei helfen können, die Lücken zu schließen.
Einfache Rückkehr
Da sich Lehrkräfte, die bereits aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind, erneut bewerben müssen, hat das Land die Verfahren für solche Fälle möglichst vereinfacht und die regionalen Landesämter für Schule und Bildung stellen Ansprechpersonen zur Verfügung, die diesen Prozess begleiten. Des Weiteren prüft die Landesregierung aktuell, ob die erneute Hinterlegung der Unterlagen oder die erneute Registrierung
im Online-Portal zwecks Bewerbung erforderlich sind. Ein Lichtblick ist auch die seit Oktober wirksame Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes, die Hinzuverdienstregelungen bei Beamten im Ruhestand anpasst. Vor diesem Hintergrund können pensionierte Lehrkräfte im Schuldienst tätig sein, ohne dass ihr Einkommen auf ihre Versorgung angerechnet wird.
1.000 Stunden mehr
Nach den Zahlen der Landesregierung sind für das Schuljahr 2024/2025 mehr als 400 Pensionäre und Rentner in Weiterbeschäftigung. 352 von ihnen entfallen auf die allgemeinbildenden Schulen, was auch die Aussage zur Sekundarstufe I widerspiegelt. Dennoch sind das mehr als 50 Lehrkräfte mehr als im Schuljahr 2022/2023 und über 150 mehr als noch im Schuljahr 2020/2021. Auch bei den Arbeitsstunden gab es über die letzten fünf Jahre einen Zuwachs von über 1.000 Stunden. Besser sieht es bei den berufsbildenden Schulen aus. Auch hier hat die Zahl über die letzten Jahre zugenommen, jedoch schwanken die Zahlen sehr viel mehr. Das Jahr mit der höchsten Anzahl (93) an Pensionären in Beschäftigung war hier 2021/2022. Zwar ist es erfreulich, dass so viele Lehrerinnen und Lehrer bereit sind, ihre Lehrtätigkeit weiterzuführen oder wieder aufzunehmen, allerdings sollte dies keine dauerhafte Lösung sein und sich auch um Anreize für jüngeres Lehrpersonal gekümmert werden. Schließlich kann nicht gesagt werden, wie lange eine solche Anzahl an Leuten noch zur Verfügung steht.
Flexibel für alle Lebenslagen
Evaluierung der Brückenteilzeit
(BS/sr) Mit der Brückenteilzeit haben Beschäftigte die Möglichkeit, befristet in Teilzeit zu gehen inklusive eines Rückkehrrechts auf ihre bisherige Arbeitszeit. Der Grundstein für diese Form der Teilzeit wurde mit einem Gesetz zur Weiterentwicklung der Teilzeit gelegt, das 2019 in Kraft trat. Nach diesem Gesetz haben alle Beschäftigten von Unternehmen mit mehr als 45 Mitarbeitenden ein Recht darauf, diese Form der Teilzeit zu nutzen.
Häufig wird Brückenteilzeit dann in Anspruch genommen, wenn Betroffene Kinder oder Verwandte pflegen müssen. Man spricht dann von Care-Arbeit. Insgesamt soll Brückenteilzeit eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit ermöglichen. Das Modell wird unter anderem im Öffentlichen Dienst häufig genutzt: So sind 14,8 Prozent der Beschäftigten in Brückenteilzeit. In der öffentlichen Verwaltung war eine befristete Teilzeit allerdings auch schon vor 2019 möglich. Daher stellt sich die Frage, welche Vorteile das neue Modell mit sich bringt oder ob es noch Probleme gibt, die es mit weiterer Regulierung zu lösen gilt. Eine Evaluation durch Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit und das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung e.V. hat sich mit dieser Frage beschäftigt.
Vielfältige Gründe
Brückenteilzeit wird, so die Ergebnisse der Evaluierung, aus sehr vielfältigen Gründen in Anspruch
genommen. Diese reichen von der Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen über eine Verkürzung der Arbeitszeit vor der Altersrente bis hin zu Weiterbildungsambitionen und der Verwirklichung einer besseren Work-Life-Balance. Meistens wird Sie aber im Anschluss an Elternzeit oder Pflegezeit beansprucht. Da Care-Arbeit überwiegend noch von Frauen wahrgenommen wird, bilden Frauen nach den Erkenntnissen der Evaluierung auch den größten Anteil an den Personen, die Brückenteilzeit nutzen. Männer beantragen seltener Brückenteilzeit.
Kompensierung der Teilzeit Wie mit jeder Teilzeit gibt es aber auch bei der Brückenteilzeit einen Wegfall von Arbeitskraft, den die Kolleginnen und Kollegen abfedern müssen. Dabei haben große Unternehmen bzw. große Verwaltungen den Vorteil, dass sie die Aufgaben auf mehrere Köpfe verteilen können und so die Zusatzbelastung für
Die Landeshauptstadt Düsseldorf ist eine dynamische und wachsende Metropole im Herzen Europas mit rund 655.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Stadt zeichnet sich durch ihre Internationalität, Welt
anliegende Arbeitsbereiche gering halten können. Bei kleineren Organisationseinheiten fällt die Mehrbelastung jedoch stärker ins Gewicht. Vor allem, da Neueinstellungen, um Arbeitsausfälle aufgrund von Brückenteilzeit aufzufangen, häufig keine Lösung sind. Als Grund hierfür ist unter anderem die geringe Arbeitszeitreduzierung (i. d. R. fünf bis zehn Stunden) zu nennen. Daher besteht für Arbeitgeber auch die Möglichkeit, aus betrieblichen Gründen die Brückenteilzeit abzulehnen, wenn die im Gesetz definierte Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird, das heißt, wenn sich bereits eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Brückenteilzeit befindet. Bei 46 bis 200 Beschäftigten ist das ein Mitarbeiter pro angefangen 15 Beschäftigten. Gewerkschaften und Arbeitgeber stehen den Gründen für eine Ablehnung der Brückenteilzeit dabei natürlich unterschiedlich gegenüber.
Noch flexibler
Die Evaluierung empfiehlt: die Größenbegrenzung für die Anwendbarkeit des Gesetzes auf Unternehmen zu streichen und so allen Beschäftigten potenziell Zugriff zu Brückenteilzeit zu gewähren. Zudem wird nahegelegt, dass Brückenteilzeit auch für kürzere Zeitspannen als ein Jahr beantragt werden kann. Auch eine Möglichkeit zur Verlängerung oder Verkürzung sei empfehlenswert, heißt es in der Evaluierung. Kurzum: Die Nutzung von Brückenteilzeit sollte noch variabler gestaltet werden, da sie für eine möglichst flexible Anpassung an alle Lebenssituationen gedacht ist.
Einige Schritte voran
Daueraufgabe Bürokratieabbau
(BS/sr) Bürokratie bleibt eine der großen Herausforderungen für den Standort Deutschland und hindert gleichzeitig auch die Verwaltung, schnelle und innovative Ansätze zu verfolgen. Bund und Länder arbeiten stetig an weiteren Maßnahmen zum Abbau der Hürden.
Der Bundestag verabschiedete Ende September wie geplant das vierte Bürokratieentlastungsgesetz. Auch die Länder arbeiten stetig daran, den Verwaltungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung zu verringern. So haben Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz im September neue Entlastungspakete auf den Weg gebracht, die einen weiteren Schritt für eine Verschlankung des Bürokratieapparates bedeuten.
Einfacher bauen
Das Paket in Schleswig-Holstein wurde nach intensiven Beratungen mit den Kommunen des Landes auf den Weg gebracht. Es beinhaltet insgesamt 63 Einzelmaßnahmen, von denen viele schnellstmöglich umgesetzt werden sollen, erklärte unter anderem Schleswig-Holsteins Sozialministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Aminata Touré. Dazu zählt unter anderem ein Wegfall der Zuwendungs-BauPrüfung. Dies hat zur Folge, dass künftig weder eine Prüfung durch die fachlich zuständige technische staatliche Verwaltung noch andere Institutionen erfolgt, wenn ein Bauprojekt Zuwendungen erhalte.
Auch Rheinlandpfalz BürokratieAbbau-Paket sieht eine Beschleunigung von Baumaßnahmen vor. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer fasste die Änderungen wie folgt zusammen: „Vorgesehen sind reduzierte Vorgaben für Abstandsflächen, brandschutzrechtliche Anforderungen und die Herstellung notwendiger Stellplätze. Zudem werden Verfahren vereinfacht und der Spielraum für Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen
offenheit und Vielfältigkeit aus. In der Stadtverwaltung sind über 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine
LEITUNG AMT FÜR ZENTRALE DIENSTE (m|w|d)
(BesGr B 2 LBesO oder eine entsprechende Vergütung)
Das Amt für Zentrale Dienste ist mit rund 700 Mitarbeiter*innen eine zentrale Steuerungsstelle und eine wichtige Dienstleistungseinheit für die gesamte Stadtverwaltung mit ihren derzeit 46 Fachbereichen. Das Amt ist verantwortlich für eine Vielzahl unterschiedlichster Aufgaben, wie das komplexe Betriebliche Mobilitätsmanagement, die umfassende städtische Gebäudereinigung, das zentrale Servicecenter für Druck und Postlogistik sowie das strategische Beschaffungsmanagement. Hinzu kommt das Kompetenzzentrum für Beihilfe sowie die Telefonzentrale der Stadtverwaltung. Hierbei pflegt die Landeshauptstadt Düsseldorf eine enge interkommunale Zusammenarbeit.
Als Amtsleitung verantworten Sie die Steuerung, die strategische Weiterentwicklung sowie das wirtschaftliche Portfoliomanagement dieser Aufgaben und Handlungsfelder. Um die umfassenden Verfahrens und Verwaltungsabläufe des Amtes schneller und gleichzeitig effizienter zu gestalten, realisieren Sie deren stetige Optimierung durch eine ressourcenschonende, zukunftsweisende und nachhaltige digitale Transformation. Sie unterstützen damit an zentraler Stelle die Digitalisierungsoffensive und die Zusammenarbeit innerhalb der Gesamtverwaltung der Landeshauptstadt Düsseldorf. Die aktuellen Herausforderungen des Amtes leiten Sie in enger Abstimmung mit allen Beteiligten federführend mit dem Ziel, gesamtstädtische Lösungen herbeizuführen.
Gesucht wird eine Persönlichkeit mit einem abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulstudium (Master), vorzugsweise in den Bereichen Verwaltungsmanagement oder Betriebswirtschaft oder eine vergleichbare Qualifikation, alternativ die Befähigung für das zweite Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 des allgemeinen Verwaltungsdienstes, und einschlägige betriebswirtschaftliche Kompetenz. Sie verfügen über Kenntnisse kommunaler Verfahrens und Entscheidungsstrukturen, Erfahrungen mit politischen Gremien und Expertise in der digitalen Transformation von Prozessen. Gesucht wird eine visionäre, ambitionierte, motivierende, empathische, sehr kommunikative und ergebnisorien
tierte erfahrene Führungskraft mit einem hohen Maß an Belastbarkeit und Stabilität sowie Gestaltungswillen. Zudem zeichnet Sie strategisches, konzeptionelles und analytisches Denken und Handeln sowie Ideenreichtum und Organisationsgeschick aus.
Die Einstellung erfolgt unbefristet im Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD). Bei Vorliegen der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen ist eine Einstellung im Beamtenverhältnis möglich.
Wir bekennen uns ausdrücklich zu Vielfalt in unserem Arbeitsumfeld und freuen uns über die Bewerbungen aller Talente – unabhängig von Alter, Geschlecht und geschlechtlicher Identität, ethnischer, kultureller und sozialer Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, sexueller Orientierung und Identität. Deshalb hat die Landeshauptstadt Düsseldorf die Charta der Vielfalt unterzeichnet: www.chartadervielfalt.de.
Wir freuen uns über Bewerbungen von Frauen und bevorzugen Frauen nach Maßgabe des LGG NRW in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind. Bewerbungen schwerbehinderter Menschen sowie gleichgestellter behinderter Menschen im Sinne des § 2 SGB IX sind erwünscht. Eine Teilzeitbeschäftigung ist grundsätzlich möglich.
In diesem Besetzungsverfahren wird die Landeshauptstadt Düsseldorf von der Firma Kienbaum Consultants International GmbH begleitet. Für weitere Fragen stehen Ihnen unser Beraterteam Bernhard Walter und Alejandro MainkaMartinez unter der Rufnummer +49 173 5704731 zur Verfügung. Diskretion und die Einhaltung von Sperrvermerken sind selbstverständlich. Bewerben Sie sich bitte über Kienbaum Jobs (jobs.kienbaum. com) mit Ihren aussagefähigen Bewerbungsunterlagen (Anschreiben und ausführlicher Lebenslauf, Zeugniskopien sowie möglicher Eintrittstermin) unter der Kennziffer 31513
Informationen zu unserem Umgang mit Ihren Daten erhalten Sie unter: https://career.kienbaum.com/de/datenschutz
Kienbaum Consultants International GmbH www.kienbaum.com
wird erweitert.“ Auch Hochschulen sollen bei Bauprojekten entlastet werden. Dafür werden Vorgaben sowohl bei der Erstellung als auch der Prüfung der Bauunterlagen reduziert.
Rheinland-Pfalzs Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, Daniela Schmitt ergänzte, dass auch Planfeststellungsverfahren für Straßenbauprojekte, insbesondere für Brückensanierungen vereinfacht werden sollen.
Ein gemeinsames Ziel In beiden Ländern steht auch die Zusammenarbeit mit den Kommunen im Vordergrund. Während Rheinland-Pfalz zunächst noch Besprechungen plant, gab es in Schleswig-Holstein bereits intensive Beratungen. Diese waren nach Aussage von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther von gegenseitigem Vertrauen geprägt. „Damit ist der Anfang für einen umfangreichen Bürokratieabbau in unserem Land gemacht“, erklärte Günther und lobte das gemeinsam erarbeitete Paket. Während der Verhandlungen verständigte man sich zudem auf ein verstärktes gemeinsames Auftreten. So möchte sich die Landesregierung beim Bund zum Beispiel für den Bau von Feuerwehrhäusern im Außenbereich einsetzen. Um die Bürgervertretung weiter zu stärken, werden auch hauptamtliche Bürgermeister von Gemeinden ab einer Einwohnerzahl von 2.000 ermöglicht, wie Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine SütterlinWaack mitteilte.
Neue Finanzströme
Deutliche Erleichterungen soll es in Schleswig-Holstein auch beim kommunalen Haushaltsrecht geben. Insgesamt werden die Finanzströme zwischen Kommunen und Land vereinfacht, pauschalisiert und neu geordnet. Noch in diesem Jahr sollen dazu Maßnahmen wie eine Verlängerung der Frist zur Aufstellung von Jahresabschlüssen verabschiedet werden. In einem weiteren Schritt werden die Landesregierung und die kommunalen Landesverbände in einem gemeinsamen Prozess unter wissenschaftlicher Begleitung die Finanzströme betrachten und gegebenenfalls neu ordnen. „Angesichts der herausfordernden Haushaltslage, insbesondere aber auch vor dem Hintergrund des Fach- und Arbeitskräftemangels, müssen Abläufe einfacher, effizienter und effektiver gestaltet werden“, sagte Ministerpräsident Günther
Es geht weiter Dass der Bürokratieabbau weiterhin eine wichtige und dauerhafte Aufgabe der Landesregierungen sein wird, ist klar. Schleswig-Holstein hat bereits angekündigt, weitere Maßnahmen zu prüfen und bis spätestens Dezember zwischen Land und Kommunen zu beraten, um dann entscheidungsreife Vorschläge vorzulegen.
Schweitzer erklärt, dass das neue Paket erst der Anfang sei. Mit einer weiteren Lichtung des Verwaltungsdickichts könnten die großen Zukunftsaufgaben effizient angegangen werden. Es bleibt also weiterhin viel zu tun, denn Bürokratie sei eine Daueraufgabe, wie Günther erklärte.
„Ichbin ruhiger geworden, dankbarer“, sagt Reinhard Renter. Als er sich vor einigen Jahren in einer beruflichen Extremsituation wiederfand, beschäftigten ihn plötzlich Fragen wie: „Wie kann ich damit umgehen? Wie kann ich nachts wieder schlafen?“ Der Polizeipräsident a. D. begab sich auf die Suche nach Antworten und machte es sich zur Aufgabe, auch andere Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit Stresssituationen zu unterstützen. 2020 entwickelte er am Polizeipräsidium Offenburg das Achtsamkeitsprogramm „Erleichtere Dein Leben durch Achtsamkeit“ mit, das sich unter den Mitarbeitenden immer größerer Beliebtheit erfreut und im Verlauf noch erweitert wurde.
Die Effekte sprechen für sich. Mitarbeitende fühlen sich fröhlicher und zufriedener, sind konzentrierter und gleichzeitig kreativer. Auch das Miteinander im Team und der Einsatz für die Dienststelle haben sich verbessert. Stress und Überforderung hingegen sind laut Umfragen unter den Mitarbeitenden, die am Achtsamkeitsprogramm teilgenommen haben, deutlich zurückgegangen.
Ohne Zwang
Zu den Kernelementen des Programms gehören unter anderem ein zweitägiges Achtsamkeitsseminar in einem Kloster, ein vielfältiges Angebot an Meditationen und Entspannungsmethoden und ein achtwöchiges MBSR-Seminar (Mindfulness-Based Stress Reduction). Außerdem wurde ein „Raum für mich“ als Ort zur persönlichen Rückbesinnung eingerichtet. Zu Beginn von Führungsbesprechungen gibt es die Möglichkeit, in einer Meditationsminute zur Ruhe zu kommen. „Die Besprechungsleiter können das nutzen, es ist aber nichts vorgeschrieben“, betont Renter. Die Veränderung müsse von der jeweiligen Führungsperson gewollt sein, Vorgaben „von oben“ gebe es dazu nicht. Nicht jede Methode sei für jeden geeignet und jeder brauche seine Zeit. „Ich war bei der Entwicklung des Programms dabei und
Stark gegen Stress
Wie Behörden Achtsamkeit in ihren Alltag integrieren
(BS/Ann Kathrin Herweg) Tief einatmen, für einen Moment innehalten, ausatmen. Viele Methoden und erlernbare Angewohnheiten können dabei helfen, im Alltag Stress zu reduzieren und die eigene Resilienz auszubauen. Damit das gelingt, muss jede und jeder für sich die Maßnahmen finden, die ihr oder ihm am besten helfen. Behörden können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dabei aktiv unterstützen – und sollten es dringend tun, denn: Von einem gesunden Umgang mit Stresssituationen profitieren die Mitarbeitergesundheit und die gesamte Organisation.
Die Plätze für das Achtsamkeitsseminar des Polizeipräsidiums Offenburg sind begehrt. Während zunächst mehr Frauen teilgenommen haben, ist das Geschlechterverhältnis mittlerweile ausgeglichen. Foto: BS/Maxim, stock.adobe.com
habe alle Punkte selbst durchlaufen“, berichtet Renter. Neben der täglichen Meditation ist das Dankbarkeitstagebuch ein Element des Achtsamkeitsprogramms, das er sehr zu schätzen gelernt hat: „Ich schlafe dadurch abends anders ein.“ Das Tagebuch soll helfen, die eigene Wahrnehmung zu lenken und den Blick zum Dienstschluss noch mal auf die positiven Geschehnisse des Tages zu richten.
Besondere Verantwortung Es sei Aufgabe der Führungskräfte, eine gute Atmosphäre für die Mitarbeitenden zu schaffen, in der sich jeder wertgeschätzt fühlt und so fröhlich zum Dienst kommt, wie er später wieder geht, erklärt der Polizeipräsident a. D. Essenziell dafür sei die emotionale Intelligenz der Führungskräfte: Empathie, die Fähigkeit zuzuhören, Kommunika-
tion auf Augenhöhe. Auch sie kann im Rahmen des Achtsamkeitsprogramms in Form eines Aufbauseminars trainiert werden. Das Achtsamkeitsprogramm des Offenburger Polizeipräsidiums ist inspiriert von ähnlichen Konzepten großer Wirtschaftsunternehmen. Die Grundstruktur vorhandener Programme sei im Wesentlichen übernommen worden, erklärt Renter. Beispiele und Sprache habe man an den Berufsalltag bei der Polizei angepasst. Mitmachen könne jeder – vom Facility Manager bis hin zum Polizeipräsidenten.
Ein wichtiges Grundprinzip, das zum Erfolg des Programms beiträgt: Es wird niemand von außen in die Organisation geholt, der etwas von Achtsamkeit erzählt und dann wieder geht. Engagierte Mitarbeitende können sich ausbilden lassen, um dann das Gelernte an die eigenen
Mehr als eine Erkältung?
Krankenstand in Deutschland steigt weiter
(BS/sr) Seit ihrem Tiefstand 2007 nimmt die Zahl der Krankheitstage pro Beschäftigten in Deutschland stetig zu. Das geht aus den Daten mehrere Krankenkassen hervor. So sind die bisherigen Zahlen für Schleswig-Holstein in diesem Jahr mit 7,0 Prozent noch einmal höher als im vergangenen Jahr (6,8 Prozent). Für den selben Zeitraum wird der Krankenstand in der öffentlichen Verwaltung in Schleswig-Holstein mit 8,1 Prozent beziffert.
Deutschlandweit sind die Zahlen im Öffentlichen Dienst besonders hoch, wie sich aus dem jährlich erscheinenden Gesundheitsförderungsbericht schließen lässt. Mit die meisten Krankheitstage finden sich nach wie vor in der Berliner Stadtverwaltung. Hier hatten die Beschäftigten in den vergangenen Jahren im Schnitt um die 40 Krankheitstage.
Nach einem starken Anstieg der Zahlen während der Covid-19-Pandemie hatten Experten nun mit einer Trendwende gerechnet oder zumindest mit einem Rückgang. Im Vergleich zu den Pandemie-Jahren ist der Anstieg um 0,2 Prozent zwar geringer, aber dennoch besorgniserregend. Auch die bundesweiten Zahlen für 2023 zeigen deutlich, dass eine Trendwende nicht in Sicht ist. So waren die Beschäftigten in Deutschland 2023 im Schnitt 15,1 Tage und 2022 14,8 Tage krank. Etwas besser sehen die Zahlen der DAK-Gesundheit für das erste Quartal 2024 aus: Hier gab es zumindest einen leichten Rückgang der Krankheitstage. Dennoch mahnen die Krankenkassen eine
bessere Vorsorge an. Was aber ist der Grund für die hohe Anzahl der Krankheitstage?
Das Krankheitsbild
Hauptursache für die Krankschreibungen in Schleswig-Holstein während der ersten Jahreshälfte seien Atemwegsinfekte und Erkältungskrankheiten gewesen, erklärt Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest. Mehr als ein Viertel der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen lassen sich auf diese Krankheiten zurückführen. Diese Werte spiegeln immer noch die Zahlen der Pandemie-Jahre wider, da 2021 nicht einmal zehn Prozent der Arbeitsunfähigkeiten auf Atemwegsinfekte zurückzuführen war. Daneben sind es vor allem Erkrankungen an Muskeln und Skelett und psychische Belastungen, die zu Krankentagen führen. Diese sind etwa für die Hälfte der bisherigen Krankheitstage in Schleswig-Holstein verantwortlich und auch die Zahlen der DAK-Gesundheit weisen diese Krankheitssymptome als Hauptursache für Krankschreibungen aus.
SCHWERPUNKT
Weiterhin gilt, dass auch der Personalmangel den Krankenstand mitbeeinflusst. Das geht unter anderem aus dem Gesundheitsreport der DAK-Gesundheit hervor. Bei den von erhöhter Arbeitsbelastung Betroffenen kommt es zu vermehrten gesundheitlichen Beschwerden. Insbesondere die psychische Belastung ist mit zusätzlichem Druck verbunden. Diese Zusammenhänge können schnell zu einer Abwärtsspirale führen, denn mit mehr Krankheitsfällen entsteht mehr Belastung und durch mehr Belastung kommt es häufiger zu Krankschreibungen.
Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben. Man baut auf bekannte Gesichter, die vor Ort sind und jederzeit für Fragen zur Verfügung stehen. Das Konzept aus Offenburg kann nicht nur als Vorbild für andere Polizeidienststellen dienen, es lässt sich problemlos an alle Behördenstrukturen anpassen, betont Renter. „Ob ich in einer Kommune arbeite oder Landrat bin, das Konzept funktioniert bei allen gleich –aber die Behördenleitung muss es wollen.“
Nachwuchskräfte stärken Matthäus Fandrejewski unterstützt es, wenn Behörden sich für das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten einsetzen. „Achtsamkeit und psychische Gesundheit gehören zusammen“, betont der Vorsitzende der DBB Jugend. Zahlreiche Studien zeichneten ein klares Bild: Die psychische Gesundheit von jungen Menschen könne wesentlich besser sein. „Für uns als Jugend-Gewerkschaft ist das natürlich ein großes Thema. Denn der Fachkräftemangel geht oft zulasten junger Arbeitnehmender, die in die Bresche springen.“
Aktuellen Erhebungen zufolge fehlten dem Öffentlichen Dienst mehr als 570.000 Beschäftigte, um allen Aufgaben gerecht werden zu können. Diese Lücke lasse sich nicht von heute auf morgen schließen. Deshalb seien Fortbildungen und Seminare, die Achtsamkeit sowie den Umgang mit Druck und Stress in den Fokus rückten, ein sinnvolles Instrument, so Fandrejewski Bedarfe erkennen
Bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) sind Angebote zur Stärkung der Resilienz der Mitarbeitenden
ein fester Baustein des eigenen Gesundheitsmanagements. Mithilfe einer anonymisierten Mitarbeitendenbefragung wurde vor zwei Jahren die Gefährdungslage psychischer Belastungen am Arbeitsplatz in den Blick genommen. Die Ergebnisse wurden genutzt, um dezentral passende Maßnahmen – von Vorträgen über Online-Seminare bis hin zu Workshops – zu planen. Mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden hat laut Befragung bereits Angebote zur Gesundheitsförderung in der eigenen Dienststelle genutzt. Am zweithäufigsten waren das Angebote zur Stressbewältigung.
Mitarbeitende der BA haben die Möglichkeit, an spezifischen Resilienz-Weiterbildungsangeboten oder Online-Trainings teilzunehmen. Gerade im Bereich der Führungskräfteentwicklung ist das Thema fester Bestandteil vieler Bildungsangebote. Bei Bedarf und auf eigenen Wunsch hin steht den Mitarbeitenden zudem der Berufspsychologische Service für Psychologische Beratungen zur Verfügung – sowohl wenn es um die Bewältigung von beruflichen Herausforderungen geht als auch bei privaten Anliegen.
Eine Selbstverständlichkeit Die BA und das Polizeipräsidium Offenburg gehen bei der Förderung von Achtsamkeit und Resilienz mit gutem Beispiel voran. Nachahmen ist laut Renter explizit erwünscht. Er sieht sich als Impulsgeber, möchte mit seiner Arbeit etwas in Bewegung setzen. Wenn Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern ihr Interesse am Offenburger Achtsamkeitsprogramm signalisieren – vielleicht sogar über ein ähnliches Vorhaben nachdenken –, ist das für ihn ein Schritt in die richtige Richtung. Doch er weiß auch: „Das darf man nicht auf der Rennbahn machen.“ Trotzdem geht er fest davon aus, dass Achtsamkeit in Zukunft ein wichtiger, selbstverständlicher Bestandteil der Arbeitswelt sein wird. Schon an den Hochschulen könnte man Achtsamkeit und Resilienz mit in den Lehrplan aufnehmen, um Nachwuchskräfte von Beginn an zu stärken.
Beherrscht vom Chaos?
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Um diesem Phänomen zu begegnen, nimmt das Bundesinnenministerium zum einen die Flughäfen in die Pflicht, die Umzäunung des Vorfeldbereiches – häufig lediglich Maschendraht – zu verbessern. Dies wiederum stößt regelmäßig auf Widerstand bei den Flughafenbetreibern, da entsprechende Maßnahmen mit immensen Kosten verbunden sind. Ein weiterer Ansatz ist die Novellierung des Luftsicherheitsgesetzes, das sich bereits im Referentenentwurf befindet. Ziel ist es, Klimaaktivisten auf Flughäfen härter zu sanktionieren und infolgedessen auch abzuschrecken.
Neue Bußgeldvorschrift
Der Entwurf des neuen Luftsicherheitsgesetzes ist im Grunde eine Reaktion auf die Klimaproteste im Sommer 2023 und steht nun kurz vor der Finalisierung. Eine maßgebliche Änderung ist die Einführung eines Bußgeldes für das unerlaubte Betreten der sogenannten Luftseite von Flughäfen – gemeint ist der zugangsbeschränkte Teil eines Flughafens z. B. nach der Bordkartenkontrolle – sowie von Sicherheitsbereichen wie z. B. dem Vorfeldbereich.
Eine Bußgeldvorschrift für Flughafenausweisinhaber, die das tun, gibt es bereits in der aktuellen Gesetzgebung. Sie findet aber nach herrschender Meinung keine Anwendung auf andere Personen wie
Luftsicherheitsgesetz verschärfen
Besserer Schutz vor Klimaprotesten auf Flughäfen
(BS/Prof. Dr. Harald Bretschneider/Lennard Maier) Klimaproteste haben sich im Laufe der letzten Jahre auf viele sensible Sektoren ausgeweitet. Erst jüngst legten zum Auftakt der Sommerferien 2024 Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten der sogenannten Letzten Generation u. a. die Flughäfen in Frankfurt und Köln/Bonn lahm. Die Vorgehensweise ist dabei häufig identisch: Konspirative Gruppen durchdringen an mehreren Punkten des Flughafens den Zaun und betreten den Vorfeldbereich. Anschließend kleben sich Aktivisten mit schwer lösbaren Klebern und Betongemisch auf den nah am Ort des Durchdringens befindlichen Rollbahnen fest. Die Folgen sind häufig, dass der Flugbetrieb gestört wird oder gar eingestellt werden muss.
Wenn sich Klimaaktivisten auf dem Rollfeld eines Flughafens festkleben, ist das nicht nur ein Ärgernis für all jene, deren Flug nicht planmäßig stattfinden kann – es ist auch eine ernst zu nehmende Gefahr für die Luftsicherheit. Foto: BS/defpics, stock.adobe.com
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Behörden
werden. Klimaaktivisten, die also z. B. Bolzenschneider oder Messer mit einer Klingenlänge von über sechs Zentimetern mit sich führen, könnten noch härter bestraft werden, da sich hierdurch das mögliche Schadenspotenzial erhöht. Auch der Versuch dieser neuen Delikte soll zukünftig unter Strafe stehen.
Unklare Verantwortlichkeiten Kompliziert gestaltet sich die Frage der Zuständigkeit auf deutschen Flughäfen ohnehin. Obgleich die Flughafenbetreiber für die Umzäunung und das Bestreifen zuständig sind, liegt die Verantwortung hierfür letztlich bei der jeweiligen Landesluftsicherheitsbehörde. Die Bundespolizei wiederum ist eine weitere Luftsicherheitsbehörde, die für die Bestreifung des Vorfeldes zuständig ist und deshalb auch bei Lagen um Klimakleber regelmäßig federführend agiert. Sofern die Protestaktionen als verbotene Versammlungen einzuordnen sind, kommt zudem noch – je nach Bundesland –entweder die Landespolizei oder die Kommunalbehörde als Versammlungsbehörde ins Spiel, um entsprechende Versammlungen aufzulösen. Dieses Geflecht an Zuständigkeiten, das durch die Novelle des Luftsicherheitsgesetzes nicht entzerrt wird, macht einen effektiven Schutz der Flughäfen jedenfalls nicht einfacher.
z. B. die Klimakleber. Mit dem nun geplanten „Jedermann-Verbot“ kann der Gesetzgeber diese Lücke schließen.
Gefährdung des zivilen Luftverkehrs
Der unter Paragraf 315 StGB fallende gefährliche Eingriff in den Luftverkehr ist häufig wegen der vom Gesetz geforderten, in der Praxis aber ausbleibenden konkreten Gefahr für ein explizites Rechtsgut wie Leib oder Leben zu verneinen. Dies hängt damit zusammen, dass sich Klimaaktivisten typischerweise nicht auf Start- und Landebahnen kleben, sondern lediglich auf die Rollfelder. Das hiervon ausgehende Risiko für die genannten Rechtsgüter ist aber eher als abstrakt einzustufen.
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Zukünftig soll nicht mehr nur das unberechtigte Eindringen auf das Vorfeld eines Verkehrsflughafens mit einem Bußgeld geahndet werden können. Vielmehr soll ein Straftatbestand geschaffen werden, der neben dem bloßen unerlaubten Eindringen auch eine Beeinträchtigung des zivilen Luftverkehrs als Tatbestandsmerkmal vorsieht. Im Gegensatz zu Paragraf 315 StGB wird künftig also eine abstrakte Gefahr für ein strafbares Verhalten ausreichen, die wohl bei jeglicher Art von Protest und Klebeaktion auf dem Vorfeld zu bejahen sein wird. Der bloße Versuch Als Qualifikationstatbestand, der einen Strafrahmen bis zu fünf Jahren Haft vorsieht, soll das unerlaubte Eindringen gelten, wenn dabei verbotene Gegenstände mitgeführt
Gesetzentwurf auf dem Prüfstand Eine Reaktion des Gesetzgebers auf die wachsende Anzahl an Vorfällen auf Flughäfen ist grundsätzlich zu begrüßen, da Szenarien dieser Art beim Inkrafttreten des Luftsicherheitsgesetzes noch nicht bekannt waren. Fraglich ist aber, ob die neuen Normen die gewünschte Abschreckung bewirken werden. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass härtere Sanktionen über den geäußerten politischen Willen hinaus kaum einen erkennbaren Unterschied machen. In der Praxis sollte deshalb nach weiteren präventiven Ansätzen gesucht werden, wie etwa einer effizienteren Bestreifung und einer moderneren Umzäunung von Flughäfen, Letzteres auch unter Einsatz von Infrarotund Wärmebildtechnologie.
Prof. Dr. Harald Bretschneider lehrt an der Hochschule des Bundes am Fachbereich Bundespolizei in Lübeck.
Polizeihauptkommissar Lennard Maier ist Fachlehrer für Luftsicherheit an der Bundespolizeiakademie. Er ist Autor mehrerer Werke im Bereich der Luftsicherheit. Fotos: BS/privat
Zahl der Disziplinarverfahren
(BS/akh) „Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen“ – so steht es in Paragraf 77 des Bundesbeamtengesetzes. Liegt der Verdacht auf eine Dienstpflichtverletzung vor, wird ein Disziplinar verfahren eingeleitet. Die vor Kurzem veröffentlichte Disziplinarstatistik 2023 erfasst die im vergangenen Jahr abgeschlossenen behördlichen und gerichtlichen Diszplinarverfahren gegen Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte aufgrund einer Dienstpflichtverletzung und gibt Aufschluss über die Häufigkeit und Art der betrachteten Dienstvergehen. Bei den abgeschlossenen Verfahren im vergangenen Jahr wurde in weniger als der Hälfte eine Disziplinarmaßnahme verhängt
Im Durchschnitt betrug die Bearbeitungsdauer von Disziplinar verfahren laut Disziplinarstatistik 2023 in behördlichen Verfahren ca. 16 Monate und bei gerichtlichen Verfahren ca. 31 Monate. Die lange Verfahrensdauer soll durch eine Reform des Bundesdisziplinargesetzes deutlich verkürzt werden. Die gesetzlichen Änderungen sind am 1. April 2024 in Kraft getreten und haben noch keine Auswirkungen auf die Diziplinarstatistik 2023.
des Dienstes, die nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz dem Beruf zu widmen.
In einem im Februar vorgelegten Staatsvertrag sollen die Grenzen zwischen den beiden Bundesländern angepasst werden. In erster Linie geht es um den Austausch nicht bewohnter Exklaven Brandenburgs in Sachsen-Anhalt. Eine Grundlage dafür bietet unter anderem Artikel 29 Absatz 7 des Grundgesetzes, wonach ein Gebietsaustausch z. B. durch einen Staatsvertrag erfolgen kann, wenn das Gebiet nicht mehr als 50.000 Einwohner hat. Zur Umsetzung des Staatsvertrages haben die beiden Länder im Juni und im August jeweils Gesetze verabschiedet, sodass die Grenzverschiebung umgesetzt ist und nur einige Formalia innerhalb der nächsten Monate zu klären sind.
Sachsen-Anhalt wächst Mit Inkrafttreten der beiden Gesetze, die den im Februar beschlossenen Staatsvertrag umsetzen, wird Sachsen-Anhalt um etwa 20 Hektar wachsen. Der Grund für die Übertragung der Gebiete sei ein verwaltungstechnischer, wie Bernd Schlömer, Staatssekretär im Ministerium für Infrastruktur und Digitales und CIO des Landes Sachsen-Anhalt, erklärt: „Mit dem Flächentausch der beiden Bundesländer gehen für uns aber auch ganz einfache sachliche Vorteile einher. So werden die Landesentwicklungsplanung, die Regionalplanung sowie die Aufstellung von Flächennutzungsplänen und Bauleitplänen erleichtert.Hier muss dann jeweils kein Hoheitsgebiet eines anderen Bundeslandes überplant werden.“
Insgesamt werden sechs Exklaven von Brandenburg in das Gebiet von Sachsen-Anhalt und eine
Wenn
Menschen aus NordrheinWestfalen in der Telefonzentrale ihres Finanzamtes anrufen, haben sie fast immer einen blinden oder sehbehinderten Menschen am Apparat. Merken werden sie davon allerdings nichts – was natürlich in erster Linie an der hohen Kompetenz unserer Kolleginnen und Kollegen liegt, aber auch an der passenden individuellen Technikausstattung. Das ist ein Baustein unserer Inklusionsstrategie und ein Beispiel, wie wir in der Finanzverwaltung des Landes die Einbeziehung von behinderten Menschen umfassend leben.
Rund 3.300 schwerbehinderte Beschäftigte arbeiten für die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen –die Quote von mehr als zehn Prozent liegt weit über dem Schnitt der gesamten Landesverwaltung. Einige Kollegen sind Quereinsteiger, einige haben wir selbst zu Steuerexperten ausgebildet. Wir unterstützen individuell entsprechend der jeweiligen Behinderung und haben passende Strukturen sowie Prozesse etabliert.
Erweiterte Kompetenzen
Um bei dem Beispiel der Telefonzentrale zu bleiben: Allein in diesem Bereich beläuft sich die Zahl der blinden und sehbehinderten Mitarbeitenden auf 140. Hier arbeiten hochmotivierte und gut ausgebildete Fachkräfte, für deren Einsatz wir sehr dankbar sind.
Deshalb haben wir im vergangenen Jahr ein Pilotprojekt aufgelegt, mit dem wir ihnen den Weg zum beruflichen Aufstieg vom einfachen zum mittleren Dienst eröffnen: Wir haben die Schulungsmaßnahmen und auch unsere eigene Fortbildungsakademie so auf einen barrierefreien Stand gebracht, dass die Mitarbeitenden der Telefonhotline für die inhaltliche Beratung im neuen landesweiten Bürgerservice fit gemacht werden können. Das heißt:
Ländertausch
Ex-Exklaven vergrößern Sachsen-Anhalt
(BS/sr) Ob nun Enklaven inmitten eines Landes oder Grenzverläufe, die direkt durch Wohnhäuser verlaufen: Beispiele gibt es auf der ganzen Welt. Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben nun beschlossen, einen solchen Grenzverlauf anzugleichen und dazu einen Staatsvertrag aufgesetzt. Dadurch wächst Sachsen-Anhalt um 20 Hektar.
Laut Staatsvertrag muss dieser Schritt spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten desselben erfolgen.
Doch noch Flickenteppich
Thüringen
Sachsen-Anhalt
Berlin
Brandenburg
Sachsen
neue Landesgrenze alte Landesgrenze unveränderte Landesgrenze
Ohne Einwohner waren die Exklaven in erster Linie ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand, der nun wegfällt. Ganz so problemlos ist die Auflösung von Exklaven allerdings nicht.
sachsen-anhaltische Exklave in Brandenburgs Landesgebiet übertragen. Die Umsetzung der neuen Flächenzuordnung vereinfacht nach Schlömers Aussage, das in beiden Bundesländern digital geführte Liegenschaftskataster.
Probleme beseitigen
Durch die Bereinigung der Grenzen wird vor allem die Verwaltung
und Bauplanung des Gebietes erleichtert. So sollen unter anderem bisherige Probleme bei Verkehrssicherungs- und Unterhaltungspflichten auf der von der Grenzverschiebung betroffenen Kreisstraße K6944 beseitigt werden, indem die Zuständigkeiten nun klar durch den Verlauf der Straße einem der beiden Länder zugeordnet ist. Auch die digitale Verwaltung
Foto: BS/lvermgeo Sachsen-Anhalt
im Liegenschaftskataster dürfte sich durch die Verschiebung der Grenze vereinfacht haben. In den kommenden Monaten werden die Kommunen, welche die ehemaligen Exklaven verwaltet haben, noch die dazugehörenden Dokumente, die die verschobenen Gebiete betreffen, austauschen. So soll eine lückenlose Weiterführung garantiert werden.
Eine gute Gelegenheit
Inklusion ist Auftrag und Chance zugleich
(BS/Dr. Dirk Günnewig) Die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung hat mit über zehn Prozent eine vergleichsweise hohe Quote von Beschäftigten mit Behinderung. Hier wird Inklusion gelebt und gefördert – das zahlt sich aus.
Damit Menschen mit körperlichen Einschränkungen ihre Talente einbringen und Verwaltung mitgestalten können, müssen die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden.
Sie verbinden die Anruferinnen und Anrufer nicht nur, sondern helfen jetzt auch direkt inhaltlich bei Verständnisfragen zum Steuerbescheid und ähnlichen Anliegen. So ermöglichen wir den Mitarbeitenden neue Herausforderungen, eine persönliche Weiterentwicklung und erschließen für unsere Verwaltung wichtige Personalressourcen.
Gut ausgestattet Ganz wichtig ist in diesem Bereich der Faktor Technik. Dafür haben wir unser A-Team – die Truppe für „Assistive Technik“. Einige unserer sehbehinderten Kollegen können an einem speziellen Bildschirm mit starker Vergrößerung lesen. Andere brauchen ein Gerät mit Sprachausgabe und Braillezeile – ein Display für die Übersetzung in Blinden-
Foto: BS/Drazen, stock.adobe.com
schrift – zur Sichtung von Dokumenten. Der Support für unsere schwerbehinderten Kollegen erfolgt immer individuell und zielgerichtet, damit alle Beschäftigten ihre Arbeit so gut und gern wie möglich erledigen können. Darüber hinaus gibt es auch für Beschäftigte mit psychischen oder neurodiversen Beeinträchtigungen eine bedarfsund bedürfnisorientierte Begleitung durch Fachpersonen aus dem Bereich Personal. Aber natürlich brauchen wir nicht nur den Blick auf den einzelnen Menschen, sondern auch einen ganzheitlichen, wenn wir die Inklusion in unserer Verwaltung strukturiert nach vorne bringen wollen. Deshalb ist zu Beginn des Jahres unser Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit in der IT (KOMBIT) an
Die nunmehr ehemaligen Exklaven sind aber bei Weitem nicht die einzigen ihrer Art in Deutschland. Besonders die drei Stadtstaaten Berlin und die beiden Hansetädte Bremen und Hamburg sind aufgrund ihrer Größe und Bevölkerungsdichte prädestiniert dafür, Exklaven zu haben. So ist zum Beispiel Bremerhaven eine Exklave des Landes Bremens, die aber noch einmal eine weitere Exklave beinhaltet, nämlich der Stadt Bremen selbst. Die Stadt rechnet das Überseehafengebiet zu ihrem eigenen Territorium.
Auch andere Bundesländer haben nach wie vor Exklaven in Nachbarstaaten. Besonders kurios sind einige Exklaven entlang der belgisch-deutschen Grenze, da sie bisweilen nur durch 50 Meter belgisches Territorium vom Rest des Landes getrennt sind. Bei diesem schmalen belgischen Korridor handelt es sich um eine ehemalige Bahnlinie, die seit dem Versailler Vertrag zu Belgien gehört. Allerdings ist die ehemalige Zugstrecke heutzutage nicht mehr in Betrieb und Teil eines Rad- und Wanderwegs, der durch drei Länder von Aachen nach Ulffingen führt. Die Auflösung solcher Exklaven und Enklaven ist aber nur dann so einfach möglich, wenn sie unbewohnt sind und sich für die Eigentümer nicht viel ändert, so, wie im Falle der übertragenen Gebiete zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt.
den Start gegangen, welches das Bewusstsein für diesen Aspekt in allen Prozessen verankert.
Wegbereiter Verwaltung
Das KOMBIT sorgt dafür, dass der Abbau von Barrieren immer von Anfang an mitgedacht wird – ob es um Ausschreibungen geht, um die Erstellung von Dokumenten oder die Entwicklung neuer Software. Denn Barrierefreiheit von Hard- und Softwareprodukten eines Arbeitgebers ist ein Kernbereich der Inklusion. KOMBIT erreicht mit seinen Angeboten jeden Bereich des Verwaltungshandelns: von der Aus- und Fortbildung bis hin zu Personalversammlungen und extern wirkenden Veranstaltungen. Ich hoffe, dass eines inzwischen klar geworden ist: Wir wollen Menschen mit all ihren Talenten, aber auch mit körperlichen Einschränkungen als Beschäftigte. Wir sehen hier ein großes Potenzial für unser Recruiting und werben gezielt um schwerbehinderte Menschen als Arbeitskräfte – zum Beispiel auf der Fachmesse für Rehabilitation, Integration und Pflege „Rehacare“ in Düsseldorf. Natürlich hat die öffentliche Verwaltung, wie auch andere moderne Arbeitgeber, den gesellschaftlichen Auftrag, Wege zur Teilhabe zu öffnen – aber wir sehen Inklusion zugleich als echte Chance für unsere Zukunft.
Denken und Lenken
Deshalb ist die Inklusion auch ein Baustein unseres aktuellen Modernisierungsprogramms „Finanzverwaltung für Nordrhein-Westfalen“.
In diesem Rahmen haben wir jetzt
die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Inklusions-Chancen (KIC) beschlossen und gemeinsam mit unserer Personal- sowie Hauptschwerbehindertenvertretung auf den Weg gebracht. Das Ziel: Bei neuen Arbeitsprozessen oder Projekten sollen die Perspektiven für Inklusion sofort ausgelotet werden. Kann es sinnvoll und klug sein, hier Menschen mit besonderen Fähigkeiten einzusetzen – und wie? Diese Frage soll standardisiert und automatisch im Raum stehen – nicht zufällig einmal aufploppen. Letztlich geht es immer darum, wie wir denken. Im Jahr 2019 hat das Ministerium der Finanzen in Nordrhein-Westfalen seine erste Rahmeninklusionsvereinbarung geschlossen. Und jetzt spüren wir mehr und mehr, dass die Ideen und Überzeugungen, die dort aufgeschrieben sind, tatsächlich in unser Verwaltungshandeln eingesickert sind und segensreich wirken. Deshalb werden wir Inklusionsvereinbarungen für alle Finanzämter im Land auflegen. Viele Bausteine zusammen bilden ein solides Fundament. Und ein solches Fundament soll das Bewusstsein in unserer Finanzverwaltung sein, dass Inklusion keine Notwendigkeit, kein Erfordernis ist – sondern eine Gelegenheit. Ein zusätzlicher Weg, um uns in herausfordernden Zeiten personell stark aufzustellen und vor allem tolle Menschen zu finden, die mit ihren individuellen Besonderheiten unsere Familie Finanzverwaltung bereichern.
Dr. Dirk Günnewig ist Staatssekretär im Ministerium der Finanzen des Landes NordrheinWestfalen.
Foto: BS/Land NRW, Ralph Sondermann
Ministerium
Ministerbüro
M 5 Grundsatz und Planung Dr. Alexandra Ortmann -2030
M 4 Parlament, Kabinett Pascal Barthel -2024
M 3 Bundesrat*), EU-Koordination
030/726200-870 oder 2017
Patricia FriedrichFay -2015
M 2 Presse, Öffentlichkeits- arbeit Samira Bouchouaf -2020
M 1 Persönliches Referat Dorieta Gjura -2033
Leitung Milena Stuhlmann -2007
*) Ansprechperson für das Ressort HMWVW bei der Hess. Landesvertretung in Berlin: Dr. Wolf Albin
*) Ansprechperson für das Ressort HMWVW bei der Europäischen Union in Brüssel: Felix Holefleisch 0178 218 8322
00322/739-5933
Seehafer
*) Ansprechperson für das Ressort HMWVW bei der Europäischen Union in Brüssel: Dr. Bernadette
Stabstelle: Beauftragter für den ländlichen Raum (BLR) Knut John -2080
E-Mail:
VII Bauen, Wohnen, Städtebau, Landesentwicklung Michael Bruder -2400
VI Straßen und Verkehrswesen Martin Weber -2800
V Mobilität, Luftverkehr, Eisenbahnwesen Bernhard Maßberg -2370
VI 1
VII 1 Landesentwicklungsplan, Landesplanung und Europäische Raumentwicklung
N.N.
Planfeststellung Bundes-, Landes-, Kreisstraßen Kirsten Preetz -2399
VII 2 Raumordnung und Regionalplanung Florian Ismaier -2916
VI 2 Straßenbau Bundes-, Landes-, Kreissstraßen Jürgen Richter -2405
VII 3 Baurecht Ulrich Staiger -2957
VI 3 Lärmschutz Straße, Ordnungsrecht Straßenverkehr, Verkehrssicherheit Dr. Hendrik Schüler -2398
VII 4 Bautechnik Susanne Vogt -2946
VII 5 Großer Frankfurter Bogen, innovative Konzepte Wohnen und urbanes Leben Petra Manahl -2031
VI 4 Fahrerlaubnisund Zulassungswesen, Großraumund Schwerverkehr, Straßenbetrieb, Gefahrgut Kirsten Happe -2413
VI 5 Straßenrecht Dr. Jutta Geiger -2432
VII 6 Städtebau und Städtebauförderung Karin Jasch -2850
VI 6 Planfeststellung Bundesautobahnen Torben Ludwig -2056
VI 7 Bundesautobahnen, DEGES Jörg Belten -2453
V 1
Mobilität, Logistik, Binnenschifffahrt Dr. Langhagen-Rohrbach 2376
V Außenwirtschaft, Mittelstand, Berufliche Bildung, Technologische Innovation Marco Kreuter (kommissarisch) (Abt. IV, außer
IV 5) -2052 Sven-Gerrit Schellberg (kommissarisch) (IV 5) -2350
V 2 Eisenbahn, Schieneninfrastruktur Anke Münker-Tiedge -2420
IV 1 Außenwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit Zorica Hohmann -2771
V 3 Nahmobilität Dr. Klaus Dapp -2450
IV 2 Handwerk, Mittelstand, Handel, Wirtschaftsrecht Carolin Friedländer -2274
V 4 Sicherheit im Luftverkehr Jörg Arne Egerter -2501 V 5 Luftverkehr –Genehmigung und Planfeststellung Dr. Moritz Maus -2407 V 6 ÖPNV, Personenbeförderungsrecht Patrick Kirsch -2363 V 7 ÖPNV, Verkehrsverbünde (V 7a) Dr. Simone Brockmann -2308 (V 7b) Kira Lindner -2689
IV 3 Unternehmenszentrierte Innovationen und Wissenstransfer Sebastian Hummel -2471
IV 4 Ressourceneffiziente Produktion und Transformation Franziska Richter -2772
IV 5 Berufliche Bildung (IV 5a) Hilke Smit-Schädla -2242 (IV 5b) Nicole Hannemann -2933
Internet: http://www.wirtschaft.hessen.de
Staatssekretär Amtschef Umut Sönmez
Staatssekretär N.N.
Geschäftsstelle Krisenstab Energie Susanne Ruth -2900
I II Wirtschaftsordnung, Finanzdienstleistungen, Börsen Marco Kreuter -2052
II Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsförderung Klaus-Dieter Jäger 2280
III 1 Landeskartellbehörde, Wettbewerbsrecht Rüdiger Meixner -2301
II 1 Wirtschaftspolitik und EU- Beihilfenkontrollpolitik Dr. Carsten Schreiter -2284
III 2 Kammeraufsicht, wirtschaftlicher Verbraucherschutz Karsten Hiestermann -2309
II 2 Wirtschaftsförderungseinrichtungen, Koordinierungsstelle Zuwendungen Michaela Degen -2615
III 3 Energieregulierung Stefan Lamberti -2250
III 4 Vergabewesen, Gewerberecht, Eichund Messwesen Pia Walch -2998
II 3 Förderung der gewerblichen Wirtschaft, öffentliche Finanzierungshilfen, wirtschaftsnahe Infrastruktur Claudia Knobel -2292
III 5 Finanzplatz Frankfurt Claire Kütemeier -2949
II 4 Industrie, Umweltschutz in der gewerblichen Wirtschaft Dr. Peter Doepgen -2286
III 6 Kreditwesen, Versicherungen Prof. Dr. Michael Hippeli -2932
II 5 Tourismus und Freizeitwirtschaft Ulrike Franz-Stöcker2290
IV 6 Start-ups, Kulturund Kreativwirtschaft Rolf Krämer -2353
III 7 Börsenaufsicht Armin Winterhoff -2304
V 8 Verkehrsdatenmanagement, Verkehrstelematik und OZG –Projekte Christopher Kuhlmann -2200
Stabsstelle Fluglärmschutz und nachhaltige Luftverkehrswirtschaft Regine Barth -2050 Fluglärmschutzbeauftragte* Foto: BS/Peter Jülich, HMWVW
II 6
EFRE-Verwaltungsbehörde Hessen, Europäische Regionalförderung Holger Haubfleisch -2470
VII 7 Wohnungsbau und Wohnungsrecht Dr. Johannes Kalusche -2861 RegKH Regulierungskammer Hessen Stefan Lamberti -2250 Energie, Geound Planungsinforma- tionen Susanne Ruth -2900
Z Zentralabteilung Sven-Gerrit Schellberg 2350
I 1 Integrierte Umweltplanung Iris Otto -2410
Z 1 Organisation, Zentrale Dienste Hans Weigandt 2090
I 2 Geoinformation, Vermessung, Immobilienwertermittlung Udo Biefang -2421
Z 2 Haushalt, Controlling, Bilanzierung Walter Stern -2106
I 3 Planungsinformationen, Prognosen, Statistik, Hessische Landgesellschaft Rainer Keller -2920
Z 3 Personal Dr. Holger Zoubek -2168
I 4 Energieeffizienz, Energieberatung Silvia Uplegger -2482
Z 4 Justiziariat (Z 4a) Emily Jäschke -2055 (Z 4b) Anna Spindler -2132
I 5 Energiemärkte, Energieaufsicht, Netzausbau Frank Limberg -2462
Z 5 Digitalisierung, IKT Katja Kümmel -2251
I 6 Energiepolitik, Erneuerbare Energien Energietechnologien Dr. Andreas Meissauer -2902
Sonderbeauftragter zur Koordinierung Hessen Agentur und WIBank: Klaus-Dieter Jäger Datenschutzbeauftragte Emily Jäschke (-2055) und Anna Spindler (-2132) l Digitalisierungsbeauftragte Ressort: Katja Kümmel (-2251) IT-Sicherheitsbeauftragter: Manuel Milani (-2414) Arbeitsschutz-Sicherheitsbeauftragte: Katrin Marko (-2124) Frauenund Gleichstellungsbeauftragte: Irene Schramm und Annette Pitz (-2328) Vorsitzende des Personalrats: Friederike Berns (-2126) Schwerbehindertenvertreterin: Jasmin Schmidt (-2928)
Fortbildungsbeauftragte: Kim-Andrea Griemsmann (-2454) Jugendund Auszubildendenvertretung: Lucy Brust (-2778) Interne Meldestelle nach dem HinSchG (-4200) Ansprechperson für Korruptionsprävention: Kai Peters (-2102) l Beauftragter für den Haushalt: Walter Stern (-2106)
Kanzler und Oppositionsführer überboten sich fast in den Formulierungen, wer die besseren Konzepte gegen die irreguläre Migration habe. Scholz lobte sich selbst: Seine Regierung habe die größte Wende im Prozess der irregulären Migration zustande gebracht. Alle Möglichkeiten, zurückzuführen, würden „im Rahmen des geltenden Rechts“ genutzt. Scholz bekannte sich zur Weltoffenheit. Diese bedeute aber nicht, dass jeder kommen könne, der das möchte. Merz sagte, die Union stehe gegen jede Form von Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit. Doch „die Zahl derer, die zu uns gekommen sind und nicht integriert werden konnten, ist zu hoch“. Umfassende Zurückweisungen seien rechtlich zulässig, praktisch möglich und politisch geboten.
Maßnahmenpaket für mehr Sicherheit
Um den Worten Taten folgen zu lassen, hat die Ampel-Koalition ein „Sicherheitspaket“ in den Bundestag eingebracht. Damit sollen die notwendigen Konsequenzen nach den „brutalen Morden durch einen Islamisten“ in Solingen gezogen werden, wie Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte. Außerdem dürften die schlechten Ergebnisse der Ampel-Parteien bei den letzten Landtagswahlen zu einem Umdenken geführt haben. Die angekündigten stärkeren Kontrollen an allen deutschen Grenzen wurden bereits eingeführt. Weitere Maßnahmen betreffen die Schutzanerkennung von Ausländern, eine Verschärfung des Waffenrechts und den Verlust des Schutzstatus, wenn der Betroffene in sein Heimatland zurückreist. Die Koalition war des Lobes voll über ihr Paket. So meinte der FDP-Abgeord-
Für die Steuerpflichtigen, ihre Steuerberater, die Finanz- und Steuerämter und die verschiedenen Normgeber ist das Thema Grundsteuer aus verschiedensten Gründen regelmäßig bis ständig auf der Tagesordnung.
Zwischenzeitlich ist auch die Finanzgerichtsbarkeit als Akteur hinzugetreten. Man konnte letztes Jahr in Zeitungsartikeln gelegentlich den Eindruck gewinnen, dass die Verfassungswidrigkeit der neuen Grundsteuer gerichtlich bestätigt worden ist und das „ScholzModell“ amtlich gescheitert sei; erinnert sei hier an die Beschlüsse des Finanzgerichts (FG) RheinlandPfalz, die – was nicht immer erwähnt wurde – in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergingen. Dass zuvor das Sächsische FG in einem Hauptsacheverfahren keine verfassungsrechtlichen Zweifel hatte, blieb ebenfalls nicht selten unerwähnt.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt Die Beschwerdeentscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den Beschlüssen aus RheinlandPfalz kamen sodann zügig, dürften aber diejenigen, die sich ganz grundlegend für die Verfassungswidrigkeit der neuen Grundsteuer stark gemacht hatten, enttäuscht haben – auch wenn der BFH die Aussetzungsentscheidungen bestätigt hat. Denn der BFH hat sich auf einen einzigen Aspekt konzentriert: Er sieht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, wenn der Grundsteuerwert im Einzelfall um mehr als 40 Prozent von dem Verkehrswert des Grundstücks abweicht. Daher könne der Steuerpflichtige den Nachweis eines niedrigeren, diese 40-Prozent-Grenze überschreitenden gemeinen Wertes
Unterfinanziertes Sicherheitspaket
1.000 zusätzliche Stellen für die Bundespolizei
(BS/Hans-Jürgen Leersch) Haushaltswoche im Bundestag: Da geht es normalerweise überwiegend um Zahlen und Statistiken. Nicht so in der zweiten Septemberwoche, als Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Herausforderer, der einige Tage danach zum Unions-Kanzlerkandidaten ausgerufene CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, ein anderes Thema zum Schwerpunkt machten: die Migrations- und Zuwanderungspolitik. Das Motto beider Politiker: Grenzen rauf und die früher großzügige Aufnahmebereitschaft runter.
Schärfere Grenzkontrollen für mehr Sicherheit: Im Bundestag ist man sich nicht einig darüber, ob die eingerechneten Mittel zur Stärkung der Inneren Sicherheit ausreichen. Foto: BS/stock.adobe.com, Ines
nete Konstantin Kuhle, der Anschlag von Solingen habe gezeigt, dass man auch durch Ordnung und Kontrolle in der Migrationspolitik dazu beitragen müsse, „dass die Innere Sicherheit in Deutschland wieder besser wird“. Aber die Frage, ob die eingeplanten Gelder ausreichen werden, um die Innere Sicherheit zu verbessern, ist zwischen Regierung und Opposition strittig. Zwar soll Faesers Innenministerium im kommenden Jahr
mit 13,75 Milliarden Euro etwas mehr Geld bekommen als 2024 (13,34 Milliarden). Die Ministerin selbst sprach von einem Haushalt, „der vorausdenkt, der vorsorgt und der klare Prioritäten setzt“. Auch Thorsten Lieb (FDP) erklärte, mit einer „Sicherheitsmilliarde“ würden besonders Bundespolizei und Bundeskriminalamt gestärkt. Leon Eckart (Grüne) kündigte an, es würden 1.000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei geschaffen.
Doch erscheint die Finanzausstattung der Bundespolizei unzureichend: Wenn die Grenzkontrollen verstetigt werden sollten, dürfte das Budget für die Bundespolizei nicht ausreichen. Auch beim Bundeskriminalamt (BKA) ist mit einem Anstieg von 874,25 auf 889,45 Millionen Euro nur ein geringer Anstieg eingeplant. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde sogar von 1,02 Milliarden auf 909,66 Millionen Euro gekürzt. Der
Zweifel an neuer Grundsteuer-Berechnung
Bundesfinanzhof stärkt Rechte von Hausbesitzern
(BS/Prof. Dr. Marcel Krumm) Das Grundsteuerreformgesetz wird im nächsten Monat fünf Jahre alt. Der Prozess bis zum Gesetzesbeschluss war schwierig und die Umsetzungs- und Nachsteuerungsphase ist nach wie vor nicht abgeschlossen.
Der Bundesfinanzhof sieht bei der neuen Berechnung der Grundsteuer in einigen Fällen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
erbringen und den Ansatz dieses Wertes verlangen; auch wenn das Gesetz dies gar nicht vorsieht.
Nachweis eines niedrigeren Wertes
Methodisch hat der BFH damit das Gesetz gegen den Willen des Gesetzgebers korrigiert und kurios ist zudem, dass die Antragsteller obsiegten, obwohl sie die 40-Prozent-Abweichung gar nicht nachgewiesen hatten. So kritikwürdig die Vorgehensweise des BFH auch ist, so muss man aber auch anerkennen, dass die Einziehung einer solchen Typisierungsgrenze im Ergebnis vertretbar ist.
Da die Grenzziehung bei einer Abweichung von 40 Prozent liegen soll, dürfte die Massenvollzugs-
tauglichkeit des Grundsteuerrechts hierunter kaum leiden. Es dürfte nur eine – gemessen an der Masse der Fälle – überschaubare Zahl von Fällen geben, in denen sich der Weg des Nachweises eines niedrigeren Wertes lohnt. Jedenfalls hat der NRW-Landesgesetzgeber dies so gesehen. Er hat mit NordrheinWestfalens GrundsteuerhebesatzGesetz (NWGrStHsG) vom 3. Juli 2024 eine Regelung geschaffen, die eine Nachweismöglichkeit vorsieht, wie sie der BFH verlangt. Damit hat der Landesgesetzgeber die Deutungs- und Regelungshoheit zurückerlangt; vor allem hat er klar geregelt, dass die Nachweislast den Steuerpflichtigen trifft und wie dieser den Nachweis erbringen kann (Gutachten oder zeitnaher Kauf-
CDU/CSU-Abgeordnete Alexander Throm rechnete vor, dass die Ampel-Koalition zwischen 2022 und 2024 rund 1,3 Milliarden Euro bei der Bundespolizei gespart habe. Throm sprach von einer „Unterfinanzierung der Bundespolizei“. Leicht entspannt verfolgte Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Beratungen. Er hatte zu seinem Etatentwurf, der 488,6 Milliarden Euro Ausgaben (11,7 Milliarden weniger als 2024) und eine Neuverschuldung von 51,3 Milliarden Euro vorsieht, gesagt: „Wir stehen zwischen Zeitenwende und Zukunft. Zwischen Krise bewältigen und Kurshalten.“ Die Schuldenbremse werde eingehalten.
Etatentwurf zwischen Krise und Kurs
Dagegen kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSUFraktion, Mathias Middelberg, der Entwurf sei „maximal unrealistisch, unehrlich und verantwortungslos“. Die Union hatte sich von dem Verfassungsrechtler Hanno Kube ein Gutachten erstellen lassen, in dem dieser besonders Lindners „Globale Minderausgabe“ (diese Gelder müssen die Ministerien selbst erwirtschaften) als überdurchschnittlich hoch angesetzt bezeichnet hatte. Die Summe liege mit zwölf Milliarden Euro „sehr deutlich über den Erfahrungswerten aus der Vergangenheit“, schreibt Kube. Verfassungsrechtliche Zweifel hat er auch an der Bahnfinanzierung und den von Lindner erwarteten Mehreinnahmen durch das Wachstumspaket der Koalition von 6,9 Milliarden Euro. Lindner ließ die Kritik nicht gelten. Für ihn nimmt der Haushalt „die neue Normalität unserer Gegenwart an.“ Was das genau bedeuten soll, ließ er aber offen.
preis). Es steht zu erwarten, dass die NRW-Regelung Vorbild für eine Bundesregelung sein wird. NRW konnte deshalb so schnell reagieren, weil sich der Landtag ohnehin mit der Grundsteuer befasste, nämlich um den Gemeinden das Recht zur Hebesatzdifferenzierung zwischen Wohn- und Nichtwohnimmobilien zu gewähren.
Blick auf verfassungsrechtliche Baustellen richten Auch dies ist Gesetz geworden, womit die Grundsteuer um eine „Baustelle“ reicher geworden ist. (Verfassungs-)rechtlich gibt es gegen diesen Hebesatzdifferenzierungsspielraum allerdings nichts einzuwenden und seine Ausübung ist auch kein gleichheitsrechtliches Risikounternehmen (was ein Gutachten des Städtetages NRW anders sieht). Man mag allenfalls politisch darüber streiten, ob eine solche Regelung zweckmäßig ist. Wer sie allerdings vornehmlich als „Schwarzer-Peter-Spiel“ einordnet (nach dem Motto: Das Land entledigt sich seiner Verantwortung), offenbart ein merkwürdiges Selbstverwaltungs- wie auch Demokratieverständnis. Und der Hinweis auf die angeblichen technischen Umsetzungsschwierigkeiten wiederum überrascht: Wer schon zwischen Grundsteuer A und B programmtechnisch differenzieren kann, wird wohl auch zeitnah drei Hebesätze abbilden können. Man sollte den Blick daher auf die verfassungsrechtlichen Baustellen richten, die wirklich problematisch sind: Hier ist vor allem die grobe Typisierung anlässlich der Bewertung zu nennen. Die hiergegen vorgebrachten Einwände sind in Bezug auf die gleichheitsrechtlich relevanten Wirkungen durchaus berechtigt. Uneinigkeit besteht aber darüber, ob sich die Ungleichbehandlungen rechtfertigen lassen, vor allem mit Blick auf die Massentauglichkeit des Vollzugs. Meines Erachtens ist dies der Fall, aber wie das BVerfG dies am Ende sehen wird, lässt sich nicht vorhersagen. Zuletzt hat jedenfalls das FG Köln die neue Grundsteuerbewertung in einem Hauptsacheverfahren nicht beanstandet (Az. 4 K 2189/23). Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor, deshalb kann hier nur aus der Pressemitteilung des Gerichts zitiert werden: Das neue Recht begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Revision wurde zugelassen.
Dr. Marcel Krumm ist Universitätsprofessor am Institut für Steuerrecht der Universität Münster. Im zweiten Hauptamt ist er Richter am Finanzgericht Münster. Er ist Herausgeber des Kommentars zum Grundsteuergesetz „Krumm/Paeßens“ und in verschiedenen legislativen Verfahren, die Grundsteuer betreffend, ist als Sachverständiger tätig geworden. Zudem hat Krumm das im Auftrag des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums erstellte Gutachten zur optionalen Einführung differenzierter Grundsteuerhebesätze durch die Gemeinden in NRW mitverfasst. Foto: BS/privat
► SCHLECHTLEISTUNG
Inkonsequent
Halbe Kündigung genügt nicht
Schon im Jahre 2019 befi ndet der Auftraggeber von Sicherheitsdienstleistungen, dass sein Auftragnehmer nicht die gewünschte Qualität der Leistung erbringt. Deswegen trennt er sich aber nicht in Gänze von diesem Unternehmen, sondern kündigt den Vertrag später nur teilweise. Damit ist das Problem aber nicht gelöst. In neun weiteren Fällen bis in das Jahr 2022 hinein beklagt der Auftraggeber mangelhafte Leistungen. Darauf, den Vertrag nun vollständig zu kündigen, verzichtet er aber, denn er lief ohnehin Ende 2022 aus. Als sich der Dienstleister auch um den Folgevertrag bewirbt, wird er wegen früherer Schlechtleistung ausgeschlossen. Jetzt rächt sich die fehlende Ziehung von Konsequenzen aus dem Jahr 2019, denn das Unternehmen greift den Ausschluss mit Erfolg an. Die Schlechtleistung aus dem Jahr 2019 liegt zu lange zurück, als dass sie noch berücksichtigt werden könnte. Die Frist von drei Jahren nach dem Ereignis (und nicht etwa nach der Kündigung) ist bereits abgelaufen. Der im Nachprüfungsverfahren angebotene Nachweis von Selbstreinigungsmaßnahmen war gar nicht mehr erforderlich. Die Schlechtleistungen aus den späteren Jahren finden ebenfalls keine Berücksichtigung, weil sie zwar für den Auftraggeber ärgerlich gewesen sein mögen, aber keine weitere Vertragskündigung zur Folge hatten. Merke daher: Wer einen schlechten Dienstleister nicht erneut beschäftigen will, sollte nicht davor zurückschrecken, den Vertrag auch noch wenige Tage vor dessen Ende zu kündigen.
VK Westfalen
(Beschl. v. 16.02.2024, Az.: VK 3-47/23)
► RISIKO Korrekt beurteilen
„Herstellen“ ist nicht „bedienen“
Wenn der Auftraggeber eine spezielle Maschine – wie hier ein Röntgengerät – beschaffen will, muss er absolut ohne jeden Zweifel sein können, dass das gelieferte Exemplar technisch sicher ist und die Personen, welche später an ihm arbeiten, keine Gesundheitsschäden erleiden. Dafür gibt es die Maschinenrichtlinie der EU, die Vorschriften für die Konstruktion von Maschinen macht. Sie hat einen Anhang, in dem aufgeführt ist, dass die technische Dokumentation der Maschine deren grundlegende Sicherheitsanforderungen enthalten muss. Wer die Maschine bedient, muss also nachlesen können, worauf er achten muss, damit nichts passiert. Der Auftraggeber forderte eine deutschsprachige Risikobeurteilung für die Maschine gemäß der Richtlinie. Ein Bieter legte eine EU-Konformitätserklärung für seine Maschine vor sowie ein Zertifikat dafür, dass in seinem Betrieb ein Risikomanagement nach DIN ISO 9001 bestehe. Daher sei sichergestellt, dass die Maschine nach den Vorgaben der Richtlinie hergestellt sei. Das hat dem Auftraggeber nicht ausgereicht. An diesen Erklärungen fehlt ein entscheidender Baustein: die Risikobeurteilung für den Betrieb der Maschine. Also genau das, was zur Unfallverhütung später erforderlich sein würde. Die Vergabekammer bestätigt den Ausschluss dieses Bieters. Die betreffenden Dokumente gelten aus rechtlicher Sicht aufgrund des Verweises auf die Richtlinie als wirksam gefordert. Eine Nachforderung scheidet aus, weil der Bieter stattdessen eine andere, aber untaugliche Bescheinigung vorlegte.
VK Bund
(Beschl. v. 29.04.2024, Az.: VK 2-33/24)
► INNOVATION
Neu ist nicht falsch Auf Normeinhaltung vertrauen Wenn Speisen in einer Gemeinschaftsverpflegungsstelle nicht vor Ort zubereitet werden, stehen standardgemäß zwei Verfahren für die Zubereitung zur Verfügung: das Vorkochen in der Zentralküche und Wiedererwärmen vor Ort oder das zentrale Teilvorkochen mit abschießender Garung an der Ausgabestelle. Nun aber tritt ein Anbieter auf den Markt, der ein neues Konzept entwickelt hat: Er gart die Speisen in den Lieferfahrzeugen auf dem Weg von seiner Zentralküche zur Ausgabestelle. Dieses Konzept ist nach Ansicht seiner Konkurrenten ungeeignet, alle einschlägigen Normen und Hygienevorschriften einzuhalten. Deren Versuch, das Angebot aus der Wertung nehmen zu lassen, scheiterte. Der Auftraggeber darf grundsätzlich auf das Leistungsversprechen des Bieters vertrauen, hier darauf, dass mit dem Verfahren die einschlägigen Vorschriften vollständig eingehalten werden. Nur bei Zweifeln am Leistungsversprechen ist eine Aufklärung erforderlich. Ausdrücklich weist der Vergabesenat darauf hin, dass die Neuheit einer Methode allein nicht einen Zweifel an dem Leistungsversprechen begründen kann. Allfällige Zweifel wurden zudem widerlegt: Der Bieter legte Gutachten eines Prüflabors vor, welches die Einhaltung der Vorschriften bestätigte. Zusätzlich holte der Auftraggeber fachliche Stellungnahmen der Lebensmitttelüberwachung ein, die positiv ausfielen. Das Angebot war wertbar. Es kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass nicht jede Innovation von vornherein abgelehnt werden darf. Der Bieter besitzt einen Anspruch auf ordnungsgemäße Prüfung und Wertung.
BayObLG
(Beschl. v. 29.05.2024, Az.: Verg 16/23)
► ZUSCHLAG
Schriftformerfordernis
Vergabeplattform ungeeignet
Die Erteilung des Zuschlages ist in der Vergabeverordnung nicht an eine bestimmte Form gebunden. Da inzwischen die elektronische Kommunikation in Vergabeverfahren den Normalfall darstellt, geschieht die Zuschlagserteilung in vielen Fällen durch eine Nachricht in der jeweiligen Vergabeplattform. Dies hat den Vorteil, dass der Zeitpunkt des Zuganges zweifelsfrei bis auf die Sekunde genau dokumentiert ist. (Auch wenn die Frage, ob der Zugang beim Einstellen in die Plattform oder beim Abruf von der Plattform erfolgt, je nach den technischen Gegebenheiten der jeweiligen Plattform von den Vergabekammern unterschiedlich behandelt wird.) Insofern ist der generellen Vermutung nicht entgegenzutreten, dass mit diesem Zeitpunkt das Vergabeverfahren beendet ist. Es verbleibt aber eine Hintertür, auf die jetzt die Vergabekammer Südbayern aufmerksam gemacht hat. Die Zuschlagserteilung über die Plattform erfolgt regelmäßig in Textform. Nun gibt es aber Beschaffungsgegenstände (hier: Apothekenleistungen), für welche durch Gesetz die Schriftform des Vertrages vorgeschrieben ist. Ist aber durch Gesetz die Schriftform vorgeschrieben, kann sie nicht durch die Textform ersetzt werden. Ein solches Vergabeverfahren ist also mit dem textlichen Zuschlag noch nicht beendet, weil der Vertrag noch nicht wirksam geschlossen ist. Dies ist erst der Fall, wenn anschließend die schriftliche Vertragsurkunde ausgefertigt ist. Bis dahin ist auch noch eine Nachprüfung möglich.
VK Südbayern
(Beschl. v. 08.02.2024, Az.: 3194.Z3-3_01-23-64)
► MISCHKALKULATION
Veraltete Version Zertifizierungsgrundlage beachten
Mehrfach hatte der Auftraggeber versucht, Gründe für den Ausschluss des preislich führenden Bieters zu finden. Zuletzt blieb nur noch eine Mischkalkulation: Es sei unzulässig, den Polier, welcher ohnehin stets auf der Baustelle anwesend sei und dessen Personalkosten den Baustellengemeinkosten zugerechnet würden, zusätzlich und ohne konkrete Berechnung der anteiligen Arbeitskosten mit Aufgaben zu betrauen, welche in einzelnen Leistungspositionen anfielen. Damit würden verdeckt Kosten von den Leistungsauf die Gemeinkostenpositionen verlagert.
Diese Überlegung wird im Grundsatz von der Vergabekammer bestätigt. Zur Mischkalkulation gehört aber mehr als nur die reine Existenz der Kostenverlagerung. Sie muss vielmehr auch eine gewisse Relevanz besitzen. Hier war es so, dass der Bieter irrtümlich die wöchentliche technische Kontrolle des Baustromverteilers nicht in die extra dafür vorgesehene Kostenposition eingetragen hatte, sondern vom Polier erledigen lassen wollte. Die Bereitstellung des Verteilers verursacht bereits lediglich Kosten von 75 Euro pro Woche – bei einem Auftragsvolumen vom 3,5 Mio. Euro. Die Kontrollkosten liegen in einer kaum mehr messbaren Größenordnung. Solch minimale Kalkulationsfehler dürften sich in jedem Angebot finden. Wollte man mit ihnen einen Ausschluss begründen, ließe sich wohl mehr oder weniger willkürlich jedes Angebot ausschließen, wenn man es nur lange genug durchforstet.
VK Südbayern (Beschl. v. 04.03.2024, Az.: 3194.Z3-3_01-23-58)
Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)
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Neue Technik für die BOS
Vergabe von KI-Leistungen in der Gefahrenabwehr (BS/bk) Auch die nichtpolizeilichen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) erleben einen Wandel. Ehmlagie Zukunftstechnologien wie Drohnen, Künstliche Intelligenz (KI) oder Rettungsroboter sind heute Realität. Dadurch werden diese Themen auch für die Vergabestellen relevant, wie die BOS-Beschaffertage gezeigt haben.
Ob durch die Grenzlage oder Migranten, die die deutsche Sprache noch nicht beherrschen – die Leitstelle des Saarlandes steht regelmäßig im Kontakt mit nichtdeutschsprachigen Anruferinnen und Anrufern. Rainer Buchmann, Leiter der Integrierten Leitstelle des Saarlandes beim Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehrleitstellen Saar, erläuterte, bei welchen Aufgaben KI bereits in dem Bundesland unterstützt. So fertigt KI beispielsweise LiveÜbersetzungen von Notrufen an. Doch damit sind die Einsatzmöglichkeiten von KI in Leitstellen längst nicht ausgeschöpft. Weitere Anwendungsmöglichkeiten umfassen die inhaltliche Auswertung von Notrufen oder die Analyse von Social-MediaKanälen und vieles mehr. Buchmann sieht bei der Beschaffung von KI für Leitstellen mehrere Fragestellungen, die im Rahmen der Bedarfsfeststellung geklärt werden müssen. So sei zu entscheiden, ob KI als „letzter Entscheider“ oder als Unterstützung eingesetzt werden soll. Dr. Eric Rietzke, Senior Researcher am Deutschen Forschungszentrum
für Künstliche Intelligenz (DFKI), betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Rollenverteilung zwischen Mensch und KI. Soll die KI als Akteur oder lediglich als Assistenz agieren? Welche Rolle bleibe dem Menschen – keine, eine passive oder eine kontrollierende? Dabei sei zu berücksichtigen, dass KI in Hochrisikobereichen laut dem EU AI-Act nur assistieren darf; der Mensch hat das letzte Wort.
Viele Fragen vor dem Prozess Weiterhin muss geklärt werden, was genau beschafft werden soll –eine reine KI oder ein KI-Kern, der einmalig oder kontinuierlich trainiert wird? Es stellt sich die Frage, mit welchen Daten die KI trainiert werden soll – fremden oder eigenen? Wie wird die Datenqualität sichergestellt? Bei der Nutzung eigener Daten muss zudem die Frage des Urheberrechts geklärt werden. Rietzke ist überzeugt, dass ein genauer Blick auf die eigenen Daten helfen kann, die passenden Verfahren und Ansätze auszuwählen.
Sobald diese Fragen geklärt sind, muss laut Buchmann bei der Er-
stellung der Vergabeunterlagen entschieden werden, welche Art von Leistungsbeschreibung genutzt werden soll.
Eine Möglichkeit ist die funktionale Leistungsbeschreibung, bei der der Auftraggeber eine Übersicht der geforderten und notwendigen Funktionen gibt, jedoch keine Vorgaben zur Umsetzung macht. Eine weitere Option ist die konstruktive Leistungsbeschreibung, bei der der Auftraggeber die technischen Randbedingungen und die Art der Umsetzung vorgibt. Abschließend muss entschieden werden, ob auf einen wettbewerblichen Dialog oder eine Innovationspartnerschaft gesetzt werden soll.
Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen
Ausschreibung
Gute Beziehungen noch besser machen
Berliner Gespräch mit Guatemalas Botschafter
Jorge Alfredo Lemcke Arévalo
(BS/ps) Das Land ist das bevölkerungsreichste in Zentralamerika und mit 109.000 Quadratkilometern etwa so groß wie die ostdeutschen Bundesländer. Es grenzt an den Pazifik im Westen, das Karibische Meer im Osten sowie an Mexiko, Belize, Honduras und El Salvador. Sein Name: Guatemala, was immer das auch bedeuten mag, denn darüber streiten sich die Gelehrten. Mir gefällt die Theorie, wonach er von Guhate-zmal-ha, dem „Berg des dampfenden Wassers“ abstammt. Und einige davon, wie der Volcán de Fuego, der Pacaya oder der Santa María, dampfen bisweilen heute noch.
Repräsentant des Landes mit zahlreichen Klimazonen, unterschiedlichen Landschaften und reicher Flora und Fauna ist seit Juni 2021 Jorge Alfredo Lemke Arévalo. Der studierte Betriebswirt und Chemieingenieur ist zunächst in der heimischen Industrie tätig, von 2012 bis 2014 Botschafter in den Niederlanden und anschließend wieder in leitender Funktion bei einem Wirtschaftsverband in Guatemala-Stadt.
„Hier in Berlin richtet sich unsere Arbeit und Aktivität nach den von meiner Regierung jährlich genehmigten operativen Plänen, um so unsere strategischen Ziele, je nach Standort der Botschaft, bestmöglich zu erreichen", so Lemke Arévalo. In Berlin gehe es darum, die sehr guten Beziehungen der Länder weiter zu optimieren. Guatemala konzentriere sich daher auf die Förderung des Exports guatemaltekischer Produkte und versuche, Investoren für Industrie, Tourismus und Kultur zu gewinnen.“
Die Chancen hierfür sind gut. Im Jahr 1847 unterzeichnet die neu gegründete Republik Guatemala ein Freundschafts-, Navigationsund Handelsabkommen mit den Hansestädten Hamburg, Bremen und Lübeck. 40 Jahre später wird es, um auch konsularische und diplomatische Angelegenheiten zu regeln, entsprechend erweitert und führt zu einer hohen Wertschätzung für Deutschland und sein „Made in Germany“.
Korruptionsbekämpfung im Fokus Aktuell zeigt sich die Regierung von Präsident Bernardo Arévalo (mit dem Botschafter nicht verwandt), seit Anfang des Jahres im Amt, entschlossen, den Kampf gegen die Korruption in der Republik weiterzuführen und transparente Politik zu gestalten. „Wir wissen“, so Botschafter Arévalo, „dass diese tief verwurzelt ist und es daher lange dauern dürfte, sie in Staat und Wirtschaft zu beseitigen. Es ist eine Aufgabe, die viel Anstrengung kostet und sicherlich noch Generationen dauert.“ Internationale Hilfe ist mehr als notwendig, da die neue Regierung auf starken Widerstand im Parlament, der Bürokratie und der Justiz stößt, was es ihr schwer macht, notwendige Mehrheiten für die entsprechenden Gesetze zur Korruptionsbekämpfung zu erhalten. „Des Weiteren gilt es, auch die Menschenrechte zu gewährleisten sowie die Bildungs- und Gesund-
heitssysteme auszubauen." Die Unterstützung benachteiligter Bevölkerungsgruppen, vor allem der indigenen Bevölkerung, von Frauen und Kindern etc., basiere übrigens auf deutschen Modellen, die in Guatemala seit mehr als 75 Jahren als bewährt und effektiv gelten.“
Schluss mit Halbwahrheiten Vor diesem Hintergrund ist daher die Meinung über Guatemala hierzulande, auch wegen der hohen Kriminalitätsrate, nicht immer zutreffend: „Es gibt ein Sprichwort, das ich, was mein Land betrifft, für falsch und völlig ungerecht halte: 'perception is reality'. Doch auch dieser Schein trügt!", sagt der Botschafter. Tatsache sei: Bei der heutigen Informations- und Nachrichtenflut sei deren Wahrheitsgehalt kaum kontrollierbar und würde so, zusammen mit Halbwahrheiten und halben Lügen, das Image des Landes verzerren. Viele in Deutschland dächten, Guatemala sei ein korruptes, gewalttätiges und von illegalen Gruppen unterwandertes Land. Dies seien Halbwahrheiten. Schlimm sei, dass Positives in Guatemala, wie die Naturschönheiten, viele Mikroklimata, der Wasserreichtum, die fleißigen und freundlichen Menschen und eine der besten Energieerzeugungen in der mittelamerikanischen Region, die es ermögliche, hochwertige Energie zu niedrigen Preisen zu exportieren, oft keine Meldung wert sei, kritisiert
Lemke Arévalo Für letztere wird eine Vielzahl von Energiequellen zur Stromerzeugung genutzt. Ein großer Teil davon stammt aus erneuerbaren Quellen, insbesondere der Wasserkraft, die fast 40 Prozent der gesamten Stromerzeugung ausmacht. Weitere Erneuerbare Energien wie Geothermie, Solarenergie und Windenergie gewinnen ebenfalls an Bedeutung.
„Ich möchte noch einmal betonen, dass unsere Regierung gegen die bereits erwähnten Missstände kämpft – für ein Land, dessen Menschen zu Klarheit und Wahrheit stehen, gegen Korruption und für Wandel durch Handel und freien Wettbewerb.“
Reiseland mit beeindruckender Geschichte
In jedem Fall ist Guatemala ein Bild von einem Reiseland, mit Vulkanen, Flüssen, Seen, Kolonialstädten, Naturschutzgebieten, wie z. B. dem Maya-Biosphärenreservat mit tausenden von archäologischen Strukturen mayanischen
Ursprungs, sowie Stränden am Atlantik mit weißem oder am Pazifik mit dunkelgrauem Sand vulkanischen Ursprungs.
„Je nachdem, wieviel Zeit man hat und welche Attraktionen einen interessieren, empfehle ich im Norden die Gebiete, in denen die Nachfahren der Mayas leben und die Geschichte und Größe ihrer einstigen Kultur noch zu finden ist", erklärt Lemke Arévalo. Oder man entscheide sich für einen Erholungsurlaub, der dank der angenehmen Temperaturen sowohl in der Bergregion als auch an den Stränden fast ganzjährlich möglich sei. Über drei Jahre macht Botschafter Lemcke Arévalo einen guten Job in Berlin, schaut sich auch sonst im Lande um und lernt dabei vieles kennen und schätzen. Mal mehr, mal weniger. „Berlin ist, mit allem Respekt, für mich nicht repräsentativ für das übrige Deutschland, das ich gesehen habe." Es sei sehr groß, multikulturell, multiethnisch und habe ähnliche Probleme wie andere Metropolen. Damit meint er die mangelnde Sauberkeit, die man dort erwarte, das Sicherheitsniveau, das nicht dasselbe sei wie in anderen Städten, der Mangel an Parkplätzen usw. Aber er möge, dass das öffentliche Verkehrssystem ziemlich gut funktioniere, dass man hier die Geschichte des geteilten Deutschlands noch kennenlernen könne und es leicht sei, sich zu verständigen, da viele Englisch und sogar Spanisch sprächen. Etwas, das hier wohl typisch sei, sei ihm auch aufgefallen: die Bürokratie. Sie kostet viel Zeit, habe aber den Vorteil, dass am Ende alles wie erwartet abläuft. „Je nachdem, was man erwartet – aber das ist eine andere Geschichte."
Ruhestand im kleinen Dorf Als Botschafter hat Lemcke Arévalo jedenfalls alle Erwartungen erfüllt. Mit Erscheinen dieses Interviews wird er 71 Jahre und ist nicht böse, als ich ihn nach seinen „PensionsPlänen“ frage. „Ich mag diese Frage, denn meine Frau, meine Kinder und ich sprechen auch regelmäßig darüber. Meine Frau und ich würden gerne nach Deutschland (oder Spanien) ziehen, um dort unseren Ruhestand zu verbringen." Aber nicht in einer großen Stadt, sondern in einem kleinen Dorf auf dem Land oder in den Bergen. Seine Frau liebe das Landleben, die Landwirtschaft und die Viehzucht und obwohl es nicht ihr Plan sei, sich auf solche Tätigkeiten zu konzentrieren, denke das
Ehepaar, dass es ein angenehmes Hobby oder eine schöne Beschäftigung sei. Allerdings halte sie der Gedanke zurück, dass ihre Kinder und Enkelkinder in Guatemala leben und kein Interesse hätten, nach Europa zu kommen.
Deutsche Vorfahren
Wobei Lemcke Arévalos Überlegungen verständlich sind. Sein Großvater väterlicherseits wird im sächsischen Wittgensdorf (heute ein Ortsteil von Chemnitz) in eine kinderreiche Familie hineingeboren. Als lediger junger Mann wandert er nach Guatemala aus, um für ein deutsches Unternehmen zu arbeiten, das Maschinen und Ausrüstungen aus deutscher Herkunft vermarktet. „Meine Großmutter, die Mutter meines Vaters, wurde als Tochter Dresdner Eltern im belgischen Antwerpen geboren. Auch ihre Familie emigrierte nach Guatemala, wo mein Urgroßvater eine Fabrik für Kerzen und Paraffinlampen gründete." Großvater und Großmutter hätten sich in Guatemala kennengelernt, geheiratet und zwei Töchter und einen Sohn bekommen – seinen Vater. Wie auch immer sich Familie Lemcke Arévalo entscheidet – Papa Jorge ist seit Juni 2021 schon hier und kann die Rückkehr ins alte Vaterland schon einmal in seinem Herzen bewegen. „Lassen Sie mich hier
Rezept des Botschafters
Rindfleisch-Salpicón
Zutaten für vier Portionen:
und jetzt noch sagen, dass ich die Gelegenheit, meine Gedanken, Reflexionen, Ideen und Gefühle auszudrücken, sehr schätze, um das Bild meines Landes zu verbessern." Es sei effektiver, Menschen zu motivieren, Guatemala zu besuchen, als nur darüber zu reden. Eine Schwalbe mache zwar noch keinen Sommer, aber Guatemala biete den Sommer und lade die Touristen (und die Schwalben) ein, zu kommen. Behörden
2 Pfund Rindfleisch, Brühe, 1 Tomate, gewürfelt, 1 rote und 1 grüne Paprika, jeweils entkernt und in dünne Streifen geschnitten, 1 Zwiebel, in dünne Scheiben geschnitten, 2 Knoblauchzehen, gehackt, 4 Esslöffel frische Korianderblätter, gehackt, 1 Esslöffel gehackte Minze, 4 Esslöffel Olivenöl, 2 Esslöffel Limettensaft, Salz und Pfeffer nach Geschmack.
Zubereitung:
Kochen Sie das Rindfleisch in gesalzenem Wasser, bis es zart ist. Dies dauert normalerweise etwa ein bis zwei Stunden, je nach Größe des Stücks. Nehmen Sie das gekochte Fleisch aus dem Topf und lassen Sie es abkühlen. Sobald es abgekühlt ist, schneiden Sie es in dünne Scheiben oder Streifen. In einer großen Schüssel das geschnittene Rindfleisch, die Zwiebelscheiben, die Paprikastreifen, die gewürfelte Tomate und den gehackten Knoblauch vermischen. In einer separaten Schüssel das Olivenöl, den Limettensaft, den gehackten Koriander, Salz und Pfeffer vermischen, um die Marinade zuzubereiten. Gießen Sie die Marinade über die Rindfleischmischung und vermengen sie alles gut, um sicherzustellen, dass die Zutaten gleichmäßig mit der Marinade bedeckt sind. Lassen Sie den Rindfleisch-Salpicón mindestens 30 Minuten im Kühlschrank ziehen, damit sich die Aromen verbinden können. Mit Tortillas servieren.
Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Oktober 2024
Wohnen mit Zukunft?!
(BS/Anne Mareile Walter) Die Politik überabeitet das Baugesetzbuch, die Förderbank KfW subventioniert junge Familien: Um die Wohnungsnot zu bekämpfen, wird derzeit an mehreren Ecken und Enden geschraubt. Doch halten die neuen Maßnahmen, was sie versprechen?
www.behoerdenspiegel.de
Die Klappcouch im Wohnzimmer wird als regelmäßige Schlafstätte genutzt, mehrere Geschwister teilen sich das Kinderzimmer und ein Rückzugsort für die Hausaufgaben oder die Verabredung mit Freunden fehlt: Vor allem im urbanen Raum sind beengte Wohnverhältnisse für viele Menschen Standard – und die Zahl der Familien, die notgedrungen auf engem Raum zusammenleben, steigt. So zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2023, dass eine beengte Wohnsituation mehr als 9,5 Millionen Menschen hierzulande betrifft und damit mehr als jeden Zehnten. Stadtbewohner leben mit 16 Prozent rund drei Mal so häufig auf engem Raum zusammen, wie es bei der Bevölkerung in ländlichen Regionen der Fall ist (fünf Prozent).
Entbürokratisierung von Bauprozessen
Inmitten der aktuellen Gemengelage von explodierenden Mieten, steigenden Immobilienpreisen und hohen Bauzinsen ist ein Umzug in ein großzügigeres Wohnquartier in den meisten Fällen nur schwer realisierbar. Die Politik doktert derweil an Gegenmaßnahmen, um der Wohnungsnot Herr zu werden und verfehlt dabei das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr immer wieder aufs Neue. Nun versucht sich das Bundesbauministerium (BMWSB) an einer neuen Maßnahme, die für Entlastung auf dem angespannten Wohnungsmarkt sorgen soll, und überarbeitet das Baugesetzbuch. Die Novellierung soll zu „beschleunigtem, bedarfsgerechtem und bezahlbarem“ Bauen und Wohnen führen,
auch eine Entbürokratisierung von Bauprozessen sowie von Planungsund Genehmigungsverfahren ist vorgesehen. Ende des Jahres wird die Baugesetzbuchnovelle voraussichtlich im Bundestag verabschiedet.
Die Novelle sei „ein kleines Konjunkturprogramm für die Baubranche“, erklärte Bundesbauministerin Clara Geywitz bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs und führte aus: „Wir vereinfachen die Anwendung des Städtebaurechts durch mehr Praxisorientierung.“ In Zukunft sollen Gemeinden bei Bedarf schneller Baurechte schaffen dürfen. Auch Baurechte zum Errichten von Anlagen für Erneuerbare Energien oder zur Umnutzung leerstehender Gewerbeimmobilien sind damit künftig leichter zu erteilen. Folgende Eckpunkte enthält die Überarbeitung des Gesetzes im Detail: In Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt ist die Erweiterung von Gebäuden möglich, ohne dass hierfür Bebauungspläne geändert werden müssen; bislang war dies nur in schwer zu begründenden Einzelfällen möglich. Auch Bebauungen in zweiter Reihe werden mit dem geänderten Gesetz erleichtert. Grundstückseigentümer, die bereits ein Haus gebaut ha-
„Der vorliegende Gesetzentwurf verspricht Licht und Schatten.“
Bernd Düsterdiek, Beigeordneter des DStGB
ben,können schneller und leichter ein zweites Haus auf ihrem Grundstück errichten. Im Zuge einer sogenannten Baulandumlegung ist es Kommunen zudem erlaubt, auf mehr Flächen als bislang sozialen Wohnraum schaffen. Auch das kommunale Vorkaufsrecht wird durch die Novellierung gestärkt.
Vorkaufsrecht wird nur unzureichend gestärkt
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, sieht die geplanten Änderungen positiv. Die Novelle gehe im Großen und Ganzen in die richtige Richtung, erklärte er gegenüber dem Behörden Spiegel. „Die Städte erhalten in einigen Fällen größere Handlungsspielräume für die Innenstadtentwicklung und flächensparendes Bauen. Auch zur Beschleunigung und Digitalisierung der Verfahren ist einiges in der Novelle drin“, erklärte er.
Nichtsdestotrotz fehlten dem Entwurf einige wichtige Maßnahmen, die für mehr kommunalen Wohnraum sorgen würden. Ein Beispiel: Das Vorkaufsrecht der Städte werde nur unzureichend gestärkt. Genau das sei aber nötig, um die „überhitzten Immobilienmärkte abzukühlen“, so Dedy. Vollkommen unverständlich sei es zudem, dass das Vorkaufsrecht in sogenannten Milieuschutzgebieten nicht „angepackt“ worden sei – umso mehr, da im Koalitionsvertrag eine ebensolche Überarbeitung angekündigt worden war.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) hält die geplanten Gesetzesänderungen ebenfalls für sinnvoll, gleichzeitig würden zahlreiche Vorschläge die kommunale Planungshoheit allerdings begren-
zen. So gefährde der „Bau-Turbo“ ohne Bebauungsplan die „sorgfältige und geplante Abwägung“ in den Kommunen. Bernd Düsterdiek, Beigeordneter des DStGB, konkretisiert die Kritikpunkte: „Auch die in der Novelle vorgesehene kurze Verfahrensfrist für Bauleitplanverfahren von zukünftig maximal zwölf Monaten ist zwar wünschenswert, aber angesichts der begrenzten Personalkapazitäten in den kommunalen Baubehörden sowie der häufig komplexen Planunterlagen regelmäßig nicht zu erreichen.“
Hinzu komme: Dadurch, dass künftig Klimabelange in der Bauleitplanung stärker berücksichtigt werden sollen, sei eine größere Fehleranfälligkeit innerhalb der Planungs- und Genehmigungsverfahren zu erwarten. „Der vorliegende Gesetzentwurf verspricht Licht und Schatten“, so Düsterdiek. Eine grundlegende Lösung, um schneller zu planen und zu bauen, biete er jedenfalls nicht.
Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) sieht darüber hinaus ein Manko darin, dass die ländlichen Regionen unzureichend erfasst würden. „Der Entwurf sollte um einen entsprechenden Vorschlag ergänzt werden“, sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa.
Zinsverbilligte KfW-Kredite für Familien
Damit Familien sich trotz angespannter Wohnsituation den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen können, gibt es seit Anfang September zudem ein neues Förderprogramm der KfW. „Jung kauft Alt" soll Familien mit minderjährigen Kindern und kleinen bis mittleren Einkommen beim Erwerb von sa-
nierungsbedürftigen Bestandsgebäuden unter die Arme greifen. Die Förderung erfolgt über zinsverbilligte KfW-Kredite. Für 2024 stehen zu diesem Zweck insgesamt 350 Millionen Euro bereit. Voraussetzung für die Antragsgewährung ist, dass das maximale Haushaltseinkommen der Antragsberechtigten 90.000 Euro pro Jahr bei einem im Haushalt lebenden Kind, plus 10.000 Euro je weiterem Kind, nicht überschreiten darf. Bei Antragstellung muss für die gekaufte Bestandsimmobilie ein Energiebedarfs- oder Energieverbrauchsausweis der Energieeffizienzklasse F, G oder H vorliegen.
„Die Städte erhalten größere Handlungsspielräume für die Innenstadtentwicklung.“
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags
Bei einem Verbrauchsausweis der Klasse F bedeutet dies: Das Gebäude verbraucht maximal 70 Prozent der Energie, die ein vergleichbarer Neubau nach den aktuellen gesetzlichen Vorgaben verbrauchen würde. Gleichzeitig müssen mindestens 65 Prozent der Energie für die Wärmeversorgung aus Erneuerbaren Energiequellen stammen. Wie viele Antragsteller die Förderung seit Anfang September beantragt haben, konnte die KfW auf Anfrage nicht beantworten. Es hieß lediglich: Es seien bereits „Zusagen getätigt worden“.
Behörden Spiegel: Angesichts zahlreicher Herausforderungen für die Kommunen: An welcher Stelle besteht aktuell der größte Handlungsbedarf?
Jürgen Krogmann: Einer der aktuell größten Handlungsbedarfe besteht aus meiner Sicht vor allem in der Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Dabei müssen wir besonders die Schulen stärker in den Blick nehmen, an denen immer mehr Kinder und Jugendliche unterrichtet werden, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen. Das schafft Probleme, auf die wir bisher nicht immer zufriedenstellende Antworten haben. Ein weiteres Fokusthema betrifft sicherlich die medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger. Ob ambulant oder stationär: Den Bedarf flächendeckend, hochwertig und für alle zugänglich zu decken, wird zunehmend schwieriger – besonders im ländlichen Raum. Zudem sind Kommunen weiterhin gefordert, den Klimaschutz energisch weiter voranzutreiben und auf Worte Taten folgen zu lassen, wie beispielweise mit verstärkten Maßnahmen im Hochwasserschutz oder durch Entsiegelung von Flächen.
Eine große Rolle spielt insbesondere in Städten auch die angespannte Wohnsituation: Bezahlbarer Wohnraum ist hier knapp, was wiederum zu sozialen Spannungen und einer wachsenden Kluft zwischen verschiedenen Bevölkerungsschichten führt. Und nicht zuletzt stehen die Modernisierung der kommunalen Infrastruktur, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Förderung umweltfreundlicher Mobilität auf der Agenda. Kommunen stehen also wahrlich vor einer Vielzahl von Herausforderungen.
Behörden Spiegel: Welchen Schwerpunkten wollen Sie sich während Ihrer Amtszeit widmen?
Krogmann: Als kommunaler Spitzenverband müssen wir die Stimme der Städte, Gemeinden und Samtgemeinden laut und deutlich erheben. Die stetige Abwälzung von staatlichen Aufgaben der Bundes- oder Landesebene ohne finanziellen Ausgleich ist nicht länger hinnehmbar. Ich nenne in diesem Zusammenhang die
Für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung sind Daten eine zentrale Grundlage. Mit einer zielgerichteten Nutzung ihrer Datenschätze können Städte und Regionen die Bedarfe von Bürgerinnen und Bürgern besser ableiten und so nachhaltiger, effizienter und lebenswerter werden. Aus den Echtzeitdaten, die Sensoren, Kameras und Mobilitätsanwendungen liefern, gewinnen sie wertvolle Informationen über Verkehrsflüsse, Parkplatzbelegung, Umweltbelastungen. Diese Daten ermöglichen es Städten, agil auf Verkehrsprobleme zu reagieren und durch präzisere Steuerung den Verkehr effizienter zu lenken.
Mannheim: Mobilität transparent gestalten
In Mannheim wird gerade ein Verkehrs-Monitoring aufgebaut: Dafür
SCHWERPUNKT
Kommunen sind keine Ausfallbürgen
Der Präsident des Niedersächsischen Städtetags im Interview
(BS) Eine hohe Schuldenlast, überbordende Bürokratie, die Unterbringung von Geflüchteten und Nachholbedarf bei der Gesundheitsversorgung: In den niedersächsischen Kommunen treten derzeit etliche Baustellen zutage – und nicht nur dort. Welche als erstes angegangen werden sollten und warum, erklärt der neue Präsident des Niedersächsischen Städtetags, Jürgen Krogmann. Krogmann ist Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg, die Fragen stellte Marlies Vossebrecker.
Die Verschuldung der Kommunen in Niedersachsen mit Investitionskrediten hat stark zugenommen. Das betrifft nicht nur Städte, wie Hannover, sondern auch kleinere Gemeinden und Landkreise. Foto: BS/stock.adobe.com, Leinemeister
Behörden Spiegel: Wie sollte das Land mit den Kommunen zusammenarbeiten, um deren Situation zu verbessern?
Krogmann: Die Landesregierung muss uns im Rahmen von Entscheidungsfindungen nicht nur formal anhören, sondern eng einbeziehen. In vielen Fällen gelingt es uns, in einer guten und konstruktiven Zusammenarbeit mit der Landesregierung kommunale Interessen zu erörtern und dann auch durchzusetzen. In einigen anderen Bereichen, wie beispielsweise bei der Umsetzung des Ganztagsanspruchs, bei der Kita-Finanzierung oder bei der finanziellen Unterstützung unserer Krankenhäuser, muss das Land die kommunalen Interessen als die eigenen Interessen begreifen, um die Situation tatsächlich vor Ort zu verbessern.
Behörden Spiegel: Viele niedersächsische Kommunen leiden unter einer hohen Schuldenlast. Welche Maßnahmen könnten die Lage wieder etwas verbessern?
Als neuer Präsident des Niedersächsischen Städtetages fordert Jürgen Krogmann pauschale Förderungen für Kommunen.
Foto: BS/Niedersächsischer Städtetag
Kindertagesbetreuung, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, das Bundesteilhabegesetz oder die Wohngeldreform. Die Krankenhausreform belastet Städte und Landkreise in Niedersachsen, die Träger von Krankenhäusern sind, in diesem Jahr mit rund 600 Millionen Euro. Die Kommunen sind nicht die Ausfallbürgen des Staates, sondern gleichberechtigter Teil desselben. Sie müssen finanziell handlungsfähig bleiben und freiwillige Leistungen erbringen können. Dies ist der verfassungsrechtlich garantierte Kern kommunaler Selbstverwaltung – und enorm wichtig für den Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft und den sozialen Frieden in unseren Städten. Ein weiterer Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, ist das Thema Bürokratieabbau. Dabei geht es mir insbesondere um die Bürokratie zwischen den staatlichen Ebenen, also zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Ich habe für kleinteilige Förderprogramme des Bundes und des Landes kein Verständnis mehr. Wir brauchen viel öfter pauschale Förderungen für Kommunen im Rahmen eines niedersächsischen Kommunalfördergesetzes. Ich werbe vor allem für eines: für viel mehr Vertrauen von Bund und Land in die Kommunen.
Behörden Spiegel: Sollten Maßnahmen für den Klimaschutz zugunsten der Wirtschaft zeitweise zurückgestellt werden, damit sich die wirtschaftliche Lage nicht weiter verschlechtert?
Krogmann: Die wirtschaftliche Situation in Deutschland und Niedersachsen hat sich in den vergangenen Jahren sehr eingetrübt. Prominente Beispiele in Niedersachsen sind die Meyer Werft und Volkswagen. Nicht vergessen dürfen wir – gerade in Niedersachsen – die bedeutsame Landund Tourismuswirtschaft. Unsere Wirtschaft leidet unter enormem Konkurrenzdruck und befindet sich mitten in einem Transformationsprozess. Daher benötigen wir wieder eine konsistente und für Wirtschaft und Verbraucher verlässliche Industriepolitik. Dennoch dürfen wir die verschiedenen Herausforderungen nicht gegeneinander ausspielen, sondern müssen sie zusammendenken. Das gilt auch und besonders für den Klimaschutz.
Mit Daten smarter unterwegs
Das Potenzial urbaner Daten heben
(BS/Renate Mitterhuber) Die vom Bund geförderten Modellprojekte Smart Cities haben den Auftrag, Datenschätze zu heben und nutzbar zu machen, dabei aber auch einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten zu fördern. Erfolgversprechende Beispiele aus den Bereichen Verkehr und Mobilität zeigen die Vielfalt von Ansätzen, sie verdeutlichen aber auch, wie wichtig ein strategischer und verantwortungsvoller Umgang mit urbanen Daten ist.
werden zunächst an ausgewählten Messpunkten verschiedene Technologien wie optische Sensoren, Infrarotkameras, Kombisensoren und Floating Car Data (Verkehrsdaten, die aus den Bewegungen von Fahrzeugen mit GPS-Sensoren gewonnen werden) getestet. Mithilfe von Daten zur Verkehrsdichte, Fahrzeugklassen, lokalen Geschwindigkeiten und Reisezeiten kann der Verkehr in Mannheim analysiert werden. Diese Daten dienen als Grundlage, um Maßnahmen zur Verkehrssteuerung, Verkehrssicherheit, Routenoptimierung oder für Verkehrswarnungen zu planen und umzusetzen. Auf diese Weise sollen Planungsgrundlagen geschaffen, der fließende Verkehr optimiert und alternative Mobilitätsformen, wie Fahrradnutzung oder öffentliche Verkehrsmittel, gefördert werden.
Außerdem entsteht ein Verkehrssimulationsmodell für das Innenstadtgebiet. Darin können die Auswirkungen von Baustellen oder
verkehrsberuhigenden Maßnahmen simuliert werden.
Ulm: datenbasierte Parkraumlösung Viele Modellprojekte Smart Cities setzen auf datenbasierte Lösungen zum Management von Parkplätzen. Damit wollen sie den Parksuchverkehr reduzieren und Verkehrs- und Umweltbelastungen verringern. In Ulm werden Behindertenparkplätze und andere Sonderparkplätze, zum Beispiel solche mit E-Ladesäulen, mit Sensoren ausgestattet. Diese erfassen die Belegung in Echtzeit und die gewonnenen Daten stehen als Open Data zur Verfügung. Autofahrerinnen und Autofahrer mit besonderen Anforderungen können so schon vor der Anfahrt prüfen, wo freie Parkplätze vorhanden sind.
Cottbus: ÖPNV und On-DemandMobilität
Wie der öffentliche Nahverkehr von Daten profitiert, zeigt das Beispiel Cottbus: Hier wird eine adap-
tive Verkehrssteuerung entwickelt, die sicherstellt, dass Busse und Bahnen stets Vorfahrt haben. Dies beschleunigt nicht nur den ÖPNV, sondern es macht ihn auch attraktiver. Zusätzlich wird ein flexibler On-Demand-Service getestet, der den Nahverkehr effizienter und bedarfsgerechter gestalten soll.
Dortmund: Infrastruktur datenbasiert überwachen Der tragische Einsturz der Carolabrücke in Dresden verdeutlicht, wie wichtig eine kontinuierliche Überwachung und Instandhaltung unserer Infrastrukturen ist. Ein spannendes Projekt kommt aus Dortmund: Sensoren überwachen in Echtzeit den Zustand von Brücken und ermöglichen so eine vorausschauende Instandhaltung.
Osnabrück: Künstliche Intelligenz für besseren Verkehrsfluss Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) kommen auch in smarten Städten und Regionen zum
Krogmann: Die meisten Kommunen in Niedersachsen können Investitionen nicht, wie im kommunalen Haushaltsrecht vorgesehen, durch Überschüsse aus allgemeiner Verwaltungstätigkeit finanzieren. Daher hat in den vergangenen Jahren die Verschuldung der Kommunen in Niedersachsen mit Investitionskrediten stark zugenommen – und zwar bei Städten, Gemeinden und Landkreisen gleichermaßen. Der Investitionskreditbestand aller Kommunen in Niedersachsen ist von ca. zehn Milliarden Euro im Jahr 2018 auf rund 14 Milliarden Euro im Jahr 2023 gestiegen. Dies ist ein deutlicher Indikator für eine strukturelle Unterfinanzierung der niedersächsischen Kommunen. Im Vergleich zu allen Flächenländern in Deutschland ist der niedersächsische kommunale Finanzausgleich je Einwohner am schlechtesten ausgestattet. Das Land muss mehr Geld in den kommunalen Finanzausgleich geben. Das ist aktuell eine unserer zentralen politischen Forderungen. Zusätzlich würde ein Investitionsprogramm von Bund und/oder Land sehr helfen.
Einsatz: Die Stadt Osnabrück setzt auf KI-Technologie, um den Verkehr flüssiger zu halten. Mithilfe der KI-gestützten Erfassung von Verkehrsdaten in Echtzeit werden verschiedene Fahrzeugtypen erkannt und der Verkehr entsprechend optimiert. Dieses System, das auf datenschutzkonformer Technologie basiert, zeigt, wie datenbasierte Lösungen zu einer smarteren Verkehrssteuerung beitragen können. Datenschutzrechtliche Anforderungen sind nur ein Aspekt, den Kommunen beim verantwortungsvollen Umgang mit urbanen Daten beachten sollten. In Datenstrategien können sie definieren, wie Daten gesammelt, verarbeitet und wem sie zugänglich gemacht werden. Es gilt, Bürgerinnen und Bürgern transparenter aufzuzeigen, wie Mobilitätsdaten erhoben und genutzt werden. Dies stärkt das Vertrauen in die Entscheidungen der Verwaltung und fördert die Akzeptanz neuer Maßnahmen.
Renate Mitterhuber ist Leiterin des Referats Smarte Städte und Regionen im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Foto: BS/privat
Foto: BS/Kreis Olpe
VIER Fragen– VIER Antworten
Interview mit Theo Melcher, Landrat im Kreis Olpe
Behörden Spiegel: Woher kam der Gedanke, den Kreis Olpe unabhängig von fossilen Energiequellen werden zu lassen?
Theo Melcher: Dieser Gedanke ist nicht isoliert im Kreis Olpe entstanden. Wir erkennen die Notwendigkeit und dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle.
Erstens: Um das Thema menschengemachter Klimawandel kommt niemand herum. Es ist klar, was zu tun ist, um uns und künftigen Generationen den Lebensraum Erde zu erhalten: Emissionen müssen runter und wir müssen die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern beenden. Das ist eine globale Herausforderung, die die Weltgemeinschaft im Großen und im Kleinen anpacken muss. Dazu wollen wir unseren Teil beitragen.
Zweitens: Spätestens Russlands Krieg gegen die Ukraine hat uns deutlich vor Augen geführt, welche Folgen unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen hat. Wir mussten uns – wie alle Kreise, Städte und Gemeinden – 2022 mit einer drohenden Energiemangellage auseinandersetzen und dafür umfangreiche Vorbereitungen treffen. Gas, Öl und Treibstoff wurden deutlich teurer, das hat Bürgerinnen und Bürger und auch öffentliche Kassen enorm belastet. Abhängigkeit lässt sich als Druckmittel nutzen, deshalb wollen wir sie verringern und perspektivisch beenden.
Und drittens bleibt die Tatsache, dass alle fossilen Energiequellen begrenzt und irgendwann aufgebraucht sind. Es gibt also viele Gründe, beim Ausbau der Erneuerbaren das Tempo anzuziehen. Auch sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern ist das Thema wichtig und sie erwarten von uns tragfähige Ideen dazu. Andererseits haben die Anlagen, wie Windräder, immer auch Nachteile. Uns war es deshalb sehr wichtig, dass die Menschen in der Region von den Anlagen profitieren sollen. Das ist nur fair.
Warum Moore für den Klimaschutz und die Umwelt unerlässlich sind, erklärt Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Nasse Moore sind echte Alleskönner und unerlässlich für den natürlichen Klimaschutz: Sie speichern Wasser und schützen uns vor Dürre und Überschwemmung. Sie binden Kohlenstoff und tragen so zum Klimaschutz bei.“ Hinzu komme, dass sie auch Lebensräume für verschiedene Arten böte und durch moderne Methoden sei es möglich, das Land dennoch nutzbringend zu verwenden. Und dadurch, dass trockengelegte Moore große Mengen an CO2 abgäben, sei es ein zusätzlicher Gewinn für das Klima. Aus diesem Grund wurden auch zwei neue Förderrichtlinien vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) auf den Weg gebracht. Als Teil des „Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz“ (ANK) können seit Mitte September Anträge auf die beiden Förderprogramme „1.000 Moore“ und InAWi (Information, Aktivierung, Steue-
Klimaschutz mit Bürgerbeteiligung
Neue Institutionen setzen auf grüne Energie
(BS) Der Kreis Olpe will unabhängig von fossilen Energieträgern werden. Wie lässt sich ein solches Vorhaben in die Tat umsetzen? Landrat Theo Melcher verweist auf die Notwendigkeit des Umdenkens hin zu Erneuerbaren Energien und stellt dabei ein Projekt in Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern vor. Die Fragen stellte Marlies Vossebrecker.
Behörden Spiegel: Mit welchen Maßnahmen bzw. in welchen Bereichen werden die Erneuerbaren Energien im Kreis Olpe aktuell konkret ausgebaut?
Melcher: Ein erheblicher Zuwachs ist in naher Zukunft vor allem durch den Ausbau der Windenergie zu erwarten. Derzeit sind 22 überwiegend ältere Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 25,3 Megawatt installiert. Durch weitere Anlagen, die bereits genehmigt oder voraussichtlich genehmigungsfähig sind, ist in den nächsten Jahren ein Zuwachs von 30 bis 40 Anlagen mit einer Leistung von bis zu 200 Megawatt zu erwarten. Außerdem werden einige ältere Anlagen repowered, also durch leistungsfähigere ersetzt. Auch der Bereich Photovoltaik wächst – hier haben nahezu alle Kommunen im Kreis Förderprogramme aufgelegt, die meines Wissens auch gut in Anspruch genommen werden.
Behörden Spiegel: Wie sieht dabei die Zusammenarbeit mit den Kommunen sowie den Bürgerinnen und Bürgern aus?
Melcher: Wir haben 2022 zwei Strukturen gegründet, um die Zusammenarbeit zu intensivieren. Erstens die „EEBE“. Das steht für „Erneuerbare Energien Beteiligungs- und Entwicklungsgesellschaft im Kreis Olpe mbH“. Die haben wir zusammen mit sechs unserer sieben kreisangehörigen Kommunen gegründet. Die Idee: Privatpersonen und lokale Unternehmen können sich über Bürgergesellschaften am Ausbau Erneuerbarer Energien beteiligen. So soll die Wertschöpfung vor Ort
Um die Unabhängigkeit von fossilen Energien zu erreichen, setzt der Kreis Olpe verstärkt auf Wind- und Solarenergie. Foto: BS/jamesteohart, stock.adobe.com
bleiben und die Akzeptanz für die Anlagen steigen. Die Grundbesitzenden wiederum können bei einer Beteiligung an den Projektgesellschaften mitbestimmen. Sie werden also nicht nur Verpachtende, sondern Mitbetreibende der Anlage. Die Städte und Gemeinden bestimmen über ihre Beteiligung ebenfalls mit und partizipieren an den Erträgen.
Die EEBE nimmt den Grundbesitzenden das Investitionsrisiko ab: Bis eine Anlage in Betrieb gehen kann, sind Verträge zu schließen, Pläne zu erstellen und Gutachten einzuholen. Das kostet Geld. Immer mit dem Risiko, dass das Projekt scheitern kann – vielleicht ist eine Fläche bei genauerer Betrachtung doch nicht geeignet. Die EEBE begleitet das Projekt und nimmt das nötige Geld in die Hand. Wenn sich die Betreibergesellschaft gründet, das Projekt also umgesetzt wird,
zieht sich die EEBE zurück und stellt nur eine Rechnung, die ihren Aufwand deckt. Komfortabler und sicherer kann man ein Projekt kaum umsetzen. Der zweite neue Player ist die „Klimaagentur im Kreis Olpe e.V.“ Der Verein ist eine Kooperationsplattform für alle, die etwas dafür tun wollen, die Umwelt zu schützen und die Klimaschutzziele einzuhalten. Gründungsmitglieder sind der Kreis Olpe und unsere sieben kreisangehörigen Kommunen. In der Klimaagentur kann jeder Mitglied werden: Firma, Verein, Initiative, Privatperson. Eine tolle Aktion ist zum Beispiel die Klimamesse, die im September 2024 zum zweiten Mal stattgefunden hat. Sie bietet zwei Tage lang Infos und Aktionen – von E-Mobilität über Foodsharing und Blühstreifen bis zur nachhaltigen Haussanierung. Außerdem betreut die Klimaagentur bei uns im Kreis
Moore gegen Hochwasser
Wie die Renaturierung von Moorböden Klima und Umwelt hilft
(BS/Scarlett Lüsser) Erst im September gab es erneut ein verheerendes Hochwasser, diesmal entlang der Oder. Solcherlei Unwetter häufen sich. Eine Möglichkeit, um solcher Wassermassen besser Herr zu werden, ist die Renaturierung von Moorflächen. Dafür gab auch das BMUV vor Kurzem mittels zweier Förderrichtlinien den Startschuss.
rung und Unterstützung von Maßnahmen zur Wiedervernässung von Moorböden) gestellt werden. Mit InAWi sollen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Wiedervernässung von Moorböden strukturiert und koordiniert umsetzen zu können und den Prozess begleitet durchzuführen. „Gemeinsam mit Akteuren vor Ort sollen Wiedervernässungspotenziale identifiziert und konkrete Projekte zur Wiedervernässung angestoßen werden. Dies umfasst sowohl die Wiedervernässung von bewirtschafteten Moorböden als auch von naturschutzbedeutsamen Mooren“, heißt es aus dem BMUV. Die Förderrichtlinie „1.000 Moore“ soll inhaltlich an InAWi anknüpfen und richtet sich an kleine, naturschutzbedeutsame Moore, die nicht bewirtschaf-
tet werden können. Auch hier sollen geeignete Flächen mithilfe der Förderung identifiziert und renaturiert werden. Insgesamt stehen dem ANK 3,5 Milliarden Euro bis 2028 zur Verfügung.
Konkrete Maßnahmen Beispiele für mögliche Maßnahmen gibt es bereits aus moorreichen Bundesländern wie BadenWürttemberg und Brandenburg, die schon vor den Förderrichtlinien mit Moorbodenprojekten begonnen haben. In Baden-Württemberg wurde beispielsweise bereits 2017 ein Moorschutzprogramm aufgestellt, da 95 Prozent der gesamten Moorfläche trockengelegt war. Mit der Moorschutzkonzeption habe das Land bereits einen guten Rahmen für naturschutzintendierte Moore.
Ein Beispiel sei hierfür das „LIFE Natur MooReKa“, bei dem das Hohlohmoor bei Kaltenbronn revitalisiert werden soll. Für das Land gehe es nun darum, weitere Rahmenbedingungen zu schaffen, um auch die Landnutzung von renaturierten Mooren zu ermöglichen, erläutert das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Diese Rahmenbedingungen scheinen in Brandenburg zum Teil schon vorhanden zu sein, denn mit dem Pilotvorhaben „Brandenburgs Luchgebiete klimaschonend bewahren –Initiierung einer moorerhaltenden Stauhaltung und Bewirtschaftung“ (BLuMo) soll eine Bewirtschaftung nasser Moorflächen erprobt werden.
Im Rhinluch, in den Möllmer Seewiesen und im Randwobruch sollen
das NRW-Landesprogramm „Ökoprofit“. Es berät Firmen jeder Größe, wie sie die Umwelt schützen, Ressourcen sparen und Kosten senken können. EEBE und Klimaagentur beziehen also Bürgerinnen, Bürger, Kommunen und Unternehmen ganz eng in die Entwicklungen in Sachen Klimaschutz und Erneuerbare Energien ein.
Behörden Spiegel: Sollte der Kreis Olpe ein Vorbild für andere Kreise sein?
Melcher: Ideen entstehen selten aus dem Nichts – auch wir haben uns Inspirationen bei gelungenen Projekten in anderen Kreisen geholt. Denn an vielen Orten gibt es Ansätze oder sogar schon länger bestehende Initiativen zum Thema Erneuerbare Energie mit Bürgerbeteiligung. Ich denke da zum Beispiel an den Bürgerwindpark Hilchenbach in unserem Nachbarkreis. Oder an Bürgerenergiegenossenschaften, die es an vielen Orten gibt. Diese Beispiele zeigen, dass solche Initiativen immer auf die Gegebenheiten vor Ort aufbauen müssen. Es gibt keine Blaupause, die auf jede Kommune in Deutschland passt. Wo kein großes Gewässer liegt, wird niemand ein Wasserkraftwerk planen. Alles beginnt also mit den Fragen: Welche Strukturen prägen unsere Region und welche Erneuerbaren Energien sind deshalb bei uns besonders effizient? Und wie können diese Energien so erzeugt werden, dass das damit verdiente Geld nicht an auswärtige Investoren fließt, sondern an die Bürgerinnen und Bürger? Beim Beispiel Windenergie stellt sich die Frage: Wem gehören die dafür interessanten Flächen? Weil die Begebenheiten überall so unterschiedlich sind, können und wollen wir uns nicht zum Beispiel stilisieren. Wenn jemand feststellt: Was die im Kreis Olpe machen, das ist ein guter Ansatz, der uns auch nutzen könnte – der darf sich gern inspirieren lassen.
die Wasserstände in Moorböden erhöht werden, um dann gemeinsam mit Landwirtinnen und Landwirten eine Nutzung der Flächen zu testen. Dafür wird auf den Möllmer Seewiesen ein Landwirt Wasserbüffel auf der Moorfläche halten, während auf den beiden anderen Flächen umfangreiche Tests zur Verwertung der Biomasse stattfinden sollen. Durchgeführt werden diese vom Kooperationspartner des Projekts, dem Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie. Gerade trockengelegte Moore in Brandenburg werden meist als Weideland genutzt, auch die Bewirtschaftung durch Nutzvieh soll getestet werden, wobei sich hierfür Wasserbüffel besonders gut eignen. Wie das Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) hierzu erklärt: „Wasserbüffel kommen mit den nassen Bedingungen gut zurecht, fühlen sich sogar wohl und verwerten die Nasswiesengräser, die auf den Flächen wachsen.“ Die Renaturierung von Moorböden bietet also viele Vorteile, die nur auf eine Umsetzung warten.
S o kann man beispielsweise Hamburg auch per Fähre entdecken. Die umweltfreundliche Alternative zum üblichen Straßenund Schienenverkehr leiste sowohl Pendlerinnen und Pendlern als auch Gästen der Stadt gute Dienste, indem sie über und entlang der Elbe zwischen Blankenese, Finkenwerder und der HafenCity Verbindungen schaffe: Wie die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende Hamburg (BVM) erklärt, sei die HADAG Seetouristitk und Fährdienst AG bereits seit 1888 ein zentraler Bestandteil des Hamburger öffentlichen Nahverkehrs und befördere jährlich 8,5 Millionen Fahrgäste. Dabei sei die Technik aber nicht im 19. Jahrhundert stehen geblieben, denn „besonders hervorzuheben ist die kontinuierliche Modernisierung der Flotte, bei der großer Wert auf emissionsarme Antriebstechnologien gelegt wird. So wurde im September 2024 die erste von drei neuen Hybridfähren in den Dienst gestellt und es ist geplant, die Flotte in den kommenden Jahren um weitere umweltfreundliche Schiffe zu erweitern“, erläutert das BVM. Damit trügen die Fähren nicht nur zu einer Verkehrsberuhigung bei, da Hamburg von zahlreichen Wasserwegen geprägt sei, sondern führten auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität in der Hansestadt.
Nicht nur zu Wasser unterwegs Übers Wasser ist aber nicht der einzige Weg, auch in der Luft kommt man gut voran, z. B. mit der Wuppertaler Schwebebahn. Die sogenannte „Einschienenhängebahn“ ist laut den Wuppertaler Stadtwerken (WSW) ein weltweit einzigartiges Stadtbahnsystem, das sich mit 20 Stationen über 13,3 Kilometer durch alle Innenstadtbereiche schlängelt. Da sie im Gegensatz zu einer einfachen Straßenbahn keine Ampeln oder dergleichen zu beachten hat, kann die Schwebebahn in enger Taktung von fünf Uhr morgens bis 23 Uhr
Für
viele Menschen wäre Carsharing eine gute, kostengünstigere Alternative zum Privatauto. Die Universitätsstadt Marburg fördert nun den Wechsel zu neuen Mobilitätsroutinen mit einer attraktiven Prämie. Wer sein Auto für ein Jahr abmeldet, bekommt a) Klimaboni: 50 Euro, b) Carsharing: bis zu 800 Euro, c) Marburg-Gutscheine: bis zu 400 Euro und d) bis zu 600 Euro für DeutschlandTickets.
Ausgewogene Nutzung des Pkws Ziel der Prämie im Marburger Modell ist erstens eine ausgewogene Nutzung des Pkws, nicht der völlige Verzicht. Durch das Carsharing-Angebot ergeben sich für die Teilnehmenden besonders in der Kernstadt prinzipiell nur geringfügige Änderungen. Gravierendste Einschränkung: Das Fahrzeug steht im Regelfall nicht vor der Haustür und vor der Fahrt ist eine Buchung erforderlich.
Zweitens möge die Prämie bewirken, durch die Abmeldung von Fahrzeugen Platz zu schaffen, etwa für Maßnahmen zur Klimaanpassung. Die Umnutzung von Parkplätzen erfolgt allerdings zunächst nur provisorisch und ist von Fall zu Fall abzuwägen und rechtlich zu prüfen. Drittens ist die Prämie ein Instrument der Wirtschaftsförderung. Der Umsatz verbleibt zu 100 Prozent in Marburg. Mit den Marburg-Gutscheinen können die Teilnehmenden in rund 200 Geschäften der Stadt einkaufen. Die Gutschriften für al-
Der etwas andere Stadtverkehr
ÖPNV-Alternativen zu Bus und Bahn
(BS/Scarlett Lüsser/Sven Rudolf) Mit dem Deutschlandticket kann man bekanntermaßen überall in der Bundesrepublik den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Jedoch gehört in manchen Städten mehr dazu als die klassischen Fortbewegungsmöglichkeiten wie Bus und Bahn.
Den Berufsverkehr können Wuppertaler hoch über den Straßen mithilfe der Schwebebahn umgehen. Foto: BS/Wuppertaler Stadtwerke
Abends Fahrgäste transportieren. „Mit rund 60.000 Fahrgästen am Tag stellt die Schwebebahn täglich unter Beweis, dass sie das wichtigste Verkehrsmittel im ÖPNV der 350.000-Einwohner-Stadt im Bergischen Land ist“, erklären die WSW stolz. Die seit 1901 fahrende Schwebebahn ist zudem auch das Wahrzeichen der Stadt.
Blick ins Ausland Ebenfalls hoch hinaus bei der Fahrt durch die Stadt geht es mit Seilbahnen. Wie auch die Wuppertaler Schwebebahn sind diese Verkehrsmittel nicht an Ampeln gebunden und besonders gut dafür geeignet, Flüsse oder Höhen-
meter zu überwinden. So ist es kein Wunder, dass die bolivianische Hauptstadt La Paz mit ihren großen Höhenunterschieden über mehrere Linien und eine Netzlänge von über 30 Kilometern verfügt. Ein so eindrucksvolles Netz ist in deutschen Städten in der Regel nicht vonnöten, um Höhenunterschiede zu überwinden. Dennoch gibt es in Städten wie Koblenz Seilbahnen, die auch für den täglichen Pendlerverkehr genutzt werden. In den öffentlichen Personennahverkehr integriert sind diese Angebote jedoch nicht, sodass eine Fahrt immer eines zusätzlichen Tickets bedarf. Anders soll es bei der in Bonn geplanten Seilbahn sein. Sie
Ein Jahr ohne Pkw
wird in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Bonn umgesetzt, die einen Kooperationsvertrag mit der Stadt für das Seilbahn-Projekt geschlossen haben. Nach Aussagen der Stadtverwaltung soll mit den geplanten Stationen auf beiden Rheinseiten eine optimale Anbindung an den Nah- und Regionalverkehr gewährleistet sein. Wenn die angestrebten Ziele zu einer Fertigstellung der Unterlagen zur Planfeststellung bis Mitte 2026 eingehalten werden, könnte die Seilbahn noch vor 2030 an das Verkehrsnetz der Bundesstadt angebunden werden. Der Bau der Seilbahninfrastruktur wird nach Berechnungen 66
Prämie für Mobilität ohne Privatauto in Marburg
(BS/Dr. Michael Kopatz) Ein Drittel der Autobesitzenden in Städten mit gutem Mobilitätsangebot benötigen nach eigener Aussage kein Auto. Tatsächlich nutzen die Bundesbürger ihren Pkw durchschnittlich nur eine Stunde am Tag, benötigen jedoch für die anderen 23 Stunden gut zwölf Quadratmeter Fläche – und dies an mehreren Orten.
ternative Mobilitätsformen stärken die Stadtwerke Marburg und den lokalen Carsharing-Anbieter.
Vorzüge des Carsharings
Mit der Prämie beabsichtigt der Magistrat, insbesondere Interesse am Konzept Carsharing zu wecken, denn das Konzept bietet zahlreiche Vorzüge:
• Die Parkplatzsuche entfällt. Für Carsharing gibt es reservierte Stellflächen.
• Keine Kosten für den garantierten Parkplatz.
• Liegt die jährliche Fahrleistung unter 10.000 - 14.000 km, ist Carsharing meist günstiger als ein eigenes Auto.
• Keine zeitaufwendigen Wege zur Werkstatt. Inspektion, Reifenwechsel, Reinigung usw. entfallen.
• Der Nutzer hat je nach Bedarf eine Auswahl an verschiedenen Fahrzeugklassen vom Kleinwagen bis zum Transporter für den Umzug.
• Mehrere Personen eines Haushalts können zugleich einen Wagen buchen.
• Für Kinder des Haushalts, die eine Fahrerlaubnis erworben haben, werden keine besonderen Versicherungskosten fällig.
Wie bei allen Förderprogrammen ist es denkbar, dass die Adressaten die finanzielle Unterstützung nicht wie beabsichtigt einsetzen. Um das zu erschweren, müssen die Teilnehmenden eine Einverständniserklärung zu verschiedenen Punkten abgeben. Zudem wird die zweite Hälfte der Förderung erst nach Ablauf von sechs Monaten ausgezahlt, nachdem die Abmeldung erneut bestätigt wurde.
Die Antragsteller sichern mit ihrer Unterschrift u. a. zu: „dass das abgemeldete Fahrzeug mir nicht durch Mitglieder meines Haushalts oder anderweitig zur Verfügung steht.“ Wer sich daran nicht hält macht sich strafbar. Wir gehen aufgrund der bisherigen Rückmeldungen von Antragstellern nicht davon aus, dass die Gutscheine besonders viele Betrugsversuche auslösen. Vielmehr erläutern die Antragstellenden ganz offenherzig ihre Situation.
5.000 Euro Subvention
Die entstehenden Kosten refinanzieren sich gesellschaftlich und volkswirtschaftlich. Einer Studie zufolge wird jedes Auto durchschnittlich mit 5.000 Euro pro Jahr subventioniert. Zum Beispiel weil Menschen aufgrund von Lärm oder Luftverschmutzung durch den Autoverkehr erkranken, früher sterben oder an den Folgen des Klimawandels leiden. Viele andere Studien weisen in dieselbe Richtung. Unbestritten entstehen soziale, ökologische und ökonomische Kosten, die sich bei Weitem nicht durch die Kfz- und Spritsteuer decken lassen. Volkswirtschaftlich zahlt sich die Prämie damit rasch aus. Für die Stadt Marburg relevant sind etwa die Grundstückskosten. Jedes Auto beansprucht in Marburg zwölf bis 15 Quadratmeter Platz am Haus und indirekt noch mindestens zwei Parkplätze an Schulen, Läden, am Arbeitsplatz usw. Wenn man von nur einem Parkplatz je Pkw im öffentlichen Raum ausgeht, gewinnt die Stadt Marburg bei einem Grundstückspreis von 200 Euro für jedes abgeschaffte Fahrzeug Flächen im Wert von 2.400 Euro.
Bewohnerparkausweis versus Prämie
Millionen Euro kosten. Der größte Teil der Investitionen kann über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gefördert werden. Für die Stadt Bonn würde ein ungefährer Eigenanteil von elf Millionen Euro verbleiben. Die Stadt weist allerdings darauf hin, dass eine abschließende Kostenprognose erst nach Fertigstellung der Planung abgegeben werden kann. Nach bisheriger Expertenmeinung würde die Seilbahn einen wichtigen Beitrag zur Klimaneutralität der Stadt leisten. Zusätzlich soll sie die vielbefahrene Straße zu Bonns drittgrößtem Arbeitgeber, dem Universitätsklinikum auf dem Venusberg, entlasten.
Schienenergänzungsmittel Die Möglichkeiten von Fähre, Schwebe- und Seilbahn beschränken sich aber hauptsächlich auf den innerstädtischen Transport. Davon haben ländlichere Regionen oder kleinere Städte und Dörfer wenig. In Zukunft kann sich das mit den sogenannten „Monocabs“ ändern. Dabei handelt es sich ebenfalls um Einschienenbahnen, die bereits vorhandene, stillgelegte Bahnschienen nutzen sollen. Dabei ist eine Schiene für den Hinweg gedacht, die andere für den Rückweg. In den kleinen Kabinen finden vier bis sechs Personen Platz und auch eine Fahrradmitnahme ist bei wenigen Personen möglich. Die autonom fahrenden Kabinen sollen für mehr Mobilitätsgerechtigkeit und Lebensqualität in ländlichen Regionen sorgen. Hinter dem Forschungsprojekt stehen die Technischen Hochschule OWL, die Hochschule Bielefeld und das Fraunhofer IOSB-INA. 2023 bewies ein Testfahrzeug, dass die Idee funktioniert und 2028 soll eine erste langfristige Testphase erfolgen. Ob Monocabs in der Zukunft deutschlandweit zum Einsatz kommen und auch international Anklang finden, wie es sich die Hersteller erhoffen, bleibt abzuwarten.
Die Stadt Bonn kommt nach Kalkulation der Herstellungs-, Unterhaltungs- und Verwaltungskosten sowie des Kontrollaufwands von Parkplätzen auf einen Betrag von 360 Euro pro Jahr für Herstellungskosten, Nutzungsdauer und Unterhaltungskosten. Auf dieser Basis plant Bonn, eine 360-Euro-Gebühr für einen Bewohnerparkausweis mit einer einjährigen Gültigkeit einzuführen.
In Marburg sollen in den Stadtteilen mit hohem Parkdruck nach Möglichkeit Quartiersgaragen entstehen. Ziel ist, insbesondere Flächen für Baumpflanzungen und andere Maßnahmen zur Klimaanpassung zu gewinnen. Die Kosten für den Parkplatz in einer Quartiersgarage werden schätzungsweise bei 800 bis 1.000 Euro je Parkplatz und Jahr liegen. Zum Großteil wird die Stadt dafür aufkommen müssen. Wenn also weniger Parkflächen für Autos hergestellt werden müssten, die ohnehin wenig bis gar nicht genutzt werden – und daher vielleicht auch durch die Prämie angeregt abgeschafft wurden –, dann kommt das allen zugute. Geplant war eine Modellphase mit anfänglich 50 Prämien. Nach nur vier Wochen war ein Großteil der Prämien schon vergeben. Der Magistrat wird nun prüfen, weitere 50 Prämien auszuloben, gegebenenfalls mit einigen Anpassungen aufgrund der ersten Phase.
Dr. Michael Kopatz, Magdeburger Stadtrat für Klimastrukturwandel, Bauen, Stadtplanung und Mobilität Foto: BS/Christopher Rommel
Nicht nur in Deutschland werden gerade die Kapazitäten zur Produktion von grünem Wasserstoff und zu seiner Einspeicherung hochgefahren. Schätzungen zufolge werden sowohl die Investitionen in die Erforschung und Entwicklung von Brennstoffzellen als auch in Wasserstoff generell in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Aktuell priorisiert die Politik für eine Verkehrswende allerdings noch verstärkt elektrische Fahrzeuge. In einer Studie zu den Chancen von Wasserstoff für die urbane Mobilität hat die EIT Urban Mobility betrachtet, in welchen Bereichen Wasserstoff besonders großes Potenzial aufweist. So sieht die Studie zum Beispiel bei Brennstoffzellen-betriebenen LKWs und Bussen eine zukünftig ausgeglichene Nutzung mit batteriebetriebenen Fahrzeugen und ein weiteres Wachstum des Marktes.
Sieger Bus
Gerade Busse haben das größte Potenzial zur Nutzung von Brennstoffzellen, wenn es um den Stadtverkehr geht. Ähnliches gilt ebenfalls für mittelgroße Fahrzeuge der Stadtverwaltung. So haben Städte wie Hamburg bereits 20 Wasserstoffbetriebene Busse in die Flotte integriert. Die Studie geht davon aus, das Busse mit Brennstoffzelle einen Marktanteil zwischen 25-39
Nächste Haltestelle: Wasserstoff
Brennstoffzellen als Teil der Mobilitätswende
(BS/sr) Grüner Wasserstoff gilt als einer der großen Hoffnungsträger in der Energie- und Mobilitätswende, muss aktuell aber noch mit sogenanntem grauem Wasserstoff gestützt werden. Um in Zukunft genügend grünen Wasserstoff zur Verfügung zu haben, sind große Ausgaben nötig. Gleich mehrere Bundes- und Landesprojekte fördern den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur. Wie groß aber ist das Potenzial von Wasserstoff für den ÖPNV?
Prozent erreichen könnten. Das entspreche in etwa einem Marktwert von 8.325 Millionen Euro. Flächendeckend sind Brennstoffzellenfahrzeuge jedoch eher wenig vertreten.
In der Studie bleiben ebenjene Autos und Züge deutlich hinter ihren batteriebetriebenen zurück. Bei Schienenfahrzeugen etabliere sich zusehends ein besseres Kos-
Neulich …
… las ich eine Mitteilung des Umweltbundesamtes, die so neu und überraschend nicht klang: Der Verkehr sei der größte Treibhausgasverursacher. Nun ist Mobilität eine unabdingbare Voraussetzung für unseren Wohlstand und unsere Freiheit. Gleichzeitig bedrohen gerade die in Aussicht gestellten klimatischen Verhältnisse die Grundpfeiler dieser Werte. Politisch gilt es, einen gordischen Knoten zu lösen. Nun kann Politik nur so ehrlich sein, wie es der Wähler verkraftet. Dem Wahlvolk vorzuschreiben, Verzicht zu üben, kostenintensive Investitionen in EFahrzeuge und Wärmepumpen zu tätigen oder Energiepreise künstlich zu erhöhen, führt schnell zum politischen Selbstmord. Die Klischees beim Thema Elektromobilität werden ausreichend bedient. Die Diskussion ist ziemlich überhitzt. Wer elektrisch motorisiert unterwegs ist, gehört der wohlhabenden und akademischen Elite an und Diesel-Fahrende wählen auf keinen Fall die Grünen. Man kann auch den Grund dafür erahnen: Zwei Drittel der Autofahrenden werden derzeit beim Kauf eines E-Kfz ausgegrenzt. Diese suchen nämlich ein Fahrzeug im Preissegment bis maximal 20.000 Euro. Einen E-Dacia mit 45 PS für diesen Preis erwerben zu können, ist nicht wirklich eine Lösung. Gutverdienende besitzen eher Wohneigentum und haben deshalb auch bessere Voraussetzungen für die Ladeinfrastruktur zu Hause. Bald soll es eine Förderung für elektrobetriebene Fahrzeuge geben. Ob es sozialpolitisch gerechtfertigt ist, mit Steuergeld die Menschen zu sponsern, die sich auch ohne Förderung ein E-Auto leisten könnten, darf zumindest angezweifelt werden.
Deutschlandticket in der Kritik Ein anderes Verkehrsmittel macht uns auch Sorge: die Bahn. Aber die Bahn hat schon das Sommermärchen während der Europameisterschaft getrübt. Sie
kommt längst nicht immer und im ländlichen Raum oft nie. Es fehlt an moderner Infrastruktur und Personal. Das 49-Euro-Ticket löst diese Probleme nicht. Die regierenden Parteien sprechen von einem positiven Imageeffekt für die Verkehrswende. Immerhin hätten ca. 13 Millionen Menschen dieses Ticket gekauft. Allerdings waren bereits vor der Einführung des Deutschlandtickets etwa 15 Millionen Nutzende im Besitz von Zeitkarten für den ÖPNV. Es sind also vor allem Bestandskunden aus den Speckgürteln, die dieses Angebot nutzen. Immerhin subventioniert der Steuerzahler dieses Ticket mit vier Milliarden Euro jährlich. Sollten diese Steuergelder nicht besser für die marode Infrastruktur und zum Lohnanreiz für das Personal eingesetzt werden? Außerdem schafft das Flatrate-System falsche Anreize. Es verlockt zu mehr Fahrten in einem Nahverkehrssystem, das ohnehin überlastet ist. Es trägt wenig zur Verkehrswende bei, wenn Pendlerinnen und Pendler nicht mehr in ihre Züge reinkommen, weil Touristen ihre Flatrates nutzen. In der E-Mobilität muss der Fokus zunächst auf einen funktionierenden Markt und die Ladeinfrastruktur gesetzt werden. Die Sanierung der maroden Bahn-Infrastruktur hat höchste Priorität. Populistische Gießkannenmaßnahmen wie das Deutschlandticket, das Angebot von Gratisparken in den Innenstädten wie auch die Subventionierung einer wohlhabenden Kaste beim Kauf von E-Autos sind wenig hilfreich für die Akzeptanz der zweifelsohne notwendigen Verkehrswende.
ten-Nutzen-Verhältnis für elektrische Antriebe, sodass Wasserstoff nur in Städten ohne Oberleitungsnetz eine Anwendung finden könne. Beim privaten PKW oder auch Taxen wird der Anteil im Vergleich zu batterieelektrischen und Hybridfahrzeugen hingegen verschwindend klein bleiben.
Schneller und leichter Als größter Vorteil gegenüber den batterieelektrischen Bussen gilt die Ladezeit von Brennstofzellen, die signifikant geringer ist. Aber auch die geringe Emissionszahl und lange Reichweite werden als Vorteile gewertet. Wenn es nicht gerade um Busse geht, ist auch das geringere Gewicht ein Vorteil von Brennstoffzellenfahrzeugen, so z. B. bei Abfallsammelfahrzeugen. Damit sich die Anwendung von Wasserstoff jedoch rechnet, muss durch Forschung und Entwicklung noch an den Kosten von grünem Wasserstoff geschraubt werden. Das
gilt für dessen Produktion, Transport, Lagerung und Verteilung –Ein Problem, welches potenziell mit den aktuellen Ausbauprojekten angegangen werden kann.
Eine Frage des Image Damit Wasserstoff ein relevanter Teil der Mobilitätswende wird, empfiehlt die Studie einige Strategien. So sei zum Beispiel die Entwicklung von Richtlinien wichtig, welche die Eingliederung von Wasserstoffbasierten Fahrzeugen in den öffentlichen Personennahverkehr förderten. Auch könnten Öffentlich-Private Partnerschaften einen wichtigen Beitrag zur Schaffung eines weitreichenden Tanknetzes mit grünem Wasserstoff garantieren. Dazu zählt die Überlegung, ob eine Kommune sich an das Versorgungsnetz anschließen lässt oder doch selbst Elektrolyseure aufstellt oder sogar beide Möglichkeiten wahrnimmt. Solche Partnerschaften sollten sich nach Empfehlung der Studie auf die Skalierbarkeit, Effektivität und die Umweltverträglichkeit der Wasserstoffproduktion konzentrieren. Nicht zuletzt ist die öffentliche Wahrnehmung der Antriebsart wichtig und sollte durch Informationsveranstaltungen und weitere Versuche, sie zu pilotieren, gefördert werden, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden.
Rolf Hartmann war von 2004 bis 2020 Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim. Foto: BS/privat
Ihre Chance, die Stadt Frechen zu prägen: Setzen Sie unser städtebauliches Großprojekt erfolgreich um!
Um dem Strukturwandel in der Region aktiv zu begegnen, wurde im Jahr 2000 die Stadtentwicklungsgesellschaft mbh (SEG) als Tochtergesellschaft der Stadt Frechen gegründet. Ziel ist es, eine nachhaltige Baulandpolitik zu betreiben und dadurch positiven Einfluss auf die stadtentwicklungspolitische Gesamtentwicklung der Wohn- und Gewerbegebiete zu nehmen.
In den nächsten Jahren soll dabei schwerpunktmäßig das Gelände der ehemaligen Brikettfabrik „Grube Carl“ mit einem Projektvolumen von bis zu 150 Mio. Euro infrastrukturell und baulich entwickelt werden. So entstehen ca. 1.500 neue Wohneinheiten für die Stadt Frechen, um der angespannten Wohnraumversorgung im Ballungsraum Köln entgegenzuwirken.
Um die oben genannten bedeutsamen Aufgaben langfristig zu verfolgen, suchen wir eine fachlich versierte und kommunikationsstarke Führungspersönlichkeit als Geschäftsführung
Projektentwicklung (w/m/d)
Gehen Sie davon aus, dass die vertraglichen Rahmenbedingungen Sie überzeugen werden.
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Annika Lachmann, Alexander Wodara oder Roland Matuszewski gerne zur Verfügung.
Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Lebendig. Modern. Sympathisch.
Die Stadt Meckenheim mit rd. 27.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist traditionell für ihre leckeren Äpfel und den Anbau von Edelobst in Deutschlands drittgrößtem Obstanbaugebiet bekannt. Sie liegt im Rhein-Sieg-Kreis inmitten der abwechslungsreichen und interessanten Kulturlandschaft in direkter Nachbarschaft zu den Städten Köln und Bonn im Naturpark Rheinland. Die Stadt Meckenheim sucht zum 01.04.2025 eine Führungspersönlichkeit als Technische/r Beigeordnete/r (w/m/d)
Die Stelle wird in Vollzeit angeboten und ist nicht teilbar. Die Besoldung richtet sich nach der Eingruppierungsverordnung für das Land NRW nach Bes.Gr. A 15 LBesG NRW. Daneben wird eine Aufwandsentschädigung nach der Eingruppierungsverordnung gezahlt.
Das Amt ist aktuell in Personalunion mit der Funktion des Ersten Betriebsleiters des Eigenbetriebes Stadtwerke Meckenheim verbunden. Dem Eigenbetrieb sind die Aufgaben der Wasserversorgung und der Straßenbeleuchtung übertragen. Gesucht wird eine engagierte, erfahrene, tatkräftige sowie kreative, verantwortungs- und entscheidungsbewusste Führungspersönlichkeit mit überdurchschnittlicher Einsatzbereitschaft, die in der Lage ist, das zugeordnete Dezernat fachlich zu leiten.
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für Informationen zur ausgeschriebenen Stelle wenden Sie sich bitte an Herrn Bürgermeister Holger Jung unter 0 22 25 917 – 101.
Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung
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In dieser Position tragen Sie maßgeblich zur Gestaltung des Erscheinungsbildes von Mönchengladbach bei!
Ihre Ideen für unser Stadtwerk – Führungskraft mit Weitblick gesucht!
Wir sind eine Stadt mit hoher Lebensqualität im Südwesten Baden-Württembergs.
Unsere Stadtwerke leisten als kommunales Dienstleistungsunternehmen einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge. Sie sind verantwortlich für die Wasserversorgung, den Betrieb der Schwimmbäder sowie für die Bereitstellung diverser Verkehrsdienstleistungen wie des ÖPNV und der Betreuung der Parkhäuser. Darüber hinaus entwickeln sich die Stadtwerke aktuell durch den Ausbau in den Bereichen Fernwärme und Stromnetzbetrieb weiter.
Für unseren Eigenbetrieb suchen wir im Zuge einer altersbedingten Nachfolge zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine eigenverantwortliche und motivierte Führungspersönlichkeit als
Leitung Eigenbetrieb Stadtwerke (w/m/d)
Die Stelle ist für tariflich Angestellte nach EG 14 TVöD vergütet. Der Eigenbetrieb wird von zwei Betriebsleitungen mit unterschiedlichen Verantwortungsbereichen geführt. Gemeinsam mit der Ersten Betriebsleitung berichten Sie direkt an die Baubürgermeisterin.
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Theresa Meister, Alexander Wodara oder Roland Matuszewski gerne zur Verfügung.
Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung Anz_Leitung-Stadtwerke_anonym_10-2024.indd
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mags steht für „Mönchengladbacher Abfall-, Grün- und Straßenbetriebe - AöR“. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen und sorgen für die Unterhaltung und Pflege des rund 950 Kilometer langen Straßennetzes, der über 200 öffentlichen Grün-, Spiel- und Sportanlagen, der 13 städtischen Friedhöfe und des Baumbestandes im Gebiet der Stadt Mönchengladbach. Zum technischen Bereich gehören drei Abteilungen, deren rund 320 Mitarbeitende täglich Sorge für die erfolgreiche Erfüllung dieser Aufgaben tragen.
Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir ab sofort eine engagierte und innovative Führungspersönlichkeit als
Technische Betriebsleitung
(w/m/d) für die Bereiche Straße, Grün und Friedhofswesen
In dieser Schlüsselposition setzen Sie gemeinsam mit dem Vorstand die richtigen Akzente für eine erfolgreiche Zukunft der mags und sind ein wichtiger Teil unseres Führungsteams.
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Annika Lachmann, Roland Matuszewski oder Theresa Meister gerne zur Verfügung.
Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Sie verknüpfen Städtebau und Architektur!
Für eine facettenreiche und lebenswerte Stadt im sonnigen Süden Deutschlands suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine motivierte Führungspersönlichkeit als Abteilungsleitung für den Bereich Stadtbild und Innenstadt (w/m/d)
Die Abteilung übernimmt eine wesentliche Rolle im Stadtplanungsamt. Im Fokus steht dabei der Erhalt von stadtbildprägenden und bauhistorisch wertvollen Stadtbereichen.
Die Bezahlung dieser attraktiven Position erfolgt je nach Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen bis Entgeltgruppe 15 TVöD. Als aufgeschlossene und teamorientierte Persönlichkeit verfügen Sie über ein hohes Maß an Eigeninitiative sowie Kreativität und haben Spaß an strategischen Lösungswegen.
Mit Ihrem souveränen Auftreten und Ihrer Kommunikationsstärke überzeugen Sie nicht nur als Führungskraft, sondern auch in der Interaktion mit politischen Gremien sowie der Öffentlichkeit.
Bei uns begegnen Ihnen abwechslungsreiche, sinnstiftende Aufgaben und ein großer Gestaltungsspielraum.
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Raza Hoxhaj, Gianna Forcella oder Julia Schwick gerne zur Verfügung.
Lassen Sie uns Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte über die zfm-Jobbörse zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!
Zahlen im Blick, Verwaltung im Fokus!
Die Stadt Offenburg mit ihren 63.000 Einwohner*innen liegt im Herzen Baden-Württembergs, nahe der französischen Grenze. Eingebettet zwischen Schwarzwald und den Weinbergen der Ortenau, vereint Offenburg traditionelles Flair mit moderner Lebensqualität. Neben der attraktiven Lage überzeugt die Stadt mit einer lebendigen Innenstadt, vielfältigen Freizeitmöglichkeiten sowie einem breiten kulturellen Angebot.
Für den Fachbereich Familien, Schulen und Soziales sucht die Stadt Offenburg zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine kommunikationsstarke und lösungsorientierte Führungspersönlichkeit als
Leitung Controlling und Verwaltungsmanagement (w/m/d)
Diese attraktive Position wird nach A 14 LBesGBW besoldet bzw. nach EG 14 TVöD vergütet.
In dieser neugeschaffenen Position berichten Sie direkt an die Fachbereichsleiterin und profitieren dadurch von kurzen Entscheidungswegen. Ein offener und ehrlicher Umgang sowie eine lösungsorientierte Fehlerkultur sind der Stadt Offenburg wichtig. Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Annika Lachmann oder Roland Matuszewski gerne zur Verfügung.
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Übernehmen Sie eine Schlüsselrolle in der Stadtentwicklung und gestalten Sie die Zukunft Frechens mit!
Die Stadt Frechen mit ihren rund 54.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt als attraktives Mittelzentrum in der Region Köln/Bonn und grenzt westlich an die Metropole Köln. Die Stadt ist ein wichtiger Wirtschafts- und attraktiver Wohnstandort in der Region und verfügt über ein breites Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebot. In einer wirtschaftsstarken Region mit vielen überregionalen Bildungs-, Forschungsund Kultureinrichtungen bietet Frechen hervorragende Zukunftsperspektiven und eine hohe Lebensqualität. Bei der Stadt Frechen kümmern sich derzeit rund 850 Mitarbeitende um die Belange der Bürger:innen.
Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine überzeugende, engagierte Führungspersönlichkeit (w/m/d) als
Technische Beigeordnete / Technischer Beigeordneter
(w/m/d)
Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt nach der Wahl durch den Rat der Stadt Frechen für eine Wahlzeit von acht Jahren. Die Besoldung erfolgt nach Besoldungsgruppe B 2 LBesO NRW zuzüglich einer Aufwandsentschädigung nach der Eingruppierungsverordnung NRW.
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Elisa Heinen, Raza Hoxhaj oder Julia Schwick gerne zur Verfügung.
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Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung
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Pläne wirklich werden zu lassen –das ist Ihre Leidenschaft!
Die über 800 Beschäftigten der Stadtverwaltung Fellbach arbeiten tagtäglich in den vielfältigsten Tätigkeiten für die Belange unserer Bürger*innen.
Das Amt für Stadtplanung befasst sich mit der Gesamtheit der Planungen für den Städtebau in unserer Stadt. Hierbei geht es neben einer zukunftsorientierten Entwicklungsstrategie für die Stadt Fellbach auch um das ganzheitliche Gefüge, die raumbezogene Infrastrukturentwicklung und darum, die Verträglichkeit von Nutzungen zu gewährleisten.
Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine engagierte und gestaltungsorientierte Führungspersönlichkeit als
Amtsleitung
Stadtplanung
(w/m/d)
In dieser Funktion berichten Sie direkt an die Baubürgermeisterin. Die attraktive Position wird nach A 15 LBesGBW bzw. EG 15 TVöD vergütet.
Sind Sie bereit, die Transformation unserer Stadt aktiv mitzugestalten und innovative Lösungen für eine nachhaltige und klimafitte Zukunft zu entwickeln?
Interessiert?
Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Alexander Wodara, Theresa Meister oder Roland Matuszewski gerne zur Verfügung.
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Die Personalberatung für die Kommunalwirtschaft und die öffentliche Verwaltung
Bundesweit sind im Öffentlichen Dienst derzeit rund fünf Millionen Menschen beschäftigt. Bereits heute können in der Kommunalverwaltung viele Stellen nicht besetzt werden. Schätzungen zufolge fehlen jetzt schon bis zu 570.000 Fachkräfte im Öffentlichen Dienst. Bis zum Jahr 2030 werden es rund eine Million sein. Der Fachkräftemangel wächst sich zu einem Arbeitskräftemangel aus. Die Kommunen müssen sich beim
„Mitarbeitermanagenment in Kommunen“
Personalnot muss erfinderisch machen
Wettbewerb um die besten Köpfe neben Bundes- und Landesbehörden auch und insbesondere der Privatwirtschaft stellen. Aus diesem Wettbewerb ergeben sich viele neue Anforderungen an das Personalmanagement. Für den Kommunalbericht 2023 untersuchten wir bei 16 ausgewählten Kommunen im Rahmen der Fachprüfung „Personalmanagement III“ den Reifegrad des Personalmanagements. Die Prüfung umfass-
Reifegrad des Personalmanagements
Quelle: BS/eigene Erhebungen; Stand: Dezember 2022
Die Kommunen stehen für rund 30 Prozent der gesamten öffentlichen Personalausgaben und tätigen rund 70 Prozent der öffentlichen Sachinvestitionen. Gleichzeitig stehen ihnen aber nur rund 15 Prozent der Steuern und steuerähnlichen Abgaben zu. Die Kommunen sind wie keine andere staatliche Ebene von Zuweisungen der Länder und des Bundes abhängig. In dieser Gemengelage zeigen die bestehenden kommunalen Investitionsbedarfe, die etwa das KfW-Kommunalpanel auf derzeit 186,1 Milliarden Euro taxiert und die bestehenden Herausforderungen in den Bereichen Digitalisierung, Demografie, Soziales sowie Klimatransformation, dass die kommunale Ebene enorme Finanzbedarfe hat. Daraus erwächst die Fragestellung, ob die bisherige kommunale Grundfinanzierung den künftigen Herausforderungen noch gerecht wird. Immer neue Fördermittelprogramme mit aufwendigen bürokratischen Vorgaben werden die bestehenden Probleme kaum lösen können. Es bedarf daher einer nachhaltigen und strukturellen Antwort auf die oben skizzierten Fragestellungen.
Erhöhte Beteiligung an der Einkommenssteuer In zwei Teilstudien ist durch das Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur (KOMKIS) und das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (KOWID) untersucht worden, mit welchen Mechanismen innerhalb des deutschen Föderalismus diese Probleme angegangen werden könnten. Zunächst ist untersucht worden, welche Effekte sich durch eine erhöhte Beteiligung an der Einkommensteuer für die Kommunen ergeben würden. Anschließend ist auf die Umsatzsteuer als bewegliches Scharnier der Finanzverfassung abgestellt worden, wobei hier nicht nur die Höhe des Anteils, sondern auch der kommu-
te insgesamt fünf Prüfungsfelder: Personalbedarfsplanung und -controlling, Personalgewinnung, Personalmarketing und Arbeitgeberattraktivität, Personalentwicklung und -bindung, Personalabrechnung und Aktenführung. Der Vergleich zeigte eine große Spreizung beim Reifegrad des Personalmanagements. Ein hoher Reifegrad im Personalmanagement wurde in nur vier Kommunen erreicht. Ein niedriger Reifegrad konnte in drei Kommunen festgestellt werden. Hier zeigten sich große Handlungsbedarfe in den Aufgabenbereichen der Personalbedarfsplanung, -gewinnung und -entwicklung.
Die Kommunen müssen im Wettbewerb um die besten Köpfe kreative Lösungen finden, um zu bestehen und die Aufgabenerbringung dauerhaft sicherzustellen. Aus der Gesamtbetrachtung ergaben sich Chancen für alle Kommunen. Kleine Personalverwaltungen mit einem vergleichsweise niedrigeren Reifegrad können von den konzep-
Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat
tionellen und operativen Lösungen der größeren Personalverwaltungen, zum Beispiel langfristig über einen interkommunalen Erfahrungsaustausch oder kurzfristig über den Zugang zu Informationen und Beispielen guter Praxis aus anderen Kommunen in den sozialen Medien, profitieren. Insgesamt zeigten unsere Prüfungen, dass sich gerade standardisierbare Aufgaben der Personalwirtschaft und -abrechnung gut für eine digitale interkommunale Zusammenarbeit eignen. Die die digitale Zusammenarbeit erlaubt Synergieeffekte zu heben, angemessene Personalbetreu -
ungs- und Abrechnungsquoten zu realisieren, sinnvolle Vertretungsregelungen einzurichten sowie Rechtssicherheit und Wissenstransfer zu schaffen, flexibles Arbeiten zu ermöglichen (Worklife Balance) sowie Aufstiegsoptionen und Zukunftsperspektiven zu schaffen, die eigene Arbeitsattraktivität zu steigern und die eigene Verwaltung zu modernisieren, um unter anderem auch für junge Menschen attraktiver zu sein.
Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Kommunalbericht 2023, Hessischer Landtag, Drucksache 20/11686 vom 21. November 2023, S. 262 ff.
ein.
Grafik:BS/ Hessischer Rechnungshof
Mehr Eigenverantwortung wagen
Wege zur Verbesserung der kommunalen Grundfinanzierung
(BS/Mario Hesse/Christian Bender) Die Kommunen sind starke Player im fiskal-föderalen Gefüge. Doch wird die bisherige kommunale Grundfinanzierung den künftigen Herausforderungen noch gerecht? Dieser Frage widmen sich zwei Studien des Kompetenzzentrums für kommunale Infrastruktur (KOMKIS) und des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge (KOWID).
Welche Vorteile hätte eine Umschichtung der bestehenden Einkommen und Umsatzsteueranteile für die Kommunen? Antworten liefern zwei aktuelle Studien. Foto: BS/castellanos80, stock.adobe.com
nale Verteilungsschlüssel diskutiert wurde. Beide Instrumente zielen darauf ab, die Kommunen nicht nur an der Steuerbasis vermehrt zu beteiligen, sondern auch, ihnen Mittel ohne Zweckbindung zur Verfügung zu stellen.
Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip können die Kommunen vor Ort am besten beurteilen, ob die Sanierung der Schule oder etwa die Erneuerung der Gemeindestraße Priorität genießt. Dem wird mit den steuerbasierten Ansätzen Rechnung getragen. Die Modellrechnungen umfassen zudem die Folgewirkungen im kommunalen und bundesstaatlichen Finanzausgleich, die die „neuen“ Steuereinnahmen auf anderem Wege wieder entziehen können. Bei einer Umschichtung der bestehenden Einkommens- und Umsatzsteueranteile können die Kommunen mit teils erheblichen
Mehreinnahmen rechnen. Unterstellt wurde hierbei, dass den Kommunen ein zusätzlicher Einkommensteuer- beziehungsweise Umsatzsteuerpunkt zulasten des Bundes gewährt worden ist, was jeweils einem Aufkommen von drei Milliarden Euro entspräche. Auch eine hälftige Beteiligung von Bund und Ländern ist möglich. Im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs zeigt sich jedoch, dass bei einer solchen Lösung gerade die ostdeutschen Kommunen aufgrund ihrer allgemeinen Steuerschwäche unterproportional hinzugewinnen, während Kommunen in Ländern wie etwa Bayern oder Baden-Württemberg massiv bevorteilt würden. Diese Lösung hätte somit einen eher fiskalisch spreizenden Charakter und wäre mit Blick auf eine gleichmäßige Stärkung der Kommunen nicht unbedingt zu präferieren.
Hingegen zeigt die Erhöhung der Umsatzsteuerbeteiligung eine gleichmäßigere Verteilung zwischen den Ländern auf. Hier ergeben sich für die Kommunen in allen Ländern signifikante Mehreinnahmen, wobei über den bundesstaatlichen Finanzausgleich in einigen Ländern mit Mindereinnahmen zu rechnen ist.
Modifikation des Umsatzsteuerschlüssels
In einem Zweitrundeneffekt ist folglich die Frage, ob die Länder ihre potenziellen Mindereinnahmen zumindest anteilig an die Kommunen im Rahmen ihrer jeweiligen kommunalen Finanzausgleichssysteme durchreichen. Sofern dies der Fall ist, würde dies die positiven Effekte zur strukturellen Stärkung der kommunalen Finanzlage mitunter erheblich schmälern. Dies müssen Bund und Länder bei einem solchen
Reformweg mitdenken. Weitere Möglichkeiten liegen in der Modifikation des Umsatzsteuerschlüssels nach Einwohnerzahlen oder auch der Nutzung eines inversen Wirtschaftskraftschlüssels (statt wie bisher wirtschaftliche Stärke zusätzlich zu belohnen). In beiden Varianten gewinnen besonders die ostdeutschen und die finanzschwachen westdeutschen Kommunen hinzu, wodurch hier ein stärkerer Angleich der kommunalen Ebene insgesamt erzielt wird. Auch hier sind jedoch negative Zweitrundeneffekte über die Finanzausgleichsmechanismen festzustellen.
Die strukturelle Stärkung der kommunalen Ebene ist nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die kommunale Ebene zielgerichtet gestärkt werden kann.
Die Qualität der Ergebnisse steht und fällt jedoch mit den Ländern und ihrer Bereitschaft, anfallende Mindereinnahmen im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs nicht an die Kommunen durchzureichen. Diese Lösung würde sowohl dem Bund wie auch den Ländern eine fiskalische Kraftanstrengung zugunsten der Kommunen abverlangen, die sich jedoch lohnt.
Christian Bender (links) und Dr. Mario Hesse sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für öffentliche Finanzen und Public Management der Universität Leipzig. Sie forschen zu den Themen der öffentlichen Haushalte, der öffentlichen Infrastruktur und der öffentlichen Aufgabenerfüllung im föderalen Mehrebenensystem. Fotos: BS/privat
Wie Kommunen damit umgehen und gleichzeitig der neuen EU-Richtlinie über kommunales Abwasser entsprechen können, zeigt das Forschungsprojekt RIWWER des Technologieprogramms Edge Datenwirtschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Die Anforderungen an Kommunen, ihre Abwassersysteme auf Starkregenereignisse vorzubereiten, werden in den kommenden Jahren massiv steigen. Das liegt zum einen daran, dass Extremwetterlagen durch den Klimawandel zunehmen. Andererseits sorgen aber auch neue gesetzliche Vorgaben wie die Kommunalabwasserrichtlinie des Europäischen Parlamentes dafür, dass sich Kommunen um ein intelligentes Abwassermanagement kümmern müssen. Dabei geht es nicht nur darum, die Kanalbewirtschaftung zu verbessern, sondern –laut Richtlinie der EU – vor allem darum, „die menschliche Gesundheit und die Umwelt besser vor schädlichen Wassereinleitungen zu schützen.“
Technologie im Praxistest Abwassermanagement inklusive Ableitung und Reinigung ist Sache der Kommunen und Städte, meist erfolgt sie durch kommunale Eigenbetriebe. Deshalb setzt die EU-Richtlinie über kommunales Abwasser hier an. Wörtlich heißt es dort: „Lösungen zur Verringerung dieser Verschmutzungsquelle sollten auf lokaler Ebene unter Berücksichtigung der spezifischen örtlichen Gegebenheiten ermittelt werden. Sie sollten auf einer integrierten quantitativen und qualitativen Wasserbewirtschaftung in städtischen Gebieten beruhen. […] In diesen Plänen sollten Maßnahmen festgelegt werden, die darauf abzielen, die Verschmutzung durch Regenüberläufe auf höchstens zwei Prozent der jährlich gesammelten kommunalen Abwasserlast zu begrenzen.“
Cloud im Abwassersystem
Wie Kommunen
Regenüberlaufverschmutzung in den Griff bekommen
(BS/Felix Grimmeisen) Starkregen tritt immer häufiger auf – und sorgt dafür, dass zu den rund fünf Millionen Kubikmetern Schmutzwasser in den Kanalisationen jährlich rund drei Milliarden Kubikmeter Regen hinzukommen. Eine Belastung für die Systeme und eine Gefahr für die Umwelt.
Um diesen Vorgaben zu entsprechen und ihre Infrastrukturen resilient aufzustellen, können Kommunen auf das Potenzial von digitalen Technologien setzen. Wie das gelingen kann, zeigt das Forschungsprojekt
RIWWER (Reduction of the Impact of untreated WasteWater on the Environment in case of torrential Rain) aus dem Technologieprogramm „Edge Datenwirtschaft“ des BMWK. Ein Team aus Forschung und Wissenschaft, lokal und global agierenden Unternehmen sowie weiteren öffentlichen Partnern arbeitet im Rahmen des Vorhabens an einer digitalen Lösung für Abwassersysteme. Indem an bestimmten Stellen in Kanalsystemen und Regenbecken Sensoren installiert werden, können wichtige Daten zum jeweiligen System aufgenommen werden. So lässt sich in Echtzeit ein Überblick über Wasserstände, beispielsweise in Kanälen und Überlaufbecken, gewinnen. Außerdem werden die gesammelten Informationen auch als Trainingsdaten für KI-Modelle genutzt, die in Kombination mit Wetterdaten präzise Prognosen über die Wasserstände im Verlauf von Wetterereignissen liefern und eine Optimierung der Kanalnetzsteuerung ermöglichen.
Neben den Sensoren können zudem – je nach Bedarf – auch Antriebselemente installiert werden, die auf Basis der Vorhersagen der KI-Modelle die Möglichkeit eröffnen, Schleusen und Schieber intelligent zu steuern und damit den Weg bereiten für ein Abwassersystem, in dem überschüssiges Wasser in
und
noch nicht ausgelastete Bereiche geleitet werden kann. Das Forschungsteam von RIWWER nutzt hier die Synergie aus Edge- und Cloud-Technologie, um ein leistungsfähiges System zu kreieren. Die Daten werden an den Sensoren selbst, also „on the edge“, erfasst und verarbeitet, Sensorgeräte können aber auch dazu genutzt werden, um das Abwassersystem dezentral zu steuern. Dies ermöglicht eine schnelle Reaktion auf lokale Ereignisse, da die Daten direkt vor Ort verarbeitet werden. Auf der Cloud-Ebene werden die Systemprozesse und Daten der Sensoren zentral erfasst, analysiert und langfristig ausgewertet. Dadurch können Trends und Muster erkannt werden, die punktuell nicht sichtbar sind. Außerdem kann
Mit dem Mobilitätspass ans Ziel
Neues Finanzierungsinstrument für den ÖPNV
(BS/sr) Zur Sicherung der Finanzierung haben sich Länder und Bund darauf geeinigt, den Preis des Deutschlandtickets auf 58 Euro anzuheben. Ohne diese Maßnahme oder weitere Fördergelder wäre das Ticket für die Verkehrsbetriebe nicht mehr tragbar gewesen. Das Geld bei den kommunalen Verkehrsunternehmen bleibt aber trotzdem knapp.
Einen Ausweg soll nun der Mobilitätspass für Kommunen bieten. Bei dessen Konzeptionierung arbeiten die Städte Freiburg und Karlsruhe sowie der Ortenaukreis Hand in Hand mit dem Land Baden-Würrtemberg zusammen. Die Ergebnisse fließen dabei auch in den neuen Rechtsrahmen ein, der für die Kommunen geschaffen wird.
Drittfinanzierung
Der Mobilitätspass wird das neue Finanzierungsinstrument für den ÖPNV. Kommunen können ihn in Baden-Württemberg nach Verabschiedung eines neuen Landesmobilitätsgesetzes freiwillig einführen. Jeder, der für den Mobilitätspass eine Abgabe leistet, wird in gleicher Höhe ein Guthaben für den Erwerb von ÖPNV-Zeitkarten, wie etwa für das Deutschlandticket, erhalten. Die verbleibenden Einnahmen werden in den ÖPNV vor Ort investiert und sollen diesen besser machen. Das „Mobilitätsguthaben“ für ÖPNV-Zeitkarten soll dabei möglichst einfach und nutzerfreundlich eingelöst werden können. Wer genau für einen Mobilitätspass zahlt oder zahlen kann, hängt dabei von der jeweiligen Methode ab, die eingeführt wird. Zu Beginn wurden vier Varianten des Mobilitätspasses diskutiert. Davon haben es zwei in den Gesetzesentwurf geschafft: zum einen ein Mobilitäts-
Aufgrund der Verkehrswende und einer Modernisierung können viele Verkehrsunternehmen weitere Finanzierungsmittel gebrauchen. Foto: BS/scharfsinn86, stock.adobe.com
pass für Einwohnerinnen und Einwohner, zum anderen einer für Kraftfahrzeug-Halterinnen und -Halter. Die von der Stadt Karlsruhe favorisierte Variante eines Arbeitgeberinnen- und Arbeitgeber-Beitrags stieß nicht auf Anklang. Dennoch blickt die Stadt gespannt auf die weiteren Entwicklungen im Bereich der Finanzierungsmöglichkeiten für den ÖPNV.
Mehr Geld nötig
Auch wenn die Vorreiterkommunen den Mobilitätspass als neues Finanzierungsinstrument begrüßen, appelieren sie, dass der Erhalt eines guten ÖPNV-Angebots sowie dessen Ausbau entsprechende Mittel benötigt. Landrat Frank Scherer vom Ortenaukreis sagte: „Ein Mehr an ÖPNV setzt eine dauer-
haft bessere finanzielle Ausstattung voraus. […] Deshalb appelliere ich erneut an den Bund und das Land, zunächst einmal mehr Mittel für den Basis-Ausbau des ÖPNV-Angebots bereitzustellen. Wir können als Aufgabenträger die hohen Kosten hierfür nicht alleine tragen.“ Freiburgs Mobilitätsbürgermeister Martin Haag sprach sich im Zusammenhang mit einer besseren Finanzierung für die Möglichkeit einer Arbeitgeber-Abgabe aus. Das baden-württembergische Verkehrsministerium plant indes nach der Verabschiedung des Gesetzes eine finanzielle Förderung von Kommunen, die den Mobilitätspass einführen wollen und die Kosten der Einführungsvorbereitung über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren bezuschusst haben möchten.
schon jetzt vor: Um eine KI-gestützte Steuerung der Entwässerung zu ermöglichen, ist ein hoher Digitalisierungsgrad erforderlich.
Abwassersystem
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die Cloud-Ebene durch umfangreichere Rechenkapazitäten komplexere Analysen und Vorhersagen durchführen und liefert Trainingsdaten und Algorithmen, die die Edge-Ebene nutzen kann, um ihre lokale Steuerung zu optimieren.
Evaluiert und erprobt wird die Technologie von RIWWER aktuell in Kooperation mit den Wasserbetrieben Duisburg im Kanalnetz von Duisburg-Vierlinden. Im Pilotprojekt werden Sensoren im Kanalnetz eingebaut und KI-Modelle für den Bereich Vierlinden simuliert, die dann mit Daten aus der Vergangenheit verglichen werden. Am Projektende sollen die Partner einen Modellansatz erhalten, wie die Entwässerung in dem Gebiet effektiver gesteuert werden kann. Eine wichtige Erkenntnis liegt
Voraussetzung: Digitalisierung Eine große Herausforderung ist, die sehr detaillierten und auf die genaue Lage der Leitungen in Relation zu Straßen und zur Bebauung vorliegenden Kanalpläne in vereinfachte, logische Pläne umzusetzen. Diese müssen die Funktionalitäten so abstrahiert zeigen, dass sie die Möglichkeit bieten, genau zu bewerten, wo Messungen und wo Steuerungen sinnvoll und möglich sind. Danach müssen diese abgestimmten Möglichkeiten wieder in die Bebauungspläne zurückübersetzt werden, um die Einbaumöglichkeiten zu checken. Dieser Prozess bedarf vieler Experten von allen Seiten – Messtechnik, Steuerungstechnik auf der einen und Stadt sowie Kanalnetzbetreiber auf der anderen Seite. Dieser Prozess kann nicht vollständig automatisiert werden, jedoch kann eine weitere Digitalisierung hier sehr gut unterstützen.
Handlungsempfehlungen dazu, wie dies gelingen kann, erarbeitet das Projektteam von RIWWER gemeinsam mit anderen im Rahmen der VDI-Expertenempfehlung 4.900 „Digitalisierung von Abwassersystemen“. Diese soll mit Ende des Projektes im Herbst 2025 veröffentlicht werden.
Felix Grimmeisen ist Diplom-Hydrogeologe (TU) und seit zehn Jahren im Forschungs- und Produktmanagement für Umweltmesstechnik tätig. Seit 2023 ist er als Forschungsmanager bei Okeanos tätig und für die Niederlassung in München zuständig. Foto: BS/privat
Sicherheit fängt vor der Brücke an
Technik erlaubt Verkehrsmanagement in Deutschland
(BS/bk) Der Teileinsturz der Carola-Brücke in Dresden hat ein Schlaglicht auf die Sicherheit von Brücken geworfen. Vielfach werden die Mängel an Brücken und die notwendigen Reparaturen thematisiert. Es gibt auch Maßnahmen, die vor den Brücken greifen und die Restlebenszeit der Bauwerke verlängern könnten.
„Mit dem Einsturz der Carola-Brücke in Dresden hat man, glaube ich, sehr deutlich gesehen, wie es um den Zustand unserer Brücken bestellt ist“, sagt Uwe Urban, Vorsitzender des Fachausschusses Technik und Innovation beim Bundesverband Verkehrssicherheitstechnik (BVST). 2024 gab es laut der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) allein auf Bundesfernstraßen 40.160 Brücken. Von diesen weisen vier Prozent die Zustandsnote 3,0 bis 3,4 auf (nicht ausreichender Zustand) und 0,4 Prozent die Note 3,5 bis 4,0 (ungenügender Zustand).
Die Zustandsnote bildet die Grundlage für die Erhaltungsplanung. Sie zeige die Dringlichkeit notwendiger Maßnahmen an, gebe jedoch keinen Aufschluss über Art und Umfang der Schäden. „Eine Zustandsnote von 3,5 und schlechter beschreibt einen ‚ungenügenden Bauwerkszustand‘, bei dem die Standsicherheit und bzw. oder Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben sind“, so die BASt. Der BVST hat das Thema seit Jahren auf der Agenda. So hat der Verband schon vor zwei Jahren Positionspapiere dazu veröffentlicht. Darin fordert er den Einsatz von Sicherheitstechnik. „Das Überraschende dabei ist, dass die Technologie bereits auf dem Markt verfügbar ist. Jetzt ist es dringender denn
je, dass wir als Bundesverband fordern, dass diese Technologie endlich eingesetzt wird“, sagt Urban. Der Clou liege darin, dass es sich um Technik handelt, die vor der Brücke greift. So könnten bspw. Sensoren installiert werden, die das Gewicht des Verkehrs misst. Auf diese Weise könnten zu schwere LKWs umgeleitet werden. Zudem könnte Videotechnik eingesetzt werden, um ein besseres Verkehrsmanagement zu ermöglichen. „Der Dreiklang aus Geschwindigkeit, Abstand und Gewicht im Verkehrsmanagement wird derzeit nicht konsequent und nachhaltig umgesetzt“, so Urban. Dabei können diese verkehrlichen Nutzungseinschränkungen auf Basis der „Richtlinie zur Nachrechnung von Straßenbrücken im Bestand (Nachrechnungsrichtlinie)“ des Bundesverkehrsministeriums sofort durch die zuständige Straßenverkehrsbehörde angeordnet werden. Das allein hilft jedoch nicht. Hier fordert der BVST die Überwachung und Ahndung etwaiger Verstöße durch den nachhaltigen Einsatz der bei den Polizeien vorhandenen Verkehrssicherheitstechnik, nicht nur punktuell, sondern flächendeckend und 24/7, so Urban. Durch diese Maßnahmen und eine entsprechende Verkehrsumplanung ließe sich die Restnutzungsdauer von zahlreichen Brücken verlängern.
Die Vision Zero hat sich zur Aufgabe gemacht, die Zahl der Verkehrstoten und -schwerverletzten kontinuierlich zu senken. Peter Schlanstein von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen macht zu Recht darauf aufmerksam, dass die Zahlen seit 2010 stagnieren. Dabei hatte die Bundesregierung seinerzeit im Verkehrssicherheitsprogramm eine Reduktion der Verkehrstoten um 40 Prozent angestrebt. Es wurden aber nur 25 Prozent erreicht. Auf europäischer Ebene ist das Ziel noch ambitionierter: Hier will man Verkehrstote bis 2050 gänzlich vermeiden.
Kontrollieren und sanktionieren 2021 wurde die Vision Zero in der Verwaltungsvorschrift des Bundes für alle Mitarbeitenden in der Verkehrssicherheit als „Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen“ festgelegt. Im Straßenverkehr, so betont Schlanstein, seien mehr Opfer durch Dritteinwirkung zu beklagen als in jedem anderen Lebensbereich. Seit 2010 bewege sich die Zahl der Verkehrstoten um die 3.000. Bedeutende Fortschritte wurden seither nicht mehr erreicht. Ziel muss es daher sein, die Vision Zero im Gesetz zu verankern. Hauptursache für schwere Verkehrsunfälle sei nach wie vor zu hohe oder unangepasste Geschwindigkeit. Doch wie sollen die Zahlen weiter reduziert werden? Als Hebel zur Reduktion der Opferzahlen sollen die Mittel der Überwachung und Sanktionierung genutzt werden, da Entdeckungswahrscheinlichkeit und Sanktionsfurcht Verkehrsteilnehmer am ehesten zur Änderung des eigenen Verhaltens veranlassen. In beiden Bereichen liegt Deutschland im europäischen Vergleich weit hinten. Die Kontrollwahrscheinlichkeit fällt hierzulande äußerst gering aus. Nur 30 Prozent der Verkehrsteilnehmer nehmen laut Schlanstein an, entdeckt zu werden, wenn sie zu schnell fahren, weniger als die Hälfte der Verkehrsteilnehmenden wurde in den letzten fünf Jahren kontrolliert – die Sanktionsfurcht ist dementsprechend niedrig. Die Überwachung müsse vor allem an Unfallhäufungspunkten stattfinden. Deutliche Kritik äußerte Schlanstein an der Tatsache, dass das effektive Mittel der Section Conrol, also die Messung der Durchschnittsgeschwindigkeit von Fahrzeugen über einen bestimmten Streckenabschnitt, aufgrund des Datenschutzes derzeit nicht einsetzbar sei. Auch die derzeitige Sanktionshöhe in Deutschland ist Schlanstein ein Dorn im Auge. So würden beispielsweise in Norwegen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 20 km/h mindestens 620 Euro fällig, in Deutschland seien hingegen 60 Euro zu zahlen. Wünschenswert wäre es, das Bußgeld an die Höhe des Einkommens zu koppeln.
Lärmreduktion zum Anwohnerschutz
Ein besonderes Ärgernis für Anwohner stellen in Baden-Württemberg Motorradfahrende dar, die vor allem in den Sommermonaten und bei gutem Ausflugswetter die Straßen des Landes – insbesondere entlang der landschaftlich reizvollen Strecken – frequentieren. Im Rahmen der Landeskonzeption gegen Motorradlärm setzt sich daher Elke Zimmer, MdL und Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr in Baden-Württemberg, für eine Reduzierung der Lärmemissionen durch Motorräder ein. Sie stellt heraus, dass sich 40 Prozent der Menschen durch Motorradfahrende, die lediglich zwei Prozent des Gesamtverkehrsaufkommens ausmachen, belästigt fühlten. Sie stellt klar:
Sicher und nachhaltig
Der Faktor Mensch im Straßenverkehr
(BS/Lars Mahnke) Die Möglichkeiten der Verkehrsüberwachung, Lärmreduktion und einer effektiven Verkehrsplanung waren die zentralen Themen des Bundekongresses Kommunale Verkehrssicherheit im baden-württembergischen Ludwigsburg. Dabei fiel auf, dass – ganz im Zeichen der Vision Zero – die Bedürfnisse der einzelnen Menschen mehr und mehr im Vordergrund stehen und die einst automobilzentrierte Sichtweise auf Verkehrskonzepte verdrängen.
Um Autofahrer nachhaltig zu einer angepassten und rücksichtsvollen Fahrweise zu bewegen müssen nicht nur die Sanktionen erhöht werden. Auch die Kontrollwahrscheinlichkeit ist ein wichtiger Faktor, um schwere Verkehrsunfälle zu vermeiden. Foto: BS/Rüdiger Kottmann, stock.adobe.com
„Motorradfahren ist tatsächlich ein Lärmproblem und die Menschen vor Ort sind nicht hypersensibel“. Dieses Missverhältnis zu reduzieren, hat sich die „Initiative Motorradlärm“ seit Sommer 2019 zur Aufgabe gemacht. Nach dieser sollen die Motorräder selbst leiser werden, indem die Genehmigungs- und Zulassungsverfahren überarbeitet werden. Hersteller und Händler sollen die Motorräder leiser bauen beziehungsweise bewerben. Des Weiteren soll der Umstieg auf eine nachhaltige und lärmarme Mobilität verpflichtend werden. Außerdem möchte man erreichen, dass die Biker ihre Motorräder leiser fahren. Dazu sollen sie dazu aufgefordert werden, rücksichtsvoll und leise zu fahren. Auch eine verstärkte Verkehrsüberwachung und Ausweitung der Kontrollen soll das langsamere Fahren befördern. In besonderen Fällen sollen Beschränkungen und Verbote ermöglicht werden. Zuletzt fordert die Initiative deutliche Folgen für rücksichtsloses Fahren, also eine stärkere Ahndung und die Ermöglichung der Bestrafung von Rasern. Neben einer Halterhaftung fordert die Initiative zudem eine Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs für mehrfach verwarnte Fahrerinnen und Fahrer.
Lärmbelästigungen überwachen
Die Lärmbelästigungen treten vor allem in Tallagen und durch die Beschleunigungsvorgänge an Ortsausgängen auf. Zunächst hat man daher Hotspots identifiziert, die besonders belastet waren. An diesen waren mindestens zehn Prozent des Verkehrsaufkommens durch Motorräder geprägt oder es wurden mindestens 60 Motorräder pro Stunde gezählt. Hier sollte man den engen Rahmen der StVO nutzen und verkehrsrechtliche Anordnungen ein-
richten. Zur Sensibilisierung der Motoradfahrenden hat man als präventive Maßnahme Motorradlärm-Displayanzeigen entwickelt, die bereits 2017 eingeführt wurden.
„Motorradfahren ist tatsächlich ein Lärmproblem und die Menschen vor Ort sind nicht hypersensibel.“
Elke Zimmer, MdL und Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr in BadenWürttemberg
berichtete von den Erfahrungen der Bauplanung der sogenannten Sternkreuzung in Ludwigsburg. Insgesamt wolle man die Mobilität in der Stadt sicherer und nachhaltiger gestalten. Dazu gehöre auch eine Fußgänger- und Radfahrergerechte Verkehrsführung. In der Vorplanung zur Umgestaltung des besagten Kreuzungsbereichs, der auch von Radfahrern und Fußgängern stark frequentiert wurde, hatten die Analysen ergeben, dass die Errichtung eines Kreisverkehrs an Stelle der vorhandenen Kreuzung keine zufriedenstellende Lösung sei. Als dann im Jahre 2022 im Rahmen der Sanierung der Tunnelabdichtung provisorisch tatsächlich ein Baustellenkreisverkehr installiert wurde, gab es zahlreiche positive Rückmeldungen. Insbesondere Fahrradfahrer und Fußgänger zeigten sich von der Lösung begeistert. Daraufhin startete man einen Verkehrsversuch, um die Kreisverkehrlösung im Realbetrieb zu erproben. Auch hier waren die Erfahrungen durchweg positiv. Es gab keine Beschwerden, obwohl sich zu Spitzenzeiten vor den Fußgängerüberwegen durchaus Autoschlangen bildeten. Am Ende wurde der in den ersten Planungen als ungenügend verworfene Kreisverkehr zur Zufriedenheit aller Verkehrsteilnehmer dann doch realisiert. Beschwerden blieben aus. Eine abschließende Zählung ergab sogar, dass sich die Verkehrsdichte an dem Knotenpunkt insgesamt verringert hatte und um gut ein Viertel gesunken war. Bei weitergehenden Messungen konnte nicht festgestellt werden, wohin genau sich der Verkehr verschoben hatte. Am Ende wurde aufgrund praktischer Erfahrungen erfolgreich realisiert, was in Modellen und Vorplanung ursprünglich verworfen worden war.
Marco Schäler, Polizeirat und Geschäftsführer der DPolG-Kommission Verkehr, empfiehlt, intelligente Lärmblitzer für den Kampf gegen verkehrsbedingten Lärm einzusetzen. Diese mit 64 KI-gesteuerten Mikrofonen ausgestatteten Messgeräte sind zur richtungsgetrennten Lärmerfassung in der Lage. Sie erfassen nicht nur alle Fahrzeuge, die einen Dezibel-Wert über 82 aufweisen, sondern können auch verschiedene Fahrzeugtypen unterscheiden. Er kann bestätigen, dass ein Großteil des vom Straßenverkehr ausgehenden Lärms von Motorradfahrenden stammt. Jedes dritte Motorrad ist lauter als 90 dB, bei Autos sind es nur vier Prozent. Im Schnitt sind Motorräder fünf Dezibel lauter als Autos. Dies spiegelt sich dann auch in den Messerfahrungen wider: Je höher der gemessene Dezibelwert ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Motorrad handelt. Schäler macht darauf aufmerksam, dass signifikante Unterschiede zwischen den Messungen bei der Typ-Zulassung und im Realbetrieb möglich seien. Dies lasse darauf schließen, dass das Fahrverhalten einen erheblichen Einfluss auf die emittierte Lautstärke habe. So würden Lärmbelästigungen durch das Hochjagen des Motors und unnötiges Beschleunigen verursacht. Es existiere kein verhaltensbezogenes Lärmlimit. Er fordert innovative Entwicklungen, um die Entdeckungswahrscheinlichkeit zu erhöhen.
Verkehr mit Fußgängern planen Auch in der Verkehrsplanung gelangt der Einzelne, insbesondere der Fußgänger, zunehmend in den Fokus. Denise Kamp, Leiterin Fachbereich Nachhaltige Mobilität der Abteilung Integrierte Mobilitätsplanung der Stadt Ludwigsburg,
Appell für mehr Reallabore Prof. Dr. Jochen Eckart, Professor für Verkehrsökologie an der Hochschule Karlsruhe, plädiert daher für mehr Reallabore. Bei diesen werden Eingriffe in die Verkehrsführung temporär und gut sichtbar vorgenommen und von umfassenden Evaluationen begleitet. Eckart ruft zur Zusammenarbeit von Behörden und Wissenschaft auf. Er sieht darin ein probates Mittel, der fehlenden Entscheidungsfreude in der Verwaltung – hervorgerufen durch die Tendenz, Fehler vermeiden zu wollen – entgegenzuwirken. Auf diese Weise könne nicht nur verallgemeinerbares Wissen geschaffen, sondern es könnten auch reale Transformationsprozesse angestoßen und Praxisakteure weitergebildet werden.
Staatssekretärin Elke Zimmer (Bündnis 90/Die Grünen) setzt sich im Rahmen der „Initiative Motorradlärm“ für einen rücksichtsvolleren Umgang von Motorradfahrenden mit den Interessen von Anwohnern beliebter und vielbefahrener Motorradstrecken ein.
Foto: BS/Mahnke
26. November 2024 | Atrium Hotel Mainz
Rückenwind für die nächsten Etappen der Transformation
Dörte Schall, Ministerin für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung
Foto: MASTD/Jülich
Dr. Denis Alt, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung
Foto: MASTD/Jülich
www.dv-rlp.de
Digitale Verwaltung
geht auf Sendung
18. – 19. März 2025 SAVE THE DATE DIGITALER-STAAT.ORG
Digitaler Staat
Behörden Spiegel Berlin und Bonn / Oktober 2024
Alle Register ziehen
(BS/cb) Kaum ein Vorhaben der Verwaltungsdigitalisierung spürt die Grenzen des Föderalismus so deutlich wie die Registermodernisierung. Dabei gilt gerade sie als die absolute Basis für die Transformation der deutschen Verwaltung. Als Basis für viele weitere Digitalisierungsvorhaben, die auf ihr aufbauen. Doch es tut sich etwas im Maschinenraum der Register. Aktuelle Test-Datenabrufe laufen vielversprechend –europaweit.
www.behoerdenspiegel.de
Das „größte Transformationsprogramm der öffentlichen Verwaltung“ sei schon mittendrin, so Brigitte Klamroth auf dem Nordl@nder Kongress zum Entwicklungsstand der Registermodernisierung. Das Land Hamburg ist federführend im bundesweiten Programm Gesamtsteuerung Registermodernisierung für den Bereich der Kommunikation. Tatsächlich konnte bereits im Mai dieses Jahres ein Durchbruch erzielt werden: Beim 4. Projectathon in Brüssel kamen die EU-Mitgliedsstaaten zusammen, um das grenzüberschreitende Once-Only-Prinzip zu testen. Anhand des Online-Dienstes „Kinderleicht zum Kindergeld“ wurden Geburtsnachweise zwischen Deutschland, Österreich, Belgien, Spanien, Slowenien, Litauen, Lettland, Italien und Polen ausgetauscht. Die Nachweise wurden an diese Länder übermittelt oder aus ihnen abgerufen. Der Datentransfer funktionierte. Dieser erfolgreiche Test zeige, dass die beiden Co-Federführer NordrheinWestfalen und Hamburg „substanzielle technische Fortschritte erreichen“, so Christian Pfromm CDO der Freien und Hansestadt Hamburg.
RegMo gegen Demografie Ein gelungener Datenaustausch zwischen EU-Staaten entspricht den Zielen der Single Digital Gateway-Verordnung (SDG-VO), die eine einheitliche digitale europäische Verwaltung anstrebt. Rückschlüsse auf den Stand der RegMo, so das Kürzel der Registermodernisierung, innerhalb Deutschlands lassen sich daraus nur bedingt ziehen. Zumal die Voraussetzungen bei einem föderalen System mit rund 11.000 Kommunen, zig Registern und
Fachanwendungen komplexer sind. Doch das Potenzial, das in der Registermodernisierung schlummert, ist unverändert hoch. Besonders, da der zu erwartende Fachkräftemangel die Verschlankung von Deutschlands Registern zwingend erfordert.
Als „Hauptstrategie der Verwaltung, um den Fachkräftemangel aufzufangen“ bezeichnet Christian Pfromm die RegMo. Zwar gebe es „keinen Heiligen Gral gegen den Demografiewandel“, so Hamburgs CDO, doch die Registermodernisierung werde die Verwaltung zum Po-
„Die Registermodernisierung ist die Hauptstrategie der Verwaltung, um den Fachkräftemangel aufzufangen.“
Christian Pfromm, CDO der Freien und Hansestadt Hamburg
sitiven verändern, ist er sich sicher. Nicht zuletzt, da sie enormes Sparpotenzial mit sich bringen kann: Der Normenkontrollrat (NKR) errechnete, dass der Bund durch die Registermodernisierung rund sechs Milliarden Euro einsparen könne.
Register in der Cloud
Eine „schlaue Konsolidierung“ der Registermodernisierung bringe ein unkritisches Transaktionsvolumen mit sich, so Pfromm weiter. Idealer-
weise laufe die Registermodernisierung über „drei bis fünf Rechenzentren über ganz Deutschland verteilt“ – die Konsolidierung käme dann automatisch. Zudem müsse man nicht zwangsläufig zentralisieren, die Anzahl der Register jedoch reduzieren.
Die Frage nach Zentralisierung und Dezentralisierung beschäftigt die prägenden Köpfe der RegMo ohnehin. Michael Pfleger, Gesamtprogrammleiter Registermodernisierung bei der FITKO, betont immer wieder, dass eine „dezentrale Pflege der Daten durch die Fachlichkeit“ ein ganz entscheidender Faktor sei: „Welches Register belegt das Datum, welches Datum belegt die Tatsache?“
Pfleger plädiert für das richtige Verhältnis aus gebündelter Steuerung und föderaler Umsetzung. Gerade auch in Hinblick auf die zusätzliche Einbindung von Künstlicher Intelligenz (KI) könne „zentrale Governance, dezentrale Kreativität“ die richtige Mischung sein. Allen voran brauche es aber eines: ein gemeinsames Datenverständnis aller Beteiligten. Ein weiteres Transformationsvorhaben, das Deutschlands Verwaltung angehen will, ist die Cloud. Diese sei „per se dezentral“, so Pfleger, und könne den Föderalismus neu aufstellen.
Ordnungsmerkmal Steuer-ID
Die regulatorischen Grundlagen der Registermodernisierung seien da, erinnerte Katrin Giebel, Geschäftsstellenleiterin der BundesArbeitsgemeinschaft der kommunalen IT-Dienstleister (VITAKO), auf der NEGZ-Herbsttagung an den Status quo. Das Registermodernisierungsgesetz (RegMoG) beinhaltet
das Identifikationsnummerngesetz (IDNrG), welches die Speicherung der (Steuer-)Identifikationsnummer (IDNr) als zusätzliches Ordnungsmerkmal in den 50 im IDNrG gelisteten registerführenden Stellen festschreibt. Auch für das Datenschutzcockpit (DSC), das den Bürgerinnen und Bürgern mehr Kontrolle über den behördlichen Datenaustausch ermöglichen soll, bildet das RegMoG die Basis. Soweit die Theorie.
Die Lage in den Kommunen Die Fragen, die die Kommunen beschäftigen, sind praktische: „Wer ist überhaupt zuständig?“ und „Wo liegen die Fachverfahren?“, nennt Giebel zwei Beispiele. Dass sich kommunales Verwaltungspersonal in ein komplexes Thema wie die Registermodernisierung einarbeitet und eigenständig vor Ort umsetzt, halten viele Fachleute für wenig realistisch. Daher haben die Bundesländer RegMo-Koordinatoren benannt, die die Kommunen unterstützen sollen. Zusätzliche Maßnahmen wie die „E-Government-Koordinatoren“ in BadenWürttemberg wollen die RegMo und andere Digitalisierungsvorhaben bis in die kleinsten Gemeinden bringen.
Letztlich bedarf es nicht nur Expertise, sondern auch ausreichender Finanzierung. Giebel berichtet von einem Gespräch mit der Bürgermeisterin einer 1.000-Einwohner-Gemeinde. Diese habe ein jährliches Budget von 400.000 Euro zur Verfügung – für den gesamten Gemeindehaushalt. Für Registermodernisierung bleibe da nichts übrig. „Die RegMo ist noch nicht in der Fläche angekommen“, überrascht das Zwischenfazit der stell-
vertretenden VITAKO-Geschäftsführerin daher wenig.
Staatsvertrag am 12. Dezember „Ins Doing kommen“ will man allerorten und es passiert in kleinen Schritten. In Hamburg hat CDO Pfromm analysieren lassen, welche Register die 16 OZG-Fokusleistungen – häufig genutzte Verwaltungsleistungen wie Personalausweisbeantragung, Ummeldung etc. –brauchen. Es habe sich herausgestellt, dass ein Großteil davon bereits „in den Topregistern“ mit drin sei. Das wiederum helfe bei der Priorisierung, welche Register als erstes zu modernisieren sind und habe positive Effekte auf das NOOTS (Nationales Once-OnlyTechnical-System), die Transportstrecke der Registerdaten. Dessen rechtliche und finanzielle Regelungen sollen noch in diesem Jahr verankert werden: in einem Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern, der am 12. Dezember unterzeichnet werden soll. Sven Thomsen, CIO aus Schleswig-Holstein, setzt bei diesem nächsten Schritt des Registermodernisierungsmarathons auf einen Effekt, den er schon infolge des KI-Gesetzes in seinem Bundesland beobachtet habe: „Gib der Verwaltung ein Gesetz – und sie fängt an zu arbeiten.“
Behörden Spiegel: Anfang März kommenden Jahres steht in Hamburg die Bürgerschaftswahl an. Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit der Umsetzung der digitalen Transformation in der auslaufenden Legislaturperiode?
Jan Pörksen: Wir sind sehr zufrieden. Zu Beginn der Legislaturperiode war die Corona-Pandemie. Das war ein unglaublicher Schub in der Digitalisierung, auch für Hamburg. Wir haben uns das nicht gewünscht, aber das war immerhin ein positiver Effekt. Unsere ohnehin vorgesehenen Digitalisierungsvorhaben wurden sehr unterstützt. Homeoffice hat sich sehr verbreitet, wir haben digitale Arbeitsmethoden angewandt. Aber wir haben auch viele Verfahren digitalisiert. Und Digitalisierung ist in den Köpfen aller angekommen. Wir haben keine Debatten mehr über die Digitalisierung, sondern eher eine Ungeduld und eine hohe Bereitschaft, Digitalisierungsvorhaben umzusetzen.
„Wir sind dazu bereit, die bisherigen Prozesse auch in den Fachebenen zu hinterfragen und stärker aus Nutzer- und Bürgersicht zu sehen.“
Behörden Spiegel: Wo wünschen Sie sich in den kommenden Jahren noch deutlichere Verbesserungen?
Pörksen: Jetzt, nachdem wir die Online-Zugänge über das OZG geschaffen haben, wollen wir mit der
Vorreiter Hamburg
Zentrales Budget und Digitalkabinett als Schlüssel (BS) Im Digital-Ranking des Bitkom steht Hamburg im Ländervergleich an der Spitze und punktet besonders mit seiner digitalen Verwaltung. Jan Pörksen, Chef der Senatskanzlei und des Personalamtes, erklärt, warum die Hansestadt so erfolgreich ist und welche Digitalisierungsziele aktuell verfolgt werden. Das Interview führte Anna Ströbele.
Ende-zu-Ende-Digitalisierung der Prozesse vorankommen. Wir sind dazu bereit, die bisherigen Prozesse auch in den Fachebenen zu hinterfragen und stärker aus Nutzer- und Bürgersicht zu sehen. Wir wollen auch bei der proaktiven Verwaltung vorankommen. Das bedeutet zum Beispiel, dass Bürgerinnen und Bürger in einer Reihe von Fällen gar keine Anträge mehr stellen müssen. Dafür ist allerdings auch Voraussetzung, dass wir insbesondere beim Thema Identifizierung auch auf Bundesebene schneller werden und dass die Registermodernisierung umgesetzt wird, damit wir mit Once Only ernst machen können.
Behörden Spiegel: Welche Rolle spielt dabei die länderübergreifende Zusammenarbeit, einerseits mit ihren direkten Nachbarn Niedersachsen
und Schleswig-Holstein, aber auch mit den anderen Bundesländern?
gitales war ich an der Vorbereitung der Koalitionsverhandlungen im Bund beteiligt. Da haben wir das auch dem Bund empfohlen und finden gut, dass es jetzt auch auf Bundesebene zum Beispiel einen Staatssekretärsausschuss gibt, um übergreifende Themen miteinander voranzubringen.
Behörden Spiegel: Hamburg ist Vorreiter in vielen Bereichen, im Bitkom Länderindex in den Kategorien digitale Verwaltung und digitale Infrastruktur. Welche Faktoren sind entscheidend für diesen Erfolg?
Pörksen: Als Stadtstaat haben wir es in gewissen Punkten einfacher, das ist überhaupt keine Frage. Wichtig ist meines Erachtens, dass wir ein zentrales Digitalbudget haben. Das heißt, alle digitalen Verfahren werden im Wesentlichen aus einem zentralen Titel bezahlt. Dafür gibt es einheitliche Standards, einheitliche Projektgrundsätze und ein einheitliches Verfahren. Der zweite Punkt ist, dass wir eine Art Digitalkabinett aus einer Runde der Staatsrätinnen und Staatsräten haben – was in anderen Ländern Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sind –, die gemeinsam mit allen Behörden die Digitalisierung in der Stadt steuern. So können wir Themen gemeinsam vorantreiben und gleichzeitig dezentral umsetzen.
Behörden Spiegel: Sind das Strukturen, die Sie anderen Ländern empfehlen würden, die diese noch nicht haben? Oder ist das auch etwas, was aufgrund seiner besonderen Position nur für Hamburg funktioniert?
Pörksen: Zentrale IT-Budgets können eigentlich überall funktionieren. Daher ja, ich würde das Instrument sehr empfehlen. Für das Thema Di-
Pörksen: Wir haben im Norden seit 20 Jahren Dataport als gemeinsamen IT-Dienstleister. Das war eine sehr gute strategische Entscheidung, die dafür gesorgt hat, dass wir die Zusammenarbeit stark gefördert haben, insbesondere mit Schleswig-Holstein, Bremen, Niedersachsen und auch mit Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Wir haben viele gemeinschaftliche Projekte wie die gemeinsame OSIPlattform [Anmerkung der Redaktion: Online-Service-Infrastruktur]. Beim Wohngeld und bei der Digitalisierung der Wohnsitzummeldung arbeiten wir ganz eng mit den schleswig-holsteinischen Kommunen zusammen. Insgesamt sorgt unsere Kooperation dafür, dass wir voneinander profitieren und nicht jeder alles allein machen muss.
„Wir haben keine Debatten mehr über die Digitalisierung, sondern eher eine Ungeduld und eine hohe Bereitschaft, Digitalisierungsvorhaben umzusetzen.“
Behörden Spiegel: Die Hamburger Digitalstrategie wird im Moment überarbeitet. Können Sie uns weitere Details geben?
Pörksen: Es haben bereits viele Workshops stattgefunden. Jetzt versuchen wir, alles zusammenzuführen. Unsere Zielsetzung ist, dass wir die Strategie Anfang des Jahres veröffentlichen können. Diese Digitalstrategie wird viel konkreter sein als die erste, das gilt auch für die großen Themenbereiche wie KI und Datennutzung oder die digitale Verwaltung. Es bleibt das Grundprinzip, dass wir in digitalen Räumen und in übergreifenden Entwicklungsbereichen denken wollen, nicht so sehr in Behördenzuständigkeiten. Ich glaube, die Strategie wird eine gute Grundlage für die Arbeit in der nächsten Legislaturperiode sein.
Konkrete Anleitungen
Hamburg schafft Rahmen für KI-Nutzung
(BS/Anna Ströbele) In seiner Keynote auf dem Nordl@nder Kongress skizzierte der Chef der Hamburger Senatskanzlei, Jan Pörksen, die aktuellen Entwicklungen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung der Hansestadt.
Zwei Chatbots Zur Hamburger Governance gehört zudem ein Überblick über die einge-
Ziel sei es, mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) Arbeitszeit einzusparen, Kosten zu senken und effizienter zu werden. Gerade in der Verwaltung mit ihren wiederkehrenden Prozessen und klaren Entscheidungswegen gebe es viele Ansatzpunkte für Algorithmen, erklärte der Chef der Hamburger Senatskanzlei, Jan Pörksen „Wir haben eine KI-Governance eingerichtet, die die Anforderungen des AI Acts für die Verwaltung handhabbar machen und operationalisieren soll“, so Pörksen. Konkrete Anleitungen für die Mitarbeitenden sollen den Einsatz von KI fördern. Dabei will die Staatskanzlei die Aspekte Barrierefreiheit, Skalierbarkeit sowie die Auswirkungen auf Arbeitsplätze berücksichtigen. In das digitale Steuerungsgremium – Hamburgs Digitalkabinett – seien daher der Datenschutzbeauftragte und die Arbeitnehmervertretung eingebunden.
setzten KI-Anwendungen. Pörksen stellte gleich drei vor: Der LLMoinTextassistent hilft der Hamburger Verwaltung bei der Recherche, Formulierung und Zusammenfassung von Texten und befindet sich derzeit im Probebetrieb. Ein weiterer Chatbot wird noch entwickelt und richtet sich künftig an Bürgerinnen und Bürger. Um den Service rund um das Wohngeld zu verbessern, stellt
der Chatbot gezielte Fragen wie „Wo wohnst du?“ oder „Hast du Kinder?“ und erstellt daraus automatisch den Antrag. Die dritte KI-Lösung ist bereits in Betrieb und dient der effizienteren Identifikation von Gefahrgütern im Hamburger Hafen. Dazu werden Containerinformationen automatisiert ausgewertet. Allerdings wies Pörksen darauf hin, dass KI nicht billig sei. Daher müss-
ten die entwickelten Lösungen möglichst breit anwendbar sein. Bei der Erprobung von KI-Projekten werden die Hamburger Behörden finanziell unterstützt. Im INNOTECHH-Fond stehen zu diesem Zweck für 2023 und 2024 jeweils vier Millionen Euro zur Verfügung. Der Chef der Senatskanzlei bemängelte abschließend, dass die Bedeutung von Daten in der Verwaltung noch stark unterschätzt werde. Er forderte, Daten nicht nur strukturiert, interoperabel und offen bereitzustellen, sondern sie auch bereichsübergreifend zu nutzen. Dazu sollen die Verantwortlichkeiten geklärt und eine stärkere Datenkultur etabliert werden.
„Digitale Verwaltung geht nur gemeinsam“, betonte Silke Tessmann-Storch, Vorständin Lösungen bei Dataport.
Die Fachausstellung war einmal mehr die Schnittstelle für den Austausch zwischen Verwaltung und Wirtschaft.
Die
ländliche, touristisch geprägte Region hat 12.800 Einwohner, alle politischen Ämter werden ehrenamtlich ausgeübt. Entsprechend sind die ersten Projekte, die aus der Smart-City-Strategie umgesetzt werden, auf spürbare, aber niedrigschwellige Angebote für die Bürgerinnen und Bürger ausgelegt. Kostenloses WLAN an öffentlichen Plätzen und ein smarter Shuttlebus öffneten die Tore für ein Smart-CityKonzept, das die Bürgerbeteiligung in den Fokus stellt. Im eigens geschaffenen Digitalzentrum (DiZ) werden Kurse angeboten, die Kindern und Erwachsenen Anwendungen näherbringen. Es gibt eine „Klüter-Kammer“, in der mit den vorhandenen Geräten experimentiert werden darf. Das DiZ ist ein Ort der Begegnung und fördert die Akzeptanz und die Nutzungsquote der digitalen Angebote. Aber auch im nicht sichtbaren
Miteinem Messestand sowie einem Forumsbeitrag zum Thema Registermodernisierung brachte Governikus wertvollen Input ein. Dabei stand im Fokus, wie der digitale Wandel in der öffentlichen Verwaltung vorangetrieben werden kann.
Wie gestalten die Nordländer die Registermodernisierung mit?
Im Rahmen eines Fachforums zum Thema Registermodernisierung durfte Stefan Rauner, General Portfolio Manager bei Governikus, die Gesprächsrunde von Expertinnen und Experten aus der Gesamtsteuerung Registermodernisierung und dem Datenschutzcockpit moderieren. Die Impulse hoben allesamt die Bedeutung des Registermodernisierungsgesetzes (kurz RegMoG) hervor und wie die Nordländer die Umsetzung maßgeblich formen.
Das 2021 in Kraft getretene Gesetz soll es Bürgern und Unternehmen durch leistungsfähige Register ermöglichen, Daten nur einmalig bei der Behörde angeben zu müssen. Umgekehrt sollen auch die Behörden problemlos auf einmal erfasste Angaben zurückgreifen können. Kurz: die Umsetzung des Once-Only-Prinzips.
Gemeinsam smart
Von Datennutzung bis Bürgerakzeptanz (BS/tk) „Ich möchte Ihnen heute ein Märchen erzählen“, sagt Kristiane Stotz, Projektmanagerin für die Smart City Süderbrarup. Ein ungewöhnlicher Einstieg für einen Fachvortrag, aber das passt zur Geschichte der Digitalisierung in dem schleswig-holsteinischen Gemeindeverband. „Es ist eigentlich eher eine smarte Region“, erklärt Stotz, denn im Amt Süderbrarup hätten sich 13 Gemeinden zusammengeschlossen und 2021 gemeinsam eine Strategie für das Projekt Smart City entwickelt.
Bereich werden digitale Lösungen implementiert, um die Abläufe im Amt effizienter zu machen. In dem im Jahr 2024 gestarteten Projekt soll etwa Sensortechnik eingesetzt werden, um viele Entscheidungen, „die aktuell noch aus dem Bauchgefühl heraus getroffen werden“, so Stotz, bald faktenbasiert treffen zu können. Erste Anwendungsfälle seien Pumpen und Hebewerke, etwa in Abwasseranlagen oder in Klärwerken, bei der Erhebung von Verkehrsdaten und für die Steuerung
smarter, dämmbarer Beleuchtung. Demnächst soll in Süderbrarup außerdem Künstliche Intelligenz in der Amtsverwaltung eingesetzt werden.
Verbinden und Nutzen
Auch die Smart City Hamburg setzt auf die Erhebung von Daten zur Verbesserung von Entscheidungsprozessen. Durch die UrbanData-Plattform, betrieben durch den Landesbetrieb für Geoinformation und Vermessung, hat man hier
die Möglichkeit, Schritt für Schritt einen digitalen Zwilling der Hansestadt zu erstellen. Die Hamburg Port Authority AöR (HPA) etwa setzt bei Bau, Planung und Betrieb von Objekten auf das Building Information Modeling (BIM), um alle Daten zusammenzuführen. Im Projekt smartBRIDGE Hamburg werde mit BIM der aktuelle, objektive Bauwerkszustand der Köhlbrandbrücke erfasst, informiert Felix Scholz, Programmmanager BIM.Hamburg. Dabei kombiniere man die klassischen
Registermodernisierung für den Norden
Governikus treibt den digitalen Wandel an (BS) Unter dem Motto „Zukunft aus dem Norden – wo KI und Küste sich treffen“ öffnete der Nordl@nder Kongress am 5. September in Hamburg seine Tore, um neue Ideen und Innovationen für den Öffentlichen Dienst zu präsentieren – die alle aus Norddeutschland stammen. Der Bremer IT-Dienstleister Governikus befand sich erneut unter den namhaften Ausstellern und Speakern auf der Veranstaltung.
Das Fachforum 2 mit dem Titel „Wie gestalten die Nordländer die Registermodernisierung mit?“ moderierte Stefan Rauner, General Portfolio Manager bei Governikus. Foto: BS/Governikus
Derzeit müssen Bürger und Unternehmen Unterlagen und Nachweise bei Verwaltungsangelegenheiten stets aufs Neue vorzeigen, obwohl deren Informationen entweder der Verwaltung bereits vorliegen oder sogar von der Verwaltung selbst stammen. Dieser Umstand widerspricht nicht nur dem Grundsatz der Benutzerfreundlichkeit, sondern steigert auch den personellen und wirtschaftlichen Aufwand auf beiden Seiten. Das Once-Only-Prinzip fordert prinzipiell, den Abruf von Daten aus den Systemen der Verwaltung
Die Präsentation des Nationalen Once-Only-Technical-Systems (NOOTS) durch Harald Krause stieß auf großes Interesse.
der Einreichung von Unterlagen vorzuziehen, wenn die Daten der öffentlichen Verwaltung vorliegen – vorausgesetzt der Bürger hat sein Einverständnis dazu abgegeben. Hier kommt das Datenschutzcockpit (kurz DSC) ins Spiel: Sobald ein Register, das die Identifikationsnummer nach dem Identifikationsnummerngesetz für Abfragen verwendet, an das Nationale Once-Only-Technical-System (NOOTS) angeschlossen ist, muss auch die Anbindung an das DSC erfolgen, um die Transparenz zum Umgang mit verfügbaren Daten zu gewährleisten. Anderenfalls würde die öffentliche Verwaltung zur „Blackbox“, in der Bürger nicht nachvollziehen können, wohin und zu welchem Zweck ihre Daten übermittelt wurden. Die technische Grundlage für die Realisierung der Registermodernisierung bildet das NOOTS. Ziel ist, eine übergreifende Kommunikationsinfrastruktur zu etablieren, welche die IT-Systeme der Verwaltung durchgängig sowohl effizient als auch effektiv miteinander verknüpft. Damit das NOOTS dieses Ziel erreichen kann, muss es einige
Niels Kohrt von PICTURE referierte über die Erstellung von Digitalisierungsstrategien mit Prozessregistern.
Anforderungen erfüllen, darunter die Nachvollziehbarkeit der Übermittlung durch Protokollierung und Ende-zu-Ende-Sicherheit. OSCI erfüllt diese Anforderungen und ist bereits im Kontext DSC, RegMoG und Identifikationsnummerngesetz im Einsatz. Über einen leicht zu implementierenden „Sicheren Anschlussknoten“ (SAK) lässt sich auch das NOOTS schnell und kosteneffizient an die vorhandene OSCI-Infrastruktur anbinden. Die Registermodernisierung ist aber kein rein nationales Projekt. Sie ist auch essenziell für die Einhaltung europäischer Vorgaben: 2018 beschlossen das Europäische Parlament und der Europäische Rat die Verordnung zum Single Digital Gateway (SDG), welche ein digitales Zugangstor zu den Verwaltungsleistungen der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten etablieren soll. Mit dieser Verordnung rückt die Ausweitung und Erleichterung von grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten in den Fokus. Einzelne Maßnahmen wurden dazu definiert. In diesem Zusammenhang bot das Fo-
Inspektionen mit Diagnostik und Monitoring, um bei der Instandhaltung nicht mehr nur reaktionär handeln zu können.
Urbaner Digitaler Zwilling Ziel ist Scholz zufolge ein „Urbaner Digitaler Zwilling“ basierend auf der Verbindung von Geobasisinformationen, Fachdaten, Analyse, Anwendungen und dem Geodatenzwilling. Im Falle der smarten Köhlbrandbrücke wolle man so etwa ein nachhaltigeres Erhaltungsmanagement ermöglichen. Die wichtigste Frage für die HPA sei dabei, wie die Daten strukturiert werden müssten, um Vorhersagen treffen zu können. Aktuell kann die smartBRIDGE noch nicht alle Funktionen anbieten, die idealerweise gewünscht wären. Aber der „Urbane Digitale Zwilling“ wächst und entwickelt sich weiter – genau wie die Stadt, die er abbilden soll.
rum auf dem Nordl@nder Kongress interessante Einblicke in laufende Erprobungsprojekte. Die Ableitungen aus den praktischen Tests werden am Ende allen zugutekommen und auch auf andere Bereiche übertragen werden können. „Viele Fragen und Erkenntnisse tauchen erst auf, wenn man sich auf den Weg macht und konkrete Anwendungsfälle erprobt“, stellte Stefan Rauner zusammenfassend fest. Die Gespräche gehen weiter: Auch auf dem Governikus Summit 2025 Die Diskussionen rund um das Feld der Registermodernisierung sind längst nicht beendet und finden weitere Bühnen, z. B. auf der Smart Country Convention und der KommDigitale, wo Governikus ebenfalls präsent sein wird. Nicht zuletzt werden die Gespräche auf dem Governikus Summit (ehemals Jahrestagung) weitergeführt. Denn am 25. und 26. Februar 2025 heißt es in Berlin erneut: „Gemeinsam Zukunft gestalten“, wenn Verwaltungen und Behörden in Bund, Ländern und Kommunen sowie öffentliche Unternehmen, Institutionen und Organisationen ihre innovativen Lösungen und Konzepte präsentieren. Praktische Anwendungsfälle zum Einsatz von OSCI finden Sie mit Blick auf die Anwendbarkeit im Kontext RegMo in unserem Whitepaper zum Download.
Wann sich die Nutzung von Low-Code-Plattformen für eine
Holger Lehmann, Projektleiter operative IT-Konsolidierung im ITZBund, ist überzeugt: Ohne Cloud kann es keine weitere Digitalisierung geben.
Sachsen-Anhalts CDO Bernd Schlömer (r.) übernimmt den
Digitalisierung in einem Stadtstaat sei besser zu organisieren als in einem Flächenland, machte Dressel gleich zu Beginn einen großen Vorteil klar, den Hamburg auch in der Verwaltungsdigitalisierung habe. Als Erfolgsgeheimnis der Digital Governance der Hansestadt nannte er drei Säulen. Erstens die zentrale Digitalstrategie, die aus der Senatskanzlei heraus gesteuert wird. Zweitens flexible Anwendungen vor Ort. Drittens regelmäßig stattfindende Runden, in denen die aktuellen digitalen Entwicklungen diskutiert und weiterentwickelt würden.
Effizient wie Start-ups
Um schnelle und effiziente Lösungen zu finden, arbeitet der Hamburger Senat mit jungen Digitalisierungsexpertinnen und -experten zusammen. Die speziell gegründete „Venture Client Unit“ GovTecHH arbeite nach dem Vorbild von Startup-Unternehmen und könne deren Agilität leisten, so der Finanzsenator. Die digitalaffine Generation wie GovTecHH-Referentin Salina Castle setzten Vorhaben nach modernen Methoden um. Ein digitales Erfolgsbeispiel sei etwa die Echtzeit-Übersetzung von Verwal-
Suche nach dem Gleichklang
Was Hamburg digital so stark macht
(BS/cb) Hamburgs Finanzsenator Dr. Andreas Dressel hat positive
Nachrichten: Der Haushalt der Hansestadt hat im vergangenen Jahr einen Rekordüberschuss erzielt. In Sachen Digitalisierung hält er die Ressource Geld jedoch nicht für die wichtigste.
tungstexten in Leichte Sprache, die einerseits Barrieren abbaue und andererseits „über 90 Prozent Kostensenkung“ bedeute. Ein Bei-
spiel, wo hoher Datenschutz die Agilität hemme, seien Steuerdaten. Viele Bürgerinnen und Bürger, die mit ihren persönlichen Daten im
KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT) ADVERTORIAL
Deutschland-Index der Digitalisierung: Breitbandausbau im Plan?
In vielen Orten sieht man Baustellen auf den Straßen: Der Glasfaserausbau hat offenbar Fahrt aufgenommen. Doch wie steht es um den Breitbandausbau in Deutschland insgesamt – und in Bezug auf die politischen Ziele?
Die politischen Ziele zum Ausbau der digitalen Infrastruktur wurden über die Jahre immer wieder angepasst und mit konkreten Indikatoren hinterlegt. Seit dem letztjährigen Deutschland-Index der Digitalisierung analysieren wir die Fortschritte beim Breitbandausbau anhand von drei Indikatoren, die in politischen Diskussionen und Strategien eine wichtige Rolle spiel(t)en:
1. „Breitbandziel“ aus der Digitalen Agenda 2014 – 2017 mit mindestens 50 Mbit/s bis 2018, 2. „Gigabitziel“ für den flächendeckenden Ausbau mit Gigabitnetzen bis 2025, 3. „Glasfaserziel“ aus der Gigabitstrategie der Bundesregierung von Juli 2022 mit Glasfaseranschluss für mindestens 50 Prozent aller Haushalte.
Die Analyse dieser Indikatoren liefert ein gutes Bild zum Stand des Breitbandausbaus: 50 Mbit/s ermöglicht komfortable Internetnutzung in Mehrpersonenhaushalten. Gigabitnetze mit einer Datenrate von mindestens einem Gbit/s repräsen-
tieren die Verfügbarkeit moderner Infrastruktur wie Breitbandkabel oder Glasfaser. Die Glasfaser selbst ist zukunftsfähig, störungsarm, energieeffizient und skalierbar, was langfristige Perspektiven bei steigendem Bandbreitenbedarf bietet.
Stand des Breitbandausbaus
Die Abbildung vergleicht Ausbauziele mit dem tatsächlichen Stand vom ersten Breitbandziel 2014 bis Ende 2023 laut Breitbandatlas. Der 50-Mbit/s-Verlauf zeigt den langsamen Breitbandausbau von 2014 bis 2018. Inzwischen ist das technisch-wirtschaftliche Maximum erreicht. Der stärkere Anstieg der Gigabit-Versorgung zwischen 2018 und 2020 resultiert hauptsächlich aus der Aufrüstung der Kabelnetze. Danach verlangsamte sich der Anstieg aufgrund des geringen Glasfaseranteils, der weiteres Wachstum hätte tragen können. Seit etwa 2022 hat der Glasfaserausbau jedoch an Fahrt gewonnen. Damit scheint nun auch das Glasfaserziel erreichbar, wenn der Ausbau wie in den letzten
privaten Bereich weniger „krüsch“ (wählerisch) umgingen, würden womöglich auf höchste Datenschutzstandards verzichten, um
im Gegenzug noch mehr digitalen Service in Steuerangelegenheiten zu erhalten.
First Mover statt Geisterarmeen „Die Ressource Geld ist wichtig“, betonte Dressel als Finanzsenator wenig überraschend. Aber: Die Mitarbeitenden in der Verwaltung seien wichtiger. Wolle man in naher Zukunft nicht mit „Geisterarmeen“ arbeiten, müsse man die „First Mover“ gewinnen – innovative Unternehmen, die neue Produkte entwickeln und in den Markt einführen. Nicht minder wichtig sind laut Dressel Kampagnen zur Nachwuchsgewinnung. Beim Bürgerservice gehe es letztlich immer um Qualität und die Frage, wie Anwendungen angenommen würden. „Die eID ist mir zu kompliziert“, gab der Finanzsenator ein aus seiner Sicht weniger gelungenes Beispiel. Besser laufe zum Beispiel die Bewohnerparkausweis-Beantragung in Hamburg. Diese sei „einfach nutzbar“ und habe dementsprechend „Nutzungsquoten von über 90 Prozent“. Am Ende suche er immer nach einem „Gleichklang“, so Dressel: der harmonische Zweiklang aus kleinen, schnellen Erfolgen und den großen Strukturen der Digitalisierung.
Oktober 2024
Jahren voranschreitet. Der Deutschland-Index vergleicht die Länder miteinander. Bei der Infrastruktur nehmen die Stadtstaaten eine Sonderstellung ein und belegen aufgrund ihrer städtischen Prägung Spitzenplätze.
Starke Unterschiede beim Glasfaserausbau Beim Glasfaserausbau zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Nur das Land Hamburg liegt an der Spitze. Auffällig ist, dass besonders nördliche Bundesländer über dem Bundesschnitt liegen. Schleswig-Holstein kann als Land fast zu Hamburg aufschließen, während industriell geprägte Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg durchweg unter
dem Schnitt bleiben. Dabei zeigen die Daten keinen strukturellen OstWest-Unterschied (mehr). Die Karten des Breitbandatlas zeigen, dass der Glasfaserausbau in den Kommunen nicht einheitlich erfolgte. Seit Mitte 2022 werden die detaillierten Daten des Breitbandatlas veröffentlicht, was eine genauere Untersuchung ermöglicht. Vergleicht man die größten Städte miteinander, so lässt sich festhalten, dass München mit einer Glasfaserversorgbarkeit der Haushalte von 68,3 Prozent noch knapp vor Hamburg mit 68,1 Prozent liegt. Auch in Köln ist Glasfaser breit verfügbar, mit einer Quote von 39,9 Prozent liegt die Stadt über dem bundesdeutschen Schnitt von 32,1 Prozent.
Deutlich unter dem Schnitt liegen dagegen Städte wie Dresden (19,7 Prozent) und Düsseldorf (15,3 Prozent). Schon diese einfachen Vergleiche zeigen, dass nicht alle dicht besiedelten Regionen über zukunftsweisende Infrastrukturen verfügen und dass die Mittelwerte über die großen Unterschiede beim Stand des Glasfaserausbaus täuschen können.
Der Deutschland-Index der Digitalisierung von ÖFIT gibt regelmäßig Auskunft darüber, wie digital Deutschland und seine Länder sind. Er ist abrufbar unter: https://www. oeffentliche-it.de/deutschland-index. Hier findet sich auch ein Beitrag mit der Übersicht zum Vergleich von Bundesländern und Städten.
Zwischen 2021 und 2022 führten die Autoren mit Unterstützung des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarats ein Forschungsprojekt zu Hatespeech und Fake News durch. Im Zuge dieses Projekts wurden 187 Delegierte des Kongresses u. a. gefragt, ob sie bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung von Hatespeech und Fake News als technisch wie rechtlich machbar ansehen würden. Die Antworten ließen Zweifel an der digitalen Kompetenz aufkommen und legten Defizite im Verständnis der grundlegenden Funktionsweise des Internets offen. Die Delegierten des Kongresses sind üblicherweise lokale und regionale Politiker, für Deutschland sieben Landtagsabgeordnete in der Chamber of Regions sowie fünf Bürgermeister und drei Kreistagsabgeordnete in der Chamber of Local Authorities. So wurde mit Partnerinstitutionen in Deutschland, Italien, Moldau, Österreich, Rumänien, der Slowakei und Ungarn der Fragebogen 2023 nochmals in die Breite der lokalen und regionalen Politik und Verwaltungen verteilt und die Rückläufer ausgewertet. Von insgesamt 1.966 ausgefüllten Fragebögen stammten 820 aus Deutschland und Österreich und boten folgenden Befund: Die Antworten kamen zu ca. zwei Dritteln von Politikern und zu einem Drittel von Verwaltungspersonen, darunter insgesamt 93 Bürgermeister. Der Befund ist unerfreulich, nur um auf die wesentlichsten Defizite zu fokussieren:
IP-Adressen werden von Providern üblicherweise dynamisch zugewiesen und ändern sich ständig. Blockaden sind ebenso wenig zielführend, wie das Verbot der Vorratsdatenspeicherung faktisch die
Ein empirischer Befund
Digitale (In)Kompetenz von Politik und Verwaltung
(BS/Prof. Dr. Robert Müller-Török/Prof. Dr. Alexander Prosser*) Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Politiker die Digitalisierung der Verwaltung lobt oder eine Stadt sich selbst zur „Smart City“ erklärt. Trotz der gescheiterten Umsetzung des OZGs und augenscheinlich geringer Fortschritte bei der Registermodernisierung scheinen Politik und Verwaltung an ihrer eigenen digitalen Kompetenz offenbar keine Zweifel zu haben.
Identifikation von Postern zumindest erheblich erschwert.
Mit Proxyservern oder VPNs kann man leicht Sperren umgehen, nicht zu reden von Instrumenten wie dem Tor-Browser.
Zu glauben, dass z. B. die russische oder iranische Polizei auf eine Anfrage nach der Identität eines „Posters von beleidigenden Inhalten in einem anderen Staat“ hilfreich reagiert, wie es über zwei Drittel der Befragten tun, ist erschütternd. Wer „E-Mail-Adressen blockieren“ möchte, hat grundlegend nicht verstanden, wie E-Mail funktioniert. E-Mails mit Absendern wie olaf. scholz@bundeskanzler.de zu versenden, ist ebenso einfach wie mit dreiminütigem Googeln erlernbar. Eine Verpflichtung, Klarnamen in Sozialen Medien zu verwenden, ist sehr schwierig bis unmöglich außerhalb Deutschlands bzw. der Europäischen Union durchzusetzen. 1995 entschied der Oberste Gerichtshof der USA in McIntyre vs. Ohio Elections Commission, „Under our Constitution, anonymous pamphleteering is not a pernicious, fraudulent practice, but an honorable tradition of advocacy and of dissent. Anonymity is a shield from the tyranny of the majority.“ Hier Klarnamen durchzusetzen, lassen wir undemokratische Staaten außen vor, ist faktisch unmöglich.
Die smarteste City
München bleibt auf dem ersten Platz
(BS/Anna Ströbele) Deutschlands Städte werden zunehmend digitaler, wie der diesjährige Smart City Index des Bitkom zeigt. München landet erneut auf Platz eins, gefolgt von Hamburg und Köln. Die Domstadt punktet dafür mit der digitalsten Verwaltung.
Freiburg im Breisgau, Bochum und Lübeck steigen aus den besten Zwanzig im Vorjahr in die Top Ten auf und verdrängen Aachen, Osnabrück und Karlsruhe. Das bedeute nicht, dass diese Städte nun weniger smart seien, die anderen Städte hätten lediglich größere Fortschritte erzielt, erklärt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. Als Absteiger identifiziert der Bitkom unter anderem Erlangen, Offenbach und Rostock. Insgesamt macht der Smart City Index aber vor allem die Fortschritte bei der Digitalisierung sichtbar. „Lag der Durchschnitt des Indexwertes über alle Städte im Jahr 2021 noch bei 52 Punkten, so sind es in diesem Jahr 68 Punkte“, teilt Wintergerst mit. Bei einzelnen Städten seien teilweise große Sprünge nach vorn zu beobachten. Das zeige, dass jede Stadt eine echte Smart City werden könne, wenn sie sich auf ein Thema fokussiere.
Berlin nicht in den Top 20 Unter den Bestplatzierten finden sich nicht nur die großen Metropolen, diese erreichen aber in den fünf Kategorien des Indexes mehrere Spitzenplätze. Köln ist auf Platz eins in der Kategorie „Verwaltung“. So habe die Stadt bereits 83 Prozent der abgefragten OZG-Leistungen umgesetzt und arbeite auch intern bereits sehr digital, etwa mit einem behördenübergreifenden Einsatz von eAkte und DMS, hebt der Präsident des Bitkom hervor. Derzeit werde in Köln zudem ein Digitalcheck für Satzungen eta-
bliert. München führt hingegen in der Kategorie „IT und Kommunikation“, während Ingolstadt im Bereich „Energie und Umwelt“ vorn liegt. In der Kategorie „Gesellschaft“ punktet Düsseldorf. Berlin schafft es zwar nicht unter die Top 20 der smartesten Städte, belegt dafür in der Kategorie Mobilität den ersten Platz.
Wintergerst weist darauf hin, dass bestimmte Strukturmerkmale den Städten den Weg zur Smart City erleichterten. Besonders große Städte ab 300.000 Einwohnern, die vom Bund geförderten Modellprojekte Smart Cities, Landeshauptstädte und Universitätsstädte schneiden im Ranking überdurchschnittlich gut ab. Auch Städte, die nicht über diese Vorteile verfügen, könnten durch eine klare Strategie und gezielte Schwerpunktsetzung digitaler werden, so Wintergerst Doch auch die Rahmenbedingungen müssten stimmen: Der Bitkom fordert die Umsetzung und Finanzierung des Smart-City-Stufenplans. Außerdem spricht sich der Verband für eine dauerhafte Finanzierung von Smart City als Teil kommunaler Infrastruktur aus. Wintergerst schlägt weiterhin Rahmenverträge für Smart-City-Lösungen vor, „damit nicht jede Kommune für sich alleine verhandeln muss“.
Der Smart City Index bewertet die 82 deutschen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern anhand von 162 Parametern. Die Erhebung existiert seit 2019.
Zwar war der empirische Befund nach Alter hoch signifikant, d. h. die Ergebnisse der Unter-30-Jährigen waren besser, aber z. B. „nur“
65,8 Prozent anstatt insgesamt 76,7 Prozent beim „E-Mail-Adressen blockieren“ sind ebenfalls nicht ermutigend. Nach Geschlecht gab
Welche Maßnahmen würden Sie als technisch und rechtlich machbar und geeignet erachten, um gegen Fake News und Hassrede vorzugehen? (eigene Erhebung)
Antworten in Prozent JaNein
Webseiten in unserem eigenen Staat blockieren 56,243,8
Webseiten in einem anderen Staat blockieren 40,459,6
IP-Adressen in unserem Staat identifizieren und blockieren75,824,2
IP-Adressen in einem anderen Staat identifizieren und blockieren
Poster von beleidigenden Inhalten in unserem Staat identifizieren
Poster von beleidigenden Inhalten in einem anderen Staat identifizieren
E-Mail-Adressen blockieren
Upload-Filter für Soziale Medien
56,643,4
91,38,7
67,732,3
76,623,3
73,126,9
Verpflichtung, Klarnamen in Sozialen Medien zu verwenden84,315,7
Grafik: BS/Spuling
es keine Unterschiede, die statistisch signifikant gewesen wären, sieht man von einer stärkeren Zustimmung von Frauen bei UploadFiltern ab.
Die Befunde für Rumänien, wo insgesamt 675 Fragebögen retourniert wurden, weichen grosso modo nicht wesentlich von den Ergebnissen für Deutschland und Österreich ab. Beim „E-Mail-Adressen blockieren“ waren es beispielsweise 67,4 Prozent.
Es muss abschließend festgehalten werden, dass die digitale Kompetenz von lokaler und regionaler Politik und Verwaltung nicht auf dem Niveau ist, wie man sie 2024 erwarten würde und wohl auch dürfte. Es zeigt sich massiver, ganz massiver Schulungsbedarf – vor allem Weiterbildungsbedarf, denn die Befragten sind allesamt nicht mehr in Ausbildung und waren überwiegend über 50 Jahre alt. Da das Internet immerhin auch schon 31 Jahre alt ist, kann das nicht mehr als Entschuldigung akzeptiert werden, sondern es hier gibt ganz offensichtliche digitale Inkompetenz: sowohl in der Politik als auch in der Verwaltung.
*Prof. Dr. Robert Müller-Török, Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg; Prof. Dr. Alexander Prosser, WU Wien, Institut für Produktionsmanagement
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Der Startschuss des Bestellprozesses über das Kaufhaus des Bundes markiert einen weiteren Meilenstein bei der Modernisierung der IT-Infrastruktur der Bundesverwaltung. Voraussichtlich ab Mitte Oktober können Bedarfsträger für ihre Mitarbeitenden iPhone- und iPadGeräte des Herstellers Apple beziehen. Zudem umfasst die Rahmenvereinbarung die Bereitstellung von passendem Zubehör wie beispielsweise Schutzhüllen, Blickschutz und Bedienstiften sowie die Erbringung von Dienstleistungen rund um den Einsatz der mobilen Endgeräte.
Hybride Arbeitsweisen haben sich auch in der öffentlichen Verwaltung etabliert und stellen eine attraktive Option für die Mitarbeitenden dar. Da sich Arbeitszeit und Arbeitsort besser an die persönlichen Bedürfnisse anpassen lassen, kann dies in einer ausgewogeneren Work-Life-Balance und einer höheren Produktivität resultieren. Letztere ist darauf zurückzuführen, dass eine individuell angepasste Arbeitsumgebung die Konzentration und Motivation der Mitarbeitenden fördert. Zudem unterstützt agiles Arbeiten eine Kultur des Vertrauens und der Eigenverantwortung.
Agiles Arbeiten umschreibt dabei nicht nur eine neue Option für die Mitarbeitenden, sondern unterstreicht auch die Haltung der Bundesverwaltung, Agilität als Standard zu etablieren – wichtige
Die digitale Zukunft beginnt heute
Behörden können bald Apple-Geräte auf Basis der indigo-Zulassung beziehen
(BS/Thomas Teitge*) Die Digitalisierung transformiert die Gesellschaft, die Arbeitswelt und die öffentliche Verwaltung auf vielfältige Weise. Durch eine verbesserte Zusammenarbeit und Kommunikation steigert sie die Effizienz, fördert Innovation und optimiert das Nutzererlebnis. Das Beschaffungsamt des BMI (BeschA) hat mit dem Rahmenvertrag über die Lieferung von bis zu 300.000 Apple-Endgeräten ein neues Kapitel der mobilen Arbeit in der deutschen Bundesverwaltung aufgeschlagen.
Apple-Endgeräte bieten den Mitarbeitenden eine sichere Kommunikationsinfrastruktur. Foto: BS/Bechtle
Faktoren, wenn es um die Stärkung der Mitarbeiterbindung, aber auch um die Attraktivität als Arbeitgeber geht. Gerade junge Menschen erwarten heute ein hohes Maß an Flexibilität bei ihrer
täglichen Arbeit. Die Realisierung einer hybriden Arbeitsweise erfordert jedoch Technologien, die den hohen Sicherheitsstandards des öffentlichen Sektors vollumfänglich entsprechen. Insbesondere da die Mitarbeitenden der Bundesverwaltung die ultramobilen Endgeräte sowohl während ihrer täglichen Arbeit als auch privat nutzen können.
Sicherheit steht an erster Stelle Die Systemsicherheit von AppleEndgeräten gewährleistet den überwachten Zugriff auf Systemressourcen, ohne die Benutzerfreundlichkeit zu beeinträchtigen. Die Betriebssysteme iOS und iPadOS bieten höchste Sicherheitseigenschaften, die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bestätigt wurden. Das BSI hat die Wirksamkeit der eingebetteten Sicherheitsfunktionen geprüft und kam zu
Ultramobile Endgeräte
Zentrale Elemente der Digitalisierung
Über die Hintergründe und Vorteile der Bereitstellung von iPhone und iPad Geräten des Herstellers Apple für die Bundesverwaltung spricht Thomas Teitge, Leitung Geschäftsbereich Bundesbehörden und Beschaffungsamt beim Bechtle IT-Systemhaus Bonn. Das seit vielen Jahren im Behördenbereich tätige IT-Systemhaus übernimmt bundesweit die operative Umsetzung und Steuerung der Rahmenvereinbarung mit der Bundesverwaltung. Über das Bechtle IT-Systemhaus Bonn übernehmen Sie die zentrale Lieferung der Apple-Geräte an die Bundesverwaltung. Was zeichnet Bechtle aus?
Thomas Teitge: Bechtle ist ein autorisierter IT-Dienstleister. Das heißt, unsere Mitarbeitenden haben ein dediziertes technisches Training durchlaufen und folgen einem festen Anforderungskatalog, wie die Apple Geräte und die darin nativ eingebetteten Sicherheitsmechanismen zu konfigurieren und einzusetzen sind. Wir stellen dabei sicher, dass die erforderlichen Richtlinien vollständig erfüllt werden. Im Anschluss bestätigen wir die ordnungsgemäße Installation der Geräte durch eine Dokumentation und ein Abnahmeprotokoll.
Wie sieht die Einführung bzw. die technische Umsetzung im Detail aus?
Thomas Teitge ist als Geschäftsbereichsleiter beim Bechtle IT-Systemhaus Bonn für Projekte bei Bundesbehörden und dem Beschaffungsamt verantwortlich. Foto: BS/Bechtle
Teitge: Nach der Beschaffung registrieren wir die Geräte im „Apple Business Manager“-Konto der jeweiligen Behörde. Über dieses webbasierte Portal werden alle Apple Geräte zentral verwaltet und automatisch sowie unmittelbar mit dem Mobile Device Management (MDM) verknüpft. Die entsprechende Nutzerrolle wird hierbei durch die Benutzer-Authentifizierung beim Setup-Prozess im MDM vorab zugewiesen. Das Be-
sondere daran ist, dass die hinterlegten Regeln von den Nutzenden nicht umgangen werden können. Zudem integrieren wir in die Geräte eine VPN-Verbindung für kritische Konten und Apps.
Das klingt, als wäre quasi alles für die Nutzerinnen und Nutzer ready-touse vorbereitet, wenn sie die Geräte bekommen. Es entsteht also ein ganz besonderes Anwendungserlebnis. Ist das so?
Teitge: Genau, die Anwendenden müssen nur noch die Mail-Zertifikate gemäß der BSI-Anweisung manuell importieren. Da die iPhone- und iPadGeräte auch zu privaten Zwecken eingesetzt werden dürfen, lassen sich persönliche Inhalte mithilfe eines persönlichen Apple Accounts nutzen. Ein weiteres positives Benutzererlebnis ist die einfache Anmeldung am Gerät: Diese erfolgt über ein starkes Passwort und die biometrische Autorisierung.
indigo steht für Sicherheit
Das Projekt indigo (iOS native devices in government operation) ermöglicht es, Apple-Geräte wie iPhone und iPad zu konfigurieren und sicher in deutschen Behörden zu nutzen. Das BSI hat die Wirksamkeit der in iOS und iPadOS eingebetteten Sicherheitsmechanismen bestätigt. Mitarbeitende der Bundesverwaltung haben somit die Möglichkeit, vertrauliche Inhalte wie sicherheitskritische Behörden- und Bürgerdaten, die als Verschlusssache „Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) eingestuft sind, auf iPhone und iPad zu übertragen und zu bearbeiten. Nativ auf iOS und iPadOS bedeutet, dass die in der Bundesverwaltung geforderten Sicherheitsmechanismen bereits standardmäßig in die beiden Betriebssysteme integriert sind. Für iPhone und iPad sind daher keine zusätzlichen Sicherheitslösungen eines Drittanbieters mehr notwendig.
dem Ergebnis, dass die in handelsüblichen iPhones und iPads integrierten Applikationen für EMail, Kalender und Kontakte die Sicherheitsanforderungen bei der Verarbeitung von Verschlusssachen der Kategorie „Nur für den Dienstgebrauch“ (VS-NfD) erfüllen. Auf diese Weise können die Mitarbeitenden sicher und bequem zu jeder Zeit und von jedem Ort aus mit den wichtigsten Büroanwendungen arbeiten. (Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der Infobox „indigo steht für Sicherheit“.)
indigo LIVE erleben
Auf der Smart Country Convention vom 15. bis 17. Oktober 2024 (Messegelände Berlin) werden Fragen rund um die Beschaffung und die Nutzung von Apple-Geräten in Bundesbehörden von Expert:innen beantwortet.
hub27, Stand 401 (Bechtle AG) Bechtle plant zudem eine indigo Info Tour 2024, um interessierte Bedarfsträger an drei unterschiedlichen Standorten über Apple-Geräte zu informieren: Dienstag, 12. November 2024 in Frankfurt a. M. (Klassikstadt Frankfurt) Freitag, 15. November 2024 in Siegburg (Rhein-Sieg-Forum) Dienstag, 26. November 2024 in Berlin (GovTech Campus Deutschland)
Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie auf www bechtle.com/apple-indigo
Intuitive Bedienung macht den Unterschied
Endgeräte von Apple zeichnen sich neben ihrer Sicherheit auch durch Einfachheit und Funktionalität aus. Sie bieten durch ihre intuitive Benutzeroberfläche, die
Über Bechtle
leicht verständlichen Menüs sowie eine nahtlose Integration von Hardware und Software ein konsistentes Nutzererlebnis. Dadurch ermöglichen sie selbst Mitarbeitenden ohne technische Vorkenntnisse eine schnelle Lernkurve. Ein weiterer Vorteil ist, dass Software-Aktualisierungen regelmäßig und automatisch über die mobile Geräteverwaltung (Mobile Device Management, MDM) erfolgen. Diese Dienstleistung wird vom Rahmenvertragspartner Bechtle bereitgestellt. Dies gewährleistet die Sicherheit und Funktionalität der Endgeräte und reduziert gleichzeitig den Wartungs- und Kostenaufwand bei den Bedarfsträgern der Bundesverwaltung.
Höhere Effizienz dank besserer Arbeitsabläufe Mobilität, Flexibilität, Benutzerfreundlichkeit, Sicherheit, Support und Wartung: Dies sind Faktoren, die positiv auf die Arbeitsabläufe und letztlich auf die Effizienz der Mitarbeitenden einzahlen. Die Umsetzung der Rahmenvereinbarung ist ein wesentlicher Schritt, die digitale Zukunft der Bundesverwaltung voranzutreiben. Mit den Apple-Endgeräten und den darin nativ eingebetteten Sicherheitsmechanismen sind Bedarfsträger ab sofort in der Lage, ihren Mitarbeitenden eine sichere Kommunikationsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen, die dediziert auf die besonderen Anforderungen des öffentlichen Sektors ausgerichtet ist und mobiles Arbeiten noch attraktiver gestaltet.
Weitere Informationen zum Bestellprozess und vielem mehr finden Sie hier: www.bechtle.com/apple-indigo
*Dipl.-Wirt.-Inf. Thomas Teitge verantwortet die Leitung des Geschäftsbereichs Bundesbehörden und Beschaffungsamt beim Bechtle IT-Systemhaus Bonn.
Bechtle zählt mit über 100 IT-Systemhäusern und IT-E-Commerce-Gesellschaften in 14 Ländern zu den führenden IT-Unternehmen in Europa. Gegründet 1983, beschäftigt die Bechtle Gruppe derzeit über 15.000 Mitarbeitende. Begleitet werden digitale Transformationen von Kunden aus Industrie und Handel, dem Public Sector sowie dem Finanzmarkt, mit einem herstellerübergreifend lückenlosen Angebot rund um IT-Infrastruktur und IT-Betrieb.
Den Rahmenvertrag über die Lieferung von bis zu 300.000 Apple-Endgeräten bedient Bechtle als Hauptauftragnehmer zusammen mit seinem langjährigen Herstellerpartner Apple sowie dem IT- Dienstleister Materna. Beliefert werden Bedarfsträger sowohl mit den vorkonfigurierten iPhones und iPads als auch mit dem passenden Endgerätezubehör. Ferner unterstützt Bechtle mit Dienstleistungen von der Beratung über die Implementierung bis zum Betrieb der mobilen Umgebungen einschließlich User-Support.
Behörden Spiegel: Frau Ministerin Schall, der Zuschnitt des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung war bereits unter Ihrem Amtsvorgänger Alexander Schweitzer bundesweit einzigartig. Wie wollen Sie die Synergien, die sich aus dieser Themenkonzentration potenziell ergeben, zukünftig bestmöglich heben?
Schall: Als ich mich vor einigen Wochen mit diesem Haus, damals noch von außen, mit meinem neuen Ministerium befasst habe, habe ich auch gedacht: Was ist denn das für ein interessanter Zuschnitt? Ich habe aber sofort den Zusammenhang zwischen Arbeit und Transformation verstanden. Wir können den Wandel der Arbeitswelt, wie wir ihn alltäglich erleben, gar nicht mehr ohne Digitalisierung denken. Das in einem Haus zu vereinen, ist einfach sinnvoll.
Behörden Spiegel: Transformation und Digitalisierung bedeuten für die Arbeitswelt der Bürgerinnen und Unternehmen auch einen starken kulturellen Wandel, den der Einsatz digitaler Tools und die damit verbundenen Möglichkeiten mit sich bringen. Wie kann Politik hier durch entsprechende Rahmensetzung unterstützen?
Schall: Wir müssen die Menschen positiv im Wandel der Arbeitswelt begleiten, der ja auch nicht ganz neu ist. So sind einige Berufe, die vor 50 Jahren normale Lehrberufe waren, mittlerweile ausgestorben. Auf der anderen Seite sind neue Berufsbilder hinzugekommen, die vor 20 Jahren noch nicht existierten. Dieser Wandel in unseren Arbeitsprozessen ist stetig und allgegenwärtig. Viele Menschen haben natürlich Angst vor Veränderung. Daher geht es darum, diese Ängste zu nehmen und die Arbeitswelt so zu gestalten, dass sie den Menschen dient und nicht umgekehrt.
Behörden Spiegel: Digitalisierung kostet Geld. Die öffentlichen Haushalte geraten aktuell auf allen Ebenen zunehmend unter Druck. Sehen Sie die Gefahr, dass auch das Land Investitionen in Digitalisierung zurückfahren bzw. aufschieben muss?
SCHWERPUNKT
Schall: Für Rheinland-Pfalz steht der Doppelhaushalt bereits, auch in der Höhe, die wir zukünftig für den Infrastrukturwechsel brauchen. Dies bedeutet steigende Volumina in den nächsten beiden Jahren. Wir sind uns innerhalb der Landesregierung einig, dass Infrastruktur zwar etwas kostet, aber diese Investitionen sich am Ende rechnen. Was die Bundesmittel angeht, sind wir etwas nachdenklicher. Die aktuell geplanten Kürzungen sehen wir mit Sorge und hoffen auf den weiteren Verlauf der Verhandlungen. Das ist ein ganz schwieriges Signal für die Zukunft, nicht nur mit Blick auf die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch auf die Unternehmen. Viele Firmen sind international ausgerichtet und achten bei ihren Standortentscheidungen sehr genau darauf, ob vor Ort ein Glasfaseranschluss vorhanden ist.
Auf einem guten Weg
Zwei neue Gesichter der Digitalisierung in Rheinland-Pfalz
(BS) Nach dem Rückzug von Ministerpräsidentin Malu Dreyer im Sommer folgte ihr Alexander Schweitzer im Amt. CIO/ CDO Fedor Ruhose wechselte in die Staatskanzlei, sodass nun mit Dörte Schall und Dr. Denis Alt eine neue Hausspitze die Geschicke des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung in Rheinland-Pfalz lenkt. Guido Gehrt traf beide zum Interview in Mainz, um über zentrale Herausforderungen des digitalen Wandels im Lande zu sprechen.
Digitalministerin Dörte Schall und Staatssekretär Dr. Denis Alt, neuer CIO des Landes, werden beide am 26. November auf dem Kongress „Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz“ (www.dv-rlp.de) in Mainz auftreten.
Am Ende hängen daran Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz, wenn wir nicht genug in die Datenautobahnen investieren. Aus diesem Grund investieren wir als Landesregierung auch entsprechend und sind für die kommenden zwei Jahre auf einem sehr guten Weg.
Behörden Spiegel: Herr Staatssekretär Dr. Alt, seit Anfang September sind Sie jetzt offiziell CIO der Landesregierung. Was reizt Sie persönlich an dieser neuen Aufgabe?
Dr. Alt: Es ist eine absolute Gestaltungsaufgabe, die strategische Verantwortung für die Digitalisierung der Landesverwaltung zu übernehmen und damit auch auf die digitale Transformation unserer Gesellschaft ein Stück weit Einfluss nehmen zu können. Während meiner Zeit im Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit habe ich mich bereits mit Digitalisierungsfragen beschäftigt. Ich glaube, dass wir schon relativ weit sind, was die Digitalisierung unserer Arbeitsweisen angeht. Wenn wir uns bestimmte Länder anschauen, die bei der Digitalisierung Vorreiter sind oder waren, dann sind das häufig kleinere Länder, die nicht so einen komplexen Staatsaufbau haben wie Deutschland. Das beschreibt auch die Herausforderung, CIO in einem föderalen Staat zu sein. In der Bundesrepublik Deutschland heißt gut zusammenzuarbeiten, zusammenarbeiten zu müssen: mit Kolleginnen und Kollegen anderer Länder, mit dem Bund, aber auch und vor allem mit den Kommunen innerhalb des Landes Rheinland-Pfalz. In der Landesverwaltung haben wir uns schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit Themen wie Künstlicher Intelligenz auseinandergesetzt und uns gefragt: Was sind die Voraussetzungen dafür, dass wir Künstliche Intelligenz sinnvoll einsetzen können? Ich glaube, dass wir europaweit den richtigen Ansatz haben, zu sagen: Künstliche Intelligenz bedarf der Regulierung. Aber das ist kein Abwehrkampf, sondern eine Regulierung im positiven Sinne, um in Zeiten des Fachkräftebedarfs und teilweise Fachkräftemangels diese neue Technologie so einsetzen zu können, dass sie Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung zugute
kommt. All das muss gut austariert werden. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.
Behörden Spiegel: Für die digitale Transformation des Landes ist nicht zuletzt die Digitalstrategie von herausragender Bedeutung, für deren Umsetzung Sie die Verantwortung tragen. Wo liegen hier aktuell die Schwerpunkte bzw. die nächsten Meilensteine?
Foto: BS/Gehrt
Dr. Alt: Wir sehen aktuell, dass wir keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr für die öffentliche Verwaltung finden, wenn wir unsere Arbeitsmethoden nicht anpassen und konsequent digital arbeiten. Das verbindet uns mit vielen Unternehmen. Für uns als Ministerium ist dabei auch immer die digitale Teilhabe der Menschen wichtig, damit niemand abgehängt wird. Dafür stehen
zum Beispiel die Digital-Botschafterinnen und Digital-Botschafter, die dafür sorgen, dass auch Seniorinnen und Senioren digitale Angebote selbstständig und kompetent nutzen können. Mit dem Schulcampus RLP und mit dem Bildungsportal stellen wir Bildungsangebote für ein möglichst breites Publikum zur Verfügung. Sehr wichtig ist auch der neue Digital-Check. Im Ministerrat haben wir eine Selbstverpflichtung der Ressorts beschlossen, alle neuen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften daraufhin zu prüfen, ob sie praktikabel digitalisiert werden können. Es soll dann auch evaluiert werden, ob es sich in der Praxis bewährt.
„Dieser
Wandel in unseren Arbeitsprozessen ist stetig und allgegenwärtig.“
Auch das Thema offene Daten spielt eine große Rolle in der Digitalstrategie. Die Landesverwaltung sammelt viele Daten von hoher Qualität, die nicht personenbezogen sind. Diesen Datenschatz wollen wir nutzen und mit unser Open-Data-Strategie dafür sorgen, dass diese systematisch und gut aufbereitet werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können diese dann für ihre Forschung verwenden, aber auch Unternehmen können diese Daten nutzen und daraus gegebenenfalls neue Geschäftsmodelle entwickeln.
Digitale Richterassistenten
KI-Einsatz in der Justiz Baden-Württemberg
ADVERTORIAL
(BS/Ralf Hülsbömer*) Die Justiz in Baden-Württemberg plant zur Entlastung komplexer Einzelverfahren die Unterstützung der Sozialgerichtsbarkeit durch Künstliche Intelligenz (KI). Das gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekt von Materna, Infora, dem Ministerium für Justiz und für Migration Baden-Württemberg und dem GovTech Campus Deutschland ist jetzt gestartet.
KI soll dabei helfen, die Richterinnen und Richter in der Sozialgerichtsbarkeit zu entlasten, indem die Aktenstrukturierung vereinfacht und beschleunigt wird. Das ist das Ziel eines kürzlich gestarteten Projekts zwischen dem Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg, den Unternehmen Materna und Infora und dem GovTech Campus Deutschland. Das Forschungsprojekt befasst sich mit der Frage, inwieweit sich die Vision eines KI-Assistenten, mit dem umfangreiche Gerichtsakten strukturiert werden, mit einem Sprachmodell (Large Language Model) realisieren lässt, also unter Einsatz moderner Technologie aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Das Projekt soll das Fundament für eine stufenweise Weiterentwicklung zu einem umfassenden KI-Richterassistenten bilden, der Richterinnen und Richter aller Gerichtsbarkeiten in der täglichen Arbeit spürbar entlastet.
In der Sozialgerichtsbarkeit umfassen Gerichtsakten und die beigezogenen Akten des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens häufig Hunderte oder gar Tausende Seiten. Richterinnen und Richter müssen den Inhalt der gesamten Akte kennen, um über den Fall entscheiden zu können. Die manuelle Aufbereitung des Sach- und Streitstandes kostet
viel Zeit. In der Vision wird dieser Prozess mithilfe einer KI-Lösung vereinfacht und beschleunigt, sodass die gestiegene Arbeitsbelastung mit vorhandenen personellen Ressourcen im Ergebnis besser bewältigt werden kann. Richterinnen und Richtern soll ermöglicht werden, zielgerichtet verfahrensleitende Maßnahmen, wie Beweisaufnahmen, zu ergreifen und den Fokus auf rechtliche Fragestellungen oder den Austausch mit den Prozessbeteiligten zu lenken. Praktikerinnen und Praktiker des Sozialgerichts Ulm wirken in dem Vorhaben mit und bringen ihr Expertenwissen ein. In dem Projekt wird auch die neue generative KITechnologie PhariaAI von Aleph Alpha getestet.
Stimmen aus dem Projekt
„In dem Projekt wollen wir einen Schritt weiterdenken und das Fundament für die Entlastung von Richterinnen und Richtern in der täglichen Bearbeitung komplexer Verfahren setzen“, sagt Elmar Steinbacher, Ministerialdirektor im Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg.
„Wir freuen uns sehr, dass wir in diesem zukunftsweisenden KI-Justizprojekt mitarbeiten und dabei unterstützen, die Justiz in Deutschland weiter zu digitalisieren“, erläutert Michael Hagedorn, CEO der Materna-Gruppe.
„Die Anforderungen sind in mehrfacher Hinsicht anspruchsvoll. Die Lebenssachverhalte und Tatbestandsmerkmale sind sehr heterogen. Auch die Struktur der Eingangsdokumente unterscheidet sich aufgrund abweichender zuständiger Behörden je Rechtsgebiet teils deutlich. Neben technischen Erkenntnissen liefert das Projekt auch wertvolle Erfahrungswerte für die systematische Annäherung an komplexe KI-UseCases in der Justiz“, erläutert Projektleiter Tobias Pelster aus der Materna-Gruppe. „Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, Staat und Verwaltung grundlegend zu revolutionieren –und damit die vielfältigen Herausforderungen, mit denen die Verwaltung konfrontiert ist, zu adressieren“, so Ammar Alkassar, Vorstand beim GovTech Campus Deutschland. „Die KI-Richterassistenz ist ein gutes Beispiel – wie moderne Technologien die Arbeit der öffentlichen Verwaltung effizienter machen. Eine handlungsfähige und effektive Justiz ist wesentlich für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft. Wir freuen uns, dass wir mit dem Plattform-basierten Ansatz die Grundlage für eine Nachnutzung legen.“
*Ralf Hülsbömer ist im Marketingbereich bei Materna tätig.
Ein
entscheidender Schlüssel, um aktuellen Themen wie dem Einsatz Künstlicher Intelligenz, digitaler Barrierefreiheit, aber auch der Gefahr von Cyber-attacken zu begegnen, ist die Vermittlung relevanter Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung. Mit dem eGovCampus (www.egov-campus.org) steht der Verwaltung ein solcher Türöffner deutschlandweit kostenlos zur Verfügung. Als Produkt des deutschen IT-Planungsrats richtet sich das dortige Lernangebot zu E-Government und Verwaltungsinformatik vorwiegend an Verwaltungsmitarbeitende zur Ausbildung, Fort- und Weiterbildung sowie an Studierende. Die Inhalte werden kontinuierlich weiterentwickelt und aktualisiert.
Seit der Einführung des ersten Online-Kurses im Jahr 2020 haben sich mehr als 17.000 Lernende in die mittlerweile 18 Lernmodule eingeschrieben. Jeden Monat kommen ca. 350 Einschreibungen für Online-Kurse hinzu.
Digitale Kompetenzen
eGov-Campus bietet Online-Kurse auf Hochschulniveau
(BS/FITKO*) Mitarbeitende in der öffentlichen Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen sehen sich im Kontext der Digitalisierung mit immer neuen Fragestellungen konfrontiert: Können Tools wie ChatGPT datenschutzkonform in der täglichen Arbeit genutzt werden? Wie kann sichergestellt werden, dass eine Website auch mit einem Chatbot barrierefrei bleibt? Was bedeutet Mitarbeiterführung im Spagat zwischen Homeoffice und Büro?
„Die Inhalte des eGov-Campus sind auf Hochschulniveau entwickelt. Die Plattform möchte Behörden dabei unterstützen, ihre Mitarbeitenden mit den notwendigen digitalen Kompetenzen auszustatten. Damit ist der eGov-Campus auch ein wichtiges Puzzleteil, um dem zunehmenden Fachkräftemangel zu begegnen“, erklärt Stephan Bartholmei, Leiter Produktmanagement in der FITKO (Föderale IT-Kooperation).
Die FITKO steuert die Lernplattform als Produkt des IT-Planungsrats. Die Anmeldung zu den Kursen steht grundsätzlich allen Interessierten offen. Wie auch bei anderen Online-Lernplattformen besteht der große Vorteil des eGovCampus darin, dass die Nutzer ihr
Lerntempo individuell bestimmen können und die Inhalte rund um die Uhr verfügbar sind. Die Anmeldung für den eGov-Campus erfolgt mit wenigen Klicks, die Inhalte sind kostenlos abrufbar. Personalabteilungen in der Verwaltung haben mit dem eGov-Campus eine echte Alternative, um das Weiterbildungsangebot für die eigenen Mitarbeitenden auszubauen. Die Inhalte der Kurse stehen in der Regel unter einer offenen Lizenz, die eine Nutzung auch Dritten ermöglicht. Zu den am häufigsten aufgerufenen Kursen zählen „Prozessmanagement im öffentlichen Sektor“, „KI in öffentlichen Verwaltungen“ sowie „Digitale Barrierefreiheit“. Zum Erfolg des eGov-Campus trägt auch der
partnerschaftliche Ansatz bei: Die strategische Entwicklung des Produkts verantwortet die FITKO im Auftrag des IT-Planungsrats, während ein Beirat aus Mitgliedern von Universitäten, Hochschulen und Verwaltungsexperten die inhaltliche Ausrichtung begleitet. „Die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer übernimmt die fachliche Koordinierung und stellt sicher, dass das Lehrportfolio den aktuellen Entwicklungen im Bereich Digitalisierung und Verwaltungsinformatik entspricht“, erklärt Prof. Dr. Hendrik Scholta, der im Februar die vom ITPlanungsrat finanzierte Stiftungsprofessur Digital Government and Information Technology an der Universität Speyer angetreten hat.
Der eGov-Campus möchte zudem neue Impulse im Bereich des modernen Lehrens und Lernens für die öffentliche Verwaltung setzen. Zukünftig werden einzelne Module daher noch stärker auf die Nutzer zugeschnitten. Für die Nutzer soll es leichter werden, für sie relevante Inhalte eines Kurses herauszugreifen, damit sich die Nutzung noch besser in den Alltag integrieren lässt. Auch sogenannte „Micro-Degrees“, also Bescheinigungen über die Teilnahme an einem kompakten Bildungskurs, werden das Angebot erweitern: „Digitalisierung bedeutet konstante Veränderung. Deswegen sehen wir in Micro-Degrees einen wichtigen Baustein bei der professionellen Fort- und Weiterbildung – insbesondere für Berufserfahrene im Rahmen des lebenslangen Lernens“, erklärt Luca Mollenhauer , Produktmanager des eGov-Campus in der FITKO.
* In der November-Ausgabe wird das Produkt GovData vorgestellt. Weitere Informationen zum Produkt / www.egov-campus.org
Telemedizin
Pflegebegutachtung per Videoanruf (BS/ast) Ab sofort ist die Pflegebegutachtung per Video möglich. Grundlage dafür sind das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens und die neu in Kraft getretenen Begutachtungs-Richtlinien.
Bezüglich der Weiterentwicklung von Videosprechstunden steht im Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens: „Telemedizin soll ein fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung werden. Insbesondere Videosprechstunden sollen noch umfassender eingesetzt und leichter genutzt werden können.“ Dazu werde die bisher geltende Begrenzung der Videosprechstunden in einem ersten Schritt aufgehoben. Gesagt – getan: Neben persönlichen Besuchen und strukturierten Telefoninterviews kann der Medizinische Dienst nun auch Videotelefonate einsetzen, um die Feststellung von Pflegebedürftigkeit zu begutachten.
Großer Anstieg von Begutachtungen
Begutachtung durch ein strukturiertes Telefoninterview möglich sei, informiert der Medizinische Dienst. Dies gelte für die Begutachtung von Höherstufungsanträgen und für Wiederholungsbegutachtungen. Bis ins vergangene Jahr hinein waren Pflegebegutachtungen grundsätzlich nur im Hausbesuch möglich. Videobegutachtung als Standard implementieren?
In einem derzeit laufenden Projekt wird geprüft, unter welchen Voraussetzungen die Videobegutachtung regelhaft implementiert werden kann.
„Konsequente Digitalisierung ist im Public Sector ein Muss. Mit DATEV können wir alles rechtssicher umsetzen.“
Digitale Prozesse zu initiieren und auszubauen, ist eine der großen Herausforderungen im Public Sector – die leistungsstarke und rechtssichere Software von DATEV für Finanzwesen, Personalwesen und Verwaltungsprozesse unterstützt Sie zuverlässig bei Ihren Vorhaben. Das macht DATEV und die steuerlichen Berater zu den idealen Partnern an Ihrer Seite.
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Dies sei ein „weiterer wichtiger Schritt, um auch bei steigenden Begutachtungszahlen eine zeitnahe Begutachtung der Versicherten und damit einen zeitnahen Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung sicherstellen zu können“, erklärt Carola Engler, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund. Die Begutachtung ist Voraussetzung für den Zugang zu den Leistungen. Die Zahl der Pflegebegutachtungen stieg von 1,8 Millionen Begutachtungen im Jahr 2017 auf 2,88 Millionen im Jahr 2023. Durch den demografischen Wandel werden die Zahlen in den kommenden Jahren weiter steigen. „Vorteile hat dieses ortsungebundene Format auch für An- und Zugehörige, die beim Begutachtungstermin nicht vor Ort sein können“, betont Engler In welchen Fällen Videobegutachtungen möglich sind, regeln die überarbeiteten BegutachtungsRichtlinien des Medizinischen Dienstes Bund, die nun in Kraft getreten sind. Grundsätzlich könne die Begutachtung in allen Fällen per Video ablaufen, in denen eine
Das Projekt wird vom GKV-Spitzenverband finanziell gefördert und von der Universität Bremen wissenschaftlich begleitet. Geprüft wird, inwieweit die Ergebnisse einer videobasierten Begutachtung mit den Ergebnissen einer persönlichen Begutachtung vor Ort übereinstimmen. Auch die Praktikabilität und die Akzeptanz der Videobegutachtung aus der Perspektive aller Beteiligten werden abgefragt. Das Projekt läuft bis Ende März 2026. Besser fände es Carola Engler, wenn die Gutachterinnen und Gutachter auf Grundlage der individuellen Situation der antragstellenden Person selbst entscheiden könnten, welche Informationen für eine Begutachtung eingeholt werden müssen und in welcher Form sie durchgeführt wird. Dazu sollte der Gesetzgeber die Voraussetzungen schaffen.
Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens
Das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens wurde im Dezember letzten Jahres beschlossen und gilt seit März 2024. Es regelt vordergründig den Einsatz des E-Rezepts (seit 2024) und der elektronischen Patientenakte (als Standard ab 2025).
Der Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) werde in Zukunft nicht ausreichend IT-Fachleute bekommen, um alle benötigten Services selbst entwickeln zu können, erläuterte der Präsident des Landesbetriebs, Dr. Oliver Heidinger, auf dem Executive Forum des Behörden Spiegel mit fachlicher Unterstützung von Bechtle. „Deswegen entwickeln wir uns gerade zu einem Dienstleister-Hub. Wir beschaffen die IT-Dienstleistungen, die die Verwaltungen brauchen. Aber wir machen nicht mehr alles selbst“, so Heidinger Er sieht den Mehrwert von IT.NRW in seiner Kenntnis der Behörden und ihrer Technik: „Wir glauben nicht, dass einzelne Behörden mit so komplexer IT in Zukunft eigenständig entscheiden können, wie technische Lösungen aussehen sollen.“ Gleichzeitig würden private Firmen nicht die behördenspezifischen Anforderungen kennen. Daher nehme der Landesbetrieb eine Vermittlerrolle ein. „Zusammen mit den privatwirtschaftlichen Unternehmen gucken wir, wie man die Bedarfe der Verwaltungen bestmöglich decken kann“, fasste Heidinger zusammen.
Offen, aber selbstbewusst
Weniger selbst entwickeln
Mit privatwirtschaftlichen Angeboten in die Cloud
(BS/Anna Ströbele) IT.NRW steht vor der Herausforderung, den IT-Bedarf der NRW-Landesverwaltung zu decken – mit immer weniger Fachkräften. Die Lösung: weniger Eigenentwicklungen, mehr Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft. Dabei achtet der Landesbetrieb darauf, sich von keinem Anbieter abhängig zu machen. Welche Rolle Cloud-Technologien für den Einsatz von KI spielen, war ebenfalls Thema auf dem Behörden Spiegel Executive Forum.
Bauer, Henning Schumacher, Dr. Oliver Heidinger, Dr. Markus Brakmann und Frank Wrede (v.l.n.r.) diskutierten auf der Bühne die Herausforderungen und Chancen der Cloud-Nutzung.
Der CIO des Landes NordrheinWestfalen, Daniel Sieveke, empfahl ebenfalls, den Markt immer im Auge zu behalten. Er finde es falsch, sich Gesprächen mit Unternehmen grundsätzlich zu verschließen. „Es ist wichtig, immer offen, aber auch selbstbewusst zu bleiben“, so Sieveke Digitale Souveränität bedeute für IT.NRW, flexibel zwischen verschiedenen Lösungen wechseln zu können, betonte Heidinger Dies sei entscheidend, um als Land nicht in Vendor-Lock-Ins zu kommen, „wie wir das mit VMware erleben“. Was diese Haltung in der Praxis bedeutet, zeigt sich an der aktuellen Einführung der IONOS-Cloud durch den Landesbetrieb. Der Auftrag dazu wurde im Frühjahr vergeben. Die Nachfrage seitens der Behörden sei groß. „Alle wollen ihre Services in die IONOS-Cloud bringen“, schilderte Heidinger die aktuelle Lage. Allerdings seien einige Komponenten der Plattform IONOS-spezifisch. Um eine zukünftige Abhängigkeit zu verhindern, baue IT.NRW eine Art Zwischenplattform, die die Flexibilität auf der Anwendungsebene sicherstelle. So werde die verspro-
chene digitale Souveränität gewährleistet, erklärte der Präsident des Landesbetriebs. Die Plattform könne für den Schutzbedarf „normal“ genutzt werden. Parallel dazu tausche sich IT.NRW „intensiv“ mit Microsoft zur Nutzung von Microsoft 365 (M365) aus der Azure Cloud aus. „Wir wollen für alle Bedarfe eine Lösung anbieten – und M365 gehört dazu“, unterstrich Heidinger. Auch die niedersächsische Landesverwaltung und die Bundesagentur für Arbeit (BA) setzen bereits auf Microsoft Teams, eine der Komponenten von M365. In einem Projekt wird derzeit
Behörden Spiegel: Herr Sieveke, wo liegt der Schwerpunkt der digitalen Transformation der Landesverwaltung in dieser Legislaturperiode?
Daniel Sieveke: Unser Schwerpunkt in dieser Legislaturperiode liegt vor allem auf Informationssicherheit, dem Schaffen einer technischen IT-Architektur für die öffentliche Verwaltung sowie der weiteren Umsetzung der Digitalisierung der Verwaltung und Registermodernisierung. Der Einsatz der Landesregierung wird für die Kommunen spürbare Entlastungen mit sich bringen und gleichzeitig für eine weitere Harmonisierung der ITLandschaft in Nordrhein-Westfalen sorgen. Bei der Digitalisierung der Verwaltung will die Landesregierung Nordrhein-Westfalen weg vom digitalen Klein-Klein. Denn gemeinsame digitale Lösungen helfen uns dabei, einfach und effizient zum gemeinsamen Ziel zu kommen.
Eine wichtige Frage in der aktuellen Zeit ist auch die Nutzung moderner Technologien, wie beispielsweise KI und LowCode. Die Landesregierung arbeitet daher mit mehreren Maßnahmen und Pilotprojekten daran, diese Möglichkeiten für den öffentlichen Sektor flächendeckend anwendbar zu machen. Von diesem gebündelten Kompetenzaufbau profitieren im nächsten Schritt auch die Kommunen. Wichtig sind für uns dabei ein rechtskonformer Einsatz, Transparenz und Sicherheit.
Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie den Aufbau einer Deutschen Verwaltungscloud?
Sieveke: Diese Aktivitäten zur Gestaltung einer zukunftsfähigen ITBasis begleiten wir intensiv. Hier
40 Millionen Seiten verarbeitet werden. Alternativ hätten Menschen die Seiten manuell abtippen müssen. Die 90 Tage umfassten die gesamte Projektlaufzeit, einschließlich der Entscheidung der BA und des Trainings der KI, stellte Beilfuß klar.
Geld anders verwenden
erarbeitet, wie M365 in die NRWLandesverwaltung integriert werden kann. Den souveränen Arbeitsplatz „nrw.desk“, der auf Open-SourceAnwendungen basiert, will IT.NRW insbesondere für kleinere Bereiche bereitstellen.
Frank Wrede, Geschäftsführer des Bechtle IT-Systemhauses in Dortmund, hob die Bedeutung von Umsetzungsbeispielen hervor, um die Vorteile der Technologien greifbar zu machen. „Anhand solcher Beispiele lässt sich nachvollziehen, ob ein Effizienzgewinn erzielt wird oder nicht“, so Wrede. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten anschließend gesammelt und veröffentlicht werden. Der Geschäftsführer plädiert dabei für „absolute Ehrlichkeit“.
40 Millionen Seiten verarbeitet Michael Beilfuß, Leiter des Customer Success Managements bei Bechtle, präsentierte zwei Use Cases, die den Vorteil von KI-Technologien im eigenen Rechenzentrum verdeutlichten. Einer davon wurde für die Bundesagentur für Arbeit (BA) umgesetzt, um die große Anzahl an Dokumenten zum Kurzarbeitergeld während der Corona-Pandemie zu bewältigen. Die eingesetzte Technologie stellte zunächst die Art des Dokuments fest, identifizierte dann relevante Datenpunkte darauf – die handschriftlichen Einträge im Formular – und digitalisierte diese. So konnten in weniger als 90 Tagen
Weg vom digitalen Klein-Klein
Weitere Harmonisierung der IT-Landschaft in Nordrhein-Westfalen (BS) Mitte Mai übernahm Daniel Sieveke, bereits seit Juni 2022 Staatssekretär im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, zusätzlich die Funktion des Chief Information Officer (CIO). Als IT-Beauftragter der Landesregierung spricht er im Interview über aktuelle und zukünftige Projekte und Herausforderungen der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland. Die Fragen stellte Guido Gehrt.
wollen wir eine zentrale und sichere Instanz für Anwendungen und Daten der öffentlichen Verwaltung in Deutschland bilden. NordrheinWestfalen war einer der Federführer bei der Entwicklung der Deutschen Verwaltungscloud (DVC) und hat diese im IT-Planungsrat maßgeblich mitgestaltet.
Die Deutsche VerwaltungscloudStrategie schafft gemeinsame Standards und Schnittstellen für Cloud-Lösungen der öffentlichen Verwaltungen, um übergreifend eine interoperable sowie modulare föderale Cloud-Infrastruktur zu etablieren. Der angestrebte MultiCloud-Ansatz sieht aber auch eine Anbindung von Public-Cloud-Angeboten privatwirtschaftlicher Anbieter über Rechenzentren der öffentlichen Verwaltung vor. Natürlich zu einheitlichen Bedingungen der öffentlichen Verwaltung. Ein Beispiel dafür ist die kürzlich mit dem Anbieter IONOS geschlossene Vereinbarung, um die Möglichkeiten des Landes zu erweitern. Souveränität und Sicherheit gehören bei der Digitalisierung der Verwaltung untrennbar zusammen. Denn gerade die öffentliche Verwaltung verfügt über einen immensen Datenschatz – der leider auch immer wieder Angriffen von Hackern ausgesetzt ist. Daher gelten bei der Verwaltungsdigitalisierung höchste Ansprüche an den Datenschutz und Sicherheit – ob in der Cloud
oder in der bisherigen Architektur. Persönliche Daten der Bürgerinnen und Bürger zu schützen oder den Betrieb kritischer Infrastrukturen aufrechtzuerhalten, hat höchste Priorität.
NRW-CIO Daniel Sieveke saß vor seinem Amtsantritt als Staatssekretär seit 2010 als CDU-Abgeordneter im NRW-Landtag. Foto: BS/Land NRW/Ralph Sondermann
Behörden Spiegel: Mit der Registermodernisierung steht ein weiteres Megadigitalisierungsprojekt der öffentlichen Verwaltung am Beginn der Umsetzung.
Sieveke: Richtig. Die Registermodernisierung ist eine der zentralen Aufgaben der kommenden Jahre im Bereich der Verwaltungsdigitalisierung. In der Vergangenheit wurde zu viel Wert auf den Onlinezugang, also das Frontend, gelegt. Eine digitale Oberfläche allein reicht aber nicht: Die Digitalisierung muss
medienbruchfrei werden und das „Once-Only-Prinzip“ muss realisiert werden: Daten, die bereits vorliegen, müssen dann nicht nochmals von Bürgerinnen und Bürgern bereitgestellt werden. Nachdem nun die technischen Grundlagen bald bereitstehen, starten wir mit ausgewählten Registern, die besonders großen Nutzen bringen. Gleichzeitig werden wir uns mit den anderen Ländern eng abstimmen und auch mit den nordrhein-westfälischen Kommunen intensiv zusammenarbeiten.
Behörden Spiegel: Wie kann NRW als starker Wirtschaftsstandort von der digitalen Transformation noch mehr profitieren, um auch in dieser Hinsicht ein noch erfolgreicherer Technologiestandort zu werden?
Sieveke: Indem wir die Potenziale, die in Nordrhein-Westfalen stecken, zu nutzen wissen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Strukturwandel im Rheinischen Revier. Das ehemalige Kraftwerk Frimmersdorf soll zu einem Digital- und Innovationsstandort im Rheinischen Revier entwickelt werden. Aus Maschinenhalle wird Denkfabrik. Im zentralen Kraftwerksgebäude soll ein Rechenzentrum auf mehr als 20.000 Quadratmetern für den Landesbetrieb IT.NRW errichtet werden. Darüber hinaus soll auf dem Gelände ein Innovations- und Bildungscampus für IT-Sicherheit der öffentlichen Verwaltung ent-
Auch die Finanzierung war Thema: Dr. Markus Brakmann, Gruppenleiter im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, wies darauf hin, dass die Themen IT und Cloud bisher nicht öffentlichkeitswirksam genug seien: „Die Antwort gebe ich als Privatperson. Es muss wohl immer erst etwas passieren, bevor man auf das Thema aufmerksam wird.“ IT.NRW setzt aus diesem Grund derzeit sein Marketing neu auf. „Wir müssen mehr auf die Verwaltung zugehen und über die Produkte, die IT NRW anbietet, reden“, verdeutlichte Heidinger.
Die knappen Mittel bereiten dem Präsidenten aber grundsätzlich keine großen Sorgen. Er meint, Personalmittel könnten „relativ einfach“ in Sachmittel umgewandelt werden. Wenn in Zukunft nicht mehr alle Stellen besetzt werden könnten, könne das freigewordene Budget in die IT investiert werden. Zudem habe die Finanzknappheit einen positiven Nebeneffekt: Die Bereitschaft der Behörden, auf „80-Prozent-Lösungen“ zu setzen, sei nun höher. Heidinger führte aus: „Wir haben jetzt die Chance, endlich eine Standardisierung durchzusetzen, weil das Geld für Sonderlocken [Anm. d. Redaktion: Eigenentwicklungen) nicht mehr da ist.“ Das sei „eigentlich die beste Situation“, die er sich vorstellen könne, denn: „Ohne Standardisierung und Harmonisierung funktioniert es nicht.“
stehen. Die aktuellen Pläne zeigen, dass weitere IT-Infrastrukturen und Gewerbe hier Platz finden können –nirgendswo in Nordrhein-Westfalen finden sich vergleichbare Bedingungen für IT-Infrastrukturen. Doch auch mit fortschreitender digitaler Verwaltung leisten wir einen wichtigen Beitrag. Werden Genehmigungsverfahren schneller, die behördliche Interaktion reibungsloser, dann wird der Digitalisierungsgrad der öffentlichen Verwaltung zu einem wichtigen Standortfaktor. Dieser Aspekt ist für die Wettbewerbsfähigkeit des Technologie- und Wissenschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen nicht zu unterschätzen. An dieser Stelle kommt es zukünftig stark auf einen sinnvollen Einsatz von KI in der Verwaltung an. Nordrhein-Westfalen strebt bei KI in der Verwaltung eine führende Position an. Zugleich sind wir hier offen für eine gelingende Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Partnern. Denn die öffentliche Verwaltung ist nicht immer der bessere Programmierer. Eine intensive Verbindung zwischen staatlichen Projekten und innovativen privaten Anbietern wird den Standort Nordrhein-Westfalen für moderne Technologien nachhaltig unterstützen. Für die wirtschaftliche Stärke Nordrhein-Westfalens ist es zentral, dass die gut ausgebildeten Fachkräfte für Digitalisierung sowie innovative Persönlichkeiten in den Unternehmen ankommen. Daher sind es gute Zeichen, dass hier in Nordrhein-Westfalen viele Ausbildungs- und Wissenschaftsstätten den Bedarf neuer Fort- und Weiterbildungskonzepte erkannt haben, um für eine flächendeckende Ausstattung mit Digitalkompetenzen zu sorgen.
Zuerst die gute Nachricht: Deutschland wird (cyber)sicherer. Im Gesetzesentwurf zur NIS 2-R ichtlinie werden künftig mehr Institutionen als Kritische Infrastruktur eingestuft. Nach Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), werden etwa 29.500 Unternehmen unter die Richtlinie fallen. Insgesamt werden 18 Sektoren verpflichtet, weitreichende Informationssicherheitsmaßnahmen umzusetzen. Neu hinzu kommen der Postsektor, das produzierende Gewerbe und Digitalanbieter. Der aktuelle Gesetzesentwurf fordert von den regulierten Institutionen unter anderem Risikoanalysekonzepte, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs, Back-up-Management und den Einsatz von Verschlüsselung. Zudem wird eine Meldepflicht bei Cyber-Sicherheitsvorfällen sowie ein Abschlussbericht im Anschluss an den Vorfall gefordert. Auch die Rechte des BSI werden gestärkt: Die Behörde wird künftig Bußgelder verhängen können, wenn Institutionen Mängel bei der Umsetzung von Cyber-Sicherheitsmaßnahmen nicht beseitigen.
Der Stand in den Ländern Doch nicht nur Wirtschaftssektoren werden künftig umfassend reguliert – auch die Landesverwaltungen sind von der NIS2-Richtlinie betroffen. Vor der Verabschiedung der Richtlinie auf EU-Ebene hatten nur wenige Länder ein Informationssicherheitsgesetz geschaffen. Nun sind die Landesregierungen dringend gefordert zu handeln. NIS2 verpflichtet die Länder, kritische Teile ihrer Verwaltungen zu identifizieren und zu registrieren, eine zuständige Landesbehörde für Aufsicht und den Austausch
Behörden Spiegel: Cyber-Sicherheit ist eines der großen Themen. Wie sieht sich Baden-Württemberg für die Anforderungen aus der bevorstehenden NIS2-Umsetzung in nationales Recht aufgestellt?
Thomas Strobl: Für BadenWürttemberg gilt: Wir als Land sind gut aufgestellt und erfüllen bereits heute die wesentlichen Anforderungen der NIS2-Richtlinie. Cyber-Sicherheit haben wir in Baden-Württemberg bereits vor Jahren zum Top-Thema gemacht und hier Pionierarbeit geleistet. Um den Cyber-Raum besser zu schützen, haben wir einiges auf den Weg gebracht: zunächst eine Cybersicherheitsstrategie und mit ihr einen ganzheitlichen Ansatz, wie wir das Thema anpacken. Dann erarbeiteten wir das Cybersicherheitsgesetz und damit den notwendigen rechtlichen Rahmen.
Als operative Einheit nahm die im Jahr 2021 gegründete Cybersicherheitsagentur Baden-Württemberg (CSBW) als unser Kompetenzzentrum ihre Arbeit auf. Hier laufen alle Fäden rund um die Cyber-Sicherheit im Land zusammen. Wir können also mit Fug und Recht sagen: Bei der Cyber-Sicherheit haben wir eine 360-Grad-Brille auf, um fit zu sein für eine der größten künftigen Herausforderungen. Damit waren wir im Übrigen auch mit Blick auf die Vorgaben aus Brüssel vor der Kurve: Bereits weit vor dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie NIS2 haben wir im Land die Weichen gestellt und den notwendigen Rahmen geschaffen.
Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie die Balance zwischen den Chancen, die KI für die Verbesserung der Cyber-Sicherheit bietet, und den potenziellen Bedrohungen?
Endspurt bei NIS2-Umsetzung
Der Bund hinkt hinterher – zwei Bundesländer schon bereit
(BS/Paul Schubert) Nach langer Vorbereitung ist es nun soweit: Die zweite EU-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit (NIS2) tritt jetzt im Oktober in Kraft. Vorausgegangen war ein langes Ringen darum, wie die Richtlinie in Deutschland umgesetzt werden soll. Nach fünf Referentenentwürfen wurde Ende Juli der Regierungsentwurf verabschiedet. Allerdings werden weder der Bund noch alle Länder die Umsetzungsfrist bis zum 17. Oktober einhalten können.
mit dem BSI zu benennen und ein Computer-Notfallteam (CERT) auf Landesebene einzurichten. Zudem müssen sie eine Cybersicherheitsstrategie entwickeln. Bisher haben nur Hessen mit Hessen3C, BadenWürttemberg mit der Cybersicherheitsagentur Baden-Württemberg (CSBW) und Bayern mit dem Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) eigene CyberSicherheitsbehörden geschaffen. Das Land Niedersachsen plant laut
Staatskanzlei die Einrichtung eines Cyber-Sicherheitszentrums.
Zwei Optionen bei der Umsetzung Für die Umsetzung der NIS2Richtlinie haben die Bundesländer grundsätzlich zwei Optionen. Sie können die Richtlinie z. B. über ein Informationssicherheitsgesetz umsetzen. Auf Anfrage des Behörden Spiegel planen die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg,
Bundesland Umsetzungsstand zum 17. Oktober
Baden-WürttembergIn Arbeit
durch eine Änderung am Bayerischen Digitalgesetz. Laut dem Bayerischen Digitalministerium soll die Gesetzesänderung noch vor der Frist Mitte Oktober umgesetzt werden.
Frist kann kaum eingehalten werden
ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. In Schleswig-Holstein wird über die Schaffung des Gesetzes diskutiert. Im Saarland, in BadenWürttemberg, Sachsen, Hessen und Niedersachsen gibt es bereits entsprechende Gesetze. BadenWürttemberg und Sachsen passen diese derzeit an die NIS2-Vorgaben an. Der Freistaat Sachsen hat die geforderten Anpassungen zur Cyber-Sicherheit bereits umgesetzt. Bayern erfüllt die Anforderungen
Nötige/erfolgte Änderungen, um NIS2-Anforderungen zu erfüllen
CSG, EGovG BW, BITBW – BITBWG und VwV Informationssicherheit umgesetzt, Rechtsverordnung folgt Bayern Wird voraussichtlich pünktlich abgeschlossen
Änderungen am Bayrischen Digitalgesetz erfolgen
Berlin / / BrandenburgIn Arbeit
Bremen In Arbeit
Landesrechtliche Regeln zur Ausgestaltung noch offen
Cybersicherheitsbasisgesetz und Verwaltungsvorschrift folgen Hamburg In Arbeit
Hessen In Arbeit
Mecklenburg-Vorpommern In Arbeit
NiedersachsenWird voraussichtlich pünktlich abgeschlossen
Nordrhein-WestfalenIn Arbeit
Rheinland-PfalzWird voraussichtlich pünktlich abgeschlossen
Saarland Abgeschlossen
Cybersicherheitsstrategie und IT-Sicherheitsgesetz folgen
Verwaltungsvorschrift folgt
Informationssicherheitsgesetz folgt
Cybersicherheitsstrategie erfolgt, Verwaltungsvorschrift folgt
Verwaltungsvorschrift folgt
Verwaltungsvorschrift folgt
Verwaltungsvorschrift erfolgt, Cybersicherheitsstrategie erfolgt
Sachsen Abgeschlossen Änderungen am Informationssicherheitsgesetz erfolgt
Sachsen-AnhaltIn Arbeit
Schleswig-HolsteinIn Arbeit
Thüringen Wird voraussichtlich pünktlich abgeschlossen
Informationssicherheitsgesetz und Cybersicherheitsstrategie folgt
Leitlinie als Verwaltungsvorschrift folgt, Schaffung eines Informationssicherheitsgesetz wird erörtert
Verwaltungsvorschrift folgt
Tabelle: NIS2-Umsetzungsstand in den Ländern, Grafik: BS/Schubert
Das Potenzial der KI für Cyber-Sicherheit
Synergien mit anderen Bundesländern und den „Vier Motoren“ sorgen für schlägkräftige Lösungen
(BS) Baden-Württemberg gilt als Vorreiter in der Cyber-Sicherheit. Bereits mit dem Cybersicherheitsgesetz von 2021 hatte sich die Landesregierung auf das NIS2-Umsetzungsgesetz vorbereitet. Im Interview erklärt Innenminister Thomas Strobl (CDU), warum Cyber-Sicherheit für ihn ein zentrales Thema ist und wie die Landesregierung KI nutzen möchte.
Strobl: In einer Zeit, in der die Digitalisierung so rasant voranschreitet und so viele Bereiche unseres Lebens durchdringt und verändert, gehen wir mit der Zeit. Mehr noch, wir gehen voran, um gerade auch bei neuen Technologien die Nase vorn zu haben. KI ist eine der zentralen Zukunftstechnologien. Damit setzen wir uns in Baden-Württemberg gezielt auseinander. Das dürfen wir nicht den anderen in Asien oder den USA überlassen. Richtig ist freilich auch: Wir brauchen hier eine gemeinsame europäische Idee: KI made in BadenWürttemberg, in Deutschland und Europa.
Im Bereich der Cyber-Sicherheit bietet KI erhebliche Potenziale, um CyberSicherheitssysteme zu verbessern. Durch den Einsatz von KI können beispielsweise ungewöhnliche Aktivitäten in Netzwerken frühzeitig identifiziert und dadurch Angriffe schneller abgewehrt werden. Außerdem kann KI große Mengen an Daten sekundenschnell analysieren und daraus präventive Maßnahmen ableiten. Freilich bergen diese Technologien auch Risiken. Cyber-Kriminelle könnten KI einsetzen, um fortschrittlichere und schwerer erkennbare Angriffe zu entwickeln, etwa durch die Automatisierung von Angriffen oder die Erstellung von Deep Fakes.Uns muss es gelingen, hier eine Balance herzustellen zwischen Sicherheitsvorteilen und Risiken. Das ist eine der größten Herausforderung, vor der wir stehen. Eine effektive Nutzung von KI für die Cyber-Sicherheit erfordert daher
kontinuierliche Innovation, Forschung und eine proaktive Sicherheitsstrategie, um den potenziellen Missbrauch zu antizipieren und abzuwehren. Es bedarf klarer ethischer und rechtlicher Rahmenbedingungen. Nur so können wir sicherstellen, dass KI verantwortungsvoll eingesetzt wird. Da sich die Bedrohungslage mit neuen Technologien ständig verändert, müssen wir auch unsere Sicherheitsstrategien ständig anpassen – da müssen wir flexibel bleiben. Die Bedeutung dieses Themas kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, weshalb wir es auch in den Fokus unseres diesjährigen CyberSicherheitsForums am 11. Oktober 2024 stellen. Unter dem Titel „Cybersicherheit und Künstliche Intelligenz: Chancen und Risiken“ diskutieren Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung die komplexen Herausforderungen der Cyber-Sicherheit in Bezug auf die KI.
Behörden Spiegel: Inwiefern kooperiert Baden-Württemberg mit anderen Bundesländern, dem Bund und internationalen Partnern, um den Wissensaustausch zu fördern?
Strobl: Das Thema Cyber-Sicherheit kann kein Land alleine lösen, – Kriminalität kennt keine Grenzen, Cyber-Angriffe sowieso nicht. Wir müssen uns deshalb zusammentun, um die Gefahren im Netz wirksam zu bekämpfen. Eines ist klar: Alleine schafft das keiner.
Unsere Zusammenarbeit mit anderen Ländern werden wir weiter ausbauen, um Kräfte zu bündeln und Synergien zu heben. Gemeinsam mit dem Land Hessen zeigen wir, dass man als Team, CSBW und Hessen3C, bessere Ergebnisse erzielt. Auch die bisher sehr gute und enge Zusammenarbeit zwischen dem Land Baden-Württemberg, hier insbesondere dem Innenministerium und der CSBW, mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), soll verstetigt und ausgebaut werden. In Baden-Württemberg legen wir auch großen Wert darauf, mit internationalen Partnern zu kooperieren. Gemeinsam mit Partnerregionen wie Kalifornien, Israel und den Vier Motoren (Auvergne-Rhône-Alpes, Katalonien, Lombardei) haben wir einen engen Austausch und entwickeln zusammen schlagkräftige Lösungen.
Behörden Spiegel: Welche Rolle spielt die Sensibilisierung der Bevölkerung?
Strobl: Ein ganz wichtiger Baustein ist freilich die Prävention. Denn bei der Cyber-Sicherheit spielt der Faktor Mensch eine entscheidende Rolle. Informierte Bürgerinnen und Bürger sind besser in der Lage, Gefahren wie Phishing, Malware oder Identitätsdiebstahl zu erkennen und sich dagegen zu schützen. Dieses Wissen ist sowohl für den privaten Bereich als auch für die Arbeit in den Unternehmen von Vorteil. Es ist deshalb ganz entscheidend, Bürgerinnen und Bürger zu sensibilisieren.
Neben der Anpassung oder Einführung eines Informationssicherheitsgesetzes können die Bundesländer die Anforderungen der Richtlinie auch durch eine Verwaltungsvorschrift regeln. Dabei handelt es sich um interne Dienstanweisungen an die beteiligten Behörden. Diese werden – teils ergänzend zu bestehenden Informationssicherheitsgesetzen – im Saarland, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hessen, Thüringen, SchleswigHolstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg verabschiedet. In Brandenburg wird noch über die landesrechtliche Regelung und deren Ausgestaltung beraten. Aus Berlin lag bis Redaktionsschluss keine Antwort vor.
Die gesetzte Frist vom 17. Oktober können jedoch nur wenige Bundesländer einhalten. Lediglich das Saarland, Bayern, Sachsen, Niedersachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz erfüllen bereits die Anforderungen oder sind optimistisch, sie bis Mitte dieses Monats umgesetzt zu haben. Beim Bund sieht es ähnlich aus: Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) teilte vor einigen Wochen mit, dass die Frist nicht eingehalten werden könne. Zwar wurde der Regierungsentwurf bereits verabschiedet, doch dieser muss noch das Parlament und den Bundesrat passieren. Experten gehen davon aus, dass die NIS2-Richtlinie auf Bundesebene erst im Frühjahr 2025 in Kraft treten wird.
Behörden Spiegel: Und wie hilft da die CSBW?
Strobl: Wir haben die CSBW als zentrale Koordinierungs- und Meldestelle etabliert, die im ständigen Austausch mit allen relevanten Sicherheitsbehörden und Akteuren steht – auch über die Landesgrenzen hinweg. Die CSBW nimmt Meldungen zu Sicherheitsvorfällen entgegen und informiert regelmäßig über Lageentwicklungen und Sicherheitslücken, gibt entsprechende Warnungen und Handlungsempfehlungen aus. So sorgen wir dafür, dass wichtige Informationen alle Beteiligten rasch erreichen, damit die Zusammenarbeit bestmöglich funktioniert. Für Notfälle haben wir bei der CSBW die Cyber-Ersthilfe eingerichtet. Diese 24/7 erreichbare Anlaufstelle gibt im Falle eines Cyber-Angriffs erste Hilfestellungen für staatliche Einrichtungen, Kommunen und Unternehmen.
Ein weiterer, ganz wichtiger Baustein der CSBW liegt in der Prävention. Hierfür werden verschiedene Schulungs- und Sensibilisierungslösungen wie Übungen und thematische Informationsmaterialien angeboten. Mit dem Beratungsangebot „CyberSicherheitsCheck für KMU“ sensibilisieren wir gezielt auch kleine und mittlere Unternehmen. Denn diese sind das Rückgrat unserer Wirtschaft in Deutschland, brauchen aber oftmals mehr Unterstützung in Sachen Cyber-Sicherheit.
Thomas Strobl ist seit 2016 Innenminister von BadenWürttemberg und hat die Cyber-Sicherheit seit jeher zu seinem Top-Thema gemacht. Foto: BS/Leif Piechowski
Die gute Nachricht: Als Deutschland sind wir keineswegs unter den letzten, sondern in guter Gesellschaft in der Gruppe der Länder, die gesetzliche Vorhaben für die NIS2-Umsetzung zwar schon veröffentlicht, aber noch nicht abschließend verabschiedet haben. Finnland, Griechenland, Italien, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Polen, die Slowakei, Slowenien, Schweden, Tschechien und Zypern haben ebenfalls Gesetzesentwürfe vorgelegt und befinden sich in unterschiedlichen Stadien von Abstimmungsprozessen, die untereinander schwer vergleichbar sind. Von Land zu Land unterscheiden sich nicht nur die schon unter dem Vorgängergesetz NIS für Cyber-Sicherheit zuständigen Verwaltungen, sondern auch betroffene Ressorts und vor allem die Einbeziehung unterschiedlicher Gebietskörperschaften.
Nationale Eigenwege
Daraus resultiert einer der Kritikpunkte an NIS2, den das Rechtsinstrument einer EU-Richtlinie zwangsläufig produziert: NIS2-Behörden und Zuständigkeiten werden sich von Mitgliedsstaat zu Mitgliedsstaat unterscheiden, wie auch der Geltungsbereich der betroffenen Unternehmen und Institutionen, bei dem trotz umfangreicher Definitionen in der Richtlinie weitreichende nationale und sogar regionale Spielräume offen bleiben. Artikel 5 der Richtlinie „Mindestharmonisierung“ eröffnet sogar ausdrücklich die Möglichkeit, national schärfere IT-Sicherheitsbestimmungen einzuziehen.
Besonders beim möglichen Zugriff auf die kommunale Ebene zeichnen sich Unterschiede ab. Die Frage, wie weit technische und bürokratische Bestimmungen des neuen Gesetzes
EU: Vielfalt in der Sicherheit
Musterschüler in der Minderheit – ENISA unter Druck
(BS/Dr. Barbara Held) Der Blick in die Mitgliedsstaaten zeigt: Deutschland ist nicht der einzige EU-Mitgliedsstaat, der die anstehende Deadline für die Umsetzung der NIS2-Richtlinie Mitte Oktober reißen wird. Die Länder tun sich schwer, die ebenso umfassenden wie interpretationsfähigen Vorgaben des Gesetzes umzusetzen. Auf EU-Ebene gerät die Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit als berichtspflichtige Behörde unter Druck.
Die Umsetzungsfrist für NIS2 am 17. Oktober gilt für alle EU-Mitgliedstaaten. Allerdings haben bisher nur vier Länder die Richtlinie umsetzen können. Auch die Aufsichtspflichten der ENISA sind noch nicht final geregelt.
Gemeinden überfordern, ist nicht nur in Deutschland, sondern auch z. B. in Belgien und den Niederlanden Gegenstand der Debatte. Umgekehrt wird bei der Definition der von der Richtlinie geforderten verantwortlichen NIS2-Aufsichtsbehörden in verschiedenen Mitgliedsstaaten die Frage nach der Zentralisierung virulent. Ähnliche Argumentationsfronten wie in der deutschen Diskussion der Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) lassen sich vielerorts finden. Fakt ist: International tätige Unternehmen müssen sich künftig in Sa-
chen Cyber-Sicherheit noch mehr mit der Vielfalt europäischer Gesetzesvorgaben und Berichtspflichten auseinandersetzen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert daher im eigenen Interesse eine europaweit einheitliche Implementierung der Richtlinie, um bürokratischen Aufwand zu minimieren.
Termingerecht umgesetzt Die NIS2-Musterschüler sind kurz vor dem gesetzlichen Start am 18. Oktober 2024 noch der Minderheit: So haben bisher Belgien, Ungarn, Kroatien und Lettland den geforderten nationalen Gesetzgebungs-
prozess vollständig durchlaufen. Allerdings fehlen auch hier noch Verordnungen und Handreichungen, die das konkrete Vorgehen ordnen. Selbst die EU-Kommission kam mit ihrer „Draft Implementing Regulation“, die weitere Definitionen und Präzisierungen zum Risiko- und Inzidentmanagement enthält, im Juni dieses Jahres spät um die Ecke. Der Sachstand bei den restlichen Mitgliedsstaaten ist schwierig zu beurteilen, da die EU-Kommission,
„Wir haben eine umfangreiche öffentliche Anhörung zu NIS2 abgeschlossen. Derzeit befindet sich ein Vorentwurf des Umsetzungsgesetzes in der Abstimmung bei den Ministerien.“
Miguel A. Amutio Gómez, Stellvertretender Leiter des Referats für die Koordinierung von ICT-Einheiten, Generalsekretariat für digitale Verwaltung, Spanien
anders als beim Vorgängergesetz NIS, für das der Transpositionsstand jedes einzelnen Staates auf einer Webseite dargestellt wird, keine entsprechende Übersicht anbietet. Jedenfalls wurde noch kein offizieller Gesetzesentwurf vorgelegt. So können Untätigkeit oder auch Informationsmangel hinter dem Rückstand einzelner Länder stehen. In Frankreich z. B. berichtet die federführende Cybersecurity-Agentur ANNSI (Agence Nationale pour la sécurité des Systèmes Informatiques) auf ihrer Webseite über Vorabstimmungen und unterrichtet ihr Klientel ausführlich über geplante Ausführungsbestimmungen. Das in Spanien zuständige Innenministerium verweist seinerseits auf Vorstudien und kündigt seinen Gesetzesentwurf für Anfang 2025 an.
Aufsicht bei ENISA
Auch auf europäischer Ebene bleibt NIS2 absehbar auf lange Zeit „Work in Progress“, da von dort schwerwiegende grenzüberschreitende Sicherheitsvorfälle durch ein übergreifendes Risiko- und Krisenmanagement begleitet werden sollen. Die Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit (ENISA) stellt als Aufsichtsbehörde Leitlinien und Vorlagen für NIS2-Verpflichtungen bereit. Vorgesehen ist unter anderem der Aufbau eines „Europäischen Netzwerks der Verbindungsorganisationen für Cyberkrisen“ (EU-CyCLONe). Ebenfalls zuständig ist die Behörde für das künftige europäische Register der Einrichtungen, das u. a. alle DNS-Diensteanbieter, Anbieter von Cloud-Computing- und Rechenzentrumsdiensten etc. sowie auch Anbieter von Online-Marktplätzen, Online-Suchmaschinen oder Plattformen für Dienste Sozialer Netzwerke aktuell nachhalten soll.
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Nur ein Tag vergeht heute im Schnitt zwischen einem Hacker-Angriff und der Exfiltration der Daten. Vor einem Jahr waren es vier Tage. Künstliche Intelligenz-Werkzeuge wie ChatGPT und Co. machen die besorgniserregende Entwicklung möglich. Doch nicht nur auf der Seite der Angreifenden spielt KI eine zunehmend wichtige Rolle, auch im Bereich der Cyber-Abwehr muss Künstliche Intelligenz stärker eingebunden werden, um Cyber-Sicherheit in Echtzeit zu gewährleisten. Cyber-Abwehr ohne KI auf „verlorenem Posten“ Wie das gelingen kann und welche Maßnahmen in diesem Punkt für die Behörden zu leisten sind, machte Dr. Helmut Reisinger, CEO von Palo Alto Networks EMEA LATAM und Kooperationspartner des Abends, in seiner Keynote deutlich: „Im Bereich der Cyber Security geht es in erster Linie darum: Think the unthinkable.“ So viel wie möglich müsse automatisiert werden. Cyber Security sei ein Querschnittsthema, das alle Ebenen und Bereiche der Verwaltung betreffe. Trotz der hohen Relevanz sei KI in Deutschland allerdings „ausbaufähig“. Wie groß das darin schlummernde Risikopotenzial ist, untermauerte Reisinger mit folgender Beobachtung: Hacker würden heutzutage nur noch ein Viertel der Zeit wie vor einem Jahr benötigen, um Angriffssoftware zu generieren. So entdeckte 2023 Palo Alto Networks mit Hilfe ihrer KI-gestützten Cyber Security-Lösungen weltweit pro Tag 1,5 Millionen neue Cyber-Attacken, mittlerweile sei man bei 2,3 Millionen pro Tag. „Cyber Security in Echtzeit anzubieten geht nur mit KI“, erklärte Reisinger weiter und fügte hinzu: „Ohne Nutzung von KI und maschinellem Lernen würde die Cyber-Abwehr auf verlorenem Posten stehen.“
Dass Deutschland in Bezug auf KIintegrierte Cyber-Sicherheit hinter anderen Staaten hinterherhinkt,
Chancen und Risiken
KI und Cyber-Resilienz von Behörden
(BS/Anne Mareile Walter) Sie hebt Cloud-Sicherheit auf ein neues Niveau und ermöglicht proaktive Bedrohungserkennung: Im Bereich der Cyber-Resilienz von Behörden spielt Künstliche Intelligenz (KI) eine zunehmend wichtige Rolle. Welche Herausforderungen hierbei in Zukunft zu meistern sind, beleuchtete ein Parlamentarischer Abend des Behörden Spiegel zum Thema „KI in der Cyber-Abwehr“.
Diskutierten über KI in der Cyber-Abwehr: Moderatorin Dr. Eva-Charlotte Proll, Brigadegeneral Armin Fleischmann, Harald Joos, Cloud-Beauftragter der DRV Bund, MdB Anke Domscheit-Berg, Dr. Helmut Reisinger, CEO Palo Alto Networks, Barbara Kluge vom BMI, MdB Marc Henrichmann, Klaus Bürg, Palo Alto Networks und Daniel Sieberath von VITAKO (v.l.). Foto: BS/Walter
unterstrich auch Marc Henrichmann (CDU), Rechtsanwalt und Mitglied des deutschen Bundestags. „Das Problem, das wir in Deutschland haben, ist, dass wir nicht in der Lage sind, das, was wir brauchen, auch selbst zu entwickeln“, konkretisierte er. Dabei ginge es auch um juristisch relevante Fragen: Wie kann man unterscheiden, was Fake ist und was wahr? Was möchte man politisch zulassen? Und wie ist es um die Frage der Haftung bestellt? Dabei wies Henrichmann auf eine Umfrage von Oktober 2023 hin. Damals sei Unternehmen die Frage gestellt worden: Würden Sie KI im Cyber-Bereich einsetzen? 59 Prozent der Befragten hätten damals mit „nein“ geantwortet, lediglich 15 Prozent mit „ja“. „Diese Zahl muss dramatisch erhöht werden“, sagte Henrichmann und ergänzte: „Wir haben unfassbar viel Zeit vertrödelt. Deshalb müssen wir uns zwingend über die Frage unterhalten, wie wir in die Offensive kommen.“
Ähnlich argumentierte auch Harald Joos, Cloudbeauftragter der Deutschen Rentenversicherung Bund. „Wenn wir es nicht schaffen, 30 Prozent des Cloud-Inhalts in Europa zu halten, dann sind wir nicht resilient genug“, erklärte er. Allerdings gebe es nicht „die eine perfekte Lösung“ – eine Maßnahme, die man sofort ergreifen könnte, sei aber Back-ups in der Cloud einzurichten. „Wir müssen auch die Chancen, nicht nur die Risiken von KI bewerten“, sagte Joos Das bekräftigte auch Brigadegeneral Armin Fleischmann, Abteilungsleiter Planung und Digitalisierung im Kommando Cyber- und Informationsraum: „80 Prozent der Anfragen, die wir bekommen, beschäftigen sich mit Regulierung. Aber es geht hier viel zu wenig um die Chancen.“
Aufgrund der in Deutschland herrschenden Beschränkungen sei die Integration von KI in die Cyber-Abwehr allerdings schwierig, verdeutlichte Barbara Kluge, stellvertretende Abteilungsleiterin Cyber- und Infor-
BSI und Bitkom untersuchen CrowdStrike-Folgen
Wirtschaft stark getroffen, Verwaltung kommt glimpflich davon
(BS/Paul Schubert) Am Freitag, den 19. Juli 2024, kam es weltweit zu erheblichen IT-Ausfällen. Auslöser war ein fehlerhaftes Update einer Cyber-Sicherheitslösung des Unternehmens CrowdStrike. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Digitalverband Bitkom befragten daraufhin 331 betroffene Unternehmen in Deutschland zu den Auswirkungen. In den Ergebnissen zeigte sich, dass die Hälfte der Unternehmen zeitweise ihren Betrieb einstellen mussten. Die meisten Firmen lösten die Probleme eigenständig. Im Gegensatz zur Wirtschaft blieben die Schäden in der öffentlichen Verwaltung überschaubar.
Laut der Umfrage mussten fast die Hälfte der Unternehmen ihren Betrieb vorübergehend einstellen – im Durchschnitt für zehn Stunden. 62 Prozent der Unternehmen litten unter direkten Folgen wie dem Ausfall von PCs oder Servern, während 48 Prozent indirekt betroffen waren, etwa durch die Probleme von Geschäftspartnern. 73 Prozent der Befragten stuften die Störungen als schwerwiegend für die deutsche Wirtschaft ein. Zwei Drittel der Unternehmen glauben jedoch, dass sich derartige Vorfälle nie vollständig verhindern lassen.
Mehr als die Hälfte der Server ausgefallen
BSI-Präsidentin Claudia Plattner betonte, dass ein 100-prozentiger Schutz vor IT-Sicherheitsvorfällen nicht möglich sei. Das BSI arbeite jedoch eng mit Softwareanbietern wie CrowdStrike und Microsoft an Verbesserungen. Unternehmen sollten zudem ihre Resilienz durch präventive Maßnahmen stärken.
Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst hob die Bedeutung der CyberSicherheit hervor und forderte den gezielten Ausbau des Know-hows in Unternehmen und Behörden. Die
Ausfälle hätten verdeutlicht, wie wichtig digitale Technologien für Wirtschaft und Gesellschaft sind. Die Umfrage ergab, dass bei direkt betroffenen Unternehmen im Schnitt 32 Prozent der PCs und 51 Prozent der Server ausfielen. 40 Prozent der Unternehmen konnten deshalb bestimmte Leistungen nicht erbringen. Es dauerte im Durchschnitt zwei Tage, bis die Störungen behoben waren. Die meisten Unternehmen (74 Prozent) lösten die Probleme eigenständig, 15 Prozent wurden von externen IT-Dienstleistern unterstützt. 62 Prozent der betroffenen Unternehmen hatten Notfallpläne, die in den meisten Fällen auch griffen. Viele planen nun, ihre Notfallkonzepte zu verbessern und zusätzliche Schulungen durchzuführen.
Auswirkungen nur im kommunalen Umfeld
Die deutsche Verwaltung kam glimpflich durch die Panne. Im kommunalen Bereich war der prominenteste Fall die Südwestfalen-IT (SIT), die den „Falcon Sensor“ zur Sicherung von Endgeräten und Servern nutzte. Wenige Stunden nach Bekanntwerden der Sicherheitslücke wurden die Systeme herunter-
mationssicherheit im Bundesinnenministerium. „Der zivile und militärische Bereich ist bei uns streng getrennt, ebenso Polizei und Nachrichtendienst“, sagte sie. Der CyberRaum passe nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung. „Föderalismus ist im Cyberraum schwierig“, so Kluge. Dabei fehlt es gerade auf der kommunalen Ebene an verbindlichen Vorgaben, wie im Bereich der CyberSicherheit zu agieren ist. „Wir brauchen einheitliche Strukturen und ein flächendeckendes System, das die Kommunen hier unterstützt“, erklärte Daniel Sieberath, Manager Verwaltungsdigitalisierung bei Vitako. Im Idealfall sollte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) den Kommunen eine umfassende Expertise übermitteln. Nur so könnten sich Städte und Gemeinden aus Cyber-Notlagen tatsächlich befreien.
Cloud-Services und Datenschutz
Wie Verwaltung und M365 zusammenfinden
(BS/Dr. Benno Barnitzke/Dr. Michael Bock) Bei der Einführung von Microsoft 365 stehen Behörden vor der Frage: Wie lassen sich moderne CloudServices in der öffentlichen Verwaltung nutzen und dabei gleichzeitig die Datenschutzgrundsätze einhalten? Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die Verarbeitung von Diagnosedaten: Es gibt dabei Herausforderungen, aber auch klare Lösungen, die einen datenschutzkonformen Einsatz ermöglichen.
Oft wird angenommen, dass es sich um eine unüberschaubare Menge personenbezogener Daten handele, die Microsoft bei der Verwendung seiner Dienste verarbeitet und deren Verarbeitung nicht erforderlich sei. Diese Betrachtung greift allerdings zu kurz und ist wesentlicher Grund der datenschutzrechtlichen Kontroverse um Diagnosedaten, die oft auch als „Telemetriedaten“ bezeichnet werden.
Was sind Diagnosedaten?
schutzrechtlich rechtfertigen. Eine Verarbeitung ist regelmäßig zur Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich. Für die Zulässigkeit der Verarbeitung spricht vor allem, dass es sich um pseudonymisierte Daten handelt.
gefahren. Dadurch konnten etwa die Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein sowie die Städte Siegen, Bad Berleburg, Soest, der Kreis Olpe und der Märkische Kreis keine oder nur eingeschränkt Dienstleistungen anbieten. Die SIT konnte das Problem jedoch schnell beheben: Bereits am Nachmittag des Ausfalltages waren die Server nach Bereitstellung einer neuen Version des fehlerhaften CrowdStrike-Updates wieder nutzbar. Auf Bundesebene blieb der Vorfall ohne Folgen. Das BSI teilte mit, dass die etablierten Meldeverfahren keine Betroffenheit in der Bundesverwaltung zeigten. Auch die Behörde selbst hat keine Hinweise darauf, dass die Bundesverwaltung insgesamt oder einzelne Institutionen betroffen waren. Ein Sprecher des BSI erklärte zudem, dass die betroffene Lösung von CrowdStrike ihres Wissens nicht in der Bundesverwaltung eingesetzt werde. Trotzdem fließen die Erkenntnisse des Vorfalls in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess ein, um die Reaktions- und Bewältigungsstrukturen künftig weiter zu optimieren, heißt es von der Cyber-Sicherheitsbehörde.
Diagnosedaten in M365 lassen sich in verschiedene Unterkategorien aufteilen. Es sind Daten, die auf dem Endgerät des Nutzenden (z. B. Beschäftigte einer Dienststelle) generiert und an Microsoft übertragen werden. Es gibt „erforderliche“ und „nicht erforderliche Diagnosedaten“ sowie „erforderliche Dienstdaten“. Vereinfacht gesagt dienen die erforderlichen Diagnosedaten der Behebung von Problemen, und die nicht erforderlichen Diagnosedaten der Verbesserung der Nutzererfahrung und Optimierung der MicrosoftProdukte. Über die Erforderlichkeit der Verarbeitung von Diagnosedaten lässt sich diskutieren. Tatsächlich ist nur mit besonderem technischem Aufwand überschaubar, welche Daten Microsoft verarbeitet. Aber sowohl erforderliche als auch nicht erforderliche Diagnosedaten lassen sich deaktivieren, anders als die erforderlichen Dienstdaten. Das sind Daten, die im Zusammenhang mit der Verwendung von Windows anfallen – also ihre Ursache nicht in der Verwendung von M365 haben – und zum anderen um nutzerseitige Daten, die bei der Verwendung der M365 Apps verarbeitet werden. Diese werden primär für die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs und der Sicherheit benötigt (z. B. Authentifizierung). Die verarbeiteten Datenfelder sind in der MicrosoftDokumentation abschließend aufgelistet und enthalten pseudonymisierte personenbezogene Daten.
Ist die Verarbeitung von Dienstdaten zulässig?
Da es sich bei den abschließend gelisteten, erforderlichen Dienstdaten um bekannte und regelmäßig für die Funktionalität und Sicherheit des Dienstes erforderliche Daten handelt, lässt sich ihre Verarbeitung daten-
Microsofts Datennutzung für eigene Zwecke: Problematisch? Die Aufsichtsbehörden kritisieren, dass Microsoft Dienstdaten zu eigenen Zwecken verwende. Bei genauer Auswertung der Microsoft-Dokumentation und des Auftragsverarbeitungsvertrages ergibt sich aber auch hier ein differenzierteres Bild: Zwar sind die erforderlichen Dienstdaten Grundlage der Daten, die Microsoft zu eigenen Zwecken verarbeitet. Doch erstellt Microsoft zuerst eine anonymisierte Kopie dieser ohnehin bereits pseudonymisierten Daten. Erst die anonymisierten Daten nutzt Microsoft in einem nächsten Schritt zu eigenen Zwecken. Da die Daten anonymisiert wurden, unterfallen sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr der DSGVO. Ob eine solche Anonymisierung wiederum eine Rechtsgrundlage erfordert, wird kontrovers diskutiert. Die Aufsichtsbehörden gehen tendenziell davon aus. Über landesrechtliche Vorschriften oder eine sogenannte Zweckänderung lässt sich eine Anonymisierung gut vertretbar begründen.
Vorreiter Niedersachsen Komplex, aber datenschutzrechtlich zulässig – so lässt sich das Projekt der Einführung von M365 in der öffentlichen Verwaltung zusammenfassen. Das Land Niedersachsen ist dabei bundesweit Vorreiter. Es zeigt, dass die erfolgreiche Einführung von M365-Diensten in der öffentlichen Verwaltung möglich ist und Verwaltung und M365 zusammenfinden können.
Dr. Benno Barnitzke (links) ist Rechtsanwalt und Zertifizierter Datenschutzbeauftragter (TÜV).
Dr. Michael Bock (rechts) ist Fachanwalt für IT-Recht. Fotos: BS/privat
Berliner Datenschutzbericht veröffentlicht
Verstöße bei der Polizei und der MS 365 Nutzung (BS/sp) Im vergangenen Jahr wurden Bußgelder in Höhe von über einer halben Million Euro verhängt. Dies geht aus dem Jahresbericht der Berliner Datenschutzbeauftragten hervor. Besonders negativ fiel dabei im Öffentlichen Dienst die Polizei auf. Zudem wurde der Einsatz von Microsoft 365 an Schulen kritisiert.
Die Datenschutzbeauftragten schreiten ein, wenn gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen wird. Im Jahr 2023 verhängte die Berliner Datenschutzbeauftragte Meike Kamp insgesamt 26 Bußgeldbescheide mit 64 Einzelbußgeldern in Höhe von insgesamt 549.410 Euro. Darüber hinaus wurden zwölf Zwangsgeldbescheide erlassen und in sechs Fällen Strafanträge gestellt.
Viele Bußgeldverfahren gegen Polizisten
Ein Teil der Bußgeldverfahren betraf Polizeibeamte, die unbefugt personenbezogene Daten von Bürgerinnen und Bürgern abgerufen und teilweise weiterverwendet hatten. Insgesamt wurden 32 Bußgelder gegen Polizisten verhängt. In einem Fall rief eine Polizeibeamtin aus privatem Interesse Daten ihres Ex-Mannes ab. Ein Polizeibeamter fragte als Geschädigter eines mutmaßlichen Wohnung s einbruchs
SCHWERPUNKT
den dazugehörigen Ermittlungsvorgang aus privatem Interesse ab. Ein anderer Beamter nutzte die private Telefonnummer einer Bürgerin, die er bei einem Polizeieinsatz erhalten hatte, um sie für einen Flirtversuch zu kontaktieren. Ein Polizeibeamter schrieb eine Bürgerin, die er zuvor auf dem Parkplatz eines Lebensmittelhändlers gesehen hatte, über ihre private Handynummer an, die er der Datenbank mithilfe ihres Kfz-Kennzeichens entnahm. Die Polizei nutzt zur Datenverarbeitung die sogenannte POLIKS-Datenbank. Der Bericht der Datenschutzbehörde betont, dass Abfragen dieser Datenbank ausschließlich zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben im Bereich der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr erfolgen dürften. Jede andere Nutzung sei rechtswidrig. Diskriminierung von Sozialleistungsempfängern
Der Bericht verweist auch auf Probleme mit dem Berechtigungsnachweis für Empfänger von Sozialleistungen. Nach Juli 2020 wurden die Berlinpässe durch Berechtigungsscheine ersetzt. Aufgrund von Engpässen und Verzögerungen bei der Ausstellung wurden die Betroffenen gezwungen, ihre originalen Leistungsnachweise beispielsweise im Bildungs-, Sport- und Kulturbereich vorzulegen. Auch für ermäßigte Nahverkehrstickets mussten die Nachweise vorgezeigt werden. Der Bericht kritisiert, dass diese Situation für die Betroffenen oft sehr
unangenehm sei, da diese Form des Nachweises auch anderen Fahrgästen nicht verborgen bleibt. Zudem wird die Frage aufgeworfen, warum das bewährte Verfahren des Berlinpasses überhaupt eingestellt wurde.
MS 365: ein fortwährendes Problem
Ein weiteres datenschutzrechtliches Problem ist die Nutzung von Microsoft 365 (MS 365) an Schulen. Der Bericht weist darauf hin, dass mit dem „Lernraum Berlin“ bereits ein Lernmanagementsystem auf Open-Source-Basis zur Verfügung stehe. Trotzdem wird MS 365, insbesondere durch die Kommunikationssoftware Microsoft Teams, in vielen Schulen eingesetzt. Das Problem dabei ist, dass Microsoft personenbezogene Daten nicht nur im Rahmen des Auftrags für die jeweiligen Schulen, sondern auch für eigene Zwecke verarbeitet. Die Datenschutzbehörde fordert die Schulverwaltung auf, sich mit der Nutzung von MS 365 an Berliner Schulen auseinanderzusetzen. Laut der Digitalen Lehr- und Lernmittelverordnung (DigLLV) dürfen andere als die von der Schulaufsichtsbehörde bereitgestellten Audio- oder Videokonferenzdienste nur mit deren Genehmigung eingesetzt werden. Die Datenschutzbeauftragte empfiehlt, das bestehende Open-Source-Lernmanagementsystem weiterzuentwickeln, um digitale Souveränität im Bildungsbereich zu gewährleisten.
Neue Cybersicherheitsstrategie
Niedersachsen wappnet sich gegen wachsende Bedrohungen (BS/sp) Die Niedersächsische Landesregierung hat in einer Kabinettssitzung eine neue „Cybersicherheitsstrategie“ beschlossen, die das Land besser gegen die wachsenden Bedrohungen im digitalen Raum schützen soll.
Die zunehmende Professionalisierung und globale Vernetzung der Cyber-Kriminalität erfordern laut Landesregierung eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten. CyberSicherheit sei eine gesamtstaatliche Aufgabe, die nur durch ein koordiniertes und kooperatives Vorgehen auf allen Ebenen erfolgreich bewältigt werden könne.
„Es ist brandgefährlich, Cybersicherheit allein als lästige Aufgabe einer IT-Abteilung zu betrachten.“
Daniela Behrens, Niedersächsische Innenministerin
Die neue Strategie umfasst zwölf zentrale Handlungsfelder, die unterschiedliche Bereiche wie staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft betreffen. Ziel ist es, die Vernetzung zwischen den Cyber-Sicherheitsakteuren zu intensivieren und die Prävention sowie die Fähigkeit zur Erkennung und Abwehr von Cyber-Angriffen zu stärken. Dabei sollen auch die Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden sowie der Schutz Kritischer Infrastrukturen eine zentrale Rolle spielen.
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Weitere wichtige Elemente der Strategie sind die Förderung der digitalen Kompetenzen in Verwaltung und Wirtschaft sowie der Aufbau von Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Neben der technischen Absicherung seien klare Richtlinien, die Schulung von Mitarbeitenden und eine durchdachte Incident-ResponseStrategie von entscheidender Bedeutung, um auf Angriffe schnell und effektiv reagieren zu können. Auch innovative Forschung und nationale wie internationale Kooperationen sollen maßgeblich zur Verbesserung der Cyber-Sicherheitslage in Niedersachsen beitragen.
Aufbau eines CyberSicherheitszentrums Mittelfristig plant die Landesregierung den Aufbau eines Cyber-Sicherheitszentrums, das speziell die Infrastrukturen der niedersächsischen Landesverwaltung schützen soll.
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) unterstrich, dass die Cybersicherheitsstrategie entscheidend dazu beitragen werde, das Sicherheitsniveau des Landes langfristig zu stärken. Es sei „brandgefährlich“, Cyber-Sicherheit als reine IT-Aufgabe zu betrachten. Vielmehr müssten klare Richtlinien und Schulungen für alle Mitarbeitenden sowie eine umfassende Resilienzstrategie etabliert werden, um gegen die komplexen Bedrohungen des digitalen Raums gewappnet zu sein.
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ABHÖRSICHERE MOBILE KOMMUNIKATION
Zwar gibt die Bundesregierung an, dass die konkreten Auswirkungen möglicher Desinformationskampagnen nicht genau gemessen werden könnten. Es gehe jedoch grundsätzlich eine Gefahr davon aus. Als besondere Gefahrenquellen werden dabei Bots und Propagandakanäle genannt, wie die Bundesregierung in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der CDU/CSUFraktion mitteilt.
Mehrere Bundesministerien befassen sich derzeit mit dem Thema Desinformation. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat insbesondere Desinformationskampagnen ausländischer Staaten im Blick. Das Auswärtige Amt (AA) beobachtet ausländische Debatten in sozialen Medien, um ein umfassendes Lagebild zu erstellen. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Bundesnachrichtendienst (BND) beschäftigen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten mit solchen Kampagnen. Das Bundeskriminalamt (BKA) prüfe strafrechtlich relevante Fälle, die Teil einer „Beeinflussung von Debatten“ sein könnten, heißt es in der Antwort.
Auswärtiges Amt nutzt Werkzeuge Um Manipulationsversuche frühzeitig zu erkennen, setzt das Auswärtige Amt auf selbst entwickelte Werkzeuge zur Erkennung manipulativen Verhaltens in Sozialen Medien. Allerdings ist der Einsatz dieser Werkzeuge bei TikTok aus technischen Gründen nicht möglich. Das Social-Media-Monitoring des
Desinformation bei Bundestagswahl
TikTok besonders im Fokus
(BS/Paul Schubert) Die Ampelkoalition rechnet bei der Bundestagswahl 2025 mit einer externen Beeinflussung des Wahlkampfes, insbesondere über Soziale Medien. Es wird vermutet, dass ausländische Staaten gezielt versuchen könnten, Einfluss auf die öffentliche Debatte und den Meinungsbildungsprozess zu nehmen. Dabei steht insbesondere die Videoplattform TikTok unter Beobachtung.
Auswärtigen Amts zeigt, dass neben Russland auch China gezielt Desinformation verbreitet. Dabei unterscheiden sich die Zielgruppen: Während sich Russland verstärkt auf Europa und russischsprachige Ziele konzentriert, richtet China seinen Fokus vor allem auf die USA und englischsprachige Gruppen.
Scholz nutzt TikTok – andere Behörden nicht Die Bundesregierung sieht TikTok als besonders anfällig für Desinformationskampagnen. Ein prägnan-
Innovationswettbewerb gestartet
SPRIND und BMDV suchen Lösungen für die Deepfake-Erkennung (BS/sp) Die schnelle Entwicklung von Deepfake-Technologien stellt eine wachsende Gefahr für die Integrität digitaler Medien und das Vertrauen in Informationen dar. Laut einer Umfrage des Bitkom sind 81 Prozent der Befragten nicht oder nur schwer in der Lage, Deepfakes zu erkennen.
Als Reaktion darauf startet die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) den SPRIND Funke Innovationswettbewerb „Deepfake Detection and Prevention“. Ziel ist es, in zwei Stufen bis zu 14 Teams zur Entwicklung von Lösungen zur Deepfake-Erkennung zu motivieren. SPRIND Funken sind Innovationswettbewerbe, bei denen die Teilnehmenden unbürokratisch finanziell unterstützt werden sollen.
Echte und unechte Inhalte sollen unterschieden werden
Bundesdigitalminister Dr. Volker Wissing (FDP) betonte, der Wettbewerb setze ein Zeichen gegen manipulierte Medieninhalte und ziele darauf ab, praxistaugliche Lösungen zur Erkennung und Verhinderung von Deepfakes zu finden. Er hob hervor, dass es für die Nutzer einfach sein müsse, echte von unechten Inhalten zu unterscheiden,
„Wir brauchen schnelle, praxistaugliche Lösungen, um Deepfakes zuverlässig zu erkennen und zu verhindern.“
Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Digitales und Verkehr
um das Vertrauen in Künstliche Intelligenz (KI) zu stärken und die Grundrechte im Netz zu schützen.
Rafael Laguna de la Vera, Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen, erläuterte das Ziel des Wettbewerbs: die Entwicklung fortschrittlicher Technologien zur effektiven Erkennung von Deepfakes sowie innovativer Mechanismen zur Prävention manipulierter Bilder. Die Lösungen sollen die gesamte Wertschöpfungskette der digitalen Medienverarbeitung berücksichtigen, von der Authentifizierung und Sicherung der Originalinhalte bis hin zur Echtzeitanalyse und Erkennung manipulierter Medien.
Einsatzfähige Prototypen gesucht Der Innovationswettbewerb SPRIND Funke ermöglicht eine schnelle und flexible Förderung von bis zu 14 Teams in zwei Stufen mit insgesamt bis zu zehn Millionen Euro. In der ersten Stufe erhalten die ausgewählten Teams bis zu 350.000 Euro, in der zweiten Stufe bis zu 375.000 Euro. Ziel ist es, die Projekte vom Laborstadium zu einsatzfähigen Prototypen weiterzuentwickeln. Die Entscheidung über die Teilnahme erfolgt durch eine Fachjury nach einer Präsentation Ende Oktober 2024 in Leipzig. Die erste Phase des Wettbewerbs dauert sieben Monate und beginnt unmittelbar nach der Juryentscheidung.
Die zweite Phase startet im Juni 2025 und endet am 30. November 2025.
Der Wettbewerb ist Teil der MISSION KI, die sich mit der Entwicklung von Prüfstandards für KI-Systeme beschäftigt und das Ziel verfolgt, die digitale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken.
tes Beispiel dafür sei die russische „Doppelgänger“-Kampagne. Auch die Verbreitung islamistischer Propaganda auf der Plattform sei besorgniserregend, da sie zu einem Anstieg des Antisemitismus unter Jugendlichen führe. Eine valide Aussage über den Zusammenhang zwischen dem Anstieg des Antisemitismus in Deutschland und der Nutzung von TikTok sei jedoch nicht möglich.
Auf den Dienstgeräten der Bundesministerien und Bundesbehörden ist die Nutzung von TikTok stark ein-
geschränkt. Im Bundesministerium der Finanzen (BMF) und im BMI ist sie gänzlich verboten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nutzt die App auf einem eigens dafür konfigurierten Smartphone, um junge Menschen zu erreichen. Dies stieß auf Kritik: Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, betonte im April, dass Plattformen wie TikTok keine Plattformen für den Staat seien, solange sie junge Menschen nicht vor Diskriminierung und Hassreden schützten und Desinformation nicht aktiv bekämpften.
Soziale Medien eigneten sich besonders gut für Propagandainhalte, da die Nutzenden Beiträge in Sekundenschnelle weiterleiten, kommentieren und teilen könnten. Zudem sei die Verbreitung von Propaganda- und Desinformationsinhalten über Soziale Medien deutlich kostengünstiger und schneller als über traditionelle lineare Medien, so die Bundesregierung.
Bereits bei der Bundestagswahl 2021 habe Russland versucht, gezielt Einfluss auf die öffentliche Meinungs- und Willensbildung zu nehmen. Ähnliche Beeinflussungs-
versuche seien auch im Zuge der Europawahl 2024 zu beobachten gewesen, wobei die verbreiteten Desinformationsnarrative oft keinen direkten Bezug zur Wahl selbst gehabt hätten. Ziel sei es gewesen, die Unterstützung Deutschlands und seiner Partnerstaaten für die Ukraine zu diskreditieren.
Auch für die Bundestagswahl 2025 erwartet die Regierung Manipulationsversuche. Es sei wahrscheinlich, dass ausländische Akteure durch die Diskreditierung demokratischer Prozesse sowie das Schüren von Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und die Unabhängigkeit der Medien Einfluss nehme wollten, heißt es in der Antwort.
Doppelgänger
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verbreitet die sogenannte „Doppelgänger“-Kampagne pro-russische Narrative. Ziel der aus Russland gesteuerten Kampagne ist es, die Unterstützung für die Ukraine zu untergraben und die Außenpolitik westlicher Staaten zu diskreditieren. Der Name „Doppelgänger“ leitet sich von der Tatsache, dass reale Nachrichtenseiten imitiert und kopiert werden, um Falschinformationen glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Neben gefälschten Webseiten kommen auch andere Verbreitungsformen zum Einsatz. Laut einem technischen Bericht des Auswärtigen Amtes wird auch die Verbreitung manipulativer Kurzvideos auf Plattformen wie TikTok und YouTube für die Kampagne genutzt.
Native Sicherheitslösungen
Ultramobiles Arbeiten in Behörden wird vorangetrieben
(BS/Volkan Gümüs*) Mit Apple indigo und Samsung Knox Native Solution sind zwei zentrale Sicherheitslösungen verfügbar, die eine BSI-Freigabe für den Einsatz in deutschen Behörden bis zur Geheimhaltungsstufe „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ erhalten haben. Als Experte für ultramobile und hochsichere Kommunikationslösungen sieht Materna Virtual Solution in diesem Schritt ein enormes Potenzial für Endanwender und Softwarehersteller, um das ultramobile Arbeiten auf VS-NfD-Niveau in Behörden weiter voranzubringen.
Lange Zeit stand der öffentliche Sektor in Deutschland bei Digitalisierungsmaßnahmen vor einem Dilemma: Einerseits bestand die Notwendigkeit, verstärkt auf mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets zu setzen, andererseits ließen die strengen Sicherheitsvorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) deren Einsatz bei Geheimhaltungsgraden wie VS-NfD schlichtweg nicht zu. Nur wenige spezialisierte Lösungen, wie die Containerlösung SecurePIM von Materna Virtual Solution, haben die Sicherheitsprüfung des BSI bestanden und sind für die mobile Kommunikation auf VS-NfDNiveau zugelassen.
Ende 2022 dann der erste Paukenschlag: Die Apple-Plattformen iPad und iPhone inklusive ihrer Betriebssysteme iPadOS und iOS erhielten im Rahmen des BSI-Projekts „indigo“ (iOS Native Devices in Government Operation) die Zulassung für den Einsatz bei Verschlusssachen. Die Zertifizierung von Samsung Knox Native folgte im August 2024. Letztlich hat die enge Zusammenarbeit zwischen den Herstellern Samsung und Apple sowie dem BSI diesen Erfolg auf den Weg gebracht.
Folgen für Behörden Was bedeuten die Freigaben für deutsche Behörden? Dadurch, dass die Sicherheit nativ in die mobilen Geräte integriert ist, versprechen sie eine hohe Nutzungsfreundlichkeit. Das Vertrauen und vor allem die Akzeptanz steigen, das Arbeiten vollständig auf das Tablet und Smartphone zu ver-
legen – auch wenn es um sensible Informationen des Geheimhaltungsgrades „VS-NfD“ geht. Zum anderen kann deutlich schneller ein Ökosystem rund um die nativen Plattformfreigaben entstehen, es können weitere Anwendungen für das sichere ultramobile Arbeiten angeboten werden, da die Sicherheit der Geräte bereits vom BSI als vertrauenswürdig eingestuft ist. Entwickelte Applikationen bauen auf dem Sicherheitskonzept auf und können schneller durch den Zulassungsprozess – es bedarf nicht mehr einer individuellen Sicherheitsprüfung der Sicherheitsmaßnahmen pro Hersteller. Lösungen, die die vorgegebenen Sicherheitsanforderungen der Verschlusssachenanweisung einhalten, können nach einem Zulassungsverfahren mit stark reduzierter Komplexität direkt in den Katalog der zugelassenen Anwendungen auf Basis der Plattformsicherheit aufgenommen werden. Dies ist wichtig, da die nativen Plattformfreigaben im Standard nur die Basisfunktionen Mail, Kalender und Kontakte enthalten, die für die VS-NfD-Kommunikation zugelassen sind.
Als einer der führenden Experten für hochsicheres und ultramobiles Arbeiten hat Materna Virtual Solution erste Anwendungen wie TrustDok oder TrustOwl gelauncht, die das Bearbeiten, Speichern und Versenden vertraulicher Office-Dokumente oder den sicheren Zugriff auf interne Ressourcen ermöglichen und nahtlos mit den ebenfalls zugelassenen Grundfunktionen Mail, Kalender und Kontakte zusammenarbeiten.
Die Aufnahme in den Katalog der für VS-NfD zugelassenen Anwendungen erfolgte zeitnah nach der Bereitstellung der Lösung. Gerade im Behördenbereich werden in Zukunft zahlreiche neue Lösungen folgen – von Basisfunktionen wie einer VS-NfD-gesicherten Kamera bis hin zur Abbildung spezialisierter Fachverfahren. Die native Plattformfreigabe von Apple und Samsung führt damit langfristig zur Entstehung eines völlig neuen Marktes, der sich darauf fokussiert, Behörden und Ministerien mit den benötigten Anwendungen zu versorgen – zertifiziert, sicher, ultramobil und einfach.
In engem Austausch mit dem BSI Entscheidend wird dabei die Rolle der Integratoren sein, die als Bindeglied zwischen BSI, Prüfstelle und Softwarehersteller fungieren. Materna Virtual Solution bündelt hierfür, neben dem eigenen Produkt- und Dienstleistungsportfolio, langjährige Expertise in der Zusammenarbeit mit dem BSI und fundiertes Wissen über die Zulassungsprozesse – etwa im eigenen indigo- und Knox-Native-SolutionKompetenz-Center. Das Unternehmen steht in engem Kontakt mit dem BSI, um Freigabeprozesse effizienter zu gestalten und Softwarehersteller über den gesamten Lebenszyklus nativer Anwendungen zu unterstützen, mit dem Ziel sichere Applikationen für die Anwender bereitzustellen.
*Volkan Gümüs ist CEO bei Materna Virtual Solution und Leiter der hauseigenen Kompetenz-Center für indigo und Knox Native Solution.
Sicherheit & Verteidigung
7.
Von einer „seismischen technologischen Veränderung“, die sich auf die Streitkräfte und die Art, wie sie Krieg führten, auswirke, sprach Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), auf den BWI Industry Days in Berlin. Er machte klar: „Die Armee, die hier nicht mithält, ist abgemeldet.“ Es überrascht daher wenig, dass Vizeadmiral Dr. Thomas Daum, Inspekteur Cyber- und Informationsraum, die Ukraine nach zweijährigem erfolgreichen Abwehrkampf als Vorbild beim agilen und kurzfristigen Ausrollen neuer Fähigkeiten im laufenden Prozess betrachtet. Hervorragende Fähigkeiten, innovative Elemente unmittelbar einzubeziehen, die direkte „Verknüpfung vom Sensor zum Shooter“ und der schnellstmögliche Einbezug der Lagebilder, um hoch effizient Angriffe durchzuführen – wie der Behörden Spiegel aus Bundeswehrkreisen erfuhr, sind dies die Fähigkeiten, die es der Ukraine erlauben, trotz eklatanter zahlenmäßiger Unterlegenheit Verteidigungslinien zu halten. Der Drohnenkrieg – laut Generalleutnant a. D. Frank Leidenberger, CEO der BWI GmbH, ein Menetekel dafür, was gerade in der Welt geschehe – zeigt anschaulich, wie die ukrainische Armee Technologie integriert und operativ abbildet. Eine eigene Brigade der ukrainischen Streitkräfte ist exklusiv mit der Drohnenkriegsführung befasst. Deren materielle Ausstattung erfolgt über die Versorgungsstrukturen der Armee. Darüber hinaus können andere Truppenteile nach eigenem Ermessen Personal für diese Aufgabe abstellen. Die Versorgung mit dem notwendigen Material
Von Blechbiegern und Nullen und Einsen
(BS/jb) Die Rüstungsprinzipien der Bundeswehr sind auf Risikovermeidung und Nutzungszeiten über Dekaden ausgelegt. Der rasanten technischen Entwicklung wird das nicht gerecht. Ukrainer und Russen rüsten längst anders. Die Bundeswehr zieht nun daraus ihre Schlüsse.
erfolgt hierbei durch Spenden. Die Drohnen-Teams sind zweiköpfig.
Der Pilot steuert mit Fernbedienung und Monitorbrille das Luftfahrzeug, während ein Navigator sich für die Lagebestimmung verantwortlich zeichnet. Bis zu 120 km hinter der Front können die ukrainischen Streitkräfte auf diese Weise Operationen durchführen.
„Die seismischen Veränderungen in der Technologie wirken auch darauf, wie Streitkräfte in der Zukunft Krieg führen.“
Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik (CIT) im Bundesministerium der Verteidigung
Dafür bedarf es eines mehrschrittigen Vorgehens. Ausgehend von einer ersten Antenne in einiger Distanz zu den ausführenden Soldaten – um die elektronische Aufklärung zu verhindern, bauen die Teams eine Kette von bis zu vier Funkverstärker-Drohnen auf. Diese Infrastruktur erlaubt es, ein mit Wirkmitteln ausgestattetes UAV auf ein Ziel zu steuern. Wenn auf den letzten Metern die Funkverbindung abbricht, stellt das den Missionserfolg nicht infrage. Ist der Winkel korrekt eingestellt, braucht es keine aktive Steuerung mehr, damit die Drohne ihr Ziel erreicht.
Viel entscheidender für den Erfolg eines Drohneneinsatzes sind hingegen die Fähigkeiten des Piloten. Während weniger talentierte Soldaten nur 30 Prozent ihrer Drohnen ins Ziel bringen, ist die Quote der
fähigsten Piloten annähernd perfekt. Diese Vorgehensweise hat sich in den vergangenen zwei Kriegsjahren iterativ entwickelt und wurde fortwährend durch die Integration neuer Technologien untermauert. Dass die Ukraine für die Steuerung der Drohne nur eine Software zum Einsatz bringt, kommt dem entgegen. Aber auch der Umgang mit der Rüstungsindustrie im Land ist ein entscheidender Faktor. Eine große Risikobereitschaft bei der Kapitalvergabe und die Erkenntnis, dass Fehler unterlaufen müssen, wenn Fortschritt erzielt werden soll, sind die Leitfäden, an denen sich die Rüstungsentwicklung in der Ukraine laut Dr. Tymofiy Mylovanov, Präsident der Kyiv School of Economics, orientiert. Darüber hinaus suchten die Entwicklerinnen und Entwickler frühzeitig die Rückkopplung zu den Anwendern, um zu evaluieren, welchen operativen Wert ihr Produkt wirklich hat.
Software-Plattform als wesentlicher Hebel
Das Konzept, Plattformen durch Softwareupdates weiter zu befähigen, ist für die Bundeswehr nicht unbekannt. Unter der Bezeichnung
Software Defined Defence (SDD) ist die Idee den deutschen Streitkräften geläufig. Agilität, Skalierbarkeit und Flexibilität nannte Vetter als Stichworte, nach denen sich SDD bei den deutschen Streitkräften orientiere. Fünf Arbeitsgruppen im BMVg widmen sich zurzeit diesem Thema. Auch die Industrie partizipiert. Wichtigstes Vehikel zur Umsetzung von SDD in der Bundeswehr ist die Software-Plattform: „Sie ist der wesentliche Hebel, um das Thema voranzubringen“, konstatierte Vetter. Ein zweites Stand-
bein soll die „Software-Factory Bundeswehr“ bilden. Hier sollen entsprechende Prozesse und Verfahren an konkreten Use Cases erprobt und entwickelt werden. Konkret ist geplant, erste Fähigkeiten beim Thema „Digitales Gefechtsfeld“ bis 2026 für die Brigade Litauen bereitzustellen. Langfristiges Ziel ist, einen DevSecOps-Cycle in der Bundeswehr zu etablieren. Das ist allerdings keine rein technische Herausforderung, wie Vetter betonte. Es sei auch eine Kulturfrage. Die Bundeswehr sei gefordert, agiler zu werden und Nutzende so früh wie möglich einzubinden.
IT-Fähigkeiten bis in die Spitze Voraussetzung für SDD ist die Verfügbarkeit von Computing-Fähigkeiten auf dem gesamten Gefechtsfeld. Das komplexeste und aufwendigste Projekt der BWI im Kontext der einsatznahen IT, wie Dr. Christian Marwitz, CDO der BWI, betont, ist folgerichtig dieser Aufgabe gewidmet. Mit dem sogenannten German Mission Network (GMN) strebt die BWI mit verschiedenen Partnern an, einen streitkräftegemeinsamen Informations- und Kommunikationsboden in Form stationärer, verlegefähiger und mobiler Rechenzentren bereitzustellen.
Seit 2021 arbeitet GMN+ – ein Konsortium aus ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH und Eviden – an einem Muster für die spätere serielle Produktion der containerisierten Basisplattform. Allerdings wird in Zeiten, in denen das gläserne Gefechtsfeld beschworen wird und Artillerie zielsicher gegen einzelne Objekte auch auf große Entfernung wirken kann, Kritik an der Überlebensfähigkeit des GMNAnsatzes zunehmend lauter. Abhilfe
für das Problem der Vulnerabilität gegenüber Luftschlägen schafft die Verlegung der Rechenfähigkeiten auf die Cloud-Ebene. Mit der Private Cloud der Bundeswehr (PCloudBW) arbeitet die BWI an einem solchen System. Vetter nannte sie einen ersten Schritt für eine Infrastruktur, die mobil verwendbar sei. Dabei macht er auch konkrete Angaben zum Fortschritt des Projekts: Noch Ende dieses Jahres soll die Cloud als „IT-Backbone der Bundeswehr“ VS-NfD-zertifiziert werden. Damit ist der technologische Wandel in die Wege geleitet. Der Kulturwandel, der mit diesem einhergehen muss, ist allerdings kein Selbstläufer. Alle Ebenen müssen Innovation und kurze Entwicklungszeiten im Mindset verankern. Bisher zählen der Cyber-Innovation Hub der Bundeswehr (CyHubBw) und die Cyberagentur zu den wenigen Inseln, die mit großem Innovationsfokus agieren. So genießt die Cyberagentur die Freiheit, Vergabeverfahren kompetitiv zu gestalten. Auch der CyHubBw darf innovationsorientiert investieren. Diesen Muskel will die Bundeswehr für die SDD nutzen: Im kommenden Jahr stellt SDD den inhaltlichen Schwerpunkt des Hubs dar. Trotz Sondervermögens und dem neuen Habitus der Dringlichkeit in der Beschaffung (Bundeswehr-Beschaffungs-Beschleunigungsgesetzt) mangelt es aber insgesamt an schlagkräftigen Verfahren, um innovativ und kompetitiv zu entwickeln. Es fehlt am politischen Willen, die Bundeswehr von der Leine zu lassen und innovationsorientiert und damit kurzfristig verlustbehaftet zu investieren. Geld in kompetitive Entwicklungsprojekte zu investieren, bleibt in der Breite weiterhin die Ausnahme.
Im
Beisein des Einsatzleiters nach dem Solinger Terrorangriff, Thorsten Fleiß, sprach Reul zwei Kernpunkte an, über die dieses Vertrauen zurückgewonnen werden könne: Die Angst vor Terrorismus und den Druck, der durch die Migration auf die Gesellschaft ausgeübt werde. Die Sicherheitsbehörden, insbesondere die Polizei, genössen nach wie vor das Vertrauen der Menschen, sie benötigten aber auch die entsprechenden Mittel, um ihren Schutzaufgaben nachzukommen.
Reul betrachtet die Verkehrsdatenspeicherung als fundamentale Grundlage für die Terrorbekämpfung. Man müsse den Rahmen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Datenspeicherung aus dem Jahr 2022 ausreizen. Dabei schreibt er NRW durchaus eine Vorbildfunktion für den Bund zu. Allerdings müsse dafür in Anbetracht der Gefahren eine Bereitschaft bestehen, eigene Positionen infrage zu stellen und Neues zu denken. Dann könne von NRW ein Signal für Berlin ausgehen. „Da bin ich mir sicher“, gab sich der NRW-Innenminister optimistisch.
Die Verkehrsdatenspeicherung könne die Sicherheitsbehörden in die Lage versetzen, die Verbindungsnachweise von Attentätern im Nachgang rückzuverfolgen. Dabei stehe vor allem das Internet im Fokus, da die Kommunikation in erster Linie über das Netz ablaufe. So könnten etwaige Mittäter und Radikalisierer aus deren sozialem Umfeld ermitteln werden. Die zur Verfügung stehenden Verbindungsdaten hätten beispielsweise zum Jahreswechsel 2023/24 dazu geführt, dass man die Terrorverdächtigen, die einen Anschlag auf den Kölner Dom geplant hatten, in Sicherheitsverwahrung habe nehmen können. Reul betonte, es gehe bei der Verkehrsdatenspeicherung nicht darum, Inhalte von Konversationen zu speichern. Allein die Information, mit welchen Personen ein Gefährder in der Vergangenheit in Kontakt gestanden habe, sei für die Polizei bei der Verhinderung von (weiteren) Taten von unschätzbarem Wert. Es müsse vor allem entschieden werden, wie lange die Behörden die Daten speichern dürften. Im konkreten Fall müsse dann ein Richter entscheiden, ob der Zugriff zulässig sei.
Polizeikräfte in Flüchtlingsheime Zudem müsse die Migrationsmenge reduziert werden. Der Staat habe seine Aufnahmegrenze für Flüchtlinge überschritten und Solingen habe ein Momentum geschaffen, in dem Veränderungen möglich seien. Die Bereitschaft zu differenziertem Denken und Reden sei gestiegen. Dies habe mit der Diskussion über Clankriminalität begonnen und dann in der Benennung der ausländischen Staatsbürgerschaft von Tatverdächtigen gemündet. Nun müsse auch ein offener Diskurs über die Auswirkungen der Migration auf die Innere Sicherheit geführt werden. Der Innenminister forderte, man müsse Fakten auch benennen dürfen. Die Menschen, die Presse und die Politik seien durch den schrecklichen Terrorakt ins Nachdenken geraten.
06.11.2024
Polizeitag Hamburg 05.12.2024 Polizeitag München
www.polizeitage.de
Zeit des Handelns gekommen
Teilnehmer des Düsseldorfer Polizeitages einig: Auf Worte müssen nun Taten folgen
(BS/Lars Mahnke) Nachdem in den letzten Monaten Gewalttaten und Terrorakte die Schlagzeilen beherrschten, dominierte das Thema auch den Düsseldorfer Polizeitag Anfang September. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) möchte das gestörte Sicherheitsempfinden der Menschen in Deutschland wieder rehabilitieren. Derzeit seien 60 Prozent der Menschen der Meinung, der Staat funktioniere nicht mehr. Dieses Misstrauen sei über Jahre hinweg gewachsen.
Behörden Spiegel-Gründer Uwe Proll erörterte mit NRW-Innenminister Herbert Reul die zentrale Bedeutung der Verkehrsdatenspeicherung bei der Verhinderung von Terroranschlägen. Reul hält den Zeitpunkt, diese durchzusetzen, für günstig. Foto: BS/Mahnke
In Bezug auf die Ansprache von Migranten machte Reul zudem einen bemerkenswerten Vorschlag: Diese dürfe nicht nur im Rahmen von polizeilichen Kontrollen und bei der Verfolgung von Straftaten geschehen. Vielmehr sollten kommunikationsstarke und empathische Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in die Flüchtlingsheime gehen, um das Vertrauen der Menschen dort zu gewinnen. Diese müssten die Polizei „als Freund und Helfer“ wahrnehmen. In diesem Zusammenhang betonte der Innenminister den guten Ruf der Polizei in der deutschen Bevölkerung. Die Flüchtlinge hätten in ihren Heimatländern dagegen in der Regel schlechte Erfahrungen mit Vertretern des Staates gemacht. Daher sei es umso wichtiger, dass sie die Polizeikräfte in Deutschland als nette und hilfreiche Menschen und nicht als Bedrohung und als Symbol von Repression wahrnehmen würden.
Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ausrichtete, auch Michael Mertens, Landesvorsitzender NRW und stellvertretender Bundesvorsitzender GdP. Er bezeichnete die ansteigende Messergewalt, die Herausforderungen um die Sicherheit rund um Fußballspiele und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn als die Themenbereiche, die die Polizisten in NRW am meisten bewegten. Er forderte, dass es in Bezug auf die Ankündigungen weitreichender Maßnahmen gegen die immer häufiger werdenden Angriffe mit Messern, nicht nur bei Worten bleiben dürfe. Man müsse nun zur Tat schreiten. Dabei müsse geklärt werden, wer welche Aufgaben zu leisten habe. Zudem sollten zusätzliche finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Auch Präventionskonzepte kosteten Geld. Lippenbekenntnisse müssten nun mit Finanzmitteln bewiesen werden.
„Polizei ist superpolitisch!“
Kerstin Montag, Leiterin der Ersten Bereitschaftspolizeiabteilung Bochum
Auf der anderen Seite sollten die Beamtinnen und Beamten aber auch klar vermitteln, dass der Einsatz von Messern als (Selbst-) Schutzinstrument in Deutschland keinerlei Akzeptanz findet. Für den Schutz der Bevölkerung seien eben jene „netten“ Polizisten zuständig. Das Gewaltmonopol des Staates gelte nach wie vor. Sollte sich jemand bedroht fühlen, habe er die Polizei zur Hilfe zu holen. Reul warnte davor, sich von einer Verschärfung des Waffenrechts große Erfolge zu versprechen. Die Klingenlänge als Maßstab der Gefahr heranzuziehen, sei nicht zielführend. Wer andere verletzen oder gar töten wolle, werde Mittel und Wege dazu finden. Zur Not könne auch ein Auto oder ein einfacher Schraubenzieher als tödliche Waffe eingesetzt werden. Terroristen hätten ein klares Ziel und würden dieses mit Vehemenz verfolgen, ein Messerverbot halte die Attentäter nicht ab.
Drei wichtige Punkte
Neben NRW-Innenminister Reul sprach auf dem Düsseldorfer Polizeitag, den der Behörden Spiegel in
Die Angriffe, die zuletzt Schlagzeilen machten, seien vom Hintergrund völlig verschieden. In Solingen, Moers, Recklinghausen und Siegen habe es sich um Täter und Täterinnen, Deutsche und Nichtdeutsche, Angriffe auf Passanten und auf Beamte gehandelt. Die Ursachen, die zu derlei Vorfällen führten, seien vielfältig. Gemein sei ihnen aber eins: Der Angriff müsse unter allen Umständen abgewehrt werden. Mertens vertrat den Standpunkt, dass es sich bei Messergewalt immer um ein versuchtes Tötungsdelikt handele. Die rechtliche Einordnung solle daher überdacht werden. Es könne nicht angehen, dass eine Verbrechenstat wie Raub – Mertens führte das unter Jugendlichen verbreitete „Handyabziehen“ an – höher eingestuft werde als ein Angriff mit einem Messer, bei dem der Tod des Opfers vom Angreifer zumindest in Kauf genommen werde. Die allermeisten Messerangriffe würden verhindert, so Mertens. Die verhinderten Taten erführen in der Öffentlichkeit aber nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Als probates Mittel, um Messerangreifer zu stoppen, bezeichnete er Taser. Viel Applaus
erntete er für seine Forderung, diese auf alle Kreispolizeibehörden auszurollen.
Die Entwicklung bei der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten sei positiv, müsse aber deutlich besser werden. Gerade in Bezug auf Verletzungen und krankheitsbedingte Ausfälle ließe dieser noch zu oft die nötige Loyalität vermissen. Es könne nicht angehen, dass ernsthafte Verletzungen, die aus dem Berufsalltag stammten, „einfach so“ unter Berufsrisiko verbucht würden. Vielmehr komme der Behörde eine gewisse Nachsorgepflicht zu.
Schutz für Polizeikräfte
In der Düsseldorfer Merkur SpielArena sprach Mertens auch das Thema Fußballgewalt an und lobte die Arbeit aller während der Europameisterschaft eingesetzten Polizeikräfte. Das Konzept sei voll aufgegangen, sodass es – bis auf wenige kleinere Zwischenfälle – während der Spiele ruhig geblieben sei. Mertens betonte aber auch, dass andere sportliche Großereignisse „im Rahmen einer Streife“ abgehandelt würden. Der Personalaufwand sei beim Fußball dagegen sehr hoch und die Belastungen für die eingesetzten Kräfte besonders ausgeprägt gewesen. Er sprach allen Beteiligten seinen Dank und Respekt aus. Kritisch äußerte er sich dazu, dass arbeitsrechtliche Schutzregelungen für die Zeit der EM ausgesetzt wurden. Von den Herausforderungen des Fußballgroßereignisses im Sommer berichtete Peter Both, Leitender Polizeidirektor im Polizeipräsidium Gelsenkirchen und Einsatzleiter am Spielort Gelsenkirchen, ausführlich. Im Vorfeld habe er nicht wirklich ermessen können, mit welcher Bedrohung man zu rechnen habe. So sei seit dem letzten großen Fußballturnier mit kurzen und freien Reisen eine neue Fangeneration herangewachsen. Im Liga-Alltag habe man seit Corona eine Zunahme an Pyrotechnik, Gewalt und Drittortauseinandersetzungen verzeichnet. Both lobte ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit den meisten Fanverbänden, die kontrollierte Fanmärsche ermöglicht hätten. Diese seien weitestgehend friedlich verlaufen. Als Beispiel nannte er die friedlich feiernden Fans aus den Niederlanden. Dies bestätigte auch Polizeidirektorin Kerstin Montag, Leiterin der Ersten Bereitschaftspolizeiabteilung Bochum, in ihrem Vortrag zum koordinierten Einsatz von geschlossenen Einheiten mit Diensthunden und Dienstpferden. Die Europameisterschaft sei eine „Top-Visitenkarte“ für die Polizei im Allgemeinen und die Bundespolizei im Speziellen gewesen, da die Polizei von ausländischen Anhängern äußerst positiv wahrgenommen worden sei. Für die Hundertschaften im Land sei die Sicherheit im Umfeld von Bundesligaspielen die Hauptaufgabe. Derzeit kommen vier Bundesligisten und fünf Zweitligisten aus Nordrhein-Westfalen. Nach dem Top-Thema Fußball sei die Sicherung von Versammlungen ebenfalls eine wesentliche Aufgabe. Vor allem bei Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Gruppen müsse die Bereitschaftspolizei die Trennung der Lager gewährleisten. Dabei stehe sie nicht selten zwischen den Fronten und fungiere für beide Seiten oft als Zielschiebe: „Polizei ist superpolitisch!“ Daher betonte Montag auch die Wichtigkeit des Schutzes der Polizeikräfte. Gehe es um das Thema Helm und Körperschutz, stehe der Komfort nach dem Schutz ganz oben auf der Prioritätenliste. Immerhin trage man die Ausrüstung teils mehrere Stunden am Stück. Prävention & Aufklärung
Um sich vor Gefahren zu schützen, bedarf es aber auch der nötigen Prävention. Von dieser berichtete Polizeioberrat Andre Niewöhner vom Netzwerk #sicherimDienst. Die Kampagne ist Teil der NRW-Initiative „Mehr Schutz und Sicherheit von Beschäftigten im Öffentlichen Dienst“. Sie soll Beschäftigte, Vorgesetzte und Behördenleitungen bei präventiven Maßnahmen im eigenen Bereich unterstützen und auf den Umgang mit Gewalterfahrungen vorbereiten. Zuletzt seien die Zahlen von Gewalt gegenüber Amtsträgern erneut um zehn Prozent gestiegen. Für einen Blickwechsel sorgte der Fanbeauftragte von Fortuna Düsseldorf, Dominik Hoffmeyer. Er vermittelte den anwesenden Polizeikräften eindrücklich, welche Probleme sich aus Sicht der Anhänger ergeben. Anhand des Halbfinalspiels im DFBPokal der Fortuna gegen Leverkusen, veranschaulichte Hoffmeyer dass die zuweilen homogen erscheinende Fanmasse aus sehr heterogenen Einzelgruppen und -personen besteht. Die Anreise zum Stadion diente als Positivbeispiel, wie eine gute Kommunikation zwischen Einsatzkräften und Anhängern einen deeskalierenden Effekt ausüben kann. Die Fanszene habe sich von den Beamtinnen und Beamten mit ihren Interessen wahrgenommen gefühlt, so Hoffmeyer. Zum Schluss warb er für eine schnelle Abwicklung von Stadionverboten. Diese würden von den Anhängern umso mehr akzeptiert, je näher der Zeitpunkt des Urteils zu dem des Vergehens liege. In der politischen Diskussionsrunde arbeiteten sich die Teilnehmer an der politischen Dimension von Migration ab. Weitestgehend einig war man sich darüber, dass die Zeit des Analysierens und Redens vorbei sei und nun gehandelt werden müsse. Zudem erkannten alle die Gefahr an, die von den Sozialen Medien ausgeht. Die Radikalisierung von Einzeltätern finde zunehmend über Plattformen wie TikTok statt und nicht mehr in Moscheen oder Netzwerken, wie dies in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Am 15. Oktober findet der Digitale Polizeitag unter dem Motto Digitaler Tatort statt und befasst sich mit der Auswertung digitaler Spuren sowie der Möglichkeit der Einbeziehung Künstlicher Intelligenz in diese.
Als Reaktion auf den Anschlag in Solingen hat die Bundesregierung ein Sicherheitspaket inklusive zweier neuer Gesetzesentwürfe im Bundestag vorgestellt. Teil des Pakets sind unter anderem Änderungen in den Befugnissen der Sicherheitsbehörden – hier speziell im Bereich der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI). So sollen im Rahmen des Pakets das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundespolizei künftig Gesichtserkennungstechnologie einsetzen dürfen, um Verdächtige durch biometrische Abgleiche mit Fotos aus Sozialen Netzwerken zu identifizieren und so die Bekämpfung gegen den Terrorismus zu verstärken.
Ankommen in der digitalen Welt Zuvorderst steht der Nutzen für Sicherheitsbehörden, sowie der gesamtgesellschaftlichen Sicherheit. In einer Stellungnahme an den Innenausschuss betonte das BKA, dass „eine erfolgreiche Polizeiarbeit in der digitalen Welt moderne Befugnisse, insbesondere zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und des internationalen Terrorismus“ erfordere. Mithilfe biometrischer Abgleiche strebe das BKA vorrangig an, bislang unbekannte Personen zu identifizieren oder Hinweise zu deren Aufenthaltsort zu erlangen. „Die im Gesetzesentwurf formulierten Befugnisse sind aus Sicht des BKA geeignet, um mit dem Kriminalitätsgeschehen Schritt halten zu können. Dabei sind die im Entwurf formulierten rechtlichen Anforderungen erfüllbar“, schrieb das BKA weiter.
Auch Dirk Peglow, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), sprach sich positiv gegenüber möglicher KI-Nutzung in der Polizeiarbeit aus. Bereits in der Vergangenheit hatte er die Pläne von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Nutzung von Gesichtserkennungssoftware befürwortet. Es könne nicht sein, dass Polizeibehörden bei der Ermittlung von unbekannten Tatverdächtigen das Internet aussparen müssten. Während einer Veranstaltung des BDK betonte Peglow kürzlich: „Der Bedarf an KI-gestützten
Gesichtet im Netz
Geplante Befugnisse fordern Datenschutz heraus
(BS/Mirjam Klinger) Besonnenes Vorgehen statt Grundrechtseinschränkungen im Eiltempo? Kritische Stimmen gegen den neuen Gesetzesentwurf zur Gesichtserkennung waren vorherzusehen. Und doch muss die Polizei endlich in der digitalen Welt ankommen.
Durch das geplante Gesetz könnten bald Sicherheitsbehörden öffentlich zugängliche Bilddaten aus dem Internet nutzen, um Stimmen und Gesichter von Verdächtigen damit abzugleichen. Dies könnte dazu beitragen Personen zu identifizieren und zu lokalisieren. Foto: BS/scaliger, stock.adobe.com
Tools ist groß.“ Um die aktuell vorhandene Skepsis in der Gesellschaft und Politik zu beseitigen, seien die Beamtinnen und Beamten selbst in der Pflicht. Sie müssten erklären, wofür KI benötigt werde und wie die einzelnen Anwendungen funktionierten. „Je mehr wir erklären, was wir machen, desto höher ist die Vertrauensbasis der Bevölkerung in diese Systeme“, so Peglow Alexander Poitz, Stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), erklärte während einer Veranstaltung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), dass sich zwar die Täterstrukturen den neuen technologischen Möglichkeiten angepasst hätten, die Polizei im 21. Jahrhundert jedoch noch lange nicht angekommen sei. Laut Poitz stellt der „exzessive“ Datenschutz in Deutschland einen indirekten Täterschutz dar. „Die Polizei ist auf die Nutzung von KI angewiesen, um ein schnelles po-
lizeiliches Handeln zu ermöglichen und eine gewisse Waffengleichheit herzustellen“, so Poitz."
Im Sauseschritt Richtung KI
Im Ausschuss für Inneres und Heimat äußerte sich auch die neue BfDI Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, zu den Maßnahmen. Specht-Riemenschneider warnte davor, jetzt ein Gesetz zu „machen, das morgen in Karlsruhe dann kassiert wird“. Stattdessen benötige es nun ein besonnenes und professionelles Handeln des Gesetzgebers. Die Eingriffsnormen im Sicherheitspaket zur Gesichtserkennung seien zu unscharf „und ermöglichen erhebliche Eingriffe in die Rechte unbeteiligter Personen“, mahnte die BfDI. Der Schutz der Bevölkerung und des demokratischen Gemeinwesens erfordere rechtssichere Normen, die drei Merkmale aufweisen sollten: „Sie müssen den Bürger ausreichend schützen, sie müssen aber genauso die Freiheitsrechte wahren und sie müssen den eingesetzten Kräften rechts- und handlungssichere Normen an die Hand geben.“ Weitaus dramatischer drückten mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Kritik aus. Der Chaos Computer Club (CCC), Amnesty International und AlgorithmWatch warnten in einer gemeinsamen Stellungnahme davor, dass die Vielzahl an neuen Möglichkeiten für Ermittlungsbehörden die Grundrechte von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern einschränkten. Angesichts des Aufstiegs der AfD unterstrich CCC-Sprecherin Elina Eickstädt, dass es entscheidend sei, „jegliche technischen Möglichkeiten zu verhindern, die früher oder später nicht nur zur Überwachung, sondern auch zur gezielten Unterdrückung eingesetzt werden könnten“.
Schutzgesetz in Arbeit
Bund plant Maßnahmen gegen Femizide
(BS/Mirjam Klinger) Alle vier Minuten erlebt in Deutschland eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner Gewalt. Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) steigen die Zahlen häuslicher Gewalt gegen Frauen zudem weithin an. Ein neues Gesetz soll nun die Lösung bringen.
Erst Anfang September wurde eine Frau von ihrem Ehemann mit einem Messer angegriffen. Die Tat fand vor den Augen ihrer Kinder auf offener Straße statt. Dass Gewalt gegen Frauen kein Einzelproblem ist, zeigen auch zwei weitere Fälle, die sich Ende August ereigneten. Dort wurden innerhalb weniger Tage zwei Frauen von ihren (Ex-) Partnern in Berlin ermordet. Bei beiden Taten geht die Polizei von einem Femizid aus – einem Mord an einer Frau auf Grund ihres Geschlechts.
Nach den beiden Morden in Berlin machte Bundesfamilienministerin
Lisa Paus (Bündnis90/Die Grünen) deutlich: „Wir brauchen nicht nur ein Sicherheitspaket gegen terroristische Messerstecher, sondern auch für die Prävention und den Schutz von Frauen vor Gewalt.“ Deutschland habe ein „massives Gewaltproblem gegen Frauen“. Aus diesem Grund bereitet Paus nun das sogenannte Gewalthilfegesetz vor. Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) er-
klärte gegenüber dem Behörden Spiegel, das Gesetz solle einen schnellen und unbürokratischen Schutz sowie qualifizierte Beratung ermöglichen . Ziel sei es, Betroffene vor Gewalt zu bewahren, Folgen zu mildern und Prävention zu stärken. „Keine Frau soll in Reichweite eines Gewalttäters verbleiben müssen, sondern soll so schnell wie möglich den erforderlichen Schutz erhalten“, betonte die Sprecherin. Es sei aber Aufgabe der Länder,bei der Ausführung eines künftigen Gesetzes ein bedarfsgerechtes Netz von entsprechenden Einrichtungen bereitzustellen. Auch deren Finanzierung liege in der Verantwortung der Bundesländer. Allerdings sehe der Koalitionsvertrag eine finanzielle Beteiligung des Bundes an der Regelfinanzierung vor, was derzeit geprüft werde. Das BMFSFJ setze sich aktiv für diese Unterstützung durch den Bund ein.
Die große Geldfrage
Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) kritisierte, dass die Finanzie-
rung meist aus sogenannten freiwilligen Leistungen erfolgten. Das geplante Gewalthilfegesetz solle nun alle Bundesländer dazu verpflichten, eine Bedarfsplanung durchzuführen. Dies ist laut bff ein wichtiger Schritt. Denn die Situation sei aktuell je nach Bundesland sehr unterschiedlich. Eine im Mai veröffentlichte Kostenstudie des BMFSFJ zeigt den enormen Handlungsbedarf: Im Jahr 2022 standen den Fachberatungsstellen bundesweit nur etwa 98 Millionen Euro zur Verfügung, wovon 25 Prozent Eigenmittel waren. Der bff betonte, dass auf Grundlage der Qualitätsstandards von Fachverbänden etwa neunmal so viel Geld benötigt würde. Auch im Bereich der Präventionsmaßnahmen sei die Arbeit der Fachberatungsstellen nicht ausreichend finanziert. Zudem müsse in den barrierefreien Ausbau von Fachberatungsstellen und Frauenhäusern sowie in Sprachmittlung und Verdolmetschung investiert werden. Nur so könnten Frauen erreicht werden, die aktuell noch keine Hilfe in Anspruch bekommen.
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), gegenüber dem Behörden Spiegel das Fehlen einer „sachverständigen menschlichen Kontrolle der Ergebnisse des Gesichtserkennungsvorgangs“ im Gesetzesentwurf als problematisch. Dies werfe die Frage auf, ob die verwendeten Technologien für bestimmte Personengruppen „besser“ oder „schlechter“ funktionierten. So sei bekannt, dass viele Systeme auf Basis ihrer Dateneingabe einen Bias erzeugten und somit zu Fehlidentifikationen führen könnten. Hahn fügte hinzu, dass jedoch hierbei nicht pauschalisiert werden dürfe. Es gebe durchaus präzisere Systeme. Im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch zur Überwachung müsse genau überlegt werden, wann und wie die biometrischen Abgleiche eingesetzt werden dürften. Unter der aktuellen Regierung hat Hahn selbst zwar keine Bedenken hinsichtlich eines Missbrauchs, dennoch müsse auch die Möglichkeit eines zukünftigen Regierungswechsels in Betracht gezogen werden. Hierbei fungiere das Bundesverfassungsgericht als Kontrollinstanz. Das Gericht sei, wie auch das Grundgesetz, so angelegt, dass sie nicht nur aktuelle Gefahren, sondern auch mögliche zukünftige Bedrohungen miteinbezögen. Im Gesetzesentwurf gebe es bereits jetzt viele eng formulierte Vorgaben, um die Möglichkeiten für einen Missbrauch einzuschränken. „Ich kann mir dennoch vorstellen, dass dies vor dem Bundesverfassungsgericht am Ende nicht ausreicht und man noch zusätzliche Kontroll- und Transparenzmechanismen schaffen müsste“, äußerte sich Hahn skeptisch.
SCHWERPUNKT
Der Mensch als letzte Instanz Bezugnehmend auf diese Kritik bezeichnete Dr. Johanna Hahn, Dozentin für Strafrecht an der
Entdecken Sie Lösungen für Public
„Wirdrehen am großen Rad“, betont der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) deutlich. Der Katastrophenschutz sei ein Schwerpunkt der Regierung. Angesichts der zunehmenden Diversifizierung und Häufung von Schadenslagen, wie Extremwetterereignissen oder Cyberangriffen, müssten Katastrophenschutz und Synergien weiterentwickelt werden. Die Schadenslagen selbst seien zwar nicht neu, aber die Herausforderung liege im gleichzeitigen und sich überlappenden Auftreten dieser Ereignisse. Ebling räumt selbstkritisch ein, dass der Bevölkerungsschutz in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt wurde. Fördern und Fordern Als Konsequenz aus der Ahr-Katastrophe habe man in Rheinland-Pfalz eine Neustrukturierung in die Wege geleitet. Ein neues Brand- und Katastrophenschutzgesetz wurde auf den Weg gebracht. Einerseits soll ein Lagezentrum im neuen Landesamt für Katastrophenschutz entstehen, das 2025 mit zunächst 150 Stellen seine Arbeit aufnehmen soll. Perspektivisch ist geplant, das Personal auf 300 Stellen zu erhöhen. Dieses Zentrum soll permanent Informationen sammeln, bündeln und auswerten. Darüber hinaus wird es die nationale und bilaterale Hilfe in Katastrophenfällen koordinieren und so eine zentrale Anlaufstelle im Schadensfall schaffen. Zunächst wird sich das Landesamt auf die
Überlebenswichtiges Lernen
Digitaler Katastrophenschutzkongress nimmt Lessons Learned in den Blick
(BS/bk) Lebenslanges Lernen – das ist das ehrgeizige Ziel einer modernen Gesellschaft. Doch dieses Ziel stößt an seine Grenzen. Auch im Bevölkerungsschutz ist das der Fall, wie der fünfte Digitale Katastrophenschutzkongress gezeigt hat. Dennoch gibt es von positiven Entwicklungen zu berichten.
Michael Ebling, Innenminister von Rheinland-Pfalz, sagt, Katastrophenschutz sei ein Schwerpunkt seiner Regierung. Screenshots: BS/Biskup-Klawon
Kernaufgaben des Katastrophenschutzes konzentrieren. Aspekte wie die Arzneimittelversorgung werden jedoch bereits mitgedacht. Eine weitere Säule stellt die Stär-
Es gibt Lernschwierigkeiten im deutschen Katastrophenschutz, sagt Prof. Dr. Henning Goersch.
THW-Präsidentin Sabine Lacknermeint: Nicht nur auf das Negative konzentrieren!
kung der Kommunen dar, die im Schadensfall weiterhin die Hauptverantwortung tragen sollen. Das Land plant jedoch, sie stärker zu unterstützen. So wird es in den Landkreisen künftig hauptamtliche Brand- und Katastrophenschutzinspekteurinnen und -inspekteure geben, die vom Land finanziert werden. Das neu geschaffene Landesamt kann im Bedarfsfall die Einsatzleitung übernehmen und vor Ort Anweisungen erteilen.
Neben der Unterstützung kommen auch Verpflichtungen hinzu. Das Gesetz verpflichtet die Kommunen, Bedarfs- und Einsatzpläne für den Katastrophenschutz zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren. Diese Pläne müssen dem neuen Landesamt vorgelegt werden. Zudem sollen als Lehre aus der AhrKatastrophe regelmäßige Übungen durchgeführt werden. All das hatte es beispielsweise im Kreis Ahrweiler zuvor nicht gegeben.
Übung macht den Meister Wie wichtig Lernen im Katastrophenschutz ist, zeigte Dr. Nico Janicke vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Im Rückblick auf die LÜKEX 18 – eine angenommene Gasmangellage in Süddeutschland – habe das BBK die Rückmeldung von der Bundesnetzagentur für den Winter 2022/2023 erhalten: „Die LÜKEX 18 war das Beste, was uns passieren konnte.“
Auch aus der LÜKEX 23 seien einige Lehren gezogen worden. So müssten die VS-Kommunikation weiterentwickelt und die Krisenkommunikation ressortübergreifend einheitlich abgestimmt werden. Auch das Krisenmanagement müsse vereinheitlicht werden. Zwar sei jede beteiligte Stelle selbst für die Umsetzung der Lessons Learned verantwortlich, doch das BBK unterstütze diesen Prozess durch Netzwerkbildung und Nachhaltigkeitsrunden. Besonders betont Janicke: „Man muss nicht nur die Köpfe in der Krise kennen, sondern auch ihre Funktionen!“ Die nächste Gelegenheit zur Übung bietet die LÜKEX 26 mit dem Thema „Dürre und Hitzeperiode“.
Wo ein Wille ist, ist auch Geld „Übungen können helfen, müssen aber anders gestaltet werden“, sagte Prof. Dr. Henning Goersch, Professor für Gefahrenabwehr und Bevölkerungsschutz an der FOM
Position variieren können. Die Beteiligungsformate reichen von Umfragen über Workshops bis hin zu einfachen Whiteboards, die schon während des Einsatzes aufgestellt werden. Zu Beginn der Nachbereitung, der sogenannten „Hot Washups“, werden Erkenntnisse zunächst nur gesammelt („Was fällt auf?“), ohne sie sofort zu bewerten. Am Anfang des Auswertungsprozesses werde jedes Mal ein spezifisches Erkenntnisinteresse festgelegt. Die Ergebnisse aus den Einsätzen würden dann mit denen früherer Einsätze verglichen, um größere Zusammenhänge zu erkennen, so Lackner. Diese Erkenntnisse flössen in die Aufgaben und Projekte des Hilfswerks ein. So könne man auch in Zukunft handlungsfähig bleiben.
Hochschule. Diese müssten wissenschaftlicher angelegt sein. Auch die Bewertung dürfe nicht von der gleichen Stelle vorgenommen werden, die die Übung durchführt, so Goersch. Es gebe viele Lernkonzepte und Formate in der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr in Deutschland. Die Frage bei den Lernprozessen sei jedoch immer: Wie tief geht das Lernen?
Goersch sieht mehrere Probleme bei der Lernfähigkeit des deutschen Katastrophenschutzes. Erstens sei die Perspektive in Deutschland oft zu stark auf die bewältigte Katastrophe beschränkt. Obwohl jede Katastrophe einzigartig sei, würden vergleichbare Ereignisse oft ausgeblendet, obwohl man von diesen viel lernen könne. Zweitens fokussiere sich der deutsche Katastrophenschutz hauptsächlich auf die Reaktions- und Vorsorgephase. Dabei finde ein Großteil des Lernens in der Wiederaufbau- und Präventionsphase statt. Drittens würden internationale Lerngelegenheiten oft nicht erkannt.
Als Empfehlungen für das Lernen aus Katastrophen nennt Goersch mehrere Punkte. Bei der Aufarbeitung müsse darauf geachtet werden, dass kurzfristige Ziele nicht die langfristigen überlagerten. Veränderungen müssten strukturell, systematisch und kulturell verankert werden. Lernen solle immer interorganisational und überregional erfolgen. Zudem müsse den strategischen Aspekten und der Vorsorge mehr Bedeutung beigemessen werden. „Die Ausrede des Finanziellen kommt oft, aber wenn ein politischer Wille da ist, findet sich auch das Geld“, so Goersch Taktung nimmt zu Auch das Technische Hilfswerk (THW) versteht sich als lernende Organisation. „Die Taktung von Veränderungen nimmt zu“, sagt THWPräsidentin Sabine Lackner. Um zu lernen, bereite das THW seine Einsätze nach. Grundsätzlich beginne die Einsatznachbereitung schon während des Einsatzes und umfasse auch die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft – nicht nur des Materials, sondern auch des Personals, so Lackner
Die Einsatznachbereitungen erfolgen nach jedem kleineren und größeren Einsatz des THW. Dabei werden alle Ebenen einbezogen, da Erkenntnisse je nach Funktion und
Ein gutes Fehlermanagement sei ebenfalls essenziell. Fehler zu machen und sie einzugestehen, gehöre dazu, so Lackner. Um die Sache noch weiter zu verkomplizieren, müsse man neben der Erfassung von Erkenntnissen ebenso Widersprüche auflösen, die in dem Lernprozess aufgetreten seien. So könne etwas auf einer Ebene gut funktioniert haben, aber auf der nächsten Ebene könne das sich gegenteilige Ergebnis eingestellt haben. Deshalb sei ein gutes Erwartungsmanagement wichtig, stellt Lackner klar. „Man sollte sich aber nicht nur auf das Negative konzentrieren, sondern auch auf das, was gut funktioniert hat“, betont sie. Ein Beispiel hierfür sei die „Fachgruppe Brücke“, die nach der Ahr-Katastrophe hervorragende Arbeit geleistet habe und nun verstärkt worden sei.
Welle der Erkenntnis
„Wir befinden uns in einer Wellenbewegung, was die Lehren betrifft“, sagt Mirko Temmler, Präsident des Niedersächsischen Landesamts für Brand- und Katastrophenschutz (NLBK). Die Bilder von Vegetationsbränden sind nicht erst seit den Waldbränden im Harz in diesem Jahr präsent. Schon nach dem schweren Brand in der Lüneburger Heide 1975 wurden zahlreiche Prozesse angestoßen und Lehren gezogen. Das Landeskatastrophengesetz wurde novelliert, Löschwasserbrunnen angelegt und Waldbrandkarten erstellt. Im Laufe der Zeit seien jedoch einige dieser Maßnahmen vernachlässigt worden – die Brunnen seien buchstäblich versandet, so Temmler „Durch den Klimawandel müssen wir uns bewusstwerden, dass wir uns immer mehr den Verhältnissen des Mittelmeerraums annähern“, warnt der NLBK-Präsident. In Niedersachsen begegne man dem mit einer Steigerung der Kapazitäten: Mehr geländegängige Fahrzeuge, Polizeihubschrauber mit sogenannten Bambi Buckets und der Aufbau von RescEU-Kapazitäten mit Löschflugzeugen seien Teil der Maßnahmen. Die Herausforderungen blieben dennoch. Es müsse sich weiterhin um die Löschbrunnen gekümmert werden und die Koordinierung zwischen den verschiedenen Organisationen bleibe eine Daueraufgabe. Manche Partner, die früher immer unterstützt hätten, könnten heute nicht mehr so helfen, wie sie es bisher getan hätten. Das trifft vor allem auf die Kapazitäten der Bundeswehr zu, die nun aufgrund anderer Prioritäten ihre Kräfte anders einsetzen muss. Ebenso müsse weiterhin die Koordination zwischen Land- und Lufteinheiten vebessert werden. Hinzu kämen neue Themen wie die Medienarbeit. So seien während des Brandes am Brocken viele Falschmeldungen im Umlauf gewesen, auf die man habe reagieren müssen. Temmler zeigt sich jedoch optimistisch: „Wir schaffen das.“
Behörden Spiegel: Das vfdb-Referat Rettungsdienst hat sich vor Kurzem konstituiert. Welche Aufgaben sehen Sie für das Referat?
Kevin Grigorian: Das Referat bietet die großartige Möglichkeit, organisationsübergreifend mit anderen Experten in den Austausch zu kommen. Gemeinsam mit den Fachleuten anderer Hilfsorganisationen, der Feuerwehren, privater Dritterund der Wissenschaft können wir uns als neutrales Netzwerk an dem Diskurs über die Weiterentwicklung des Rettungsdienstes beteiligen. Die vfdb ist mit dem Technisch-Wissenschaftlichen Beirat und den anderen 14 Referaten auch wissenschaftlich sehr aktiv. Die Wissenschaft ist eine Perspektive, aus der der Rettungsdienst bisher wenig betrachtet wurde und die es in den kommenden Jahren zu stärken gilt. Jede Diskussion um die Fortentwicklung unseres Rettungsdienstsystems, bei dem stets die Notfallversorgung bzw. der Notfallpatient im Fokus stehen sollte, bedarf einer fundierten, wissenschaftlich begründbaren Grundlage.
Behörden Spiegel: Wo liegen momentan die größten Probleme im Rettungsdienst?
Grigorian: Eine Herausforderung besteht bereits darin, dass wir über „den Rettungsdienst“ sprechen und in der Betrachtung viele verschiedene Perspektiven vermischen: die der Landkreise und kreisfreien Städte als Träger des Rettungsdienstes, die der Durchführenden, die der Patientinnen und Patienten und auch die der Kostenträger. Gemeinsames Ziel aller ist, die „echten“ Notfallpatienten schnellstmöglich zu versorgen. Dabei stehen die Träger mancherorts vor der Herausforderung, überhaupt noch Durchführende zu finden. Auf einzelne Ausschreibungen ging in den vergangenen Monaten kein einziges Angebot ein. Die Durchführenden wägen in Anbetracht der knappen Personal- und Materialsituation zunehmend ab, wo sie überhaupt den Rettungsdienst sicher und leistungsfähig erbringen können. Es
BOS wissen aus der Praxis, wo Innovation notwendig ist und wie neue Technologien unter echten Einsatzbedingungen funktionieren müssen. Wie funktioniert eine Drohne, die Medikamente liefert, unter extremen Wetterbedingungen? Ist die Sensorik, die die KI mit Daten zu Brückenschäden füttert, auch für verschiedenste Materialien verwendbar? Sind neue Prozesse wie z. B. Ausbildungsformate umsetzbar? Diese und andere Fragen bewerten die Organisationen vor dem Hintergrund ihrer funktionierenden Abläufe und prüfen, wie neue Erkenntnisse in die Anwendung überführt werden können.
Aus der Praxis lernen, wo Innovation gebraucht wird Im größten Forschungsförderprogramm der Europäischen Kommission, „Horizont Europa“, nehmen die BOS eine tragende Rolle als Anwenderinnen und Anwender der Forschungsergebnisse im Themenfeld der zivilen Sicherheitsforschung ein. So gilt für einen erfolgreichen Förderantrag immer häufiger die Voraussetzung, dass Forschungsergebnisse (i. d. R. Technologien und Prozesse) sich an ihren tatsächlichen Bedarfen orientieren sollen. Entwickelt ein Unternehmen beispielsweise neue Atemschutzausrüstung und möchte hierfür eine EU-Förderung beantragen, so ist es auf die Beurteilung von Ein-
Dauerdiskussion ist nicht hilfreich
Probleme im und Lösungen für den Rettungsdienst
(BS) Es ist das jüngste Referat der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb): Referat 15 „Rettungsdienst“. Der erste Vorsitzende ist Kevin Grigorian von der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH). Im Interview erklärt er, welche Gefahren durch den Zuständigkeitsstreit entstehen und welche Lösungen es gibt, um dem großen Einsatzaufkommen zu begegnen. Die Fragen stellte Bennet Biskup-Klawon.
gibt einzelne Bereiche mit durchaus ausgeglichener Personaldecke, doch die Hilfsorganisationen und die im Rettungsdienst aktiven Feuerwehren verzeichnen vielerorts Personalengpässe. Auszubildende können nicht in dem Maße nachgezogen werden, wie sie im Rettungsdienst benötigt werden und werden nach ihrer Ausbildung dann auch von Bereichen, die selbst nicht ausbilden (z. B. Leitstellen, Luftrettung, Krankenhäusern, kleineren Feuerwehren, Werkfeuerwehren etc.), abgeworben.
In manchen Bundesländern wird die Ausbildung der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter noch immer nicht vollumfänglich finanziert, sodass die Durchführenden die Ausbildung zum Teil selbst tragen müssen. Die Liste an Herausforderungen im Rettungsdienst ist lang.
Behörden Spiegel: Welche Lösungen sehen Sie, um der steigenden Einsatzzahlen beim Rettungsdienst Herr zu werden?
Grigorian: Auswertungen zeigen, dass die absolute Anzahl an Notfällen nicht signifikant zugenommen hat, die Anzahl an rettungsdienstlichen Einsätzen jedoch in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist. Die steigenden Einsatzzahlen lassen sich auf unterschiedlichste Ursachen zurückführen. Zum einen sind Lebenserwartung und Durchschnittsalter in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Zum anderen hat sich die ambulante Versorgungslandschaft dahingehend verändert, dass klassische Ansprechbarkeiten wie z. B. der eigene Hausarzt weniger erreichbar und auch Hausbesuche seltener geworden sind. Dazu kommen gesellschaftliche Entwicklungen, z. B. dass Familienstrukturen dezentralisiert werden und Kinder berufsbedingt oder zur Gründung der eigenen Familie seltener im unmittelbaren Umfeld des eigenen Elternhauses wohnen. Eine weitere relevante Ursache ist die insgesamt abnehmende Gesundheitskompetenz. Die Antwort
auf dieses Ursachenkonvolut besteht nicht in einer ausschließlichen Stärkung des Rettungsdienstes, denn dieser ist für die allgemeine ambulante Versorgung primär gar nicht zuständig. Vielmehr bedarf es einer gesamtheitlichen Betrachtung, der Schaffung niederschwelliger Versorgungsmöglichkeiten, um den Versorgungsbedarf auch abzudecken, und einer stärkeren Verzahnung der Versorgungsbereiche. Die wenigsten Bürgerinnen und Bürger rufen den Rettungsdienst aus dem Grund, dass tatsächliche Lebensgefahr vorliegt. Vielen steht jedoch keine andere Form der Hilfe in geeigneter Zeit zur Verfügung oder sie kennen die bestehenden Strukturen nicht, sodass auf den Rettungsdienst als immer erreichbarer Ansprechpartner zurückgegriffen wird. Wir als Gesamtsystem müssen dafür Lösungen bieten.
Behörden Spiegel: In der aktuellen Debatte zur Reform der Notfallver-
Nicht ohne Praxisbezug
Sicherheitsforschung „Made in Germany“ (BS/Regine Gerhards) Fragen zum Bevölkerungsschutz von morgen haben einen festen Platz in der deutschen Forschungsund Entwicklungslandschaft. Wie lässt sich die medizinische Versorgung in Hochwassergebieten verbessern? Wie lässt sich Radikalisierung in Sozialen Medien besser erkennen? Wie kann man mit Künstlicher Intelligenz (KI) Brückenschäden bewerten? Universitäten und Forschungsinstitute, aber auch Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) haben es sich zur Aufgabe gemacht, solche Fragen zu beantworten. Das übergeordnete Ziel ihrer Arbeit — unsere Gesellschaft auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten und damit resilienter zu machen — hat dabei für die BOS eine besondere Bedeutung.
satzkräften angewiesen, die solche Ausrüstung bei einem Brandeinsatz nutzen werden.
Das „Forschungsnetzwerk deutscher Anwender“ (ForAn) hat es sich zur Aufgabe gemacht, deutsche BOS mit Akteuren der europäischen Sicherheitsforschung zusammenzubringen. Sie sollen für eine Beteiligung an Forschungsprojekten als vollwertige Projektpartnerinnen und Projektpartner mit dem notwendigen Hintergrundwissen ausgestattet werden. Auch bei der Beantragung eigener Forschungsvorhaben unterstützt das Netzwerk aus rund 60 BOS. Federführend koordiniert wird es von der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW).
Mit ForAn Hürden der Antragsstellung erfolgreich abbauen
Die Vision ist es, mehr Fördergelder aus dem EU-Forschungstopf für anwendungsbezogene Forschung einzuwerben. Mit einer Projektför-
derung kann Personal bezahlt und Technik beschafft werden. Auch Dienstreisen in Deutschland und im Ausland sind dank der Förderung möglich. Auf diese Weise werden Bedarfserhebung, Testung und Evaluierung von Innovation unter realen Bedingungen umgesetzt. Das erhöht die Praxisrelevanz der zivilen Sicherheitsforschung „Made in Germany“. Das komplizierte Regelwerk von Horizont Europa kann sich zu Beginn wie ein Hürdenlauf anfühlen. Viele Organisationen mit guten Ideen stehen zunächst vor vielen
Fragen: „Wie sind die komplexen Ausschreibungen zu interpretieren und wie ist so ein Forschungsantrag aufgebaut?“ oder: „Ich habe da eine Idee, wie kann daraus ein internationaler Forschungsverbund mit fachlich passenden Organisationen wachsen?“ sind nur zwei Beispiele. Die von ForAn veranstalteten „Antragswerkstätten“ beschäftigen sich speziell mit diesen Herausforderungen und unterstützen beim Entwickeln und Ausformulieren von Forschungsideen. Eine weitere Austauschmöglichkeit ist die Webinar-Serie „Lunch and Learn“. Sie gibt den Mitgliedern Einblicke in die Forschungsund Entwicklungsarbeit anderer ForAn-Organisationen. Damit erweitern sie ihr persönliches und berufliches Netzwerk für zukünftige gemeinsame Projekte. Wege zur ForAn-Mitgliedschaft Zu den Mitgliedern von ForAn zählen einerseits Einrichtungen der polizeilichen Gefahrenabwehr, wie das Bundeskriminalamt und verschiedene Landeskriminalämter, und andererseits der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, darunter Berufsfeuerwehren und Rettungsorganisationen. Auch Betreiber Kritischer Infrastrukturen wie Wasserversorger und ausgewählte wissenschaftliche Institute gehören dazu.
sorgung streiten sich Bund, Länder und Kommunen um die Zuständigkeiten. Wird der Rettungsdienst dabei zerrieben?
Grigorian: Der Rettungsdienst profitiert auf jedem Fall nicht von der seit Jahren andauernden Reformdiskussion. Dies zeigt sich daran, dass die Kostenträger in einzelnen Bundesländern in eine „Warteposition“ gehen, auf die Entwicklung des Bundes schauen und lokale Innovationen sowie notwendige Investitionen ausgebremst werden. Die Gefahr der aktuellen Debatte besteht vor allem darin, dass die Zuständigkeitsdiskussion, die im Wesentlichen auch eine Finanzierungsdiskussion beinhaltet, darin gipfelt, dass der Rettungsdienst vor einer ähnlichen Finanzierungslogik wie die Krankenhäuser stehen wird. Die duale Finanzierung der Krankenhäuser, nämlich die Aufteilung nach Investitions- und Betriebskosten oder nach Vorhalte- und Betriebskosten, wäre für die meisten Rettungsdienstbereiche extrem nachteilhaft und würde die mancherorts prekäre Situation erheblich verschlimmern. Auch ist die Diskussion von ganz unterschiedlichen Ausgangspunkten geprägt. Gegenden mit sehr fortschrittlich aufgestellten Rettungsdiensten fürchten bei der Diskussion um Vereinheitlichung das Abstellen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und eine Absenkung des lokalen Versorgungsniveaus. Andere Regionen sehen darin die Gefahr, dass lokale, nicht refinanzierbare Kosten entstünden. Letztlich wird die Diskussion auch von der Illusion geprägt, dass wir unabhängig der regionalen Aufstellung einen gleichermaßen hohen Versorgungsstandard mit vergleichbaren Kosten erreichen könnten.
Kevin Grigorian ist hauptamtlicher Leiter des Geschäftsbereichs Rettung und Medizinische Dienste in der Bundesgeschäftsstelle der Johanniter-Unfallhilfe (JUH). Foto: BS/privat
Das dreiköpfige Koordinationsteam (bestehend aus Alexander Rösner, Kerstin Grözinger und mir) stellt ForAn regelmäßig bei Informationsund Vernetzungsveranstaltungen der europäischen Kommission vor. Wir verstehen uns dabei als Sprachrohr, das für die stärkere Einbindung von deutschen Anwenderinnen und Anwendern in Forschungsprojekte wirbt. Die Aktivitäten von ForAn wären ohne die hundertprozentige Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen 13N15766) nicht möglich. Für die Netzwerkmitglieder ist die Teilnahme dank der Förderung kostenlos.
Für mehr Informationen zu den Aktivitäten von ForAn und bei Interesse an einer Mitgliedschaft besuchen Sie https://www.projektforan.de oder kontaktieren das Projektteam direkt über projekt. foran@thw.de
Regine Gerhards ist bei der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk im Referat E I 3 „Forschungsprojekte“ tätig. Foto: BS/privat
Behörden Spiegel: Wie sehen die Gegenwart und die Zukunft militärtechnischer Forschung hier bei uns in Deutschland aus?
Prof. Dr. Wolfgang Koch: Diese Frage lässt sich nur in Ausschnitten beantworten. Die militärtechnische Forschung in Deutschland, speziell in Bonn, konzentriert sich stark auf die Themen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz (KI) und Ergonomie, also den menschlichen Faktor bei all diesen Themen.
Im Mittelpunkt steht das Ziel, Informationsüberlegenheit zu erlangen, da sie die Basis für Entscheidungshoheit bildet, die wiederum zu Wirkungsüberlegenheit führt. Algorithmen spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie riesige Datenmengen verarbeiten und den Entscheidungsprozess unterstützen.
Behörden Spiegel: Welche Rolle spielen KI und Algorithmen in der militärtechnischen Forschung und welche Grenzen sehen Sie?
Durchsichtiger Ozean
Wie Zukunftstechnologien den Kriegsnebel lichter machen
(BS) Der Chief Scientist des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE), Prof. Dr. Wolfgang Koch, erläutert im Interview, wie sich neue Technologien in der militärtechnischen Forschung niederschlagen. Das Technologieportfolio sei groß, das Ziel aber immer dasselbe: Informationsüberlegenheit. Die Fragen stellten Oberst a. D. Thomas Hönig und Dr. Eva-Charlotte Proll.
Arrays werden beispielsweise benötigt, um Eigengeräusche eines Panzers zu unterdrücken und gleichzeitig relevante Umgebungsgeräusche herauszufiltern und so der Besatzung ein besseres Lagebild zu vermitteln.
Behörden Spiegel: Wie sieht das praktisch aus?
Abwehr wichtig ist, aber auch für den Selbstschutz, da man selbst nicht aufgeklärt wird. Die akustische Forschung trägt so dazu bei, den Ozean für sich selbst durchsichtig zu machen und gleichzeitig eigene Aktivitäten unentdeckt zu halten.
Behörden Spiegel: Wie hilft Automatisierung, den Kampf zu unterstützen?
Koch: Algorithmen sind entscheidend für das Erstellen von Lagebildern, die Entscheidungsträgern helfen, die Situation zu verstehen. Wenn man sich im Nebel des Krieges befindet, so hat es bereits von Clausewitz ausgedrückt, ist unvollständiges Wissen eine Herausforderung. Zu ihrer besseren Bewältigung tragen Algorithmen bei. Ohne Algorithmen sind die erhobenen Daten wertlos, mit Algorithmen werden sie sehr wertvoll. Sie assistieren, indem sie Optionen aufzeigen, aber sie entscheiden nicht. Deswegen ist es auch notwendig, dem Entscheider die Grenzen dieses Lagebilds bewusst zu machen. Um die Grenzen des Wissens geht es hier auch.
SCHWERPUNKT
Diese brachten verschiedene Drohnen ins Einsatzgebiet. Darunter befanden sich auch zwei sogenannte Fixed-Wing-Drohnen (auch Starrflügler genannt). „Der Einsatz dieser flugzeugähnlichen Drohnen ist ziemlich einzigartig unter den Blaulichtorganisationen. Mit ihnen können wir große Gebiete in kurzer Zeit erfassen und länger in der Luft bleiben als mit den herkömmlichen Multicoptern“, verdeutlicht der stellvertretende Leiter Einsatz der DLRG, Alexander Kille Die Geräte sind u. a. mit Multispektralkameras ausgestattet, die besonders präzise Bilder von der Umgebung liefern. Sechs verschiedene Kameras erfassen dabei gleichzeitig mehrere Farbspektren. Diese Aufnahmen werden später zu einem Gesamtbild zusammengesetzt, das detaillierte Informationen über Oberflächenmerkmale liefert. „Durch die unterschiedliche Kombination einzelner Farbkanäle werden beispielsweise die Reflexionseigenschaften von Oberflächen besonders gut dargestellt. So können etwa mit Wasser überflutete Flächen deutlich hervorgehoben werden“, erklärt Tim Reddehase, Vermessungstechniker und Mitarbeiter im Fachbereich Drohnen der DLRG und ergänzt: „Nach unserer Vorstellung kann dies zukünftig auch automatisiert erfolgen.“ Das Vermessungsamt Saarbrücken bereitete die Aufnahmen auf und spielte sie in das Geoinformationssystem des Führungsstabes ein. Dieses aktuelle Lagebild ermöglichte es, Maßnahmen für eine befürchtete zweite Flutwelle zielgerichteter vorbereiten zu können. Da weitere
Behörden Spiegel: Wie wird denn zur Automatisierung militärisch geforscht?
Koch: Nach der Entscheidungsfindung muss die Entscheidung umgesetzt werden, und hier spielt die Teil- oder Vollautomatisierung von bemannten und unbemannten Plattformen in allen Dimensionen eine Rolle. Für den Einsatz braucht es Plattformen und natürlich sind Kommunikation und Rechenleistung –z. B. Quantencomputer und CloudTechnologien – wichtige Forschungsfragen. Beispiele sind die militärischen
Luftkampfsysteme, insbesondere das Future Combat Air System, und die akustische Aufklärung – sowohl auf dem Gefechtsfeld als auch unter Wasser.
Behörden Spiegel: Sie erwähnten die akustische Gefechtsfeldaufklärung…
Koch: …Battlefield Acoustics ist ein wichtiges Forschungsfeld, das sich mit der Erfassung und Interpretation von Geräuschen auf dem Gefechtsfeld beschäftigt, z. B. dem Aufklären und Lokalisieren von Drohnen oder Schüssen aus einem gepanzerten Gefechtsfahrzeug heraus. Die moderne Sensortechnologie, die Array-Signalverarbeitung und die Datenfusion erlauben es uns heute, die Dimension Battlefield Ascoustics zu erschließen. Hightech-Mikrofon-
Fliegende Helfer
Fixed-Wing-Drohnen als Ergänzung
Koch: Wir haben ein Prinzip aus der Radartechnik, nämlich ein VolumenArray, auf die Akustik übertragen. Neue Technologien, wie die auch in Handys verwendeten MEMS-Mikrofone, ermöglichen den kostengünstigen Aufbau von kompakten Sensormodulen, die eine Art „Rundumsicht“ auf akustische Signale bieten. In unser aktuelles Akustikmodul haben wir 120 Mikrofone eingebaut, die Schallquellen in Azimut- und Elevationsrichtung erfassen und mithilfe von leistungsfähigen Computern die Daten in Echtzeit verarbeiten und Störgeräusche herausfiltern.
Behörden Spiegel: Sie sprachen auch Einsatzmöglichkeiten bei der Marine an. Welche Rolle spielt Akustik in der Unterwasserwelt für militärische Anwendungen?
Koch: Akustik ist in der Unterwasserwelt das zentrale Mittel, um zu kommunizieren und zur Aufklärung beizutragen, da elektromagnetische Wellen hier nicht funktionieren. Die sogenannte Multi-Statik, d. h. die Nutzung von bestehenden Geräuschquellen und deren Echos, ermöglicht eine passive Aufklärung, was insbesondere für die U-Boot-
Koch: Neuere „Large Language Models“ ermöglichen es, auf eine „natürliche“ Weise und ohne spezielle Codewörter mit Maschinen zu kommunizieren. Diese Art der Kommunikation eröffnet interessante Möglichkeiten für den Einsatz im Gefecht. Ein Beispiel wäre ein Panzerkommandant, der einer Multisensor-Drohne über Sprachbefehle aufträgt, das Gelände hinter einem Hügel aufzuklären. Die Drohne fliegt dann automatisiert los und kann das aufgeklärte Lagebild über einen Audio-Chat zurückmelden, weil Large Language Models sehr gute Bildbeschreibungen liefern. So könnte der Kommandant auch ohne Bildschirm in seinem Fahrzeug entscheidende Informationen erhalten.
Behörden Spiegel: Und weiter in die Zukunft geschaut?
Koch: Informationshoheit, Entscheidungshoheit und Wirkungshoheit sind entscheidende Faktoren für eine selbstbestimmte Verteidigung. Wer diese Fähigkeiten nicht besitzt, kann seine eigene Verteidigung nicht gestalten, muss sich auf die militärischen Entscheidungen anderer verlassen – und wird damit in die Rolle einer Hilfstruppe absinken. Zugleich ist der verantwortungsvolle Umgang mit Technologien, insbesondere in Bezug auf die Verteidigung einer Werteordnung, zentral. Technologien müssen im Einklang mit den Werten der NATO und der Gesellschaft eingesetzt werden. Ich halte es für wichtig, auch dieses Thema in der Öffentlichkeit zu diskutieren.
(BS/Christopher Dolz) Mitte Mai führte lang anhaltender Regen in weiten Teilen des Saarlands zu Überschwemmungen. Schon am ersten Tag waren fast 130 Einsatzkräfte des Landesverbandes Saar der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) im Einsatz gegen die Wassermassen. Weitere 150 DLRG-Helferinnen und -Helfer aus Rheinland-Pfalz sowie vom DRK Schwaben unterstützten wenig später. Gemeinsam evakuierten sie Menschen und Tiere, die von den Fluten eingeschlossen waren, retteten Personen aus Fahrzeugen oder stellten Fachberater für die Wasserrettung in den Katastrophenschutzstäben der Landkreise sowie im Stab des Innenministeriums. Darüber hinaus nutzten die Retter Drohnen zur Erkundung der Lage. Auch der Bundesverband der DLRG entsandte auf Anforderung der Landeshauptstadt Saarbrücken ein Team von Spezialisten, um das Ausmaß der Schäden auszumachen.
starke Regenfälle ausblieben, wurden die Daten dann nicht benötigt. Kille zieht dennoch ein positives Fazit: „Die DLRG zeigte, wie der Einsatz von moderner Technik bei Unwettereinsätzen helfen kann. Diese Technik können wir schnell in den Einsatz bringen und werden damit unserem eigenen Anspruch als größte Wasserrettungsorganisation gerecht.“ Die DLRG bringt regelmäßig ihre Expertise in die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen
des Bevölkerungsschutzes ein. So konnten bspw. Drohnenpiloten ähnlich wie im Saarland schon 2021 im Ahrtal Unterstützung für die Bundeswehr oder das THW leisten. Das ist tatsächlich nur eines der möglichen Szenarien, das die DLRG mithilfe von Unmanned Aerial Vehicles (UAV) bewältigt. Ein klassisches sind Sucheinsätze: Passanten entdecken Kleidung an einem See, aber keine zugehörige Person. Nach dem Notruf alarmiert die Leitstelle
die örtliche DLRG. Diese sucht anschließend mit Suchketten, Booten (ausgestattet mit Sonar) oder Rettungshunden nach der vermissten Person. Drohnen bieten hier eine wertvolle und effiziente Unterstützung aus der Luft: Innerhalb kürzester Zeit lassen sich große Gebiete scannen und Personen mittels Wärmebildkamera schnell identifizieren. Die Vogelperspektive erleichtert den Blick ins Wasser. Schaut man hingegen etwa vom Ufer oder vom Boot aus flach aufs Wasser, erschwert die Reflexion des Lichts die Suche. Immer mehr DLRG-Gliederungen setzen die fliegenden Helfer ein, auch weil die Technik erschwinglicher geworden ist. Im Rahmen der wachsenden Bedeutung moderner Technologien im Bevölkerungsschutz gründete der Bundesverband vor etwa sieben Jahren einen eigenen Fachbereich Drohnen. Die Ausbildung der Drohnenpiloten basiert auf den „Empfehlungen für Gemeinsame Regelungen zum Einsatz von Drohnen im Bevölkerungsschutz“. Diese wurden von führenden Hilfsorganisationen, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie weiteren Be-
hörden erarbeitet, um eine koordinierte und einheitliche Nutzung von Drohnentechnologie im Katastrophenschutz zu gewährleisten. Eine verbandsinterne Anweisung für den Drohnenbetrieb schließt innerverbandliche Regelungslücken. Die rasante Entwicklung von Drohnentechnologien bietet enorme Potenziale für den Bevölkerungsschutz. Zusätzlich zur Luftaufklärung könnten Drohnen in Zukunft sogar als autarke Rettungsmittel eingesetzt werden, was die Effektivität in Einsätzen weiter steigern würde. Der stellvertretende Leiter Einsatz gibt jedoch zu bedenken: „Die Technik ist eine gute Unterstützung unserer Einsatzkräfte. Am Ende ist es aber nicht eine technische Lösung, die den Erfolg bringt. Effizient ist vielmehr die intelligente, anlassbezogene Kombination von verschiedener Technik mit qualifizierten Einsatzkräften. Nicht zuletzt durch die komplexen Einsätze im Ahrtal und dem Saarland, aber auch durch die alltägliche Integration von Drohnen in die Gefahrenabwehr zeigt die DLRG, dass es sich dabei keineswegs mehr um Forschungsprojekte handelt, sondern Drohnen unterschiedlicher Art heutzutage ein etabliertes Einsatzmittel darstellen.“
Christopher Dolz ist PR-Redakteur in der Pressestelle der DLRG Bundesgeschäftsstelle. Foto: BS/DLRG
FCAS. VERTEIDIGUNG IST TEAMARBEIT
Das Future Combat Air System (FCAS) treibt die europäische und nationale strategische Autonomie in der Verteidigung und Sicherheit voran. FCAS integriert bemannte und unbemannte Plattformen und stellt so ein System-of-Systems für die bereichsübergreifende, integrierte Kampfführung bereit. Über eine Multi-Domain Combat Cloud werden digitalisierte, KI-optimierte und cyberresistente Einsätze mit Verbündeten ermöglicht. Mit FCAS können Streitkräfte koordiniert agieren und die Welt zu einem sicheren Ort machen.
Mit der Zusammenführung von Einsatzführungskommando und Territorialem Führungskommando zu dem Operativen Führungskommando und damit der Schaffung der operativen Ebene fällt dem Heer zukünftig die Aufgabe zu, alle Kräfte in der Dimension Land einsetzen und taktisch führen zu können. Das war bisher nicht der Fall. Das Deutsche Heer war in den vergangenen Jahrzehnten „nur“ Truppensteller, taktisch geführt haben andere – zuletzt das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr in Berlin die Heimatschutzkräfte. Nun aber gilt es, das Heer oberhalb der Ebene der Divisionen so zu ertüchtigen, dass es taktisch planen und führen kann. Beispielsweise werden die nationalen, taktischen Bewertungen der NATO-Pläne und deren Umsetzung in den taktischen „Operationsplan (OPLAN) Deutschland“ demnächst im Heer gemacht. Es sind die Divisionen des Heeres taktisch im Aufmarsch zu führen und darüber hinaus in einem etwaigen Bündnisfallszenario nationale Aufgaben dieser Kräfte zu übernehmen. Im „OPLAN Deutschland“ führt das Heer weit mehr als nur Heerestruppen: Die Heeresanteile, die nicht der NATO unterstellt und in der „Dimension Land“ – also zu Lande – eingesetzt werden, bekommen für den jeweiligen Auftrag die notwendigen Unterstützungskräfte unterstellt. Kräfte der ABC-Abwehrtruppe, der Feldjägertruppe, der mobilen Logistiktruppen bis hin zur sanitätsdienstlichen Versorgung werden dem Heer je nach Auftrag dann durch das Operative Führungskommando der Bundeswehr zugeordnet und sind dort zu führen bzw. ihre Leistungserbringung auch für Kräfte anderer Organisationsbereiche/Teilstreitkräfte durch den sogenannten „Ground Force Owner“ – und damit das Heer – zu koordinieren. Das bedeutet für die Führungsorganisation des Heeres, die – wie dargestellt – bislang auf die Auf-
Quantencomputer
sind für gewöhnlich so groß wie ein Kühlschrank. Die Agentur für Innovation in der Cybersicherheit GmbH (Cyberagentur) möchte das ändern. 35 Millionen Euro stehen im Projekt „Mobiler Quantencomputer – Innovative Quantentechnologien für mobile Anwendungen in der Cybersicherheit“ bereit, um die Quantentechnologie in ein kleineres Format zu pressen. In Halle an der Saale unterschrieben deshalb im September drei Projektpartner einen Entwicklungsvertrag. Das Ziel ist ambitioniert: Nach der fünfjährigen Entwicklungszeit soll ein einsatzfähiges System bereitstehen, das nicht größer als ein Quadratmeter ist und höchstens 300 kg auf die Waage bringt. Darüber hinaus darf der Energiebedarf 3.000 Watt nicht überschreiten. Auch in Bezug auf die angestrebte Rechenleistung steckt sich die Cyberagentur hohe Ziele: Mehr als 50 Qubits (grundlegende Informationseinheit im Quantencomputing) bei mindestens 98 Prozent Gatter-
Neuausrichtung der Landstreitkräfte
Umsetzung und Zeitplan
(BS/Generalleutnant Harald Gante) Die Entscheidungen unseres Bundesministers von Anfang April 2024 zur Reorganisation der Bundeswehr haben für das Deutsche Heer wesentliche Auswirkungen: Einerseits werden zum April 2025 die Heimatschutzkräfte dem Heer unterstellt und zum anderen übernimmt das Heer gemäß Osnabrücker Erlass auch formal die Verantwortung über die Dimension Land. Letzteres hört sich selbstverständlich an, bringt für das Heer aber wesentliche Neuerungen und Änderungsbedarfe mit sich.
gabe als reiner Truppensteller beispielsweise für Auslandseinsätze und anerkannte Missionen ausgerichtet war, enormen Änderungsbedarf. Sowohl Prozesse als auch Führungsstrukturen sind auf die Erfordernisse einer taktischen Führungsfähigkeit in der obersten taktischen Ebene anzupassen. Wie wir das machen wollen, untersuchen wir derzeit. Für eine konkrete Umsetzung fehlen uns derzeit noch vereinzelte Vorgaben. Es ist beispielsweise noch nicht ab-schließend geklärt wo, in welchem Umfang und ab wann die Führung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements verortet sein wird. Sollte die Führung von Einsätzen wie derzeit der KFOR oder in der Vergangenheit von Einsätzen in Mali oder Afghanistan durch das Heer zu führen sein, hat dies
wesentliche Auswirkungen auf die Gestaltung der Führungsorganisation. Gleichwohl wird allein die Übernahme der Aufgaben in der Dimension Land für die Teilaufträge OPLAN Deutschland, die daraus resultierende Teilaufgabe für die sogenannte Drehscheibe Deutschland wie auch die Führung aller Kräfte in der Dimension Land 24/7/365 und das weltweit bereits zwingend eine Umstrukturierung erforderlich machen.
Darüber hinaus müssen weitere Fragen beantwortet werden: In welcher Infrastruktur wird eine solche Führungsorganisation abgebildet? Wie können wir den Übergang der Führungsverantwortung zum Heer bruchfrei gewährleisten? Wie alimentieren wir das mit den notwendigen, erfahrenen Experten? Der Zeitplan bis zur Übernahme der Verantwortung ab dem 1. Ap-
ril 2025 ist sportlich und wird mit Hochdruck verfolgt.
Bruchfreier Übergang
Die Übernahme der Heimatschutzkräfte vom Territorialen Führungskommando der Bundeswehr kommt für das Heer gerade zur rechten Zeit: Die sich abzeichnenden Aufgaben für das Heer im „OPLAN Deutschland“ sind vielfältig und kräfteintensiv. Der Schutz verteidigungswichtiger Kritischer Infrastrukturen wird uns als Heer ebenso fordern wie auch die Aufgabe „Drehscheibe Deutschland“, also die Sicherstellung des Auf- und Durchmarsches alliierter Partner in unserer Heimat sowie deren Anschlussversorgung.
Deutschland ist nicht wie im Kalten Krieg Frontstaat, sondern rückwärtiger Raum. Für die Operationsführung der NATO ist Deutschland als „Drehscheibe“ zum Heranführen und Versorgen von Kräften zentral. Die Verantwortung für die Dimension Land – zukünftig beim Heer – impliziert damit auch die Verantwortung für das Funktionieren der Drehscheibe auf taktischer Ebene zu Lande. Dafür sind unsere Heimatschutzkräfte hervorragend geeignet: Sie haben die Raumkenntnis und sind für den Sicherungsauftrag und Objektschutz ausgerichtet. Dass sie dem Heer unterstellt werden, ist nur konsequent. Damit kommt zusammen, was zusammengehört. Die zahlreichen Angehörigen der Heimatschutzkräfte müssen im Grundbetrieb der Teilstreitkraft unterstellt sein, die sie in Krise und Krieg einsetzt. Auch hier gilt es zu untersuchen, mit welcher
Ein Projekt für die Geschichtsbücher
Die Cyberagentur plant Quantencomputer im Waschmaschinen-Format (BS/jb) Kryptografie, nachrichtendienstliche Analyse und die schnelle Verarbeitung unstrukturierter Daten – die disruptive Technologie Quantencomputing verspricht eine Vielzahl militärischer Anwendungsmöglichkeiten. Wirklich einsatzreif werden Quantencomputer aber erst in zehn bis 15 Jahren. Wer vom Tag X nicht überrumpelt werden will, muss aber schon heute investieren. Mit einem Projekt für mobile Quantencomputer will die Cyberagentur an der Entwicklung teilhaben.
Führungsorganisation die ab April 2025 dann sechs Heimatschutzregimenter und zahlreiche weitere Kompanien zu führen sind, die sich über die gesamte Bundesrepublik verteilen. Es handelt sich um nichaktive Truppenteile, die mit Masse aus Reservistinnen und Reservisten und zu einem kleinen Anteil auch aktivem Personal bestehen. Klar ist, dass wir hier neben dem Feldheer vom Aufwachsen eines Territorialheers sprechen. Die entsprechende Führungsorganisation dazu muss von vornherein mögliche zukünftige Entscheidungen der Bundesregierung zu Dienstpflichtmodellen berücksichtigen. Sie muss daher aufwuchsfähig und skalierbar sein. Sie muss in der Fläche führen können. Und sie muss die Regionalität der Heimatschutzkräfte berücksichtigen. Eine solche Führungsorganisation wird nicht mit Fingerschnipp entstehen können. Es wird eine Übergangsphase geben, um auch hier einen bruchfreien Übergang aller Aufgaben zu gewährleisten und parallel eine dauerhafte Struktur aufbauen zu können. Wir haben hierzu konkrete Ideen, die wir aktuell mit dem BMVg abstimmen. Schlussendlich müssen wir über die Führungsorganisation hinaus auch dafür sorgen, dass die Kräfte für ihren Auftrag adäquat ausgerüstet sind. Das ist derzeit noch nicht der Fall und auch hier haben wir noch einen Weg zu gehen. Die wesentliche Botschaft aber ist: Das Deutsche Heer freut sich auf die Soldatinnen und Soldaten der Heimatschutzkräfte – es gibt genügend zu tun. Insgesamt sind die Entscheidungen unseres Bundesministers ein deutlicher Zugewinn an Verantwortung für das Deutsche Heer, der wir zu entsprechen haben und dies auch werden.
Generalleutnant Harald Gante ist Kommandeur Feldheer im Kommando Heer in Strausberg. Foto: BS/privat
monds-MQC (Quantum Brilliance GmbH mit Parity Quantum Computing GmbH).
SAVE the DATE
7. November 2024
Fidelitäten (die Einheit bemisst die Qualität bestimmter Prozesse in der Quanteninformationsverarbeitung) sind gefordert. Die technischen Zielsetzungen spiegeln den Fokus des Projekts wider. Leistungsfähigkeit, Mobilität, Robustheit, automatisierte Inbetriebnahme und Kalibrierung sowie Skalierbarkeit sind die Stichworte, die das Entwicklungsvorhaben prägen. Entwicklungsvorhaben
dieser Art seien in Deutschland rar, betonte der Forschungsdirektor der Cyberagentur, Prof. Dr. Christian Hummert, in Halle. Disruptive Forschung kenne man eher aus den USA, auch weil der Bundesrepublik der agile Motor fehle, um sie voranzutreiben. In einem Technologiefeld, das immer noch stark von Grundlagenforschung geprägt sei, gelte es daher, sich Themen zu widmen, „die uns in die Lage versetzten, bei Techniksprüngen mitzuhalten“, führte er weiter aus. Mit der Entwicklung eines mobilen Quantencomputers glaubt die Cyberagentur, genau solch ein Themenfeld aufgetan zu haben. Denn insbesondere im Verteidigungssektor gebe es vielversprechende Anwendungsfälle, erklärte der Leiter Quantentechnologien bei der Cyberagentur, Dr. Roman Bansen. „Die schnelle Verlegbarkeit ist im Bereich Sicherheit und Verteidigung von essenzieller Bedeutung“, so Bansen. Darüber hinaus gebe es eine Reihe von Fällen, in denen keine Verbindung zu Rechenzen-tren hergestellt werden könne. Aus diesem Grund habe sich die Cyberagentur zum Ziel gesetzt, ein System entwickeln zu lassen, das mobil und leistungsfähig sei. Dies setze eine Miniaturisierung aller Komponenten, nicht bloß des Prozessors, voraus. Dass die Projektteilnehmenden angehalten sind, Verlegbarkeit und Robustheit von Beginn an mitzudenken, schraubt den Anspruch noch weiter nach oben. An den geforderten kleinen und leistungsstarken Quantencomputern versuchen sich NeQxt, Min-Ion (Oxford Ionics Limited mit Infineon Technologies AG) und Dia-
Ein schwieriger Vergleich Dass die drei Projektpartner sich in den kommenden fünf Jahren mit Geld der Cyberagentur um die Entwicklung eines Quantencomputers bemühen dürfen, ist das Ergebnis eines Auswahlprojekts. Mit der Vertragsunterschrift ist bereits die dritte Projektphase eingeläutet. Für die kommenden 30 Monate sind die Vertragsnehmer beauftragt, eine initiale Einsatzfähigkeit herzustellen und eine Reihe von Meilensteinen zu erreichen. Nach Ablauf dieses Zeitraums bestimmt die Cyberagentur das vielversprechendste Projekt und unterstützt den Sieger weitere 15 Monate. Der Vergleich der drei recht unterschiedlichen Ansätze sei allerdings nicht trivial, wie Bansen einräumt. Man wolle deshalb den Teilnehmenden möglichst viel Freiheit beim Erreichen der Zielvorgaben einräumen. Ein direkter Vergleich zwischen den drei Projekten sei nicht vor Abschluss der dritten Projektphase vorgesehen. Eine erfolgreiche Entwicklung ist aber nicht garantiert:„Heute ist ein besonderer Tag: In 15 Jahren könnte sich niemand an ihn erinnern, weil wir völligen Unsinn gemacht haben, oder wir gehen in die Geschichte ein, weil wir den Grundstein für etwas Großartiges gelegt haben“, fasste es Hummert am Tag des Vertragsabschlusses zusammen.
PORTRAIT-REIHE: Was machen Sie denn da gerade – Fähnrich Amir Houssaini?
Vom Fördern und Fordern
(BS) Wie er mit fünf, sechs Jahren beschloss, Pilot zu werden und seine Leidenschaft für die Fliegerei dann auch zu ersten Medienerfahrungen führte: Das erzählt Fähnrich Amir Houssaini Klaus Pokatzky – und wie beide jetzt an einem Buch über die Offizierschule der Luftwaffe und den Fliegerhorst Fürstenfeldbruck arbeiten.
Ich stehe hier mitten im Wald bei einem Biwak und suche Rekrutinnen und Rekruten, die über den Abschluss ihrer Allgemeinen Grundausbildung ein Tagebuch führen – und das dann fortsetzen, wenn sie anschließend zum Offizieranwärter-Lehrgang an die Offizierschule der Luftwaffe (OSLw) nach Fürstenfeldbruck kommen. Die OSLw wird im nächsten Jahr nach Roth bei Nürnberg umziehen, wo wir uns gerade im Wald befinden. Eine Chronik soll die Geschichte der OSLw in Fürstenfeldbruck darstellen – seit 1977 ist sie dort. Ich bin Chronik-Redakteur: gemeinsam mit Klaus Pokatzky, dem Autor dieses Artikels.
Leidenschaft für die Fliegerei und die Bühne Vor vier Jahren habe ich am 120. Offizieranwärter-Lehrgang (OAL) teilgenommen – und dann anschließend das Jahrbuch meines OAL gestaltet. Mir macht so etwas Spaß; das war schon während meiner Schulzeit so. Zurück geht das alles auch auf meine Leidenschaft fürs Fliegen. Als ich noch klein war, sind wir in den Ferien häufig nach Tunesien geflogen, wo mein Vater herstammt. Da durfte ich immer in das Cockpit und mit den Piloten sprechen. Gewohnt haben wir in Hennef bei Siegburg: in der Einflugschneise vom Flughafen KölnBonn. Da habe ich mit fünf, sechs
Die Studie wurde nach den Untersuchungen des Terroranschlags am Breitscheidplatz in Berlin ins Leben gerufen. Hier fanden sich berufsgruppenspezifische Unterschiede mit mehr Aggressivität und problematischem Ärger bei den eingesetzten Polizeikräften und einer verringerten umweltbezogenen Lebensqualität bei den Feuerwehrleuten. Weibliches Einsatzpersonal reagierte mit mehr Misstrauen auf den Terroranschlag. Da diese Unterschiede bei der Vergleichsgruppe, bestehend aus Einsatzkräften der gleichen Einheiten, die nicht beim Einsatz dabei waren, nicht zu finden sind, kann dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Terroranschlag zurückgeführt werden. Bei dem Projekt werden vorsätzlich und nicht vorsätzlich herbeigeführte Großschadensereignisse sowie kurzfristig und langanahaltende Ereignisse voneinander unterschieden. Diese Unterscheidung ist wichtig, da Typ zwei und vorsätzlich herbeigeführte Ereignisse häufig schwerere emotionale Reaktionen nach sich ziehen. Bisher wurde noch kein langanhaltendes und vorsätzlich herbeigeführtes Ereignis eingeschlossen. Bei allen anderen Feldern finden sich mehrere Ereignisse, die zum Abschluss des Projekts zusammengeführt und dann mit den anderen Feldern verglichen werden. Erste vorläufige Ergebnisse werden hier vorgestellt. So zeigen sich die langanhaltenden Ereignisse aktuell als weniger belastend als ursprünglich
Jahren für mich den Beschluss gefasst: Ich möchte Pilot werden! Dieses Gefühl der Kraft beim Abheben, dass es Dich einfach nur in den Sitz drückt – und auf einmal hebst Du einfach ab und entkommst der Schwerkraft: Die Technik, die dahintersteckt, und die Verantwortung, die ein Pilot trägt, all das hat mich immer begeistert. Mit elf, zwölf habe ich dann meine ersten Bücher über die Luftfahrt bekommen. Und dann mit 13, 14 habe ich angefangen, die Flugzeuge zu fotografieren. Da war ich dann auf der Besucherterrasse vom Flughafen, konnte alle möglichen Typen aus allen möglichen Perspektiven aufnehmen: mal zum Sonnenaufgang, mal zum Sonnenuntergang, mal beim Start, mal in der Landung – und habe ich meine Fotos auf Instagram hochgeladen. So sammelte ich meine ersten Erfahrung in der Gestaltung verschiedener Medien. Am Gymnasium hatten wir
in der Aula Theateraufführungen, Musikveranstaltungen oder Zeugnisverleihungen. Ich kümmerte mich um die Veranstaltungstechnik und habe später als Schülersprecher diese Veranstaltungen mit organisiert. 2016 haben wir uns gesagt: Lasst uns doch eine Veranstaltung für einen guten Zweck machen – die nicht, wie bisher – der Schülerschaft zugutekommt, sondern auch denen, die nur schwer an einer Schülerschaft teilhaben können. Erst haben wir dann ein Benefizkonzert für Flüchtlinge gemacht – und für krebskranke Kinder – unter dem Motto „Schüler helfen Schülern“. Es gibt ja Kinder, die z. B. wegen Kinderkrebs oder einer Lähmung gar nicht in die Schule gehen können. Aus dem Benefizkonzert wurde dann unsere Talentshow „Talente gegen Krebs“, wo Schülerinnen und Schüler gesungen, getanzt, Theatertexte gesprochen haben – und am Ende
Biwak im Wald: „Freiwillige für unsere Chronik gesucht!“. Foto: BS/Frank Kerwien
über die besten Talente abgestimmt wurde. Mittlerweile ist daraus ein eingetragener Verein zugunsten von eingeschränkten Kindern entstanden – also nicht nur für krebskranke, sondern für alle Kinder, die wegen gesundheitlicher oder sozialer Einschränkungen nicht ihr Leben so führen können, wie es ein Kind führen können sollte. Ich konnte schon immer gut mit Kindern. Meine Sportart als Schüler war Handball und ich lebe immer noch für den Handball. Das habe ich gespielt, aber auch erst Kinder trainiert und dann Jugendliche. Und, wenn ich dann ein Spiel hatte, sind die Kinder gekommen und haben gerufen: „Amir vor , noch ein Tor!“ Meine Mutter hat immer zu mir gesagt, ich tanze auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig – und irgendwie hat sich das bis heute durchgezogen. Was ja gar nicht schlecht ist; weil ich der Meinung bin, dass es mich immer nur geför-
Selbstwirksamkeit als Resilienzfaktor
Erste Ergebnisse der CASH-Studie liegen vor (BS/ Dr. Ulrich Wesemann) Im Forschungsprojekt Calamities, Anxiety, Stress & Hostility (CASH) am Psychotraumazentrum im Bundeswehrkrankenhaus Berlin werden Einsatzkräfte sechs, zwölf und 24 Monate nach Großschadensereignissen auf die psychische Belastung hin untersucht. Ziel ist, die Einsatzvor- und -nachbereitungsmaßnahmen zu optimieren, sodass die Einsatzkräfte besser mit dem Erlebten umgehen können.
angenommen. Dies äußert sich in den geringen Prävalenzraten psychischer Störungen und in der räumlichen Nähe zum Ereignis. Im Gegensatz zu den Terroranschlägen in Paris scheint dies hier ein Resilienzfaktor zu sein. Vermutlich führt ein direkter Einsatz bei den Ereignissen zu erhöhter Selbstwirksamkeit, da aktiv geholfen werden konnte. Entsprechend waren die Vergleichsgruppen, die nicht aktiv eingesetzt wurden, deutlich belasteter. Jedoch ergab sich, dass negative Kindheitserfahrungen einen signifikanten Einfluss auf problematischen Ärger und die posttraumatische Gesamtbelastung hatten. Ebenfalls scheint Schlaf einen zusätzlichen Effekt zu haben. Dies trifft sowohl für Tagesschläfrigkeit als auch für nächtliche Schlafprobleme zu. Spannende Ergebnisse finden sich ebenfalls bei den vorsätzlich herbeigeführten Ereignissen: Eine vorläufige Auswertung der Amoktat in Hamburg ergab ähnliche Ergebnisse, wie sie bereits beim Terroranschlag in Berlin vorgestellt wurden. Hier scheint nach ersten Erkenntnissen die Teilnahme an Kriseninterventionsmaßnahmen den gewünschten sekundärpräventiven Effekt zu haben. Die
berufsgruppenspezifischen Unterschiede mit mehr problematischem Ärger bei Militär- und Polizeikräften scheinen sich weiter zu bestätigen. Ebenfalls findet sich erhöhtes Misstrauen bei den weiblichen Einsatzkräften wieder.
Das Stigma bleibt Bei der Amokfahrt in Trier zeigte sich emotionale Vernachlässigung in der Kindheit als ein relevanter Einflussfaktor bei der posttraumatischen Belastungssymptomatik, wobei die Teilnahme bei Kriseninterventionsmaßnahmen dies komplett ausgleicht. Tatsächlich hat die Polizei in Rheinland-Pfalz schon vor zwei Dekaden das Einsatznachsorgekonzept modernisiert. Nach der Amokfahrt in Berlin litten direkt eingesetzte Feuerwehrleute achtmal häufiger an Panikattacken und 4,2-mal häufiger an generalisierten Angststörungen als die Vergleichsgruppe. Vor allem die Übernahme von nicht zum Beruf dazugehörigen Aufgaben während des Einsatzes hatte einen wesentlichen Einfluss auf die posttraumatische Gesamtbelastung. Dennoch zeichnen sich auch hier „mildere Verläufe“ ab, als dies noch nach dem Terroranschlag in Berlin der Fall war.
dert hat. Natürlich gefordert – aber vor allem gefördert. Ich halte mich für ein soziales Wesen und vor allem auch für ein engagiertes Wesen. Und deshalb war für mich nach meinem französisch-bilingualen Abitur auch klar: Ich will Pilot bei der Luftwaffe werden – und nicht bei einer zivilen Fluggesellschaft. Ich möchte den Verantwortungsbereich eines Piloten mit dem eines Offiziers in den deutschen Streitkräften verbinden, mit Verantwortung für Material, Verantwortung für Vorhaben – und mit Verantwortung für Menschen. Als guter Chef kümmerst Du Dich fürsorglich um Deine Leute. Und das ist das, was mich fasziniert: Offizier und Pilot zu sein. Ein Buch über die Offizierschule der Luftwaffe und den Fliegerhorst Fürstenfeldbruck ist meine nächste Herausforderung und eine Herzensangelegenheit. Hier habe ich beste Zeiten verbracht, mit einigen der besten Menschen, die ich bisher kennenlernen durfte. Und daher wollte ich unbedingt wieder hierher zurück – nach „Fursty", wie die Amerikaner den Fliegerhorst einst getauft haben und wo ich jetzt dem Kasernenkommandanten zuarbeite. Wie geschichtsträchtig dieser Standort ist! Unsere Luftwaffe hatte hier unter anderem eine Division, ein Geschwader, eine Flugschule. Und natürlich hat sie, noch, ihre Offizierschule hier. Und diese Geschichte wollen wir nun einfangen mit Geschichten von Menschen, die unser Fursty in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Wir fangen Erinnerungen ein und dokumentieren sie für die Nachwelt. Und wer dazu beitragen möchte: OSLwChronik@bundeswehr.org lautet unsere E-Mail-Adresse. Beim Biwak im Wald hatten wir Erfolg: Es haben sich sofort elf Freiwillige gemeldet.
Als wesentliches Problem wird das Stigma angesehen. Obwohl psychische Störungen zum Berufsrisiko von Einsatzkräften gehören, gibt es viele Vorurteile. Dies ist die größte Barriere für Einsatzkräfte, an Kriseninterventionsmaßnahmen teilzunehmen oder anderweitig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dafür wird in einem weiteren Projekt ein Fragebogen evaluiert, der es den Partnerinnen und Partnern von Einsatzkräften ermöglichen soll, eine erste Einschätzung über das Vorliegen einer psychischen Störung mit Krankheitswert vorzunehmen. Der Fragebogen kann selbst ausgewertet und durch eine standardisierte Empfehlung interpretiert werden. Da dies komplett anonym erfolgt, wird die Hemmschwelle als niedrig eingeschätzt. Dadurch soll die Motivation der belasteten Einsatzkräfte über ihre Partnerinnen und Partner erhöht werden, dieses Stigma zu überwinden. Der Fragebogen wird gerade am Psychotraumazentrum evaluiert. Diese ersten Erkenntnisse aus dem CASH-Projekt sind auch in die Neukonzeption zur psychologischen Krisenintervention der Bundeswehr eingeflossen. Hier wurde in einer Arbeitsgruppe ein neues Konzept erarbeitet. Als Ergebnis wurde ein Gesamtkonzept verschiedener Maßnahmen für unterschiedliche Zielgruppen vorgeschlagen, auf dessen Grundlage die Gruppe „angewandte Militärpsychologie und Forschung im Streitkräfteamt“ ein Handlungsmanual erstellte. Im Anschluss wurde die neue Vorgehensweise in der psychologischen Krisenintervention durch das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) für den Psychologischen Dienst der Bundeswehr implementiert. Zu den wesentlichen Neuerungen gehört der Verzicht auf ein vertiefendes Eingehen auf die mit dem traumatischen Ereignis verbundenen Emotionen. Zusätzlich finden Nachsorgemaßnahmen über einen deutlich längeren Zeitraum statt und die häufigsten psychischen Symptome werden erfasst. Dabei wird die Nachsorge immer individueller zugeschnitten.
Das Projekt läuft noch, Interessierte können unter CASH@ptzbw.org weitere Informationen erhalten bzw. selbst an der Studie teilnehmen.
Dr. Ulrich Wesemann ist Klinischer Psychologe am Psychotraumazentrum des Bundeswehrkrankenhauses Berlin. Foto: BS/privat
Der nach oben gebogene Bug wirkt bedrohlich. Mit knapp 70 km/h jagt das pechschwarze Schlauchboot über den Zwenkauer See, überholt ein Aluboot der Polizei. Immer wieder klatscht die Unterseite des stromlinienförmigen Geschosses hart auf die Wasseroberflache, als wäre diese aus Beton. Davon unbeeindruckt steht ein großgewachsener, dunkelhaariger Typ am Steuer. Die Sommersonne knallt ihm ins Gesicht. In seiner schwarzen Sonnebrille spiegelt sich das Wasser. Eine Szene wie aus Miami Vice Der Mann am Steuer ist Tino Sachse, 48 Jahre alt, verheiratet. Über seine weiße Polizeiuniform hat er eine Rettungsweste geschnallt. Die vier goldenen Streifen auf den Schulterklappen zeigen seinen Dienstrang: Polizeihauptmeister bei der Wasserschutzpolizei (WSP). Ob er – wie Don Johnson in besagtem TV-Klassiker – mit Drogenschmuggel auf dem Wasser konfrontiert werde? Sachse lacht und verneint: „Auf den Landesgewässern nicht.“ Eher würde er das auf der Bundeswasserstraße vermuten. Dort jedoch „ist die Kontrolldichte so hoch“, dass das Risiko, als Drogendealer an Land erwischt zu werden, deutlich geringer sei. Sachsen ist eben nicht das Florida der 80erJahre und Zwenkau nicht Miami. Tun, was getan werden muss Ein bisschen wie Urlaub fühlt sich der Besuch bei der Sächsischen Wasserschutzpolizei trotzdem an. Nicht nur das Wetter ist gut, sondern auch die Stimmung unter Sachse und seinen Kolleginnen und Kollegen. Denn an diesem Tag wird die neue Dienststelle in Zwenkau, 20 km südlich von Leipzig, eröffnet. Ein Neubau in einem Neubaugebiet, am Ende des Ortes gelegen und – logisch – direkt am Hafen. Bei der Eröffnungsfeier stellt Polizeipräsident Peter Langer die „modernsten Arbeitsbedingungen“ des Standorts heraus. Bürgermeister Holger Schulz freut sich über „die gefühlte Sicherheit der Zwenkauerinnen und Zwenkauer“, die die Präsenz der WSP gebe. Es
Zwenkau Vice
Zwischen Speed und Entschleunigung
(BS/cb) Wenn andere im Streifenwagen sitzen, steht er im Boot: Tino Sachse ist Wasserschutzpolizist. Sein Revier ist das Leipziger Neuseenland. Auf Sachsens Gewässern begegnet er mal großen, oft kleinen und manchmal typisch deutschen Vergehen. Ganz aktuell freut er sich über das nagelneue Dienstgebäude in Zwenkau, das mehr bietet als eine moderne Ausstattung. Es steht an einem Ort, an dem andere Urlaub machen.
Pappaufsteller von ihm, der sonst auf Messen zum Einsatz kommt, kaschiert ein paar noch lose aus der Wand ragende Kabel. Die meisten Kollegen würden sich nicht um die medialen Aufgaben reißen und einer müsse es ja machen, erklärt er, ohne dass es irgendwie lästig für ihn klingt. Man merkt: Der Mann ist keiner, der sein Gesicht in jede Kamera und vor jedes Mikrofon halten muss. Er ist ein pflichtbewusster Mensch, der einfach tut, was getan werden muss.
Abwechslung und Verantwortung Tino Sachse war bei der Bereitschaftspolizei in Ausbildung, wechselte dann zur Polizeidirektion Dresden. Seit 2009 ist er bei der Wasserschutzpolizei an den Dienst-
gibt Bratwurst, frisches Obst und bei glühender Hitze natürlich jede Menge Wasser. Die Kopfseite des Gebäudes, dessen Erdgeschoss der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) für die Wasserschutzpolizei anmietet, hat die Form des Buchstaben S. Wie Sachsen. Oder wie Sachse, denn der Polizeihauptmeister ist an diesem Tag besonders gefragt. Lokalpresse, Boulevard, Fernsehen – alle wollen Statements von ihm, dem Mann für die Medien. Sachse erledigt das auch bei schweißtreibenden Temperaturen professionell und mit Geduld. Sogar ein lebensgroßer
orten Dresden, Riesa und Leipzig. „Was machen die eigentlich?“, habe er überlegt, als er damals die Stellenausschreibung sah. Er habe sich informiert und sich dann schnell gefragt, wieso er sich nicht schon viel früher beworben habe. Denn die Stelle passe damals wie heute „wie die Faust aufs Auge“ – auch wenn er keine große Affinität zu Wasser(sport) hat und eher Ballsportarten bevorzugt. An seinem Job liebt er vor allem die Abwechslung: die Abwechslung der Einsatzgebiete, der Einsatzanforderungen und der Ausstattung. „Die Verantwortung über die Technik zu haben
und das weitgehend selbstständig zu beeinflussen“ mache täglich aufs Neue Spaß. Dabei beschreibt er seinen Arbeitsplatz zunächst als „gewöhnliche Polizeidienststelle“: Alles, was aufkomme, werde abgearbeitet. Gleichwohl bleiben die ruhigen Momente auf den Seen und Flüssen der Region ein großes Plus. Am wohlsten fühle er sich auf dem Kulkwitzer See, so Sachse, auch wenn er gar nicht sagen könne, warum. Man muss ja auch nicht jedes Mysterium erklären. Vom Bootsnamen bis zur Befähigung
Das Aufgabengebiet der WSP Sachsen erstrecke sich von der einfachen Fischereikontrolle eines Anglers, der gewisse Rahmenbedingungen beachten müsse, bis zu einer länger dauernden Kontrolle eines Fahrgastschiffes, wobei etwa die Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen seien. Die „Top 3“ der Vergehen, die Sachse auf dem Wasser begegnen, seien „meistens im Sportbootbereich“ zu finden. Eine einfache, aber oft unbekannte Regel sei, dass jedes Kleinfahrzeug – alles, was größer ist als ein Stand-up-Paddleboard (SUP) – einen Bootsnamen braucht. Auf beiden Seiten und mit deutlichem Hell-dunkel-Kontrast. Viele Leute kauften sich einfach ein kleines Sportboot, wüssten nichts von der Vorschrift und würden erst durch Sachse und seine Kollegen davon erfahren. Diese hätten dann „den Spielraum einer mündlichen Verwarnung“, so Sachse, und es klingt, als würde er diesen auch nutzen. Den „Freund und Helfer“ nimmt man ihm jedenfalls sofort ab. Auf den Flüssen der Leipziger Innenstadt, die auch zu Sachses Einsatzgebiet gehören, gilt dasselbe wie im Straßenverkehr: das Rechtsfahrgebot. Zwischen dem gewerblichen Verkehr auf dem Wasser tummelten sich „hunderte Paddler“, die nicht immer die Spur halten könnten und dadurch auch größere Fahrgastschiffe zu Kurswechseln zwängen, so der Hauptmeister. Ein dritter häufiger Verstoß betreffe das Befähigungszeugnis, also die staatliche Bescheinigung, ein bestimmtes Boot führen zu dürfen. Abermals wie auf der Straße ist Alkohol am Steuer natürlich verboten, dies würde aber nicht immer eingehalten. Auch komme es vor, „dass der
aber natürlich vor. Nicht zuletzt gebe es an Gewässern immer wieder Suizidversuche, erklärt der Wasserschutzpolizist. Nachts haben er und seine Kollegen Rufbereitschaft. Im letzten Jahr habe es auf der Elbe in den frühen Morgenstunden einen Brand auf einem Fahrgastschiff gegeben. Der Kapitän habe nirgends anlegen können und über 100 Passagiere seien mithilfe der Feuerwehr und Traktoren der örtlichen Bauern über das schlammige Ufer evakuiert worden.
Sollte auf dem Wasser mal nichts los sein, schaut Sachse natürlich auch an Land nach dem Rechten. Weder sei er jeden Tag auf dem Wasser noch sei er nur auf dem Boot unterwegs, erläutert er. Auto, Fahrrad und die klassische Fußstreife gehörten ebenso dazu. „Ich habe die Qualifikation der Wasserschutzpolizei. Aber in erster Linie bin ich Polizeibeamter.“ Es ist ein Satz, der sein Selbstverständnis perfekt zusammenfasst – und der in seiner gewissenhaften Klarheit vielleicht doch von einem heldenhaften TV-Polizisten stammen könnte.
Papa hintendrin schläft und der zwölfjährige Sohn am Steuer vom Motorboot steht“, was natürlich ebensowenig erlaubt ist. Manchmal seien es auch die Bürger selbst, die Sachse auf Fehlverhalten hinwiesen. So sei er einmal von einem Mann an einem FKKAbschnitt des Strands herangewunken worden. Dieser habe sich – splitterfasernackt und knietief im See stehend – darüber beschwert, dass eine andere Person zu Unrecht bekleidet wäre. Auch in der Freikörperkultur muss alles mit rechten Dingen zugehen.
Hoch an Sommertagen, Rufbereitschaft in der Nacht Nach dem Saarland hat Sachsen die zweitkleinste Wasserschutzpolizei Deutschlands. Durch die 172 Kilometer lange Bundeswasserstraße Elbe sowie „sehr, sehr viele Landesgewässer“ gebe es trotzdem jede Menge zu tun – vor allem in den Sommermonaten und tagsüber. Wirklich dramatische Einsätze sind auch da die Ausnahme, kommen
Mit Adlerauge und Geschick Wieder auf dem Schlauchboot auf dem Zwenkauer See, erspäht Sachse etwas im Wasser. „Langsamer! Da vorne ist was“, ruft er seinem Kollegen am Steuer zu. Der Kollege drosselt die Geschwindigkeit. Langsam nähert sich das Boot einem langen, dünnen, silbernen Gegenstand. Sachse beugt sich über die prall aufgepumpte, rutschig-runde Seite des Schlauchboots. Er greift nach dem Gegenstand und fischt ihn geschickt aus dem Wasser. Es ist ein metallischer Bootshaken. Sachse betrachtet ihn und weiß sofort, wozu er gehört: „Den haben wohl die Kollegen vom anderen Boot verloren.“ Er behält recht: Die Demonstrationsfahrten für die Eröffnungsgäste hatten ein kleines Opfer gefordert. Zurück im Hafen, befördert er den Haken wieder an seinen angestammten Platz. Nein, das Leipziger Neuseenland ist in der Regel nicht der Ort für filmreife Kriminalfälle. Die Sicherheit der Bürger, Naturschutz, respektvolles Miteinander, Sport und Erholung stehen im Vordergrund. Damit das so bleibt, bringen die Frauen und Männer der Sächsischen Wasserschutzpolizei mit viel Fingerspitzengefühl Recht und Ordnung aufs Wasser. Polizisten wie Tino Sachse
Wasserschutzpolizei Sachsen
Die Wasserschutzpolizei Sachsen ist die zweitkleinste WSP im Bundesgebiet und hat derzeit 52 Bedienstete. Sechs davon sind am Standort Zwenkau tätig. Das Zuständigkeitsgebiet umfasst die Bundeswasserstraße Elbe von Kilometer null an der Tschechischen Grenze bis zu Kilometer 172 bei Dommitzsch, 21 Fließgewässer mit 575 km Länge sowie 125 Standgewässer. Der Dienstort Zwenkau gehört zum Abschnitt Riesa und hat vier Boote im Bestand: ein Alukabinenboot WSP 20, ein Schlauchboot WSP 27, ein kleines Dienst-Aluboot WSP 23 für die Leipziger Innenstadtgewässer und ein kleines Dienst-Schlauchboot WSP 26 für flache Gewässer.
Überholmanöver: Im Rahmen der Eröffnung der neuen Dienststelle zeigten Tino Sachse und seine Kolleginnen und Kollegen, was die Zwenkauer Flotte im Tank hat.