Behörden Spiegel Dezember 2018

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ISSN 1437-8337

Nr. XII / 34. Jg / 50. Woche

Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

Berlin und Bonn / Dezember 2018

G 1805

www.behoerdenspiegel.de


2.–3. APRIL 2019, KOSMOS, Berlin Zum Fachkongress „Digitaler Staat“ treffen sich jährlich in Berlin Innovateure, Modernisierer und Trendsetter, um Digitalisierung von Staat, Verwaltung und Gesellschaft voranzutreiben.

Das zweitägige Netzwerk wird von der Fachzeitschrift

Behörden Spiegel gemeinsam mit zahlreichen Partnern durchgeführt und ist eine Leitveranstaltung zu diesem Themenkomplex. Entscheidungsträger und Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft

widmen sich an beiden Tagen intensiv den tiefgreifenden Herausforderungen, die die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung mit sich bringt.

Die begleitende Fachausstellung und verschiedene

Side-Events bieten zudem die Möglichkeit, sich umfas-

send über Angebote für die digitale Verwaltung zu informieren sowie Netzwerke zu knüpfen und zu pflegen. www.digitaler-staat.org

Referenten 2019, u. a. Dorothee Bär Staatsministerin im Bundeskanzleramt für Digitalisierung

Hans-Henning Lühr Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen und

Vorsitzender des IT-Planungsrats 2019

Thomas Geisel Oberbürgermeister der

Landeshauptstadt Düsseldorf

Dorothea Störr-Ritter Landrätin des Landkreises

Breisgau-Hochschwarzwald, Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates

Christoph Verenkotte Präsident des Bundesverwaltungsamtes

www.facebook.com/digitalerstaat

twitter #digistaat

www.instagram.com/digitaler_staat

Eine Veranstaltung des


Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. XII / 34. Jg / 50. Woche

Berlin und Bonn / Dezember 2018

G 1805

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Ein breites Spektrum

Gute Abdeckung und Verfügbarkeit

Alles, was Daten speichern kann

Katrin Lange über die arbeitsteilige Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes......................Seite 32

Andreas Gegenfurtner zur Zukunft des BOS-Digitalfunknetzes ������������������������������ Seite 53

Sebastian Schriever über die Auswertung digitaler Beweismittel..................................Seite 61

FragDenStaat verklagt den Staat (BS/kh) Die Open Knowledge Foundation Deutschland – namentlich der Projektleiter des Portals FragDenStaat, Arne Semsrott – verklagt das Bundesverkehrsministerium. Grund dafür ist die Weigerung der Behörde, den 17.000 Seiten langen Vertrag mit dem Mautbetreiber-Konsortium Toll Collect herauszugeben. “Das Ministerium argumentiert, dass der Vertrag geheimgehalten werden müsse, um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Toll Collect zu schützen. Das halten wir bei einem nunmehr 16 Jahre alten Dokument für sehr gewagt – zumal die Toll Collect GmbH zwischenzeitlich wieder verstaatlicht wurde”, so Semsrott. Bereits 2006 gab es eine Klage auf Herausgabe des Vertrags. Damals stand ein noch laufendes Schiedsverfahren zwischen Ministerium und Unternehmen der Veröffentlichung entgegen. Das Verfahren ist inzwischen abgeschlossen.

Empfehlungen zum Bürokratieabbau (BS/kh) Der Normenkontrollrat Baden-Württemberg hat der Landesregierung seinen ersten Empfehlungsbericht zum Bürokratieabbau übergeben. Als erste Sonderstudie hat das Beratungsgremium das geltende Recht im Land mittels einer wissenschaftlich begleiteten Umfrage bei 29 Kammern und Verbänden untersucht. Daraus hat der Normenkontrollrat 51 konkrete Empfehlungen zum Abbau von Bürokratie entwickelt. Dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration etwa wird vorgeschlagen, bei allen Meldungen an die Verwaltung das “Once-Only-Prinzip” zu verwirklichen. Bezüglich der Daten von Personen als auch von Unternehmen sollten demnach Angaben nur einmal abgegeben werden müssen. Dem Ministerium für Finanzen wird unter anderem empfohlen, vereinfachte Einkommenssteuererklärungen, wie sie bereits Arbeitnehmer abgeben können, auch für Rentner anzubieten.

Enisa gestärkt (BS/jf) Das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission haben sich auf einen europäischen Cybersecurity-Akt geeinigt. Damit wird das Mandat der Agentur der Europäischen Union für Netz-und Informationssicherheit (Enisa) gestärkt und diese zu einer EUAgentur für Cybersicherheit ausgeweitet. Aufgabe der Agentur soll sein, die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Cyberangriffen zu unterstützen. Zudem soll ein europäisches System zur Zertifizierung der Cybersicherheit aufgebaut werden, um digitale Produkte und Dienstleistungen als “cybersicher” auszuweisen.

Auf zur digitalen Souveränität Window of Opportunity erkennen und nutzen (BS/R. Uwe Proll/Benjamin Stiebel) Digitale Souveränität ist das übergeordnete Ziel staatlichen Handelns im 21. Jahrhundert. Hinter dem schillernden Begriff verbirgt sich die Verfügbarkeit leistungsfähiger und vor allem vertrauenswürdiger Infrastrukturen als Grundlage von Wirtschaft, Politik und Zusammenleben. Staatliche Souveränität definierte sich bisher über drei Dimensionen: Staatsgrenzen, Staatsvolk und Staatssprache. Souverän war der Staat, der insbesondere seine Grenzen behaupten und, wenn nötig, verteidigen konnte. In der globalisierten und digitalisierten Welt verlieren Grenzen an Bedeutung. Das Internet als Basis für immer mehr Aspekte des individuellen und gesellschaftlichen Lebens überschreitet Grenzen und lässt sie erodieren. Die Daten strömen ungehindert, die neue Einheitssprache ist der digitale Code. Der alte Begriff der staatlichen Souveränität verliert damit an Bedeutung. An seine Stelle tritt ein neuer: digitale Souveränität. Der Staat hat in erster Linie nicht mehr seine Grenzen zu behaupten, sondern die Vertrauenswürdigkeit der digitalen Strukturen zu gewährleisten, an denen seine Bürger und die staatlichen Organe hängen. Deutschland macht aber den Eindruck, zunehmend von der technischen Fortentwicklung dieser Strukturen abgekoppelt zu sein. Bei Betriebssystemen hat Deutschland weder gestern noch heute eine Bedeutung gehabt. Kürzlich hat Fujitsu die letzte europäische PC-Fabrik in Augsburg geschlossen. Die mobile Echtzeitkommunikation mit 5G ist nicht ohne die Netztechnik von Huawei und ZTE zu haben, denen Beeinflussung durch den chinesischen Staat unterstellt

digitale Souveränität gilt. Zum einen, weil die selbstlernenden Systeme als wichtigste Treiber der fortschreitenden Digitalisierung gesehen werden. Zum anderen, weil sie insbesondere die Cyber-Sicherheit und damit die Vertrauenswürdigkeit der Infrastrukturen auf eine neue Ebene bringen könnten. Denn eine Schlüsselfähigkeit von KI ist die Erkennung von Mustern und Anomalien und damit von erwünschtem und unerwünschtem Verhalten in hochkomplexen IT-Systemen. Deutschlands Startbedingungen für das Rennen um die KITechnologieführerschaft stehen nicht schlecht. Immerhin gibt es hier mit Abstand die meisten Forschungseinrichtungen. Schon heute ist ein immenses Knowhow vorhanden und wird weiter angesammelt. Entscheidend wird es sein, den Transfer dieses WisUm digitale Souveränität zu erreichen, muss Deutschland auf vorhandene Kompetenzen setzen und schnell und ent- sensschatzes aus dem Elfenbeinturm der Grundlagenforschung schlossen voranschreiten. Im Bereich Künstliche Intelligenz sind die Voraussetzungen gegeben. Foto: BS/© kentoh, stock. adobe.com in den Markt zu leisten. Die Herausforderung ist groß wird. Wenn SIM-Karten wie Manche fragen sich da, ob nicht digitalen Zeitalter befinden. Dass und das Window of Opportunity erwartet in Zukunft von asia- längst “One Shot Weapons” ver- sich für Deutschland gerade ein wird von vielen Seiten begrenzt. tischen Mobilgeräteherstellern baut sind, die auf Befehl aktiviert “Window of Opportunity” öffnet, Die staatliche Förderung ist verfest verbaut werden, ist es mit werden können – zur Spionage, die Gelegenheit, digitale Souve- gleichsweise gering. Das DatenKompetenzen und Kontrolle im Sabotage oder Verringerung der ränität zu erlangen durch eine schutzkorsett für GeschäftsmoHardwarebereich vorbei. Und Verfügbarkeit. führende Rolle bei gerade erst delle ist eng. Ein zusätzlicher Die Frage lautet: Ist Deutsch- heraufkommenden Technologien, Dämpfer könnte sich aus der aufgerade dort ist die Feststellung von Manipulation fast unmöglich. land dem Verlust der Vertrauens- meinen andere. keimenden Debatte um ethische Schon jetzt ist Hardware aus den würdigkeit seiner Infrastrukturen Die Hoffnung liegt nicht im Hard- Grundsätze beim Einsatz von KI USA und Asien in staatlichen IT- gegenüber machtlos? Manche ge- warebereich. Die Augen richten ergeben. Umso zielgerichteter Systemen und überall in den Kri- hen davon aus, dass wir uns erst sich auf die Künstliche Intelligenz und entschlossener muss nun tischen Infrastrukturen verbaut. an der Schwelle zum eigentlichen (KI), die als riesige Chance für die das Vorgehen sein.

Kommentar

Konsequenz Kannibalismus (BS) Der Bundeshaushalt 2019 ist mit einem satten Stellenplus abgeschlossen worden. Das ist für einen Öffentlichen Dienst, der bis vor wenigen Jahren auch auf Bundesebene noch Stellen streichen musste, ein Segen – und zugleich ein Fluch. Über 900 neue Stellen hat der Deutsche Bundestag allein für die obersten Bundesbehörden bewilligt, fast 7.000 neue Posten in den nachgeordneten Bereichen. Zu den Gewinnern zählen neben den Sicherheitsbehörden das Bundesverwaltungsamt (+331) oder das ITZ-Bund (+219). Bei den Ministerien führen das Auswärtige Amt (+214) und das Bundesinnenministerium (+ 146) die Liste an. Die Gründe für den Zuwachs sind vielfältig. Besonders erfreulich: Wenn damit befristete Arbeitsverhältnisse entfristet werden sollen, wie bspw. beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (+148). Kurzum: Es gibt kaum Einrichtungen, die mit weniger Stellen auskommen

müssen. Eine davon ist der Bundesrechnungshof. 16,5 Stellen werden im Zuge der Reorganisation gestrichen. Der Bund ist aber nicht der einzige, der neue Stellen schafft. Auch die Deutsche Bahn will den Personalbestand aufstocken. 20.000 Menschen will das größte Bahnunternehmen Europas einstellen. Zugleich gilt es, die geburtenstarken Jahrgänge zu kompensieren, die jetzt in den Ruhestand gehen. Und das bei einem leergefegten Arbeitsmarkt. Woher sollen die neuen Beschäftigten kommen? Immerhin geht es um qualifiziertes Personal. Im Koblenzer Raum haben sich die Behördenleiter der ansässigen Landesbehörden bereits darauf verständigt, aus dienstlichen

Gründen zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit der Landesdienststellen Versetzungsgesuchen zum Bund, insbesondere zur Bundeswehr, grundsätzlich die Zustimmung zu verweigern. Der Öffentliche Dienst, er kannibalisiert sich (sonst) selbst. Bliebe nur, die Eingangsvoraussetzungen abzusenken, um die Masse an Köpfen zu gewinnen. Für die Qualität eine Katastrophe! Schlimmstenfalls droht ein Imageverlust in der Bevölkerung. Das ist auch nicht hinnehmbar. Der Stellenaufwuchs ist gut, er muss aber mit einer Analyse und Reorganisation der Arbeitsprozesse auf Basis einer Digitalisierungsstrategie einhergehen. Erst dann sind Personaleinstellungen vorzunehmen. Jörn Fieseler

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Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Ob es Start-ups sind, die regulierende Wettbewerbspolitik oder vertrauenswürdige IT-Systeme: Damit Deutschland zum Superman mutiert und nicht nur Clark Kent bleibt, braucht es keine Telefonzelle – sondern digitale Souveränität. Der Staat muss seinen Weg weise, aber selbstbestimmt gehen und sich nicht von ausländischen Unternehmen und Werten abhängig machen. Erst dann können seine Behörden, Jungunternehmen, etablierten Großkonzerne oder gar die Verteidigungspolitik ihren Platz in der Welt behaupten und stolz “digitized in Germany” darauf einbrennen. Foto: BS/©Rawpixel.com, adobestock.com

Digitale Souveränität Mit der Idee im Gepäck

Die Probleme mit dem KI-Airbus

“Parlamentarische Kontrolle ist nützlich”

Start-ups und kommunale Unterstützung mit kleinen Grenzen ................................................. Seite 17

Altmaier-Vorschlag und die Voraussetzungen .................................................Seite 33

Ohne hybride Lösungen wird es Zukunft nicht gehen ............................................Seite 55

Was tun, wenn nicht zerschlagen?

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Alle Mann auf Digitalisierungsposition!

Wettbewerbspolitik im Zeitalter der digitalen Plattformen ..........................................Seite 27

Deutschlands Weg zu vertrauenswürdigen Informationssystemen made in Germany ..................Seite 45

Chancen, Herausforderungen und Nutzen für die westliche Verteidigung .................................Seite 58

Verwaltung muss mithalten

Monopol durch Regulierung?

Die Potenziale der Digitalisierung nutzbar machen .........................................................Seite 28

Hürden für den Markteintritt vermeiden .............................................Seite 47

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Magazinreihe vor dem Start Zentrum für Informationssicherheit

Digitale Souveränität – Cyber-Risiken erkennen, analysieren und beheben Einführung in Kryptowährungen – Funktionsweise, Nutzung, Nachverfolgung 19.02.2019, Bonn Teilnehmende dieses Seminars erlernen, die Funktionsweise verschiedener Kryptowährungen nachzuvollziehen, Transaktionen in Kryptowährungen selbst durchzuführen, Kryptowährungen sicher zu speichern, zu kaufen und zu verkaufen sowie Zahlungsströme in Kryptowährungen anhand von öffentlich zugänglichen Informationen nachzuvollziehen.

Cyber-Risk-Management: Cyber-Risiken ermitteln, analysieren und bewerten 10.03.2019, Berlin In diesem Seminar erlernen Teilnehmende, komplexe IT-Landschaften zu erfassen, Schutzbedarfe zu ermitteln, auf dieser Basis tragfähige Risikoeinschätzungen vorzunehmen, Maßnahmenkataloge zu konzipieren und das Restrisiko zu bewerten. Im Rahmen des Seminars erfolgt eine praxisnahe Demonstration eines Cyber-Risk-Managements an fiktiven Beispielen auf der Basis von echten Fällen.

IT-Sicherheit bei der Nutzung von Cloud-Diensten 21.03.2019, Berlin Dieses Seminar richtet sich an alle, die einen Einblick in die für eine Migration in die Cloud notwendigen Arbeitsschritte, Sicherheits- und rechtliche Aspekte bekommen wollen. Die Teilnehmenden werden in die Lage versetzt, entscheiden zu können, in welchem Umfang sie zu Cloud-Diensten migrieren wollen und was sie dabei beachten müssen, um einen sicheren Geschäftsbetrieb zu ermöglichen.

Grundlagen der Kryptologie 07.05.2019, Düsseldorf Datenverschlüsselung ist eine der wichtigsten Maßnahmen der Informationssicherheit. In diesem Seminar lernen Sie die Grundlagen der Kryptologie kennen. Insbesondere soll ein Grundverständnis für Methoden der Kryptografie und Kryptanalyse geschaffen werden.

Das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen: (neue) Anforderungen für die Praxis 23.05.2019, Bonn Das Seminar informiert über die neuen gesetzlichen Regelungen und die Anforderungen für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen. Erörtert wird u. a., welche angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen und IT-Sicherheitsmaßnahmen zukünftig notwendig sind und wie eine effektive Durchsetzung von Ansprüchen bei Rechtsverletzungen erfolgen kann.

IT-Sicherheit und Datenschutz – neue Schwerpunkte für die IT-Vergabe 25.06.2019, Berlin Rahmenvereinbarungen und IT-Beschaffungen, die die neuen rechtlichen Regelungen außer Acht lassen, provozieren teure Nachbestellungen und können zu illegalen Datenverarbeitungen führen. Das Seminar stellt die wichtigsten Anforderungen zum Datenschutz und zur IT-Sicherheit bei IT-Vergaben sowohl aus der Sicht des Auftraggebers als auch aus der Sicht des Auftragnehmers vor.

Weitere Informationen zu diesen und anderen Seminaren unter: www.cyber-akademie.de

Heft zum Polizisten der Zukunft kommt (BS/mfe) Der Behörden Spiegel wird in Kürze das erste Heft einer neuen Magazinreihe veröffentlichen. Die Premierenausgabe der Schriftenreihe “Moderne Polizei” befasst sich mit dem Polizisten der Zukunft. An ihn werden hohe Anforderungen gestellt. Er muss kompetent, digital und vernetzt sein. Was das konkret bedeutet, be- Burkhard Lischka (SPD), Konleuchten hochrangige Gastau- stantin Kuhle (FDP), Ulla Jelpke toren. Dazu gehören unter an- (Linke) sowie Dr. Irene Mihalic derem die Abteilungsleiterin für (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundespolizeiangelegenheiten im die Vorsitzende des BundestagsBundesinnenministerium (BMI), innenausschusses, Andrea LindDagmar Busch, der Vizepräsi- holz (CSU). Auch zu finden: Texte dent des Bundeskriminalamtes aller drei Polizeigewerkschaften (BKA), Michael Kretschmer, so- GdP, DPolG und BDK sowie von Wissenschaftlern und Preiswie der Präsident trägern des des Landesamtes “Zukunftsfür Ausbildung, preises PoFortbildung und lizeiarbeit”, Personalander auch gelegenheiten 2019 wieder der nordrheinauf dem Euwestfälischen ropäischen Polizei (LAFP PolizeikonNRW), Michael gress in Berlin Frücht. verliehen wird. Ebenfalls für Weitere Hefte Beiträge gevon “Moderne wonnen werPolizei” werden den konnten in Zukunft under Inspekregelmäßig, aber teur der seriell erscheinen. nordrheinwestfäliCover: B S/Wedem schen Polizei, Bernd Heieyer nen, der Präsident des Stuttgarter Landeskriminalamtes (LKA), Ralf Michelfelder, und Dr. Torsten Holleck, Abteilungsleiter für Polizeiangelegenheiten im schleswig-holsteinischen Innen- Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Karoline Wolf ministerium. 2: BS/Giessen Aus dem politischen Raum ha- Foto Foto 3: BS/Stiebel ben sich mehrere Innenpolitische Sprecher der Bundestagsfrakti- Beilagenhinweis onen oder deren Obleute im In- Der Gesamtauflage des Behörden Spiegel liegt eine Beilage von ProSeminaris zum “Tag der nenausschuss beteiligt. Zu ihnen Beteiligungsverwaltung” bei. zählen Armin Schuster (CDU),

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Dezember 2018

Die Uhr tickt

KNAPP

Beschwernisse beim Befristungsrecht: von der Begrenzung bis zur Berufserfahrungsanerkennung (BS/Jörn Fieseler) Im November hat der Bundesrat beschlossen, für die Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) nicht den Vermittlungsausschuss anzurufen. Damit ist der Weg frei für die Brückenteilzeit für Angestellte im Öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft. Ein anderes Vorhaben wartet jedoch noch auf seine Umsetzung: die Begrenzung der sachgrundlosen Befristung. Die bisherigen Ausführungen im Koalitionsvertrag werfen noch zahlreiche Fragen auf. Ebenso zeigt ein Vergleich der Tarifverträge für den Öffentlichen Dienst (TVöD/TV-L) von Bund, Ländern und Kommunen zur Stufeneinordnung, dass es weiteren Handlungsbedarf gibt. Zu groß sind die Differenzen zwischen dem Regelungsspielraum der Tarifparteien und der gesetzlichen Vorgabe. werden und die Stufenlaufzeit fortgeführt wird. Auch im TV-L findet sich eine Formulierung, dass beim Vorhandensein einer mindestens einjährigen Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber diese Zeit ebenfalls auf die Stufenzuordnung angerechnet wird. Keine Unterscheidung findet sich hingegen im TVöD VKA für die Kommunen, zeigt Karin Spelge, Vorsitzende Richterin des sechsten Senats am Bundesarbeitsgericht (BAG), auf.

Die Regierungsparteien wollen den Missbrauch bei Befristungen abschaffen. Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten sollen nur noch 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. Wird dieser Prozentsatz überschritten, soll jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen, so die Vorstellungen von CDU/ CSU und SPD. Zudem soll die Quote auf den jeweiligen Zeitpunkt der letzten Einstellung ohne Sachgrund bezogen werden.

Nicht gesetzeskonform

Vielzahl offener Punkte Die Ausführungen werfen jedoch zahlreiche Fragen auf, erläutert Dr. Eberhard Natter, Präsident des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg. Dies beginne schon bei der Frage, ob die Regelung für ein Unternehmen oder einen Betrieb gelte. Natter verdeutlicht dies am Beispiel der Daimler AG. Das Unternehmen beschäftigte zum 31. Dezember 2017 weltweit fast 290.000 Mitarbeiter. Rund 60 Prozent davon sind in Deutschland beschäftigt, im Werk Stuttgart 19.000. Von welcher Zahl ist also auszugehen, wenn die 2,5-Prozentquote ausgerechnet werden soll? Von der weltweiten Beschäftigtenzahl, den in Deutschland ansässigen Mitarbeitern oder wird die Quote für jedes Werk gerechnet? Das Gleiche gilt für den Öffentlichen Dienst. Zählt ein Land als Arbeitgeber? Oder sind die jeweiligen Ministerien und nachgeordneten Behörden separate Arbeitgeber? Allein Baden-Württemberg habe 311.000 Beschäftigte, davon 184.000 Beamte mit schätzungsweise rund 1.000 personalführenden Dienststellen, so Natter während der Veranstaltung Zukunft Dienstrecht des Behörden

Sowohl bei der angestrebten Quotenregelung im Befristungsrecht als auch in den Tiefen der Tarifverträge zur Stufenordnung gibt es Diskussions- bzw. Änderungsbedarf. Die Zeit läuft, um nachhaltige Regelungen zu finden und zu erarbeiten. Foto: BS/©Floydine, stock.adobe.com

Spiegel. Eine andere Frage ergebe sich aus der fehlenden Definition des Begriffes Belegschaft. “Sind damit bei Behörden und Kommunen nur die Tarifbeschäftigten gemeint oder auch die Beamten?”, fragt der Arbeitsrechtler. Und wie wird mit Leiharbeitnehmern verfahren? Zählen Sie ebenfalls zur Belegschaft? Wenn ja, müssten sie auch bei der Quote von 2,5 Prozent einberechnet werde. W ­ obei ebenfalls noch offen ist, ob diese auf die Köpfe oder die Arbeitskraftanteile bezogen werden. Zu Letzterem bringt der LAG-Präsident ein Beispiel: “Eine Gemeinde hat 100 Tarifbeschäftigte. Darf sie zwei Vollzeitbeschäftigte und einen Teilzeitbeschäftigten mit 50 Prozent sachgrundlos befristet einstellen oder nur zwei

Personen?” Und was, wenn eine dritte Vollzeitkraft sachgrundlos befristet eingestellt werde? Diese Frage wirke wiederum unmittelbar auf die Rechtsfolge der Überschreitung, wonach jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis rechtsunwirksam werde. Der LAG-Präsident wünscht sich deshalb, dass bei der Erarbeitung eines Referentenentwurfs diese Fragen beantwortet werden. Es bleibt abzuwarten, ob sein Wunsch erfüllt wird. Unabhängig von den im Koalitionsvertrag genannten Änderungen besagt das TzBfG schon jetzt, dass ein befristet angestellter Arbeitnehmer nicht diskriminiert werden darf (§ 4 TzBfG). Doch wie sieht es bei der Stufenzuordnung und der Anerkennung von Be-

rufserfahrung aus? Die ist in den Tarifverträgen von Bund, Ländern und Kommunen in § 16 Abs. 2 TVöD/TV-L geregelt. Danach wird in Stufe eins eingeordnet, wer über keine Berufserfahrung verfügt. Bei einschlägiger Berufserfahrung von mindestens einem Jahr erfolgt die Einstellung in Stufe zwei und bei mindestens drei Jahren in Stufe drei. Dabei ist es unabhängig, ob die Erfahrung in einer befristeten oder unbefristeten Anstellung erworben wurde.

Schädliche Unterbechung Darüber hinaus sieht der TVöD Bund vor, dass bei Einstellung in unmittelbarem Anschluss an ein Arbeitsverhältnis beim Bund die Beschäftigten der vorher erworbenen Stufe zugeordnet

Während die Richterin an der Regelung des TV-L nichts auszusetzen hat, hält sie die Regelung im TVöD Bund für fraglich. Die Formulierung im unmittelbaren Anschluss bedeute im Gegenzug, dass jede Unterbrechung schädlich sei. Zwar erläutert das Bundesinnenministerium in einem Rundschreiben vom 24. Oktober 2016, dass arbeitsfreie Zeiten durch Wochenenden oder Feiertage unschädlich seien. Doch ginge Erfahrungswissen nicht schon nach einer Woche verloren, so Spelge. Dies sei wohl erst nach einem Zeitraum von sechs Monaten zu erwarten. “Hier könnten die Tarifvertragsparteien ihren Regelungsspielraum überschritten haben.” Im TVöD VKA ist dieser Zusatz zwar nicht enthalten. Für die Richterin ist eine gesetzeskonforme Auslegung trotzdem nicht möglich. Denn der Tarifvertrag sehe keine Ausnahme für zuvor beim selben Arbeitgeber befristet Beschäftigten vor. Auch wenn die befristeten Arbeitsverhältnisse aufgrund der Personalknappheit wahrscheinlich auslaufen würden, müsste trotzdem Abhilfe geschaffen werden. Die Zeit läuft.

Wider den Unterrichtsausfall (BS/jf) Thüringens Lehrergewerkschaften und -verbände fordern einen Nachtragshaushalt, um gegen den Lehrermangel im Freistaat vorzugehen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum habe sich der Unterrichtsausfall noch mal um durchschnittlich 5,2 Prozent erhöht. Deshalb müssten Lehrereinstellungen weiterhin oberste Priorität haben. Deshalb sollen die derzeit vorhandenen Rekordeinnahmen im Landeshaushalt für die dringend benötigen Lehrkräfte genutzt werden. Ziel müsse es sein, eine Vertretungsreserve von zehn Prozent in Einstellungen umzusetzen. Besonders befristete Stellenangebote sollen gestrichen werden. Von den für 2018 300 ausgeschriebenen befristeten Stellen seien nur 185 besetzt worden. Doch dieser Ladenhüter werde kaum nachgefragt. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter reagierte und legte nach einem umfangreichen Anhörungs- und Änderungsprozess einen Entwurf für ein neues Schulgesetz vor.

Zulage verlängert (BS/jf) Ein Nikolausgeschenk für die Tarifbeschäftigten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Am 6. Dezember 2018 hat das Bundesministerium des Innern, für Heimat und Bau (BMI) per Rundschreiben die sogenannte BAMF-Zulage auch für Tarifbeschäftigte verlängert. Zuvor hatte der deutsche Bundestag mit dem Gesetz zur Änderung des Beamtenstatusgesetzes und des Bundesbeamtengesetzes sowie weiterer dienstrechtlicher Vorschriften Ende November 2018 die Zulage für Beamtinnen und Beamte um fünf Jahre bis zum 31. Dezember 2023 verlängert. Auch die außertarifliche Maßnahme für die Angestellten des BAMF wird bis zu diesem Zeitpunkt weiter fortgeführt.

→ Save the Date

Hamburger Vergabetag 2019 24.–25. Januar 2019, Handwerkskammer Hamburg Der Hamburger Vergabetag ist der Treffpunkt für öffentliche Einkäufer, Vergaberechtler und -berater sowie Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden. → Online-Anmeldung unter www.hamburger-vergabetag.de


Aktuelles Öffentlicher Dienst / Gesundheit

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Zum Akt des subjektiven Ermessens Beamten- und Arbeitsrecht beim Kongress Zukunft Dienstrecht im Fokus

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Vielfalt im Öffentlichen Dienst gestalten Schöneberger Forum will Perspektiven bieten und Kompetenzen nutzen

(BS/Henriette Schwarz*) “Unsere Verfassung beruht auf Freiheitsrechten, die die freie Entfaltung und Ent(BS/Jörn Fieseler) “Es ist bedauerlich, dass wir nicht für mehr Ordnung sorgen können”, sagte Ulf Domgör- wicklung der Persönlichkeit ermöglichen”, hob Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft gen, Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht (BverwG), mit Blick auf Beamtenbeurteilungen und der Polizei (GdP), anlässlich der Eröffnung des diesjährigen Schöneberger Forums in Berlin hervor. Thema Konkurrentenklagen auf dem Kongress Zukunft Dienstrecht des Behörden Spiegel. Praktische Tipps hierzu der zweitägige Veranstaltung: Vielfalt im Öffentlichen Dienst. erhielten die über 200 Teilnehmer aus der Arbeitsgerichtsbarkeit. Maßstab für die dienstliche Beurteilung ist Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) mit dem Leis­ tungsgrundsatz, dem Grundsatz der Bestenauslese und somit dem Primärzweck für den Öffentli­ chen Dienst. Zugleich bedauert der Verwaltungsrichter, dass weder die Paragrafen im Bun­ desbeamtengesetz (BBG) noch in der Bundeslaufbahnordnung für Aufklärung sorgen, wie die dienstliche Beurteilung abzulau­ fen hat. Ebenso finden sich in den Landesgesetzen keine ausführ­ lichen Normen. Entsprechend habe die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren sehr viel selbst entwickelt.

Leistung geht vor Deshalb solle der Dienstherr in seinen Beurteilungsrichtlinien oder Maßnahmeschreiben klar benennen, mit welchem prozen­ tualen Anteil welche Aspekte ge­ wertet werden. Denn “Wir als Richter haben nicht den Beam­ ten zu bewerten, das ist ein Akt des subjektiven Ermessens des Dienstherren”, so Domgörgen. Zugleich unterstrich der Bun­ desverwaltungsrichter, dass die Leistung immer höher zu bewer­ ten sei als andere Kriterien wie zum Beispiel die IT-Affinität oder die Flexibilität. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um bei der Beurteilung um einen Text mit Gesamturteil oder um ein Ankreuzverfahren handle, wie es vor allem in Behörden mit großem Personalkörper angewen­ det werde. Gegen Letzteres hat auch das Bundesverwaltungs­ gericht keine Einwände. “Wir wollen schließlich nicht, dass ein permanentes Aufschreibverfah­ ren stattfindet”, sagt Domgörgen. Wichtig sei jedoch der Ablauf und die Kommunikation mit dem Beamten, denn dessen Interesse an seinem eigenen Fortkommen auf der Karriereleiter sei der Se­ kundarzweck der Beurteilung. Deshalb müsse einem Beamten die Beurteilung mitgeteilt und, wenn dieser sich darin nicht “wie­

Stand Rede und Antwort zur dienstlichen Beurteilung: Ulf Domgörgen, Richter am Bundesverwaltungsgricht.

Fotos: BS/Fieseler

Gab praktische Tipps für Konkurrentenstreitverfahren: Dr. Eberhard Natter, Präsident des LAG Baden-Württemberg.

derfinde”, auch erläutert werden. Fordert der oder die Betroffene Nachbesserungen, müssten eine neue Beurteilung vorgenommen und deren Ergebnisse wieder mitgeteilt werden. Erst danach könne der Beamte Widerspruch einlegen. Bleibe der erfolglos, komme es zum Konkurrenten­ streitverfahren.

Falsche Herleitung Für diese Verfahren sei nach wie vor der Grundsatz der Ämtersta­ bilität entscheidend. Der sei zwar nirgends kodifiziert, sondern nur eine richterliche Herleitung. Die­

se beruhe auf § 14 BBG, worin die engen Voraussetzungen für die Rücknahme einer Ernennung normiert seien. Seien diese Vo­ raussetzungen nicht erfüllt, kön­ ne auch ein Gericht die Ernen­ nung aufheben. “Das ist falsch”, so Domgörgen. Trotzdem ist der Grundsatz der Ämterstabilität richtig. Es sei ein ungeschrie­ bener Rechtsgrundsatz, wie ihn das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsge­ richt anwendeten. Und auch der Gesetzgeber scheine diese Sicht zu teilen, da er nirgends etwas anderes kodifiziert habe.

Ausführlich dokumentieren Der Grundsatz sei vor allem mit Blick auf die Folgen richtig. Des­ halb würden Konkurrentenstrei­ tigkeiten auch im Eilverfahren erledigt. Dabei lasse sich kein Gericht in Deutschland gefallen, wenn durch Rechtschutzverhin­ derung Tatsachen geschaffen würden, so Domgörgen mit Blick auf das Streitverfahren zur Er­ nennung des Präsidenten vom Koblenzer Oberlandesgericht. Neben Domgörgen thematisierte Dr. Eberhard Natter, Präsident des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg, die Beson­ derheiten der Konkurrentenklage im Arbeitsrecht. Die arbeitsrecht­ liche Konkurrentenklage unter­ scheide sich kaum von der ver­ waltungsrechtlichen, da erstere die Entwicklungen der zweiten weitestgehend nachzeichne. Zu­ dem fehle das nötige Fallmaterial. In der Regel habe ein Bewerber auch nur ein Recht auf Neu­ beurteilung seiner Bewerbung. Natter empfiehlt Personalverant­ wortlichen deshalb, eine aus­ führliche Auswahldokumentation vorzunehmen, die auf Verlangen einem unterlegenen Bewerber zugeschickt werden könne, aus der aber alle relevanten Entschei­ dungsgründe hervorgingen.

Diese Vielfalt müsse geschützt werden vor jenen, die sie ablehn­ ten, so Radek weiter. Auch das sei Aufgabe von Gewerkschaften. Travestiekünstlerin und Ple­ numsteilnehmerin Veuve Noir hat erlebt, was es heißen kann, wenn man in den Augen ande­ rer von der angeblichen Norm abweicht. Sie ist in einer ländli­ chen Gegend aufgewachsen und hat zu spüren bekommen, dass Vielfalt nicht jedem gefällt. Sie sieht daher die Notwendigkeit, Aufklärungsarbeit zu leisten und redet unter anderem in Schul­ klassen über Homophobie. Bei den Schülerinnen und Schülern treffe sie dabei auf positive Reso­ nanz, bei den Erwachsenen sei dies nicht immer der Fall. “Oft wird behauptet, unsere Gesell­ schaft sei tolerant. Dabei sind wir davon noch weit entfernt. Solange Mittel wie anonyme Be­ werbungen erforderlich sind, um Chancengleichheit zu ver­ bessern, ist Vielfalt noch kei­ ne Selbstverständlichkeit“, so Veuve Noir.

“Normal” oder “unnormal” Anonyme Bewerbungen sind laut Bernhard Franke, kommis­ sarischer Leiter der Antidiskri­ minierungsstelle des Bundes, jedoch ein gutes Mittel, um Dis­ kriminierungen zu reduzieren. Allerdings nutzten bislang nur wenige Bundesministerien die­ ses Instrument. Senatorin Elke Breitenbach stellte fest, dass die Diskussionen zum Thema Vielfalt oft geprägt seien von der Klassifizierung “normal” und

“unnormal” – selbst im angeblich offenen Berlin. Eine große Schwierigkeit bei der Vielfaltsförderung im Öffent­ lichen Dienst seien die unflexi­ blen Einstellungsverfahren, die nur auf formale Qualifikationen abstelle, und ausländische Ab­ schlüsse oftmals nicht anerken­ nen würden. Deswegen könne man laut Franke jedoch nicht eine Aufweichung der Kriterien “Eignung, Befähigung und fach­ liche Leistung” fordern. Vielmehr müssten Stellenanforderungen um Vielfaltskompetenzen er­ gänzt werden. Dieses Thema griff auch die Diskussionsrunde “Wie wird Diversity im Öffentlichen Dienst “gelebt”?” auf, an der Andreas Merx (Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Diversity Management e. V.) und Eren Ünsal (Leiterin der Landes­ antidiskriminierungsstelle Ber­ lin) teilnahmen. Diese machte auf den Widerspruch aufmerk­ sam, dass positive Maßnahmen zur Förderung von Diversität Gruppen voraussetzten, die we­ gen der Vielschichtigkeit einer jeden Person jedoch nur schwer gebildet werden könnten und letztlich auch nicht gewollt seien.

Umfrage zeigt: Vielfalt erwünscht Auf die Einflussmöglichkeiten von Personalräten wies Merx hin. Bereits bei Stellenausschreibung sollten diese darauf achten, dass eine große Bandbreite an Inter­ essierten angesprochen werde. Zudem machte er auf den Di­ versitycheck (z. B. das Berliner

Diversometer) aufmerksam, welchen auch Personalräte für ihre Dienststellen durchführen und im Falle von Defiziten ent­ sprechende Fördermaßnahmen einfordern könnten. Neben den beiden Plenen konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilneh­ mer zudem in sechs Fachforen tiefgehender mit den Aspekten von Vielfalt befassen. Die aufge­ worfenen Fragen – von Inklusi­ onsvereinbarungen bis hin zur Wirkung von Quotenregelun­ gen und der Notwendigkeit von Wissenstransfer – zeigten die Vielschichtigkeit des Themas auf. Dass eine breite Mehrheit der im Öffentlichen Dienst Be­ schäftigten Vielfalt im Arbeits­ leben befürwortet, ergab eine im Auftrag des DGB von forsa unter 1.003 Tarifbeschäftigten und Beamt(innen) durchgeführte repräsentative Umfrage: 77 Pro­ zent von ihnen finden Bemühun­ gen um Vielfalt im Arbeitsleben gut. “Vielerorts fehlt es nicht an Akzeptanz, sondern an den nötigen Mitteln – finanzieller, personeller und struktureller Art – zur erfolgreichen Umsetzung von Vielfaltskonzepten”, stellte die stellvertretende DGB-Vorsit­ zende Elke Hannack daher am Rande der Veranstaltung klar. Weitergehende Informationen zur Umfrage https://www.dgb. de/-/1aP *Henriette Schwarz leitet die Abteilung Öffentlicher Dienst und Beamtenpolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Im nächsten Jahr findet der Kongress am 19. und 20. November 2019 wieder in Bonn statt.

Bei Vielfaltskonzepten im Öffentlichen Dienst sind noch zahlreiche Hindernisse zu überwinden. Grafik/Quelle: BS/repräsentative Umfrage des DGB

Glück statt Egoismus und Kälte Mensch braucht Werte und gelingende Beziehungen (BS/ Dr. Volker Reinken*) Durch die sogenannte “Burnout-Krise” ist die Gesellschaft im Wandel begriffen. Etwa 40 Prozent aller Menschen, die in den Frühruhestand gehen, sind psychisch erkrankt, viele davon an Burnout. Die Krankheit, früher als Erschöpfungsdepression bezeichnet, entwickelt sich durch Selbstentfremdung. Daher müssen wir uns wieder bewusst werden, was uns im Leben trägt, dann werden wir wieder glücklich. Durch die zunehmende Digi­ talisierung und Globalisierung rücken Werte wie Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Mitgefühl und Solidarität mehr und mehr in den Hintergrund. Doch wer nur nach sich und seinem eigenen

Vorteil schaut, wird über kurz oder lang unglücklich. Aber: Durch die zunehmende Pluralisierung und die immer komplexer werdende Welt füh­ len sich immer mehr Menschen überfordert. Wer dann auch noch den Zugang zu seiner inneren Stimme und dem eigenen Selbst verloren hat, läuft der Selbst­ entfremdung Gefahr und wird krank. Früher gab es dagegen eine klare Werteverbindlichkeit. Doch das Wertebewusstsein ist verloren gegangen. Stattdessen nehmen narzisstische Tendenzen immer weiter zu. Innere Löcher sollen durch schnelle Bewunde­ rung oder rücksichtslose Bedürf­ nisbefriedigung gestopft werden. Doch Egoismus erzeugt Kälte und macht einsam. Gute und bereichernde Beziehungen brau­ chen Zeit – sei es in der Liebe,

in Freundschaften oder im Be­ rufsleben. Drei Ebenen sind für Zufriedenheit und Glücksgefühl verantwortlich: die Beziehung zu sich selbst, zu anderen und die Spiritualität (Sinnhaftigkeit und Werteebene). Für alle drei Facetten dieses Glückskleeblat­ tes muss nicht nur die Zeit ge­ funden werden, sondern auch die richtige Balance zwischen Bindung und Individualität. Da­ zu können schon Kleinigkeiten beitragen, etwa im alltäglichen Umgang. Eine gewisse Beschei­ denheit macht zufriedener und eine bessere Kommunikation trägt zu gegenseitigem Respekt und Verständnis bei – das gilt besonders für Führungskräfte. *Dr. Volker Reinken ist Psychiater, Psychotherapeut und Ärztlicher Direktor der Akutklinik Urbachtal.


Bund

Behörden Spiegel / Dezember 2018

100 Jahre Deutscher Beamtenbund Erinnerungen an demokratische Werte

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Kommentar

Es gibt genug zu tun

(BS/ab) Nachdem Kaiser Wilhelm II. am 9. November 1918 abdankt hatte, gründete sich am 4. Dezember 1918 der Deutsche Beamtenbund­ (BS) Der Deutsche Beamtenbund ist im Alter von 100 Jahren eine (DBB) als Zusammenschluss der deutschen Beamten- und Lehrervereinigung auf gewerkschaftlicher Grundlage. Dass ein solcher Bund keine der ganz wenigen Organisationen die seither alle Zeiten überlebt Selbstverständlichkeit ist, wird an seinem 100-Jährigen Jubiläum deutlich. haben. Nach seiner post-revolutionären Gründung 1918 durchschritt er ­Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte und auch die eigenen. Das verdankte er der Konzentration auf die Kernmarke: die deutschen In den Archivakten der Bundes- rigkeitsdenken, kritisiert SteinBeamtenschaft. präsidenten findet sich eine Notiz meier. Vor allem mit dem “Arier-

des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss über sein Treffen mit Vertretern des DBB: “[…] den neuen Vorstand des Beamtenbundes empfangen und traktiert. Etwas besorgt, wie es gehen werde.” Das Treffen lief jedoch anscheinend besser als erwartet, kommentiert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf dem Festakt zum Gründungsjubiläum. Denn der ehemalige Bundespräsident notiert nach dem Gespräch: Er sei erfreut, dass “bei einem freimütigen Gespräch sogar etwas herauskam”. Bereits nach seiner Gründung schaffte es der DBB, dass das Berufsbeamtentum in der Verfassung der Republik niedergeschrieben wurde. Gefolgt durch die erste Verwaltungsakademie in Berlin, um die Beamtenfortbildung zu gewährleisten und damit den Aufbau eines ganzen Netzes voranzutreiben. Innerhalb weniger Jahre baute er eine Mitgliedszahl von über einer Million auf und umfasste mehrere Mitgliedsverbände.

NS-Zeit und Wende Ein Kapitel, welches zum Nachdenken anregt, war die NS-Zeit. Eine unrühmliche Zeitgeschichte, die der Bundespräsident ebenso aufgriff: “Und doch überraschte es, und sollte uns auch irritieren, wie schnell der DBB auf die Linie der Nationalsozialisten einschwenkte.” Wie wenig plötzlich die demokratischen Ideale gegolten hätten, wohingegen schnell die veralteten Werte zurück gewesen seien: legalistische Pflichterfüllung und stures Ob-

paragrafen” sei die Grundlage des Berufsbeamtentums zerstört worden, in dem demokratische, liberale sowie jüdische Beamte ausgeschlossen worden seien. Einen weiteren Aspekt, den er auch aufgriff, betrifft die heutige Zeit: “Zum Gelingen der staatlichen Einheit in den Jahren nach 1989 gehört sicher auch die wertvolle Unterstützung, die westdeutsche Beamte in den damaligen “neuen” Bundesländern geleistet haben. Viele von ihnen fanden dort eine neue Heimat.” Heute würde jedoch festgestellt, dass auf den Leitungsebenen Gratulation mit kritischen Untertönen: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vieler Behörden, auch in Ost- sprach in seiner Jubiläumsansprache auch die Schattenseiten des DBB in der deutschland, immer noch zu Geschichte an. Foto:BS/Fieseler wenige Tarifbeschäftigte oder Beamte aus Ostdeutschland tä- das friedliche Zusammenleben Auch hinsichtlich der aktuellen tig seien. “Es ist Zeit, dass sich unserer gesamten Gesellschaft Umstände äußert Silberbach kridas ändert”, unterstreicht der ermöglicht.” tische Worte: “Viele Bürgerinnen Bundespräsident. Angesichts der Rolle des Be- und Bürger haben in zentralen amtenbundes während der Na- Bereichen ihres Alltags den Aufruf zur Demokratie tionalsozialistischen Zeit nahm Eindruck, dass nicht mehr in Der DBB-Bundesvorsitzende Silberbach auch den DBB als ausreichendem Maß für ihre Be­Ulrich Silberbach ruft alle Be- gewerkschaftlichen Dachverband dürfnisse gesorgt wird.” Bildung, schäftigten des Öffentlichen in die Pflicht: “Geschichtsverges- Arbeit, Gesundheit, Sicherheit, Dienstes weiterhin zur Vertei- senheit können und dürfen wir Infrastruktur – die Menschen digung der Demokratie auf: “Die uns nicht leisten. Nicht in der hätten begründete ZukunftssorLegitimation unseres Rechtsstaa- Gesellschaft und im Land. Und gen und Fragen. Dies bedrohe tes wird von unterschiedlichen auch nicht als Spitzenorganisati- das Vertrauen in das FunktiSeiten infrage gestellt. Wir im on und Sozialpartner, der für die onieren der Demokratie. “Wir Öffentlichen Dienst dürfen nicht Beschäftigten des Öffentlichen wollen ein klares Bekenntnis: nur auf die Politik schauen und Dienstes spricht.” Gleich- und hochwertige Versorvon dort allein die Bewahrung gung geht vor Wettbewerb. Jeder unseres Staates und unserer Blick auf die aktuellen UmMensch in Deutschland soll sich Gesellschaft erwarten. Wir alle stände darauf verlassen können, dass sind gefordert und als BeschäfSowohl für den Öffentlichen der Öffentliche Dienst überall tigte im Öffentlichen Dienst sogar Dienst als auch für den DBB im Land, egal wo, für ihn da ist. in besonderer Weise. Wir sind gelte deshalb: Wer nicht mit bei- Es ist an der Zeit, dass der Staat Recht und Gesetz verpflichtet. den Beinen fest auf dem Boden wieder wahrhaftig und greifbar Wir dienen immer und zuerst der Verfassung stehe, “für den an der Seite seiner Bürgerinnen der freiheitlich-demokratischen ist bei uns kein Platz”, so der und Bürger steht”, betont der DBB-Bundesvorsitzende. Grund- und Werteordnung, die Vorsitzende.

Nun haben sich die Zeiten verändert: Die Interessenvertretung ist aus der einstigen Juniorpartnerschaft mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), heute beides Verdi, zu einem ernsthaften Player in den Tarifverhandlungen des Öffentlichen Dienstes geworden. Der Name hat sich gewandelt, hin zum DBB Beamtenbund und Tarifunion. Ein Mitgliederzuwachs auf insgesamt 1,3 Mio. hat der damit verbundenen Öffnung für Arbeiter und Angestellte, heute Tarifbeschäftigte, Recht gegeben. Doch rumort es in traditionellen Teilen der Beamtenbundmitglieder von Zeit zu Zeit noch gewaltig. Traditionalisten haben sich bis heute nicht damit angefreundet, dass die DBB-Funktionäre mit Megaphon vom LKW sich wie Arbeiterführer generieren. Auch eine in der Sache für ihre meist angestellten Mitglieder sehr erfolgreiche kleine Mitgliedsorganisation, die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL), stieß wegen des exessiv genutzten Streikrechts vor zwei Jahren intern an Solidaritätsgrenzen. Das Lahmlegen des Zugverkehrs durch Streik entsprach manchem nicht dem Selbstverständnis der Treuepflicht des Beamten. Es bleibt nach wie vor ein Spagat, der aber erst vor wenigen der nun gefeierten hundert Jahre begonnen hat und ein neues Selbstbild erfordert.

Nun hat aber der traditionsreiche Beamtenbund nicht nur mit sich selbst zu tun: Bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) stehen Personalwechsel an und damit die Frage, ob die Kooperation der letzten Jahre so gemeinschaftlich fortgeführt werden kann, oder ob Verdi mehr Chancen in der Konkurrenz denn in der Kooperation sieht. Und auch im Behördenalltag wird der Beamtenbund mehr gebraucht denn je. Er könnte sich verstärkt dem Leistungsprinzip verschreiben und dazu beitragen, dass besonders fähige Beamtinnen und Beamte auf Beförderung hoffen können. Nicht nur das Senioritätsprinzip lähmt die Verwaltung, schlimmer ist die Inanspruchnahme der politischen Parteien offene Planstellen, besonders in Führungspositionen, mit eigenen Leuten zu besetzten. Da geht es nicht um Pressesprecher und Referenten der Minister, sondern um Schuldirektoren und Polizeipräsidenten. Überall Partei. Das schadet dem Öffentlichen Dienst in Qualität und besonders im Ansehen. Daran muss zum Erhalt des Berufsbeamtentums gerade dem DBB daran gelegen sein, hier energischer entgegenzutreten – nicht nur wegen der AfD. Wir brauchen die Besten, die dann loyal im Dienst sind, nicht die die loyal zur Partei waren und deswegen in den Dienst kommen. Also genug zu tun für den Beamtenbund. R. Uwe Proll


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Behörden Spiegel / Dezember 2018

Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur Z

um ersten hatte hatte Infrastruktur noch nie einen so hohen Stellenwert in der Politik wie heute. Politik macht Infrastruktur und Infrastruktur macht Politik (siehe unten auf dieser Seite). Die Meldungen, wie viel in Infrastruktur investiert wird, überschlagen sich, zum Beispiel werden in der Hauptstadt allein in die Schulen über 500 Mio. Euro investiert. Solche Investitionen sind dringend notwendig. Bleiben sie aus, steigert dies das Gefühl, infrastrukturell abgehängt zu sein. Gerade beim Glasfaserausbau sei diese Angst besonders spürbar, wie Dr. Stefan Ostrau, Leiter des Fachbereichs Digitalisierung im Kreis Lippe erläuterte (siehe Seite 25). Und – darin waren sich die Teilnehmer untereinander einig – diese Angst könne sich auch im Wahlverhalten ausdrücken. So positiv und notwendig die Investitionen auch sind, so dürfen zwei Dinge nicht außer Acht gelassen werden. Zum einen darf das Pendel zwischen Sparen und Investieren nicht zu sehr in Richtung Investieren ausschlagen (zweitens), wie es der Grünen-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar im Rahmen einer Diskussion zum Bundesverkehrswegeplan 2030 ausdrückte. Schließlich müs-

Gemeinsam mit dem ländlichen Raum Effizient, nachhaltig, digital: die Infrastruktur der Zukunft (BS/Jörn Fieseler) Die 13 gilt Vielen als Unglückszahl. Nicht so beim Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur des Behörden Spiegel in Berlin. Die über 300 Teilnehmer diskutierten zum 13. Mal über aktuelle Herausforderungen rund um Straßen und Schiene, beim Wohnungsnotstand, in Sachen Luftreinhaltung, über Bildungsangebote und Digitalisierungsmaßnahmen sowie über die Finanzierung und unterschiedlichen Beschaffungsvarianten der dringend benötigten Investitionen. Am Ende standen vier zentrale Ergebnisse.

Ob im Programm oder in kleiner Runde: Im neuen Veranstaltungsort im Herzen Berlins, dem Hotel Adlon, diskutierten auf dem 13. Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur über 250 Interessierte aus unterschiedlichen Kreisen zusammen über die Zukunft der kommunalen Infrastruktur, inwiefern sie die Politik beeinflusst, aber auch über die Bedeutung der ländlichen Räume, die Möbilität von morgen, das Immobillienmanagement und über die neuesten Entwicklungen bei der Infrastrukturgesellschaft. Den ersten Akzent setzte der neue Moderator der Veranstaltung: Staatssekretär a. D. Fritz Rudolf Körper. Fotos: BS/Dombrowsky

sen die vorhandenen Gelder auf die Straße oder die Schiene gebracht werden. Dafür bedarf es weiterer Ressourcen und Kapazitäten nicht nur in der Bauverwaltung, sondern auch in der

Bauwirtschaft. Erstere haben aber im Vergleich zu 2005 die Kapazitäten um 30 Prozent zurückgefahren, letztere sogar um 50 Prozent. Entsprechend muss sich auch die Verwaltung neuen

Methoden gegenüber öffnen, angefangen vom Building Information Modeling (BIM) bis hin zu einem Multi-Projektmanagement. Zum anderen ist drittens auf die Tragfähigkeit der Haushalte zu

achten. Für die Kommunen gilt der Paradigmenwechsel weg von der Frage “Wie viel Geld ist noch da?”, hin zu einer langfristigen Finanzierungsstrategie, in der Projekte priorisiert werden. In

Hoher Investitionsbedarf

Zwei Seiten einer Medaille

Allein 500 Mio. Euro für Berliner Schulen

Infrastruktur bedingt Demokratie und umgekehrt

dieser Frage waren sich die Teilnehmer der sogenannten Kämmerinnen-Runde des Kongresses um Moderatorin Gabriele C. Klug, Kämmerin der Stadt Köln einig (siehe Seite 24). Insgesamt müssen die Kommunalfinanzen so aufgestellt werden, dass sie langfristig tragfähig sind und Handlungsspielräume ermöglichen. Und viertens dürfen die Ballungszentren und ihre aktuellen Herausforderungen wie Wohnungsnotstand, Luftreinhaltung, Bildungsangebote und Digitalisierungsmaßnahmen nicht losgelöst von den ländlichen Räumen betrachtet werden. “Denn Lösungen im ländlichen Raum haben positive Auswirkungen auf Ballungszentren”, ist Franz Löffler, Landrat des ostbayrischen Landkreises Cham, überzeugt. Entsprechend braucht es mehr und vor allem größere Kooperationen.

JETZT VORMERKEN!

Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur Der nächste Kongress findet am 3. Dezember 2019 erneut in Berlin statt. www.oeffentliche-infra struktur.de/

(BS/mfe) In der Bundeshauptstadt finden sich an allen Ecken und Enden (BS/ab) “Infrastruktur ist unsichtbar und wird vielfach nur dann sichtbar, wenn sie Probleme bereitet”, wirft Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer Investitionsnotwendigkeiten und Baumaßnahmen. Das ist zum Teil auch des Deutschen Städtetags, auf. Die Herausforderungen, die sich aus problematischer Infrastruktur ergeben, können eine Demokratie schwächen, Ausdruck dessen, dass Berlin eine wachsende und mittlerweile wieder aber diese auch stärken, wenn sie denn gelöst werden. Hierfür braucht es jedoch Standards und übergreifende Kooperationen. prosperierende Stadt ist. Damit einher gehen jedoch auch mehrere He­ rausforderungen für die öffentliche Verwaltung. Interessen verfolgen”, erläutert Die (Un-)Sichtbarkeit der InDiese benannte Torsten Puhst, Abteilungsleiter für Finanzpolitik und Haushalt in der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen. Da sei zum einen die Notwendigkeit der angemessenen Mittelbereitstellung für die bauliche Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur. Zum anderen müssten nach Jahren des Sparens noch massiv Infrastruktur­ investitionen nachgeholt werden. Das gelte insbesondere für Sanierungsmaßnahmen. Darüber hinaus müssten erhebliche Mittel in die wachsende Stadt mit ihrem großen Bevölkerungswachstum fließen. So brauche Berlin in den kommenden Jahren etwa allein 60 neue Schulen. Die entsprechende Bauoffensive sei mit einem Volumen von rund 500 Millionen Euro “das größte Investitionsprojekt der Stadt Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg”, so Puhst. Und: Es braucht einen Umbau der Stadt hin zu einer “Green City” sowie einer “Smart City”. Dafür bedürfe es einer intelligenteren und nachhaltigeren Infrastruktur als bisher, unterstrich der Abteilungsleiter. Auch müsse mehr Wert auf ein mehrjähriges Denken gelegt werden. Der Investitionsbedarf könne aber voraussichtlich nicht nur über Haushaltsmittel gedeckt und erfüllt werden. Daran ändere auch der für dieses Jahr erwartete Berliner Haushaltsüberschuss von zwei Milliarden Euro nicht. Aus diesem Grunde müsse man darüber nachdenken, weitere Bereiche der

frastruktur gilt für viele Bereiche, unabhängig, ob es sich um Straßen, Bildung oder Internet handle. “Wir reden deshalb oft negativ über diese Strukturen, was kein guter Ausgangspunkt für eine Diskussion ist”, so Dedy. Dabei sei Infrastruktur ein politisches und partizipatives wichtiges Thema. “Denn unsere gewählten Repräsentanten verantworten unsere Strukturen. Wenn ein Projekt gut funktioniert, sieht es keiner und wenn es schlecht verläuft, sorgt es für Diskussionsstoff in den Rathäusern”, sagt der Hauptgeschäftsführer.

Wies auf die erheblichen infrastrukturellen Investitions- und Nachholbedürfnisse Berlins hin: Torsten Puhst, Abteilungsleiter in der Senatsfinanzverwaltung.

Daseinsvorsorge zumindest in Teilen auch durch ihre Nutzer finanzieren zu lassen. Denkbar sei zum Beispiel eine City-Maut. Bisher werde vor allem der Öffentliche Personennahverkehr teilweise nutzerfinanziert. Eine andere Möglichkeit sei das Anlegen von Sondervermögen, etwa für die wachsende Stadt. Grundsätzlich konstatierte Puhst: “Aufgrund voller Kassen haben wir eine gute Zeit für die Finanzierung von Infrastrukturen.” Gleichwohl gebe es Engpässe. Dazu gehörten unter anderem die fehlende Verfügbarkeit von Baufachpersonal, die unzureichenden Kapazitäten der privaten Bauunternehmen sowie – und hier wird er selbstkritisch – optimierbare Behördenabläufe.

Kommunikation gegen das Gefühl Die Volksvertreter wissen, dass Infrastrukturen das Lebens-, Arbeits- und Wohnumfeld bedingen. Gerade deshalb seien Stimmungen wichtig, denn sie prägt die Politik, unterstreicht Dedy. Dementsprechend müsse sich diese mit den Stimmungen ihrer Bürger auseinandersetzen. “Oft entsteht dabei die “Ihr-da-obenwir-hier-unten-Diskussion”, die in regelmäßigen Abständen aufkommt. Meistens spielen sozioökonomische Faktoren hinein, aber die heutigen Diskussionen sind anders.” Teilweise seien manche Bürger hinsichtlich der Infrastrukturen abgehängt, erläutert der Vertreter des kommunalen Spitzenverbandes, teilweise empfänden sie das nur. Dedy sieht in der zweiten Gruppe die eigentliche Herausforderung: “Bei jenen, die wirklich strukturell abgehängt sind, können wir durch

Diskutierten über Infrastruktur als Voraussetzung von Demokratie: Barbara Buhr, Helmut Dedy, Moderator R. Uwe Proll, Ines Jesse und Dr. Andreas Mattner (v.l.).

eine Verbesserung eben dieser wirken. Aber bei all jenen, die “nur” das Gefühl haben, da braucht es die Kommunikation, wo die tieferliegenden Probleme sind.” Aber Infrastrukturen stoppen nicht vor den Landes- oder Stadtgrenzen. “Nur gemeinsam können wir solche Projekte stemmen. Brandenburg und Berlin können froh sein, dass sie sich gegenseitig haben. Müssen jedoch noch mehr kooperieren”, betont Ines Jesse, Staatssekretärin für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg. Vor allem durch die unterschiedlichen Entwicklungen bedingt, sei eine Zusammenarbeit sinnvoll. Während Berlin wachse, werde Brandenburg gerade in den ländlichen Bereichen abnehmen. Deshalb hätten sich beide Länder strategisch neu aufgestellt. “Unsere brandenburgischen Strategien sowie auch den Landesentwicklungsplan haben wir mit den Bürgern entwickelt

und sie über Online-Verfahren beteiligt und ihr Feedback gesammelt.” Die Beteiligungsverfahren könnten zwar noch ausgebaut werden, aber um das Ziel der starken, attraktiven sowie unverwechselbaren Kommunen zu erreichen, seien die bisherigen schon hilfreich. “Ich glaube, je mehr Beteiligung, desto attraktiver wird eine Kommune”, betont die Staatssekretärin. Hinsichtlich der Infrastruktur würden Berlin und Brandenburg alleine in ihrem Projekt “2030” acht Millionen Euro für die Planung des Schienenverkehrs investieren, damit sowohl S- Bahn als auch regionale Strecken zukünftig ausgebaut würden. Neben den Länderkooperationen braucht es aber auch regionale Zusammenarbeit. “Ich sehe zunehmend ein Bedürfnis nach Kooperation zwischen den Städten und dem dazugehörigen ländlichen Raum. Denn diese können teilweise so nah beieinander sein, dass sie gleichwertige

Dr. Barbara Buhr, Rechtsanwältin bei KMPG Law München für den Bereich Solution, Planen und Bauen. Wohnungs- und Geländeknappheit würden zukünftig weiter bestehen bleiben. “Gerade in Ballungszentren müssen deshalb die Großstädte mit den kleineren Kommunen gemeinsam Konzepte und Lösungen erarbeiten.” Dass Kommunen die Investitionen dabei nicht immer alleine bewältigen können, unterstrich Klaus-Peter Hesse, Geschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses. Deshalb brauche es den Schulterschluss mit den Privatinvestoren. Dabei habe Deutschland “riesige Chancen” durch seine Struktur. Es würden viele Kommunen existieren, wo es sich lohne, zu investieren und die deshalb für die Privatwirtschaft attraktiv seien.

Das große Aber… Jedoch gestaltet die Zusammenarbeit sich häufig nicht so einfach: “Die Vergabeprozesse sind schwierig zu verkürzen, da diese oft Interessen schützen sollen. Trotzdem existieren vergaberechtliche Möglichkeiten, um Rügen zu vermeiden”, so Buhr. Wohingegen Dedy weniger den Lösungsansatz bei der “Verschlankung der Verfahren” als vielmehr bei den Prozessen in den Verwaltungen sieht. Gleichzeitig vertritt er ebenso wie Hesse die Meinung, dass die Landesbauordnungen – wo jedes Bundesland seine eigene besitzt – vereinheitlich werden sollten, damit Standardisierungen hinsichtlich der Bauprozesse und Technik möglich seien.


Kongress Öffentliche Infrastruktur

Behörden Spiegel / Dezember 2018

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uftverschmutzung und Wohnungsnot als die scheinbar wichtigsten Handlungsfelder dominieren den politischen Diskurs und verstellen damit den Blick auf die Probleme im ländlichen Raum. Gleichzeitig verhindert diese Fokussierung eine ganzheitliche Herangehensweise – denn Lösungen auf dem Land können positive Auswirkungen in der Stadt haben, ist sich Franz Löffler, Landrat des ostbayerischen Landkreises Cham, sicher. “Wir können die Probleme der Ballungsräume nur lösen, wenn wir den ländlichen Raum als gleichwertig betrachten.” Die fortschreitende Urbanisierung der Lebensräume werfe zwangsläufig die Frage nach der Qualität der ländlichen Regionen auf.

Weite Definition Alle Komponenten der öffentlichen Infrastruktur seien dabei wesentliche Faktoren – etwa die Mobilität, Bildungsangebote, Digitalisierungsmaßnahmen und Arbeitsplätze. Während die Arbeitslosenquote vor einigen Jahren in Teilen “seines” Landkreises “sehr hoch war”, liege sie heute im gesamten Land-

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Daseinsvorsorge im Wirtshaus Bedeutung öffentlicher Infrastruktur für ländliche Räume (BS/Katharina Heidrich) Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland lebt in ländlichen Regionen. Trotzdem verharren die Diskussionen bezüglich Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur oftmals in den Ballungsgebieten. Bayern, als flächengrößtes und zweitbevölkerungsreichstes Bundesland, treibt die ländliche Entwicklung konsequent voran. Ein Blick Richtung Süden lohnt, besonders vor dem Hintergrund der dortigen Arbeitslosenquote, die auf ein historisches Tief von 2,7 Prozent sank. kreis bei knapp 1,9 Prozent, so Löffler. Dies sei auch Folge davon, dass der Begriff “ländlicher Raum” heute weiter gefasst und grenzübergreifend behandelt werde. Mit dem Raum Pilsen in der Tschechischen Republik baue man auf einen gemeinsamen Arbeitsmarkt. Neben der Quantität der Arbeit spiele dabei auch die Qualität von Arbeit eine Rolle, betont der Landrat. Denn nur so könne die langfristige Wertschöpfung für die Regionen und damit verbundene Attraktivität gewährleistet werden.

Behörden aufs Land, Private involvieren Ein weiterer – in Bayern nicht ganz unwesentlicher – Punkt sei das Angebot an Wirtshäusern auf dem Land, die man auch als Kommunikationszentren

seit Langem den Heimatbegriff im Namen eines Ministeriums trägt, zeigt in den letzten Jahren ein Bruttoinlandsprodukt auf, das im ländlichen Raum stärker steigt als in den Ballungsräumen. “Das ist eine gute, dynamische Entwicklung”, urteilt Christian Wunderlich, Abteilungsleiter Landesentwicklung und Heimat in eben jenem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat. Trotz aktueller Herausforderungen in den Ballungszentren dürfen die ländlichen Regionen nicht außen vor gelassen werden, waren sich die Diskutanten um Franz Löffler (mitte) einig. Fotos: BS/Dombrowsky

beschreiben könne, erläutert Löffler. Dies habe die Bayerische Landesregierung erkannt und den Wettbewerb “100 Beste Heimatwirtschaften” gestartet,

bei dem die Sieger neben einem Gütezeichen und einer Urkunde ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro erhielten. Bayern, als das Bundesland, das schon

Dezentralisierung von Behörden und Universitäten Der Freistaat setzt auf eine konsequente Auslagerung von Behörden aus den Großstädten als Infrastrukturmaßnahme. “Es gibt keinen Grund, warum ein Steuerbescheid in einem Ballungsgebiet bearbeitet werden muss”, bekräftigt Löffler

diesen Schritt. Auch Hochschulen werden vermehrt verlagert oder im ländlichen Raum gegründet. “Das war vor 20 Jahren noch undenkbar, heute gibt es eine flächendeckende Verteilung”, so Wunderlich. Studenten könnten so wohnortnah ausgebildet werden und dem örtlichen Arbeitsmarkt komme dies langfristig ebenfalls zugute. Gerade in diesem Lebensstadium beginne für viele die Familienplanung beziehungsweise -gründung, die nicht aufgrund fehlender Jobaussichten vor Ort zeitlich und räumlich verschoben werden müsse. “Es hilft, dass die jungen Leute bleiben”, resümiert Wunderlich.

Privatwirtschaft einbeziehen Man dürfe sich aber bei Infrastrukturprojekten nicht allein auf die öffentliche Hand verlassen, sind sich Löffler und Dr. Michael Frehse, Abteilungsleiter Heimat im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, einig. Es gebe zwar Aufgaben explizit staatlicher Autoritäten, die zur öffentlichen Daseinsvorsorge zählten, so Frehse, allerdings sollten auch diese in Verbindung mit den Privaten gedacht werden.

Effizient, nachhaltig, digital

Zwischen Planwirtschaft und Wettbewerb

Bauprojekte handhabbar machen

Professor Beckers über die Infrastrukturpolitik aus ökonomischer Sicht

(BS/stb) Planen, Steuern, Kontrollieren und Abschließen: Das theoretische Einmaleins des Projektmanagements zu beherrschen, heißt noch nicht, dass größer und komplexer werdende Vorhaben immer vollkommen erfolgreich umgesetzt werden können. Die Berücksichtigung verschiedener interner und externer Interessenlagen und der effiziente Einsatz von Ressourcen und personellen Kompetenzen sind große Herausforderungen.

(BS/iga) Wie sollten die Politik oder die Verwaltung agieren, damit sie die Interessen der Nutzer und der Steuerzahler ernst nehmen? Diese rhetorische Frage richtete Thorsten Beckers, Leiter des Lehr- und Forschungsbereichs Infrastrukturmanagement und Verkehrspolitik an der Technischen Universität Berlin, an die über 300 Teilnehmer des diesjährigen Bundeskongresses Öffentliche Infrastruktur. Der Wirtschaftsingenieur beleuchtete die Infrastrukturpolitik in Deutschland aus ökonomischer Sicht.

Oft müssen Abläufe parallel koordiniert werden. “Es gibt kaum einen öffentlichen Auftraggeber, der nur ein Projekt abwickeln muss”, so Dr. Barbara Buhr, Rechtsanwältin bei KPMG Law München. Das gelte für die Städte genauso wie für den ländlichen Raum. Die Zahl der Projekte nehme als Folge demografischer Verschiebungen und endender Finanzierungsstaus noch zu. Dem stimmte auch Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR), zu. Das Problem: “Wir hatten 20 Jahre lang Finanzierungsprobleme, nun müssen kompetente Bauherren in der öffentlichen Verwaltung erst wieder herangezogen werden.” Die Abarbeitung der Infrastrukturprojekte sei aber dringlich, weil auch die Daseinsvorsorge davon abhänge. Das transparent, termingerecht und effizient zu bewältigen, erfordert eine systematische, projektübergreifende Sichtweise. Für Buhr lautet die Schlussforderung, dass gerade dort, wo Abhängigkeiten zwischen Infrastrukturen bestehen, wie bei Straßenbau und ÖPNV, ein Multiprojektmanagement unverzichtbar sei. “Eine parallele Betrachtung erlaubt nicht nur Beschleunigung und mehr Kosteneffizienz, sondern auch einen gezielteren Einsatz vorhandenen Know-hows.”

Den Betrieb einplanen Aus ihrer Beratungserfahrung berichtete die Rechtanwältin von einem zunehmenden Interesse an Kooperationen zwischen Stadt und Land und bei naheliegenden Gebietskörperschaften mit ähnlichen Zielen. Dem sinnvollen Ansatz stünden aber häufig Befürchtungen entgegen, dabei Vergaberechtsfehler zu begehen oder Fördermittel zu riskieren. Solche Überlegungen stehen in engem Zusammenhang mit der Frage nach dem richtigen Vergabemodell, die vor jedem Projekt gestellt werden sollte, so Jan Laubach, Geschäftsführer der iwb Ingenieurgesellschaft mbH. Es sei schwer, von der klassischen

Form abzuweichen, obwohl Alternativen oft effizienter seien. Problematisch seien vertikale Systembrüche, so Laubach weiter. “Der Betrieb macht rund 70 Prozent der Lebenszykluskosten aus. Wenn er bei Planung und Bau nicht schon berücksichtigt wird, ist Nachhaltigkeit kaum zu erreichen.” Das sieht die Verwaltung nicht anders. So appellierte die BBR-Präsidentin an die öffentlichen Bauherren: “Sie müssen alles im Lebenszyklus betrachten. Bei jedem Projekt ist die letzte Phase mindestens so wichtig wie die erste.”

Digitalisierung geht nur gemeinsam Hier knüpfte Dr. Anna Braune, Leiterin Forschung und Entwicklung bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen an: “Es geht darum, ein neues Qualitätsverständnis zu entwickeln. Auch in Zeiten, in denen man sich vor Aufträgen nicht retten kann, müssen wir es schaffen, weiterzugucken, als bis zur nächsten Baustelle.” Dabei umfasse das Thema Nachhaltigkeit mehr als nur die Energieeffizienz. Auch die Herkunft von Baustoffen spiele eine Rolle. So könne auch die Entsorgung von Schadstoffen beim Abriss die Lebenszykluskosten nach oben treiben, so Braune. “Allein schon die Schadstoffprüfungen sind teuer. Besser wäre es, wenn die Informationen über Zusammensetzung und Herkunft der Baustoffe schon vorliegen.” Das ist nur ein Beispiel für

Chancen von Building Information Modeling (BIM) für nachhaltigeres Bauen und Betreiben. “Das Ziel ist es, Planungsdaten und andere relevante Informationen über alle Phasen zur Verfügung zu haben, ob auf der Baustelle oder später im Betrieb”, erläuterte Sebastian Otto, Referent im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Die Digitalisierung im Baubereich könne die Transparenz erhöhen und dabei helfen, mehr Miteinander zu erreichen. Derzeit treibe das Ministerium das Thema unter anderem in Form von Dialogformaten, einer Forschungsinitiative und verschiedenen Dialogformaten vo­ ran. Mit dem Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur sei ein nationales BIM-Kompetenzzentrum geplant. “Die Initiative muss aber auch von allen anderen Beteiligten ausgehen – nur von oben lässt sich so ein Querschnittsthema nicht durchdrücken”, stellte Otto klar. So gab auch Dr. Tillman Prinz, Geschäftsführer der Bundesarchitektenkammer, zu bedenken: “Wenn die Stakeholder nicht zusammenarbeiten, wird die Digitalisierung auch nicht dazu führen, dass sie es tun.” Und Inga Stein-Barthelmes, Bereichsleiterin Politik/Kommunikation beim Hauptverband Deutsche Bauindustrie, ergänzte: “Am meisten scheitert Digitalisierung an der Angst vor der Veränderung von Strukturen.” Ein Festhalten am Statusquo sei keine Option.

Auf dem Kongress wurde intensiv über besseren Austausch zwischen Projektbeteiligten gesprochen – auch über Lebenszyklusphasen hinweg.

Zu Beginn warf Beckers zwei Fragen auf: Wie sollten bestimmte Gestaltungsentscheidungen gemäß dem aktuellen Stand der Forschung gefällt werden? Und was ist eigentlich der Stand der Forschung?

Ebene endet die zentralistische bzw. monopolistische Planwirtschaft und auf welcher Ebene beginnt damit einhergehend der Wettbewerb alternativer Anbieter?

Schwierige Datenlage “Im Infrastrukturbereich ist es leider nicht einfach, herauszufinden, was der aktuelle Stand der Forschung ist. Wenn eine Theorie beispielsweise im naturwissenschaftlichen Bereich aufgestellt wird, dann gibt es regelmäßig ganz gute Möglichkeiten, um empirisch diese Theorie zu überprüfen. Das ist im Infrastrukturbereich nicht so möglich”, erklärte Beckers. Wenn aber im Infrastrukturbereich eine Gestaltungsempfehlung beispielsweise die Privatisierung sei, dann würde man womöglich erst nach 30 Jahren herausfinden, ob das eine richtige Empfehlung war oder nicht. Beckers widmete sich darüber hinaus der Frage: Auf welcher

Der Professor der Technischen Universität Berlin kritisierte die Planwirtschaft und plädierte dafür, dass der Wettbewerb “ein Stück weiter vorne” anfange. “Private Anbieter bauen nicht im Wettbewerb Autobahnen, denn wir haben eine staatliche Planung, absolute Planwirtschaft”, sagte er. Beckers schlug deshalb vor, dass die auszuschreibende Leistung alternativ die Bereitstellung einer verfügbaren Straße sein könnte.

Nicht im Interesse der Nachfrager

Sieht die staatliche Planung von Infrastrukturvorhaben als Ausdruck der Planwirtschaft an: Prof. Dr. Thorsten Beckers von der TU Berlin.

Auch das Thema ausländische Staatsunternehmen und Staatsfonds, die deutsche Infrastrukturen kaufen, wurde behandelt. Es sei zu erwarten, dass privatisierte Infrastrukturen zunehmend von ausländischen Staatsunternehmen und -fonds gekauft würden. Der Kauf deutscher Infrastrukturen sei aus ökonomischer Sicht nicht im Interesse der Nachfrager in Deutschland, so Beckers.

Ein Aber bleibt Diskussionen um den Bundesverkehrswegeplan 2030 (BS/jf) Am Ende herrschte weitestgehend Einigkeit: Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030 ist ein Masterplan für die Verkehrsinfrastruktur. Wobei sich mancher mehr wünscht, als bislang enthalten ist. “Wir haben mit dem BVWP 2030 den richtigen Rahmen geschaffen, um eine moderne, leistungsstarke Infrastruktur zu schaffen”, unterstreicht Johannes Wieczorek, Leiter der Unterabteilung “Grundsatzangelegenheiten und Strategien für Personen- und Güterverkehr. Und das auf hohem Niveau. Derzeit werden jährlich über 14 Mrd. Euro investiert, am Ende des Finanzplanungszeitraumes 2022 sollen es sogar über 15 Mrd. Euro jährlich sein. Zudem habe beim BVWP ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Dieser drücke sich in vier Kernelementen aus: klaren Finanzierungselementen, dem Erhalt vor Aus- und Neubau, einer klare Prioritätensetzung und in Zusammenhang damit

der Beseitigung von Engpässen an Hauptachsen und Knotenpunkten. Besonders begünstigt im BVWP wird NRW. 217 Projekte hat die Bauverwaltung zu beplanen, führt Elfriede SauerweinBraksiek, Präsidentin des Landesbetriebs Straßenbau NRW, aus. Auch das Land habe den Handlungsdruck erkannt und flankiere den BVWP durch einen eigenen Masterplan Brücken.

Plädoyer für einen Bundesnetzplan Auch aus Sicht der Bauwirtschaft wird der BVWP positiv aufgenommen. In der Vergangenheit seien zwar 90 Prozent der Mittel bei Autobahnen ausgegeben worden, aber nur 55 Prozent der Strecken gebaut

bzw. saniert worden, berichtet Dr. Andreas Geyer, Leiter der Abteilung Wirtschaft im Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). Der neue Plan habe eine neue Qualität, so Geyer. Demgegenüber sieht Stefan Gelbhaar, Mitglied des Deutschen Bundestagestages und Sprecher für städtische Mobilität und Radverkehr von Bündnis 90 / Die Grünen, den Plan nur als eine gute, aber eben nur als eine Zwischenstufe hin zu einem Bundesnetzplan, bei dem auch andere Verkehrsmittel einbezogen werden müssten, insbesondere Radschnellwege. Zudem bemängelt er, dass die Fehler der Vergangenheit, nämlich zu geringe Investitionen, jetzt konterkariert werden sollen. Viel hilft eben nicht immer viel.


Länder

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B

ehörden Spiegel: Frau ­Saebetzki, welche Anforderungen ergeben sich für Führungskräfte durch die Digitalisierung? Saebetzki: Trotz aller Veränderungen sind alte Werte wie Rechtsstaatlichkeit, Gründlichkeit und Genauigkeit nicht passé. Hinzu kommen seit dem Neuen Steuerungsmodell (KGSt) in den 90er-Jahren die Zusammenführung von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung sowie die stärkere Einbeziehung der Mitarbeiter. Heute kommt die Aufgabe dazu, gute Führung auch in unsicheren Zeiten mit häufigen Veränderungen und mehrdeutigen und vielschichtigen Pro-­ blemlagen zu entwickeln und die Digitalisierung des Öffentlichen Dienstes zu gestalten. Immer weniger – schon allein zeitlich – kann es dabei als Führungskraft gelingen, bei jedem einzelnen Mitarbeiter die Umsetzung von Vorgaben zu kontrollieren. Deshalb müssen vor allen Dingen Ziele und politische Vorgaben kommuniziert und Werte vermittelt werden, sodass auf dieser Grundlage Beschäftigte ihre Aufgaben ausgestalten können. Das machen wir schon, es wird mit der Digitalisierung aber noch wichtiger werden. Behörden Spiegel: Wie bereiten Sie aktuelle und künftige Führungskräfte auf diese Aufgaben vor? Saebetzki: Wir haben ein dickes Fortbildungsprogramm. Dies basiert auf einer Abfrage aller Ressorts nach Fortbildungsbedarfen ergänzt durch Angebote, die wir wichtig finden. Besonders stolz bin ich auf unser Intervalltraining für Führungskräfte und unsere Modulreihe Führungstraining. Ersteres richtet sich an angehende oder gerade gewordene Referatsleitungen. Sie sollen die Chance bekommen, ihre Führungsidentität zu entwickeln. In dieser Reihe sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur verschiedene Modelle kennenlernen, wir vermitteln ihnen auch die Werte, die uns wichtig sind und geben ihnen mit, wie wir uns Führung vorstellen. Behörden Spiegel: Was heißt das konkret? Saebetzki: Dazu gehört ein respektvoller Umgang. Wir wollen

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Ziele und politische Vorgaben benennen Mitarbeiter sollen Aufgaben möglichst weitgehend selbst ausgestalten (BS) Die Digitalisierung führt zu veränderten Anforderungen an Führungskräfte im Öffentlichen Dienst. Schon aus Zeitgründen und wegen der auf sie einprasselnden Informationsflut müssen sie sich immer stärker auf die Eigenverantwortung ihrer Mitarbeiter verlassen können. Einen Fokus müssten sie vielmehr auf die Vermittlung von Werten und politischen Zielen legen, meint Dr. Anke Saebetzki im Behörden Spiegel-Interview. Die Fragen an die Abteilungsleiterin für Personal- und Verwaltungsmanagement bei der Bremer Finanzsenatorin stellte Jörn Fieseler. aber auch, dass Mitarbeiter bei Entscheidungen so weit wie möglich einbezogen werden. Die Führungskraft muss sagen, wann sie entscheidet, wann die Mitarbeiter entscheiden und wann es ein gemeinsamer Prozess ist. Deshalb gehören zu dem Intervalltraining die Module Führung, Kommunikation, Zeitmanagement sowie Team- und Projektarbeit. Behörden Spiegel: Und was ist mit der Modulreihe? Saebetzki: Die richtet sich an die nächste Führungsebene wie Abteilungsleitungen oder Geschäftsführer bei Eigenbetrieben. Diejenigen, die nicht mehr in dem Maße in Kontakt mit einzelnen Mitarbeitern treten können, müssen sich auf andere Dinge vorbereiten. Neben Leadership und wertorientierter Führung lernen die Absolventen dieser Reihe auch, Projekte zur Verwaltungsmodernisierung zu initiieren, Gruppen effektiv zu steuern, sowie Methoden agiler Führung. Diese Reihe ist jetzt zum vierten Mal gestartet. In beiden Reihen achten wir zudem sehr auf die kollegiale Beratung. Hierbei unterstützen Kollegen sich gegenseitig bei der Bewältigung schwieriger Situationen. Das kostet uns nichts, ist aber sehr wertvoll. Ich glaube, kollegiale Beratung von Führungskräften untereinander ist eine der effektivsten Weiterbildungsmöglichkeiten überhaupt. Behörden Spiegel: Warum? Saebetzki: Zum einen kennen die Kollegen die Situation und die Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung. Zum anderen gibt es manchmal keine anderen Ansprechpartner, die die Lage von außen einschätzen können. Deswegen trainieren wir die kollektive Beratung und deren Methoden so intensiv mit beiden Zielgruppen und wirken darauf hin, dass sie sich auch nach Abschluss der Fortbildung weiter-

hin treffen und so ihr Netzwerk aufbauen. Die erste Gruppe aus der Modulreihe trifft sich seit vier Jahren einmal im Monat. Das entzückt mich.

aus finanziellen Gründen noch nicht das Thema Coaching angegangen.

Behörden Spiegel: Wie läuft die kollegiale Beratung methodisch ab?

Behörden Spieg e l : Inw iefern lassen sich im Rahmen der Personalentwicklung Karrierepfade aufzeigen und Fortbildungen darauf passgenau planen?

Saebetzki: Es gibt verschiedene Schemata. Wir haben uns auf Folgendes geeinigt: Zuerst stellt jemand sein Anliegen vor. Anschließend wird geklärt, ob das Anliegen von allen verstanden wurde, erst danach geben die Kollegen Tipps und Lösungsmöglichkeiten. Das letzte Wort hat der Anliegengeber. Er teilt mit, welche Antworten für ihn hilfreich waren. Behörden Spiegel: Wie viele Fortbildungstage bekommt eine Führungskraft in Bremen? Saebetzki: Das lässt sich nicht pauschal beantworten, da die eigentliche Personalentwicklung natürlich in den Ressorts dezentral organisiert ist. Wir unterstützen von zentraler Stelle und stellen die Instrumente bereit. Die beiden Reihen dauern in der Regel eineinhalb bis zwei Jahre. Sie sind etwas zeitintensiver. Normalerweise sind zwei Fortbildungen im Jahr Standard. Wir haben nichts Konkretes vorgeschrieben. Allerdings denken wir mit dem Gesamtpersonalrat darüber nach, ob es nicht sinnvoll wäre, bestimmte Fortbildungen verpflichtend zu machen. Wir haben aber noch kein Ergebnis dazu. Behörden Spiegel: Und wie sieht es mit der Finanzierung aus? Saebetzki: Es ist uns gelungen, auch in der schwierigen Zeit der Einsparungen trotz aller Sparmaßnahmen ein Budget für Fortbildungen zu erhalten. 2019 ist das letzte Jahr der Haushaltskonsolidierung, dann haben wir ein kleines bisschen mehr Spielraum als jetzt. Wir sind bisher

Saebetzki: So etwas kann der Öffentliche Dienst nicht machen, das müssen wir auch unseren neueingestellten Nachwuchskräften sagen. Jede Stelle ist auszuschreiben, weil nach Art. 33 GG jeder Zugang zu einem öffentlichen Amt haben muss. Es kann allerhöchstens im Auswahlprozess von Bedeutung werden, wie viele Fortbildungen jemand bereits absolviert hat. Aber eigentlich sollte viel wichtiger sein, was der- oder diejenige davon behalten hat. Wir können selbstverständlich die Voraussetzungen schaffen, damit die Leute richtig gute Chancen haben. Das machen wir gerne. Aber das muss reichen und es reicht auch. Behörden Spiegel: Sie haben vorhin die agile Führung erwähnt. Welche Bedeutung hat Agilität in der öffentlichen Verwaltung? Saebetzki: In vielen Bereichen überhaupt keine. Nehmen Sie die Bescheiderstellung. Die muss gründlich und richtig erfolgen. Sachverhalte sind zu prüfen, es muss Ermessen ausgeübt werden. Dafür brauchen die Sachbearbeiter Zeit. Natürlich wird dieser Bereich auch durch die Digitalisierung erfasst. Aber im Kern haben sich hier bisherige Methoden bewährt. Das hat die deutsche Verwaltung stark gemacht, das wollen wir erhalten. Auf der anderen Seite haben wir auch Bereiche, wo wir neue Ideen brauchen, wo wir schneller

Dr. Anke Saebetzki ist Leiterin der Abteilung Personal- und Verwaltungsmanagement bei der Senatorin für Finanzen der Hansestadt Bremen. Foto: BS/Bremer Senatoren für Finanzen

werden müssen und die alten Methoden zu langsam sind. Hier müssen wir überlegen, welche Methoden wir aus der Softwareentwicklung übernehmen wollen, wo die agile Arbeitsweise eigentlich herkommt. Ich finde, das Design-Thinking passt wunderbar auf die öffentliche Verwaltung. Wir müssen die Prozesse vom Kunden oder vom Bürger aus denken und organisieren. Behörden Spiegel: In Bremen gibt es ein Büro für Veränderungsund Projektmanagement. Welche Rolle spielt das sogenannte VBüro in diesem Zusammenhang? Saebetzki: Wir haben innerhalb der Verwaltung viele Projekte, aber nicht immer die Kapazitäten und die Kompetenzen, um diese zu managen. Außerdem werden wir künftig viel mehr Vorhaben haben, die besser als Projekt organisiert werden können als in der Linie. Deshalb hatten wir den Kerngedanken, eine Einheit für Projektleitungen ins Leben zu rufen, das ist das V-Büro. Dazu wollten wir ursprünglich das notwendige Personal von außen holen, das hat aber nicht geklappt. Es ist schwer, erfahrene Projektleitungen zu finden, die mit den Rahmenbedingungen des Öffentlichen Dienstes vertraut sind und sich auf diese Arbeit einlassen. Folglich haben wir Beschäftigte, die schon kleinere Projekte geleitet haben, im V-Büro zusammengezogen. Die qualifizieren wir so, dass sie auch große Projekte leiten können. Anschließend leihen wir sie an die Ressorts aus.

Zwischen Freude und Kopfzerbrechen

Behörden Spiegel: Heißt das, in den Ressorts sind keine eigenen Projektleiter? Saebetzki: Doch. Teilweise gibt es dort noch eine fachliche Projektleitung, denn die fachliche Verantwortung bleibt immer im Ressort. Außerdem werden weitere Projekte durch die Ressorts selbst geleitet. Die Mitarbeiter des V-Büros bringen die Methodenkompetenz und den Blick von außen ein. Sie koordinieren mehr das Projekt. Auch hier spielt die kollegiale Beratung eine große Rolle, damit die Projektleitungen – solche aus dem V-Büro und die aus den Ressorts – sich untereinander austauschen und gegenseitig voneinander lernen. Behörden Spiegel: Wie lange gibt es das V-Büro schon und welche Erfahrungen haben Sie bislang gemacht? Saebetzki: Das Büro gibt es seit knapp drei Jahren, es hat bisher sehr gute Erfolge gebracht. Die Ressorts fragen stetig nach den Projektleitungen und auch die Personen selber haben das Gefühl, dass ihre Arbeit als sehr hilfreich wahrgenommen wird. Aber das sind wertvolle Ressourcen, die zentral finanziert werden, deshalb ist es wichtig, dass der Senat entscheidet, wie die Mitarbeiter eingesetzt werden. Zudem haben wir aktuell nicht alle der sechs Stellen besetzt. Behörden Spiegel: Und wie können die Ressorts auf die Kapazitäten des V-Büros zugreifen? Saebetzki: Wir entwickeln gemeinsam mit den Fachressorts einen Projektauftrag. Darauf legen wir sehr viel Wert, um zu sehen, ob das Vorhaben überhaupt geeignet ist, als Projekt durchgeführt zu werden. Auch wollen wir von vornherein die Klarheit, was das Ziel des Projektes ist und wie es strukturiert ist. Auf dieser Basis gibt es einen Projektauftrag. Dieser enthält eine Vereinbarung mit dem Fachressort, wer zu welchen Anteilen die Projektleitung wahrnimmt. Anschließend werden die Projekte in das Modernisierungsprogramm “Zukunftsorientierte Verwaltung” aufgenommen. Über dessen Umsetzung entscheidet, wie bereits angesprochen, der Senat.

MELDUNG

Nicht mehr zeitgemäß

Bundesländerindex zeigt, wo wir stehen

(BS/mfe) Notrufe in Deutsch-

(BS/ab) Im “Bundesländerindex Mobilität & Umwelt 2018/19” belegt Baden-Württemberg im Gesamtranking den ersten Platz vor Thüringen auf Platz zwei und Rheinland-Pfalz. In den land sind immer noch fast ausfünf Kategorien “Verkehrssicherheit”, “Lärmminderung”, “Flächenverbrauch”, “Klimaschutz” und “Luftqualität” des Indexes dominiert jedoch jedes Mal ein anderes Bundesland. schließlich über Sprache mögFür die Bewertung basiert die Studie zu 60 Prozent auf statistischen Veränderungen und Werten in den Ländern und zu 40 Prozent auf politischen Zielvorgaben. “Wir sind der festen Überzeugung, dass Verkehrspolitik eine Gestaltungsaufgabe ist. Reine Statistik wäre ein Blick in den Rückspiegel und würde damit der Gestaltungsaufgabe – dem Blick nach vorne – nicht gerecht”, erläuterte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene e. V. und Mitherausgeber. In Sachen nachhaltige Mobilität würden alle Bundesländer in den Kinderschuhen stecken, auch die Spitzenreiter, merkte er kritisch an. “Aber die, die sich auf den Weg gemacht haben, ermutigen wir, weiterzugehen. Jene, die weiter hinten sind, können aus den Erfolgen der anderen etwas für sich selbst lernen.”

Von der Sicherheit bis zur Luft In dem Bereich Verkehrssicherheit belegt Hessen den ersten Platz. Zum einen hat es seine Schwerverletzten und Verkehrs-

toten reduziert, zum anderen hat durch Alleen stürben, so Kellner. es das politische Ziel, bis 2020 Im Bereich Lärmminderung erLetztere um 25 Prozent – ausge- klimmt Baden-Württemberg den hend vom Jahr 2015 – zu redu- Spitzenplatz. Zwar liegt es hinzieren. Christian Kellner, Haupt- sichtlich des Verkehrslärms mit geschäftsführer des Deutschen 3,4 Prozent im Mittelfeld. Jedoch Verkehrssicherheitsrats, sieht weist es als einziges Bundesland die Entwicklungen gemischt: neben Berlin ein Minderungs“Zum ersten Mal haben wir seit ziel auf, die Zahl der durch Ver2011 ein Bundesziel – minus kehrslärm Betroffenen bis 2020 40 Prozent Verkehrstote – und um 20 Prozent und bis 2030 um bereits jetzt ist deutlich, dass 50 Prozent zu reduzieren. wir dieses nicht erreichen werBeim Flächenverbrauch hat den.” Wiederum sei er “froh, dass Rheinland-Pfalz die Nase vorn. wichtige Bundesländer wie Berlin Es unterschreitet bereits heute oder Baden-Württemberg enorme die Zielvorgaben des UmweltEntwicklungen vollziehen”. Wo- bundesamtes für den täglichen bei ein Land das Bundesziel erreichen könnte: MecklenburgVorpommern. Es befinde sich auf dem “Zielkorridor”, obwohl Flächenländer benachteiligt seien, An vielen Ecken und Enden hapert es, dies zeigt der Bunweil dort vie- desländerindex, gleichzeitig wird Abbhilfe geschaffen. le Menschen Foto: BS/Schwoaze, CC0, pixabay.com

Flächenverbrauch im Jahr 2020 (1,5 Hektar). Zudem ist es eines der Bundesländer, in dem der Verkehrsflächenbestand pro Einwohner seit 2010 sinkt. Beim Klimaschutz ist Berlin Spitzenreiter. Zum einen beschloss die Landespolitik, dass die Treibhausgase bis 2050 um 77 Prozent niedriger als 1990 sein sollen. Wodurch sie damit über das Bundesziel (40 Prozent bis 2030) hinausgeht. Gleichzeitig werden 1,6 Tonnen CO2-Emissionen pro Einwohner im Verkehrssektor (2014) ausgestoßen, womit es bundesweit hervorsticht. Hinsichtlich der Luftqualität hat Thüringen die Führung. Zum einen hatte es 2017 die geringste Feinstaub-Konzentration sowie die beste Entwicklung aller Länder seit 2012. Aber auch bei Stickstoffdioxid hielt es den Grenzwert im Jahresmittel 2017 ein.

Kopfzerbrechen bleibt Die Parlamentarische Staatssekretärin Rita SchwarzelührSutter aus dem Bundesumweltministerium äußerte sich positiv

bezüglich der Studie: “Der Mobilitätsindex ist sehr wichtig, damit wir wissen, wo wir stehen.” “Kopfzerbrechen” würden insbesondere die Treibhausgase bereiten, welche angestiegen seien. “Wir müssen diese vor allem im Verkehrssektor reduzieren. Bis 2050 müssen wir klimaneutral unterwegs sein, wenn die Pariser Ziele eingehalten werden sollen.” Bezüglich der Stickoxide (NOX) würden jedoch Fortschritte gemacht. “Die Maßnahmen wirken durchaus. Die NOX-belasteten Städte nehmen ab, die Feinstaubbelastung ebenso.” Schwieriger werde es, den Flächenverbrauch weiter zu reduzieren. “Wir peilen 60 Hektar in der Fläche an, wovon 30 Prozent auf den Verkehr entfallen. Ihn auf 30 Hektar zu begrenzen ist herausfordernd.” An der Studie nahmen dieses Mal, mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, alle Bundesländer teil. Die statischen Daten entstammen dem Statistischen Bundesamt, dem Umweltbundesamt sowie den Länderarbeitskreisen.

lich. Dies erschwert ihr Absetzen durch Menschen mit Behinderungen, etwa Sprach- oder Hörgeschädigte. Das sei nicht mehr hinnehmbar, sagt der Leiter der IT-Abteilung der Berliner Feuerwehr. Bernhard Harz kritisiert: “Das Notrufwesen ist nicht mehr zeitgemäß.” Zwar laufe der Entwicklungsprozess eines bundesweiten Notruf-App-Systems bereits. Bisher sei die Idee aber nur in den Gremien der Innenministerkonferenz (IMK) diskutiert worden. Hier sei auch ein zustimmender Beschluss gefasst worden. Abgeschlossen sei der Prozess jedoch noch nicht, berichtet Harz. Das Saarland ist, was die Barrierefreiheit des Notrufes betrifft, schon weiter als zahlreiche andere Bundesländer. Dort haben hör- und sprachbehinderte Menschen inzwischen eine weitere Möglichkeit, in einer Notlage die Polizei, die Feuerwehr oder den Rettungsdienst zu alarmieren. Ihnen wird die Chance eingeräumt, eine Nothilfe-SMS zu verschicken. Bisher konnten sie nur ein Fax an die Notrufnummern senden.


Finanzen

Behörden Spiegel / Dezember 2018

D

iese solle Schwerpunkte auf zukunftsbezogene Ausgaben legen, Subventionen und Vergünstigungen auf den Prüfstand stellen, Kernbereiche im Haushalt finanziell auf Dauer absichern und das gute wirtschaftliche Umfeld nutzen, um echte Haushaltsspielräume zu schaffen, forderte Scheller weiter. Dazu gehöre auch der Einstieg in den Schuldenabbau, denn das niedrige Zinsniveau werde nicht ewig so bleiben. Mit dem Haushalt 2019 plane die Bundesregierung zum fünften Mal in Folge einen Haushalt, der ohne Nettokreditaufnahme in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen ist. Dieses Ziel solle aber ohne Konsolidierungsschritte erreicht werden. Stattdessen seien zusätzliche Ausgaben und steuerliche Entlastungen vorgesehen, vor allem mit weiteren Leistungsverbesserungen bei der Rente und der Festschreibung einer doppelten Haltelinie sowie zur Unterstützung originärer Länderaufgaben insbesondere im Bereich von Kitas, der schulischen Bildung und der sozialen Wohnraumförderung. Zudem seien bereits im Haushalt 2018 weitere ­teure Vergünstigungen eingeführt worden, wie das Baukindergeld. Eine umfassende kritische Bestandsaufnahme

Scheinsicherheit und Pausenmodus BRH fordert nachhaltige finanzwirtschaftliche Strategie (BS/gg) “Die günstigen Rahmenbedingungen für den Bundeshaushalt erzeugen Scheinsicherheit”, erklärte der Präsident des Bundesrechnungshofes (BRH) Kay Scheller anlässlich der Vorstellung der Bemerkungen 2018. “Der Bundeshaushalt gerät immer stärker unter Druck. Eine expansive Ausgabenpolitik und ausbleibende Konsolidierung nehmen dem Haushalt die Luft zum Atmen. Dabei brauchen die Bundesfinanzen Raum, damit die Politik auf die anstehenden Herausforderungen reagieren kann, ohne in die Verschuldung abzugleiten.” Notwendig sei, so Scheller, eine nachhaltige Finanzpolitik.

BRH-Präsident Kay Scheller fordert, die Ausgaben und die zahlreichen steuerlichen Vergünstigungen für verschiedene Interessengruppen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Foto: BS/Bundesrechnungshof

des Bundeshaushalts finde nicht statt. Sie wäre gerade in Zeiten gesamtwirtschaftlich günstiger Rahmenbedingungen geboten. “Konsolidierung ist kein Selbstzweck. Sie trägt dazu bei, dass die Politik auch in Zukunft auf Basis nachhaltiger Finanzen hand-

­Schlüssel für Wachstum Investitionsausgaben steigen 2019 auf 38,9 Mrd. Euro (BS/iga) Beim diesjährigen Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur wurde auch über das Budget und die Investitionsausgaben des Bundes diskutiert. Dabei ging es vor allem um die Frage: Wie viel Geld wird der Bund in die öffentliche Infrastruktur investieren? Edgar Pairan, Referatsleiter für “Baufachliche Angelegenheiten und Große Baumaßnahmen” im Bundesministerium der Finanzen, wies darauf hin, dass eine effiziente, nachhaltige öffentliche Infrastruktur als Schlüssel für Wachstum und Wohlstand in der Bundesregierung angesehen wird. Die Ausgaben des Bundes für Investitionen steigen im Jahr 2019 um 1,5 Milliarden auf 38,9 Milliarden Euro; diese Ausgaben werden dann bis 2020 auf einem Niveau von rund 38 Milliarden Euro verstetigt. “Das ist aber nur eine Planung. Es besteht die Möglichkeit, dass diese Ausgaben angepasst werden müssen”, sagte Pairan. Zu den “klassischen” Verkehrsinvestitionen gehören der Bundesstraßenbau, die Bundesschienenwege, die Wasserstraßen und der kleinere Bereich Kombinierter Verkehr, wie Pairan erklärte. Für diese Verkehrsinvestitionen stehen insgesamt 15 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung. Die Ausgaben für die Verkehrsinvestitionen bewegten sich von 2008 bis 2015 immer bei zehn Milliarden Euro. “Jetzt haben die Ausgaben bei über 14 Milliarden Euro deutlich angezogen. Und es ist zu erwarten, dass sie zum Ende des Finanzplans im Jahr 2022 auf 15,2 Milliarden Euro ansteigen werden”, sagte er. Darüber hinaus gebe es im Haushalt weitere Ausgaben, die zwar nicht als Investitionsausgaben abgebildet seien, die aber wichtig für die künftige Leistungsfähigkeit der Wirtschaft seien. Dazu zählten unter anderem die Bereiche Bildung, Wissenschaft oder Forschung. Neben diesen Investitionsausgaben hat die Bundesregierung drei sogenannte Sondervermögen für diverse Zwecke eingerichtet: den Energie- und Klimafonds, den Kommunalinvestitionsförderungsfonds und das Sondervermögen “Digitale Infrastruktur”. “Das Sondervermögen Energieund Klimafonds trägt zur Sichtbarkeit und Verlässlichkeit der Energiewende und des Klimaschutzprogramms bei. Hierfür werden von 2019 bis 2022 insgesamt 3,4 Milliarden Euro investiert und veranschlagt. Davon im nächsten Jahr 772 Millionen Euro”, berichtete Pairan. Das Geld des Energie- und Klima-

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fonds fließt unter anderem in die CO2-Gebäudesanierung und in die Forschung und Entwicklung Erneuerbarer Energien und neuer Speichertechnologien. Aufgrund schwieriger Haushaltslagen fehlen vielen Kommunen nach wie vor die finanziellen Spielräume für dringend notwendige Investitionen in die kommunale Infrastruktur. Über den Kommunalinvestitionsförderungsfonds stellt der Bund den Ländern Finanzhilfen zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen zur Verfügung, heißt es aus dem Bundesministerium der Finanzen. Für diesen Fonds ist eine Finanzhilfe in Höhe von sieben Milliarden Euro von 2015 bis 2020 vorgesehen. Um den Breitbandausbau und die Digitalisierung von Schulen voranzutreiben, hat die Bundesregierung die Einrichtung des Sondervermögens “Digitale Infrastruktur” auf den Weg gebracht. 2,4 Milliarden Euro aus Steuermehreinnahmen stehen bereits im Jahr 2018 für dieses Vorhaben zur Verfügung. “Der Bund investiert also relativ viel, jetzt müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, was mit dem Geld passiert”, schloss Pairan. Janina Oest, Referentin im Bereich Infrastrukturfinanzierung bei der KfW Bankengruppe, verwies auf den Investitionsrückstand in den Kommunen. “Das Problem ist, dass die Investitionen insbesondere in strukturschwachen Kommunen oder in Regionen mit einem hohen Investitionsrückstau geringer ausfallen”, erklärte sie. “Ich begrüße, dass der Bund jetzt über mehr Fördermittel verfügt, aber man kann nicht erwarten, dass ein solcher Stau binnen kürzester Zeit abgebaut wird”, sagte Oest. Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass 20 Prozent der Kommunen keinen ausgeglichenen Haushalt hätten und somit keinen KfW-Kredit aufnehmen können, berichtete sie.

lungsfähig bleibt”, so Scheller. “Staatliches Handeln soll nicht auf Kosten anderer öffentlicher Güter oder zulasten künftiger Generationen gehen. Dies erfor-

dert einen tragfähigen Haushalt und eine Politik, die Überkommenes abstellt, zukunftsgerichtet investiert und den Abbau von Altschulden nicht aus dem Blick verliert.” Der demografische Wandel befinde sich zwar noch im “Pausenmodus”, doch schon jetzt stiegen die Kosten deutlich. Die Leistungen des Bundes an die Rentenversicherung sollen von 98,1 Mrd. Euro im Jahr 2019 (27,5 Prozent) auf 110 Mrd. Euro im Jahr 2022 (29,3 Prozent) steigen – ohne Berücksichtigung der nun beschlossenen zusätzlichen Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (Mütterrente II, “Doppelte Haltelinie”). Trotz der vorgesehenen Stärkung der Investitionen in den Erhalt und die Modernisierung

der Infrastruktur verharre die Investitionsquote bei zehn Prozent. Die wachsenden Hilfen für Länder und Gemeinden belasteten den Bund erheblich; im laufenden Jahr 2018 entlaste der Bund die Länder und Kommunen mit 80,5 Mrd. Euro. Im Jahr 2020 kämen durch die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen jährlich weitere zehn Mrd. Euro hinzu. Die Finanzierung von Kernaufgaben der Länder und Gemeinden werde ohne Rücksicht auf die föderale Kompetenzverteilung des Grundgesetzes ausgebaut; der Bund reklamiere so eine finanzielle Allzuständigkeit. Hinzu kämen Risiken auf europäischer Ebene. Neben der Abwicklung der Hilfen zur Bekämpfung der europäischen

Staatsschuldenkrise bärgen vor allem der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (Brexit) und der neue siebenjährige Finanzrahmen (2021 bis 2027) für den EU-Haushalt sowie die vorgesehene europäische Bankenunion finanzwirtschaftliche Risiken für den Bundeshaushalt. Ein Wegfall des Solidaritätszuschlags würde ab 2020 jährliche Mindereinnahmen von etwa 20 Mrd. Euro bedeuten, die anderweitig ausgeglichen werden müssten. Nach den Erfahrungen mit der verfassungswidrigen Kernbrennelementesteuer sollte der Abbau des Solidaritätszuschlags verfassungsfest ausgestaltet werden. Es sei daher fraglich, ob die im Finanzplan hierfür erst ab dem Jahr 2021 reservierten Mittel von 20 Mrd. Euro ausreichten. “Diese Herausforderungen machen eine nachhaltige finanzwirtschaftliche Strategie notwendig”, so Scheller. Hierzu sollten die Ausgaben und die zahlreichen steuerlichen Vergünstigungen für verschiedene Interessengruppen einer kritischen Überprüfung unterzogen werden, fordert der BRH-Präsident.


Beschaffung / Vergaberecht

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Beim geförderten Breitbandausbau unnötig?

Behörden Spiegel / Dezember 2018

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Zum häufig bestehenden Missverständnis in Ausbauprojekten (BS/Christine Grau, LL.M./Markus Lennartz) Immer wieder stößt man auf die Annahme, dass im geförderten Breitbandausbau die Vorschriften des Vergaberechts nicht anwendbar seien. Die Vorschriften des § 116 Abs. GWB sowie des § 149 Nr. 8 GWB legen dies nahe, da der Bau bzw. der Betrieb eines Breitbandnetzes und somit eines Kommunikationsnetzes im Sinne dieser Vorschriften Gegenstand des geförderten Breitbandausbaus ist. Dies führt stellenweise so weit, dass die strengen Vorgaben des Vergaberechts, insbesondere hinsichtlich der Formulierung der Zuschlagskriterien und der Unveränderbarkeit der Vergabebedingungen, ignoriert werden. Doch so einfach kann man es sich nicht machen. Die Vorschriften, auf denen der geförderte Breitbandausbau beruht, sehen ausdrücklich vor, dass die Vergabe der Beihilfe nicht gegen die zwingenden Grundsätze des Vergaberechts verstoßen darf. Insbesondere sind Transparenz-, Diskriminierungs- und Gleichbehandlungsgebot zwingend zu beachten. Entsprechend den “Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau (2013/C 25/01)” ist ein wettbewerbliches Auswahlverfahren zwingend erforderlich (vgl. RN 78 c). Das betreffende Auswahlverfahren muss mit dem Geist und den Grundsätzen der EU-Vergaberichtlinien im Einklang stehen. Die Ausschreibung muss für alle Unternehmen, die beabsichtigen, ein Angebot für die Durchführung des geförderten Projekts zu unterbreiten, transparent sein. Die Verpflichtung zur Einhaltung des Vergaberechts ist dementsprechend auch in der “Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des Aufbaus einer flächendeckenden Next-Generation-Access(NGA)-Breitbandversorgung” festgelegt: So sieht § 5 Abs. 4 vor, dass die Bestimmungen des Haushalts- und Vergaberechts zu beachten sind, die Ausschreibungen müssen mit dem Geist und den Grundsätzen der EU-Vergaberichtlinie in Einklang stehen. Diese Verpflichtung ist ebenfalls in Ziffer 5.3 der Förderrichtlinie des Bundes niedergelegt. Das führt letztlich zur Anwendung vergaberechtlicher Grundsätze und damit weitegehend zu einer analogen Anwendung der vergaberechtlichen Vorgaben.

Am Ende droht die Rückforderung Von diesen Verpflichtungen kann man sich daher nicht einfach lösen, indem man in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabebedingungen darauf hinweist, dass man aufgrund § 116 Abs. GWB bzw. § 149 Nr. 8 GWB nicht an das Vergaberecht gebunden sei. Im Zweifelsfall hat die Kommune, welche die Beihilfe ausschreibt, zu beweisen, dass die Ausschreibung mit dem Geist und den Grundsätzen der EUVergaberichtlinie in Einklang stand. Wird im Vergabeverfahren gegen zwingende Vorschriften des Vergaberechts verstoßen, beste-

Änderungen an der Leistung finden ihre Grenze darin, dass der Gegenstand der Vergabe das in der Auftragsbekanntmachung benannte Beschaffungsziel bleiben muss. Zwar sind Präzisierungen und auch Änderungen der geforderten Leistung Christine Grau, LL.M., und Markus Lennartz sind beide Salaried Partner der Sozietät Heuzulässig, z. B. bei unking Kühn Lüer Wojtek in Frankfurt am Main. wesentlichen Änderung von AdressdaFotos: BS/ Kanzlei Heuking Lüer Wojtek ten, es darf aber im Ergebnis nicht etwas hen hieran zumindest erhebliche anderes beschafft werden als in Zweifel, die nur schwer bis gar der Auftragsbekanntmachung nicht ausgeräumt werden kön- angegeben. nen. Grundlegende Fehler können daher bis zu einer Rückfor- Auftrag kann nichtig sein derung von Fördermitteln führen. Die Änderung der Ausbauziele Daher ist zu empfehlen, die von Bandbreiten, die mit FttCVorschriften, die in der EU-Ver- Technik hin zu Bandbreiten, die gaberichtlinie und den darauf nur mit einem FttB-Ausbau reberuhenden Rechtsvorschriften alisiert werden können, ändert im Gesetz gegen Wettbewerbs- regelmäßig den Auftragsgegenbeschränkungen (GWB), der stand in technischer Hinsicht weVergabeverordnung (VgV), der sentlich ab. Insbesondere dürfte Konzessionsvergabeverordnung sich in einem solchen Fall der (KonzVgV) oder der VOB nieder- Kreis der an dieser Ausschreigelegt sind, zu beachten. bung interessierten Bieter änDes Weiteren ist zu berück- dern, sodass die mit geringeren sichtigen, dass die Kommunen Zielbandbreiten veröffentlichte an die eigenen Angaben in der Vergabe regelmäßig aufzuheben Auftragsbekanntmachung so- und ein neues Vergabeverfahren wie in den Vergabebedingungen mit höheren Zielbandbreiten zu gebunden sind. Abweichungen beginnen wäre. Ein Verstoß hiergegen kann hiervon sind nur im Rahmen der vergaberechtlichen Vorschriften gravierende Folgen haben. Im Falle eines Verstoßes gegen die möglich. Beispielsweise stellen sich zur- vergaberechtlichen Vorgaben, ist zeit viele Kommunen die Frage, die Beihilfe für die Errichtung ob sie die in der Bundesförder- oder den Betrieb der Infrastrukrichtlinie in der Fassung vom 3. turen z. B. nicht von der AnmelJuli 2018 enthaltene Upgrade- depflicht gem. Art. 108 Abs. 3 Möglichkeit auf FttB wahrneh- AEUV freigestellt. Die Aufträge men. Dies dürfte in den meisten können dann sogar gem. § 134 Fällen im laufenden Vergabever- BGB nichtig sein. Auch wäre eine auf dieser fahren nicht möglich sein. Änderungen an der Leistung dürfen Grundlage ausgezahlte Beihilnicht zu einer wesentlichen Än- fe rechtswidrig und der daher derung des Vergabegegenstandes rechtswidrig erlangte Wettbeführen. Dies würde gegen den werbsvorteil gemäß Art. 108 Grundsatz der Transparenz und Abs. 3 AEUV abzuschöpfen. Das bedeutet letztlich, die Beihilfe des Wettbewerbs verstoßen müsste gegebenenfalls vollumfänglich zurückgefordert werden. Die gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Behandlung aller Bieter auf der Grundlage Die Änderungen der Breitbandförderrichtlinie stehen im Mitobjektiver Beurteilungskriterien telpunkt des Seminars “Update ist unverzichtbare Voraussetzung Breitbandförderrichtlinie” am für eine ordnungsgemäße Zuwen24. Januar 2019 in Hamburg. dung. Die genaue Beachtung der Weitere Information und AnVergabevorschriften führt daher meldung unter : www.fuehrungs nicht nur zu einem reibungslosen kraefte-forum.de, Suchwort Verfahrensablauf, sondern auch “Förderrichtlinie” zu einer rechtssicheren Auszahlung der Beihilfe.

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5.000 Euro Preisgeld Bewerbungsphase läuft bis 31. März 2019 (BS/jf) Bereits zum achten Mal soll der International Public Procurement Award (IPA) durch das forum vergabe e. V. vergeben werden. Damit werden herausragende wissenschaftliche Arbeiten zum nationalen, europäischen oder internationalen Vergaberecht gewürdigt. Bewerben können sich junge Autoren aus Europa im Alter bis zu 35 Jahren, die in der Zeit vom 30. Oktober 2017 bis zum 31. März 2019 ihre Master- oder Diplomarbeit, Dissertation, Habilitationsschrift oder Monografie fertiggestellt haben. Als Datum der Fertigstellung gilt bei Arbeiten zur Erlangung eines Abschlusses oder wissenschaftlichen Grades entweder das Datum der mündlichen Prüfung oder des Zweitgutachtens. Für Monografien das der erstmaligen Einsendung des Manuskriptes an einen Verlag. Die Arbeiten müssen in zweifacher Auswertung in englischer

oder deutscher Sprache beim forum vergabe e. V. eingereicht werden. Ebenso vorliegende Gutachten sowie ein Lebenslauf. Sämtliche eingereichten Arbeiten werden von einer fünfköpfigen Jury unter Leitung des Vereinsvorsitzenden Dr. Volker Wissing,

Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz, bewertet. Die Preisverleihung des mit 5.000 Euro dotierten Awards erfolgt im Rahmen der forum vergabe Gespräche vom 25. bis 27. September 2019 in Fulda. Im Rahmen der Veranstaltung erhält der Preisträger die Möglichkeit, die Ergebnisse seiner Arbeit den Teilnehmern aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Anwaltschaft vorzustellen. Weitere Informationen unter: www.tinyurl.com/IPA2019

► REINIGUNG

Teilnahmewettbewerb Rudimentäre Vergabeunterlagen genügen Bei der Ausschreibung von Gebäudereinigungsleistungen erhalten die Auftraggeber oftmals eine extrem hohe Zahl von Angeboten. Da bietet sich das zweistufige nichtoffene Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb an: Es entlastet den Auftraggeber von der Angebotsflut und mindert die Arbeit für die Bieter, die im ersten Schritt nur ihre Eignung nachweisen müssen, ohne schon das ganze Angebot zu kalkulieren. Über die Unterlagen, die der Auftraggeber im ersten Schritt zur Verfügung stellen muss, brach ein Streit mit einem Interessenten aus. Der Auftraggeber hatte zwar die Flächen und den Reinigungsumfang benannt, nicht aber den Mustervertrag bereitgestellt, was der Interessent rügte. Die Vergabekammer schloss sich aber der Sichtweise des Auftraggebers an. Er habe zu Recht die Unterlagen auf dasjenige beschränkt, was der Interessent benötige, um über die Teilnahme zu entscheiden, nämlich den Auftragsumfang. Im zweistufigen Verfahren sei er zu mehr nicht verpflichtet. Der Interessent müsse in der ersten Stufe noch kein Angebot erstellen, also sind Details des Vertrages wie z. B. Bonus-Malus-Regelungen, die sich auf die angebotenen Preise auswirken würden, noch entbehrlich. Sie werden erst benötigt, wenn der Interessent aufgefordert ist, ein Angebot abzugeben. VK Westfalen (Beschl. v. 26.03.2018, Az.: VK 1-1/18)

► TESTSTELLUNG

Abweichende Ergebnisse Bewertung nicht nachvollziehbar Der Auftraggeber wollte medizinische Beatmungsgeräte durch die Anwender testen lassen. Dieses Testergebnis sollte zu 40 Prozent in die Zuschlagswertung eingehen, wie bei einer zwei Jahre zurückliegenden Vorgängerausschreibung. Um die hatte sich ein Streit entfacht, in welchem der Auftraggeber schließlich unterlegen war. Wenige Tage nach der Bewertung der neuen Ausschreibung beschied das OLG, dass die Bewertung der alten Ausschreibung fehlerhaft war. Die Neue war im Bewertungsteil mit der Alten nahezu identisch. In beiden Fällen mangelte es vor allem an der Transparenz der Bewertungen: Weder war aus der Dokumentation ersichtlich, wer der Bewertungskommission angehört hatte, noch, in welcher Weise deren Notengebung zustande kam. So versetzte die Vergabekammer auch die neue Ausschreibung wieder zurück, nachdem diesmal ein anderer Bieter die Bewertung bemängelt hatte. Vor allem fiel der Kammer auf, dass offenbar dasselbe Gerät getestet wurde wie zwei Jahre zuvor. Damals war es durchweg positiv bewertet worden, diesmal aber bekam es zumeist schlechte Bewertungen. Dieser Umstand, den die Vergabekammer in Kenntnis des Vorverfahrens von Amts wegen aufgriff, lasse an der Korrektheit der

Bewertungen Zweifel aufkommen, die der Auftraggeber nicht auszuräumen vermochte, weil er weder vor zwei Jahren noch aktuell eine ausführliche Dokumentation vorgenommen hatte. VK Brandenburg (Beschl. v. 22.06.2018, Az.: VK 5/18)

► GEHEIMWETTBEWERB

Angebote zu ähnlich Fahrlässigkeit genügt für Ausschluss Das kam dem Auftraggeber merkwürdig vor: Die Angebote zweier Bieter sahen auf den ersten Blick gleich aus: Gleiche Spaltenbreiten und Zeilenhöhen in den Tabellen, gleiche Überschriften etc. Bei näherem Hinsehen fielen sogar die identischen Rechtschreibfehler auf. Und beim Nachrechnen wird erkennbar, dass die Preise des einen Angebots durchweg in allen Positionen die des zweiten um einen immer gleichen Prozentsatz unterbieten. Der teurere Bieter konnte in der Aufklärung nachweisen, dass die Preise aus seinen internen Kalkulationsprogrammen übernommen waren. Der preiswerte Bieter verwies zur Erklärung nur auf einen externen Berater und wurde nach derart erfolgloser Aufklärung ausgeschlossen. Im Nachprüfungsverfahren brachte er vor, sein Berater habe den Inhalt eines USBSticks, den er im Briefkasten fand, für Daten seines Auftraggebers gehalten. Tatsächlich seien es aber wohl Daten des Konkurrenten gewesen. Stick und Briefumschlag dazu sind wundersamerweise verschwunden. Die Vergabekammer macht sich keine Mühe der genauen Aufklärung. Der Vorsatz, den der Antragsteller so vehement zurückweist, spiele gar keine Rolle. Der Angebotsausschluss sei schon allein deswegen gerechtfertigt, weil der preiswerte Bieter fahrlässig irreführende Angaben gemacht habe. Sein Berater hätte nämlich anhand von Hinweisen auf dem Stick auf Kalkulationsgrundlagen, die nicht zu seinem Auftraggeber passen, erkennen müssen, dass es sich um fremde Daten handeln müsse. VK Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 27.04.2018, Az.: 1 VK LSA 33/17)

► KARTELL

Schadenspauschale möglich Gewinnabschöpfung aus Preisabsprache Das Lkw-Kartell hat vor Jahren Schlagzeilen gemacht. Jetzt fordern die Käufer in vielen einzelnen Schadenersatzprozessen gegen die Hersteller einen Teil des jeweiligen Kaufpreises zurück. So auch eine hessische Gemeinde, die sich beim Kauf eines Feuerwehrfahrgestells übervorteilt sieht. Sie beruft sich auf die in ihren besonderen Vertragsbedingungen vorgeschriebene Schadenspauschalierung, die vom Auftragnehmer eine Rückerstattung von 15 Prozent des Kaufpreises bei nachgewiesener Preisabsprache verlangt. Der LKW-Hersteller bestreitet die Wirksamkeit dieser Vertragsklausel. Das Landgericht Stuttgart gab jetzt der klagenden Gemeinde Recht. Der Umstand. dass strittig ist, ob Sonderfahrzeuge

unter das Kartell fielen, spielt hier keine Rolle, denn es wurde ja ein Standard-Fahrgestell erworben, das erst nachträglich zum Feuerwehrfahrzeug aufgebaut wurde. Die Pauschalierung von 15 Prozent ist nicht unangemessen, denn die EUKommission hat als typischen Kartellschaden 20 Prozent des Auftragswertes errechnet. Sie greift nicht nur, wenn sich die Preisabsprache auf den konkreten Auftrag bezieht, sondern auch bei allgemeinen Preisabsprachen der Kartellanten. Sie bedarf auch nicht des Nachweises der konkreten Schadenshöhe – im Gegenteil: Gelingt keiner Partei der Nachweis einer anderen konkreten Schadenhöhe, so kommt die Pauschalierung zum Zuge. Und zuletzt kann sich nach Überzeugung des Gerichtes der LkwHersteller auch nicht dadurch von der Schadensersatzpflicht befreien, dass er einwendet, die Gemeinde habe gar keinen Schaden, denn sie würde die überhöhten Kosten ja an Steuerzahler und Gebührenschuldner weitergeben. LG Stuttgart (Urt. v. 19.07.2018, Az.: 30 O 33/17)

► MISCHLAKULATION

Teure Einrichtung Vorverlagerung von Kosten Als der Auftraggeber die Angebote für die maschinentechnische Ausrüstung eines Klärwerks erhielt, traute er seinen Augen nicht: Während einer der nur zwei Bieter 15.000 Euro für die Baustelleneinrichtung eingestellt hatte, forderte der andere für den gleichen Titel des LV sage und schreibe das 43-Fache, nämlich 656.000 ­E uro. Dieser Bieter war schließlich 14 Prozent teurer als sein einziger Konkurrent. Ist also das eine Angebot unangemessen hoch oder das andere aufklärungsbedürftig niedrig? Letzteres meinte der teurere Bieter und verlangte die Nachprüfung wegen mangelnder Preisaufklärung. Er vermutete, sein preisgünstiger Konkurrent habe LV-widrig angeboten. Wer im Glashaus sitzt, sollte jedoch nicht mit Steinen werfen. Während beim preiswerten Angebot keine Abweichungen gefunden wurden, stimmte das teure nicht mit dem LV überein – insbesondere nicht bei den Baustelleneinrichtungskosten. Denn die Aufklärung hatte hier ergeben, dass der Bieter Kosten für die Lagerhaltung und Diebstahlssicherung des Materials eingerechnet hatte. Das gehört dort nicht hin, sagt die Vergabekammer dazu: Derartige Kosten dürften nicht wie die Einrichtungskosten bereits zu Beginn der Baumaßnahme abgerechnet werden. Hier liegt also nicht nur eine Mischkalkulation vor, sondern vor allem auch der Versuch, rund 14 Prozent der Kosten zu früh abzurechnen, weswegen der Auftrageber später “Mühe hätte, die Antragstellerin zur vertragsgemäßen Leistung zu motivieren”. VK Lüneburg (Beschl. v. 23.07.2018, Az.: VgK-27/2018)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

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Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Seite 11

Quelle des Fehlverhaltens beseitigen

Weltweit standardisierter Kurs

Wiedererlangung der Eignung für öffentliche Aufträge

BIM-Qualifizierung mit Zertifikat

(BS/Brigitta Trutzel) Unternehmen, die sich wegen Wirtschaftsdelikten strafbar gemacht haben, sollen bei öffentlichen Aufträgen keinen Zuschlag (BS/jf) Die Qualität von Weiterbildungseinrichtungen bei Building Informehr erhalten. Die Auftragsberatungsstelle Hessen hilft Unternehmen bundesweit, die Eignung durch eine Selbstreinigung wiederherzustellen mation Modeling (BIM) ist überprüfbar. Der VDI Verein Deutscher Ingeund an den Markt zurückzukehren. nieure und building smart Deutschland haben bereits 14 Institutionen und Einrichtungen der beruflichen Weiterbildung zertifizieren lassen. Öffentliche Auftraggeber können oder müssen Unternehmen vom Vergabeverfahren ausschließen, die eine schwere Verfehlung begangen haben. Der Katalog reicht von Straftaten bis hin zu Ordnungswidrigkeiten. Aber auch wettbewerbswidriges Verhalten oder ein eingeleitetes Insolvenzverfahren kann für drei bis fünf Jahre zum Ausschluss eines Unternehmens führen.

Selbstreinigung Betroffene Unternehmen haben aber in den meisten Fällen die Möglichkeit zur sogenannten Selbstreinigung. Die Selbstreinigung soll die Quelle des Fehlverhaltens beseitigen, einen Wiederholungsfall unwahrscheinlich machen und das Vertrauen in das Unternehmen wiederherstellen. Vergabestellen sind meist damit überfordert, die Selbstreinigung während eines laufenden Vergabeverfahrens zu prüfen. Denn letztlich muss immer der Auftraggeber beurteilen, ob er das Unternehmen zum konkreten Verfahren zulässt. Ab 2020 entscheidet zudem das Bundeskartellamt darüber, ob ein Unternehmen aufgrund

seines Fehlverhaltens in ein bundesweites Wettbewerbsregister eingetragen wird. Liegen Eintragungen vor, muss die Vergabestelle über einen konkreten Ausschluss entscheiden. Damit Unternehmen sich zügig wieder um öffentliche Aufträge bewerbem können, berät und unterstützt die Auftragsberatungsstelle Hessen (ABSt Hessen) bundesweit betroffene Unternehmen. Nach einer Erstberatung durch die ABSt Hessen übernehmen externe und neutrale Dienstleister mit anerkannter Expertise beispielsweise aus der Anwaltschaft die Klärung des mitunter komplexen Sachverhalts und die Festlegung der notwendigen Maßnahmen. Auf Wunsch vermittelt die ABSt Hessen Kooperationspartner, die diese Dienstleistungen zu angemessenen Stundensätzen erbringen.

Rehabilitierung Je nach Situation muss ein entstandener Schaden beglichen werden und Verantwortliche im Unternehmen dürfen in Zukunft kein Fehlverhalten auslösen können. Wichtig ist, dass das Unternehmen aktiv zur Aufklä-

rung beiträgt. Den Abschluss bildet ein Gutachten, in dem das Ergebnis der Selbstreinigungsmaßnahme dargelegt wird. Dieses Gutachten kann bei Vergabeverfahren dem Angebot beigefügt werden, aber auch beim Bundeskartellamt vorgelegt werden.

Präqualifizierung Darüber hinaus kann sich das Unternehmen im Anschluss an den Selbstreinigungsprozess im Hessischen Präqualifikationsregister (HPQR) präqualifizieren lassen. Die Präqualifizierung bestätigt auftragsunabhängig die Eignung für öffentliche Aufträge. Sie ermöglicht Einblick in Referenzlisten und Bescheinigungen und ist ein Jahr gültig. Mit der Präqualifizierung setzt das Unternehmen nach einem überwundenen Fehlverhalten ein sichtbares Signal für öffentliche Auftraggeber, dass es mit einem Selbstreinigungsprozess wieder an öffentlichen Aufträgen teilhaben kann.

Vier Bewerbungen nominiert Preisvergabe im Februar 2019

Brigitta Trutzel ist Syndikusanwältin und Geschäftsführerin ABSt Hessen e. V. Foto: BS/ABst Hessen

Selbstreinigung kann dem Auftraggeber mehr Wettbewerb unter annehmbaren Angeboten sichern und damit zur wirtschaftlichen Beschaffung beitragen. Das Gutachten zur Selbstreinigung in Kombination mit einer Listung im Präqualifikationsregister erleichtert Vergabestellen die Entscheidung, ob das Angebot gewertet werden darf. Gleichzeitig wird das Verfahren beschleunigt, wenn der Auftraggeber auf die bereits hinterlegten Erklärungen und Nachweise im PQ-Register zurückgreifen kann. Auftraggeber dürfen beide Instrumente daher auch empfehlen. Weitere Informationen unter: www.absthessen.de, Suchwort Selbstreinigung

MELDUNG

VOB/A beschlossen (BS/jf) Der Deutsche Verga-

(BS/jf) Die Jury für den BME-Preis “Innovation schafft Vorsprung 2019” hat vier Bewerbungen nominiert. Mit be- und Vertragsausschuss für dem Award zeichnet der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) seit 2006 Spit- Bauleistungen (DVA) hat die Nozenleistungen öffentlicher Auftraggeber aus. vellierung der VOB/A, Abschnitt Auch in diesem Jahr wurden aus dem Kreis der Bewerber die besten Köpfe ausgewählt und anschließend einer ExpertenJury präsentiert. Zu den potenziellen Gewinnern des “Oscars” der öffentlichen Auftraggeber zählen in diesem Jahr in alphabetischer Reihenfolge folgende Institutionen mit dem jeweiligen Projekttitel: • Alb Fils Kliniken, Göppingen; “Projekt SEBPL – Strategischer Ersatzbeschaffungsplan Medizintechnik”, • Deutscher Wetterdienst, Offenbach; “Innovationspartnerschaft Hagelsensor”, • KLE Klinik Logistik Eppendorf, Hamburg; “Implementierung eines automatischen Kleinteilelagers zur Versorgung eines Klinikums der Maximalversorgung in Hamburg”, • L a n d k r e i s S c h a u m b u r g ;

“Spannungsstabilisierungsanlagen im Landkreis Schaumburg”. Alle Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass der praktische Einsatz der innovativen Produkte, Verfahren und Dienstleistungen die Produktivität und Effizienz – etwa unter finanziellen, prozessualen und/oder umwelttechnischen Aspekten – nachweislich deutlich verbessert hat.

Bis zu 20.000 Euro Der Preis steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und wird am 19. Februar 2019 beim “Tag der öffentlichen Auftraggeber” im Berliner Dienstsitz des Ministeriums in den Kategorien “Beschaffung von Innovationen” und “Innovative Beschaffungsprozesse” ver-

geben. Dem Gewinner oder den Gewinnern winken Gutscheine für Beratungsleistungen bis zu 20.000 Euro (jeweils 10.000 Euro in jeder Kategorie).

Der Award Um die Trophäe “Innovation schafft Vorsprung” können sich Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen sowie öffentliche Unternehmen und Institutionen bewerben. Einreichungen sind für die Kategorien “Beschaffung von innovativen Produkten, Verfahren und Dienstleistungen” oder “Gestaltung innovativer Beschaffungsprozesse” möglich. Bewerbungsschluss für den Award 2019 ist der 11. Oktober 2019. Weitere Informationen unter www.bme.de, Suchwort “Innovation schafft Vorsprung”

eins beschlossen. Die Änderungen betreffen unter anderem die Gleichstellung der öffentlichen Ausschreibung und der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb, die Einführung eines Direktauftrages bei einem Auftragswert von bis zu 3.000 Euro, den Verzicht auf Nachweise, wenn die den Zuschlag erteilende Stelle bereits in deren Besitz ist, die Zulassung mehrerer Hauptangebote sowie die Neufassung der Nachforderungsregeln, die Einführung einer abschließenden Liste mit den vorzulegenden Unterlagen und letztlich die Klarstellung der Zuschlagsentscheidung. Allerdings wurden die vorgeschlagenen Änderungen der Abschnitte zwei und drei nicht beschlossen. Die jetzigen Änderungen treten am 1. Januar 2019 in Kraft, eine Gesamtnovellierung ist für Mitte 2019 geplant.

Das Zertifikat sichere eine hohe Qualität und Relevanz der von den Weiterbildungseinrichtungen angebotenen BIM-Basiskurse und sei somit ein verlässlicher Standard für die Qualifizierung im Bereich digitales Bauen und Betreiben mit BIM, heißt es seitens der beiden Institutionen. Die beiden Vereine haben gemeinsam Lernziele und -inhalte festgeschrieben und Qualitätskriterien definiert, die beachtet beziehungsweise erfüllt werden müssen. Darüber hinaus müssen die Bildungsinstitutionen zum Abschluss eine OnlinePrüfung bestehen. “So ist der BIM-Basis-Kurs faktisch weltweit standardisiert und erfüllt damit

wesentliche Anforderungen von all jenen, die sich weiterbilden möchten und von Arbeitgebern, die ein Interesse daran haben, gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für BIM-Projekte zu gewinnen”, teilen die beiden Vereine mit. Die zertifizierten Weiterbildungsanbieter sind nach erfolgreicher Konformitätsprüfung auf den Webseiten der Verbände gelistet, sofern sie die geforderten Kriterien für das Zertifikat sowie die international abgestimmten Rahmenlernziele erfüllen. Weitere Informationen unter www.buildingsmart.de/zertifi zierung/bim-basis

qanuun-aktuell Jahresausklang von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Bevor sich fast alle im Lande zum individuell gestalteten Weihnachtsfest verabschieden, werden noch politisch und gesellschaftlich die Themen für das kommende Jahr gesetzt. Zwischen bevorstehenden Weihnachtsfeiern, einem überbordenden Arbeitsaufkommen vorm Jahresende und zahlreichen Diskussionsveranstaltungen bleibt der Wunsch nach zeitlicher Entzerrung ein froher, aber hoffnungsloser. Gleichwohl kann man sich dem Sog der künftigen Themen nicht entziehen, denn für Compliance und Korruptionsbekämpfung wird 2019 spannend: Das Unternehmens-/Verbandsstrafrecht steht erneut im Koalitionsvertrag und obwohl das Thema nicht neu ist, traf es bislang kaum auf fruchtbaren Boden. Galt es lange – vor allem verfahrensrechtlich – als inkompatibel mit dem deutschen Individualstrafrecht, arbeitet das BMJV aktuell an einem Referentenentwurf, der die Sanktionsmöglichkeiten erweitern wird. Zudem soll das Opportunitätsprinzip im OWiG dem Legalitätsprinzip weichen, wodurch sich der Ermessensspielraum der Staatsanwaltschaften verändern dürfte. In zwei anderen Themenfeldern

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

ist es die EU, welche die Mitgliedsstaaten zum Regeln und Handeln antreibt: Der Entwurf des “Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG)” geht auf eine entsprechende Richtlinie der EU (2016/943) zurück und auch der Whistleblowerschutz könnte durch die Richtlinie der EU (2018/0106 (COD)) einen neuen Schub erhalten. Im Detail gibt es zu allen drei Themenfeldern auf nationaler Ebene noch viele offene und diskussionswürdige Fragen. Mir bleibt an dieser Stelle nur, Ihnen für Ihr bisheriges Interesse an dieser Kolumne zu danken und Ihnen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest sowie alles Gute für 2019 zu wünschen!

Stellschrauben nachjustieren Beratung für Bewerter und Bieter

Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung (BS/Nathalie Doleschel*) Nachhaltigkeit rechnet sich für die öffentliche Hand, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Diese These vertritt Werner Schulze, Geschäftsführer der tana-Chemie GmbH, Hersteller nachhaltiger Produkte in der gewerblichen Reinigung. “Wir brauchen strengere Vorgaben und müssen nachhaltige Kriterien zum Dreh- und Angelpunkt der Auftragsvergabe machen”, fordert Schulze. Er ist davon überzeugt, dass an den Stellschrauben des Vergaberechts politisch nachjustiert werden muss. “Viele Verwaltungen, Schulen und Institutionen würden in Sachen Umweltbewusstsein gern mehr Vorbild sein, scheitern aber an strikten kommunalen Sparvorschriften”, macht Schulze einen Widerspruch zwischen ökologischem Anspruchsdenken und der finanziellen Ausstattung vieler Verwaltungen und Institutionen deutlich. Bislang gibt es im Vergaberecht nur eine Empfehlung, nachhaltige Produkte bei Ausschreibungen

zu berücksichtigen. Hingegen ist der wirtschaftliche Einsatz kommunaler Finanzen eine Richtlinie. Derzeit überarbeiten verschiedene branchennahe Organisationen unter Federführung des Bundesumweltamtes den “Leitfaden zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung von Reinigungsdienstleistungen und -mitteln” samt einem Ausschreibungskatalog. Auch der Industrieverband Hygiene und Oberflächenschutz (IHO), den Werner Schulze im Fachbereich Gebäudereinigung vertritt, ist beteiligt. “Dieser Ausschreibungskatalog müsste verpflichtend werden für alle Einrichtungen der öffentlichen Hand, wenn man Nachhaltigkeit von Anfang bis Ende durchdenkt

und ernst nimmt. Wir beurteilen in dem Katalog nach einem Punktesystem die ökologische Unbedenklichkeit von Reinigungsmitteln und beziehen neben den Inhaltsstoffen auch die Produktion und Verpackung in diese Nachhaltigkeitskriterien ein.” In Deutschland gibt es rund 22.400 Innungsbetriebe im Reinigungssektor mit über 650.000 Beschäftigten. Weitere Informationen unter www.werner-mertz.de, oder zu tana-Chemie und den greenEffective®-Formulierungen auf www.wmprof.com *Nathalie Doleschel ist Projektmanagerin Public Relations bei der Bestfall GmbH.

“Wir müssen nachhaltige Kriterien zum Dreh- und Angelpunkt der Auftragsvergabe machen”, fordert Werner Schulze, Geschäftsführer der tana-Chemie GmbH. Foto: BS/tana-Chemie GmbH

Ausschreibungen · Submissionen


Personelles

Seite 12

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Bundesministerium für Bildung und Forschung

Ministerin Anja Karliczek

Persönlicher Referent Wieland Kley

Foto: Bundesregierung/Guido Bergman

Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Michael Meister

Gleichstellungs­ beauftragte RD’in Ines Friedrichs -3313

Persönliche Referentin ORR’in Marion Steinberger -5702

Z Zentralabteilung

Persönliche Referentin RD’in Dr. Zage Kaculevski -3842

1* Grundsatzfragen und Strategien; Koordinierung

MinDir Dr. Winfred Bernhard -5351

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: BMBF Stand: Dezember 2018

MinDir Matthias Graf von Kielmansegg -5665

-5006

Interne Revision MinR Dr. Torsten Geißler -5277

Staatssekretär Dr. Georg Schütte

Datenschutzbeauftragte MinR’in Esther Seng -2539

2 Europäische und internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung

3 Allgemeine und berufliche Bildung; Lebensbegleitendes Lernen

Susanne Burger -2874

Kornelia Haugg -2002

Z1

Z2

11*

21

22

31

32

33

Personal; Organisation; Infrastruktur; Förderverfahren

Haushalt; Controlling; Informationstechnik

Ständige Vertretung 1

Internationale Zusam­ menarbeit in Bildung und Forschung

Europäische Zusam­ menarbeit in Bildung und Forschung

Berufliche Bildung

Allgemeine Bildung

Lebensbegleitendes Lernen

MinDirig Dr. Jochen Zachgo -3005

MinDirig’in Dr. Sonja Gerlach -3227

MinDirig Dr. Dietrich Nelle -3341

MinDirig Frithjof A. Maennel -3100

N.N.

MinDirig Thomas Sondermann -2117

MinDirig Dr. Stefan Luther -5246

MinDirig Dr. Thomas Greiner -5221

Personal; Personal­ entwicklung MinR Jürgen Mennemeier

Z21 Haushalt MinR Dr. Leo-Felix Lee -2014

111 * Grundsatzfragen von Bildung und Forschung; Koordinierung MinR Thomas Klubertz -5297

200 Grundsatzfragen Digitalisierung und Transfer MinR Harald Lischka -2033

300 * Grundsatzfragen Digitalisierung und Transfer MinR’in Dr. Dorothee Harenberg -5401

211 Zusammenarbeit mit Afrika und dem Nahen Osten MinR Peter Webers -2083

311 Rahmenbedingungen und Strukturfragen der beruflichen Bildung MinR Dirk Mahlberg -2127

Z11 Personal MinR Jürgen Mennemeier -3800 Z11 PE Personalentwicklung MinR Christian Stertz -2362 Z12 Personalangelegenhei­ ten der FE, Dienstrecht MinR’in Dr. Ulrike Geiger -3124 MinR’in Dr. Susanne Raube -3006 Z13 Grundsatzfragen der Beteiligung des Bundes an geförderten Einrich­ tungen MinR Werner Scheck -2256

Z22 Informationstechnik MinR Dr. Peter Mecking -3815 Z23 Controlling; Interne Prüfsysteme; Qualitäts­ management MinR Dr. Erasmus Landvogt -3875 Z24 Justiziariat; Daten­ schutzrecht; Vergabe MinR’in Esther Seng -2539 Z25 Personalausgaben; Sicherheit MinR’in Gabriele Becker -2240

112 * Grundsatzfragen der ­Digitalisierung; Strategien für die Wissensgesellschaft; Koordinierung RD Dr. Maximilian Müller-Härlin -5977 113 * Grundsatzfragen von ­Innovation und Transfer; Koordinierung MinR’in Dr. Gisela Philipsenburg -5177 114 * Ethik und Recht; ­Rahmenbedingungen der Digitalisierung MinR’in Bettina Klingbeil -5152 115 * Strategische Voraus­ schau; Partizipation und Bürgerforschung MinR’in Nicole Burkhardt -5155

Z14 Förderverfahren; Projektträger RD’in Marie Annette Paus (m.d.W.b.) -3270

212 Zusammenarbeit mit Ländern der Östlichen Partnerschaft, Rusland und Zentralasien MinR’in Dr. Susanne Kieffer -3799 213 Zusammenarbeit mit Nord- und Südamerika MinR Stefan Schneider -3425 214 Zusammenarbeit mit Asien und Ozeanien Dr. Lothar Mennicken -3437

Z16 Digitale Verwaltung; Bibliothek N.N.

Dienstsitz Bonn Postanschrift 53170 Bonn Telefon: +49(0)228 99 57-0

223 Forschung und Inno­ vation in der EU MinR Dr. Erik Hansalek -3408 224 Zusammenarbeit mit europäischen Staaten; Israel MinR Stefan Kern -2252 MinR’in Sabine Eilers -3287

Referat Bildung und Forschung der Stän­ digen Vertretung bei der EU MinR Michael Vorländer Cw. 685-1380

117 * zum Teil Nationale und internati­ onale Vergleichsanaly­ sen; Statistik MinR’in Dr. Eveline Edel von Gäßler -2524

Z17 Innerer Dienst RD Holger Bodag -3136

222 ERASMUS; Internatio­ nale Zusammenarbeit ­ in der Berufsbildung Dr. Henk van Liempt -3720

PG EU Projektgruppe “EU-Ratspräsident­ schaft” Dorothea Fohrbeck -2048

116 * Bund-Länder-­ Zusammenarbeit MinR Joachim Fiebig -5298

Z15 Organisation, Stellen RD’in Sandra von Hopffgarten -2351

221 Europäische Zusam­ menarbeit; Bildung in der EU MinR Andreas Drechsler -2109 Dorothea Fohrbeck -2048

312 zum Teil Ordnung der beruf­ lichen Bildung; BIBB MinR’in Angelika Block-Meyer -3344 313 Qualifizierung des Per­ sonals in der berufli­ chen Bildung; ESF MinR Peter Munk -2041 MinR’in Dr. Jutta Schubert -2561 314 Innovationen in der beruflichen Bildung MinR Dr. Ingo Böhringer -2114 MinR’in Lore Wieland -3369 315 Beruflichen ­Weiterbildung MinR Peter Thiele -2126 316 * Anerkennung ­ausländischer Berufs­ qualifikationen RD’in Gitte Warnick -5498

321 * zum Teil Bildungsforschung

331 * zum Teil Lebensbegleitendes Lernen; Allgemeine Weiterbildung

N.N.

N.N.

322 * Frühe Bildung

332 * Integration durch Bildung N.N.

Antje Scharsich -5048 323 * Infrastrukturförderung Schule RD Ingo Ruhmann -5285 324 * Qualitätsförderung Schule Dr. Doerte Treuheit -5219

333 * Bildung in Religionen; Bildung für nachhaltige Entwicklung MinR’in Dr.Catrin Hannken -5172

334 * zum Teil Kulturelle Bildung; Demokratiebildung MinR’in Annette Steenken -5294

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Personelles

Behörden Spiegel / Dezember 2018

LS1 * LS Leitungsstab MinDirig Thomas Romes -5002

Seite 13

LS11 *

LS12 *

LS13 *

Ministerbüro MinDirig Thomas Romes -5002

Politische Planung und Analyse MinR’in Melanie Rüther -5326

Kabinett; Parlament RD Andreas Klein -5320

LS2 *

LS21 *

LS22 *

LS23 *

Leitungsstab Presse und Kommunikation MinDirig’in Elisabeth von Uslar -5722

Presse; Soziale Medien; Internet Sibylle Quenett -5050

Öffentlichkeitsarbeit RD Christian Herbst -5070

Wissenschaftskommunikation; Wissenschaftsjahre N.N.

Leitungsstab Planung MinDirig Thomas Romes -5002

Persönliche Referentin ORR’in Stefanie Eckstein -5031

Staatssekretär Christian Luft

Parlamentarischer Staatssekretär Thomas Rachel

4 Hochschul- und Wissenschaftssystem

5 Forschung für Digitalisierung und Innovationen

Ulrich Schüller -3238

MinDir Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas -3631

LS14 * Leitungskontakte; Protokoll; Sprachendienst MinR’in Barbara Maria Seinmetz -5370

LS24 * Reden und Texte Alexia Parsons -5134

Persönliche Referentin RD’in Vivien Baganz -5021

6 Lebenswissenschaften

MinDir’in Prof. Dr. Veronika von Messling

-5105

7 Zukunftsvorsorge – Forschung für Grundlagen und nachhaltige Entwicklung MinDir Volker Rieke -2317

41

42

51

52

61

71

72

Hochschulen

Wissenschaft

Forschung für den Digitalen Wandel

Forschung für Innovationen

Ständige Vertretung 6

Großgeräte und Grundlagenforschung

Nachhaltigkeit; Zukunftsvorsorge

MinDirig Peter Greisler -5016

MinDirig’in Dr. Angelika Willms-Herget -3042

MinDirig Dr. Herbert Zeisel -3192

MinDirig Engelbert Beyer -5080

MinDirig’in Petra Steiner-Hoffmann -5104

MinDirig Dr. Volkmar Dietz -2174

MinDirig Wilfried Kraus -3590

600 * Grundsatzfragen Digitalisierung und Transfer MinR’in Katrin Benninghoff -5207

700 Grundsatzfragen Digitalisierung und Transfer MinR Dr. Ulf Lange -3445

400 Grundsatzfragen Digitalisierung und Transfer MinR’in Susanne Clobes -2806

500 * zum Teil Grundsatzfragen Digitalisierung und Transfer MinR’in Dr. Ramona Korte -5754

411 * Hochschulrecht; ­Exzellenzstrategie; ­ DFG; Futurium MinR’in Dr. Gundula Gutmann -5089 MinR Ralf Maier -5116

511 Zukunft von Arbeit ­ und Wertschöpfung; Industrie 4.0 MinR Dr. Otto Fritz Bode -3540

521 * Instrumente der Innovationsförderung; Sprunginnovationen MinR Hans-Peter Hiepe -5384

611 * zum Teil Ethik und Recht in den Lebenswissenschaften MinR Dr. Stefan Roesler -5088

522 Mensch-Technik-­ Interaktionen Annette EickmeyerHehn -2725

612 * Einrichtungen der Lebenswissenschaften MinR Dr. Jan Grapentin -5439

523 Werkstoffinnovationen; Batterie; HZG; KIT MinR’in Liane Horst -2189 MinR Dr. Peter Schroth -2251

613 * Neue Methoden und Technologien in den Lebenswissenschaften MinR’in Eva Nourney -5117 MinR Dr. Matthias Kölbel -5111

412 * Studium und Lehre RD’in Helena Schulte to Bühne -5121 413 * Europäischer Hochschulraum; Internationalisierung MinR Peter Hassenbach -5264 414 * BAföG-Gesetzgebung MinR Andreas Schepers -5292 MinR’in Dr. Rahel Stefanie Stegemann -5307 415 BAföG-Ausführung MinR Klaus Dieter Schröder -2203

416 * zum Teil Fachhochschulen MinR Magnus Milde -3837 417 * Wissenschaftliche ­Karrierewege und ­Weiterbildung MinR’in Petra Hohnholz -5340 418 * Hochschul- und Wissenschaftsforschung N.N.

421 * Forschungsdaten MinR Dr. Hans-Josef Linkens -5789 422 Infrastrukturen für die Wissenschaft MinR Peter Wenzel Constabel -2066 423 HGF; WGL MinR Dr. Stefan Johannes Strupp -2215 424 FhG; MPG MinR Dr. Ulrich Krafft -3061

425 * zum Teil Chancengerechtigkeit und Vielfalt in Wissenschaft und Forschung MinR’in Christina ­Hadulla-Kuhlmann -2863

512 * zum Teil Künstliche Intelligenz RD’in Ute Bernhardt -5756

513 Elektronik und autonomes Fahren MinR Dr. Stefan Mengel -3189 514 Kommunikation und Sicherheit digitaler Systeme MinR’in Dr. Heike Prasse -3180 515 Quantensysteme; postdigitale Computer MinR Dr. Frank Schlie -3250

524 Zivile Sicherheits­ forschung MinR’in Dr. Andrea Detmer -3275 MinR’in Sabine ten Hagen-Knauer

-3254

426 Sozial- und Geistes­ wissenschaften MinR’in Dr. Gisela Helbig -3551 MinR Dr. Matthias Hack -3199

614 * Gesundheitsforschung; Medizintechnik MinR’in Dr. Renate Loskill -5049 MinR’in Dr. Evelyn Obele -5094 615 * Forschung für Globale Gesundheit MinR’in Andrea Spelberg -5723 PG NDK * Projektgruppe “Nationale Dekade gegen Krebs” MinR’in Katrin Benninghoff -5207

Personalrat

Vorsitzender OAR Frank Gehlen -3337 (-3336) -5243

Jugend- und Auszubildendenvertretung Annalena Hahn

Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen OAR’in Jutta Becher

-2407

-3829

711 Materie und Universum RD’in Dr. Andrea Fischer -3321 712 Internationale Groß­ geräte; DESY; GSI MinR’in Oda Keppler -2192 713 Europäische Forschungs­ organisationen MinR Dr. Thomas Roth -3168 714 FZJ, HZB, HZDR, IPP; Fusion MinR Dr. Michael Stötzel -3045 715 Rückbau kern­ technischer Versuchsanlagen; Rückbau­ forschung MinR’in Sabine Diehr -3759

721 Nachhaltige regionale Innovationsinitiativen MinR’in Kathrin Meyer -5173 722 Systemische Mobilität; Zukunftsstadt RD Florian Frank -2046 723 Energie MinR Dr. Christoph Rövekamp -2360 724 Globaler Wandel – ­Klima, Biodiversität RD Prof. Dr. René Haak -2071 725 Meeres-, Küsten- und Polarforschung MinR Rudolf Leisen -3179 726 Nachhaltiges Wirtschaften; Bioökonomie MinR’in Andrea Noske -5415 727 Ressourcen, ­Kreislaufwirtschaft; Geoforschung MinR Dr. Wolf Junker -2843


Diplomaten Spiegel

Seite 14

Das Wunder von Addis

B

is vor Kurzem jedenfalls. Im Juli dieses Jahres beenden Äthiopien und sein Erzfeind Eritrea mit einem Mal die ewige Feindschaft. Letzterer hatte dem großen Nachbarn im Süden den Zugang zu den Häfen Assab und Massawa am Roten Meer versperrt. Von 1998 bis 2000 bekriegen sich beide Staaten um einen staubigen Landstrich, über 80.000 Menschen sterben und die Fracht-Ports gleich mit. Äthiopien baut wohl oder übel eine 700 km lange Bahnstrecke nach Dschibuti, um seinen Kaffee von dort aus zu verschiffen.

Behörden Spiegel /Dezember 2018

Ein Gespräch mit dem äthiopischen Botschafter Kuma Demeksa Tokon in Berlin (BS/ps) Mit seinen gut 105 Millionen Einwohnern ist Äthiopien der bevölkerungsreichste Binnenstaat der Welt. Auf den 1.104.300 km2 (im Vergleich: Deutschland hat 357.000 km2) leben dort gerade mal 95 Menschen pro km2 (hierzulande: 232), mit einem Durchschnittsalter von knapp 19 Jahren (unseres liegt bei 43, Tendenz steigend). Das Land mit einer über 3.000-jährigen Geschichte grenzt an Eritrea, Sudan, Kenia, Somalia und Dschibuti. Es gilt als eines der Herkunftsländer des Kaffees und des modernen Menschen. Wobei sich trotz der belebenden Wirkung des koffeinhaltigen Heißgetränks letzterer, der sogenannte “Homo sapiens”, der “verstehende, weise, gescheite” oder “kluge Mensch”, auch am Horn von Afrika nicht immer als solcher zeigte.

Unumkehrbarer Status quo Seit dem 11. September ist das alles passé und die Grenzen und Häfen zum Küstenstaat Eritrea wieder offen. Menschen, die sich seit Jahrzehnten nicht gesehen haben, Familien, die getrennt waren, weil der zeitlich unbegrenzte Dienst in Eritrea jahrelang Zehntausende junger Frauen und Männer aus dem “Nordkorea Afrikas” nach Äthiopien treibt, sind wieder “vereint”. Wie weiland nach dem Mauerfall am 9. November 1989 bei uns. Etwas (gleichsam) Unvorstellbares, das man wohl dem äthiopischen Premierminister Abiy Ahmed zu verdanken hat, ist geschehen und gilt vielen als “Wunder von Addis”. Kuma Demeska Tokon, seit gut drei Jahren äthiopischer Botschafter in Berlin, ist über 25 Jahre in den unterschiedlichsten Positionen für sein Land tätig. 1991, damals 25, wird er erstmals Regierungsmitglied des ostafrikanischen Staates, dann Staatsminister, Chef des Verteidigungsressorts und von 2008 bis 2013 Oberbürgermeister der Hauptstadt Addis Abeba. Seinen Bachelor und Master in Public Administration bzw. Organizational Leadership macht er “berufsbegleitend”. Ihn “trifft” die historische Wende in seiner Heimat auch völlig unvorbereitet, was ihn verständlicherweise nun überhaupt nicht stört. Nur anhalten sollte sie und zum unumkehrbaren Status quo werden, wünscht sich der 60-jährige.

Konsolidierung der politischen Kontakte “Bislang werden die Reformen der Regierung Abiy sowohl in Äthiopien als auch von unseren Entwicklungspartnern, weltweit positiv aufgenommen”, so Botschafter Tokon. “Die neuen Maßnahmen haben das Land inspiriert und umfassen unter anderem die Neuaufnahme diplomatischer Beziehungen mit

Besonderer Wandschmuck: Die Flagge Malerei in den Konturen des Landes.

Eritrea – und das nach zwei Jahrzehnten angespannter Waffenruhe – sowie die Konsolidierung der politischen Kontakte mit allen anderen Nachbarstaaten. Auch der eritreische Präsident Isaias Afewerki hat Äthiopien besucht und bei dieser Gelegenheit die Wiedereröffnung der eritreischen Botschaft in Addis Abeba eingeleitet.” Premierminister Abiy folgte diesem Beispiel – die äthiopische Botschaft in Asmara ist nach 20 Jahren auch geöffnet und der reguläre Flugverkehr zwischen beiden Ländern funktioniert ebenfalls wieder. “Eritreische Häfen stehen erneut für äthiopischen Frachtverkehr zur Verfügung. So hat am 5. September 2018 ein äthiopisches

gen sind schwer wahrzunehmen, wenn sie vor einem Hintergrund von überspitzten oder gänzlich falschen Meldungen geschehen”, meint Tokon.

Positive Entwicklung Den Migrationsdruck auf Europa von Äthiopien sowie allgemein aus Afrika sieht Tokon in den Ambitionen und Träumen einer neuen afrikanischen Generation begründet. Der Mangel an Arbeitsplätzen, Hoffnung auf ein besseres Leben, Bürgerkriege und innerstaatliche Konflikte treibe diese jungen Menschen fort. Sein Land zählt dort nach wie vor zu den ärmeren Staaten, obwohl es seit einem Jahrzehnt die höchsten Wachstumsraten des Kontinents verzeichnet. Der Anteil der Menschen in bitterer Armut sinkt seit Mitte der Neunzigerjahre von 67 auf 27 Prozent, die Kindersterblichkeit um fast zwei Drittel auf heute 4,1 Prozent, die Kinderzahl pro Frau von 7,1 auf 4,6. Die Zahl der Schulen ist in weniger als 20 Jahren auf das 25-Fache gestiegen und die Zahl der Universitäten von zwei (2015) auf 36 mit einem weiteren Dutzend in Planung.

“Melkam Gena!”

Seine Exzellenz Kuma Demeska Tokon, Botschafter der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien.

Fotos: BS/Dombrowski

Botschafters Rezepte Atakilt Wot (veganer Eintopf)

Zutaten: 2 große Möhren und 2 Kartoffeln in Scheiben schneiden, 1/2 Kohlkopf, 2-3 Zwiebeln und 2 Knoblauchzehen jeweils hacken, 1/2 Teelöffel Kurkuma, 1/2 Teelöffel Salz, 1/2 Chilischote, gehackt, Prise Kreuzkümmel, Prise Bockshornklee (kennen einige vielleicht bereits als Bestandteil von Currypulver), Prise Zimt, Prise gemahlene Nelken, Prise Pfeffer, 2 Teelöffel Olivenöl, 1 TL gehackter Ingwer Zubereitung: Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer und Chili auf kleiner Flamme in der Hälfte des Öls anbraten. Gewürze hinzufügen und für zwei Minuten unter Beigabe des restlichen Öls braten.Kartoffeln,

Handelsschiff im Hafen von Massawa angelegt und der Aufbau einer Landanbindung begann im Anschluss am 12. September 2018. Auf dem Tripartite Gipfel in Asmara einigen sich Äthiopien, Eritrea und Somalia ihre politische, soziale, kulturelle und sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu stärken. Äthiopien und Somalia, haben zudem eine entscheidende Rolle in den Friedensverhandlungen zwischen der Republik Dschibuti und Eritrea eingenommen”, führt der Botschafter weiter aus. Die diplomatischen BeziehunÄthiopiens als gen zwischen Somalia und Eritrea lagen ebenfalls seit 15 Jahren auf Eis, da die eritreische Regierung beschuldigt wurde, die somalische Al Shabab und andere militante Gruppen zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund ist deshalb auch der Staatsbesuch des somalischen Präsidenten Mohamed Abdullahi Mohamed im letzten Juli bemerkenswert. Das für Eritrea eingeleitete Tauwetter hat eine nachhaltige Besserung der gesamten Subregion zur Folge. “Mit der Konsolidierung diplomatischer Beziehungen auf dem Horn Afrikas gehen Frieden, Integration und Wohlstand voran. Konflikte und Gefahren, die uns bereits so lange plagten, werden nach und nach beigelegt. Das ist mehr als “nur” eine bloße Unterschrift

Kohl und Möhren hinzufügen, salzen, Hitze reduzieren. Wenn nötig mit Wasser ablöschen und 15 Minuten garen, bis die Kartoffeln zart sind. Servieren! Schmeckt natürlich am besten mit äthiopischem Injeera-Brot. Das ist weiches, gesäuertes Fladenbrot aus Teffmehl (Hirse). Das Mehl wird mit Wasser zu einem Teig vermischt, der einige Tage gären muss. Dann werden daraus auf heißen Tonplatten Fladen gebacken. Bei feierlichen Anlässen trinkt man dazu den traditionellen äthiopischen Honigwein Tej – ansonsten natürlich äthiopischen Kaffee.

auf einem Stück Papier. Das ist multinationaler, gesellschaftlicher und politischer Wandel, der nur schwer aufgehalten werden kann”, unterstreicht Tokon. Der erste wichtige Teil des Reformpakets für Äthiopien ist tatsächlich gar nicht Abiys alleiniger Verdienst. Der freiwillige Rücktritt des früheren Premierministers Hailemariam Desalegn von seinen beiden Ämtern als Regierungs- und Parteichef macht einen friedlichen Machtwechsel hin zu Abiys Ernennung als neuen Premierminister am 2. April 2018 erst möglich – den ersten wahrhaft friedlichen in der Geschichte des Landes. Nach seinem Amtsantritt stellt dieser ein neues Kabinett vor und legt dabei besonderen Wert darauf, den Wählern neues Grundvertrauen in die Demokratie zu geben. Es folgen umgehend weitreichende Amnestien und Freisprüche. “Dies alles ist Teil einer Initiative, um den Kontakt mit Exil-Äthiopiern wiederherzustellen. Premier Abiy hat alle Oppositionsgruppen dazu aufgefordert, in ihr Heimatland zurückzukehren und sich kritisch und friedlich am Umbruch des Landes zu beteiligen”, berichtet der Diplomat. Und weiter: “Demokratie funktioniert schließlich nicht ohne politische Diversität.”

Weiterer Modernisierungskurs Und damit diese Vielfalt auch wirklich wird, ist man in Addis Abeba weiter auf Modernisierungskurs. In Äthiopien steht erstmals eine Frau an der Staatsspitze. Sahle-Work Zewde ist von

den Abgeordneten einstimmig zur Präsidentin gewählt worden. “In einer patriarchalen Gesellschaft wie der unsrigen ist die Ernennung einer Frau zum Staatschef nicht nur zukunftsweisend, sondern etabliert auch Frauen als Entscheidungsträger in der Öffentlichkeit”, lässt Premier Abiy Ahmed twittern. Nur Tage vor ihrer Wahl war in Addis Abeba eines der weltweit wenigen Kabinette mit einem 50-prozentigen Frauenanteil angenommen worden. Trotz den seit über 100 Jahren bestehenden, traditionell guten

bilateralen Beziehungen wird dieser ganze epochale Wandel hierzulande kaum wahrgenommen. Dabei könnte er dazu führen, dass für Europa ein attraktiver Markt mit weit über 100 Millionen Menschen entsteht und so auch vielleicht der Migrationsdruck aus Afrika gemindert wird.

Geringe Resonanz “Die Hauptursache für die verhältnismäßig geringe Beachtung der Ereignisse bei uns”, so Botschafter Tokon, “ist möglicherweise die Tatsache, dass die Region schon seit langer Zeit von verschiedenen Konflikten gegeißelt wurde, dass Neuigkeiten über die politische Lage dort anderwärts nur noch als Hintergrundrauschen wahrgenommen werden. Es ist des Weiteren leichter, etablierte Bilder und Schemata zu bestätigen, anstatt sie zu reformieren und umzukrempeln. Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Somalia, Sudan, Südsudan – ein bereits geformtes Bild von “Konfliktnationen” ist schwer aus den Köpfen zu bekommen. Ein weiterer Grund sind vermutlich die vielen Fehlinformationen, die in den vergangenen Jahren verbreitet wurden. Positive Entwicklun-

Letzte Frage: Ihre Weihnachtszeit ist wohl nicht mit der hiesigen vergleichbar. Wie begeht man in Äthiopien dieses Fest? Hat es die gleiche Bedeutung wie bei uns...? “Unser Weihnachtsfest gestaltet sich deutlich anders als hierzulande. Zuallererst feiern die äthiopisch-orthodoxe Kirche ihr Weihnachten erst am 7. Januar! Und auch “feiern” ist vielleicht ein zu großes Wort, denn für “Gena” steht hauptsächlich die kirchliche Andacht im Vordergrund. Traditionell betritt jedes Gemeindemitglied in weißer Tracht mit einer Kerze in der Hand die Kirche, nachdem am Vortag gefastet wurde. Den Rest des Tages verbringt man mit der Familie. Geschenke gibt es nicht, denn das Weihnachtsfest hat bei uns bei Weitem nicht die enorme Bedeutung wie in der westlichen Welt. Sie können Äthiopiern natürlich trotzdem “Frohe Weihnachten” wünschen: “Melkam Gena!” Die deutsche Feierkultur dazu habe ich bisher immer nur am Rande wahrgenommen. Der Kontrast ist groß, aber auch nicht unerwartet: Deutschland als eher säkularer Staat begeht seine Feste natürlich auch eher säkular. Auf einem Weihnachtsmarkt würden Sie mich persönlich zwar aller Wahrscheinlichkeit nicht antreffen, aber vom Besuch eines solchen würde ich dennoch keinem Bekannten abraten – solang eine Nascherei als Mitbringsel für mich abspringt. Andächtig beten fällt auf vollen Magen leichter und gefastet wird schließlich erst am 6. Januar!”

Sicheres Europa bewahren Rumänien will Frontex-Ausbau vorantreiben (BS/Emil Hurezeanu) Die jahrhundertelange Interkulturalität und die Mehrsprachigkeit vieler Rumänen zeigen, dass der europäische Geist schon längst in Rumänien beheimatet ist. Ebenfalls Ausdruck findet dieser Umstand in der kulturellen Vielfalt meines Landes. Rumänien hat eine der pro-europäischsten Bevölkerungen in der gesamten Europäischen Union, unterstützt vollkommen das europäische Projekt und findet sich in seiner Rolle als unparteilicher Vermittler und Konsensträger, als wichtiges Objektiv der rumänischen Präsidentschaft, sehr vertreten. Das europäische Projekt, die Zukunft Europas werden weiterhin von Rumänien als geeignetster Entwicklungsrahmen für europäische Projekte gehalten. Daher auch unser Motto der Präsidentschaft: “Kohäsion, ein europäischer gemeinsamer Wert”. Dies bezieht sich nicht nur auf die wirtschaftliche, soziale oder territoriale Kohäsion, sondern auch auf das Bedürfnis nach Einheit und Zusammenarbeit. Das Erhalten eines sicheren Europas ist eine der wichtigsten Säulen der Arbeitsagenda des EU-Ratsvorsitzes Rumäniens.

Grenzschutzagentur Frontex sowie die Verstärkung und Verbesserung Emil Hurezeanu, rumäni­ scher Botschafter in des SchengenDeutsch­ land, erläutert die InformationssysTätigkeitsschwerpunkte der tems stehen daanstehenden EU-Ratspräsiher ganz oben auf dentschaft seines Landes. unserer Agenda der SicherheitsFoto: BS/Botschaft von Rumänien in politik. Deutschland Der HermannRumänien hat sich ständig und stadt-Gipfel am 9. Mai 2019 wird maßgeblich an dem Schutz der ein wichtiger Bezugspunkt für die Außengrenzen Europas sowie am Formulierung der strategischen Reformprozess des Schengen- Richtlinien, auf denen das AgieRaumes beteiligt. Der Ausbau der ren der EU basieren wird.


Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Dezember 2018

Am Ende nachhaltiger Formelkompromiss

KNAPP Zertifizierung für Straßenbeleuchtung

Diskussion um Reform der Grundsteuer nimmt Fahrt auf (BS/Jörn Fieseler) Der Zeitdruck ist enorm. Bis Ende 2019 muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein Modell für die Reform der Grundsteuer B beschlossen worden sein. Nun hat das Bundesfinanzministerium zwei Modelle vorgestellt (siehe Seite 21), die nach wie vor stark diskutiert werden. Welches Modell am Ende kommt, entscheidet der Gesetzgeber. Allerdings haben die Karlsruher Richter nicht weiter spezifiziert, ob der Bund oder die Länder für Abhilfe sorgen sollen. Das ist eine Frage der Gesetzgebungskompetenz. Und die ist nicht zwangsläufig beim Bund. “Die Grundsteuer ist eine gute Steuer für die Städte und Gemeinden. Fällt sie weg, schmälert dies den Gestaltungsspielraum exorbitant”, sagt Verena Göppert, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin im Deutschen Städtetag (DST). Der Anteil der Grundsteuer an den Einnahmen betrage ungefähr fünf Prozent, damit würden fast alle freiwilligen Leistungen finanziert. Aktuell belaufen sich die Einnahmen der Grundsteuer auf 14,2 Mrd. Euro. Davon entfallen 40 Prozent (5,7 Mrd. Euro) auf Unternehmen und 60 Prozent (8,5 Mrd. Euro) auf private Haushalte. Dieses Steueraufkommen müsse für die Kommunen gesichert werden. Dies gelinge am besten mit einem wertabhängigen Modell, sagte Göppert auf einer Veranstaltung der Bremer Finanzsenatorin für Finanzen, Karoline Linnert (Bündnis 90/ Die Grünen), zur Zukunft der Grundsteuer. Die Senatorin ist dabei ganz auf der Linie des Städtebundes. Schließlich gehe es auch um Steuergerechtigkeit.

Gerechtere Besteuerung Durchschnittlich werden pro Objekt 406 Euro und für jeden privaten Haushalt 203 Euro erhoben, rechnet Dr. Stefan Bach vom DIW Berlin vor. Im Einzelnen sei die jetzige Verteilung “extrem ungerecht”, so Linnert. Sie verdeutlichte dies an einem Bremer Rechenbeispiel aus dem Jahr 2009. Auf eine 70 Quadratmeter große Eigentumswohnung im Wert von 100.000 Euro entfielen 316 Euro Grundsteuer. Für ein Reihenhaus in attraktiver Lage mit 140 Quadratmetern Fläche und einem Wert von 300.000 Euro müssten 183 Euro gezahlt werden. “Das muss endlich durch ein Berechnungsmodell verän-

des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, ist die personelle und technische Machbarkeit von zentraler Bedeutung. “Ich kann einem Gesetzentwurf nur zustimmen, wenn ich weiß, dass die Umsetzung klappt”, so Dressel. Am Ende werden man sehr viele Excel-Listen ansehen müssen, prognostiziert er. Zugleich mahnt Zimmermann vor einer Überbewertung der Grundsteuer: Sie sei kein städtebauliches Instrument, mit der Baulücken geschlossen werden könnten.

Nur Detailregelungen möglich

Diskutierten über das Für und Wider der beiden Modelle zur Reform der Grundsteuer (v.r.n.l.): Prof. Dr. Thorsten Ingo Schmidt, Uwe Zimmermann, Fritz Güntzler, Karoline Linnert, Dr. Andreas Dressel und Moderator Guido Gehrt. Foto: BS/Fieseler

dert werden, das sich an den aktuellen Werten orientiert”, so die Senatorin der Freien Hansestadt. Die Zeit drängt: “Der politische Wille, eine bundeseinheitliche Regelung in einem Bereich zu finden, der nicht zwangsläufig einheitlich geregelt sein muss, hat viel Zeit gekostet”, kritisiert Prof. Dr. André Heilmann vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität/Arbeitnehmerkammer Bremen. Entsprechend fordert auch der DST, dass beim nächsten Treffen der Finanzminister und -senatoren von Bund und Ländern im Januar 2019 auf jeden Fall eine Einigung erzielt werden muss. Weiter verzögern dürfe sie sich auf keinen Fall, sonst gebe es für die Kommunen ein ernsthaftes Problem. Anders als die Vertreter der Städte votiert der Universitätsprofessor jedoch nicht für ein wertabhängiges Modell, sondern

für eine sogenannte Bodenwertsteuer und damit für das wertunabhängige Modell. Diese setze an den Bodenrentensteigerungen an. Werde ein Grundstück erschlossen, beispielsweise im Rahmen von “Smart-City”-Aktivitäten, würde dies die innerstädtischen Bodenwerte zusätzlich beeinflussen und sich in den Bodenpreisen niederschlagen.

Nutzungsanreize Unterstützung erhielt Heilmann durch den DIW-Experten. Zwar belaste ein Bodenwertmodell Eigenheime und Wohnungen in besseren Lagen, eine Steuer auf die Bodenrente sei jedoch effizienter und gerechter, so Bach. Neben den steigenden Bodenwerten würden zudem Anreize für Nutzung und Nachverdichtung geschaffen. Demgegenüber würde ein wertabhängiges Modell auf der Basis von Gebäudewerten

Investitionsanreize verringern und sei aufwendig zu ermitteln. Auch die CDU-CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat sich für das Flächenmodell ausgesprochen, allerdings sei man sich trotz des Beschlusses immer noch nicht einig, berichtet der Bundestagsabgeordnete Fritz Güntzler. Er hat ebenfalls den weiteren Zeitplan im Blick. Jedoch nicht die Entscheidung über ein Modell bis Ende 2019, sondern die weitere Umsetzungsphase bis Ende 2024. Bei einem wertabhängigen Modell müssten sämtliche Grundstücke und Gebäude per Sachwertverfahren ermittelt werden – das sei kaum zu schaffen. “Deshalb kämpfe ich weiter für das Flächenmodell.” Auch für Dr. Andreas Dressel (SPD), Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, und für Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer

Ob am Ende eine nachhaltige Reform oder ein politischer Formelkompromiss stehe, hängt aber nicht nur vom Verlauf der Diskussion ab, sondern auch von den Gesetzgebungskompetenzen. Die erläuterte Prof. Dr. Thorsten Ingo Schmidt von der Universität Potsdam. Der Bund hat keine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG, führte der Rechtswissenschaftler aus. Auch könne er sich nicht auf eine Kompetenz durch Sachzusammenhang anhand des BundLänder-Finanzausgleichs berufen. Lediglich nach Artikel 125a GG steht ihm eine Kompetenz zu, allerdings nur für Detailregelungen. Und die auch nur bis zum 31. Dezember 2019. Kommt bis dahin kein Gesetz zustande, hat der Bund gar keine Kompetenz mehr. Wenn doch, darf er auch in Zukunft nur Details verändern, nicht aber Grundlegendes. Sollte der Bund die Gesetzgebungskompetenz bekommen, müsste dafür das Grundgesetz geändert werden. Für Heilmann steht fest, dass am Ende ein Formelkompromiss steht, “der mit ein bisschen Glück auch nachhaltig sein wird”.

(BS/ab) Die Landeshauptstadt Hannover erhält für die Modernisierung von 1.260 Straßenleuchten ein Zertifikat vom Bundesumweltministerium (BMU). Durch den Umbau würden in 20 Jahren rund 3.215 Tonnen CO2 eingespart. Zudem sollen im nächsten Jahr weitere 1.900 LED-Leuchten eingebaut werden. Insgesamt sind auf den Straßen, Plätzen und Wegen circa 52.000 Straßenleuchten eingesetzt und seit 2009 sind in Hannover QuecksilberdampfHochdrucklampen außer Betrieb genommen. Das BMU fördert das Projekt über die Nationale Klimaschutz­ initiative. Seit 2012 unterstützt das Ministerium ferner die Umrüstung auf LED-Leuchten bundesweit. Mit den LED-Leuchten soll die Energiekosteneffizienz gesteigert werden.

Waffenverbotszone in Leipzig eingerichtet (BS/iga/mfe) In Leipzig ist die erste Waffenverbotszone eingerichtet worden. In einem rund siebzig Fußballfelder großen Areal in unmittelbarer Nähe des Stadtteilparks Rabet, nordöstlich der Stadt, ist das Mitführen von Schusswaffen, Messern, Reizstoffsprühgeräten sowie anderen gefährlichen Gegenständen untersagt. Die Maßnahme soll die allgemeine Sicherheit im Viertel erhöhen. Laut der Leipziger Polizei finden in dem Gebiet jährlich rund 600 Straftaten statt. Viele davon sind Tötungs- und Körperverletzungsdelikte. Darüber hinaus soll die Waffenverbotszone zur Deeskalation und zum Rückgang der Anzahl solcher Straftaten beitragen. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte: “Die Waffenverbotszone ist der Versuch, die öffentliche Sicherheit zu verbessern und das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu stärken.”

Fotos: Toby Giessen, Behörden Spiegel; www.duesseldorf.de; www.dormagen.de

Neue Mobilität

Strategien für Kommunen und öffentliche Fuhrparks 7. Mai 2019, Düsseldorf

Top-Referenten:

THEMEN DER KONFERENZ u.a.: ► Moderne Mobilitätskonzepte für die Kommune ► Elektromobilität in NRW

► Flächendeckende Infrastrukturen für Elektromobilität Michael Schramek Vorsitzender des Vorstandes, Netzwerk intelligente Mobilität e.V., Fachlicher Leiter der Tagung Eine Veranstaltung des

Thomas Geisel Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf

Mitveranstalter:

Tanja Gaspers Kämmerin und Projektleiterin „Elektromobile Stadtverwaltung Dormagen“

► E-Busse: Viel Potential für deutsche Innenstädte

► Nachhaltige Mobilitätsstrategien und klimafreundliche Verkehrsentwicklung

www.kommunale-mobilitaet.de


Kommunalpolitik

Seite 16

D

ie Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG W) veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen Schätzungen zu den Zahlen wohnungs- und obdachloser Menschen. Die letzten Schätzungen beziehen sich auf das Berichtsjahr 2016 und sprechen von einer Anzahl von Wohnungslosen in Deutschland von circa 860.000 Menschen. Seit 2014 sei dies ein Anstieg um 150 Prozent. Unter dem Begriff Wohnungslosigkeit versteht man all jene, die über keinen eigenen Mietvertrag verfügen. Das schließt Menschen mit ein, die beispielweise bei Verwandten oder Freunden (vorübergehend) untergebracht sind sowie Frauen, die in Frauenhäusern leben. Aber auch anerkannte Flüchtlinge, die im Regelfall weiterhin in Gemeinschaftsunterkünften geduldet sind, gehören dazu. Und zwar in hohem Maße: Fast 50 Prozent der hiesigen Wohnungslosen sind Zugewanderte, diese werden aber erst seit 2016 in die Schätzung miteinbezogen. BAG-W-Geschäftsführer Dr. Thomas Specht prognostizierte: “Da nachhaltige und vor allem ausreichende Maßnahmen zur Verbesserung der wohnungsund sozialpolitischen Rahmenbedingungen und zur Wohnungsversorgung aller Wohnungslosen, inklusive der Flüchtlinge ohne Wohnungen, in den Vorjahren nicht eingeleitet worden sind, wird es zu einem weiteren Anstieg der Zahl der wohnungslosen Menschen um 40 Prozent auf knapp 1,2 Millionen bis zum Jahr 2018 kommen.” Die Zahl der Obdachlosen darunter – also die, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben – ist laut BAG-W noch schwieriger einzuschätzen. Der Verein geht von einer Anzahl von circa 52.000 obdachlosen Menschen in Deutschland im Jahr 2016 aus. Seit 2014 (etwa 39.000) sei dies ein Anstieg um 33 Prozent. Was dabei besonders auffällig ist: Vor allem in den Metropolen seien

Am untersten Ende der Wohnungskette Was Berlin beim Thema Obdachlosigkeit richtig macht – und was fehlt (BS/Katarina Heidrich) Die Wohnungsnot in Ballungsgebieten ist in aller Munde. Während Politik und Bauwirtschaft an Programmen feilen, gerät eine immer größer werdende Bevölkerungsgruppe aus dem Blick, denen alle vorgeschlagenen wohnungspolitischen Instrumente nicht helfen: diejenigen, die auf der Straße leben. Das Problem: Bisher sind für diese Gruppe keine soziodemografischen Daten verfügbar – und solange dies der Fall ist, sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf. Berlin allerdings schon. fast 50 Prozent der Obdachlosen EU-Bürger. An der Gesamtzahl der Wohnungslosen machen sie hingegen “nur” einen Anteil von circa zwölf Prozent aus. Während also die “Straßenobdachlosigkeit” stark von der EU-Binnenwanderung geprägt ist, trifft dies für die Wohnungslosigkeit insgesamt nicht zu. Grund hierfür ist der Anspruchsausschluss bezüglich Sozialleistungen. Sowohl das SGB II als auch das SGB XII sehen Leistungsausschlüsse für Personen vor, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt.

Erst die Wohnung, dann die anderen Probleme lösen Berlin hat das Problem erkannt und will Abhilfe schaffen. Dies allein mit einer sozialgerechten Agenda der rot-rot-grünen Landesregierung zu erklären, wäre zu einfach. Denn den Kommunen – und besonders die Großstädte sind von Obdachlosigkeit gezeichnet – entstehen verschiedene Probleme durch diese Bevölkerungsgruppe. Nicht selten steigt die “Beschaffungskriminalität” mit Zunahme der Obdachlosenzahlen. Darüber hinaus müssen die Städte für Kosten bei medizinischen oder polizeilichen Notfalleinsätzen und Krankenhaus-, Psychiatrie- und Strafvollzugsaufenthalten aufkommen. Eine weitere Rolle spielt auch die Vermüllung von Plätzen, wo sich viele Obdachlose niederlassen. Im letzten Jahr etwa wurde in Berlin eigens eine “Taskforce Tiergarten” eingerichtet, um Gewaltvorfällen und großen Lagern Obdachloser in der Parkanlage entgegenzuwirken.

Eine eigene Wohnung bleibt immer mehr Menschen in Deutschland aus den verschiedensten Gründen verwehrt. Berlin will gezielt dagegen vorgehen. Foto: BS/werner22brigitte, CC0, pixabay.com

Nun hat die Stadt ein Konzept erarbeitet, das auf eine Idee zurückgeht, die schon Anfang der 90er-Jahre in den USA entwickelt wurde und seitdem in vielen europäischen Städten erprobt wurde. Das Projekt “Housing First” trägt den Kerngedanken eines “bedingungslosen Rechts auf Wohnen” in sich. Ausgegangen wird von einer eigenen Wohnung nicht als Ziel, sondern als Grundvoraussetzung, um andere persönliche Probleme lösen zu können. Nach Schätzungen der Wohlfahrtsverbände gibt es in Berlin 4.000 bis 10.000 Männer, Frauen und Kinder, die auf der Straße leben – Tendenz steigend.

Besondere Zielgruppe Laut der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales wird es ab dem kommenden Jahr zum ersten Mal verlässlichere Daten geben, da dann eine Statistik in Zusammenarbeit mit

der Alice-Salomon-Hochschule erstellt wird. Die Unterkünfte in der Innenstadt sind meist überlastet und viele Hilfsangebote enden, sobald es wärmer wird. “Derzeit stehen rund 900 Plätze in der Kältehilfe zur Verfügung. Die Anzahl wird sich sukzessive weiter erhöhen. In der Spitze werden es nach der momentanen Bedarfsschätzung 1.200 Plätze sein,” heißt es von der Senatsverwaltung. Neben dem Mangel an Angeboten kommt hinzu, dass viele durch die Schnittstellen der Hilfesysteme fallen, kritisiert die Neue Chance gGmbH – neben der Berliner Stadtmission Projektträger von “Housing First”. Sei es aufgrund einer Alkohol- und/ oder Drogenabhängigkeit (in den Einrichtungen ist Abstinenz Voraussetzung) oder aufgrund des Hundeverbots in vielen Unterkünften. “Housing First” richtet sich gerade an die Zielgruppe der

wohnungslosen Menschen mit komplexen psychischen Problemen und Suchterkrankungen. “Insgesamt sollen über einen Zeitraum von drei Jahren bis zu 80 wohnungslose Menschen mit einer Wohnung mit eigenem Mietvertrag ohne Vorbedingungen versorgt werden. Ein Beratungs- und Unterstützungsangebot steht den Betroffenen begleitend zur Verfügung. Die Projektträger übernehmen auch die schwierige Aufgabe der Wohnungsakquise”, gibt die Senatsverwaltung bekannt. Jobcenter und Sozialämter würden dafür Mieten von bis zu 20 Prozent über den Berliner Obergrenzen anerkennen. In vielen weiteren deutschen Städten gibt es bereits ähnliche Projekte oder sie sollen realisiert werden. Mit dem Unterschied zu Berlin allerdings, dass diese allein durch kirchliche oder gemeinwohlorientierte Einrichtungen umgesetzt werden und somit in ihrer Finanzierung von Spenden abhängen. In der Hauptstadt “stellt die Senatssozialverwaltung für dieses Jahr 143.000 Euro und im kommenden Jahr 580.000 Euro zur Verfügung”, wie es von dort heißt.

“Kein akuter Handlungsbedarf” Werena Rosenke, Geschäftsführerin BAG W: “Ohne Wohnungen für Wohnungslose und ohne ein systematisches Präventionssystem werden sich Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit nicht bekämpfen lassen. Der Bund muss dafür geeignete Rahmenbedingungen schaffen.” Als Beispiel nennt sie Hartz-IV-Sanktionen:

Es ist fünf vor zwölf, nicht nach zwölf!

B

erlin will solare Stadt werden. Angesichts der langen, heißen Sommer, die künftig noch zunehmen, gar kein abwegiges Ziel. Eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin) hat das Solarpotenzial der Stadt ermittelt und gibt an, es sei möglich, langfristig 25 Prozent der Stromversorgung durch Solarstrom zu decken. Aber: “Dafür müssten wir ab sofort jedes Jahr so viele Anlagen neu bauen, wie wir insgesamt in den letzten 20 Jahren errichtet haben”, erläutert Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW. Um diesem Ziel näher zu kommen, erstellt die Stadt zurzeit den “Masterplan Solarcity”, der bis zum Sommer 2019 stehen soll. Die derzeitige Lücke zwischen Status quo und Potenzial sieht der Staatssekretär der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Christian Rickerts, als Chance. “Wir sind reich an Gebäudeflächen, die es schlau zu nutzen gilt. Als Stadt sollten wir vorangehen und Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden installieren”, fordert er. Prof. Dr. Bernd Hirschl vom In­stitut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) empfiehlt dem Land Berlin, “seine Vorbildrolle konsequent wahrzunehmen” und die Rahmenbedingungen auf Solarenergie auszurichten. Zudem sollte die Nutzung von Solarthermie und Wärmespeichern verstärkt werden, um das städtische Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, zu erreichen. Die Nutzung von Erneuerbare-EnergienÜberschüssen aus dem Umland (Brandenburg) könnten dabei ebenfalls helfen, so Hirschl. Bei einer Wohneigentumsquote von

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Klimaschutz in der Kommune – zwischen Potenzial und Problemdruck (BS/ Katarina Heidrich) Seit 22 Jahren gab es in Deutschland keine negative Temperaturanomalie. Was zunächst positiv klingt, beschreibt jedoch das Phänomen, dass es die letzten zwei Jahrzehnte zu warme Sommer gab. Der Klimawandel ist vor allem in diesem Jahr auch bei uns haptisch geworden. Wenn nun aber der Schritt von Theorie zur Praxis vollzogen wird ”und wir nicht in Fatalismus verfallen, haben wir noch die Chance, die Klimaziele zu schaffen”, ist sich der Diplom-Meteorologe Sven Plöger sicher. Wie dies gelingt und trotz Widerständen Signale an Politik sowie Bevölkerung gesendet werden können, beweisen zahlreiche Beispiele aus den Kommunen. 20 Prozent stellt sich allerdings sofort die Frage nach der Akzeptanz solcher Maßnahmen bei den vielen Berliner Vermietern. Sorge um Kostensteigerungen bilden die Basis für Gegenargumente. Eine Lösung könnten Solarpartnerschaften sein, bei denen der Vermieter der Stadt seine Dachfläche für die Installation von Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung stellt, schlägt Gerhard Stryi-Hipp vom Fraunhofer-In­ stitut für Solare Energiesysteme (ISE) vor. Um auch die Mieter “mitzunehmen”, wie es oft im Polit-Jargon heißt, startet das Land Berlin ein Modernisierungsförderprogramm. Eigentümer, die Teile der Kosten für Solar(wärme-)anlagen auf die Mieter umlegen können, werden unter anderem mit einem Zuschuss von bis zu 30 Prozent der Darlehenssumme unterstützt, wenn sie in den geförderten Wohnungen für 15 Jahre Mietpreis- und Belegungsbindungen eingehen.

Stadtteile werden grün Auf die vermehrte Nutzung von Solarenergie legt auch Freiburg im Breisgau zukünftig seinen Fokus. Der neue Stadtteil Dietenbach soll komplett klimaneutral werden. Der Leiter des dortigen Umweltschutzamtes, Dr. Klaus von Zahn, erklärt, dass sich bisherige klimaneutrale Stadtteile fast ausschließlich aus Einfami-

lienhäusern zusammensetzten. Hier sei es einfacher, einzelne Gebäude nach ökologischen Maßstäben zu konzipieren als im Falle von Mehrgeschossern und ihrem entsprechend hohen Energiebedarf. Freiburg setze deshalb bei der Entwicklung auf einen verbindenden Wissenstransfer von Stadt- und Energieplanern. “Da wir keine Verbrennungsprozesse zur Energiegewinnung mehr im Gebiet haben wollten”, würden nun überwiegend Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen in Verbindung mit Eisspeichern zur Wärmespeicherung eingesetzt, erläutert der Amtsleiter. “Die Kombination aus diesen Technologien wird es schaffen, vo­ raussichtlich einen Stadtteil von 16.000 Einwohnern klimaneutral zu gestalten”, prognostiziert von Zahn. Für ein anderes Großprojekt in Sachen Klimaschutz wurde Freiburg mit dem ersten Platz beim Wettbewerb Klimaaktive Kommune 2018 vom Bundesumweltministerium und dem Deutschen Institut für Urbanistik (difu) ausgezeichnet. Der “Green Industry Park” entsteht in Freiburgs größtem Gewerbegebiet. Die dort ansässigen Unternehmen rufen gemeinsam Klimaschutzmaßnahmen ins Leben, die das Industriegebiet “grüner” machen und zur klimaschonenden Energieversorgung beitragen

sollen. Die Stadt Freiburg hat extra eine Stelle geschaffen, die die Koordination und die Öffentlichkeitsarbeit zum Projekt leiten soll. Ein weiterer Gewinner des ersten Platzes in der Kategorie Ressourcen- und Energieeffizienz in der Kommune ist Kiel. Die Landeshauptstadt setzt auf “Green IT” in kommunalen Liegenschaften. Gestartet wurde mit einem kooperativen Pilotprojekt im Rechenzentrum des Abfallwirtschaftsbetriebs. Das Projekt belegt, dass durch die energetische Modernisierung eines Serverraums die vorab prognostizierte Stromeinsparung von 70 Prozent tatsächlich erreicht werden kann. Umweltschutzmaßnahmen spielen auch in Verwaltungsabläufen eine immer wichtiger werdende Rolle – etwa bei der klimafreundlichen Beschaffung von Arbeitsplatzcomputern. Das Öko-Institut hat im Auftrag des Umweltbundesamtes ein Beratungstool entwickelt, welches Computervarianten vergleicht und deren Kosten sowie Umweltauswirkungen in einem Zeitraum von bis zu zwölf Jahren berechnet. “Die Treibhausgasemissionen werden über den gesamten Lebensweg der Geräte berechnet und berücksichtigen neben dem Rohstoffverbrauch bei der Herstellung auch den Energie-

bedarf in der Nutzung sowie die Entsorgung”, erläutert Ran Liu, Expertin für Ökobilanzen am Öko-Institut, den Vergleichsrechner für Arbeitsplatzcomputer. “Die ermittelten Kosten beinhalten Anschaffungsausgaben, den Stromverbrauch sowie erforderliche Personalkosten für begleitende IT-Maßnahmen.” Das Öko-Institut empfiehlt das Tool allen Personen in Behörden und Verwaltungen mit Leitungsfunktion, Umweltbeauftragten sowie IT-Verantwortlichen, um gleichzeitig den Blick auf Haushaltspläne und Treibhauseffekte zu lenken.

Nicht alles Gold, was glänzt Die Energiewende als dringliche Aufgabe zum Erreichen der Klimaziele sollte aber nicht allein in einzelnen technologischen Lösungen gedacht werden, sondern vor allem auf kommunaler Ebene verschiedene Bereiche in den Blick nehmen, ist sich Dr. Andrea Bräuning, Leiterin der Geschäftsstelle “Living LaB” der Stadt Ludwigsburg, sicher. “Für mich ist es keine technologische Herausforderung, denn da ist schon jetzt sehr viel möglich. Eher ist ein Paradigmenwechsel gefragt.” Das Problem sei, dass lediglich in den jeweiligen Segmenten gedacht werde. Wenn Deutschland sich nur an Einzeltechnologien

bei 100-prozentiger Sanktion sind auch Kosten für Unterkunft und Heizung betroffen, beispielweise wenn der Leistungsberechtigte seinen Meldepflichten nicht nachgekommen ist. Auch der unbestimmte Rechtsbegriff “Angemessenheit” der Kosten für Unterkunft und Heizung spielt eine Rolle. Werden Kosten als “nicht angemessen” definiert, muss der Leistungsberechtigte selbst für die Differenz aufkommen oder spätestens nach sechs Monaten umziehen. Gerade in den Großstädten kann dies aufgrund des Wohnraummangels schnell ein Problem werden. Prof. Dr. Volker Busch-Geertsema von der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS e. V.) fordert ein Bundesförderprogramm für von Wohnungslosigkeit betroffene oder gefährdete Menschen. Da­rüber hinaus solle die Abwendung von Wohnungslosigkeit durch Mietschuldenübernahme durch die Kommunen wieder einfacher möglich werden. Hierfür müsse beispielsweise das Miet-Kündigungsrecht so geändert werden, dass Kommunen fristlose Kündigungen bei Zahlungsrückstand der Miete wieder durch die Mietschuldenübernahme abwenden können. Die Bundesregierung sieht sich selbst (noch) nicht in der Pflicht. In ihrer Antwort (BT-Drs. 19/5288) auf eine kleine Anfrage der Grünen heißt es: “Aufgrund der aktuell unzureichenden und ungesicherten Erkenntnisse für das gesamte Bundesgebiet kann ein akuter Handlungsbedarf im Hinblick auf besondere gesellschaftliche Gruppen nur bedingt erkannt werden.” Auf die Frage, ob sie gedenke, Maßnahmen zu ergreifen, um die Länder und Kommunen bei der Versorgung der zunehmenden Wohnungsund Obdachlosen zu unterstützen, antwortet die Regierung: “Aktuell bestehen keine derartigen Pläne, da die Länder für die Versorgung der Wohnungs- und Obdachlosen zuständig sind.”

“entlanghangelt”, gerieten andere Bereiche aus dem Blick, so Bräuning. Als Beispiel nennt sie den Gebäudebereich. Effizienzgewinne, die hier erzielt worden seien, würden oftmals durch eine steigende Pro-Kopf-Wohnfläche relativiert. Die Energiewende sei also eher gesellschaftliches als technisches Thema und müsse konsequent zusammenhängend angegangen werden – etwa mit dem Verkehrs- bzw. Mobilitätsbereich. So sei eine quartiersbezogene, sektorübergreifende Politik in Form von Gesamt-Konzepten nötig, die abseits von “kleinteiliger Einzelförderung” agiere. Gerade auf kommunaler Ebene zeichnet sich eine Doppelaufgabe ab: die Gewährleistung von Klimaschutz und die von Infrastruktur. Die besondere Herausforderung dabei ist, dass beides oftmals einen Zielkonflikt darstellt. Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen erfordern Maßnahmen die die ökonomische, soziale und ökologische Ebene gleichermaßen sichern sollen. Am Beispiel des Kohleausstiegs zeigt sich das praktische Problem. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte im Rahmen der 11. Kommunalen Klimakonferenz des difu: “Es ist nicht alles Gold, was glänzt in Sachen Klimaschutz in unserem Land.” Die Kohlekommission habe die schwierige Aufgabe, ein sozialverträgliches Ende des Kohlebergbaus einzuleiten. Die künftigen Entwicklungen in den betroffenen Regionen – wie etwa der Lausitz – dürften auch dem Rest des Landes “nicht egal sein, denn diese haben jahrzehntelang unseren Wohlstand mitaufgebaut”, mahnt Schulze an.


Kommunalpolitik

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Mit der Idee im Gepäck

S

tart-up-Umfragen, Monitore und Aussagen sind schwierig einzuordnen. Beispielsweise gilt Berlin aktuell als Europas Nummer zwei bezüglich des Startup-Ökosystems hinter London und solange der Brexit noch nicht vollzogen wurde. Wiederum wurde die Bundeshauptstadt in einer vor Kurzem veröffentlichten KPMG-Studie hinsichtlich der Hauptsitze von Jungunternehmen auf Platz zwei nach Bonn verdrängt. “Jedoch gibt es zu Start-ups keine amtliche Statistik, weshalb aktuell alle Aussagen mit Hilfskonstrukten arbeiten. Zum Beispiel werden die amtlichen Zahlen zur Digitalwirtschaft für die Aussagen über die Jungunternehmen genutzt”, erläutert Svenja Fritz, Sprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft. Momentan werde an einem amtlichen Start-upRegister gearbeitet, um in Berlin die Transparenz zu erhöhen. Aber was benötigt ein Startup für Voraussetzungen, um zu bestehen? “Es braucht drei Dinge, um erfolgreich zu sein und zu wachsen: Kapital, Talent und einen geeigneten regulatorischen Rahmen”, erläutert Paul Wolter, Leiter der Kommunikation des Bundesverbandes der Deutschen Start-ups. Dabei hapere es an allen drei Faktoren in Deutschland. Hinsichtlich der Talente treffe der Fachkräftemangel Jungunternehmen hart, da diese verglichen zu größeren Unternehmen nicht die hohen Gehälter zahlen könnten.

Nachregulierung möglich? “Teilweise existieren sektorenspezifische Regelungen, die Start-ups und neue Technologien behindern. Wie beispielsweise

Start-ups und kommunale Unterstützung mit kleinen Grenzen (BS/Adrian Bednarski) Sie sind wie eine Ameisenherde – überall. Aufstrebende, kreative Köpfe versuchen, die Probleme von morgen zu lösen. An ihrer Seite stehen die Städte und Gemeinden, die sie auf vielfältige Art unterstützen. So geben zwei deutsche Start-up-Metropolen Einblicke in ihre Aktivitäten. Aber: An dem Faktor “Finanzierung” können sie jedoch nicht rütteln, da müsste der Bund agieren. das Personenbeförderungsgesetz im Hinblick auf die Sharing Economy, das Rechtsdienstleistungsgesetz im Hinblick auf Legaltechs oder andere einzelne spezifische Normen, die aus Zeiten stammen, in denen nicht an das Internet zu denken war”, merkt Wolter an. Aber: “Die bürokratischen Vorgaben im Gründungsprozess haben in der Regel ihre Ursache in Gesetzesvorgaben des Bundes und der Länder, die kommunale Verwaltung setzt hier lediglich um”, erörtert Victoria Appelbe von der Wirtschaftsförderung der Stadt Bonn. Daraus folgt, dass den Städten und Gemeinden die Hände gebunden sind. Wobei ein Lichtblick am Horizont aufflammt: Die Europäische Union strenge sich aktuell an, europaweit bürokratische Hürden abzubauen und beispielsweise eine Unternehmensgründung über digitale Tools stark zu vereinfachen, so Fritz. Eine Stellschraube besitzen die Kommunen jedoch: die mentale. Das Berliner IT-Dienstleistungszentrum stelle sich so auf, dass Ideen und Produkte von jungen Technologieunternehmen in eine Prüfung kommen könnten. Für die Berliner Verwaltung könnte dies profitabel sein, wenn die Verwaltung sich für “City-as-a-Service” als Ziel entscheide.

Unternehmensgründungen sind ähnlich wie die Reise zu neuen Ufern. Herausforderungen pflastern den Weg, aber eine Kommune kann dabei ihre helfende Hand auf vielerlei Art und Weise reichen. Foto: BS/JESHOOTScom, CC0, pixabay.com

Dann liegt das kommunale Hauptaugenmerk auf der VorOrt-Unterstützung, dem Netzwerkaufbau und der Förderung.

Direkte Vor-Ort-Beratung Die Stadt Bonn bietet exem– plarisch viele Beratungsangebote an. “Gründungsinteressierte erhalten bei der Wirtschaftsförderung in der Erstberatung auch Informationen zu Gründungsformalitäten. Das Service Center Wirtschaft fungiert hier als Lotse durch die Verwaltung und steuert die Genehmigungsverfahren,

Kommentar Dieselfahrverbote, ein Schrecken ohne Ende Jürgen Roters, Oberbürgermeister a.D. der Stadt Köln (BS) Der Umgang mit dem Dieselskandal ist ein verfehltes Krisenmanagement auf allen Ebenen. Und wer glaubt, “das Ende der Fahnenstange” sei erreicht, der irrt. Die Automobilwirtschaft – einst glanzvolles Aushängeschild für deutsche Ingenieursund Wirtschaftskraft – hat im Zuge des Dieseldesasters einen nicht für möglich gehaltenen Vertrauensverlust erlitten. Leugnen, vertuschen, verdrehen war die Devise, bis die amerikanische Umweltbehörde gegenüber VW ein zehn Mrd. Dollar teures Entschädigungspaket verordnete. Das hatte jedoch nur mäßige Wirkung auf den deutschen Automarkt selbst. Es gab weder Rückgabegarantien wie in den USA noch die Zusage, die Kosten für eine Hardware-Nachrüstung zu übernehmen. Der Bundesregierung fehlte es von Anfang an an Kraft und Entschlossenheit, die HardwareNachrüstung gegenüber den Autobauern durchzusetzen. Wie anders ist es zu verstehen, dass sie im Zuge des ersten Dieselgipfels eine Expertenkommission zur Hardware-Nachrüstung einsetzte, ohne deren konstruktive Vorschläge bis jetzt aufzugreifen? Die Kontroverse zwischen den Bundesministerien – Verkehr und Umwelt – schwelt nach wie vor. Ein kraftvolles Auftreten gegenüber der Automobilindustrie ist daher nicht möglich. Stattdessen werden Reparaturmaßnahmen ins Auge gefasst, etwa mit der Leitlinie zur Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten bei “geringfügigen” Grenzüberschreitungen bis 50 Mikrogramm Stickstoffoxid. Ob das den Kom-

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munen hilft, bleibt abzuwarten, denn die verfassungsrechtlichen Bedenken wegen des Verstoßes gegen das EU-Recht sind bislang nicht ausgeräumt. Die Deutsche Umwelthilfe e.V. drängt in rigoroser Art, Fahrverbote für alte Dieselfahrzeuge in die Luftreinhaltepläne aufzunehmen. In den betroffenen Großstädten hat sie bislang obsiegt, weitere Städte mittlerer Größenordnung folgten. In Köln trifft es 100.000 Dieselfahrzeuge in der Euroklasse 5 und darunter; in Berlin mehr als 200.000. Vor allem, wenn zonenbezogene Fahrverbote ausgesprochen werden, wird dies zu massiven Auswirkungen auf die Verkehrsund Wirtschaftsbeziehungen in den Innenstädten führen, wenn sogar Teilstücke einer Autobahn in die Verbotszonen einbezogen werden. Es verstärkt sich der Eindruck, es gehe der DUH nicht mehr vorrangig um den Gesundheitsschutz von Anliegern und Bewohnern, sondern um eine weitreichende Verkehrswende, mit der der individuelle Personenverkehr aus den Innenstädten vertrieben werden soll. Die Rechtsprechung folgt in den bisherigen Klageverfahren weitgehend der Argumentation der DUH.Es muss jedoch die Frage aufgeworfen werden, ob die erst– instanzlichen Verwaltungsgerichte die Vorgaben der beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom Februar 2018 angemessen aufnehmen. Das höchste Gericht hat zwar eine schnellstmögliche Umsetzung der europäischen Richtlinie gefordert, ein Fahrverbot unter dem Grundsatz der Verhältnis-

mäßigkeit jedoch nur als letztes Mittel (Ultima Ratio) zugelassen. Das Fahrverbot ist also nur ein Mittel in einem Instrumentenkasten zur Verbesserung der Luftqualität in den Städten. Schaut man sich die aktuellen Urteile der Verwaltungsgerichtsebene an, so kann von einem kommunalen Gestaltungsermessen nicht mehr die Rede sein. Außer dem Straßenverkehr werden zudem keine anderen Emittenten herangezogen. Letztlich sind die Städte und Gemeinden die Leittragenden. Obwohl die NO 2-Belastungen bundesweit gesehen kontinuierlich sinken, haben sie die Last der Probleme zu tragen. Die Verwaltungsgerichte verweisen da– rauf, dass jede Kommune ja fast zehn Jahre Zeit gehabt habe, um Verbesserungsmaßnahmen umzusetzen. Dabei wird übersehen, dass im Zuge der Europäischen Richtlinie 2008, die ja nicht nur Stickoxid im Auge hatte, vielfältige Maßnahmen gegen CO2- und Feinstaubelastungen erfolgreich ergriffen wurden. Alle Städte haben inzwischen Strategien und Masterpläne zur Verbesserung der Gesamtsituation auf den Weg gebracht; so ernsthaft täglich auch daran gearbeitet wird, umso mehr bedarf es einer gewissen Geduld und Nachsicht, bis die ersten Maßnahmen dann nachhaltig greifen. Das Ende des Dieseldesasters ist kaum absehbar; eine weite Palette von Fragen, die auf eine Antwort warten, liegt vor uns. Nicht zuletzt auch die Frage, wie und in welchem Umfang die am 1. November in Kraft getretene Musterfeststellungsklage dem gebeutelten Verbraucher nützt?

die der kommunalen Verwaltung unterliegen”, erörtert Appelbe. Die individuelle Beratung beinhalte ebenso Informationen zu Fördermöglichkeiten des Landes als auch des Bundes. “Hier nimmt das Beratungsteam die Rolle als Regionalpartner für die Programme ein, nimmt Anträge entgegen, prüft vor und erstellt fachkundige Stellungnahmen”, so die Wirtschaftsförderin. Mit Workshops und Veranstaltungen werde, teils auch in Kooperation mit regionalen Partnern, zur Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen beigetragen. In beiden Städten stellen die Hochschulen wichtige Partner dar, die mit ihrer Expertise zu Themen wie Digitalisierung oder Entrepreneurship zur Seite stehen. Neben Gründerqualifizierung geht es auch um Startup-Stipendien. Aber auch die Jugend wird beispielsweise in Berlin gefördert, indem durch Schülerprojekte junge Menschen für die Themen Gründung und Start-up sensibilisiert würden. Des Weiteren engagiert sich Bonn im Bereich der Digitalisierung als Förderer und aktiver Unterstützer im Digital Hub Region Bonn. So sagt Appelbe: “Im Segment Cyber-Sicherheit hat der Standort große Potenziale, die sich auch in Start-ups manifestieren. Mit der Gründungsmitgliedschaft im Cyber Security Cluster Bonn, das vor wenigen Tagen offiziell begründet wurde, wollen wir auch diesen Bereich befördern.” Zudem wurde die Initiative BonnProfits – Start-up-Services im Jahr 2009 gemeinsam mit der Sparkasse Köln/Bonn ins Leben gerufen. Zusammen solle ein “qualitativ hochwertiges Angebot” geschaffen werden, welches unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit, Beratungsleistungen und ein Innovations- und Gründerzen– trum umfasse. Letzteres böte seit sieben Jahren kostengünstige

Büros in zentraler Lage an. Ein Aspekt, den auch Wolter hervorhebt: “Kommunen könnten außerdem Leerstand so begegnen, dass in diesen Gebäuden ein städtischer Coworking Space entstehen könnte, um Gründer in der Region zu halten und neue anzuwerben.” Es bedürfe hierfür nur eine bis zu einem gewissen Grad attraktive Lage und schnelles Internet. Was beide Städte tun, ist das Ohr an der Gründerszene zu haben. In Bonn geschieht dies teils über Projekte wie den Digital Hub oder das Social Impact Lab. “Diese greifen Themen bzw. Märkte auf wie Digitalisierung, Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit”, so Appelbe. Daneben würden auch ganze Initiativen wie “The 9th” oder “Mompreneurs” entstehen; Plattformen, die dem Austausch von potenziellen Gründern dienen.

Probleme ansprechen In den Orten der Begegnung in der Bundeshauptstadt komme es beispielsweise zum Austausch über Internationalisierung und Unterstützung bei der Unternehmensgründung, erläutert Fritz. Auch die “normalen”, aber Startup-unspezifischen Probleme von neuansiedelnden Menschen würden hierbei angesprochen. Dazu gehören Fragen der Daseinsvorsorge wie beispielsweise die Kinderversorgung. Insbesondere dann, wenn die Person noch nicht genügend Deutsch spreche und sich hier zurecht zufinden versucht. Der letzte Knackpunkt: das Kapital. Auch finanzielle Unterstützung wie das NRW-Gründerstipendium können hilfreich sein, so Wolter, weil sie eine “schlanke und schnelle Hilfe für Gründer in der Anfangszeit” darstellen. Um bei der Kapitalfindung zu unterstützen, greift Berlin auf die Investitionsbank Berlin und die IBB Beteiligungsgesellschaft

als landeseigene Akteure auf dem Finanzierungsmarkt zurück. Welche auch nach den negativen Entwicklungen in der IT-Branche die Unternehmen mit Kapital versorgen würden, erörtert Fritz. Aber grundsätzlich, unterstreicht der Wolter, stelle insbesondere das Wachstumskapital den kritischsten Faktor dar. Das ist jene Finanzierungsstufe, die nach der erfolgreichen Produktimplementierung am Markt komme. Sie werde für die Expansion bis hin zur Internationalisierung benötigt. “ Wir sehen es leider viel zu oft, dass deutsche Start-ups von internationalen Wettbewerbern überholt werden, weil diese das nötige Kapital hierfür besitzen”, merkt er kritisch an. In Deutschland sei 2017 das Venture Capital (Risiko- oder Wagniskapital, VC) in Höhe von 4,3 Mrd. Euro in Startups investiert worden, während dieses in den USA mit 63,8 Mrd. Euro ungleich höher läge, so der Verbandssprecher. Umgerechnet würde Deutschland rund 0,132 Prozent des hiesigen BIPs und die USA 0,371 Prozent ihres BIPs investieren. Wolter äußert sehr kritisch: “Die VC-Lücke von rund 60 Mrd. Euro zwischen den beiden Staaten kann und sollte nicht von staatlicher Seite geschlossen werden. Es müssen vielmehr private Investoren für die Anlageklasse Risikokapital gewonnen werden.” Das hohe Volumen der US-amerikanischen Wagniskapitalfonds sei darin begründet, dass Versicherungs- und Pensionsfonds (Kapitalsammelstellen) in den USA die primären Investoren in dieser Anlageklasse seien. “Grund für die Zurückhaltung der Kapitalsammelstellen in Deutschland sind die unverhältnismäßig strengen Kapitalanlagerestriktionen für die Anlageklasse Venture Capital in Europa. Wie dennoch Sammelstellen für Wagniskapitalfonds gewonnen werden können, zeigt der dänische Innovationsfonds”, erläutert der Verbandssprecher. Durch die Schaffung eines Zukunftsfonds nach dem dänischen Vorbild könnte der Staat Kapitalsammelstellen kurzfristig Investitionen in die Anlageklasse Risikokapital ermöglichen, ohne rechtlich nach regulieren zu müssen. Der Zukunftsfonds wäre ein staatlich kontrollierter Dachfonds, dessen Struktur vereinbar mit dem EU-Recht sei, wie das dänische Vorbild beweise. “Aus Sicht der Kapitalsammelstellen sind die Einlagen in diesen Fonds vergleichbar mit risikolosen Staatsanleihen, für die sie eine übliche Verzinsung plus Aufschlag erhalten. Es müssen keine Steuermittel aufgewendet werden und der Staat übernimmt ein begrenztes Risiko”, schließt Wolter ab. Zielgröße für den ersten Zukunftsfonds sollten zehn Mrd. Euro sein und “die große Koalition hat sich im Koalitionsvertrag mit der Schaffung eines großen nationalen Digitalfonds ein entsprechendes Engagement vorgenommen”.

MELDUNG

Hardware-Nachrüstung für schwere Kommunalfahrzeuge (BS/ab) Ab dem 1. Januar 2019 stehen rund 100 Mio. Euro für die Hardware-Nachrüstung von sog. Schweren Kommunalfahrzeugen in einem Förderprogramm des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) bereit. Die Anträge können ab sofort beim KraftfahrtBundesamtes (KBA) gestellt werden. Nach der Förderrichtlinie sind jene Fahrzeuge förderfähig, die mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen (bspw. Müllfahrzeuge) und die in den 65 von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Städ-

ten mit einem StickstoffdioxidJahresmittelwert von mehr als 40 Mikrogramm/Kubikmeter zugelassen sind und gleichzeitig die, die in der Förderrichtlinie festgelegten technischen Anforderungen erfüllen. Ferner muss eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) des KBA für die Nachrüstsysteme nachgewiesen werden. Damit wird sichergestellt, dass die Einsparziele in Höhe von 85 Prozent auch im Realbetrieb erreicht werden. Das BMVI hat hierfür technische Anforderungen erarbeitet.

Förderberechtigt sind folgende juristische Personen: Gebietskörperschaften, kommunale Unternehmen sowie öffentliche und private Unternehmen, die als Dienstleistungserbringer für kommunale Betriebe agieren. Für kommunale Eigenbetriebe ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist die jeweilige Kommune antragsberechtigt. Die Kosten für eine Hardware-Nachrüstung betragen 15.000 bis 30.000 Euro pro Fahrzeug. Die Höhe des Zuschusses ist abhängig von der Unternehmensgröße.


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Personelles

Behรถrden Spiegel / Dezember 2018


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Neue Technik

Immer wieder dieser Tiefbau

Algorithmenbasierte Videoüberwachung in Mannheim

Stellschrauben für Glasfaserausbau sind gegeben

(BS/mfe) In Mannheim findet künftig eine auf mathematischen Algorithmen basierende Videobeobachtung (BS/ab) Das Gutachten “Tiefbaukapazitäten als Engpass für den FTTB/H-Ausbau?” hat die gängige Beobdes öffentlichen Raums statt. Damit wird europaweit Neuland betreten. Gearbeitet wird nicht mit der Gesichts- achtung – dass die Tiefbaukapazitäten nicht für den Glasfaserausbau reichen – bestätigt. Aber es zeigt auch erkennung, sondern mit einer automatischen Bildauswertung. proaktive Stellschrauben für Kommunen auf, damit diese hinsichtlich der Zukunftstechnologie nicht das Nachsehen haben. In Mannheim findet künftig eine auf mathematischen Algorithmen basierende Videobeobachtung des öffentlichen Raums statt. Damit wird europaweit Neuland betreten. Gearbeitet wird nicht mit der Gesichtserkennung, sondern mit einer automatischen Bildauswertung. Das hat zur Folge, dass bestimmte Verhaltensmuster, die auf Straftaten hindeuten, mithilfe der Algorithmen erkannt und unmittelbar ins Lagezentrum des Mannheimer Polizeipräsidiums gemeldet werden. Dabei kann es sich etwa um Schlag- oder Trittbewegungen handeln. Gleiches gilt für Rennen oder Hinfallen. Dies erlaubt ein rasches polizeiliches Einschreiten im Ernstfall und spart Analysekapazitäten. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte zu dem Projekt: “Mannheim schlägt aktuell ein neues Kapitel auf: Wir geben heute den Startschuss für die intelligente Videoüberwachung. Sie macht die Bekämpfung der Straßenkriminalität effizienter und wird den Menschen in der Stadt ein Mehr an Sicherheit bringen.” Mit diesem Vorhaben leiste man echte Pionierarbeit. Einmal mehr sei Baden-Württemberg Vorreiter in Sachen Sicherheitspolitik im digitalen Zeitalter – und das sogar europaweit, meinte der Stuttgarter Ressortchef. “Die in-

Das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) hat eine entsprechende Basissoftware entwickelt, das Land mit dem neuen Polizeigesetz die rechtlichen Grundlagen In Mannheim (Foto) kommt künftig eine algorithmenbasierte dafür gelegt Videobeobachtung des öffentlichen Raumes zum Einsatz. und die Stadt den Ausbau Foto: BS/Jurec, pixelio.de der Infratelligente, algorithmenbasierte struktur finanziert. Die LanVideoüberwachung, die wir jetzt desregierung investiert in das an den Start bringen, steht auch Projekt insgesamt rund 700.000 für eine erfolgreiche, innovati- Euro. Von der Stadt Mannheim ve Zusammenarbeit von Land, kommen 900.000 Euro. Stadt und Forschung”, so Strobl Deren Erster Bürgermeister und weiter. Und der Mannheimer Sicherheitsdezernent Christian Polizeipräsident Thomas Körber Specht unterstrich: “Die Maßergänzte: “Diese Videoüberwa- nahme der intelligenten Videochung bestimmter öffentlicher überwachung ist ein Baustein Bereiche versetzt uns künftig in eines umfassenden Sicherheitsdie Lage, in den besonders kri- konzepts der Stadt Mannheim, minalitätsbelasteten Bereichen das in Anlehnung an die strategikritische Situationen bereits schen Ziele der Stadt entwickelt im Entstehen zu erkennen und wurde.” Neben der Videoüberschnell intervenieren zu können. wachung beinhalte das Konzept Die kontinuierliche Weiterent- eine Vielzahl weiterer Maßnahwicklung der algorithmenbasier- men wie etwa ein regelmäßiges ten Bildauswertung wird das urbanes Sicherheitsaudit oder polizeiliche Einschreiten künftig mobile Sicherheitswachen an bestimmten exponierten Plätzen. noch effizienter machen.”

Zufrieden trotz schlechten Verkehrs Studie zur Mobilität im ländlichen Raum (BS/iga) Laut einer neuen Studie des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) sind die Menschen generell zufrieden mit der Mobilität auf dem Land. Eine durchgeführte Befragung zeigt jedoch, dass die Befragten unzufrieden mit dem Öffentlichen Verkehr (ÖV) im ländlichen Raum sind. Sehr positiv wurden hingegen der Motorisierte Individualverkehr (MIV) und die gute Erreichbarkeit relevanter Ziele auf dem Land bewertet. Vier Mobilitätsarten wurden im Rahmen der Studie untersucht: Neben dem MIV und dem ÖV auch der Fahrrad- und der Fußverkehr. Davon ist der MIV die am besten bewertete Mobilitätsart und zugleich die meistbenutzte Mobilitätsform im ländlichen Raum. Bezüglich dieser Mobilitätsform werden zwei Aspekte besonders gut bewertet: Die Zuverlässigkeit der Zielerreichung im nahen Umkreis und die Anbindung des Wohnortes an Bundesstraßen. Unter den MIVNutzern auf dem Land sorgen hingegen das Baustellenmanagement im weiteren Umkreis und das Verhalten von Radfahrern für Unzufriedenheit. Der ADAC-Vizepräsident für Verkehr, Ulrich Klaus Becker, sagte: “Es ist toll und für uns auch ein klein wenig überraschend, dass so viele Menschen auf dem Land

mit ihrer Mobilität so zufrieden sind. Dennoch fühlen sich auch etliche abgehängt und ausgebremst, wünschen sich deutlich mehr Investitionen in innovative Mobilitätsangebote und schnelles Internet.” Die Befragung zeige, dass es einige benachteiligte Gruppen im ländlichen Raum gebe, unterstrich Becker. “Der öffentliche Verkehr hat hier noch starkes Verbesserungspotenzial”, sagte er. Die Studie hebt darüber hinaus die Gründe für die schlechten Bewertungen des ÖV in der Befragung hervor: Die fehlenden Direktverbindungen, die unzureichende Taktung und die als zu lang empfundene Fahrdauer. Verbesserungen bei diesen zentralen Aspekten stellen wichtige Voraussetzungen dar, um Menschen im ländlichen Raum zum Umstieg auf den ÖV zu motivie-

Nach dem Gutachten entfallen 80 bis 90 Prozent der Kosten auf Personal-, Maschinen- und Materialeinsatz beim Tiefbau. Deshalb belasten Verzögerungen und Kostensteigerungen im Tiefbau die Glasfaserprojekte stärker. Gleichzeitig spielen in die Tiefbaubranche Kapazitätsengpässe hinein, denn die notwendigen Unternehmen sind in der Regel spezialisiert, wodurch nur ein kleiner Teil im FTTB/H-Ausbau tätig sein kann. Insbesondere Großbauunternehmen würden sich, so das Gutachten des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK), noch sehr gering im Glasfaserausbau engagieren. Für diese sei der Ausbau zu kleinteilig und dadurch eher unrentabel.

Die notwendigen Stellschrauben Das grobe Maßnahmenbündel, welches die WIK-Gutachter vorschlagen, damit der Glasfaserausbau möglichst schnell vorangetrieben wird, umfasst in seinen Grundzügen Folgendes: Erstens könnten alternative, kostensparende Verlegetechniken eingesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise Minioder Mirco-Trenching. Dies ist die minimal-invasive Verlegung von Leitungen in zehn bis 30 Zentimetern Tiefe. Auch die Verlegung über Abwasserrohre, vorhandene Freileitungen zur oberirdischen Verlegung sowie Leerrohre seien schnelle Maßnahmen. Gleichzeitig brauche es jedoch auf der kommunalen Seite die Akzeptanz bezüglich der

alternativen Verlegemethoden. Im Alltag würden diese praktischen Anwendungsfälle oft noch abgelehnt. Zweitens müssen personelle Engpässe in den Behörden der Vergangenheit angehören. Hilfreich hierfür können elek­ tronische Tools bei der Planung und den Genehmigungsverfahren sein. Videokonferenzen und Fotos können aufwendige Außentermine meistens ersetzen. Auch die Ernennung eines Breitband Ansprechpartners zur Verkürzung der Genehmigungsprozesse kann unterstützend wirken. Schließlich kann die Teilauszahlung eines zugesagten Fördermittels daran gekoppelt werden, dass die Kommune den Ausbau innerhalb der vorgegebenen Frist genehmigt. Drittens können langfristige Verträge mit den Unternehmen für Sicherheit sorgen. Aber auch ausländische Unternehmen kön-

nen für den Glasfaserausbau herangezogen werden, jedoch sollte auf langfristige Verträge geachtet werden. Viertens bieten sich Anpassungen bei der Fördermittelvergabe an. Statt die Förderbescheide zu sammeln, könnten sie zu bestimmten Zeitpunkten kontinuierlich vergeben oder zugeteilt werden. Fünftens kann eine ergänzende Nachfrageförderung (Zukunftsprämie) mit Gutscheinen für Unternehmen und Bürger ein Anreiz sein, damit diese ihre Gebäude mit Glasfaser erschließen. Dr. Iris Henseler-Unger, WIKGeschäftsführerin, betont, dass es mehrere Ursachen und mehrere Stellschrauben gebe. Aber: “Mit einem “Weiter so” besteht die Gefahr, dass maximal die Hälfte aller deutschen Haushalte bis 2025 mit direkten Glasfaser­ anschlüssen versorgt werden können.”

Zum einen sind Tiefbauunternehmen schwer für den Glasfaserausbau zu gewinnen. Zum anderen kann jede Verzögerung die Kosten explodieren lassen. Aber mehrere Stellschrauben sollen nach dem WIK-Gutachten den Ausbau verbessern. Foto: BS/Margot Kessler, pixelio.de

Medizin muss nicht schmecken Berlins unbequeme Alternative funktioniert (BS/ab) Mittlerweile klopfen sie an vielen Städten an. Die Durchfahrtsbeschränkungen (umgangssprachlich Fahrverbote). Berlin muss bis zum 31. März 2019 einen überarbeiteten Luftreinhalteplan vorlegen, wofür ­unterschiedliche Maßnahmen (neu) bewertet wurden. So manche Maßnahme zeigte überraschende Wirkung, aber kurzfristige und effektive Maßnahmen sind eine Seltenheit. Eine der wenigen, die sich als wirkungsvoll entpuppt, ist eine der Unbeliebtesten: die Tempo-30-Zone.

Die Menschen im ländlichen Raum sind großenteils mit ihrer Mobilität zufrieden, auch wenn der ÖPNV am schlechtesten abschnitt. Foto: BS/hpgruesen, CC0, pixabay.com

ren. Derzeit nutzt fast die Hälfte der Befragten den ÖV nicht; Mobilitätsangebote wie Rufbusse oder Anrufsammeltaxis spielen auf dem Land noch kaum eine Rolle. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der Bewertung des ÖV sind groß. So schneiden Bus und Bahn in den alten Bundesländern deutlich schlechter ab als in Ostdeutschland. Die zufriedensten Nutzer des öffentlichen Verkehrs finden sich in SachsenAnhalt, die Bundesländer mit den unzufriedensten Nutzern leben hingegen Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Auch die Meinung von jungen Menschen wurde bei der Befragung berücksichtigt. Anders als bei Erwachsenen sind Menschen unter 18 Jahren unzufrieden mit der Erreichbarkeit von Zielen, die ihnen besonders wichtig sind. Für die Jugendlichen sind beispielsweise die Schule, das Kino oder Sporteinrichtungen wichtige Ziele. Insgesamt wurden knapp 3.400 Interviews in Gemeinden mit maximal 150 Einwohnern pro Quadratkilometer für die Studie des ADAC geführt. Weitere Informationen zum ADAC Monitor unter www.adac. de, Suchwort “Die große ADACUmfrage”.

Im Hinblick auf Stickoxide (NOX) räumt Martin Lutz, Fachbereichsleiter für Luftreinhaltung in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin, mit manchen Vorurteilen auf: Drei Viertel der Stickoxide würden vom KfZ-Verkehr verursacht, betont er. “Auch wenn manche die Ursache im Luft- oder Schifffahrtsverkehr sehen, so macht dieser jeweils nur ein Prozent an der Gesamtstickoxid-Belastung aus”, unterstreicht der studierte Meteorologe. In Berlin seien es insgesamt 62 Kilometer Straße, wo Grenzwerte überschritten würden.

Um 20 Prozent gesunken Zu den Maßnahmen, die die Stadt ergreife, gehöre der Kauf von Elektrobussen. “Aber wir müssen zugeben, es existiert

ein Timing-Problem. Nachdem die vorgegebenen Jahre für das Einhalten der Grenzwerte überzogen wurden, müssen wir nun so schnell wie möglich handeln. Aber E-Busse können nicht so schnell und in dem Umfang beschafft werden”, merkt Lutz an. Jedoch habe sich die Einführung von Tempo-30-Zonen als effektive Maßnahme erwiesen. “Im Vergleich zu den Tempo-50-Straßen sind die NOX-Emissionen bei den angeordneten Tempo-30-Straßen bis zu 20 Prozent gesunken und die Feinstaubbelastung um bis zu 19 Prozent”, erläutert er. Ferner kritisiert er die SoftwareUpdate-Lösung. Diese habe nicht die signifikanten Veränderungen bewirkt, wie es oft dargestellt würde. “Wir werden nun mehr Tempo30-Straßen implementieren, weil

Jeder kennt diesen alten Satz: Medizin muss nicht schmecken, sondern heilen. Hinsichtlich der Tempo-30-Zonen könnte dies genauso funktionieren. Sie sind unbeliebt, aber lokal wirksam. Foto: BS/ulleo, CC0, pixabay.com

sie bei unseren Messungen die Stickoxid-Werte zwischen null und sechs Mikrogramm pro Kubikmeter gesenkt haben.” Auch wenn negative Auswirkungen auf Nebenstraßen möglich seien. Jedoch bleibe das Kernproblem bestehen, dass es sehr wenige kurzfristige, effektive Maßnahme gebe, die in Betracht kommen könnten. Weitere Optionen seien das Mobilitätsmanagement sowie die Parkraumbewirtschaftung neu zu konzipieren.

Feinstaubproblem bleibt Dafür wiederum bereitet die Feinstaubbelastung Kopfzerbrechen. “Dies ist ein weiteres großes Problem, auch wenn sich die Debatte vielfach um Stickoxide dreht.” Die Gründe hierfür: “Nur ein Drittel erzeugt die Stadt durch Brems- und Reifenabrieb selbst. Zwei Drittel kommen aus der Region und der Hemisphäre”, erörtert der Meteorologe. Insbesondere der massive Braunkohleeinsatz im nahegelegenen Polen und die umliegende Landwirtschaft seien Verursacher für den regionalen Feinstaub, welcher in die Stadt komme. “Es existiert Feinstaub, der sich erst in den Lufträumen bilden. Nämlich dann, wenn Stickoxide und in der Landwirtschaft eingesetzter Schwefel aufeinandertreffen.” Der Zwiespalt ist: Auch wenn die Autos umweltfreundlicher würden, so bliebe innenstädtisch der Abrieb und damit der innenstädtisch produzierte Feinstaub erhalten.


Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / Dezember 2018

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Eine Reform, zwei Varianten

Der Saarlandpakt

Finanzministerium schafft Diskussionsgrundlage zur Grundsteuer

Land will Hälfte der kommunalen Kassenkredite übernehmen

(BS/jf) Zur Neuregelung der Grundsteuer hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz zwei unterschiedliche Bewertungsansätze vorgestellt. Beide bieten Vor- und Nachteile, weshalb die Diskussion weitergeführt wird (siehe Seite 15). In Scholz’ Ministerium wird ein wertabhängiges Modell befürwortet. Am Ende bleibt es trotzdem in der Hand der Kommunen, die Aufkommensneutralität sicherzustellen.

(BS/gg) Die saarländische Landesregierung hat sich Mitte November auf den sogenannten “Saarlandpakt” verständigt, mit dem die kommunalen Haushalte in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter konsolidiert werden sollen. Ziel ist es, alle Kommunen des Saarlandes in die Lage zu versetzen, bis zum Jahre 2065 ihre Kassenkredite, derzeitiges Gesamtvolumen rund 2,1 Milliarden Euro, komplett getilgt zu haben. In einem ersten Schritt wolle man hierzu rund die Hälfte der Kassenkredite auf freiwilliger Basis auf das Land übertragen, Eines steht fest: Egal welches angesetzt. Damit werde sicherge- ben die tatsächlichen Werte der wie Ministerpräsident Tobias Hans in einer Regierungserklärung zum Saarlandpakt erläuterte.

Modell am Ende zum Einsatz kommt, sämtliche Grundstücke müssen neu bewertet werden. Und: Die tatsächliche Wertermittlung seit Mitte der 60er-Jahre (altes Bundesgebiet) bzw. Mitte der 30er-Jahre (neues Bundesgebiet) wird nachgeholt. Entsprechend wird es für den einzelnen Steuerzahler zu Veränderungen kommen. Folglich wird die Reform nicht für jeden aufkommensneutral sein. Um die Be- und Entlastungen anschließend gerecht zu verteilen, muss die sogenannte Steuermesszahl zur Berechnung der Grundstückswerte anschließend von den Städten und Gemeinden radikal abgesenkt werden. Aus diesem Grund votiert das BMF für ein wertabhängiges Modell, mit dem dieses Ziel besser erreicht werden könne.

Wertabhängig… Bei diesem Modell wird am tatsächlichen Wert einer Immobilie

stellt, dass vergleichbare Immobilien ähnlich besteuert werden. Aus Sicht des BMF würden damit die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts besser erreicht werden. Dabei bleibt es beim bisherigen dreistufigen Berechnungsverfahren: Erst wird der Grundstückswert ermittelt, anschließend der Steuermessbetrag festgesetzt und zum Schluss die Steuer durch die Anwendung des kommunalen Hebesatzes festgesetzt.

…oder wertunabhängig Im Gegenzug setzt ein wertunabhängiges Verfahren an der Fläche der Grundstücke und der vorhandenen Gebäude an. Ähnlich wie bei dem anderen Modell soll auch hier in einem vereinfachten Verfahren der Grundstückswert ermittelt werden, allerdings an den Geschossflächen orientiert. Anschließend wird nach dem Gebäudezweck, sprich der Nutzung differenziert. Dabei blei-

Grundstücke und Gebäude unberücksichtigt. Folglich würde für flächenmäßig gleichgroße Immobilien die Steuerhöhe ähnlich sein, ohne weiter zwischen den Gebäuden, ihrem tatsächlichen Zustand und ihrer Lage zu unterscheiden.

Blick in die Geschichte Egal welches Verfahren zur Anwendung stattgefunden. Der Aufwand zur Wertermittlung wird enorm sein. Dr. Stefan Bach vom DIW Berlin verdeutlichte dies am Beispiel der letzten Grundsteuerreform. Diese habe in Preußen 1861 statt, so Bach. Für die Aufstellung eines neuen Katasters in den östlichen Provinzen und die Anpassung vorhandener Kataster in den westlichen Provinzen des Königreichs seien kurzerhand 3.500 Menschen in den Staatsdienst eingestellt worden. “Damals galt Schnelligkeit vor Qualität”, so Bach.

“Fremdwährungskredite”

Keine Spekulationen auf Kosten der Steuerzahler von Dr. Ulrich Keilmann

Ein hessischer Landkreis nahm bereits in den 1990erJahren Fremdwährungskredite in Millionenhöhe auf. Ziel dieser Spekulationsgeschäfte war es, Zinsersparnisse und Währungsgewinne zu erzielen. Die Überörtliche Prüfung hatte seit Ende der 90er-Jahre auf die Millionen-Risiken für den Landkreis hingewiesen. Die Empfehlung, die Kreditgeschäfte umzustrukturieren, wurde jedoch nicht umgesetzt. Auch eine nochmalige Überörtliche Prüfung führte zu keinem “Kurswechsel” des Finanzgebarens. Gleichwohl kam es über die Jahre zu dramatischen Verschlechterungen des Wechselkurses. Viel zu spät – erst 2015 – hat der Landkreis seine Fremdwährungskredite aufgelöst. Der Schaden durch das “kommunale Zocken” hat sich auf 47 Millionen Euro summiert

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

– und das obwohl anfängliche Zinsersparnisse hier schon angerechnet sind. Diese Summe entspricht fast drei Viertel der 2015 von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden des Landkreises gezahlten Kreisumlage und damit über 250 Euro pro Einwohner. Es gibt aber auch ein gutes Beispiel: Ein anderer Landkreis hatte ebenfalls Fremdwährungskredite in Millionenhöhe aufgenommen. Dieser nahm die Empfehlung, die Kreditge-

schäfte vorzeitig umzustrukturieren, ernst und konnte durch eine Einmalzahlung von einer halben Million Euro drohende Verluste von 3,5 Millionen Euro vermeiden. Kommunen sollten keinesfalls auf Wechselkursänderungen spekulieren. Dies fällt nicht in den Aufgabenbereich von Gemeinden, Städten und Landkreisen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass solche Finanzgeschäfte ein hohes Risiko bergen. Vielfach wurde Geld “verzockt”, das nun nicht mehr sinnvollen Projekte zugute kommen kann. Lesen Sie mehr zum Thema “Fremdwährungskredite” im Kommunalbericht 2017, Hessischer Landtag, Drucksache 19/5336 vom 28. November 2017, S. 51 f. Der Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof. hessen.de abrufbar.

MELDUNGEN

Angemessene Finanzausstattung oder mehr Fördermittel? (BS/jf) Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und die darin enthaltenen Regelungen für Fördermaßnahmen sollen geändert werden. Dazu hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der für eine dringend gebotene Umgestaltung der Verkehrsstruktur plädiert. Schließlich gelte es, die zunehmende Verdichtung in den Städten, aber auch die Sicherung eines Mobilitätsangebotes in den ländlichen Räumen zu bewältigen. “Das GVFG wird in seiner aktuellen Form den An-

forderungen an eine Förderung moderner und klimaschützender Mobilität nicht gerecht”, begründen die Abgeordneten um den Sprecher für städtische Mobilität und Radverkehr der Fraktion, Stefan Gelbhaar, den Entwurf. Die Reaktionen darauf fallen in der kommunalen Landschaft unterschiedlich aus. Der Deutsche Städtetag begrüßt den Vorschlag, hatte er selbst doch schon in der Vergangenheit angeregt, das GVFG-Bundesprogramm bedarfsgerecht zu erhöhen. Dafür müssten jedoch erst die Änderung von Art. 125c GG und der damit verbun-

VÖB begrüßt Ausnahme für Förderbanken (BS/gg) Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) hat die politische Einigung des Rats der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN) zur Europäischen Bankenrichtlinie (CRD) und zur Europäischen Bankenverordnung (CRR) begrüßt, die eine Ausnahme der selbstständigen deutschen Förderbanken aus der EU-Bankenregulierung vorsieht.

Die namentliche Auflistung nach der neuen CRD (Art. 2 Abs. 5) nimmt die betroffenen Institute NRW.Bank, L-Bank und Landwirtschaftliche Rentenbank von der direkten EZB-Aufsicht aus. Nachdem letzte technische Details der Gesetzesentwürfe geklärt sind, sollen diese vom Rat und Europäischen Parlament formal gebilligt werden, voraussichtlich Anfang 2019.

dene Entfall der sogenannten “Versteinerungsklausel” abgewartet werden. Denn bisher dürfe das GVFG nicht vor 2025 geändert werden. Auch der Deutsche Landkreis erinnert an die Grundgesetzänderung. Allerdings sieht er nicht in der Aufstockung und inhaltlichen Ausweitung des GVFG-Bundesprogrammes die Lösung der skizzierten Probleme. Vielmehr müsse eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen und der für die Gemeindeverkehrsfinanzierung primär zuständigen Länder sichergestellt werden.

Die Kredite würden dadurch zu Landesschulden, so Hans. Die Übertragung könne abhängig von der jeweiligen Zinsbindung unmittelbar oder nach Verfügbarkeit erfolgen. Für bestehende besondere kreditvertragliche Bestimmungen, insbesondere Zinsfestschreibungen, endfällige Kredite oder sonstige Maßnahmen zur Zinssicherung seien angepasste Lösungen vorgesehen. Kommunen ohne Kassenkredite sollen einen angemessenen Ausgleich erhalten. Durch die Übertragung verschwinde “auf einen Schlag” die Hälfte aller Kassenkredite aus den Bilanzen der Gemeinden, ein Soforteffekt, der in seiner Wirkung nicht zu unterschätzen sei, so der Ministerpräsident, denn die Entlastung und Besserstellung der Kommunen werde unmittelbar greifbar. Die Finanzierung von Zins- und Tilgung für die übertragenen Kassenkredite solle vollständig

zulasten des Landes und des Landeshaushaltes erfolgen. Hierfür setze man bei dem Volumen in Höhe von einer Milliarde Euro jährlich 30 Millionen Euro ein. Diese Kredite würden mit einem klugen Zinsmanagement innerhalb von 45 Jahren getilgt sein. Das Land übernehme den vollständigen Schuldendienst für den übernommenen Teil der Kassenkredite. Diese Zusage des Landes sei allerdings an die Verpflichtung der Kommunen geknüpft, die bei ihnen verbliebenen Kassenkredite nach einem verbindlichen Rückführungsplan zu tilgen. Sie seinen innerhalb von 45 Jahren, grundsätzlich im Rahmen von Annuitätendarlehen oder mindestens gleichwertigen Lösungen, zurückzuführen. Die Kommunen sollen hierbei eine umfassende Beratung und Unterstützung beim Zinsmanagement erfahren. Damit die Kommunen diese Rückführung

auch tatsächlich leisteten, wolle man einen entsprechenden Anreiz schaffen, indem man im Rahmen des Saarlandpaktes das Haushaltsrecht neu gestalte, damit über den Tilgungsplan hinausgehende Überschüsse auch für Investitionen genutzt werden könnten. Nach der bisherigen Rechtslage dürften Überschüsse nur zur Tilgung von Kassenkrediten verwendet werden, erklärte Hans. Neben der Entschuldung will das Land aber auch die Investitionskraft der Kommunen stärken. Hierzu sollen im Saarlandpakt jährlich insgesamt 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. “Davon fließen 15 Millionen an die Kommunen, die am Saarlandpakt teilnehmen, die restlichen fünf Millionen an die Kommunen, die keine oder nur wenige Kassenkredite aufgenommen haben”, so Hans. Weitere Details der Umsetzung wolle man nun im Spitzengespräch mit den Kommunen klären.


Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

Seite 22

S

tarkregen, Niedrigwasser, Ernteausfälle, Waldschäden: Die Klimawandelfolgen waren in diesem Jahr in unserem Bundesland dramatisch spürbar. Die Jahresdurchschnittstemperatur ist in Rheinland-Pfalz um 1,5 Grad seit Ende des 19. Jahrhunderts angestiegen. Das zeigt: Wir stehen unter Handlungsdruck. Daher setzt Rheinland-Pfalz auf eine konsequente Umsetzung der Energiewende im Land. Als einen zentralen Baustein für den Ausbau der Erneuerbaren Energien hat das Kabinett am 20. November 2018 die “Landesverordnung über Gebote für Solaranlagen auf Grünlandflächen in benachteiligten Gebieten” verabschiedet. Klar ist: Wenn wir bis 2050 ein klimaneutrales Rheinland-Pfalz mit einer vollständigen Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien erreichen wollen – wie im Landesklimaschutzgesetz fest verankert – müssen wir die Energiewende weiterhin auf allen Ebenen konsequent zum Erfolg führen. Mit der Landesverordnung verbessern wir die Wettbewerbsbedingungen für Photovoltaik-Projekte in Rheinland-Pfalz und eröffnen Gemeinden die Möglichkeit, zusätzliche Wertschöpfungspotenziale bei der Bauleitplanung zu erschließen. Denn auf Grundlage der Verordnung können auch auf artenarmen, ertragsschwachen Grünlandflächen geplante Freiflächenanlagen eine EEGFörderung erhalten.

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Klima schützen – Photovoltaik ausbauen Gebote für Solaranlagen auf Grünlandflächen in benachteiligten Gebieten (BS/Ulrike Höfken) Mit der Landesverordnung für Photovoltaik auf Grünlandflächen setzt die Landesregierung Rheinland-Pfalz auf den notwendigen Ausbau der Solarenergie als zentralen Baustein für den Klimaschutz. In den vergangenen Jahren hat sich die Photovoltaik neben der Windenergie, der Bioenergie sowie der Wasserkraft zu einem wichtigen Element der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Rheinland-Pfalz entwickelt. Mit einem Anteil von rund 19 Prozent an der regenerativen beziehungsweise von etwa neun Prozent an der Gesamtstromerzeugung des Landes leistet die Photovoltaik bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Energieversorgung im Land. Nach den Ausbauszenarien für Rheinland-Pfalz soll der Solarstromanteil bis 2050 etwa ein Viertel der Stromerzeugung abdecken. Photovoltaikanlagen werden zunehmend für die Eigenstromnutzung eingesetzt.

25 Prozent Stromerzeugung aus PV bis 2050 Der steigende Solarstromanteil sorgt gerade auch in Kombination mit Speichersystemen für Wertschöpfung in ländlichen Regionen von Rheinland-Pfalz. Die Landesverordnung ermöglicht außerdem eine Einkommensdiversifizierung für Landwirtinnen und Landwirte. Zudem

potenziale sind in Rheinland-Pfalz jedoch begrenzt und für Solarstrom nur bedingt geeignet. Das Ulrike Höfken ist Ministerin für Umwelt, Energie, zeigen auch die Ernährung und Forsten in AusschreibungsRheinland-Pfalz. ergebnisse: In sieben AusschreiFoto: BS/MUEEF bungsrunden von Febru­ar 2017 bis ist der Ausbau der Photovoltaik November 2018 haben Photovolwirtschaftlich: Die EEG-Einspei- taik-Projekte in Rheinland-Pfalz severgütungen für Strom aus mit fünf von 209 nur 2,4 Prozent Photovoltaikanlagen sind in den der Zuschläge erhalten. zurückliegenden Jahren deutlich gesunken – von 50,6 Cent/kWh 50 Megawatt pro Jahr auf artenarmen Grünlandflächen im Jahr 2000 auf bis zu 11,84 Cent/kWh bei kleinen DachfläVor diesem Hintergrund hat chenanlagen und bei großen Frei- das Land Rheinland-Pfalz die flächenanlagen sogar auf unter Öffnungsklausel im EEG genutzt fünf Cent/kWh im Jahr 2018. und die gesetzliche FlächenkuGerade beim Eigenverbrauch lisse geöffnet: Nunmehr können sollten Photovoltaikanlagen vor- bei den Ausschreibungen um rangig auf Dachflächen installiert die EEG-Förderung auch Gewerden. Auch bei den von der bote für leistungsstarke und Verordnung betroffenen Freiflä- damit für das Erreichen der chenanlagen sollten prioritär ver- Ausbauziele besonders relevante siegelte und vorbelastete Flächen Freiflächenanlagen auf ertragszum Beispiel entlang von Auto- schwachen, artenarmen Grünbahnen, Schienenwegen oder in landflächen in Rheinland-Pfalz Konversionsprojekten herange- einen Zuschlag erhalten. Dabei zogen werden. Diese Flächen- geht die Landesregierung zur Berücksichtigung der Interessen von Landwirtschaft und Naturschutz äußerst umsichtig vor:

Die Zuschlagsmenge ist auf 50 Megawatt jährlich während der dreijährigen Gültigkeitsdauer der Verordnung begrenzt. Geht man konservativ von einer Flächennutzung von zwei Hektar je Megawatt installierter PhotovoltaikLeistung aus, resultiert daraus eine überschaubare maximale Flächennutzung von 100 Hektar pro Jahr beziehungsweise 0,04 Prozent der gesamten Grünlandfläche von Rheinland-Pfalz. Und auch die Erfolgskontrolle haben wir im Blick: Die Auswirkungen der Verordnung auf die Agrarstruktur, die Energiewirtschaft und die Natur werden jährlich überprüft. Parallel zur Landesverordnung haben wir der kommunalen Bauleitplanung Vollzugshinweise an die Hand gegeben. Damit liegt den Gemeinden ein Abwägungsrahmen zur Beachtung landwirtschaftlicher und naturschutzfachlicher Belange bei den für Freiflächenanlagen verpflichtend durchzuführenden Bebauungsplanverfahren vor. Die Vollzugshinweise umfassen neben landwirtschaftsbezogenen, naturschutzfachlichen und planerischen Vorgaben konkrete Regelungen für die Flächenauswahl. Dies sind zum Beispiel die zu beachtenden landwirtschaftlichen Ertragsmesszah-

len unterhalb des landesweiten Durchschnitts (Grünlandzahl < 35) oder der verbindliche raumordnerische Grundsatz, Freiflächenanlagen insbesondere auch auf artenarmen Grünlandflächen zu errichten. Auf diese Weise beugen wir einem unverhältnismäßigen Flächendruck durch Freiflächenanlagen vor und richten die Standortentscheidung bei diesen Projekten auf ertragsschwaches, artenarmes Grünland aus.

Extensive Grünlandnutzung weiterhin möglich Zentral ist, dass bei Freiflächenanlagen gerade keine vollständige Überbauung, Versiegelung oder Verschattung erfolgt. Vielmehr ist unterhalb der Solarmodule, in den üblicherweise bis zu drei Meter breiten Wartungsgassen zwischen den Modulreihen und in den Randbereichen, eine extensive Grünlandnutzung gut möglich und sinnvoll, wie zum Beispiel die Schafbeweidung. Für das Gelingen der Energiewende und zum Erreichen unserer Klimaschutzziele ist es wichtig und richtig, dass alle wirtschaftlichen Geschäftsmodelle bei der Energieerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse einen Beitrag leisten – dazu gehört auch die kosteneffiziente Freiflächen-Photovoltaik. Die Landesverordnung ist nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt am 3. Dezember 2018 in Kraft getreten und online abrufbar unter: //gvbl.rlp.de/de/ startseite1/.

Die Energiewende auf der Straße Wie wird diese am besten aufgezäumt? (BS/ab) Die Energiewende im Verkehr scheint zu stocken. Wobei die Ursache vielfach in der Überregulierung der Erneuerbaren Energien gesehen wird. Aber auch darin, dass Bereiche wie die Automobilindustrie nicht in dem Maße nachziehen, dass die klimaneutralen Energien ein Aufblühen erleben. Das Problem: Neue Regularien bieten schnell Fläche für Kritik, ziehen lange Prozesse nach sich und müssten mit klaren politischen Zielen versehen werden. Auch wenn Ideen existieren, so ist die Furcht vor einer voreiligen Abwehrhaltung durch die Gesellschaft da. Christian Dahlke, Abteilungsleiter für Energie und Landesentwicklung im Energieministerium von Mecklenburg-Vorpommern, betont, dass es Ziele bei dem Aufbau der zukünftigen Ladein­ frastruktur brauche. “Wir können diese nicht für jede Technologie aufbauen, auch wenn wir Technologieoffenheit leben möchten. Wir müssen uns entscheiden”, so Dahlke. Was ihn als Bürger irritiere, sei die Diskussion über Dieselhardware-Nachrüstungen. “Ich denke, die Diskussion geht in die falsche Richtung. Sinnvoller wäre es, zu überlegen, wie wir in neue Technologien einsteigen können.” Als ein Einstiegsmittel sehe er die CO2-Bepreisung, die die Bundesregierung nicht vorsehe. Eine Kritik, die auch Florian Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, mitträgt: “Der CO2-Pauschalpreis ist sowohl gut als auch falsch im Non-ETSBereich.” Unter Non-ETS-Bereich werden jene Sektoren gefasst, die nicht unter das europäische Emissionshandelssystem fallen (ETS) – wie beispielsweise der Verkehrssektor (ohne Schifffahrt und Luftverkehr), Landwirtschaft und Gebäude. Der Staatsekretär merkt an, dass es auf die Komponenten ankomme. “Die Wahrheit ist, dass wir die massivste Kostenzunahme im Verkehr hatten und trotz-

Kaiser Wilhelm II. setzte noch auf das Pferd und hielt das Automobil für eine vorübergehende Erscheinung – knapp 100 Jahre später wird dieses mehr und mehr zum Problem. Foto: BS/ StockSnap, CC0, pixabay.com

dem hat es zu keiner Abnahme von diesem geführt. Wir müssen uns genau anschauen, wo eine CO 2-Bepreisung sinnvoll ist.” Aber gleichzeitig dürfe es nicht zu sozialen Verwerfungen führen, wenn beispielsweise Pendlern Kosten auferlegt würden, die sie nicht stemmen könnten, so Pronold. Ein Modell für eine vernünftige CO2-Bepreisung könne deshalb nicht schnell erarbeitet werden, es müsse jeder Bereich durchanalysiert werden. “Das Problem der CO2-Bepreisung ist das Verhetzungspotenzial. Wenn man auf den Geldbeutel abzielt – im Sinne von “wie teuer wird das Benzin?” –, ist dieses Potenzial groß. Gerade deshalb braucht es ein gut durchdachtes Konzept, welches die Akzeptanzprobleme abbaut”, so der Staatssekretär. Aber auch, damit es nicht nur zu einer einseitigen Entlastung oder gar Belastung führe. Dr. Marie-Luise Wolff, Präsiden-

tin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), sieht ebenso in der Bepreisung ein Element, aber es brauche mehr. “Im Verkehr braucht es eine Verhaltensänderung. Jeder Bürger müsste sich in seinem Mobilitätsverhalten ändern. Gleichzeitig muss es sozial flankiert werden, denn der kleine Handwerker darf dabei nicht geschädigt werden oder gar die sozial schwächer Gestellten”, so die Präsidentin. Deshalb müsse der CO2-Preis des Marktes genommen und umgelegt werden. “Auch braucht es ambitionierter, Flottengrenzwerte für die Automobilindustrie, noch ambitionierter als die EU diese vorgibt. Damit diese einen Handlungsdruck verspürt.” Damit jedoch die neuen Fahrzeuge tanken könnten, brauche es einen “aggressiven Ausbau der Landeinfrastruktur”, betont Wolff. Hierfür seien Investitionen unumgänglich.


Kommunalwirtschaft / Smart City

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Seite 23

“Rund-um-die-Uhr-TÜV” für Brücken

Smart, smarter, City

Den kleinsten Riss erkennen mittels Schallemissionen

Voraussetzungen für die Digitalisierung in Kommunen

(BS/Dr.-Ing. Ronald Hepper*) Brücken sind neuralgische Punkte des Verkehrswesens. Mit der Sicherheitsüberwachung von Brückentragwerken auf Basis der Analyse von Schallemissionen wird für größere Sicherheit auf Deutschlands Straßen gesorgt. Dieser Monitoring-Service ermöglicht die Früherkennung und exakte Ortung beginnender Schädigungsmechanismen. Dabei wird auf ein Dauermonitoring mit Sensortechnologie und intelligenter Datenauswertung gesetzt. Jeder Riss, jede kleinste Veränderung im Gefüge eines Bauwerks emittiert Schallemissionen.

(BS/Katarina Heidrich) Das Konzept Smart City zielt als Sammelbegriff auf die ganzheitliche Betrachtung aller Zukunftsthemen ab, mit denen sich Kommunen in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen. Doch neben Lösungen für kommunale Problemfelder ergeben sich aus der zunehmenden Digitalisierung der Lebensräume auch wieder neue Herausforderungen – wie etwa Fragen des Datenschutzes.

Diese Spannungsentladungen sind hörbar und geben sicheren Aufschluss über den Zustand des Materials. Neben Frost, Hitze oder Erschütterungen erschwe­ ren auch vorhandene hochfre­ quente Umgebungsgeräusche ein “Zuhören unter freiem Himmel”. Aber mit der Weiterentwicklung dieser Technologie ist Bilfinger in der Lage, in das Tragwerk einer Brücke zuverlässig hi­ neinzuhören.

Erfolgreiches Projekt in Hessen In einem Pilotprojekt mit den Verkehrsbetrieben Hessen Mo­ bil wurden an der Talbrücke Thalaubach bei Fulda erstmals Brückentragwerke dauerhaft mit “smarter” Schallemissionsprü­ fung (SEP) erfolgreich überwacht. Das komplexe Auswerteverfahren arbeitet mit Hightech-Sensoren in Kombination mit spezieller Software, die auch unter an­ spruchsvollen Umweltbedingun­ gen Ereignisse im Bauwerkgefüge lückenlos analysiert. So konnte der Verkehr auf der A7 über die gesamte kritische kalte Jahres­ zeit hinweg vollständig aufrecht­ erhalten werden. Die Talbrücke Thalaubach wird nun dauerhaft überwacht. Während des Monito­ rings bis Ende 2021 erhalten die zuständigen Verkehrsbetriebe via Live-Manager online fortlaufend Informationen über den Zustand des Bauwerks. Diese Innovation ergänzt Sichtprüfungen sowie Begehungen und hebt die Prü­ fung von Brückenbauwerken auf

E

lektronische Zahlungen bieten Einzelhändlern, ge­ meinnützigen Organisationen, Regierungen, Verbrauchern und Finanzmarktteilnehmern einen erheblichen Mehrwert, insbeson­ dere im Vergleich zu herkömmli­ chen Zahlungsmethoden. Die Verbraucher von heute ver­ langen schnellere und bequemere Transaktionen, sodass Einzel­ händler neue Zahlungsmethoden einführen müssen, um ihr Ge­ schäft erfolgreich weiterzuführen und erfolgreich auszubauen. Auch die Regierungen prüfen Möglichkeiten, Zahlungen mit physischen Zahlungsmitteln sowohl für Zahler als auch für Empfänger zu verringern, um die Effizienz zu steigern und die verbuchte Wirtschaftstätigkeit sowie Steuereinnahmen zu er­ höhen. Daher wird viel über die Gesamtakzeptanzkosten elektro­ nischer Zahlungen im Vergleich zu herkömmlichen Methoden diskutiert. Sich jedoch nur auf die Akzeptanzkosten zu konzen­ trieren, ignoriert mindestens die Hälfte des gesamten Kosten-Nut­ zen-Verhältnisses.

Die Erschaffung des Mehrwerts Um dieses Thema weiter zu ver­ tiefen, hat Mastercard kürzlich eine Studie in Auftrag gegeben: Veranschaulichung des durch elektronische Zahlungsverkehrs­ produkte geschaffenen Mehr­ werts für europäische Händler. Diese untersuchte die Daten aus neun europäischen Ländern: Italien, Deutschland, Großbri­ tannien, Schweden, Frankreich, Spanien, Niederlande, Polen und Tschechien. Anschließend wurde die Studie auf über 30 Länder ausgedehnt. Die Analysen kon­ zentrieren sich auf den dem Ein­ zelhändler gebotenen Mehrwert und vergleichen diesen mit den

Ein Bilfinger-Mitarbeiter überprüft die Talbrücke Thalaubach bei Fulda mittels Schallemissionen. Foto: BS/Bilfinger SE

ein neues Level. Der angebotene Service hebt sich deutlich von den aktuellen Standardprüfver­ fahren im Rahmen von BrückenMonitorings ab.

Vorteile der Technologie Die Vorteile der Technologie liegen auf der Hand: Verände­ rungen im Gefüge der Tragwerke werden in der Entstehungsphase erkannt und per Alarmsignal automatisch an den Betreiber übermittelt. Seit Kurzem verwen­ det Bilfinger ein neu entwickeltes Programm zur Auswertung des Dauerbetriebs, das rund um die Uhr läuft. Es kann die einge­ henden Signale der Brücke wie Schall und Temperaturen mittels

Sensorik interpretieren und nach einem Ampelsystem (rot, gelb, grün) klassifizieren. Bilfinger ist der erste Industriedienstleister, der die Verkehrsbetriebe Hessen Mobil mit “smartem” Dauermo­ nitoring an Brücken erfolgreich unterstützt. Der Bilfinger-Service ebnet somit den Weg für ein prä­ diktives und sicheres “End-ofLife-Management”, das zudem eine längere Nutzungsdauer für Brücken möglich macht. Da­ her ist die Ausstattung weiterer Brücken in Hessen bereits in Planung. *Dr.-Ing. Ronald Hepper ist Geschäftsführer von Noell, der Tochtergesellschaft von Bilfinger.

Zur Entwicklung smarter, kom­ munaler Konzepte bedarf es zu­ nächst einer Determination des Begriffs Smart City. Hier beginne aber schon das Problem, da es global gesehen verschiedenste Definitionen dieser Bezeichnung gebe, betont Ralf Schulze, Refe­ ratsleiter Smart Cities und Inter­ nationale Stadtentwicklungspo­ litik im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Als Beispiel führt er einige indische Kommunen an, deren Ziel als Smart City eine durchgängige, stabile tägliche Stromversorgung sei. Hierzulande hätten die Ge­ bietskörperschaften natürlich gänzlich andere Ziele im Blick. Was aber fehle, seien sektoren­ übergreifende Gesamtkonzepte, kritisiert Schulze. Um dies zu bewerkstelligen, bräuchten Smart Cities einen klaren urbanen Datenraum, er­ gänzt Silke Cuno, Projektleiterin im Geschäftsbereich VISCOM am Fraunhofer-Institut für Of­ fene Kommunikationssysteme (FOKUS) im Rahmen des Bun­ deskongresses Öffentliche Infra­ struktur des Behörden Spiegel. Die große Herausforderung hier­ bei seien bereichsübergreifende Prozesse, die aber gleichzeitig Voraussetzung für die Identifi­ kation eines solchen kommu­ nalen Datenpools seien. Bisher seien Datenressourcen aus un­ terschiedlichen Bereichen von­ einander isoliert und über die verschiedenen Organisationen und Behörden verteilt, gibt Cuno zu bedenken. Ihre Empfehlung an die Kommunen: die Schaffung ei­ ner eigenen Dateninfrastruktur,

Ralf Schulze, Referatsleiter Smart Cities im Bundesinnenministerium, sieht die Datenhoheit der Kommunen in Gefahr. Foto: BS/Dombrowsky

für die die DIN-Blaupause der Europäischen “Smart Cities and Communities” Initiative Vorbild sein könne.

Souveränität der Kommunen beibehalten “Die Digitalisierung passiert einfach”, so der Referatsleiter. Wenn nicht durch die Kommunen selbst, dann durch Unternehmen – wie etwa die Bike-Sharing-An­ gebote in den Großstädten zeig­ ten. “Fehlt ein Mobilitätskonzept, kümmert sich die Wirtschaft”, mahnt Schulze an. Dabei stelle sich vor allem die Frage nach der Gewährleistung von Daten­ schutz. Ganz im Sinne einer zunehmenden Ökonomisierung sähen die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen die Heraus­ gabe von Daten durch die Kom­ munen vor. “Allerdings werden nur die Grenzkosten erstattet – und die sind verschwindend klein. Das Öl der Zukunft wird

Der Wert elektronischer Zahlungen Herausforderungen und Chancen der E-Ökonomie (BS/Peter Dunn*) In Zeiten, in denen die digitale Wirtschaft es Verbrauchern erleichtert, über Grenzen hinweg einzukaufen, und Einzelhändler ihre Geschäfte erfolgreich ausbauen können, wird der Wert von Zahlungen mittels elektronischer Karten nur selten vollumfänglich erkannt. Dabei sind diese schnell, erhöhen die Steuereinnahmen und sind sicher.

Kartenzahlungen bergen einen enormen Mehrwert, weil sie sicher, schnell und kosteneffizient sind und somit auch für den Öffentlichen Dienst interessant. Foto: BS/MasterCard

Gesamtakzeptanzkosten, d. h. den Kosten vom Verkauf (Pointof-Sale) bis zur Einzahlung von Geldern in die Bank des Händlers. Dazu zählen die Kosten für die Ausrüstung, Arbeit, Sicherheit, Deckung von Verlusten, Gebüh­ ren für Händlerdienstleistungen sowie andere damit verbundene Kosten. Die Ergebnisse zeigen, dass der durch den Einsatz von Kartenzahlungen geschaffene Mehrwert die Gesamtakzep­ tanzkosten weltweit bei Weitem übertrifft. Wobei der gebotene Mehrwert mehr als doppelt so hoch ist wie die Gesamtkosten für Kredit- und Debitkartentrans­ aktionen. In Europa ist er sogar noch höher – zweieinhalbmal höher bei Kredit- und viermal höher bei Debitzahlungen. Phy­ sische Zahlungen mit Bargeld am Point-of-Sale werden zunehmend

durch elektronische Zahlungs­ methoden ersetzt, wodurch sich grundlegend ändert, wo die Ver­ braucher ihr Geld ausgeben, was sie kaufen und wie sie einkaufen.

Vorteile, Vorteile und nochmals Vorteile Die Schaffung von Wertschöp­ fung für ein Unternehmen erfolgt durch die Kombination verschie­ dener Faktoren: zusätzlicher Umsatz, größere Margen und Gewinne aus dem Verkauf an bestehende und neue Kunden, Kosteneffizienz bei der Lieferung bestehender und neuer Produk­ te sowie verbesserte Kunden­ zufriedenheit und Reputation durch die Einführung innovativer Vertriebs-, Marketing- und Ver­ arbeitungsmethoden. Die elek­ tronische Akzeptanz bietet diese Vorteile durch:

• Eliminierung der Einschrän­ kung von Kunden auf das bei sich getragene Bargeld: Im Durchschnitt ist der Umfang von Transaktionen mit Debit- oder Kreditkarten zwei- bis viermal so groß wie von Bartransaktio­ nen am Point-of-Sale. Darüber hinaus verzeichnen neue Akzep­ tanzstellen für Kartenzahlungen in der Regel eine Steigerung ihrer durchschnittlichen Transakti­ onsgröße um zehn bis 15 Pro­ zent, je nach Wert und Volumen. • Zugang für Einzelhändler zu einem globalen Kundenstamm und umgekehrt: So stammen beispielsweise rund 15 Prozent des Umsatzes von Karteninha­ bern aus dem außereuropäi­ schen Ausland oder von euro­ päischen Karteninhabern, die grenzüberschreitende Trans­ aktionen tätigen.

• Möglichkeit für Einzelhändler, Verkäufe zu tätigen, die mit Bargeld umständlich oder gar nicht möglich wären: So stam­ men beispielsweise zehn Prozent der 500 Milliarden jährlichen Kreditkartenzahlungen in ganz Europa aus dem E-Commerce. Neben diesen umsatzbezogenen Vorteilen erhalten die Akzeptanz­ stellen einen Mehrwert durch: • Schnelle, garantierte Transakti­ onen: Elektronische Zahlungs­ produkte ermöglichen einen garantierten Verkauf und eine schnelle Zahlung mittels elek­ tronischer Verarbeitung und Autorisierung. Zudem gewähr­ leisten sie, dass die Transaktion und ihre Zahlung das Ergebnis einer rechtmäßigen Tätigkeit sind, wodurch kostspielige Kon­ toeröffnungen, Wartungen und Forderungsverwaltungsmaß­ nahmen entfallen. • Kosteneffizienz und Sicherheit: Elektronische Zahlungen mini­ mieren den Bedarf der Zählung, Sicherung und Aufbewahrung physischer Währungen und be­ grenzen Verluste durch verlore­ nes oder gestohlenes Geld. Die Warteschlangen werden kürzer, was zu weniger Umsatzeinbu­ ßen führt. • Technologische Innovationen: Unbeaufsichtigte Endgeräte, mobile Zahlungen, Tokenisie­ rung, Biometrie, maschinelles Lernen und zusätzliche EMVChipkartensicherheitsverfahren bieten Einzelhändlern jeder Größe zusätzlichen Zugang, wachsende Volumen und Kos­ teneinsparungen.

fast kostenlos herausgegeben”. Es bestehe also keine Datenho­ heit in der Kommune mehr, so Schulze. Auch Chloë Voisin-Bermuth, Forschungsleiterin an der fran­ zösischen Fabrique de la Cité, sieht den “Ausverkauf” der Daten und besonders das Überlassen von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge an die Wirt­ schaft kritisch. Am Beispiel des Dienstleistungsunternehmens zur Personenbeförderung “Uber” macht sie deutlich, dass ein Un­ ternehmen auf Kosten des Da­ tenschutzes und der Kommune selbst Gewinn macht. Weniger Menschen benutzten durch sol­ che Car-Sharing-Angebote die öffentlichen Verkehrsmittel in Großstädten, wodurch die Ein­ nahmen der Kommunen sän­ ken. Allerdings trügen diese die Folgekosten beispielsweise in Bezug auf den Straßenbau und die -instandhaltung.

“Einer der großen Vorteile von Karten ist die Einfachheit und Sicherheit, mit der ein Verkauf getätigt werden kann, ohne den Aufwand für die Aufbewahrung von Bargeld”, sagt Iván Kolb, Verkaufsleiter bei HBO Ungarn. “Wir glauben, dass bargeldlose Zahlungen das Wachstum der Unternehmen beschleunigen und eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Transpa­ renz spielen”, ergänzt Marcin Nowacki, Vizepräsident des polnischen Unternehmer- und Arbeitgeberverbandes. “Ich freue mich, dass die bargeld­ losen Zahlungen in Polen im KMU-Sektor zunehmen. Dies zeigt deutlich, dass sich die Un­ ternehmer der Vorteile, die sie durch die Einführung bargeldlo­ ser Zahlungsverfahren in ihrem Unternehmen erzielen können, sehr bewusst sind.” Es ist offensichtlich, dass elektronische Zahlungen für Einzelhändler und ihre Kun­ den einen erheblichen Nettowert aus höheren Umsätzen, mehr Komfort und insbesondere Si­ cherheitsvorteilen bieten, der die Gesamtakzeptanzkosten bei Weitem kompensiert. Branchen, die elektronische Zahlungs­ methoden nutzen, sind in den letzten Jahren stark gewach­ sen. und es wird erwartet, dass sich dieses Wachstum mit der Expansion des E-Commerce beschleunigen wird – was zu einem inkrementellen Anstieg der Umsätze führt. Schließlich ist es wichtig, dass alle Beteiligten die Vorteile von elektronischen Bezahlverfahren verstehen, um ein Umfeld der Rechtssicherheit und einen gut funktionierenden Marktplatz zu schaffen. *Peter Dunn ist Gründer von Edgar, Dunn & Company.


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Kongress Öffentliche Infrastruktur

“W

Wege zur kommunalen Finanzstrategie

ir müssen uns um unsere Infrastruktur kümmern”, betont Gabriele C. Klug, Stadtkämmerin von Köln. Dazu müsse ein Umdenken erfolgen, weg von der Frage “Wieviel Geld ist noch in der Kasse?” hin zu einer Stadtstrategie. Die kann Dr. Eva Maria Hubbert, Kämmerin der Stadt Bochum, nur bestätigen: Haushaltskonsolidierung hieß in der Vergangenheit nur sparen. Die Werterhaltung des Besitzes gehörte nicht dazu. Die Auswirkungen sehe man deshalb an Brücken, Schulen oder Verwaltungsgebäuden. Zugleich verwies die Bochumer Kämmerin auf die Historie: “Unsere Infrastruktur wurde in den 50er-Jahren geschaffen, als alle mit dem Auto gefahren sind. Jetzt gibt es ein Dieselfahrverbot für die Autobahn A40, die Hauptschlagader des Ruhrgebietes. Aber: Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) als Ersatz ist nicht vorhanden.” Um Abhilfe zu schaffen, sollte aber nicht nur der ÖPNV-Ausbau geplant, sondern von vornherein dessen Finanzierung mitgedacht werden, so Hubbert.

Handlungsspielräume wiedergewinnen Ähnlich sieht es Prof. Dr. Thorsten Beckers, Leiter des Lehr- und Forschungsbereichs Infrastrukturmanagement und Verkehrspolitik an der Technischen Universität Berlin. Er bezweifelt

Haushalte fit machen für Transformation, Lebenschancen und Tragfähigkeit (BS/Jörn Fieseler) Um allen Zukunftsanforderungen gerecht zu werden, fehlt den meisten Kommunen in Deutschland das nötige Kleingeld im Stadtsäckel. Allein für die Stadt Köln beläuft sich der Finanzbedarf zum Erhalt des jetzigen Status quo auf 16 Mrd. Euro. Entsprechend muss priorisiert werden. Maßgeblich dafür ist eine kommunale Finanzstrategie und weniger der Blick nach Europa. Doch auch die Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse kann einen Beitrag leisten, wenn sie sich die Ratschläge von Kämmerinnen und Bürgermeister sowie aus der Wissenschaft während des Bundeskongresses Öffentliche Infrastruktur zu Herzen nimmt. jedoch, ob der Ruf nach mehr Geldern vom Bund immer der sinnvolle Weg ist. Denn je mehr der Bund das Tagesgeschäft finanziere, desto abhängiger würden Städte und Gemeinden – getreu dem Motto: “Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch, was gespielt wird”. Stattdessen rät der Ökonom, die Kommunalfinanzen anders aufzustellen und Handlungsspielräume wiederherzustellen. Auch Europa könne in diesem Zusammenhang nicht helfen. Auf der einen Seite seien die Fördermittel aus den verschiedenen EU-Programmen und Strukturfonds gern gesehen, wie Henning Brüggemann, Bürgermeister sowie Dezernent für Finanzen und kommunale Immobilien der Stadt Flensburg, und Bochums Kämmerin einig bestätigen. Zugleich sind beide skeptisch. “Europa kann die Kommunen nicht bei den Maßgaben entlasten, die vom Bund kommen”, sagte Hubbert. Und Brüggemann ergänzt: “Das, was von Europa

Diskutierten über die Tragfähigkeit kommunaler Haushalte und die finanzierung kommunaler Aufgaben (v. l.): Henning Brüggemann, Bürgermeister der Stadt Flensburg, Moderatorin Gabriele C. Klug, Kämmerin der Stadt Köln, Dr. Eva Maria Hubbert, Kämmerin der Stadt Bochum, und Prof. Dr. Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin. Fotos: BS/Dombrowsky

kommt, geht an den Menschen ein Stück weit vorbei. Es fehlt die Einwohnerorientierung bei europäischen Projekten.” Auch Beckers gibt zu bedenken, dass Vorgaben aus Europa oftmals

Die Entwicklungen der E-Mobilität und der kommunale Beitrag (BS/ab) Zu viele Autos, zu viel Lärm, zu viele Schadstoffe und ein teils vermeintlich abgehängter ländlicher Raum. Eine flächendeckende Infrastruktur für mehr Mobilität ist ein Muß. Aber wie wird diese aussehen, worauf müssen Kommunen bei der Ladeinfrastruktur achten und welche Rolle können sie dabei einnehmen? nicht wie versprochen gegeben. Aber die E-Mobilität kommt”, ist sich Daniel Lautensack, Head of LPG Electric Vehicle Charging Infrastructure, EP Division der ABB, sicher. Der Grund: Die Schadstoffbelastung würde die Entwicklungen vorantreiben. Aber die wichtigste Gemeinschaftsaufgabe ist der Aufbau der Ladeinfrastruktur. “Auch wenn manche Studie etwas anderes beweisen möchte, so können nicht alle zu Hause laden und sind auf die öffentlichen Infrastrukturen angewiesen”, so Lautenbach. Denn es gebe viele Straßenparker, vor allem in den Städten. Wohingegen im ländlichen Raum Eigenheime und Garagen verfügbar wären. Aber: Da es die Menschen immer mehr in die Städte dränge, würde dort die Ladeinfrastruktur zukünftig dringend benötigt. Ferner gab er zu bedenken: “Außerdem müssen wir uns mit der Ladeleistung und Ladeart auseinandersetzen. Die E-Fahrzeuge werden moderner und teilweise unterstützen sie nicht mehr jede Ladeinfrastruktur. Dabei auf das alte Pferd zu setzen, würde Kommunen nichts nützen.” Hilfreich sei auch, die Infrastruktur dem Verhalten der Menschen anzupassen. “Wenn

richtet der Bürgermeister. Darin seien nicht die Investitionsbedarfe der Stadtwerke und des Technischen Betriebszentrums enthalten. Diese beliefen sich auf weitere rund 590 Mio. Euro. Allerdings fehlten für Kernhaushalte und Sondervermögen für den Zeitraum rund 75 Mio. Euro. Bei einem Haushalt von 350 Mio. Euro kein unbedeutender Posten. Deshalb seien Projekte auf der Zeitachse verschoben worden, vereinzelt sogar bis ins Jahr 2037.

Konkrete Analyse und Lösungen

“Das müsste hier doch auch möglich sein”

“Wenn über das Thema Mobilität gesprochen wird, ist es in aller Munde, und wenn dann die Frage kommt, was ist das, dann wird es ruhig”, merkte Bernd Sablotny, Abteilungsleiter Verkehr im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, an. Viele würden den Unterschied zwischen Mobilität und Verkehr nicht kennen. “Dabei ist Mobilität der Verkehrsbedarf, der als Folge sozialer oder gesellschaftlicher Aktivitäten wie Wohnen oder Arbeiten entsteht.” Er sei das Mittel zum Zweck, um eine zielgerichtete Ortsänderung vollziehen zu können. Dementsprechend müsse auch anders gedacht werden. “Wir müssen uns immer mit Raumordnungsplanung, Ansiedlungs- und Förderpolitik sowie Bauleitplanung auseinandersetzen. Dann erst kommt die Verkehrspolitik und -planung”, betonte der Abteilungsleiter. Die Verkehrspolitik bringe schließlich die gängigen Unterziele wie die Erträglichkeit des Verkehrs für die Menschen sowie die Umwelt und den globalen Rahmen durch Bundespolitik, Steuerpolitik, europäische Politik und Wettbewerb. Damit die Mobilität sich verbessere, habe Sachsen viele Pläne und Programme wie den Landesverkehrsplan 2030, ein Radwegeprogramm sowie eine ÖPNV-Strategiekommission für klare Umsetzungsschritte implementiert. Seines Erachtens nach müsse die Infrastruktur dem Verkehr hinterhergebaut werden und gleichzeitig brauche es für den ÖPNV sinnvolle Verknüpfungsstellen, wo Umstiege in andere oder auf andere Verkehrsträger möglich seien. Als die entscheidende zukünftige Mobilitätsform gilt vielfach die E-Mobilität, indem Busse und Kraftfahrzeuge elektrisiert werden. “Aber wenn sie mit Tankstellenbetreibern reden, so sind diese sehr skeptisch. Denn den Erdgas-Hype hat es auch

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jemand in der Stadt lange unterwegs ist, braucht diese Person keinen Schnell-Lader, verglichen mit einem kürzeren Einkauf im Supermarkt”, so sein Hinweis. Außerdem müsse nicht immer täglich geladen werden. “80 Prozent der Bevölkerung fährt am Tag 30 Kilometer. Dies entspricht im Schnitt sieben Kilowattstunden (KWh). Dabei haben die E-Autos Batterien mit bis zu 60 KWh Speicher.” Aber umdenken erfordert Mut: “Die Bedeutung der E-Mobilität steigt auch hinsichtlich der Fachkräfte. Für viele “Millenials” ist es interessant, wie umweltfreundlich sich ein Unternehmen positioniert”, wirft Dominik Eichbaum von der Wirtschaftsförderung der Stadt Siegen ein. Es brauche den Mut in der Kommunalpolitik, dass Mobilität angefasst werde. In Siegen wurde der Fluss – die Sieg – einst durch ein Parkhaus überbaut. “Nun wurde dieser wieder freigelegt und auch wenn es anfangs zu Protesten kam, so fordert nun kein Mensch mehr, dass der alte Parkplatz wiederkommt, denn dort wurde Aufenthaltsqualität geschaffen”, merkte Eichbaum an. Diesen Mut bräuchte es, um Infrastrukturprojekte umzusetzen.

zentralisierungs-, wettbewerbsund privatisierungsfreudig und nicht immer förderlich für die Städte und Gemeinden seien. Handlungsspielräume wiederherzustellen oder überhaupt zu gewinnen, lasse sich nur durch ein strategisches Finanzcon­ trolling erreichen, meint Brüggemann. Dazu gehöre, dass die einzelnen Fachbereiche der

Von der Verwaltung zum Management Wohnraumversorgung: staatliche oder private Aufgabe? (BS/kh) Die öffentliche Hand in Deutschland hält Immobilien mit einem Gesamtwert von 600 Milliarden Euro. Der Trend in der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) geht immer mehr von der reinen Liegenschaftsverwaltung hin zu einem aktiven Liegenschaftsmanagement. Anders als in der Wirtschaft, spielen dabei ökonomische Effizienz und Gemeinwohlorientierung zeitgleich eine Rolle. Besonders vor dem Hintergrund des Wohnraummangels in Großstädten stellt sich die Frage: Wie weit geht die staatliche Wohnungsfürsorge und wie können Bauflächen hinzugewonnen werden? Das Liegenschaftsvermögen der BImA beträgt derzeit 20,4 Milliarden Euro und umfasst 18.500 Liegenschaften mit einer Bruttogesamtfläche von 43,2 Millionen Quadratmetern, davon rund 36.600 Wohnungen. An allererster Stelle der Aufgabenpalette der Bundesanstalt stehe die bestmögliche Unterbringung der Dienststellen des Bundes sowie die Wohnungsfürsorge für Bundesbedienstete, erläutert Dr. Gert Leis, Vorstandsmitglied der BImA. Bisher galt immer, nicht betriebsnotwendige Liegenschaften (zum Marktwert) wirtschaftlich zu veräußern. Nun habe sich der politische Auftrag geändert, so Leis. Besonders die Wohnungen sollten weitestgehend im Bestand gehalten werden. Darüber hinaus sei der beschleunigte Verkauf von Potenzialliegenschaften an die Kommunen Aufgabe, damit diese sozialen beziehungsweise preisgedämpften Wohnraum anbieten können. Des Weiteren müssten nun alle Liegenschaften im Erstzugriffsrecht möglichst schnell vergeben werden, um Wohnraum zu schaffen, beschreibt Leis die Trendwende.

Nachhaltig und ökonomisch

Dr. Ute Jaspers (Rechtsanwältin bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek und Moderatorin) und Bernd Sablotny (Abteilungsleiter Verkehr im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr) diskutieren über die zukünftige Infrastruktur für eine angemessene Mobilität.

Stadtverwaltung ihre Projekte strikt priorisieren. Auf dieser Basis habe die Kämmerei eine strategische Finanzplanung mit einem Investitionsbedarf von 585 Mio. Euro allein für den Kernhaushalt der Stadt sowie die Sondervermögen “kommunale Immobilien” und “In­frastruktur” für die Zeit von 2018 bis 2030 aufgestellt, be-

Dies alles sollte die Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse berücksichtigen. Deshalb sollte sie sich die Situation in den einzelnen Bundesländern konkret und sehr genau betrachten und Städtisches und Ländliches zusammendenken, empfiehlt der Flensburger Bürgermeister. Letzteres verdeutlichte er anhand des Steueraufkommens zwischen Nord- und Ostsee. Dieses sei in den vier kreisfreien Städten des Landes inzwischen geringer als im kreisangehörigen Raum. Und Bochums Kämmerin unterstreicht: “Die Kommission muss die Fehler der Vergangenheit lösen, sprich den Abbau der Altschulden und zugleich einen Infrastrukturfonds schaffen.” Und noch etwas anderes sollte zumindest mitgedacht werden. Der Suffizienzgedanke. “Warum muss es immer höher, schneller oder breiter sein?”, fragte Brüggemann: “Zur Nachhaltigkeit gehört auch Genügsamkeit.”

Diese zeichne sich auch im Pendant der Behörde auf Landesebene – der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) – ab, wie deren Geschäftsführer, Sven Lemiss, im Rahmen des Bundeskongresses Öffentliche Infrastruktur des Behörden Spiegel erläuterte. Bis vor Jahren hätten noch Flächenreduzierung und Verkauf an erster Stelle gestanden. Angesichts zunehmender Flächenverknap-

ner Meinung nach sollte sich der öffentliche Sektor auf die Aufgaben Eigentümerschaft und Objektmanagement, Modernisierung sowie Instandhaltung fokussieren, aber “aus Großbauprojekten zurückziehen”, so der Professor.

30 Prozent Quote eingeführt

BIM-Geschäftsführer Sven Lemiss fordert ein antizyklisches Handeln der öffentlichen Hand.

pung und Preissteigerungen wende sich das Blatt plötzlich, kritisiert Lemiss und gibt zu bedenken, dass immer erst bei großem Problemdruck gehandelt werde. “Warum ist die öffentliche Hand nicht in der Lage, antizyklisch zu arbeiten?”, bemängelt der BIM-Geschäftsführer. Die Frage lässt sich – zumindest in Teilen – durch die besonderen Belange der öffentlichen Auftragserfüllung beantworten, wirft Dr. Dietmar Lucht, Professor für Immobilien- und Projektmanagement an der bbw Hochschule, ein. Und diese stehe nun mal in einem Wechselverhältnis mit dynamischen Gesellschaftsentwicklungen. Bei der öffentlichen Hand spielten andere Kriterien eine Rolle, Bedarfe zu erfüllen, als in der freien Wirtschaft. “Doch müssen diese öffentlichen Aufgaben in jedem Fall von der öffentlichen Hand erfüllt werden? Weder die einen noch die anderen Unternehmen sind per se besser oder billiger”, urteilt Lucht. Sei-

Als Paradebeispiel im Wohnungsbau gilt, laut einer Postbank-Studie, Münster. Im Jahr 2017 wurden hier circa 1.800 Wohnungen gebaut. Aber: “Trotzdem haben wir ungebremste Mietsteigerungen. Das Thema bezahlbarer Wohnraum treibt uns sehr”, erklärt der Amtsleiter im Amt für Immobilienmanagement der Stadt Münster, Andreas Nienaber. Nur auf Neubau zu setzen, reiche also nicht aus. Aus diesem Grund habe die Stadt in einem Ratsbeschluss eine Quote für öffentlich geförderte Wohnungen bei Neubau in Höhe von 30 Prozent festgelegt, berichtet Nienaber. Darüber hinaus gelte bei einigen Vergaben: Derjenige, der die geringste Startmiete garantiere, gewinne. Münster hat kürzlich den Preis als nachhaltigste Stadt Deutschlands 2019 erhalten und zeigt dadurch, dass Effizienz und Gemeinwohl durchaus zusammen funktionieren können. Auch der hohe Anteil an Sozialwohnungen hat die Jury überzeugt. Daneben setzt die Stadt auf (sozial- beziehungsweise mietfreundliche) Modernisierung. “PhotovoltaikAnlagen sind hier mittlerweile Standard”, lobt der Amtsleiter. Diese rechnen sich nach anfänglichen Investitionen wieder für die Gesamtbevölkerung in der Stadt.


Behörden Spiegel / Dezember 2018

Kommunale Infrastruktur / Breitband

“P

Ferrari statt Dreirad

ro Landkreis bräuchte es 100 bis 200 Mio. Euro für die notwendige Glasfaserinfrastruktur”, zeigt Dr. Stefan Ostrau, Leiter Fachbereich Digitalisierung aus dem Kreis Lippe, auf. Auch wenn sich NRW vom 50 Mbit/s-Ziel verabschiedet habe, so sei der ländliche Bereich weiterhin unterrepräsentiert. Es werde daran gearbeitet, dies aufzuholen. “Aber beim neuen Thema 5G werden wieder nicht alle Haushalte angeschlossen. Wenn wir aber Echtzeitrahmenbedinungen schaffen wollen, wie vernetztes Fahren oder vor allem Gesundheitszentren im ländlichen Raum, kommen wir nicht um 5G herum”, kritisiert er. Viele Handlungsfelder wie digitale Arbeit, Teilhabe und Open Data seien vom schnellen Internet abhängig. “Fest steht, dass die Digitalisierung und der Ausbau nun eine politische Gestaltungsaufgabe sind”, fasst der Fachbereichsleiter zusammen.

Die wahren Strippenzieher? Für Dr. Ernst-Olav Ruhle, Vorstand der SBR-net Consulting, haben Kommunen mehrere Optionen, auch im Hinblick auf den zukünftigen Technologiestandard

(BS/ab) Der Bundesverband

5G: “Wir haben im ganzen Telekommunikationsbereich ein Comeback der öffentlichen Hand. Die Privatwirtschaft baut nicht alleine aus. Die Verwaltungen greifen ein, um Glasfaser voranzutreiben.” Dies sei auch wichtig, denn wenn über 5G gesprochen werde, brauche es eine bessere Infrastruktur. “Heute haben wir 75.000 Sendeanlagen für Mobilfunk. Wir brauchen fünf- bis zehnfach mehr Sendestandorte, wenn wir 5G sinnvoll nutzen möchten”, wendet er ein. Dabei hätten Kommunen das Potenzial, die Strukturen aufzubauen und verfügten bereits über Geschäftsprozesse. “Es gibt drei Möglichkeiten für eine Kommune: Erstens, sie wartet ab. Zweitens, sie wird proaktiv und geht auf die Mobilfunknetzbetreiber zu und verhandelt mit diesen oder, drittens, sie baut das Netz selbst.

Dr. Ernst-Olav Ruhle (Vorstand der SBR-net Consulting) und Dr. Stefan Ostrau (Fachbereichsleiter Digitalisierung aus dem Kreis Lippe) diskutieren über die Rolle und die Herausforderungen der Zukunftstechnologie 5G. Foto: BS/Dombrowsky

Entscheidend ist dabei, dass hohes Potenzial auch mit hohen Kosten einhergeht”, so sein Fazit. Einen wichtigen Hinweis liefert dabei Holger Witte, Berater der PSPC im Bereich Breitband.

(BS/ab) Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die finalen Bedingungen zur Vergabe der geplanten Auktion für den kommenden Mobilfunk-Standard 5G vorgelegt. Das Thema polarisiert und ist zugleich wegweisend. Entsprechend reißt die Kritik von Politik und Verbänden nicht ab. Droht Deutschland den digitalen Anschluss zu verlieren?

“Es droht in weiten Teilen ein Mobilfunkflickenteppich, wenn einer das Netz ausbaut und die anderen zwei Anbieter aus der Ausbauverpflichtung entlassen werden”, so die Kritik des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Ulrich Lange. Würden die Verhandlungen der Unternehmen scheitern, würden die Kunden immer noch im Funkloch sitzen. “Notwendig ist, dass in diesen Fällen die Kunden das Netz vor Ort mitnutzen können. Wir werden hierfür die entsprechenden rechtlichen Grundlagen schaffen”, merkt er an.

Verbände stimmen Bundesrat-Entwurf zu

(BS/ab) Die 5G-Auktionsbedingungen stehen fest und gleichzeitig zeichnet sich ein Bild ab, das von dem Ideal der gleichwertigen Lebensverhält- Glasfaseranschlüsse (BUGLAS) nisse abrückt. Viele ländliche Gemeinden fürchten, abgehängt zu werden. Denn sowohl der Breitbandausbau als auch der Mobilfunk laufen nicht sowie der Bundesverband Breitüberall optimal. Dabei könnten die Kommunen und die Bundesländer die Fäden ziehen. bandkommunikation (BREKO)

Finale Auktionsbedingungen erhitzen weiterhin die Gemüter

“Konterkarieren ihr Ziel”

MELDUNG

Dranhängen an die Glasfaserzukunft

5G-Eiszeit statt Frühling?

Die BNetzA verneine eine Dienste­ anbieter- und Mobilfunkprovider (MNVO)-Verpflichtung der künftigen 5G-Frequenzinhaber ebenso wie eine Verpflichtung zum National Roaming sowie zum Infrastruktur-Sharing, so Dr. Stephan Albers, Geschäftsführer des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (BREKO). Stattdessen setze die Regulierungsbehörde auf diskriminierungsfreie Verhandlungen zwischen Drittanbietern und den künftigen Frequenzinhabern, die aber nicht zwingend zu einem (erfolgreichen) Abschluss führen würden. “Wir sind bis zuletzt davon ausgegangen, dass sich die Bundesnetzagentur nach den Erfahrungen mit der LTETechnologie – also 4G –, zu der Diensteanbieter und MNVOs bis heute überwiegend keinen Zugang haben, für eine klare Diensteanbieterverpflichtung der künftigen 5G-Frequenzinhaber entscheiden wird. Dass die BNetzA nun ausschließlich auf ein Verhandlungsgebot setzt, bedauern wir ausdrücklich”, äußert sich Albers. Positiv sei jedoch, dass nicht alle Frequenzbereiche versteigert, sondern für regionale/ lokale Anwendungen reserviert und im Anschluss an die Frequenzauktion gesondert vergeben würden, was der BREKO ausdrücklich begrüße. Dadurch könne auch regional der Eintritt weiterer Anbieter ermöglicht und so die Produkt- und Anbietervielfalt gesteigert werden.

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Kommunen müssten die zwei Beschaffungsvarianten sowie die Ausbauvarianten berücksichtigen. Zum einen könne dann in der Zukunft sinnvoll erweitert werden. Zum anderen würden sich daraus ganz andere Folgekosten ergeben.

Bayerns Turbomodus Ein Blick in den Freistaat Bayern offenbart, wozu der passende Gestaltungswille führen kann. “95 Prozent der Förderung gehen in den ländlichen Raum. Über 50 Prozent der zur Verfügung gestellten Mittel sind tatsächlich verbaut. Wobei die Kommunen hauptsächlich das bayerische Förderprogramm nutzen und das Bundesprogramm ergänzend”, erläutert Benjamin Trapp, Referent Breitbandausbau, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für

Heimat. Erfolgsgründe hierfür seien neben immer einfacher werdenden und finanziell aufgestockten Antragsverfahren auch strukturelle Maßnahmen. So sei die Breitbandförderung bei den Vermessungsämtern (Katasterämtern) angesiedelt worden, weil diese in nahezu allen Landkreisen vertreten seien. Die Amtsleiter seien zu Breitbandmanagern umgeschult worden, weil sie direkten Kontakt zu den Bürgermeistern hätten und diese dementsprechend beraten könnten. Die Ergebnisse: Waren im Jahr 2013 von den Haushalten nur 27,1 Prozent mit 30 Mbit/s versorgt, so sind es Mitte 2018 mittlerweile 80,8 Prozent. 50 Mbit/s erhalten knapp 65 Prozent der Haushalte. Jedoch hätten dafür auch Abstriche gemacht werden müssen, wie Trapp einräumt: “Hätten wir gesagt, wir fördern nur Fiberto-the-Building (FTTB/Glasfaser bis ins Haus), dann wären wir nicht so weit in die Fläche vorgedrungen. Aber wir als Staat müssen den ländlichen Raum bedienen.” Der Kostenfaktor sei immens. Ein Ausbau bis zu den Verteilerkästen (Fiberto-the-Curb/Glasfaser bis zum Bordstein) würde pro Haushalt 800 Euro kosten. Bei Glasfaser lägen die Kosten bei 4.000 Euro bis ins Haus. “Es hätte nichts genützt, wenn die eine Kommune den Ferrari und die andere das Dreirad bekommen hätte, deshalb der Flächenausbau”, erörtert Trapp.

begrüßen die vom Bundesrat beschlossene Änderung zum DigiNetz-Gesetzesentwurf der Bundesregierung. “Mit den Vorschlägen des Bundesrates könnte das aus der aktuellen Gesetzesfassung resultierende “Glasfaser-Mikado”, bei dem derjenige verliert, der zuerst investiert, endlich beendet werden”, betont BUGLAS-Geschäftsführer Wolfgang Heer. In der aktuellen gesetzlichen Regelung können Netzausbauer ihre Kabel mitverlegen, wenn die Bauarbeiten teilweise oder ganz aus öffentlichen Mittel finanziert werden. Dazu gehören auch Stadtwerke oder Zweckverbände. Dies führte seit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Herbst 2016 zu einem Überbau von Glasfasernetzen und wiederum zur Störung der Business-Pläne der “Erstausbauer”. Der konkrete Vorschlag des Bundesrates lautet: “Ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanzierte Bauarbeiten im Sinne des Satzes eins sind solche, die mit öffentlichen Mitteln direkt gefördert werden; eine Beteiligung der öffentlichen Hand an dem Unternehmen, welches die Bauarbeiten beauftragt oder durchführt, ist alleine nicht ausreichend, um den Tatbestand zu erfüllen.” Außerdem möchte der Bundesrat verdeutlichen, dass Glasfasernetze nach der Regelung jene sind, die in Gebäude (FTTB) oder in die Wohnungen (FTTH) reichen. Es bleibt spannend, ob die Bundesregierung und der Bundestag diese Änderungen 2019 annehmen werden.

Wenn Schüler zu Entwicklern werden Projektwettbewerb “Speedy” rund um digitale Themen (BS/Axel Schulz*) Mit Wettbewerben wie Speedy macht der Zweckverband Breitband Altmark (ZBA) die Schüler, Lehrer und Technikverantwortlichen an verschiedenen Bildungseinrichtungen in Sachen InformaDie kritischen Stimmen befürchten, dass durch die Vergabebedingungen und tionstechnologien fit. Hierbei stand der Bau eines eigenen Schulcomputers im Fokus, mit dem die Datengedie fehlende Dienstanbieterverpflichtung insbesondere der ländliche Raum schwindigkeit an unterschiedlichen Standorten gemessen wurde. mangelhaft erschlossen wird und diesem eine 5G-Eiszeit drohen könnte.

Einen anderen infrastrukturellen Blickwinkel wirft BitkomPräsident Achim Berg auf: “Die Auflagen konterkarieren ihr Ziel, 5G möglichst schnell zu den Menschen und den Unternehmen zu bringen. Wer Flächenausbau will, muss auch Flächenfrequenzen zur Verfügung stellen. Jetzt wird das Spektrum bei 3,6 Gigahertz versteigert, das ist allerdings wegen ungünstiger Ausbreitungsbedingungen für die Flächenversorgung gänzlich ungeeignet.” Deutschland müsste hierfür im Abstand von je einen Kilometer mit Funkmasten ausgestattet werden. “Jeder will 5G, aber niemand will einen Funkmast vor seiner Tür. In Frequenzbändern unter einem Gigahertz bräuchte man nicht einmal jeden zehnten Funkmast. Die Politik sollte sich umgehend mit den Netzbetreibern auf eine konsistente Frequenzpolitik verständigen, anstatt scheibchenweise Spektrum zu versteigern”, appelliert Berg.

Die Bedingungen in Grundzügen “Wir haben unseren ursprünglichen Entwurf im Lichte der zahlreichen Stellungnahmen überarbeitet. Dabei hatten wir im Blick zu behalten, was technisch, wirtschaftlich und rechtlich möglich ist”, erläutert Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Bis Ende 2022 sollen • mindestens 98 Prozent der Haushalte je Bundesland, • alle Bundesautobahnen,

Foto: BS/Free-Photos, CC0, pixabay.com

• die wichtigsten Bundesstraßen sowie • die wichtigsten Schienenwege mit mindestens 100 Mbit/s versorgt werden. Bis Ende 2024 sollen • alle übrigen Bundesstraßen mindestens mit 100 Mbit/s, • alle Landes- und Staatsstraßen mit mindestens 50 Mbit/s, • die Seehäfen und wichtigsten Wasserstraßen mit mindestens 50 Mbit/s und • alle übrigen Schienenwege mit mindestens 50 Mbit/s versorgt werden. Zudem wird für alle Bundesautobahnen und Bundesstraßen eine Latenz von zehn Millisekunden vorgeschrieben. Zusätzlich sind je Betreiber 1.000 “5G-Basisstationen” und 500 Basisstationen in “weißen Flecken” bis Ende 2022 zu errichten. Hinsichtlich des Roamings und des Infrastruktur-Sharings hat die Bundesnetzagentur weitere Auflagen vorgesehen: Bei der Umsetzung der Versorgungsauflagen wird eine Zusammenarbeit zwischen den Netzbetreibern in Gebieten, in denen sich der Ausbau durch einen einzelnen Netzbetreiber wirtschaftlich nicht lohnt, erwartet. Den Netzbetreibern wird ein Verhandlungsgebot zu Kooperationen auferlegt. Die Bundesnetzagentur begleitet den Prozess als “Schiedsrichter”. Ebenso agiert sie als Schiedsrichter bei den Verhandlungen der Netzbetreiber mit geeigneten Dienstanbietern über die Mitnutzung von Funkkapazitäten, wenn es zum Streitfall kommt.

Es waren technikintensive Wochen für Schüler und Lehrer in der Altmark (Sachsen-Anhalt) und auch für die Initiatoren des Projektwettbewerbes “Speedy”. Von Anfang September bis Ende Oktober fand das Schulprojekt unter der Leitung des ZBA statt. Teilnehmen konnten alle Grundschulen und die weiterführenden Schulformen im Ausbaugebiet des künftigen Glasfasernetzes für die Altmark.

Programmieren, bauen und messen Bei dem Wettbewerb ging es um die Beschäftigung mit Datenraten, um Programmierideen und erste eigene Anwendungen. Jedes Schulteam baute seinen eigenen “Speedy”-Schulcomputer. Fast zwanzig Schulen, darunter Grundschulen und Gymnasien, programmierten damit innerhalb weniger Wochen ihre erste mobile Messstation. Dabei wurden an zehn aufeinanderfolgenden Tagen Geschwindigkeitsmessungen mit dem Ziel durchgeführt, einen direkten Eindruck von Datenraten und den Unterschieden an verschiedenen Standorten zu erhalten. Bei dem Projekt wurden die Messstellen-Netzwerke im Bereich der gesamten Altmark und ihren drei Ausbauregionen aufgebaut und direkt an die Website des ZBA übertragen. Andreas Kluge, ZBA-Verbandsgeschäftsführer, kommentiert den Abschluss des Projektes: “In Sachsen-Anhalt gibt es zahlreiche sehr gute Initiativen für Innovation und Digitalisierung. Da wir als Zweckverband mit dem

Das Schulprojekt Speedy setzt hohe Maßstäbe und erhielt viel positive Rückmeldung. Foto: BS/ZBA

künftigen kommunalen Hochgeschwindigkeitsnetz vor allem auch den Bildungsbereich ohne Lücken versorgen wollen, liegt es nahe, schon jetzt die Schulen und Bildungsorganisationen in diesen Prozess miteinzubeziehen. Zudem sehen wir, dass es noch viele unentdeckte Talente gibt, die möglicherweise in den nächsten Jahren im Bereich IT in unserer Region ein Wörtchen mitreden und interessante Projekte starten werden.”

Salzwedler Grundschule belegt den ersten Platz Der erste Preis ging an die Perver Grundschule in Salzwedel. Die Film und Computer AG erhält somit den Hauptpreis in Höhe von 700 Euro. Die Schüler der Computer AG waren für die Messwerte verantwortlich und konnten zusammen mit der Film AG einen Kurzfilm erstellen. Dies gelang mit Unterstützung des Offenen Kanals Salzwedel. Den zweiten Platz belegte die 4. Klasse

der Grundschule Dr. SchultzLupitz in Klötze/OT Kusey und den 3. Platz belegte die Klasse 4b der Ganztagsgrundschule Stendal. Aus dem Haus des Netzbetreibers DNS:NET, der die Gewinnerpreise stellt, hieß es: “Wir freuen uns, dass so viele engagierte Schulteams mitgemacht haben. Die ermittelten Messwerte sind zudem sehr hilfreich für die Erhebung des Ist-Zustandes der Datenraten an den verschiedenen Standorten. Bei Initiativen wie Speedy können sowohl Theorie als auch Praxis in Sachen Datenanalyse, Messverfahren und generell Basiswissen im Bereich Informatik, hervorragend miteinander kombiniert werden. Für das umfangreiche FTTH-Projekt der Altmarkregion können die Ergebnisse also auch praktisch genutzt werden.” *Axel Schulz ist stellv. Verbandsgeschäftsführer des Zweckverbands Breitband Altmark (ZBA).


Kommunale Ordnung

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Behörden Spiegel / Dezember 2018

Bald nicht mehr strafbar?

Licht spenden, Leben retten

Schwarzfahren könnte entkriminalisiert werden

Smarte Laterne für städtische Gebiete entwickelt

(BS/Marco Feldmann) Personen, die in öffentlichen Verkehrsmitteln mehrfach ohne gültigen Fahrausweis angetroffen werden, müssen in Zukunft eventuell nicht mehr mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. Möglicherweise müssten sie nur noch eine Geldbuße zahlen. Es könnte aber auch sein, dass sie ausschließlich das erhöhte Beförderungsentgelt entrichten müssen. Zumindest, wenn es nach der Linksfraktion im Deutschen Bundestag geht.

(BS/Michael Schenkelberg*) Intelligent gesteuerte Verkehrsinfrastrukturen, automatische erhobene und direkt nutzbare Bild- und WetterDaten, eine zuverlässige und einfache Sicherheitskommunikation im ­öffentlichen Raum – all das sind Versprechen der Smart Cities von ­morgen. Diese zu erfüllen, hängt mit massiven Investitionen zusammen. Vor allem, was die Verkabelung der unzähligen Komponenten angeht. Jetzt hat der Kommunikations- und Sicherheitsspezialist Schneider Intercom gemeinsam mit zwei Projektpartnern eine innovative Lösung entwickelt, die den Weg zu smarteren Innenstädten frei macht.

Nicht ganz so weit geht der Antrag der Grünen. Sie wollen zwar – genau wie die Linken – die Strafbarkeit des Erschleichens von Beförderungsleistungen streichen. Allerdings solle das Delikt weiterhin als Ordnungswidrigkeit behandelt werden, erläutert die Bundestagsabgeordnete Canan Bayram. Diese Einstufung hätte zur Folge, dass die Vorgänge, von denen die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2016 242.960 Fälle mit einem Schaden von mehr als 5,5 Millionen Euro verzeichnete, nicht mehr zu den Staatsanwaltschaften gingen. Vielmehr wäre dann die im neuen Gesetz benannte Ordnungswidrigkeitenbehörde zuständig, sagt Bayram. Das könnte etwa ein Ordnungsamt oder auch eine Stadtpolizei sein. Großer Vorteil des Ansatz laut der Parlamentarierin: Die zuständige Verwaltungsbehörde könnte wegen einer Leistungsunfähigkeit des Betroffenen auf das Eintreiben der Geldbuße verzichten. Dabei würde allerdings nur auf die Vollstreckung der Forderung verzichtet. Grundsätzlich bliebe sie bestehen. Das sei der richtige Ansatz, ist Bayram überzeugt. Denn: Der Unrechtsgehalt von Schwarzfahren sei mit dem des Falschparkens vergleichbar.

Negative Signalwirkung zu befürchten Dieser Einschätzung widerspricht Thomas Hilpert-Janßen vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Er meint: “Eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit oder sogar eine gänzliche Abschaffung des Straftatbestandes hätte eine negative Signalwirkung, die die Schwarzfahrerquote deutlich erhöhen könnte.” Bei einer Abschaffung der Strafbarkeit entstünde der Eindruck, nunmehr ohne spürbare Konsequenzen Schwarzfahren zu können. Auch das Argument der vermeintlichen Doppelbestrafung – durch eine strafrechtliche Verfolgung einerseits und die Erhebung des erhöhten Beförderungsentgelts

auf dem zivilrechtlichen Wege – lässt er nicht gelten. Das Nebeneinander von zivilrechtlichem Anspruch und strafrechtlicher Verantwortlichkeit sei “ein Wesensmerkmal des deutschen Rechts bei Straftaten gegen Dritte”. Außerdem könnten auch Hartz-IV-Empfänger bei sachgemäßer Mittelverwendung ihre Mobilitätsbedürfnisse bezahlen. Die dafür vorgesehenen Mittel des Regelsatzes seien vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe als ausreichend angesehen worden. Hinzu komme, dass den Verkehrsunternehmen durch das Erschleichen von Beförderungsleistungen jährlich ein Schaden von geschätzt 300 Millionen Euro entstehe. So gebe es pro Jahr rund elf Milliarden Fahrgäste, von denen drei bis 3,5 Prozent ohne gültigen Fahrschein unterwegs seien. Das entspräche circa 300 Millionen Schwarzfahrten bei einem bundesweiten Durchschnittspreis pro Fahrt mit dem Öffentlichen Personennahverkehr von einem Euro, heißt es seitens des VDV. Allein den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) entgehen dadurch nach eigenen Angaben jährliche Einnahmen in Höhe von rund 20 Millionen Euro. Für diese Summe könnte man etwa 40 neue Doppeldeckerbusse erwerben.

Großes gemeinschädliches Potenzial Auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, ist klar gegen eine Entkriminalisierung des Erschleichens von Beförderungsleistungen. Er sagt: “Bei solchen Taten handelt es sich um Unrecht mit großem gemeinschädlichen Potenzial, das hohe Schäden verursacht.” Eine Legalisierung dieses “kriminellen Unrechts” sei nicht zu akzeptieren. Zumindest für eine Anpassung der strafrechtlichen Bestimmungen zum Schwarzfahren treten Dr. Heike Neuhaus und Barbara Stockinger vom Deutschen

Richterbund ein. Ihrer Meinung nach sollte die Beförderungserschleichung nur noch dann strafbar sein, sofern Zugangsbarrieren oder -kontrollen umgangen oder überwunden werden. Steige jemand jedoch in ein öffentliches Verkehrsmittel ein, ohne irgendeine Form der Täuschung zu begehen oder einen Schutz gegen das Erschleichen von Beförderungsleistungen zu umgehen, solle dies in Zukunft nicht mehr strafbar sein. In einem solchen Fall reichen laut Neuhaus und Stockinger zivilrechtliche Ansprüche der Verkehrsunternehmen, wie etwa das erhöhte Beförderungsentgelt, aus. Auch könnten diese Konstellationen zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden. “In erster Linie bleiben die Verkehrsbetriebe gefordert, vorbeugend mehr gegen Schwarzfahren zu tun”, meinen die Vertreterinnen des Deutschen Richterbundes. Wirksame Zugangskontrollen der Unternehmen seien der beste Weg, um Schwarzfahrten effektiver zu verhindern.

Wirklich alle unschuldig? Drehkreuze und andere mechanische Zugangshürden seien im Öffentlichen Nahverkehr hierzulande allerdings noch wenig verbreitet, gibt der ehemalige Juraprofessor Heiner Alwart von der Universität Jena zu bedenken. Er unterstreicht: “Das Erschleichen einer Beförderung muss einer betrügerischen Täuschung ähneln. Andernfalls fehlt es an dem für die Strafbarkeit der Tat entscheidenden Element.” Die Verkehrsbetriebe machten ihre Transportleistungen allerdings frei zugänglich, “als ob in Deutschland bereits heute der Nulltarif gelten würde”. In diesem Sinne bleibe folglich jeder Schwarzfahrer unschuldig. Alwart verlangt: “Die Strafjustiz soll ihn daher in Ruhe lassen.” Für reine Vertragsbrüche, und um einen solchen handele es sich seines Erachtens beim Erschleichen von Beförderungsleistungen, “ist nicht das Straf-, sondern

allein das Zivilrecht zuständig”. Aus diesem Grunde meint der Jurist mit Blick auf das im Strafgesetzbuch normierte Schwarzfahren: “Diese Vorschrift muss umgehend gestrichen werden. Und sie muss ersatzlos gestrichen werden.” Auch für ein neues Ordnungswidrigkeitengesetz sehe er momentan keinen Bedarf, so Alwart.

Hohe Verfolgungskosten Der Richter am Bundesgerichtshof (BGH), Prof. Dr. Andreas Mosbacher, schließlich meint: “Die besseren Argumente sprechen für die Entkriminalisierung des “einfachen Schwarzfahrens”. Eine Einstufung solcher Handlungen als Ordnungswidrigkeit – jedenfalls bei öffentlichen Verkehrsmitteln – erscheint gegenüber der völligen Sanktionslosigkeit vorzugswürdig.” Gesellschaftliche Kosten und gesellschaftlicher Nutzen stünden nicht im Einklang. “Das Unrecht, um das es geht, liegt vielfach im unteren Bagatellbereich”, meint Mosbacher. In jedem Einzelfall entstünden nur Schäden im Wert zwischen einem und drei Euro. Gleichzeitig verursache ihre Verfolgung “erhebliche Kosten, die auf jährlich 15 Millionen Euro geschätzt werden”. Der Richter kritisiert: “Die Ressourcen der Strafjustiz werden hierdurch in weitem Umfang gebunden, obwohl sie für die Bekämpfung weit schwererer Formen der Kriminalität wie im Wirtschaftsstrafrecht dringend gebraucht werden.” Durch die Inhaftierung bei der Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen komme es darüber hinaus häufig zu Entsozialisierungsfolgen, die weitere erhebliche gesellschaftliche Kosten verursachten. Zudem stehe den Verkehrsunternehmen durch die Möglichkeit, ein erhöhtes Beförderungsentgelt zu erheben, eine eigene Sanktionsmöglichkeit zur Verfügung. Mosbacher zufolge sei bei einer behutsamen Entkriminalisierung auch nicht zu befürchten, “dass das Normvertrauen der Bevölkerung Schaden leidet”.

Schneider Intercom hat gemeinsam mit seinen Projektpartnern eine smarte Licht- und Safety-Lösung für Stadtgebiete entwickelt. Konkret geht es um eine Laterne, die nicht nur Straßen, Gehwege und Bürgersteige ausleuchtet, sondern auch ohne aufwendige Modernisierung zusätzlich Videokameras, Notruf-Technik und Energie-Lademodule beinhalten kann. Möglich macht dies eine revolutionäre neue Technologie aus dem Hause Panasonic, die keine zusätzliche Datenverkabelung benötigt, sondern mit einem simplen 230 Volt-Anschluss auskommt.

Smarte Aufrüstung Eingesetzt wird die sogenannte “High Definition Powerline Communication” (HD-PLC). Sie kombiniert Breitbandkommunikation mit einer innovativen Multi-Hop-Technologie, um Übertragungsgeschwindigkeiten im Megabit-Bereich über Kabel mit mehreren Kilometern Länge zu erreichen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, alle bereits bestehenden Laternen und Stelen eines Stadtgebiets trotz herkömmlicher Verkabelung “smart” aufzurüsten. Daraus ergeben sich zahlreiche Chancen für Anwendungen aller Art: Da wären zum einen Notrufeinrichtungen, Lautsprecher für Durchsagen, WLAN-AccessPoints oder auch Videosysteme. Zum anderen könnten Wetterdatensensoren zur Aufnahme und Weiterleitung von Umweltdaten oder Ladelösungen integriert werden. Letztere könnten zum Beispiel im Rahmen von E-Mobility-Konzepten zum Aufladen von E-Bikes aufgela-

Viele offene Stellen Private Sicherheitswirtschaft erlebt dennoch Boom (BS/por/mfe) “Mindestens 12.000 Stellen sind offen”, sagt Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW). In den vergangenen Jahren habe die Branche einen regelrechten “Boom – mit allen Begleiterscheinungen –” erlebt. 2017 hätten 6.500 private Sicherheitsunternehmen rund 262.000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Grund: Staatliche Stellen seien personell immer weniger in der Lage, die vielfältigen Sicherheitsaufgaben zu bewältigen. Der BDSW konnte im vergangenen Jahr 900 Mitgliedsunternehmen verzeichnen. „Wir sind ein Arbeitgeberverband und verhandeln Tarife in erster Linie mit der Gewerkschaft Verdi in dezentralen Beratungen.“ Die Folge: Bundesweit 70 Tarifverträge mit 450 Lohngruppen. Ab 1. Januar des kommenden Jahres werde es keinen Mindestlohn mehr unter zehn Euro geben, so Olschok. Leider gehöre die Türsteherszene, mit der es viele Probleme gebe, auch zur Branche. Dessen ungeachtet steige die Nachfrage nach Sicherheitsdienstleistungen unvermindert. Als ein Beispiel nannte Olschok auf einer Vergabetagung des Behörden Spiegel und des BDSW in Bonn Notaufnahmen in Krankenhäusern, wo immer mehr Ärzte angegangen würden. Für das private Sicherheitsgewerbe könnte sich in näherer Zukunft jedoch einiges ändern. So soll die Zuständigkeit

für das Sicherheitsgewerbe auf Bundesebene möglichst zeitnah vom Bundeswirtschafts- auf das Bundesinnenministerium (BMI) übergehen. Ressortchef Horst Seehofer (CSU) habe diese Grundsatzentscheidung bereits getroffen. Ein entsprechender Organisationserlass der Bundesregierung stehe allerdings noch aus, berichtete Stefan Kaller, Abteilungsleiter für Fragen der öffentlichen Sicherheit im BMI. Auch seien Details des Übergangs sowie das weitere Vorgehen bei der Neuordnung der Regelungen für das private Sicherheitsgewerbe in einem eigenständigen Gesetz noch auszuhandeln. Gleiches war aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) zu hören.

Bewacherregister kommt später Man wolle auch noch das Inkrafttreten des bundesweiten Bewacherregisters abwarten, so der BMI-Abteilungsleiter. Dieses sollte ursprünglich zum 1. Januar 2019 in den Wirkbetrieb gehen. Auf Wunsch des

Bundesrates und verschiedener Bundesländer wird sich dieser Termin jedoch auf den 1. Juni kommenden Jahres verschieben. Offen ist anscheinend auch noch, ob das Register bei einem Ressortwechsel “mitwandern” muss. Bisher ist als registerführende Stelle das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit Sitz in Eschborn vorgesehen. Dabei handelt es sich allerdings um eine nachgeordnete Behörde des BMWi.

Faktische gegenseitige ­Anerkennung Die Verzögerungen bei der Einführung des Verzeichnisses seien insbesondere auf Implementierungsprobleme bei den bundesweit rund 2.000 beteiligten Behörden auf Länder- und kommunaler Ebene zurückzuführen, erklärte Thomas Ernst aus dem für Gewerberecht und freie Berufe zuständigen Referat im BMWi. Zugleich zeigte er sich überzeugt, dass es im Rahmen des Registers faktisch eine gegenseitige Anerkennung der Überprüfungsergebnisse

den werden. Natürlich müssen nicht alle Features auf einmal umgesetzt werden. Der Ausbau jeder einzelnen Laterne ist modular, die einzelnen Bausteine lassen sich beliebig kombinieren. Der Einsatz orientiert sich im Idealfall an den Gegebenheiten beziehungsweise den Risiken jedes einzelnen Standorts und an den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Kommunen und Städte.

Bedarfsgerechte Steuerung Dank der Entwicklung ist der Einsatz von Sicherheitstechnik nun an Stellen denkbar, die von der örtlichen Polizei beispielsweise als Kriminalitäts- oder Gefahrenschwerpunkte benannt werden. Vor diesem Hintergrund können die Laternen effektiv dabei helfen, einen Stadtteil oder einen Straßenzug smarter und sicherer zu machen. Gleichzeitig kann die Beleuchtung intelligent wetter-, verkehrs- oder ereignisabhängig gesteuert werden, was nicht zuletzt Strom und Energie spart. Die Technischen Betriebe in Solingen wenden die Technik bereits in der Praxis an und steuern ihre Straßenbeleuchtung in Abhängigkeit von Wetter- und Verkehrsdaten. In Solingen kommt zudem ein Laternen-Model mit integriertem Notruf und Video zum Einsatz.

Großes Interesse der ­Kommunen Erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde die smarte Innovation im Rahmen der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin auf dem Stand von Panasonic sowie auf der Fachmesse Security in Essen auf dem Stand von Schneider Intercom. Seitdem zeigen immer mehr Städte, Kommunen und Sicherheitsbehörden reges Interesse an der Lösung. Und wer weiß? Vielleicht entpuppen sich die smarten Laternen als erster wichtiger Meilenstein auf einem Weg hin zu smarten Städten, die das Leben der Menschen auf intelligente Weise erleichtern und sicherer machen.

Smarter Lichtspender: Die von Schneider Intercom und ihren Projektpartnern entwickelte Laterne bietet zahlreiche sinnvolle Safety-Features. Foto: BS/Schneider Intercom

BDSW-Hauptgeschäftsführer Dr. Harald Olschok machte auf Tausende offene Stellen im Bereich der privaten Sicherheitswirtschaft aufmerksam. Foto: BS/Portugall

zwischen den Bundesländern geben werde. Gleichwohl könnten vergleichbare Einzelfälle in unterschiedlichen Bundesländern weiterhin zu differierenden Bewertungen führen. Das Verzeichnis habe allerdings zwei große Vorteile, ergänzte Christoph Schäfer vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV): die Regelanfrage in allen Fällen und Bereichen bei den jeweiligen Landesverfassungsschutzbehörden und ein Ende des Flickenteppichs bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen.

*Michael Schenkelberg ist V ­ ertriebsund Marketingleiter der Schneider Intercom GmbH.

Schneider Intercom (BS) Die Schneider Intercom GmbH aus Erkrath bei Düsseldorf ist Teil der weltweit agierenden TKH-Gruppe und seit über 30 Jahren am Markt tätig. Das Unternehmen realisiert integrierte, individuelle und auf unterschiedliche Branchen zugeschnittene Sicherheits- und Kommunikationslösungen, die auf Intercom- und IP-Technologie basieren. Sprache, Bilder, Daten werden auf einer einzigen Systemplattform mit einheitlicher Bedienoberfläche vernetzt. Als Partner für Systemanbieter aller Größenordnungen bietet Schneider Intercom integrierte Sprech-, Notruf-, Evakuierungs-, Überwachungs- und Steuersysteme unter anderem für Banken, Industrie, Polizei, Bürogebäude, Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen, Flughäfen, Justizvollzugsanstalten, Parkhäuser, Hotels, den Öffentlichen Nahverkehr und Tunnel an.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Dezember 2018

Was tun, wenn nicht zerschlagen?

KNAPP E-Government-Gesetz verabschiedet

Wettbewerbspolitik im Zeitalter der digitalen Plattformen (BS/Benjamin Stiebel) Große Plattformanbieter wie Google, Facebook oder Amazon haben in Europa kaum Konkurrenz zu fürchten. Die Konzerne bauen ihre Dienstleistungs- und Vermittlungsangebote zu ganzen Ökosystemen aus, denen sich die Nutzer nur schwer entziehen können. Die Gefahr von Missbrauch und Wettbewerbsbeschränkungen ist entsprechend groß. Während die Bundesregierung deshalb das Wettbewerbsrecht für das digitale Zeitalter flott machen will, sind aus der Politik immer wieder Rufe nach Zerschlagung der Konzerne zu hören. Doch wie weit kann und will man gehen? Und was nützt dem europäischen Binnenmarkt wirklich? Die Dominanz der US-Internetriesen ist vielen in Europa ein Dorn im Auge. Ihre Zerschlagung wird immer wieder gerne vorgeschlagen. Zuletzt vom Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei für die Europawahl, Manfred Weber (CSU). Zustimmung gab es hierzulande auch aus der SPD und von den Grünen. Die Bundesregierung ist unterdessen bereits auf dem Weg, die Aufsichtsbehörden mit einer Modernisierung des Wettbewerbsrechts gegen die Digitalkonzerne zu stärken. Die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) wird im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorbereitet. Welche Punkte darin angegangen werden könnten, verrät eine zuvor in Auftrag gegebene Studie mit Regulierungsvorschlägen.

Gesamtstrategie im Blick Sie empfiehlt unter anderem eine Ergänzung in der Fusionskontrolle, damit Kartellbehörden besser gegen sogenannte Killer Acquisitions vorgehen können. “Bisher ist die Adressierung schwierig, wenn die Unternehmen in verschiedenen Märkten aktiv sind”, erklärt Mitautor Prof. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE). Das Paradebeispiel dafür ist die Übernahme von WhatsApp durch Facebook, die von der EU-Kommission 2014 durchgewunken wurde. Facebook war in erster Linie Soziales Netzwerk, der eigene Messenger deutlich abgeschlagen hinter dem werbefreien und die Privatsphäre schonenden WhatsApp. Mittlerweile ist Facebook bei Kurznachrichtendiensten marktbeherrschend. Entgegen der Versprechen des

Wo zerschlagen wird, bleibt am Ende womöglich kein Stein auf dem anderen. Die Ultima Ratio gegen übermächtige Digitalkonzerne wird man daher wohl so schnell nicht ergreifen. Schließlich sind regulatorische und politische Optionen längst nicht ausgeschöpft. Foto: BS/©sorayut, stock.adobe.com

Konzerns wurden die Kontaktund Nutzungsdaten von WhatsApp mittlerweile komplett ins Facebook-Ökosystem integriert, die Öffnung für Werbung ist bereits angekündigt. Zukünftig sollen Wettbewerbshüter Zusammenschlüsse auch dann untersagen können, wenn sie Ausdruck einer Gesamtstrategie sind, systematisch wachstumsstarke Unternehmen in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung aufzukaufen, erklärt Haucap. Unternehmenszusammenschlüsse waren auch schon ein zentraler Punkt bei der 9. GWB-Novelle von 2017. Seitdem unterliegen auch Fälle der Fusionskontrolle, in denen der Kaufpreis erheblich über dem Umsatz des erworbenen Unternehmens liegt. Auch das soll der Verstärkung der Marktmacht etablierter Konzerne durch strategische

Übernahme innovativer Jungunternehmen vorbeugen. Außerdem wurde klargestellt, dass kartellrechtlich relevante Märkte auch dann vorliegen können, wenn zwischen den Beteiligten kein Geld fließt, wie bei Suchmaschinen, Vergleichsportalen und vielen anderen Online-Diensten.

Mit Augenmaß regulieren “Der Gesetzgeber sollte den Behörden und Gerichten nun erst mal Zeit geben, die neuen Regeln in der Praxis zu erproben”, so das Votum von Torsten Körber, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Kartellund Regulierungsrecht, Recht der digitalen Wirtschaft an der Universität zu Köln. Das Wettbewerbsrecht sei aus gutem Grund allgemein formuliert. “Je spezifischer die Gesetze sind, desto schneller veralten sie, gerade mit Blick auf digitale Märkte.” Gut

gerüstet sieht sich im Großen und Ganzen auch der Präsident des Bundeskartellamtes Andreas Mundt: “Die Wettbewerbsbehörden sind schon heute gut aufgestellt, um die großen Internetplattformen zu beaufsichtigen”, sagt er dem Behörden Spiegel. “Dennoch müssen wir darüber diskutieren, ob es noch die eine oder andere Stellschraube gibt, um die Eingriffsmöglichkeiten der Behörden zu erweitern und die Verfahren noch schneller zu machen.” Beschleunigungsbedarf sieht auch Körber: “Verfahren ziehen sich oft über viele Jahre. Es besteht die Gefahr, dass sich Machtpositionen in dieser Zeit verfestigen.” Zu prüfen sei die Möglichkeit, den einstweiligen Rechtsschutz auszubauen, wenn die endgültige Entscheidung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar sei. Der Idee der Zerschlagung von Internetriesen stehen Kartellrechtler überwiegend skeptisch gegenüber. Möglich wäre die Radikalkur zwar, allerdings wären die Voraussetzungen hoch, wie Haucap erklärt. “Zunächst müsste ein schwerwiegender Missbrauch festgestellt werden und dann wäre noch zu zeigen, dass es keine andere verhältnismäßigere Möglichkeit gibt, diesen abzustellen.” Aber wo will man das Messer ansetzen? Eine Entflechtung scheine bei den stark integrierten Plattform-Ökosystemen kaum möglich, ohne das Geschäftsmodell insgesamt infrage zu stellen, gibt Körber zu bedenken. Schließlich sei bei digitalen Plattformen das Ganze ja gerade mehr als die Summe seiner Teile. Auf sich gestellt könnten die einzelnen Dienste im schlimmsten Fall Pleite gehen. Letztlich ist das Vorgehen gegen die marktbeherrschenden

2.–3. APRIL 2019, KOSMOS, Berlin

Unternehmen nur die eine Seite der Medaille. Neuen Bewerbern den Markteintritt zu erleichtern, ist die andere. Ein Ansatz besteht darin, Wettbewerb durch geteilten Zugriff auf Daten zu befördern. “Es gibt hier bisher noch keine richtig erprobten Modelle”, so Martin Schallbruch, stellvertretender Direktor des Digital Society Institute Berlin und Co-Vorsitzender der vom BMWi eingesetzten Kommission Wettbewerbsrecht 4.0. Sie soll bis Herbst 2019 Empfehlungen zur Datenökonomie und Plattformmärkten vor allem mit Blick auf europäisches Wettbewerbsrecht ausarbeiten.

Marktchancen erhöhen Möglich sei es, so Schallbruch weiter, den Zugang zu Datenschätzen gesetzlich zu regeln, ähnlich wie auf EUEbene der Zugang von digitalen Zahlungsdiens­teanbietern auf die Bankenin­frastruktur durchgesetzt wurde. So könnten kleine Start-ups in Zukunft z. B. ihre KI-Algorithmen an, ggf. anonymisierten, Datensätzen etablierter Unternehmen trainieren. “Das wären aber gravierende Eingriffe”, stellt Schallbruch klar. “Gerade in digitalen Märkten sind Entwicklungen schwer vorhersagbar, daher sollte man behutsam vorgehen.” Etwas handhabbarer und auch für die nationale Ebene eine Option wäre die Erleichterung freiwilliger Kooperationen zum Datenaustausch. Das Interesse bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sei groß, so Schallbruch. Allerdings stünden oftmals Compliance-Bedenken im Weg. Hier würde schon etwas mehr rechtliche Klarheit darüber helfen, was geht und was nicht.

(BS/wim) Der Landtag von Brandenburg hat ein E-GovernmentGesetz verabschiedet, mit dem organisatorische Strukturen für die Digitalisierung der Verwaltung definiert werden sollen. Schwerpunkte legt das Land auf die Elektronische Verwaltung, die ITInfrastrukturen und -Standards sowie die IT-Organisation. Das Gesetz soll nach fünf Jahren evaluiert und ggf. weiterentwickelt werden. Siehe hierzu auch den Gastbeitrag der brandenburgischen Staatssekretärin Katrin Lange auf S. 32.

Kooperation in RLP (BS/wim) Der rheinland-pfälzische Minister des Innern und für Sport, Roger Lewentz, hat mit den Vertretern der drei kommunalen Spitzenverbände in RheinlandPfalz einen Kooperationsvertrag zur Zusammenarbeit beim E-Government unterzeichnet. Land und kommunale Spitzenverbände vereinbaren darin u.a. die gemeinsame Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Die Vereinbarung ist eine der ersten in einem Flächenland, mit der die Umsetzung des OZG zwischen Land und Kommunen vereinbart wird.

Gemeinsam im Kampf für IT-Sicherheit (BS/wim) Im Kampf für Sicherheit im digitalen Raum haben das Kommando Cyber- und Informationsraum (KdoCIR) der Bundeswehr und das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) eine neue Kooperation abgeschlossen. Angriffe hätten inzwischen Auswirkungen auf alle gesellschaftlichen Bereiche inklusive Kritischer Infrastrukturen, sodass nur eine gemeinsame und gesamtstaatliche Strategie in der Lage sei, eine Cyber-Sicherheit auf hohem Niveau in Deutschland zu gewährleisten.

Schirmherren 2019

Zum Fachkongress „Digitaler Staat“ treffen sich jährlich in Berlin Innovateure, Modernisierer und Trendsetter, um Digitalisierung von Staat, Verwaltung und Gesellschaft voranzutreiben. Das zweitägige Netztwerk wird von der Fachzeitschrift Behörden Spiegel gemeinsam mit zahlreichen Partnern durchgeführt und ist eine Leitveranstaltung zu diesem Themenkomplex. Entscheidungsträger und Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft widmen sich an beiden Tagen intensiv den tiefgreifenden Herausforderungen, die die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung mit sich bringt.

Die begleitende Fachausstellung und verschiedene Side-Events bieten zudem die Möglichkeit, sich umfassend über Angebote für die digitale Verwaltung zu informieren sowie Netzwerke zu

Dorothee Bär Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt

Hans-Henning Lühr Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen und Vorsitzender des IT-Planungsrats 2019

knüpfen und zu pflegen. www.digitaler-staat.org

www.facebook.com/digitalerstaat

twitter #digistaat

www.instagram.com/digitaler_staat

Eine Veranstaltung des


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Behörden Spiegel / Dezember 2018

e-nrw 2018 D

er erste Digitalisierungsminister des bevölkerungsreichsten Bundeslandes appellierte an die Teilnehmer, die Digitalisierung als Weiterentwicklung zu begreifen und deren Potenziale in verschiedenen Bereichen nutzbar zu machen. Mit diesem Ziel arbeitet die Landesregierung derzeit auch an einer Digitalstrategie für das Land (www.digitalstrategie.nrw), deren Entwurf im Rahmen einer Online-Beteiligung sowie einer eigenen Konferenz Ende Oktober breit zur Diskussion gestellt wurde und derzeit überarbeitet wird, um im März/April 2019 vom Kabinett verabschiedet zu werden.

Menschen mitnehmen Diese stelle den Menschen in den Mittelpunkt, so Pinkwart, der in der Folge anhand der Beschreibung von vier Dimensionen die zahlreichen Herausforderungen der digitalen Transformation deutlich machte. So müsse man sich mit Blick auf die ethisch-rechtliche Dimension der Digitalisierung die Fragen stellen: “Wie wollen wir zukünftig leben? Wie können wir die Digitalisierung im Sinne unserer Demokratie und weiterer gesellschaftlicher Errungenschaften organisieren? Zudem gelte es, in allen Bereichen der Gesellschaft die bisherigen Verhaltensmuster zu überdenken, erklärte Pinkwart im Hinblick auf die soziokultu-

Verwaltung muss mithalten Die Potenziale der Digitalisierung nutzbar machen (BS/Guido Gehrt) Angesichts der vielfältigen Herausforderungen der Digitalisierung, welche die Landesregierung Nordrhein-Westfalen zukünftig mit einer kohärenten Digitalstrategie anpacken wolle, brauche das Land eine öffentliche Verwaltung, die bei diesem tiefgreifenden Wandel mithalte, um den Standort NRW auch in einer digitalisierten Welt in Deutschland und Europa an die Spitze zu führen. Dies erklärte Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, in seiner Keynote auf dem Kongress “e-nrw”, der unter der fachlichen Leitung von Wilfried Kruse, IVM2, vor rund 600 Teilnehmern in der Stadthalle Neuss stattfand. relle Dimension. Beispielhaft nannte er hier bestehende Arbeitszeitregelungen bzw. das Angebot von Homeoffice, welches in der öffentlichen Verwaltung – zumindest im Bereich der Landesverwaltung – bislang eher restriktiv gehandhabt würde. Hierbei sei zu beachten, dass durch die Nutzung der technologischen Möglichkeiten nicht das Verhältnis von Arbeit und Freizeit aus den Fugen gerate bzw. diese miteinander gänzlich verschmelzen. Die Sicherung des Wohlstands und der Beschäftigung kennzeichnet für Pinkwart die wirtschaftliche Dimension der Digitalisierung. Hierbei gehe es einerseits darum, die Chancen für neue Geschäftsmodelle und letztlich neue Arbeitsplätze möglichst rasch zu ergreifen, auch um sich im globalen Wettbewerb entsprechend zu positionieren. Andererseits müsse man auch “die Menschen mitnehmen”, indem man sie durch Weiterbildung und -qualifizierung fit für die zukünftigen Anforderun-

durch zusätzliche Mittel weiter stärken werde. Auch gehe es im weltweiten Wettbewerb mit China und anderen darum, seine eigene Rolle zu finden, etwa indem man sich stärker auf die wissensbasierte KI fokussiere. “Wir müssen kreativer und agiler sein als die anderen”, forderte Pinkwart.

Digitale Infrastruktur als Voraussetzung

NRW-Digitalisierungsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart will NRW zu einem führenden Digitalisierungsstandort in Deutschland und Europa machen. Foto: BS/Giessen

gen mache. Die vierte und letzte Dimension, die der Minister in seiner Rede skizzierte, war die wirtschaftlich-technische. Hier trat er entschieden der viel kolportieren Auffassung entgegen, dass Deutschland bei der Digitalisierung in Forschung und Entwicklung im globalen Wett-

bewerb abgehängt sei: “Wir sollten nicht nur Nabelschau mit Skeptizismus halten, sondern unsere vorhandenen Stärken nutzen”, appellierte er. Ein Beispiel hierfür seien die hervorragenden Forschungszentren für Künstliche Intelligenz in NRW, welche die Landesregierung

Grundvoraussetzung all dieser Aktivitäten sei eine leistungsfähige digitale Infrastruktur mit entsprechenden Netzen für Breitband und Mobilfunk, welches die Landesregierung in den nächsten Jahren massiv vorantreiben werde. Dies könne man jedoch nicht alleine leisten, sondern sei dort, wo es gehe, auf eigenwirtschaftliches Engagement angewiesen. Das Land werde aber auch hier, etwa durch Vereinfachung der rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa bei der Genehmigung von Mobilfunkmasten, unterstützen.

Der Minister unterstützte in seiner Rede ausdrücklich die Zielsetzungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und des Portalverbunds. “Die Bürger erwarten, dass sie auf ihre Services von überall in Deutschland zu jeder Zeit zugreifen können”, so Pinkwart. Man brauche in der öffentlichen Verwaltung hierzulande einerseits Dezentralität, um die Nähe zum Bürger zu erhalten. Andererseits müsse es bei den Services ein gewisses Maß an Zentralität und Standardisierung geben. Zudem sei Kooperation zwingend notwendig. In NRW würden derzeit fünf Modellkommunen bei Digitalisierungsprojekten massiv vom Land unterstützt, verbunden mit der Auflage, das erlangte Wissen schnellstmöglich den anderen Kommunen des Landes zur Verfügung zu stellen. Zusätzliche Impulse für die öffentliche Verwaltung verspricht sich der Minister auch von den Start-ups im Lande. Daher rief er die Teilnehmer auf: “Gehen Sie auf die Start-ups zu!”

JETZT VORMERKEN!

e-nrw 2019 Der nächste Kongress findet am 7. November 2019 erneut in der Stadthalle in Neuss statt. www.e-nrw.info

Einer muss vorangehen

“Die Digitalisierung ist schon da”

MWIDE Digital 2022: das digitale Modellministerium

Die Verwaltung muss sich endlich anpassen

(BS/Benjamin Stiebel) Der Startschuss erfolgte mit Verabschiedung des Koalitionsvertrags: Ein Ministerium in Nordrhein-Westfalen soll bis 2022 zur Modellbehörde für modernes Verwaltungshandeln entwickelt werden. Nach einem Jahr teilt die Projektleitung im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE) erste Erfahrungen mit. Die wichtigsten Ratschläge soweit: Es braucht eine griffige Zielsetzung und die Mitarbeiter müssen die Vorhaben mittragen.

(BS/Wim Orth) Für Thomas Gemke, Landrat des Märkischen Kreises und stellvertretenden Verbandsvorsteher des KDN Zweckverbandes, sollte sich die Diskussion um eine bald kommende Digitalisierung langsam erledigt haben: “Die Digitalisierung ist schon da und sie bietet große Chancen für alle. Die öffentliche Verwaltung sollte sie dazu nutzen, um Bürokratie so weit wie möglich abzubauen.”

Mit Beginn der aktuellen Legislaturperiode wurde Digitalisierung gleich in zweifacher Hinsicht zentraler Schwerpunkt für das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium. Zum einen übernahm es die politische Steuerung der Digitalisierung in Verwaltung und Wirtschaft. Zum anderen gab sich das Ministerium die Aufgabe, sich in wenigen Jahren als digitales Vorbild für alle Landesbehörden aufzustellen. Keine leichte Aufgabe, wie Dr. Helma Hagen, Referatsleiterin Organisation und E-Government, versichert. “Die erste Schwierigkeit ist eine ganz grundsätzliche: Wir als Referat müssen die Aufgabe übergreifend für das ganze Haus und alle Vorgänge steuern.” Dabei hat sie schnell gelernt, dass man die Digitalisierung unter strenger Einhaltung des Dienstweges nicht ins Rollen bringen könne. Schließlich gehe es nicht nur darum, elektronisch abzuwickeln, was man früher schriftlich erledigt habe. Sinnvoll digitalisieren heiße vielmehr, neue, effizientere Prozesse zu schaffen – und zwar über die Grenzen der Organisationseinheiten hinweg. So zum Beispiel mit einem einheitlichen Aktenplan für alle Abteilungen. Hagen: “Den Dienstweg auszuhebeln, ist schon verwegen, aber auch manchmal notwendig, um produktiver und transparenter arbeiten zu können.” Begonnen wurde vor einem

Will die Digitalisierung im Ministerium nicht von der Technik, sondern von den Mitarbeitern und ihren Arbeitsabläufen her aufrollen: MWIDE-Referatsleiterin Dr. Helma Hagen. Foto: BS/Giessen

Jahr mit mehreren Einzelprojekten – schließlich müsse eine digitale Vorbildbehörde auch vorbildlich schnell voranschreiten. Ein Gesamtkonzept wurde parallel erarbeitet. Hilfreich sei dabei gewesen, dass die Hausspitze ein klares Zielbild vorgegeben habe. “Statt einfach nur alles irgendwie digital”, hieß es vom Minister prägnant: “Ich will hier kein Papier mehr sehen!”” wie Hagen erzählt. Damit ließ sich arbeiten. Unterstützt wird das Gesamtprojekt von Cassini Consulting. Zu tun ist viel, wie der Management Consultant Theodoros Moutsokapas, erläutert. Medienbruchfreie Basiskomponenten und Fachverfahren seien einzuführen. Deren reibungs-

loses Ineinandergreifen erfordere auch eine Modernisierung der IT- und Netz-Infrastruktur. Schließlich umfasse vorbildhaftes Digitalisieren auch, die Chancen für ein modernes Arbeiten wahrzunehmen. So sei das Haus inzwischen vollständig mit WLAN erschlossen. Die Ausstattung aller Mitarbeiter mit Mobilgeräten werde erwogen, um mehr Flexibilität zu ermöglichen. In Zukunft rechne man mit einer stärker projektbezogenen Arbeitsweise, so Moutsokapas weiter. Es werde daher auch architektonische Änderungen geben, um zum Beispiel Räumlichkeiten für kurzfristig gebildete interdisziplinäre Teams zur Verfügung stellen zu können. All das bricht aber nicht von oben auf die Bediensteten herein. Vielmehr habe man sich gezielt um deren Anregungen bemüht, wie Moutsokapas betont. Am Beginn der Konzepterstellung habe ein Workshop mit 20 Prozent der Mitarbeiter gestanden. “Das war eine grüne Wiese für die Wünsche und Hoffnungen der Beteiligten. Dabei wurden auch Möglichkeiten zur Mitgestaltung ausgelotet.” Auf dieser Grundlage seien dann die Top-Ziele für das digitale MWIDE formuliert worden, ergänzt Referatsleiterin Hagen. Die meisten davon seien nicht technisch ausgerichtet, sondern würden die Befähigung der Mitarbeiter und den kulturellen Wandel in der Organisation betreffen.

Als Beispiel für eine riesige, aber vollkommen unnötige Belastung der Sachbearbeiter nannte er das Begleitete Fahren, bei dem in NRW landesweit fast eine halbe Million Anträge pro Jahr zusammenkämen, die vollständig von Mitarbeitern bearbeitet werden müssten, da die Daten nicht digital und automatisch mit dem Kraftfahrtbundesamt abgleichbar seien. An solchen Stellen müsse das Potenzial des Servicekontos. NRW erkannt und genutzt werden. Dieses im August dieses Jahres freigeschaltete Angebot könne ein wichtiges Werkzeug für eine vereinfachte Kommunikation mit den Bürgern sein. “Um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, muss das Servicekonto aber auch mit Anwendungen

wie ELSTER gekoppelt werden – das wäre ein Meilenstein in der Digitalisierung dieses Landes”, erklärte der Landrat. Ein weiterer Schritt auf diesem Weg werde der Portalverbund.NRW sein, der Anfang 2019 online gehen soll und mit dem Servicekonto verknüpft sein wird: “Dieser wird so gebaut sein, dass es für die Kommunen nur einen geringen Aufwand darstellen wird, sich dem Portalverbund anzuschließen.” Absolut essenziell für all diese neuen Anwendungen und Portale sowie auch bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes sei dabei jederzeit eine ausgereifte Sicherheit der IT, so Gemke. Hierfür will das Land ein spezielles Computer Emergency Response Team (CERT) für den

kommunalen Bereich aufbauen. Dieses soll mit dem CERT NRW im zentralen Lagezentrum im KDN zusammenarbeiten und IT-Sicherheitsteams vor Ort entsenden, wenn es zu Problemen in kommunalen Systemen kommt. Zudem soll den Kommunen Beratung zu den Themen Sicherheitsmanagement und Sicherheitsinfrastruktur angeboten werden und eine bessere, schnellere Reaktion auf ITSicherheitsvorfälle gewährleistet werden: “Am Ende sind wir zusammen immer erfolgreicher als allein. Wir alle wollen die Digitalisierung erfolgreich schaffen und dabei helfen uns vor allem mehr Austausch, mehr Analyse und mehr gegenseitige Zusammenarbeit”, resümierte Gemke.

Ein neuer Mindset von oben Die Digitalisierung darf keinem Selbstzweck sein (BS/Wim Orth) Während die Bürger des Landes immer mehr in Richtung digitale Prozesse tendieren, werden die Prozesse der Verwaltung weiterhin in den meisten Fällen mit Papier und Stempel durchgeführt. Da dies nicht mehr zeitgemäß ist, forderte der Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) am FraunhoferInstitut FOKUS, Prof. Dr. Peter Parycek, im Rahmen des Fachkongresses e-nrw eine Wandlung der Verwaltung hin zu mehr Nutzerfokussierung und zum Gedanken des “Mobile First”. Parycek, zudem Mitglied im Digitalrat der Bundesregierung, erklärte: “Die Menschen wollen Prozesse online und mobil jederzeit und überall abwickeln können. Dafür müssen wir unsere Systeme so aufstellen, dass sie das auch können.”

Diese Ausrichtung müsse nach dem Prinzip “Digital by Design” bereits direkt vom Beginn der Entwicklung von Prozessen mit einbezogen werden. Es brauche vernetzte Register und Fachanwendungen sowie Schnittstellen, um die Daten und Prozesse

behördenübergreifend nutzen zu können. Zudem forderte Parycek auch eine Neuausrichtung der Arbeitswelt an sich. So brauche es einen neuen Mindset von oben, der die Mitarbeiter proaktiv auf die neuen Aufgaben vorbereite.


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Jetzt auf den Weg machen

Konsequent mit Leben füllen

Drohender Ressourcenengpass bei E-Rechnungseinführung

Diskussion zum E-Government-Gesetz NRW

(BS/Prof. Dr. Frank Hogrebe*) Ein Fachforum auf e-nrw befasste sich mit der Einführung der E-Rechnung, (BS/gg) Ein Fachforum beschäftigte sich mit dem Stand der Umsetzung des E-Government Gesetzes NRW derzeit eines der zentralen Themen der Verwaltungsdigitalisierung. unter besonderer Berücksichtigung integrierter Impuls- und Förderprojekte im Rahmen der Digitalisierungs­ offensive des Landes. Den Einstieg in die Diskussion der E-Rechnungsthematik machte Martina Knebel vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie (MWIDE) des Landes NordrheinWestfalen, indem sie einen Überblick über den Rechtsrahmen und die aktuellen Aktivitäten zur E-Rechnung auf Bund-Länder-Ebene skizzierte. Technisch vorgesehen ist für NRW die Erweiterung des Vergabeportals NRW um ein spezielles E-Rechnungs-Modul, das auch von der kommunalen Ebene technisch mitgenutzt werden kann. Zur Kostenfrage dieser Mitnutzung ist noch keine Entscheidung getroffen. Dr. Bodo Karnbach, ITK Rheinland, nahm die Ausgangslage zur Digitalisierung in Deutschland als Einstiegspunkt und leitete über diesen Einstieg die Relevanz der E-Rechnung her. Eine unter den Teilnehmern durchgeführte Befragung zeigte, dass sich bislang nur wenige zum Thema E-Rechnung bereits

Martina Knebel ist die Expertin des MWIDE NRW für die Einführung der E-Rechnung auf der Landesebene. Foto: BS/Giessen

auf den Weg gemacht haben bzw. die organisatorischen und technischen Voraussetzungen geschaffen haben. Die Experten empfahlen, sich der Thematik anzunehmen, denn bereits heute zeigt sich ein Ressourcenengpass bei den E-RechnungsDienstleistern.

Dirk Schulz-Utermöhl von Datev skizzierte in seinem Vortrag eine Smart-Transfer-Lösung des Unternehmens zum elektronischen E-Rechnungsempfang und -versand als Cloudlösung. Dabei differenzierte er unterschiedliche Szenarien und Integrationsmöglichkeiten zur Umsetzung der E-Rechnungsanforderungen. Andreas Zurbel von GiroSolution sprach über die Vielschichtigkeit von E-Government und die Auswirkungen auf Bürger, Unternehmer und Gesellschaft. Konkret erläuterte er den S-RechnungsService der GiroSolution, deren Lösung bewusst an der “Haustür” der öffentlichen Verwaltungen bzw. deren IT-Dienstleistern endet und insofern die internen Workflow-Lösungen akzeptiert und dorthin übergibt (siehe hierzu auch den Beitrag auf Seite 30). * Prof. Dr. Frank Hogrebe, Wissenschaftlicher Direktor IVM2, moderierte ein Fachforum zur Einführung der E-Rechnung.

Keine übertriebenen Erwartungen KI-Einsatzmöglichkeiten in der Verwaltung (BS/gg) Welches Potenzial bietet Künstliche Intelligenz (KI) als digitaler Helfer im Tagesbetrieb der öffentlichen Verwaltung? Dieser Frage ging ein von Wolfgang Scherer moderiertes Fachforum insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen “Ausblutens” der Verwaltungen nach. Wirtschaft, lokale Unternehmen und Bürgerschaft erwarten eine 24/7-Unterstützung. “Wenn Bund, Länder und Kommunen das nicht hinbekommen – transparent, unkommerziell und demokratisch kontrolliert – machen es die Alibabas, Facebooks und Googles” provozierte Scherer eingangs. Dr. Michael Neubauer, Geschäftsführer der neu entstandenen Südwestfalen-IT, gab zunächst gewohnt pointiert einen Werkstattbericht “KI, GovBots, Maschinelles Lernen: Potenziale und Grenzen eines HypeThemas?” und warnte dabei eindringlich vor übertriebenen Erwartungen. Mit Spannung erwartet wurde der Beitrag von Anja Weber, der Vorsitzenden des DGB in NRW. Für viele Besucher war es sicher überraschend, wie intensiv sich die Gewerkschaften bereits mit der Digitalisierung beschäftigt haben und das von ihr vor-

gestellte empirische Material lieferte eine fundierte Diskussionsgrundlage. Insbesondere der im Vergleich zur Privatwirtschaft deutlich höhere Digitalisierungsdruck im Öffentlichen Dienst ließ die Vorsitzende von rund 1,5 Mio. Gewerkschaftsmitgliedern im Land drei konkrete Forderungen formulieren: “Erstens: Beschäftigte, ihre Belange und Interessen stehen im und gehören ins Zentrum der Digitalisierung”, “Zweitens: Ob der Einsatz neuer Technik wie KI im Rahmen staatlicher Leistungen und staatlichen Handelns zulässig und zweckmäßig ist, bedarf sorgfältiger Kontrolle” und “Drittens: Nur dann bleibt uns ein leistungsfähiger Staat erhalten!”. Mit einem SiebenPunkte-Plan macht der DGB exakte Vorschläge, wie “gute Digitalisierung im Öffentlichen Dienst” aussehen muss. Jessica Lehmann und Thomas Weingarten-Lippmann von PRO-

SOZ Herten entführten dann die Besucher in einer Art Zeitreise in die Zukunft, machten aber zugleich deutlich, dass “ohne M kein D: Mensch mach(t) Digitalisierung” möglich ist. Die konkreten Lösungen des Hauses Alcatel-Lucent Enterprise stellten Christian Witte und Mikail Yardimci vor. “Kognitive Kommunikation und Netzwerk: Überdenken Sie Ihre Strategie” war ihre Aufforderung an die Verwaltungen. Jana Clement, T-Systems Multimedia Solutions, beleuchtete abschließend das Thema “Digitale Transformation mit künstlicher Intelligenz”. Praxisnah berichtete die Wissenschaftlerin anhand von anschaulichen Beispielen, wo heute bereits automatisierte Kommunikation eingesetzt wird. Auch die vorgestellten Analyse-Tools sind heute schon eine wichtige Hilfe, wenn es um das Pro und Kontra des Einsatzes von KI geht.

Mehr Agilität Fit für neue Entwicklungs- und Betriebsmodelle? (Beate van Kempen*) Sind öffentliche Rechenzentren und Anbieter von Fachverfahren reif für neue Entwicklungs- und Betriebsmodelle? Diese Fragestellung wurde in Neuss im Rahmen eines Fachforums diskutiert. Eingangs hatte ich die Gelegenheit, den täglichen Umgang des IT-Dienstleisters des Landschaftsverbandes Rheinland mit den Gegensätzen “agil vs. stabil” und “Neues wagen vs. Bestehendes bewahren” aufzuzeigen. Dabei spielt die Fokussierung auf IT-Services mit der Blickrichtung auf die Mehrwerte beim Kunden eine große Rolle. Strukturierte Prozesse, neue Gremien und Rollen mit klar definierten Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen im IT-Servicemanagement können den erforderlichen Ausgleich zwischen Agilität und Stabilität herstellen. Ansgar Kückes von Red Hat sprach von dem Erfordernis der “digitalen Souveränität”, um den bestehenden Herausforderungen in der IT zu begegnen. Dabei hätten die Hersteller wie die ITDienstleister neue Aufgaben im

Bereich der IT-Konsolidierung und der RZ-Modernisierung. IT-Konsolidierung verfolge die Ziele Zentralisierung, Standardisierung und Harmonisierung der bestehenden IT-Landschaft. RZ-Modernisierung brauche u. a. neue Technologien, abgestimmte Prozesse, Automatisierung und Self-Services. Andreas Voß und Malte Mielke von IT.NRW gingen auf die konkrete Umsetzung einiger Automatisierungs- und Modernisierungsprojekte des Landesbetriebes ein. Eine besondere Herausforderung stellten individuell entwickelte Fachverfahren dar, die häufig kaum modernisierbar seien. Mit Open-Source-Technologien habe eine gemeinsame Betriebsplattform in einem sog. föderalen Ansatz in getrennten Segmenten etabliert werden können. Somit könnten heute Serverumgebungen für

unterschiedliche Anwendungsszenarien automatisiert in maximal 30 Minuten bereitgestellt werden. Malte Mielke ging im Speziellen auf das erforderliche Ökosystem für digitalisierte Prozesse und die entsprechenden Fachverfahren ein. IT.NRW habe dafür eine Basis-Infrastruktur 2.0 als dynamische, skalierbare Infrastruktur, die auf einer privaten Cloud basiere, etabliert. Somit könne eine Infrastruktur mit allen Basiskomponenten für die Fachverfahrensentwicklung als Service (IaaS) bereitgestellt werden. Mit der Einbindung von DevOps in der Containertechnologie sei dabei die Fachverfahrens-Entwicklung in das Ökosystem integrierbar. *Beate van Kempen ist Abteilungsleiterin beim IT-Dienstleister LVR Infokom.

Die konkrete Umsetzung zahlreicher neuer Projekte im Zusammenhang mit der “Digitalstrategie.NRW”, die nach breiter Diskussion mit vielen Beteiligten im Frühjahr 2019 im Landtag verabschiedet werden soll, setzt auch auf den Erfahrungen und Ergebnissen der zurückliegenden Jahre auf. Das E-Government-Gesetz des Landes (EGovG NRW) vom 8. Juli 2016 hatte im Vorfeld dazu buchstäblich eine neue Ära eingeläutet. Hartmut Beuß, Beauftragter der Landesregierung NordrheinWestfalen für Informationstechnik (CIO) im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie (MWIDE), zog ein erstes Fazit der Umsetzung des EGovG und konnte auf zahlreiche Aktivitäten verweisen, die seit 2016 in Angriff genommen wurden. U.a. die landesverwaltungsweite Einführung der EAkte und die enge Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Land beim einheitlichen Servicekonto oder der Bereitstellung einer einheitlichen Bezahlplattform hob er hervor. “Der Zeitplan ist ehrgeizig, aber wir sind grundsätzlich auf dem richtigen Weg. Deshalb fahren wir auch konsequent fort, Basiskomponenten bereitzustel-

NRW-CIO Hartmut Beuß zog auf e-nrw ein Fazit der EGovG-Umsetzung im Land. Foto: BS/Giessen

len, die vor allem auch helfen, das OZG mit Leben zu füllen.” Gleichzeitig berichtete er über die Arbeiten zu einer ersten Novellierung des EGovG NRW, die im ersten Quartal 2019 auf den Weg gebracht werden soll. Ebenfalls geplant ist im größten Bundesland eine gesetzliche Open-Data-Grundlage. Aus einem konkreten vom MWIDE geförderten Projekt “Online- und Offline-Dorfplatz der Gemeinde Kranenburg als Pilotprojekt und Blaupause neuer

kommunaler Interaktion” gab Iris Haarland einen erfrischenden und die Workshop-Besucher mit praktischen Übungen einbeziehenden Einblick. Ihr “digitales Mantra” lautete “Mensch, Mensch, Mensch!” Ebenfalls sehr praxisorientiert war die Vorstellung einer Studie “Was nicht im Projekthandbuch steht: Best Practices für komplexe Großprojekte in der öffentlichen Verwaltung” durch Dr. Florian Theißing, Senior Consultant bei Cassini Consulting. Auch bei ihm zog sich der “Dialog auf Augenhöhe” wie ein roter Faden durch den Vortrag. “Die Sicht der Betroffenen in den Mittelpunkt stellen” empfahl eindringlich Geschäftsführer Dr. Felix Kratz von Baum­gartner & Co. Business Consultants. Mit methodischem “Design Thinking” sei es möglich, statt bloßer Orientierung auf reine technische Umsetzungen eine echte und tiefgreifende Kulturveränderung bei allen an Projekten Beteiligten zu gewährleisten. “Der Mensch ist der Maßstab, wenn wir in NRW und anderswo weiter erfolgreich bei der Digitalisierung voranschreiten ­wollen”, fasste Moderator Wolfgang Scherer abschließend zusammen.

Digitalisierung als Innovationsmotor Der Rhein-Kreis Neuss geht entschlossen voran (BS) Die selbst entwickelten App-Anwendungen für das Straßenverkehrsamt, Sozialamt oder den Rettungsdienst sind die besten Beispiele dafür, dass der Rhein-Kreis Neuss beim digitalen Wandel entschlossen vorangeht, wie auch Landrat Hans-Jürgen Petrauschke auf e-nrw erklärte. Als Partner war der Kreis mit einem Stand vertreten, an dem sich auch Professor Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, informierte. Harald Vieten, IT-Dezernent des Kreises, CDO Jürgen Brings und Mitarbeiter Tobias Schellhorn präsentierten dem Publikum unter anderem mehrere vom Kreis eigenentwickelte Apps. “Wir sind als Rhein-Kreis Neuss fest entschlossen, die mit dem technologischen Fortschritt verbundenen Chancen zur Verbesserung der Lebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger, unserer wirtschaftlichen Attraktivität und zur Steigerung der Effizienz unserer Verwaltungsleistungen zu nutzen”, sagte ­Petrauschke bei der Eröffnung des Kongresses. Der Einsatz von IT sei kein Selbstzweck, “sondern ein chancenreiches Mittel für die Modernisierung und Verbesserung unserer Kreisverwaltung”. Dazu wurde ein ganzes Bündel von organisatorischen Maßnahmen auf den Weg gebracht, wie die über 500 nach Neuss gereisten Top-Entscheider erfuhren. So wurden die Aufgaben Digitalisierung und E-Government zentral in einem Dezernat gebündelt und damit auch zur Chefsache auf oberster Führungsebene. Ferner wurde die IT-Abteilung des Kreises neu aufgestellt. Neben dem CIO (Chief Information Officer) wurde die Stelle eines CDO (Chief Digital Officer) neu besetzt. Während der CIO sich um den reibungslosen Betrieb und die Weiterentwicklung der IT innerhalb der Kreisverwaltung und Kreisschulen kümmert, fungiert der CDO als Ansprechpartner und Promotor der Digitalisierung für alle Fachbereiche. Weitere neue digitale Projekte und Innovationen sollen hier zentral entwickelt und vorangetrieben

Im Gespräch am Stand des Rhein-Kreises Neuss (v.l.n.r.): IT-Dezernent Harald Vieten, NRW-Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Landrat HansJürgen Petrauschke und Tagungsleiter Wilfried Kruse. Foto: BS/S. Büntig, Rhein-Kreis Neuss

werden. “Wenngleich unbestritten noch viel Arbeit vor uns liegt und wir längst noch nicht am Ziel sind, verfügen wir im Vergleich der nordrhein-westfälischen Kommunen über ein breites Spek­ trum an digitalen Informations- und Serviceangeboten”, betonte der Landrat und verwies etwa auf die zahlreichen kreiseigenen App-Entwicklungen. “Dazu wiederhole ich auch gern unser Angebot an alle interessierten Kommunen, unsere Apps im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit kostenlos zur eigenen Nutzung zur Verfügung zu stellen. Wir haben bereits viele konkrete Anfragen anderer Kommunen und freuen uns über das große Interesse an

Mehr zu den Apps Informationen und eine Broschüre zu den Apps sind beim Rhein-Kreis Neuss erhältlich: IT-Dezernent Harald Vieten; Tel. 02181/601-1060, CDO Jürgen Brings, Tel. 02181/601-1062; digitalisierung@rhein-kreis-neuss. de, www.rhein-kreis-neuss.de

unseren Ideen”, so Petrauschke. Mit der StraßenverkehrsamtsApp “Mein StVA” sollen für jährlich 170.000 Kunden Wartezeiten in vier Dienststellen verringert und der Online-Service verbessert werden. Ein Online-Unterlagenprüfer, der auf Wunsch alle erforderlichen Dokumente bereitstellt, eine Wartezeiten-Prognoseberechnung und eine Wartenummer-Alarmfunktion bilden das Herzstück der kostenlosen Anwendung. Die neue Heimfinder-App des Kreises erleichtert Ratsuchenden die Suche nach einem ortsnahen Kurz- oder Langzeitpflegeplatz in den 46 Seniorenhäusern im Kreisgebiet. Eine Umkreissuche mit Übersichtskarte, die Anzeige der freien Bettkapazitäten und die Kontakt- und Internetadressen der Heime dienen der Orientierung. Im Rahmen des interkommunalen Erfahrungsaustauschs stellt der Rhein-Kreis Neuss seine Projekte auch anderen Kommunen zur Verfügung, wie etwa seine Rettungsdienst-App, die inzwischen in elf kreisfreien Städten und Kreisen für ein einheitliches rettungsdienstliches Versorgungskonzept sorgt.


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Elektronisch verwalten

Nicht nur E-Government realisieren

Nicht nur bei der Aktenführung lassen sich Papier und Zeit sparen

Modellkommunen in NRW wollen sich auf breiter Front aufstellen

(BS/stb) Wer an Verwaltungsmodernisierung auf Ebene der Prozesse denkt, denkt zuerst an die elektronische Aktenführung. In der nordrhein-westfälischen Landesverwaltung wird sie ab 2019 sukzessive eingeführt – als Nukleus für die Anbindung weiterer Dienste zur Bezahlung, Formularablage oder Kommunikation. Aber nicht alle Prozesse, bei denen eine Digitalisierung sich lohnen kann, betreffen direkt die Aktenführung. Beispiel: Amtshilfe als E-Service.

(BS/wim) Die aktuelle Phase der Modellkommunen in NRW war im vergangenen Juli von Digitalisierungsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart im Rahmen einer Auftaktkonferenz aller teilnehmenden Regionen offiziell eröffnet worden. In den kommenden Jahren sollen die insgesamt fünf Regionalprojekte – pro Regierungsbezirk gibt es eine Modellkommune – insgesamt mit rund 91 Millionen Euro über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert werden, um ihre Vorhaben umzusetzen.

Die Einführung der E-Akte für eine ganze Landesverwaltung ist ein IT-Großprojekt, das gute Planung und Steuerung erfordert. Und es braucht Zeit. In Nordrhein-Westfalen müs­ sen über 60.000 Arbeitsplätze versorgt werden. Der IT-Dienst­ lei­s­ter IT.NRW wird die Lösung unter dem Schutzbedarf “hoch” zentral betreiben, auf Basis eines Landesstandards. Die Pi­ lotierung solle im Januar 2019 beginnen und ein Jahr laufen, berichtete Dr. Markus Brakmann, Referatsleiter IT-Strategie und IT-Architektur im Ministeri­ um für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie. Sein Ministerium sei dafür Kan­ didat Nr. 1, schließlich wolle es als digitale Modellbehörde mit gutem Beispiel vorangehen. Im Juli ist vorab ein Feldtest ange­ laufen, um Kinderkrankheiten zu entdecken, bevor die Arbeit im Verwaltungsbetrieb aufge­ nommen wird. Davor musste die eingekaufte Lösung noch eine Nachentwicklungsphase durchlaufen, so Brakmann, “weil keine am Markt verfügbare Lösung alle unsere Anforderung ausreichend erfüllt hat.” Der Charme der E-Akten­ führung, wie sie jetzt in Nordrhe­ in-Westfalen ausgerollt wird, ist ihre Einfachheit. Für den Mit­ arbeiter sieht der Zugang zum System nicht anders aus, als das übliche Filesystem samt Drag&-Drop-Bedienung. “Die E-Akte ist bei uns nichts als ein Ordner­ buchstabe im Windows Explor­ er”, erklärte Brakmann. Dass hinter dem Ganzen technisch mehr stecken könnte, merkt der

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ie elektronische Rech­ nungsstellung bietet Chan­ cen sowohl für eine wettbe­ werbsfähige Wirtschaft als auch für eine moderne Verwaltung. Die Vorteile wie Effizienzgewin­ ne, Kosteneinsparungen und weniger Papierverbrauch liegen klar auf der Hand. Doch zu­ nächst kommen auf Kommunen initiale Aufwände bei der Ein­ führung und Prozessumstellung auf die E-Rechnung zu.

Aktuelle Bestandsaufnahme zeigt Handlungsbedarf Eine aktuelle Bestandsauf­ nahme zum Umsetzungsstand bei der E-Rechnung hat das In­ stitut ibi research an der Uni­ versität Regensburg im Auftrag von GiroSolution und giropay durchgeführt. Im Erhebungs­ zeitraum August und Septem­ ber 2018 wurden bundesweit kommunale Institutionen unter anderem dazu befragt, wie weit sie bei der Digitalisierung ihrer Rechnungsprozesse zum heuti­ gen Zeitpunkt bereits vorange­ schritten sind. Wichtige Ergeb­ nisse der Studie sind: • 39 Prozent der Befragten sind nach heutigem Stand noch nicht bereit für die ERechnung. Fast jede dritte Kommune (28 Prozent) hat noch keine konkreten Umset­ zungsschritte eingeleitet, sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt (sieben Prozent), oder wird die Umsetzung bis zum Stichtag nicht abschlie­ ßen können (vier Prozent). • Nur jede fünfte Kommune (19 Prozent) ist heute bereits in der Lage, Rechnungen elek­ tronisch zu empfangen und weiterzuverarbeiten. • Immerhin 43 Prozent haben mit der Umsetzung begonnen und sind zuversichtlich, die

Lars Hoppmann, stellvertretender Geschäftsführer im Kommunalen Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe (krz) Foto: BS/Giessen

Benutzer erst in dem Moment, wenn er eine elektronische Ak­ te abspeichert. Statt des übli­ chen Benutzer-Prompts erfolgt dann eine etwas ausführlichere Abfrage von Metadaten für die ordentliche Hinterlegung. Bear­ beitungsabläufe und -vermerke lassen sich bei Bedarf als Histo­ rie aufgeschlüsselt abrufen. Während die E-Akte und viele damit eng verbundene E-Ser­ vices bereits auf allen Ebenen auf dem Weg sind, bleibt bei vielen anderen Verwaltungsvorgängen vorerst alles beim Alten. “Man fragt sich schon, warum so man­ che papierlastigen und aufwen­ digen Prozesse nicht längst an­ gegangen wurden”, so die Kritik von Lars Hoppmann, stellvertre­ tender Geschäftsführer im Kom­ munalen Rechenzentrum Mind­ en-Ravensberg/Lippe (krz). Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung habe ergeben, dass eine digi­

tale Abbildung der Verfahren zur Amtshilfe zu Ersparnissen von 60 Prozent oder einem höheren fünfstelligen Betrag führen könn­ten. “So ein Produkt lebt natürlich von einem größtmögli­ chen Teilnehmerkreis”, erklärte Hoppmann, “daher schlagen wir einen landesweiten Dienst vor, von dem alle Vollstreckungsäm­ ter und weitere Stellen wie die öffentlich-rechtlichen Sender profitieren könnten.” Die Verteilung könne über den Dachverband der Kommunalen IT-Dienstleister KDN erfolgen, so die Idee. Die Basis, so Hoppmann weiter, könne das vom krz bere­ its genutzte Projekt Amtshilfe. net sein, das der Zweckverband Kommunale Datenverarbeitung Oldenburg (KDO) gemeinsam mit der DATA-team GmbH en­ twickelt hat. Dabei handelt es sich um eine Plattform, über die Amtshilfeersuchen gestellt werden können. “Bisher ist der Prozess langwierig und aufwen­ dig”, wie Hoppmann erklärte: “Sie müssen die Anfrage aus­ drucken, kuvertieren, die Adres­ se heraussuchen, den Brief ab­ schicken, auf Antwort warten und immer wieder selbstständig nachhaken.” Amtshilfe.net soll all das leichter machen. Ein Be­ hördenverzeichnis vereinfacht die Adresssuche, die Ersuchen sollen papierlos und in Sekun­ denschnelle übermittelt werden. “Es erfolgt außerdem eine Pro­ tokollierung als Absicherung für beide Seiten. Der Status und die einzelnen Bearbeitungsschritte lassen sich jederzeit nachvollzie­ hen”, fasste Hoppmann zusam­ men.

Im Fachforum zum Thema Mo­ dellförderung berichteten Pro­ jektbeteiligte aus Kommunen und Partnerunternehmen aktu­ eller und vergangener Förder­ phasen von ihren Erfahrungen. So berichtete der Paderborner Bürgermeister Michael Dreier von den Bemühungen, die Stadt auf digitale Beine zu stellen. Zwei Grundpfeiler dieser digita­ len Neuausrichtung seien dabei ein ausgereiftes Serviceportal mit Sprachassistent, Chatboot und Terminals in den Bürger­ büros als Grundlage sowie zu­ sätzlich das Prinzip Once Only: “Wir brauchen eine bessere Ver­ netzung als Behörden unterei­ nander und gleichzeitig ein mit dem Bürger abgestimmtes und freigegebenes System, damit wir für alle Seiten effizienter arbei­ ten können.” Dabei sei zum ei­ nen natürlich der Datenschutz essenziell, für Dreier aber vor allem auch der Schutz der Ar­ beitsplätze seiner Mitarbeiter: “Hier haben wir allerdings rela­ tiv wenige Probleme. Die größere Herausforderung liegt eher da­ rin, neue Leute zu finden”, so der Bürgermeister. Aber Dreier will nicht nur ein funktionstüchtiges E-Govern­ ment realisieren, sondern auch weitere digitale Projekte an­ stoßen. So gibt es ein Projekt “Lernstatt Paderborn” zur För­ derung digitaler Bildung sowie ein weiteres Projekt unter dem Titel “Local Open Data”. Dabei sollen in einem sogenannten “Local Open Data Space” Ange­ bote und Lösungen gebündelt werden. Unter anderem geht es dabei um “Urban Decision Ma­

king” im Bereich Verkehr, “Pu­ blic City Services” im Bereich ÖPNV und digitale Fahrkarten sowie einen “Local Data Market­ place”. Weitere Projekte gelten u. a. der Sicherheit. So arbeitet man unter dem Titel INSPIRE als integrierte Sicherheits-PilotRegion an digitalen Projekten wie der virtuellen Vorausbe­ rechnung von Menschenströ­ men auf Volksfesten. Dabei wird viel mit neuen Technologi­ en, aber auch mit Hardwarelö­ sungen wie Drohnen gearbeitet. Dreier sieht in der Digitalisie­ rung eine Vielzahl von Chancen für die Kommunen, denen aber Herausforderungen wie ein häu­ fig unklarer Rechtsrahmen und komplexe Themenstrukturen sowie die Personalproblematik in Zeiten des Fachkräftemangels entgegenstehen. Eine grundsätzliche Neuord­ nung der kommunalen Organi­

Der Ibbenbürener Bürgermeister Dr. Marc Schrameyer war mit seiner Stadt bereits von 2014 bis 2016 vom BMI als Modellkommune gefördert worden. In der Folge wurde die Kooperation mit dem BMI weitergeführt und dabei auch andere Kommunen aus der Region mit einbezogen. Foto: BS/Giessen

Sparkassen unterstützen digitalen Wandel GiroSolution bietet Lösungen für E-Payment und E-Rechnung in Kommunen (BS/Volker Müller*) Durch die Vorgaben des E-Government-Gesetzes NRW werden Kommunen dazu angehalten, ihre Prozesse digitaler und nutzerfreundlicher zu gestalten. Besonders die Einführung der E-Rechnung in der öffentlichen Verwaltung steht derzeit im Fokus. Bei e-nrw widmete sich ein von Prof. Dr. Frank Hogrebe, Geschäftsführer IVM2, moderiertes Fachforum daher ausführlich diesem Thema (s. hierzu auch Seite 29). Neben Referenten aus Politik und Wirtschaft wurde das Fachforum auch durch Vertreter der Sparkassen und GiroSolution gestaltet. Vorgaben zur E-Rechnung bis April 2020 zu erfüllen. Diese Ergebnisse zeigen ei­ nerseits, dass zahlreiche Kom­ munen auf einem guten Weg sind. Andererseits legen sie of­ fen, dass vielerorts noch Hand­ lungsbedarf besteht. Dabei drängt die Zeit, denn bis zum Stichtag sind es weniger als 18 Monate. Zumal 55 Prozent der Befragten die Rechnungsbear­ beitung vollständig intern, ohne Zuhilfenahme eines externen Dienstleisters abwickeln. Und die Erfahrung zeigt: Je näher ein Fristende rückt, desto schwie­ riger ist es, Beratung und Um­ setzungshilfe von kompetenten Experten zu erhalten. Denn neben der Anpassung der Pro­ zessabläufe (70 Prozent) und der Akzeptanzschaffung innerhalb der Organisation (69 Prozent) zählen zu den meistgenannten Herausforderungen die techni­ sche Umsetzung der bestehen­ den Abläufe und die Integration der E-Rechnung in die IT (jeweils 48 Prozent). Doch nicht allein der durch das Gesetz erzeugte Druck sollte Motivation sein, die Digitalisie­ rung der Kommune im Bereich der Rechnungsbearbeitung voranzutreiben, sondern auch die deutliche Verbesserung der Effizienz und Bearbeitungszei­ ten der Prozesse. So hat ibi re­ search nach der durchschnitt­ lichen Bearbeitungsdauer einer Rechnung vom Eingang bis zur Zahlung gefragt. Während im

bieter der Sparkassen-Finanz­ gruppe für E-Government ar­ beitet GiroSolution eng mit den Sparkassen in NRW zusammen, um den Kommunen vor Ort die Umstellung auf elektronische Rechnungen zu erleichtern.

S-Rechnungs-Service erleichtert die Umstellung

GiroSolution und die Sparkassen NRW präsentierten sich in der Stadthalle Neuss als starke Partner der Kommunen bei der Einführung der E-Rechnung. Fotos: BS/GiroSolution

Durchschnitt ein rein papierba­ sierter Prozess fast 21 Stunden erfordert, reduziert sich diese Spanne bei der Überführung einer Papierrechnung in einen digitalen Workflow auf lediglich knapp 13 Stunden; wird der ge­ samte Prozess rein digital abge­ wickelt, sind es nur noch neun Stunden. Laut Befragung dru­ cken mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Befragten elektroni­ sche Eingangsrechnungen nach wie vor aus und bearbeiten sie manuell weiter. Zudem werden von ebenso vielen (68 Prozent) die in elektronischen Rechnun­ gen enthaltenen Daten noch per Hand in das behördeneigene ITSystem eingegeben. Angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl der für die Studie befragten Kom­

munen es monatlich mit Tausen­ den von Eingangsrechnungen zu tun hat, wäre die summierte Zeitersparnis beachtlich.

Die größten Herausforderungen bei der Einführung Zu den größten Hürden bei der Einführung der E-Rechnung gehören laut Befragung die Anpassung der Prozessabläufe (70 Prozent), die Schaffung der Akzeptanz innerhalb der Orga­ nisation (69 Prozent) sowie die technische Umsetzung der be­ stehenden Abläufe und die In­ tegration der E-Rechnung in die IT (jeweils 48 Prozent). Bei die­ sen Herausforderungen kann der Sparkassen-RechnungsService unterstützen. Als spezialisierter Lösungsan­

sation empfahl derweil Lorenz Löffler, Berater bei der Prognos AG: “Es braucht heute eine neue strategische Steuerung und Führungskultur”, sagte er und empfahl, statt “von oben” eher auf eine partnerschaftliche Füh­ rung zu setzen. Diese sei ein zen­ traler Faktor der Digitalisierung, bei der es nicht nur auf die An­ leitung der Mitarbeiter ankäme, sondern auch auf Beziehungs­ intelligenz und die Kenntnis der digitalen Materie. Zudem sei in Zukunft viel mehr Automatisie­ rung sowie der Aufbau neuer Kompetenzen notwendig, um die sich wandelnde Arbeitswelt unter den Vorzeichen des de­ mografischen Wandels sinnvoll gestalten zu können. Zugleich müsse die Verwaltung sich da­ rauf besinnen, die digitalen Pro­ zesse nutzerorientiert zu defi­ nieren, um den Bürger aktiv in die Zukunft mitzunehmen.

Gemeinsam wurde der SRechnungs-Service erarbeitet, eine Lösung in Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner crossinx, mit der Rechnungen schnell, sicher und einfach elek­ tronisch empfangen, verarbeitet und versendet werden können. Selbstverständlich erfüllt der S-Rechnungs-Service alle ver­ bindlichen Rechtsgrundlagen sowie die kommenden europäi­ schen Formate, ohne die IT-In­ frastruktur anpassen zu müs­ sen. Möglich wird dies durch die Plattform des zertifizierten Kooperationspartners crossinx – nationaler Marktführer im Be­ reich E-Rechnung. Die Lösung S-Rechnungs- Ser­ vice bildet den gesamten Pro­ zess für sowohl Eingangs- als auch Ausgangsrechnungen der Kommune ab. So werden Ein­ gangsrechnungen, gleich wel­ chen Formats, formell geprüft und über den Freigabe-Work­ flow bereitgestellt – wiederum im gewünschten Format. Nach Freigabe können sie verbucht und bezahlt werden. Bei Aus­ gangsrechnungen validiert, konvertiert und reichert der S-

Rechnungs-Service die Rech­ nung an und versendet sie im Format der Wahl an den Emp­ fänger. In Summe sind dadurch Kosteneinsparungen von bis zu 60 Prozent im Vergleich zu pa­ pierbasierten Prozessen möglich (Studie E-Rechnung 2017 von Billentis). Durch den Einsatz von elek­ tronischen Rechnungen ergeben sich für Kommunen neben ho­ hen Kosteneinsparungspoten­ zialen beim Rechnungseingang und -ausgang weitere Vorteile, wie z. B. eine Verschlankung von Verwaltungsprozessen, Re­ duktionen von Fehlern bei der Erfassung und Verarbeitung von Rechnungen und damit verbundene Zeiteinsparungen. Gleichzeitig kommen Kommu­ nen auf dem Weg zur digitalen Kommune einen großen Schritt voran und erfüllen damit die Ge­ setzesvorgaben.

Sparkassen als Partner der Kommunen Gemeinsam stark: Die He­ rausforderungen, die der digi­ tale Wandel und neue Gesetzes­ vorschriften mit sich bringen, lassen sich mit einem starken Partner an der Seite leichter meistern. Deswegen stehen die bewährten Berater der Spar­ kasse vor Ort den Kommunen jederzeit bei allen Fragen rund um das Girokonto und weiteren behördenspezifischen Lösun­ gen gerne zur Verfügung. Un­ terstützt werden die Sparkas­ sen dabei von Experten aus der Sparkassen-Finanzgruppe, die mit ihrem spezifischen Wissen Lösungen für die kommunalen Anwender entwickeln – feder­ führend durch GiroSolution. *Volker Müller ist Geschäftsführer der GiroSolution GmbH.


Open Data

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ass ebenso Bürger Interesse haben, bei Open Data und der Gestaltung der Stadt mitzuwirken, veranschaulicht die Stadt Wien. Mag. Ulrike Huemer, CIO der österreichischen Hauptstadt, erläutert das Technologiekonzept “Smart City Wien”, welches die Bürger in den Fokus rücken würde. “Wir wollen dabei auf diesem Weg niemanden verlieren, deshalb bleiben der digitale und der analoge Weg offen.” Die Digitalisierungsstrategie sei in einem Online-Prozess und in Workshops sowie Arbeitsgruppen entstanden. “Am Beginn der Strategieentwicklung ähnelte es eher einem Crowdsourcing-Prozess. Die Ideen kamen von den Bürgern. Damit einher geht auch eine größere Akzeptanz”, so die CIO. Gleichzeitig gebe es eine jährliche Evaluation durch die Bürger und dadurch neue Impulse. Ebenso spielt Open Data eine Rolle: Seit 2011 veröffentlicht die Stadt quartalsweise Datensätze. Bisher können 459 Datensätze (Statistiken, Geodaten, EchtzeitDaten) abgerufen werden. Mehr als 250 Anwendungen seien auf dieser Basis entwickelt worden, zeigt Huemer auf. Auch werde der Kontakt mit der Gemeinschaft gesucht und explizit nachgefragt, welche Daten gebraucht würden und welche Qualitätsanforderungen notwendig seien. Aber: “Einer

Open Data in der kommunalen Krise? Mangelnde Refinanzierbarkeit bringt Schlüsseltechnologie in die Bredouille (BS/ab) Kleinere Gemeinden können ebenso wie große Kommunen von den Errungenschaften profitieren, die durch Open Data geschaffen werden. Jedoch bestehen Schwierigkeiten bei der Aufbereitung der Daten und deren Refinanzierbarkeit. Dabei zeigen praktische Beispiele aus Wien und Berlin, wie entlastend Open Data wirken kann. Braucht es ein monetäres Anreizsystem, damit diese Technologie flächendeckend gelebt wird? der größten Erfolgsfaktoren ist der politische Wille, der dies vorantreiben muss”, betont Huemer.

Potenziale für die Kommunen Auch in Deutschland finden sich Beispiele für gelungene OpenData-Projekte. Etwa die Webseite zur Wasserqualität der Berliner Seen, erläutert Victoria Dykes aus der Open-Data-Informationsstelle der Technologiestiftung Berlin. Diese zeige auch nach Starkregen an, inwiefern die Badestellen verunreinigt seien, weil Echtzeitdaten eingespeist würden. “Wichtig ist, dass erfolgreiche Projekte einen Fokus auf den Nutzer haben. Man muss mit den Problemen und nicht mit den Lösungen anfangen und dann ressortübergreifend arbeiten”, zeigt Dykes auf. Viele Kommunen würden zu App-Lösungen neigen, obwohl die meisten Nutzer diese höchsten zwei- bis dreimal im Jahr bräuchten. “Deshalb haben wir für die Berliner Seen eine benutzerfreundliche Web-

generiert würden, so Dr. Jens Klessmann, stellv. Leiter für den Geschäftsbereich Digital Public Services am Fraunhofer FOKUS. Gleichzeitig würden die Datensätze sowie Metadaten oft fehlerhaft zur Verfügung gestellt. Dr. Tobias Knobloch, Projektleiter “Algorithmen fürs Gemeinwohl” von der Stiftung für Neue Verantwortung, umreißt ferner, weshalb die Erhebung und Verwertung der Daten schwierig ist: “Wir finden eine stark zerklüftete Landschaft und Uneinheitlichkeit bei den Bundesländern vor. Manche davon haben restriktivere Regulierungen und anderer wiederum liberalere.” Die Validität von Open Data reiche momentan nicht aus und es habe keine signi­fikante Verbesserung gegeben.

Finanzielle Gründe als Hemmnis Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), sieht das

Thema teilweise kritisch. Open Data habe eine große Relevanz, weil dadurch Smart Cities möglich seien. “Aber wir müssen uns überlegen, welche Datenbestände in der Zukunft generiert werden. Welchen Wert werden diese haben und welche Geschäftsmodelle hieraus entstehen können?”, wirft Handschuh auf. Kommunen müssten, im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung, selbst entscheiden, ob sie ihre Daten verfügbar machen wollen. Es dürfe keinen Zwang geben. Gründe hierfür seien vor allem die Finanzen, weil die Verwaltungen “oft draufzahlen”. “Wir reden hierbei nicht über die Städte, sondern über jene 5.000 bis 6.000 Kommunen, die weniger als 5.000 Einwohner besitzen. Diese müssen auch von Open Data überzeugt werden”, betont er. Ein “echtes Hemmnis” sei die fehlende Refinanzierung für die Kommunen. Monetäre Anreize könnten dabei helfen, Open Data voranzutreiben.

Handreichungen, Portale und Rahmenbedingungen der Länder (BS/ab) Open Data ist kein Buch mit sieben Siegeln. Aber es ist insbesondere für kleinere Gemeinden schwierig, sich in das Thema einzufinden (siehe diesbezüglich den oberen Artikel). Auch hinsichtlich der Refinanzierung birgt es Risiken. Damit sie jedoch auch in den Genuss der Produkte von Open Data kommen, unterstützen die Bundesländer ihre Kommunen auf unterschiedliche Art und Weise. Von rechtlichen Rahmenbedingungen, Handreichungen, Open-Data-Portalen bis hin zu finanziellen Mitteln spiegelt sich dies wider. nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium auf Anfragen des Behörden Spiegel. In Schleswig-Holstein hingegen wird bereits jetzt ein großer Teil der offenen Daten durch das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein gesammelt, qualitätsgeprüft und veröffentlicht. Zusätzlich befindet sich auch dort ein Open-Data-Portal im Aufbau und soll den Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Dort können diese dann kostenlos ihre Daten veröffentlichen. In diesen sollen ebenso Verlinkungen zu den GemeindeWebseiten ermöglicht werden.

Rechtlicher Rahmen Brandenburg beobachtet zudem, welche beispielgebenden Rechtsregelungen aus dem Bund und anderen Ländern übernom-

Open Data bringt einige Vorteile für die Kommunen in Deutschland mit. Damit es kein Buch mit Sieben Siegeln darstellt, helfen die Länder, damit ihre Städte und Gemeinden den Open-Data-Anschluss finden. Foto: BS/©violetkaipa, stock.adobe.com

men werden könnten, damit die Einführung von Open Data und die Verwaltungstransparenz verbessert werden. In einigen Bereichen möchte es seine Basisdaten

künftig weitgehend kostenlos und zur freien Weiterverwendung auch für kommunale Stellen im Internet zur Verfügung stellen. Etwa bei den Geodaten. Hierfür

zesänderungen derzeit von der Landesregierung vorbereitet. Auch Berlin arbeite an seinen rechtlichen Rahmenbedingungen, erläutert Christian Rickerts, Staatssekretär aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Hinsichtlich des Rechtsrahmens würde momentan eine Rechtsverordnung auf den Weg gebracht, die das Berliner E-Government-Gesetz ergänze. “In der Diskussion hierüber war Lehrreiches dabei. Es braucht immens viel Zeit, die Aspekte, die mit dem Öffnen von Daten verbunden sind, zu diskutieren. Ängste und Alltag spiegeln sich dabei wider”, so der Staatssekretär. In dem Entwurf würden die Anwendungsgebiete (Statistiken, Liegenschaftspläne, konkrete Themenfelder etc.) auf-

Open-Source-Lösung? Huemer vertritt jedoch die Ansicht, dass Daten nicht monetarisiert werden sollten. In Wien habe dies nicht funktioniert und die Preise für die Daten seien vielen zu teuer gewesen. Auch argumentiert der Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung Berlin, Nicolas Zimmer, dass “mit den Steuern diese Daten bereits bezahlt sind”. Alle Daten sollten demnach verfügbar gemacht und eine Strategie entwickelt werden, wie die Verwaltung die Daten bereitstellen könne. Zudem sieht Zimmer in einer Open-SourceSoftware eine mögliche Lösung. Dadurch könnte die Verwaltung kostengünstig die Datenaufbereitung und -bereitstellung verwirklichen. Diese müsse jedoch erst noch zur Marktreife entwickelt werden.

gegriffen. Aber auch wie die Daten, ob kommerziell oder nichtkommerziell, verfügbar gemacht werden könnten, sei umfänglich behandelt worden. “Wir möchten den Mitarbeitern ein hohes Maß an Rechtssicherheit geben.”

(BS/Falk Zscheile) Nach wie vor haben Behörden die Freiheit, zu entscheiden, ob Verwaltungsdaten überhaupt freigegeben werden. Erfolgt aber eine Freigabe, dann greift einerseits der Gleichbehandlungsgrundsatz für alle Interessenten und die Pflicht zur Gebührenfreiheit bzw. beschränkt auf die Grenzkosten. Andererseits gilt es, die unterschiedlichen Lizenzen zu beachten. Namens-, Quellen-, und Lizenzangaben, kann aber auch sehr komplexe FraFalk Zscheile ist Rechtsanwalt, Datenschutzbeauftraggen aufwerfen, ter und Partner bei Kramp, wenn es sich um Selling & Partner RechtsanLizenzen handelt, wälte mbB in Rostock. die eine Freigabe unter gleichen Foto: BS/privat Bedingungen fordern (Share Alike, tensätzen zugrunde liegenden Copyleft). So ist beispielsweise Lizenzen zu beachten. Soweit bei der Verwendung von Daten Verwaltungsdaten durch das aus dem OpenStreetMap-Projekt Urheberrechtsgesetz und hier zu berücksichtigen, ob nur eiinsbesondere durch das Daten- ne verwaltungsinterne Nutzung bankherstellerrecht geschützt stattfindet oder eine allgemeine sind, werden Fragen nach der Zugänglichkeit beispielsweise Funktionsweise und den Inhal- über das Internet vorliegt. Auten von Open-Data-Lizenzen für ßerdem spielt es eine Rolle, ob viele Behörden relevant. Auch die Geodaten unverändert nur Open-Data-Lizenzen stellen in zur Visualisierung im Hinterder Regel Bedingungen auf, die grund als Rastergrafik eingesetzt es als Lizenznehmer einzuhalten werden oder vorher eine Verargilt. Dies beginnt bei einfachen beitung gemeinsam mit anderen

Wenn sowohl Portale als auch Rahmenbedingungen stimmen, so steht die nächste Hürde vor den Behörden: Wie sollen die Daten aufbereitet werden? Das Land NRW beispielsweise unterstützt hierbei, indem es Hilfestellung zur Datenveröffentlichung anbietet. Die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände legen gemeinsam fest, welche Daten auch als Open Data bereitgestellt werden können. Dies leiten sie von den fachgesetzlichen Berichts- und Offenlegungspflichten von den Kommunen ab. Daraus entsteht ein Musterdaten-Katalog. SchleswigHolstein wiederum baut hierfür eine “Leitstelle Open Data” im Digitalisierungsministerium, als direkten Ansprechpartner für die Kommunen auf.

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Die Doppelrolle der Verwaltung bei Open Government Data

men deshalb beim Einsatz von Datensätzen unter offenen Datenlizenzen nicht umhin, sich mit den Grundfunktionen der für sie an sich fremden Materien des Immaterialgüter- und Lizenzrechts auseinanderzusetzen. Für die Visualisierung und Analyse von Verwaltungsdaten werden zusätzlich zu den Fachdaten oft auch Geobasisdaten benötigt. Abhängig vom Umsetzungsstand in den jeweiligen Ländern kann hier bereits auf amtliche Geobasisdaten der Landesvermessungsämter zurückgegriffen werden. Ist dies nicht der Fall, so werden zu diesem Zweck auch gern Geodaten aus dem OpenStreetMap-Projekt herangezogen. Werden unterschiedliche Datensätze miteinander oder mit Geodaten aus dem OpenStreetMap-Projekt verknüpft, so sind dabei auch immer die den Da-

Ein Aspekt, der ebenso von Knobloch begrüßt wird: “Unser bisheriger Open-Data-Ansatz reicht nicht aus. Es braucht eine Preisdifferenzierung in einem Stufenmodelle z.B. nach Validität, Aktualität der Daten, Verfügbarkeit oder Marktmacht. Wodurch umsatzstarke Unternehmen mehr zahlen müssten als schwächere.” Denn aktuell könne die Verwaltung die Daten nicht in dem Maße bereitstellen, wie sie gebraucht würden.

Auch “Bedienungsanleitungen” sind dabei wird die entsprechende Geset-

Lizenzgeber und Lizenznehmer

O

pen Government Data sind nicht nur ein Dienst der Verwaltung an der Gesellschaft, die mit den offenen Daten wirtschaftliche oder gesellschaftliche Mehrwerte generieren kann. Open Government Data ist auch eine Möglichkeit, Kooperationen und Projekte über Verwaltungsgrenzen hinweg zu erleichtern. Sind die Daten erst einmal öffentlich zugänglich, so haben nicht nur gesellschaftliche Akteure hierauf Zugriff, sondern auch andere Verwaltungsträger. Dies ermöglicht die Verwendung in gemeinsamen Projekten unabhängig von hierarchischen Verwaltungsstrukturen, die für einen Datenaustausch bemüht werden müssten, wenn die Daten nicht offen über ein Portal zur Verfügung stünden. Dabei erfolgt die Freigabe von Verwaltungsdaten auf sehr unterschiedliche Weise. Sie reicht von Open-Data-Gesetzen mit dazugehörigen Open-Data-Portalen bis zur Freigabe durch fachspezifische Gesetze und Verordnungen oder durch reines Verwaltungshandeln. Dennoch gilt das Immaterialgüterrecht (geistiges Eigentum). Verwaltungen kom-

seite statt einer App entwickelt, die eh gelöscht wird.” Oft helfe es, seine Zielgruppe zu fragen, welche Probleme insbesondere hervorstächen und angegangen werden müssten. Dabei sind viele Vorteile von Open Data nicht von der Hand zu weisen. Es helfe bei der Strukturierung der eigenen Daten, erörtert Dykes. Dadurch entstehe ein effizienteres Arbeiten, weil die Daten gefunden würden und nicht lange gesucht werden müssten. Ein weiterer Aspekt: “Studien in den USA zeigen, dass viel weniger Informationsfreiheitsgesetzesanfragen eingehen, weil die Antworten online auffindbar sind”, so Dykes. Gleichwohl könne die Verwaltung mittels Open Data Lösungen für Probleme outsourcen, die aufgrund ihrer finanziellen oder personellen Ressourcen nicht lösbar seien. Aber in vielen Behörden fände noch eine Datenerfassung per Excel statt, wodurch schließlich unübersichtliche Tabellen

Brich das Open Data-Siegel

“G

erade kleinere Kommunen benötigen die erforderliche Unterstützung, um Open Data und Open Government in ihrer Verwaltung einführen zu können”, betont Andreas Carl, Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums. Deshalb stelle das Land den Kommunen die technische Infrastruktur zur Mitnutzung zur Verfügung. In Brandenburg stehe hierfür das Portal DatenAdler zur Verfügung, bei welchen neben Metadaten auch Rohdaten kostenlos abgelegt werden könnten. Portale finden sich in mehreren Bundesländern wieder. In Nordrhein-Westfalen sollen die Städte und Gemeinden künftig ihre eigenen Daten über Open.-NRW auch ohne eigene Open-DataPortale veröffentlichen. Hierfür entwickelt das zuständige Wirtschaftsministerium das Portal weiter, um die grundlegenden Formen der Datenbereitstellung und des Metadatenmanagements zu verbessern und auszubauen. “Gleichzeitig soll die Software, soweit möglich, unter einer freien Lizenz für andere zur Verfügung gestellt werden”, heißt es aus dem

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Datenquellen stattfindet. Zudem ist Aufmerksamkeit immer dann geboten, wenn Daten durch die Verwaltung als Lizenzgeber für die Allgemeinheit bereitgestellt werden sollen. Hier ist schon bei der Wahl der Lizenz zu berücksichtigen, welches Ziel mit der Freigabe erreicht werden soll und welche Lizenz dieses Ziel besonders gut unterstützt. Je nachdem, ob es um Teilhabe der Zivilgesellschaft geht oder um eine Kooperation mit der Verwaltung in einem Projekt können unterschiedliche Lizenzen die richtige Wahl darstellen. Auch bei der Entscheidung, welche Lizenz im Open-Data-Portal für Verwaltungsdaten zum Einsatz kommen soll, sollte die Zielrichtung einzelner Lizenzen berücksichtigt werden. Der pauschale Rückgriff auf immer die gleiche “Standardlizenz” kann sonst unter Umständen das Ziel der

Der Behörden Spiegel thematisiert in drei Seminaren die Inhalte und Besonderheiten des Geoinformations- und Geolizenzrechts sowie die Nutzung von OpenStreetMap-Daten durch die Verwaltung: “OpenStreetMap-Daten durch die Verwaltung” am 19. Februar 2019 in Hamburg; “Grundlagen des Geoinformationsrechts als Querschnittsmaterie in der öffentlichen Verwaltung” am 7. Mai 2019 in Berlin; “Geodatenlizenzrecht bei der Beschaffung von Geoinformationen und Geodatendiensten” am 8. Mai 2019 in Berlin. Weitere Informationen unter www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchwörter “openstreet” und “geo”

Freigabe konterkarieren. Die eingehende Beschäftigung mit den verschiedenen Lizenzen ist daher unerlässlich, um bestehende Handlungsspielräume in Projekten identifizieren und beurteilen zu können.


Informationstechnologie

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uf der 26. Sitzung des ITPlanungsrates am 28. Juni 2018 in Berlin hatte sich das Land Brandenburg für die Übernahme der Federführung im OZG-Themenfeld “Ein- und Auswanderung” entschieden. Von Anfang an war klar, dass die Übernahme der bundesweiten Federführerschaft und die Bearbeitung des Themenfeldes nur in enger Zusammenarbeit mit dem Bund, anderen Bundesländern und der kommunalen Ebene zu einem Erfolg geführt werden kann. Insofern freut es mich, dass wir mit dem Auswärtigen Amt als Tandempartner und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Rahmen der Themenfeldbearbeitung eng zusammenarbeiten. Ebenso bin ich sehr dankbar dafür, dass sich der Freistaat Bayern im IT-Planungsrat für eine Mitarbeit im Themenfeld entschieden hat und sich nach einer Abfrage unter den Ausländer- und Staatsangehörigkeitsreferenten der Bundesländer die Fachreferate Schleswig-Holsteins, Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs in der Themenfeldarbeit engagieren.

Mitwirkung der kommunalen Ebene Für mich ist insbesondere auch die Mitwirkung der kommunalen Ebene ein zentrales Anliegen. Daher bin ich froh, dass wir mit den Ausländerbehörden der Landkreise Teltow-Fläming und Elbe-Elster nicht nur zwei Mitstreiter direkt aus Brandenburg für die Themenfeldarbeit gewinnen konnten, sondern dass mit den Ausländer- bzw. Staatsan-

Ein breites Spektrum

dung des Brandenburgischen E-Government-Gesetzes durch den Brandenburger Landtag eine zentrale Weichenstellung vorgenommen. Mit Blick auf die hohe Bedeutung der Themen E(BS/Katrin Lange) Im Rahmen der arbeitsteiligen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) hat das Land Brandenburg zusammen mit dem Government und Digitalisierung Auswärtigen Amt die Federführung für das Themenfeld “Ein- und Auswanderung” übernommen. Am 13. November 2018 fand der offizielle Kick- wird im Ministerium des Innern off in der “Factory Berlin” mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen sowie den Beratungsunternehmen McKinsey und ]init[ statt. In den und für Kommunales Brandenkommenden Wochen wird nun intensiv in Digitalisierungslaboren an der Digitalisierung erster OZG-Leistungen des Themenfeldes gearbeitet. burg zu Beginn des Jahres 2019 eine neue E-Government-Ablage des OZG-Um- derung”. Umso wertvoller ist es, das geplante Fachkräftezuwan- teilung gegründet, in der auch setzungskatalogs dass die Ausländerbehörde der derungsgesetz einer hohen Dy- die landesweite Koordination ( S t a n d : A p r i l Stadt Nürnberg nicht nur im namik unterliegt. des OZG-Umsetzungsprozesses In den nächsten Wochen star- angesiedelt sein wird. 2018) insgesamt Themenfeld mitarbeitet, sondern Darüber hinaus fördert das Mi25 OZG-Leistun- bei der Kick-off-Veranstaltung ten nunmehr die beiden prioriKatrin Lange ist seit April 2016 Staatssekretärin im gen, von denen 21 die bereits bei ihnen entwickel- sierten Digitalisierungslabore für nisterium des Innern und für Ministerium des Innern und in die Lebenslage ten Online-Angebote für Leistun- die Verpflichtungserklärung und Kommunales Brandenburg die für Kommunales Branden“Einwanderung” gen im Bereich Aufenthaltstitel, den Aufenthaltsstatus zwecks Digitalisierung auf kommunaler burg. Ebene über Mound vier in die Bescheinigung über das AufentLebenslage “Aus- haltsrecht und Verpflichtungserdellkommunen. Foto: BS/BILDHAUS, Karoline Wolf wanderung” fal- klärung vorstellen konnte. Im Themenfeld len. Bereits im “QuerschnittsVorfeld der Kick- Hohe Varianz der “Nutzer” leistungen” arbeitet das Land Bei der Auftaktveranstaltung gehörigkeitsbehörden der Städte off-Veranstaltung wurden mitBrandenburg München, Nürnberg, Augsburg, hilfe der Beratungsunternehmen und dem Nutzerreisen-Workshop SERIE: DIE OZG-UMSETZUNG zusammen mit Offenbach, Wiesbaden, Bielefeld McKinsey und ]init[ sowie der zeigte sich auch noch einmal, und der Ausländerbehörde Berlin Fachreferate des Ministeriums dass das Themenfeld durch eidem Federführer Themenfeld “Ein- und auch Vertreter größerer Städte des Innern und für Kommunales ne hohe Varianz der “Nutzer” Berlin sowie den Auswanderung” aus dem gesamten Bundesgebiet Brandenburg, des Bayerischen gekennzeichnet ist. Unter poBundesländern bei der Kick-off-Veranstaltung Staatsministeriums des Innern, tenzielle “Nutzer”, die VerwalThüringen und anwesend waren. Die Bedeutung für Sport und Integration, des tungsleistungen im ThemenHamburg an der der Themenfeldarbeit für die Ver- Bundesinnenministeriums und feld beanspruchen, kann eine Erwerbstätigkeit, in denen in- Digitalisierung von OZG-Leiswaltungsarbeit dieser Städte soll des Auswärtigen Amtes die hochqualifizierte ausländische tensiv sowohl an der Ist-Analyse tungen, wie etwa der Geburtsuran zwei Zahlen verdeutlicht wer- Leistungsbeschreibungen und Fachkraft genauso fallen wie als auch an der Entwicklung ei- kunde und -bescheinigung, mit. den. In der Stadt Offenbach am -zuordnungen kritisch durch- ein anerkannter Flüchtling oder nes nutzerfreundlichen ZielproMain sind von den rund 137.000 leuchtet. eine Auslandsstudentin. Hieran zesses gearbeitet werden wird. Den Rückenwind nutzen Die Vorgabe zur Umsetzung Einwohnern rund 53.000, d. h. Dabei zeigte sich durchaus Ak- wird auch die besondere Her- Zusammen mit der Themenfeldknapp 40 Prozent, Ausländer. tualisierungs- und Anpassungs- ausforderung der Themenfeld- planung sollen die Ergebnisse des Onlinezugangsgesetzes bis Und in der Landeshauptstadt bedarf, der bereits in die weitere arbeit deutlich, nämlich dass aus den Laboren im Frühjahr zum Ende des Jahres 2022 hat München befinden sich unter Themenfeldarbeit eingespeist die Nutzer teils zum ersten Mal 2019 vorliegen. bereits jetzt zu vielen konstrukden ca. 1,5 Mio. Einwohnern ca. wurde. Eine zusammen mit Un- mit der deutschen Verwaltung tiven Diskussionen in der deut420.000 Ausländer. schen Verwaltung geführt. Es terstützung der kommunalen in Kontakt kommen und Fragen Neue E-Government-Abteilung startet Anfang 2019 gilt, den Rückenwind zu nutzen, Spitzenverbände durchgeführte der Authentifizierung unter BeThemenfeld umfasst Abfrage bestätigte zudem den rücksichtigung sicherheitspolitiAls Voraussetzung für die um gemeinsam über alle Ver25 OZG-Leistungen derzeit noch geringen Digitali- scher Aspekte eine wichtige Rolle Umsetzung des OZG im Land waltungsebenen hinweg diesen Das Themenfeld “Ein- und Aus- sierungsgrad der Leistungen im spielen werden. Hinzu kommt, Brandenburg wurde diesen Wandlungsprozess entschlossen wanderung” umfasst auf Grund- Themenfeld “Ein- und Auswan- dass das Themenfeld etwa durch November mit der Verabschie- und mutig anzugehen.

Vom Aufenthaltsstatus bis zur Verpflichtungserklärung

Staatsministerin für Digitales

D

ie 34jährige studierte Juristin Judith Gerlach, seit 2002 Mitglied der CSU und seit 2013 im Bayerischen Landtag vertreten, übernimmt in ihrem Ressort die Grundsatzangelegenheiten und die Koordinierung der Digitalisierung Bayerns, die bisher bei der Staatskanzlei angesiedelt waren. Es soll sich ferner in Teilen auch den bisher beim Finanzministerium ressortierenden strategischen Fragen der Verwaltungsdigitalisierung annehmen, wie etwa der dem Umgangs mit neuen digitalen Technologien. Zudem wird auch die Aufgabe des IT-Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung (CIO) und die Koordinierung der RessortCIOs (Chief Information Officers)

Judith Gerlach übernimmt neues Ressort in der Bayerischen Staatsregierung (BS/ab/gg) Im Zuge der Regierungsbildung der neuen Koalition aus CSU und Freien Wählern gibt es mit Judith Gerlach erstmals eine Staatsministerin für Digitales in Bayern. Im neuen Kabinett von Ministerpräsident Dr. Markus Söder teilt sie sich in ihrem neu geschaffenen Ressort die vielfältigen Aufgaben der Digitalisierung der Verwaltung mit dem Finanz- und Heimatministerium, welches weiterhin von Albert Füracker geführt wird. im neuen Ressort wahrgenommen. Die föderale IT-Kooperation im Bund, das IT-Recht und ITControlling sowie ethische Fragen fallen ebenfalls in den Verantwortungsbereich von Digitalisierungsministerin Judith Gerlach.

Arbeitsteilung mit dem nanzministerium

Fi-

Allerdings verbleiben die Breit­ banderschließung sowie die technischen Aspekte der digitalen Verwaltung und der IT-Sicherheit

7. Februar 2019,

Judith Gerlach ist die erste Digitalisierungsministerin des Freistaats Bayern. Foto: BS/CSU/Rolf Poss

beim Finanzministerium. Dazu gehört auch die Verantwortung für den Bayern-Server und die staatliche Kommunikationsin­ frastruktur. Das neu zugeschnittene Staatsministerium der Finanzen und für Heimat wird außerdem weiterhin die bayrischen Kommunen bei der Verwaltungsdigitalisierung unterstützen. In den kommenden Wochen und Monaten gilt es nun, diese neue Arbeitsteilung zwischen den bei-

den Staatsministerien auch organisatorisch abzubilden und die Zuständigkeiten entsprechend zu ordnen.

Ministerin eröffnet den 5. Zukunftskongress Bayern Digitalisierungsministerin Judith Gerlach wird am 7. Februar 2019 auch die Keynote des 5. Zukunftskongresses Bayern im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München halten und eine hervorragende Grundlage

für intensive Diskussionen auf der Veranstaltung legen. Bei dem Verwaltungsdigitalisierungskongress werden neben der Staatsministerin auch wieder weitere hochkarätige Referenten einen fundierten Blick auf die Entwicklung der digitalen Verwaltung in Bayern und darüber hinaus werfen. Hierzu zählen u. a. Dorothea Störr-Ritter, Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates und Dr. Gerhard Popp, Sektionschef Digitalisierung, Innovation und E-Government im österreichischen Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Weitere Informationen zum Kongress stehen zur Verfügung unter: www.zukunftskongress.bayern

Haus der Bayerischen Wirtschaft, München

Zukunftskongress Bayern 2019

Mit einer Keynote von Bayerns neuer Digitalministerin Judith Gerlach

STAAT UND KOMMUNEN ALS DIGITALE HEIMAT FÜR BÜRGER UND WIRTSCHAFT Digitale Gesellschaft und digitale Wirtschaft in Bayern sind auf ein Pendant in der Behördenwelt – eine digitale Verwaltung – angewiesen. Mehr noch, die öffentliche Verwaltung muss in den kommenden Jahren auch im Netz zu dem zu werden, was sie in der analogen Welt traditionell ist: ein Stück Heimat. Auf dem Weg dorthin werden die Behörden einen tiefgreifenden technologischen, organisatorischen und kulturellen Veränderungsprozess durchlaufen. Der Kongress wird eine Plattform für den intensiven Austausch über die aktuellen Entwicklungen und Zielsetzungen der Digitalisierung von Staat und Kommunen in Bayern und darüber hinaus bieten. Er soll dadurch einen Beitrag leisten, um zukünftig eine digitale Heimat für Bürger und Wirtschaft zu schaffen. Melden Sie sich unter www.zukunftskongress.bayern an und diskutieren Sie mit!

www.zukunftskongress.bayern [#zkonbayern]

Eine Veranstaltung des

Fotos: BirgitKorber, stock.adobe.com; Africa Studio, stock.adobe.com

A

Behörden Spiegel / Dezember 2018


Behörden Spiegel / Dezember 2018

Wie der DigitalPakt Schule ins Leere läuft (BS/Michael Harbeke) Die Kassandrarufe der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), sich “ja nicht auf eine Grundsatzdiskussion zum Föderalismus aufzumachen”, haben sich bewahrheitet. Der DigitalPakt ist vorerst gestoppt, da die Länder ihre Autonomie in der Bildungs- und Schulpolitik bedroht sehen. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Vielmehr geht es darum, in Sachen Digitalisierung nicht den Anschluss zu verlieren. Was muss getan werden, damit die digitale Infrastruktur in den deutschen Schulen für die Moderne gewappnet ist? vorlegen, um Gelder aus dem Fonds in Anspruch nehmen zu können.

Weniger Bürokratismus, mehr Disruption Aber so ein Papier setzt die enge Zusammenarbeit von Experten aus dem universitären Bereich und IT-Spezialisten voraus, die maßgeschneiderte Lösungen für den betreffenden Bildungsstandort liefern. Erschwerend kommt hinzu, dass jede Schule individuelle Bedingungen besitzt. In ländlichen Regionen, die nicht über schnelles Internet verfügen, ist der Einstieg in die digitale Lernwelt komplizierter als in einer gut vernetzten Smart City. Ein am Reißbrett entworfener Masterplan wird nur selten allen Parteien gerecht. Der 5.000 Seelenort darf sich bei der Digitalisierung nicht abgehängt fühlen, was den demokratischen Frieden stört. Wenn sechzehn Bundesländer aufwendigen Bürokratismus anhand sechzehn divergierender Medienentwicklungspläne betreiben müssen, wird der Fortschritt nicht erreicht. Ein disruptives und einheitliches Vorgehen wäre wünschenswert. Die digitale Infrastruktur Deutschlands hinkt hinterher – was in einer strukturellen Besonderheit begründet liegt. So

Klassenraum der Zukunft: Wann er in Deutschland flächendeckend Realität wird, ist nach dem Scheitern des DigitalPakts ungewiss. Foto: BS/©rawpixel, adobe.stock.com

sind die Schulen in Trägerschaft der Kommunen, die als Schulträger darüber entscheiden, welche Bau- und Modernisierungsmaßnahmen an und in den Gebäuden vorgenommen werden sollen. Das ist bei Projekten rund um die Digitalisierung nicht anders. Das Bundesland hat hier keine Entscheidungskompetenz, was wo und wie verbaut wird. Der Bund möchte mit dem DigitalPakt dieser Diskrepanz gezielt entgegenwirken. Doch der Streit zeigt auf, dass der Eingriffsversuch des Bundes auf Widerstand stößt. Dieselben Rahmenbedingungen

für alle Schüler des jeweiligen Bundeslandes, geschweige denn Deutschlands zu schaffen, gerät zur Farce. Effizienz und Kompetenz werden nicht erreicht, wenn es für die verteilte Hardware zu wenig Anschlüsse und im Markt zu wenig Lernssoftware gibt. Wo sind die IT-Experten, die die Server der Schulen vor Hacker-Angriffen bewahren? Wo die Datenschützer, die die persönlichen Daten der Schüler und Lehrer bewahren? Wer wartet und überwacht die ServerSysteme? Hier ist das Land in der Pflicht, Stellen zu schaffen.

Fortschritt? Fehlanzeige!

Die Probleme mit dem KI-Airbus Altmaier-Vorschlag scheitert an den Voraussetzungen (BS/wim) Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier arbeitet weiter an einem Deutschland, das bei neuen Technologien zur Spitzengruppe aufschließen soll. Auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung Anfang Dezember in Nürnberg sprach sich Altmaier hierbei für eine Strategie der Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarn aus, mit denen Deutschland gemeinsam eine digitale Kraft entwickeln könne. Hier brauche es “einen strategischen Industrieakteur im Bereich der Künstlichen Intelligenz”, den Altmaier mit “einer Art Airbus für die KI” verglich. Damit zog der Minister eine Analogie zu dem staatlich unterstützten Industriekonsortium, das in den 1960er-Jahren hauptsächlich durch Akteure aus Frankreich und Deutschland gegründet worden war, um dem US-amerikanischen Konzern Boeing sein globales Monopol in der Luftfahrt streitig zu machen und ein europäisches Gegengewicht gegenüberzustellen. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß habe auf die damals aktuellen Herausforderungen der stetig zunehmenden zivilen Luftfahrt reagiert, indem er sich der Entwicklung “nach dem Motto annahm, dann brauche eben Europa ein Flugzeug und Bayern einen Flughafen. Er hat beides zu seinen Lebzeiten realisiert.” Heute gehe es zwar nicht mehr um den Bau von Flugzeugen als zeitgenössische Herausforderung, sondern um digitale Ent-

wicklungen. Das Projekt Airbus habe aber gezeigt, dass Europa in der Lage sei, sich moderner Probleme gemeinsam anzunehmen und den Platzhirschen noch immer ernsthafte Konkurrenz zu machen. Den Erfolg der 60erJahre sieht Altmaier dabei als Beweis dafür, dass “man die industriepolitischen Akzente setzen kann, die nötig sind”, solange man sich gemeinsam klar zur Marktwirtschaft bekenne und einen klaren Fahrplan verfolge. Bei der KI soll laut dem Wirtschaftsminister nun die deutsche Wirtschaft mit Unterstützung aus der Politik “dafür sorgen, dass die besten Erfinder und die besten Köpfe eine Plattform haben, auf der sie zusammen arbeiten können und dafür sorgen, dass Dinge, die in Deutschland entwickelt werden auch in Deutschland umgesetzt und zu Geschäftsmodellen verarbeitet werden”.

Das politisch initiierte – und zudem nicht zuletzt durch staatliche Käufe finanzierte – Luftfahrtkonsortium Airbus gilt bis heute als eines der erfolgreichsten Gemeinschaftsprojekte der Wirtschaftsgeschichte Europas. Daher liegen Vergleiche zu neuen Innovationsprojekte häufig nahe, die unterschiedlichen Voraussetzungen in der wirtschaftlichen Struktur sollten allerdings keine allzu großen Hoffnungen schüren, einen ähnlichen Erfolg auch bei der KI nur durch politischen Willen erzielen zu können.

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Pakt der Zerstrittenen

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er Streit zwischen Bund und Ländern hat den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, zu einem Appell veranlasst, der die gemeinsame Zusammenarbeit der zerstrittenen Seiten anmahnt: “Die Digitalisierung von Schulen sowie der Bau von neuen Schulen, das Sanieren und Modernisieren sind gewaltige Aufgaben.” Er betonte, dass Bund und Länder zügig Antworten auf die drängenden Fragen finden müssten, um die Weichen für die Modernisierung der deutschen Bildungslandschaft zu stellen. Der Bund stellt den Bundesländern fünf Milliarden Euro an Fördergeldern für die Digitalisierung der Bildung in Aussicht. Mit der Finanzspritze können für den Bildungsbereich Tablets und Whiteboards angeschafft oder in WLAN-Anschlüsse und Breitband für schnelles Internet investiert werden. Der Bund stellt die Hardware für die Digitalisierungsprojekte zur Verfügung und lässt die Länder mit der Umsetzung allein: “Die Länder hingegen übernehmen die Verantwortung für den Betrieb und die Wartung”, wie es im Gesetzesentwurf heißt. Des Weiteren sind sie maßgeblich verantwortlich für die Entwicklung fachdidaktischer Konzepte sowie die “(Weiter-)Qualifizierung” ihrer Kollegien. Mit dem Passus, dass beim DigitalPakt Schule der “Primat der Pädagogik” gelte und “keine Förderung ohne Qualifizierung” an die Bundesländer, respektive Schulen, flösse, nimmt der Bund die Länder in die Pflicht ihre “Hausaufgaben” zu erfüllen. Jedes Land muss einen ausgefeilten “Medienentwicklungsplan”

Informationstechnologie

Foto: BS/NATO E-3A Component, CC BY 2.0, flickr.com

Problematisch an diesem Vergleich ist allerdings, dass Airbus vor rund 50 Jahren gezielt aus einer Reihe von Einzelunternehmen aus dem europäischen Markt heraus gegründet wurde, die bereits alle einschlägige Erfahrungen mit der Luftfahrt hatten, allein jedoch jeweils zu klein waren, um der Marktmacht von Boeing etwas gegenüberzustellen. Diese Unternehmen wurden gezielt und mit Unterstützung aus der Politik konsolidiert und anschließend auf Basis der Prämisse finanziell gefördert, diesem europäischen Gemeinschaftsziel zu dienen. Im Feld der Künstlichen Intelligenz (KI), ähnlich wie bei den bereits gescheiterten “digitalen Airbus-Projekten” europäische Suchmaschine, europäisches Soziales Netzwerk oder europäischer Router, gibt es diesen für den Erfolg eines solchen Projektes recht essenziellen IndustrieBackbone nicht. Zwar ist Deutschland beim Thema Forschung zu KI-Themen durchaus gut aufgestellt, in diesem Bereich forschen etwa diverse Fraunhofer-Institute bereits seit einer Weile. Haken tut es allerdings dabei, erfolgreich abgeschlossene Forschungsprojekte in einen industriell und wirtschaftlich nutzbaren Umsetzungszustand zu bekommen. Genau an dieser Stelle müsste zunächst angesetzt werden, um einen KI-Airbus nicht vor dem Start eines genauen Projektes zum Scheitern zu verurteilen. Zwar sprach Altmaier vor dem Plenum in Nürnberg davon, mit einigen Firmen bereits in Gesprächen zu sein, Namen wollte er allerdings nicht nennen.

Auch Online-Curricula stimmen kaum mit der Realität des noch weitgehend analogen Unterrichtes überein. Viele Fragen

sind offen: Soll es ein extra Fach “Digitalisierung” geben, welches die Grundlagen des digitalen Zeitalters kindgerecht vermittelt? Doch wo besteht da der Nutzen, wenn schon im zarten Grundschulalter die junge Generation ihr Tablet besser beherrscht als der Lehrer? Wie wird das digitale Lehrkonzept in den bedeutsamen MINT-Fächern für die Naturwissenschaftler von Morgen eine Rolle spielen? Was bringt es im Deutschunterricht Schillers “Wallenstein” auf dem Tablet zu lesen? Fortschritt wird nicht erzielt, wenn Kinder über die gesamte Republik verteilt, unterschiedliche Rahmenbedingungen der Wissensvermittlung vorfinden.

Alles eine Frage der digitalen Kompetenz Vor allem müssen die Lehrer als Aktivposten in den Umsetzungsprozess der digitalen Schule besser eingebunden werden. Denn den Pädagogen mangelt es an fundamentalen Basics, um adäquaten Online-Unterricht zu beherrschen. Die Digitalkompetenz bleibt zwangsläufig auf der Strecke, wenn Weiterbildungsangebote rar gesät sind. Hier sollten die Regierungen eng mit den Universitäten kooperieren und zielführende (Online-)Lehrgänge als Pflichtprogramm für die Lehrerschaft entwickeln. Diese hat vor allem berechtigte Sorgen, wenn es um die Schattenseiten des Internets geht. In Zeiten entgleisender Kommunikation

ist eine digitale Ethik wichtiger denn je. Kinder und Jugendliche, die leicht manipulierbar sind, müssen vor Fake News, Hate Speech und Cyber Mobbing im Web bewahrt werden. Lehrer sind verantwortlich für die souveräne Online-Erziehung im Klassenraum. Denn es geht um den Klassenfrieden.

DigitalPakt einstweilen vertagt Allein im Sinne der Wortherkunft sollten sich alle Seiten des Paktes zu einem Übereinkommen verpflichtet sehen. In ihm steckt das lateinische Wort “Pax” (Frieden), doch gleichzeitig demonstriert der Unmut zwischen Ländern und Bund eine Schärfe und zeitweise sogar ein verlorenes Maß, wenn zum Beispiel der Deutsche Landkreistag den DigitalPakt als “Verfassungsschrott” abtut. Blocka­d eföderalismus kann nicht der Weg sein. Andererseits sollte aber auch der Bund mit der Gesetzesnovelle nicht seine Macht missbrauchen und zu stark in föderale Hoheitsrechte eingreifen. Bund wie Länder sind aufgerufen, einen Weg zu finden, um gemeinsam auf Augenhöhe die Digitalisierung zu forcieren. Denn jede weitere Verzögerung schadet dem Schul- und letztlich in der Konsequenz auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Alle Kräfte sind erforderlich.

Mehr zum Thema Das Netzwerk Digitaler Staat findet am 2. und 3. April 2019 im Premierenkino KOSMOS Berlin statt Es beschäftigt sich in einem Fachforum mit den aufgeworfenen Perspektiven der digitalen Bildung, die von Experten erläutert werden. Mehr Informationen auf www.digitaler-staat.org


Smart Country Convention

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Behörden Spiegel / Dezember 2018

Von Dänen lernen, heißt siegen lernen!

Die besten Impulsgeber gekürt

Smart Country Convention will die Verwaltung in die digitale Zukunft leiten

Start-up-Preis “Smart Country Hacks” in Berlin vergeben

(BS/Wim Orth) Hatten Politik und Verwaltung in Deutschland die erste Welle der digitalen Transformation noch größtenteils verschlafen, ist spätestens seit der Aufstellung der neuen Bundesregierung im Frühjahr merklich Bewegung in die Digitalisierungsbemühungen gekommen. Die Digitalisierung wird endlich als Entwicklungsfeld wahrgenommen. Um laut Bitkom-Präsident Achim Berg aber “nicht immer nur über eine digitale Verwaltung und Infrastruktur zu reden, sondern endlich mal zu zeigen, was machbar ist”, führte der Digitalverband in Zusammenarbeit mit der Messe Berlin Ende November zum ersten Mal die Smart Country Convention im Berliner CityCube durch. Die Veranstaltung soll laut Berg eine “Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft darstellen, die der Thematik die ihr zustehende Bedeutung zumisst”.

(BS/Benjamin Stiebel) Die Smart Country Hacks haben einen Gewinner. Der mit 2.000 Euro dotierte erste Preis ging an “Safety First”. Das vierköpfige Team hatte einen Prototypen für einen Routenplaner entwickelt, mit dem Eltern den sichersten Schulweg für ihre Kinder herausbekommen können. Durchgesetzt hat sich Safety First gegen elf weitere Teams, die in einem 24-stündigen Hackathon im Rahmen der Smart Country Convention in Berlin angetreten waren.

Im Rahmen der Eröffnungsrede, die der Vorsitzende des IT-Planungsrates, Klaus Vitt, stellvertretend für den kurzfristig von seiner Zusage zurückgetretenen Bundesinnenminister Horst Seehofer hielt, warb Vitt für eine aktive Gestaltung der Digitalisierung in der Verwaltung: “Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche des Staates. Wir dürfen hierbei nicht tatenlos zusehen, sondern müssen aktiv werden. Dabei müssen die Risiken aber immer beherrschbar bleiben.” So müsse man sich unter anderem zu Big Data bekennen, aber die Regeln in diesem Bereich neu justieren, um die Daten der Bürger zu schützen.

Von externen Abhängigkeiten lösen In diesem Kontext warnte Vitt vor einer zunehmend verloren gehenden digitalen Souveränität im Bereich der IT-Sicherheit, die es zu verhindern gelte: “Wir sind bei den Schlüsseltechnologien mehr und mehr von Lösungen aus externen Märkten wie Amerika abhängig, um die Digitalisierung weiterzubringen. Damit wir dieser Entwicklung entgegenwirken können, braucht es eine staatliche Förderung innovativer Technologien. Um eine solche Förderung sicherzustellen, werden wir eine Agentur für Innovation in der Cyber-Sicherheit einrichten.” Um die Sicherheit der Systeme sicherzustellen, müsse zudem “Security by Design” zum Standard werden sowie die rechtlichen Möglichkeiten einer aktiven Cyber-Abwehr evaluiert werden, da eine rein passive Abwehr bald nicht mehr reichen werde. Auch eine erfolgreiche Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und des Single Digital Gateways sieht Vitt als essenzielle Aufgaben für

Forderte im Rahmen der Eröffnung der Smart Country Convention mehr Kooperation im Sinne einer gemeinsamen digitalen Zukunft Europas: der Ministerpräsident Dänemarks, Lars Løkke Rasmussen. Foto: BS/Messe Berlin GmbH

die Zukunft. Partner der neuen Digitalisierungsmesse war im Premierenjahr Dänemark, das bei der digitalen Verwaltung seit einigen Jahren europaweit den ersten Platz belegt. Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen hob in seiner Keynote zur Eröffnung der Smart Country Convention ebenfalls die Notwendigkeit zur Kooperation hervor: “Wir benötigen starke Kooperationen bei digitalen Innovationen, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können. Gleichzeitig ist digitale Innovation essenziell für die Zukunft Europas.” Auch für Probleme wie die Bekämpfung des Klimawandels und CyberKriminalität sieht der dänische Ministerpräsident eine internationale Zusammenarbeit bei innovativen Technologien als unabdingbar an.

“NemID” als Vorbild Dr. Christian Göke, der Chef der Berliner Messe, würdigte demnach auch “den extremen Mut der Dänen, die öffentliche Verwaltung offensiv zu digitalisieren.

Da können wir in Deutschland viel von lernen.” In Dänemark gibt es laut dem Geschäftsführer des dänischen Industrieverbandes Lars Frelle Petersen bereits seit einiger Zeit eine digitale Bürger-ID unter dem Namen “NemID”, die von 95 Prozent der Dänen genutzt werde und die neben öffentlichen Anwendungen auch für Prozesse der Banken und etwa 400 Teilnehmer der freien Wirtschaft genutzt werde. Zudem hätten 90 Prozent der Dänen ein digitales Postfach, mit dem sämtliche Behördenpost auf digitalem Wege zugestellt wird und das zusätzlich auch für private Post genutzt werden könne. All diese Lösungen stammten aus der freien Wirtschaft Dänemarks und würden zusammen mit der Verwaltung weiterentwickelt, um den hohen Sicherheitsanforderungen von Bürgerdaten zu entsprechen. “Wir sind nicht unbedingt ein direktes Vorbild für Deutschland, aber wir können den Weg zeigen, dass digitale Dienste in der öffentlichen Verwaltung absolut möglich sind”, erklärte Petersen.

Kommunen bei der OZG-Umsetzung im Fokus NEGZ tagte im Rahmen der Smart Country Convention (BS/Guido Gehrt) Die diesjährige Herbsttagung des Nationalen E-Government-Zentrums (NEGZ) stand überwiegend im Zeichen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Dabei wurde an vielen Stellen der Diskussion deutlich: Die Kommunen rücken als Hauptansprechpartner für Bürger und Unternehmen durch das OZG in den Fokus und müssen bei dessen Umsetzung enger eingebunden werden, als dies bislang im Rahmen der ebenenübergreifenden IT-Kooperation der Fall ist. So ist die Einbindung der Kommunen unter Berücksichtigung der verschiedenen Größenklassen der Städte und Gemeinden in Deutschland für Bremens Finanzstaatsrat und Vertreter im IT-Planungsrat, Hans-Henning Lühr, auch ein zentraler Erfolgsfaktor für die OZG-Umsetzung. Zudem müsse es für einen erfolgreichen Umsetzungsprozess auch gelingen, eine enge Verknüpfung zu den Fachministerien und Fachministerkonferenzen herzustellen.

IT-Planungsrat als Drehscheibe aller Aktivitäten Hier erhielt der Bremer Staatsrat Unterstützung von Björn Bünzow aus dem Bundesinnenministerium, der ebenfalls “die Ressorts noch mehr mitnehmen” möchte. Für all diese Aktivitäten solle der IT-Planungsrat “die Drehscheibe” sein, mit einer leistungsfähigen FITKO als operativem Unterbau, so Lühr, der im kommenden Jahr turnusgemäß den Vorsitz im ITPlanungsrat übernehmen wird. Die bislang nach ihrer Auffassung zu geringe Einbindung der Kommunen beklagte auch Dorothea Störr-Ritter, Landrätin

des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald und Mitglied im Nationalen Normenkon­trollrat. Dies sei angesichts der großen Heterogenität und der unterschiedlichen Startbedingungen innerhalb der kommunalen Landschaft bei der OZG-Umsetzung umso wichtiger. Für die Landrätin aus dem Süden Baden-Württembergs ist jedoch klar: “Wir werden es nur gemeinsam schaffen!”

Gemeinsames Verständnis und gemeinsame Sprache Unterstützung erhielt sie dabei auch von Annette Schmidt, Leiterin des Aufbaustabs der FITKO. Wichtig sei es daher, für diesen ebenenüberschreitenden Prozess ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Die FITKO selbst werde der Bedeutung der Kommunen durch die Einrichtung eines Kommunalgremiums Rechnung tragen. Aktuell bestehe die Schwierigkeit allerdings darin, eine geeignete Struktur für dieses Gremium zu finden, um die bestmögliche Repräsentanz der kommunalen Familie zu gewährleisten.

Dementsprechend lautete das Fazit der Runde: Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung wird – wenn sie gelingen soll – die Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen vorantreiben.

Acht Kurzstudien in kurzen Pitches vorgestellt Am Nachmittag wurde die Diskussion dann in verschiedenen Breakout-Sessions weitergeführt. Dabei wurden u. a. in einer von Prof. Dr. Jörg Becker von der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster geleiteten Session insgesamt acht Kurzstudien in siebenminütigen Pitches vorgestellt, die das NEGZ in diesem Jahr zu unterschiedlichen Fragestellungen an verschiedene Institutionen vergeben hat. Drei dieser Kurzstudien zu den Themen “Vollzugsorientierte Gesetzgebung durch eine Vollzugssimulationsmaschine”, “Digitalisierungsverständnis von Führungskräften” und “Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung” sind mittlerweile veröffentlicht. Diese stehen auf der Website des NEGZ unter ­https://negz.org kostenfrei zum Download zur Verfügung.

Dabei sollten ganz konkrete Verwaltungsprobleme gelöst werden, die von kommunalen “Digital Champions” als Herausforderungen gestellt wurden. Das Gewinnerteam löste mit seiner Anwendung eine solche Challenge der Stadt Norderstedt. Diese stellte ihre Infrastrukturdaten, wie Standorte von Schulen, Verkehrsampeln und öffentlicher Beleuchtung, zur Verfügung. Auf dieser Grundlage sollte eine App oder Webseite entwickelt werden, auf der sich Eltern den schnellsten beleuchteten Schulweg für ihre Kinder anzeigen lassen können. Das Team Safety First berücksichtigte in seiner Lösung außerdem Daten aus dem Unfallatlas, um bei der Routenplanung Orte mit Unfallhäufung zu umgehen. Weitere Challenges für den Hack­ athon kamen vom IT-Dienstleister ITDZ Berlin sowie den Städten Darmstadt, Freiburg und München. So versuchten sich einige Teams an Lösungen für das katastrophale Terminvergabe-Situation bei der Berliner Verwaltung, an einem Ideenma-

Das Team “Safety First” überzeugte die Jury bei den Smart Country Hacks mit einer App zur sicheren Routenplanung des Schulweges. F oto: BS/Messe Berlin GmbH

nagement-Tool zur Beteiligung von Bürgern oder an einfachen Wegen zur akkuraten Feinstaubmessung in Innenstädten.

Hackathons als Impulsgeber Hackathons sind ein in der Wirtschaft, vor allem der Softwareindustrie, schon seit Jahren verwendetes Format, um Impulse für Innovationen in etablierten Um-

gebungen zu gewinnen. Dabei bilden unabhängige Programmier-, Hardware- oder Planungstalente spontan Teams und entwickeln in kurzer Zeit prototypische Lösungen oder Anwendungsideen. Nicht selten werden dabei kreative Möglichkeiten entdeckt, mit bereits vorliegenden Daten oder einfach umzusetzenden Mitteln Mehrwerte zu schaffen.

“Mit gutem Beispiel voran” Digitale Städte präsentierten ihre Entwicklung (BS/Adrian Bednarski) Ein Jahr nach dem Wettbewerb “Digitale Stadt” zeigten auf der Smart Country Convention einige der ehemaligen teilnehmenden Städte ihren Wandel auf. Sie nutzen die Aufbruchsstimmung, die durch den Wettbewerb ausgelöst wurde, um ihre Kommune auf unterschiedliche Weise zu digitalisieren und die nächsten Schritte zu gehen. Eine Unterstützung für die digitale Stadt kann dabei beispielsweise eine Digitalisierungsstrategie oder die Einführung eines Chief Digital Officers (CDO) sein. “Wir haben eine Digitalagentur gegründet, die zwar keine eigenen Projekte umsetzt, aber alle entscheidenden Akteure miteinander vernetzt”, erläutert Nicole Huber, Stadtdirektorin der Stadt Heidelberg. Ferner aber fehle das digitale Fundament. “Ich erhalte Briefe von Eltern, dass deren Kinder lieber in den Schulen bleiben, weil es dort schnelles Internet gibt, als nach Hause zu kommen”, erläutert sie. Wie wichtig dies sein kann, unterstreicht Frank Baranowski, Oberbürgermeister der digitalen Modellstadt Gelsenkirchen: “Der Ausbau der Glasfaserinfrastruktur war ein echtes Pfund und eine kluge Entscheidung, die die digitale Stadt eingeleitet hat. In Deutschland müssen wir uns auf Glasfaser als Standard verständigen.” In Darmstadt würde die “gesamte Stadt, Gesellschaft und Wirtschaft sich nun intensiv mit der Digitalisierung beschäftigen, um aktiv zu handeln und es nicht passiv geschehen zu lassen”, so Jochen Partsch, Oberbürgermeister der Stadt. Gleichzeitig würden Basistechnologien entwickelt, um

die verschiedenen Anwendungen realisieren zu können, wie beispielsweise Long-Range-WLAN (LORA-WLAN), Sensoren für die Verkehrssteuerung oder WLan im ÖPNV. In Paderborn wiederum wurde extra ein “Digitalboard” gegründet, um alle Landkreise, Universitäten, Handwerker zu vernetzen und gemeinsam das Thema zu erschließen. “Auch Konkurrenten arbeiten zusammen, wie im Einzelhandel oder bei den Krankenhäusern. Wichtig ist, dass die Verwaltungsspitze zu 100 Prozent dahintersteht”, betont der Paderborner Bürgermeister Michael Dreier.

Chief Digital Officer als Wegbereiter? Der CDO kann eine Stadt dabei auf ihrem digitalen Weg weiterbringen. Peter Adelskamp, CDO von Düsseldorf, erläutert den Grund: “Der Chief Digital Officer ist ein Gestalter, der mehr macht, als nur die Projekte umzusetzen. Er bringt auch Ideen ein, an die die Verwaltung vielleicht nicht gedacht hat.” Er müsse sich auch immer überlegen, was die Ver-

waltung umsetzen könne und was im Bereich des Möglichen sei. Sein Resümee: “Es braucht in jeder Kommune einen Treiber oder Kümmerer. Dies kann ein CDO oder auch ein digitaler Lotse sein.” Christian Pfromm, CDO von Hamburg, sieht in der Rolle eine Vorbildfunktion: “Es gab Jahrzehnte keine Fehlerkultur in den Verwaltungen. Man kann als Chief Digital Officer dies mit gutem Beispiel vorleben. Man muss lernen, mit Fehlern umzugehen, wenn sie passieren.” Anderen Kommunen rät er auf der Smart Country Convention, “Eitelkeiten zu vermeiden, indem alles selbst gemacht wird”. Wichtiger sei es, Kooperationen und Netzwerke aufzubauen. Sie würden zwar Risiken mit sich bringen, aber auch einen hohen Mehrwert bedeuten. “Im Endeffekt ist die Technik in den seltensten Fällen das Pro­ blem. Es ist eher, die Verwaltung durch die Technik umzugestalten und diese zu implementieren”, pointiert es Victoria Hasenkamp aus der Stadt Soest aus dem Projektbüro digitale Modellregion.

In vielen Situationen verblasst die Langzeitmotivation nach einem Impuls. Aber im Hinblick auf den Wettbewerb “Digitale Stadt” scheint sich der Digitalisierungstrend – wie hier in Düsseldorf – weiter fortzusetzen. Foto: BS/MichaelGaida, pixabay.com


Behörden Spiegel / Dezember 2018

Informationstechnologie

Seite 35

Drei neue Mitglieder in den Vitako-Vorstand gewählt

Verwaltung muss vorangehen

AG der IT-Dienstleister tagte in Sulzbach und Nürnberg

Bitkom-Studie zeigt Erwartungshaltung bei der Blockchain

(BS/gg/wim) Die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der kommunalen IT-Dienstleister (Vitako) hat drei neue Vorstandsmitglieder. Auf der Mitgliederver- (BS/wim) Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen in einer neuen sammlung in Sulzbach (Taunus) wurden Lars Hoppmann vom Kommunalen Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe (krz), Bertram Huke von Studie des Digitalverbandes Bitkom fordern mehr Einsatz aus der Politik ekom21 und Sören Kuhn vom GKD Recklinghausen in das Führungsgremium gewählt. beim Thema Blockchain. Dabei wünschen sich die Unternehmen vor allem eine Vorreiterrolle der öffentlichen Verwaltung. Bitkom-Präsident mit in die Projektentwicklung Achim Berg erklärte bei der Vorstellung der Studie, dass man anfangs Sie erweitern den Vorstand auf einzubinden. Auch für Dr. Rai- auch damit beginnen könnte, Testfelder für simple Themen zu schaffen. nun sieben Mitglieder und sind

bis zum Jahr 2020 gewählt. Turnusgemäß wird der Vitako-Vorstand alle drei Jahre von den Mitgliedern neu bestimmt. Sowohl der jetzige Vorstandsvorsitzende Peter Kühne (Lecos GmbH, Leipzig) als auch sein Stellvertreter, krz-Geschäftsführer Reinhold Harnisch, und auch Vorstandsmitglied Prof. Dr. Andreas Engel (Stadt Köln und KDN) treten zur Wahl 2020 nicht mehr an. “Wir wollen unsere drei neuen Vorstandskollegen an die Arbeit im Vitako-Vorstand heranführen und freuen uns, dass wir Repräsentanten aus Hessen und Nordrhein-Westfalen im VitakoVorstand begrüßen dürfen, auf deren Know-how und Erfahrung wir nicht verzichten wollen”, erklärte der stellvertretende Vorsitzende Reinhold Harnisch.

Digitales Hessen und Regionalkonferenz in Nürnberg Neben der Wahl der neuen Vorstandsmitglieder wurden auf der Mitgliederversammlung darüber hinaus die “Strategie Digitales Hessen” vorgestellt sowie erfolgreiche Smart-City-Beispiele aus Darmstadt präsentiert. Die “Digitalstadt Darmstadt” hat als digitale Modellkommune zahlreiche IoT-Projekte (Internet of Things) in Zusammenarbeit von Verwaltung und lokaler Wirtschaft aufgesetzt und daraus neue Anwendungen vor allem im Bereich Verkehr und Mobilität entwickelt.

ner Bauer, IT-Abteilungsleiter im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, ist es eine absolute Notwendigkeit, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Im Rahmen seiner Digitalisierungsstrategie stellt der Freistaat für den Zeitraum 2018 bis 2022 drei Milliarden Euro und rund 2.000 Stellen zur Verfügung, mit denen unterschiedliche Maßnahmen finanziert werden sollen.

Die drei neu gewählten Vorstandsmitglieder der Vitako (v.l.): Lars Hoppmann (krz), Bertram Huke (ekom21) und Sören Kuhn (GKD Recklinghausen). Foto: BS/Vitako

Zudem führte Vitako eine Regionalkonferenz mit dem Schwerpunkt Verwaltungsdigitalisierung in Nürnberg durch. Schwerpunkte waren dabei naturgemäß die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in Kommunen und Regionen, aber auch ein Einblick in erfolgreiche Digitalisierungsprojekte aus dem kommunalen Raum. Neben der Konferenz in Nürnberg soll es demnächst auch Konferenzen in Saarbrücken und Leipzig zum selben Themenstrang geben. Zur Begrüßung empfing der Nürnberger Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly (SPD) die Teilnehmer mit Anspielung auf den Anfang Dezember ebenfalls in Nürnberg stattfindenden ITGipfel der Bundesregierung beim “kleinen Digitalgipfel”. Maly räumte allerdings auch ein, dass Ablauf und Inhalte

des großen Gipfels für ihn zu diesem Zeitpunkt noch “eine Art Blackbox” seien. Nürnbergs OB unterstrich die herausragende Bedeutung der Digitalisierung von Verwaltung, aber auch weiterer kommunaler Handlungsfelder für die Entwicklung von Städten und Gemeinden in Deutschland. Anschließend wurden BestPractice-Beispiele aus der Region präsentiert. Hier machte Gunter Czisch, Oberbürgermeister der Stadt Ulm, den Anfang. Er informierte über die vielfältigen Ulmer Digitalisierungsprojekte und verknüpfte konkrete Projekte mit dem Aspekt der Gestaltung einer lebenswerten Umgebung und dem Standortmarketing für die badische Stadt. Besonders wichtig ist dabei für Czisch, die Stadtbevölkerung bei allen Projekten frühzeitig und aktiv

Agile Vorgehensweise auf dem Vormarsch Andreas Götz, Amtsleiter des Erlanger E-Government-Centers, betonte die Notwendigkeit agiler Vorgehensweisen. Digitalisierungsstrategien müssten heute schnell und aktuell entwickelt werden und flexibel anpassbar sein. Das bislang übliche Vorgehen der Verwaltung mit langfristigen Planungs- und Umsetzungsprozessen sei aufgrund der schnellen Entwicklungszyklen und Veränderungen heute nicht mehr angemessen. Auch für Dr. Markus Richter, Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, sind agile Prozesse heute unabdingbar. Für ihn ist es zusätzlich wichtig, dass die Impulse aus der Chefetage kommen. So erklärte er, dass der Prozess in Richtung einer agilen Behörde einer aktiven Steuerung und klarer Entwicklungsziele bedarf, um bestehende Ängste bei den Mitarbeitern abzubauen.

In der Folge könne man die Bemühungen dann fortführen, indem man behördliche Prozesse und öffentliche Register auf die Technologie umsattle: “Die öffentliche Verwaltung will schon seit einiger Zeit die Datentöpfe von Kommunen anzapfen und auf neue technische Beine stellen. Warum versucht man es da nicht mal mit einer neuen Technologie wie der Blockchain?”, so Berg. Zwar sei in Sachen Datensicherheit auch die Blockchain nicht zu 100 Prozent sicher, die Technologie gewähre aber eine Rechtssicherheit für die Prozesse, die mit ihr ausgeführt werden: “Grundsätzlich kann man natürlich bei keiner Lösung von vollständiger Sicherheit sprechen. Durch die dezentrale Speicherung der Daten und damit zusammenhängende, breit gefächerte Validierungs- und Verifizierungsprozesse sei die Manipulierbarkeit der Blockchain allerdings ungleich aufwendiger als bei anderen Technologien. Daher ist für die Unternehmen wie auch für den Bitkom das dringendste Thema für die Politik, einen rechtssicheren Rahmen für den Umgang mit der Blockchain zu schaffen, der auch in Sachen Datenschutz und Datensicherheit klare Vorgaben aufzeigt. Am besten wäre hierfür laut der Studie die Entwicklung einer Blockchain-Strategie durch die Bundesregierung. Zudem fordert

die Wirtschaft eine Förderung von technischer Entwicklung und insbesondere auch der Ausbildung von Fachkräften, da diese weiterhin extrem rar gesät seien. Berg sieht die Technologie als Chance für die Wirtschaft und warnt, dass Deutschland – mal wieder – den Anschluss zu verlieren drohe. So seien Nationen wie China und die USA traditionell ganz vorne dabei in der Entwicklung, aber auch in näher gelegenen Ländern wie Österreich gebe es schon öffentliche Feldversuche auf Basis der Blockchain. Besondere Tragweite bekomme dieses Hinterherlaufen Deutschlands, da die Blockchain weniger eine der zentralen Schlüsseltechnologien sei, sondern eine Basis für diese. So könne die Technologie in Zukunft ein wichtiges Fundament für Parallelentwicklungen wie Künstliche Intelligenz oder das Internet der Dinge sein. Der Digitalverband Bitkom hat für seine Blockchain-Studie insgesamt 1.000 Unternehmen aus Deutschland mit einer Belegschaft von mindestens 50 Mitarbeitern befragt. Obwohl 95 Prozent der Unternehmen da­ rin angaben, zu wissen, was die Blockchain ist, haben sich rund 60 Prozent bis heute nicht mit der Technologie für ihre Firma auseinandergesetzt. Dabei stechen vor allem die Unternehmen positiv hervor, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen.

Sachsen erweitert Rechtsgrundlagen für E-Government

Landkarte für Innovationen

Wichtige Schritte für digitale Verwaltung und zur Umsetzung des OZG

Erstes Projekt der KI-Strategie vorgestellt

(BS/Wim Orth) Die sächsische Landesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des E-Governments in den Landtag eingebracht. Damit sollen unter anderem verpflichtende Vorgaben für die Verarbeitung elektronischer Rechnungen sowie zur Bereitstellung elektronischer Verwaltungsleistungen eingeführt werden. Zusätzlich hat das Kabinett einen Gesetzentwurf zur Neuordnung der Informationssicherheit zur Anhörung freigegeben.

(BS) Die Bundesregierung hat schon nach ihrer Digitalklausur in Potsdam im November das Ziel formuliert, Deutschland zum Technologieführer für Künstliche Intelligenz (KI) machen zu wollen. Auf dem Digitalgipfel Anfang Dezember wurde die Strategie nun offiziell vorgestellt.

Ziel der neu aufgesetzten Rechtsvorschriften ist vor allem eine Rechtsgrundlage zum Einsatz von Technologien zur Erkennung und Abwehr von Cyber-Angriffen in den Landesbehörden. In allen Ministerien und IT-Behörden soll ein fester Sicherheitsbeauftragter zur Beratung eingerichtet werden. Zu den Gesetzesinitiativen erklärt der Beauftragte für Informationstechnologie des Freistaats Sachsen und Amtschef in der Staatskanzlei, Thomas Popp: “Die Zeiten, in denen die Bürgerinnen und Bürger zum Amt müssen, um Anträge auszufüllen, gehen in den nächsten Jahren zu Ende. Dies heißt aber auch, wir müssen uns vor Cyber-Angriffen schützen und uns gegen sie wehren. Dazu brauchen wir moderne

Neben der angekündigten Förderung von rund drei Milliarden Euro und weiteren Maßnahmen wurde auch eine KI-Landkarte vorgestellt, die ab sofort online erreichbar ist und anhand von über 300 Beispielen darstellen soll, wo KI in Deutschland bereits zum Einsatz kommt oder in der Entwicklung ist – über sämtliche Branchen, Einsatzfelder und Unternehmensgrößen hinweg. Die Plattform Lernende Systeme stellt die Landkarte zu Künstlicher Intelligenz unter www.ki-landkar te.de für alle Interessierten zur Verfügung. Sie soll sichtbar machen, wie Künstliche Intelligenz die Wirtschaft und den Alltag bereits heute beeinflusst und auch in Zukunft transformieren wird. Mit diesem Ziel bündelt die Plattform Lernende Systeme in ihrer KI-Landkarte Anwendungen und Entwicklungsprojekte, in denen KI-Technologien zum Einsatz kommen. Die Beispiele reichen von Robotern für die Indus­ trieproduktion über KI-basierte Verkehrszeichenerkennung beim autonomen Fahren bis hin zu in-

sollen öffentliche Auftraggeber zukünftig verpflichtet werden, elektronische Rechnungen empfangen und verarbeiten zu können. Außerdem soll den Bürgern

des Freistaats die Möglichkeit gegeben werden, sich gegenüber Behörden künftig leichter digital ausweisen und Nachweise elek­ tronisch vorlegen können, sodass Papierformulare nach und nach entfallen können. Sämtliche elektronischen Verwaltungsdienstleistungen des Landes sollen in Zukunft verpflichtend über das zentrale Serviceportal Amt24 angeboten werden. Mit der Einrichtung des Portals soll auch auf dem Weg zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) des Bundes ein wichtiger Schritt getan werden. Ein ausführliches Interview zu den Digitalisierungsbemühungen des Freistaates Sachsen mit dem Landes-CIO Thomas Popp wird in der nächsten Ausgabe des Behörden Spiegel veröffentlicht.

Als Sprecher der Plattform Digitales Österreich im Bundeskanzleramt war er in den letzten fünfzehn Jahren zudem als Experte in diversen Gremien, unter anderem der Europäischen Kommission und den Vereinten Nationen, involviert. Zuletzt war Rupp Sonderbeauftragter der Wirtschaftskammer Österreich für die Digitalisierung und Programmdirektor KMU DIGITAL. Er gilt als der E-Governmentund Digitalisierungsexperte der ersten Stunde in Europa und soll in seiner neuen Position die Arbeit des MACH Innovation Hubs bzw. des Joint Innovation Labs

unterstützen sowie eine wichtige Verbindung zum Vorstand des Unternehmens bilden. “Wir freuen uns sehr, mit Christian Rupp einen so gut vernetzten und international erfahrenen Branchen-Experten für die MACH AG gewonnen zu haben. Ich bin mir sicher, dass es uns mit seiner Unterstützung noch besser gelingen wird, unsere Innovationskraft im Markt sichtbar zu positionieren und damit unsere Innovationsstrategie weiter voranzubringen”, erklärte der Vorstandsvorsitzende des Lübecker Unternehmens, Rolf Sahre, anlässlich der Bekanntgabe der Personalie.

Der Freistaat Sachsen (Foto: Innenstadt der Landeshauptstadt Dresden) schafft sich neue Rechtsgrundlagen für eine zeitgemäße Verwaltung und besseren Schutz der behördlichen IT-Systeme und Netze vor Cyber-Angriffen. Foto: BS/Allie Caulfield, cc by 2.0, flickr.com

Technik, geschulte Bedienstete in der Verwaltung und ausreichend Spezialisten in den Behörden.” Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des E-Governments

MELDUNG

MACH holt Rupp als Chief Innovation Officer (BS) Der Österreicher Christian Rupp wird ab Januar 2019 Chief Innovation Officer bei der MACH AG. Er soll dort die Innovationsstrategie des Unternehmens weiterentwickeln und vorantreiben. Dabei kann er auf beachtliche Erfahrung zurückgreifen: Rupp war Exekutivsekretär für EGovernment der Bundesregierung und brachte Österreich in wenigen Jahren von Platz 13 im E-Government-Benchmark auf Platz 1. Er leitete die CIO-Stabstelle des Bundes, koordinierte die IKT-Bund- sowie E-Government-

Ab nächstem Jahr wird der Österreicher Christian Rupp im “hohen Norden” die Lübecker MACH AG als Chief Innovation Officer unterstützen. Foto: BS/MACH AG

Aktivitäten zwischen Bund, Ländern, Städten, Gemeinden und Wirtschaft und verfügt somit über tiefes Branchen-Know-how.

telligenten Assistenzsystemen in der Gesundheitsversorgung. Aktuell lassen sich laut Anbieter bereits über 300 KI-Anwendungen nach Branchen und Region, aber auch nach Einsatzfeld, zugrunde liegender KI-Technologie sowie Wertschöpfungsaktivität filtern. Mit der Landkarte erfüllt die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierte Plattform Lernende Systeme in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) einen Punkt aus der Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung. Die Bundesregierung will damit insbesondere mittelständische Unternehmer inspirieren, die Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse voranzutreiben und neue Geschäftsideen zu entwickeln. Die Landkarte wird sukzessive um weitere Beispiele aus Forschung und Praxis erweitert. Unternehmen, Institute und Hochschulen, die KI-Lösungen anwenden oder entwickeln, können sich unter https://uzbonn.de/kimap an dem Projekt beteiligen.

Pünktlich zu ihrer Vorstellung auf dem Digitalgipfel ist die KI-Landkarte für Deutschland online gegangen und kann ab sofort genutzt werden.

Foto: BS/Lusign, pixabay.com


Informationstechnologie

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Prozesse neu denken

D

as tägliche Verwaltungshandeln sieht leider noch immer anders aus. Akten werden heute meist noch wie vor 2.000 Jahren auf Papyrus von einer Amtsstube in die nächste getragen. Hauptunterschied: Heute gibt es oft den Versand der Akte “per E-Mail vorab”. Bei erkannten Fehlern oder unberücksichtigten Informationen geschieht dann das Unvermeidliche: Akten werden durch neue Ausdrucke dupliziert, konkurrierende elektronische Versionen entstehen, werden parallel weiterentwickelt und müssen zum Schluss wieder aufwendig zusammengeführt werden. Dabei hat die Bundesregierung kein Erkenntnisdefizit. Der ITPlanungsrat beschreibt in der Nationalen E-Government-Strategie ein sehr gutes Leitbild und legt mit seiner Standardisierungsagenda und der Entwicklung des XÖV-Handbuchs die theoretischen und in einzelnen Bereichen auch technischen Grundlagen für ein interoperables, digitales Zusammenarbeiten.

Umsetzungsdefizite Das Problem liegt in der Umsetzung. Das E-Government-Gesetz setzt für den Bund das Ziel, die E-Akte bis 2020 als führendes System in der gesamten Bundesverwaltung zu implementieren. Das Onlinezugangsgesetz verpflichtet die Bundesregierung zudem, bis zum Jahr 2022 sämtliche Leistungen der Verwaltung auch digital anzubieten. Ich befürchte allerdings, dass beides

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Sitta zur Verwaltungsdigitalisierung (BS/Frank Sitta) Die öffentliche Verwaltung steht bei der digitalen Transformation vor den gleichen Herausforderungen, die auch in vielen Unternehmen aller Branchen seit Jahren ganz oben auf der Agenda stehen. Im Zentrum steht die Anpassung bestehender Strukturen und Prozesse an die neuen Möglichkeiten des digitalen Zusammenarbeitens. Medienbrüche sind zu vermeiden, damit keine relevanten Informationen verloren gehen und erneut erfasst werden müssen. Das gilt nicht nur innerhalb einzelner Verwaltungseinheiten, sondern auch für die Schnittstellen zwischen ihnen – horizontal zwischen den Behörden und vertikal zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Vor allem aber ist der Kunde – hier der Bürger – in den Mittelpunkt zu stellen und in den Prozessablauf zu integrieren. bloße Fassade bleibt. Prinzipiell soll die E-Akte zwar über eine Workflow-Komponente verfügen. Doch wer schreibt diesen Workflow neu? Wer bindet dann den bis in vier Jahren geforderten Portalverbund an die dahinterliegenden Prozessketten an? Zwar gibt es verschiedene, zum Teil auch vom IT-Planungsrat eingesetzte Kooperationsrunden, die sich mit ressort- und ebenenübergreifenden Schnittstellen beschäftigen, doch die Abläufe in den Behörden selbst können diese Runden nicht ändern. Diese Aufgabe muss in den Grundsatzund Zentralabteilungen angegangen und laufend abgestimmt werden. Hier sehe ich nur wenig Bewegung. Ich befürchte, wir werden in Deutschland einmal mehr erleben, dass es definierte Schnittstellen und mächtige Systeme geben wird, die theoretisch neue Workflows abbilden können – nur interessiert es niemanden. Stattdessen werden, dem Weg des geringsten Widerstands folgend, die ineffizienten analogen Prozesse praktisch unverändert

höheren Transparenz einher, daher sind die Beharrungskräfte dort Frank Sitta ist seit 2017 Mitglied des Deutschen am größten, wo Bundestages und stellverman sie scheut. tretender Vorsitzender der Diese Ecken FDP-Fraktion. Er gehört zuauszuleuchten, dem dem Präsidium seiner kann WiderstänPartei an. de hervorrufen. Foto: BS/privat Doch gerade die Leistungsträger in allen Bereichen digitalisiert und die tatsächlich werden klare Zuständigkeiten genutzten Datenformate werden und flüssige Arbeitsabläufe als sich qua fehlender Leitungsvor- wichtigen Vorteil erkennen. Sogaben nur langsam einander fern sie die Behördenleitung hinter sich wissen, werden sie die anpassen. Anpassung der Workflows auf Es geht anders! allen Ebenen einfordern. Zweite Grundbedingung ist eiErste wichtige Voraussetzung dafür ist ein Mindset, das diese ne Struktur, die eine kontinulangfristig unaufhaltsamen Än- ierliche Abstimmung zwischen derungen als Chance und Ar- den Behörden auf allen Ebenen beitserleichterung wahrnimmt. ermöglicht. Einzelne KoordinaDie Behördenleitungen müssen tionsrunden, die im Ergebnis klare Meilensteine vorgeben, bestenfalls Schnittstellen und Ängste nehmen und die Mitar- Datenformate vereinheitlichen, beiter auf dem Weg zur einfache- reichen nicht aus. Prozessketten ren, projektorientierten Zusam- müssen aufeinander abgestimmt menarbeit mitnehmen. Digitale und ständig nachjustiert werden. Transformation geht mit einer Das Kanzleramt kann so eine

kontinuierliche Koordinierungsfunktion nicht ausfüllen. Drittens sollten neue Technologien erprobt und – wo immer sinnvoll – in die digitale Verwaltung integriert werden. So können beispielsweise kryptografische Signaturen und Validierungen in dezentralen Datenbanken von der kommunalen bis zur Bundesebene für eine verbesserte Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit behördlicher Vorgänge sorgen. Katasterämter und die Grundbuchverwaltung könnten beispielsweise von einer Umstellung auf Distributed-Ledger-Systeme profitieren. Register können so prinzipiell ortsunabhängig, ressourcensparend und sicher organisiert werden. Viertens müssen Grundsätze des Datenrechts entwickelt und auf die gesamte öffentliche Verwaltung übertragen werden. Nur so können gleichzeitig innovative digitale Zukunftstechnologien und Geschäftsmodelle ermöglicht und die Persönlichkeitsrechte der Bürger geschützt werden. Liberales Leitbild ist dabei die ständige Kontrolle der Nutzer

über ihre eigenen personenbezogenen Daten. Dem Staat kommt dabei als Garant bei der Bestätigung digitaler Identitäten eine zentrale Rolle zu.

Höchste Zeit für ein koordinierendes Ministerium All das wird auf Bundesebene kaum ohne ein zentrales, koordinierendes Ministerium gelingen. Momentan sind 76 Abteilungen in 14 Bundesministerien mit dem Thema Digitalisierung befasst. Die linke Hand weiß nicht, was die rechte macht. In diesem System ist eine Zuordnung von Kompetenzen und Schwerpunkten nicht möglich. Erschreckendes Abbild dieses unkoordinierten Nebeneinanders ist die sog. Umsetzungsstrategie “Digitalisierung gestalten”, die die Bundesregierung Mitte November 2018 auf ihrer Kabinettklausur in Potsdam beschloss. Das Papier stellt keine eigene übergreifende Strategie dar, sondern ein Sammelsurium von in Art, Bedeutung und Umfang äußerst unterschiedlichen Maßnahmen mit Digitalbezug ohne inneren Zusammenhang, Priorisierung oder Gewichtung. Dadurch zeigt die Bundesregierung, dass ihr genau die Strategie fehlt, die sie mit ihrer “Gemeinsamen Digitalpolitik” suggeriert. Es wird höchste Zeit für ein Bundesministerium für Digitalisierung und Innovation, das die Herkulesaufgabe der Koordination übergreifend bündelt, Fachbereiche zusammenbringt und visionäre Schwerpunkte setzt.

Change-Kultur und smarte Technik

Innovatives Management 2018

Der Digital Workplace als Basiselement des E-Governments

Von digitalen Könnern und Bürgern als Königen

(BS/Ingo Wittrock) Die jüngste Bitkom-Studie zum Digitalisierungsgrad von Städten und Gemeinden bestätigte die Notwendigkeit und den Wunsch der Deutschen nach digitalen, bürgerfreundlichen E-GovernmentServices: 74 Prozent der Befragten erwarten sich durch die Digitalisierung eine Entlastung der Verwaltung und damit eine Beschleunigung der Prozesse. Die Nutzung digitaler Technologien fängt jedoch nicht erst beim zeitsparenden Online-Behördengang an, sondern beginnt bereits in den internen Strukturen und Workflows, die den Behörden das Arbeiten leichter machen. Und im Digital Mindset, das bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung geschaffen werden muss.

(BS/gg) In Lübeck kamen Mitte November rund 300 Führungskräfte aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zum 18. Führungskräfteforum “Innovatives Management” der MACH AG zusammen, um über aktuelle und zukünftige Herausforderungen der öffentlichen Verwaltung zu diskutieren.

In den letzten beiden Jahren ist die digitale Transformation endlich ganz oben auf der Agenda von Politik, öffentlicher Verwaltung und mittelständischer Wirtschaft angekommen. Heute befinden wir uns inmitten eines grundlegenden Wandels, der auf technischen Innovationen aufbaut. Ein Kulturwandel, der, gleich ob im Unternehmen oder in der Behörde, alle Fachabteilungen einbeziehen und damit sowohl die Erwartungshaltungen der Mitarbeiter als auch der Kunden (Bürger) an digitale Angebote im Blick haben muss. Eine repräsentative europaweite Befragung von 3.300 Führungskräften aus mittelständischen Unternehmen im Auftrag von Ricoh (Studie “Generation Innovate”, 2018) bestätigt die Notwendigkeit eines technologiegetriebenen Innovationsprozesses: 59 Prozent der Befragten geben Innovationen höchste Priorität. Ein Viertel (24 Prozent) der Führungskräfte geht sogar davon aus, dass sie in den nächsten fünf Jahren völlig andere Produkte und Dienstleistungen anbieten werden. Maßgeblich dafür sind geänderte Kundenanforderungen und Qualitäts-

Technologien die Grundlage, um die Agilität ihrer Organisation zu verbessern, Prozesse umzugestalten und die Ingo Wittrock ist DirecEffizienz zu steitor Marketing bei Ricoh Deutschland. gern. Ein digitales Do Foto: BS/Ricoh kumentenmanagement ist zuallererst die Basis ansprüche – Kriterien, die auch für optimierte interne Arbeitsin der öffentlichen Verwaltung und Organisationsprozesse. Und später der Ausgangspunkt für eine große Rolle spielen. Wer am “Front-End” für die Bür- das digitale und papierlose Bürger digitale Services bieten will, gerbüro. Das Prüfen, Weiterleiten sollte bei den internen Strukturen und Aufbewahren von Dokumenbeginnen. Agilität und Nutzero- ten ist durch moderne Soft- und rientierung sind nicht nur in der Hardware-Lösungen rein digital Privatwirtschaft Voraussetzung, möglich. Multifunktionsgeräte um die Leistungs- und Wettbe- (MFP) sind heute entsprechend werbsfähigkeit zu steigern, son- nicht mehr primär Output-Systedern auch bei Behörden elemen- me, sondern Input-Schnittstellen tar, die sich möglicherweise noch für die Digitalisierung von Dokumit Smart Government schwer- menten und Informationen und tun. Durch digitale Technologien haben damit eine Schlüsselfunkin öffentlichen Verwaltungen wird tion für den Digital Workplace. In die Arbeit schneller, effizienter, Verbindung mit entsprechenden kostengünstiger und transparen- Software- und Workflow-Lösunter. So sehen auch 74 Prozent gen lassen sich durch den Einsatz der Befragten der “Generation- moderner Multifunktionssysteme Innovate”-Studie in intelligenten eine ganze Vielzahl von Arbeitsvorgängen bei der Dokumentenund Informationsverarbeitung vereinfachen, beschleunigen und sogar automatisieren. Smart Government fängt somit bei der Verwirklichung des Digital Workplace an. Mit den richtigen Technologien, aber vor allem auch einer ganzheitlichen Strategie ist dieser elementare Digitalisierungs-Schritt für jede öffentliche Verwaltung lohnend.

Durch den Einsatz moderner Multifunktionssysteme lässt sich Dokumentenund Informationsverarbeitung vereinfachen, beschleunigen und sogar automatisieren. Foto: BS/Ricoh

Weitere Informationen zur Ricoh-Studie “Generation Innovate” unter: http://thoughtleadership. ricoh-europe.com/de/generationinnovate/

Prominentester Redner war dabei Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, ist für ihn ein zentrales Thema, wenn es um die Verwaltung als Arbeitgeber geht. Wie dies mithilfe der Digitalisierung gelingen kann, erläuterte er in seinem Impulsvortrag. Mobiles und flexibles Arbeiten sei notwendig, um den heutigen Ansprüchen an Arbeit gerecht zu werden. Außerdem steht der Abbau von Bürokratie ganz oben auf der Liste des Ministerpräsidenten: Bis 2022 sollen Verwaltungsleistungen digital angeboten werden. Dabei sei sicherzustellen, dass alle Bürger mitgenommen werden. Wesentliche Vorteile für die öffentliche Verwaltung sieht Günther in Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz (KI). Sie werde durch die intelligente Abbildung von heutigen Routineprozessen Zeit schaffen für wichtige Aufgaben, die von Menschen wahrgenommen werden müssen. Dazu brauche es eine technische Grundlage, die Günther durch den Ausbau des Glasfasernetzes in SchleswigHolstein schaffen will. Dr. Sönke E. Schulz, Vorstandsmitglied des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages, sieht in der Digitalisierung einen wesentlichen Faktor zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität: “Es gilt, eine moderne Arbeitsumgebung zu schaffen, die den Bedürfnissen junger Arbeitnehmer gerecht wird. Dabei muss die Basis der digitalen Verwaltung eine funktionierende elektronische Akte sein.” Dazu sei in den Ausbildungen anzusetzen, denn in vielen Bereichen spiele Digitalisierung heute noch keine Rolle. Dr. Steffi Burkhart erklärte, was Arbeitnehmer zwischen 20 und 35 Jahren (Generation Y) von ihren Arbeitgebern heutzutage noch erwarten. Die Zeiten seien

Verwaltungsdigitalisierung ist in Schleswig-Holstein “ganz oben” in der Politik angekommen. Dies zeigte die Eröffnung des 18. Innovativen Managements durch Ministerpräsident Daniel Günther. Foto: BS/MACH AG

geprägt von Unsicherheit, Komplexität und einer hohen Dynamik. Digitalisierung wirke dabei als zusätzlicher Beschleuniger. Außerdem würden moderne Konsumenten Dienstleistungen “on demand” erwarten: Der Kunde möchte König sein. Die Verwaltung müsse den Bürgern daher als ihren Kunden die Krone aufsetzen.

Partnerschaften über Hierarchien stellen Für Silvia Bechtold, Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsamtes, ist die Verwaltungsmodernisierung das “Bohren dicker Bretter”. Obwohl sich in den letzten zehn Jahren einiges getan habe, seien viele Einrichtungen noch zu starr. Damit Digitalisierung funktioniere, müssten Partnerschaften über Hierarchien stehen, in denen sich Mitarbeiter und Führungskräfte miteinander vernetzten. Bechtold sieht zudem den Gesetzgeber in der Pflicht, Tarifrecht und Beamtentum auf den Prüfstand zu stellen. Friedhelm Schäfer zeigte sich zufrieden mit der Entwicklung bei der Positionierung der öffentlichen Verwaltung als Arbeitgeber. Studien belegten, dass sich wieder mehr junge Leute für die

Verwaltung als Arbeitgeber entschieden. In den MINT-Studiengängen sieht er Handlungsbedarf. “Um digitale Könner zu binden, müssen sie ihre Fähigkeiten entfalten können”, weiß Burkhart. Das gehe aber nur, wenn die Kultur der Regelhaftigkeit verändert werde und man sich von überholten Regeln löse. Als Führungskräfte gefragt seien “Menschenfreunde”, die ihre Arbeit als “Dienstleistung an Menschen” verstünden, so Bechtold. Entscheidend sei, erfahrene Kollegen zu motivieren, Veränderungen positiv wahrzunehmen. Dass viele Führungskräfte nach wie vor im “Modus der Erfahrung” agierten, sieht Burkhart problematisch. Es brauche mehr Vorgesetzte, die mit Unsicherheit umgehen könnten. Häufig fehle dieses “Mindset zum Gestalten” jedoch. Schulz würde gerne weniger diskutieren und mehr “ins Machen” kommen. Doch: “Einfach mal loslegen ist in der öffentlichen Verwaltung schwer. Es gibt viele Leute mit guten Ideen, die zu oft unter dem Radar bleiben”, stellte er fest. Er wünschte sich, “dass Fehler auch mal auf höchster Ebene zugegeben werden. Das wäre auf jeden Fall ein Zeichen.”


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Seite 37

Innovation organisieren Nur selten werden gute Ideen auch zu Innovationen

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

Allzeit bereit! Der Bot ist stets zur Stelle (BS/Roland Dathe*) “Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“, ploppt soeben die hilfsbereite Frage auf. “Ich suche nach dem Antrag für’s Kindergeld“, tippen wir in das Chatfenster ein. Unmittelbar darauf erhalten wir den Link zum Antrag samt ausführlicher Erklärung. “Danke für die schnelle Hilfe und Ihnen einen schönen Feierabend… ”, wollen wir gerade schreiben, als uns wieder einfällt, dass wir uns die Höflichkeit auch sparen könnten. Denn wir haben da soeben ja nicht mit einem echten Menschen geschrieben, sondern mit einem Chat-Bot. Szenarien wie dieses spielen sich derzeit in der Kommunikation mit der öffentlichen Verwaltung noch selten ab, könnten uns aber in Zukunft regelmäßiger begegnen. Bislang kennt man so etwas eher von Dienstleistungsunternehmen bzw. Online-Shops, bei dem einem ein virtueller Berater zur Seite steht und versucht, weiterzuhelfen. In der Studie eGovernment MONITOR 2018 befragten die Initiative D21 und fortiss die Bürgerinnen und Bürger nach Kenntnis und Einstellungen zu digitalen Assistenzsystemen bei der Verwaltung. Obwohl den wenigsten bekannt, zeigte sich doch eine große Mehrheit sehr aufgeschlossen: 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, Österreich und der Schweiz können sich vorstellen, in Zukunft über solche digitalen Assistenten mit der öffentlichen Verwaltung zu kommunizieren bzw. Themen auf den Internetseiten zu suchen. Die möglichen Einsatzgebiete digitaler Assistenten und Bots sind vielfältig, von der Ausfüllhilfe bei Formularen mit Plausibilitätsabfragen und Hinweisen über Kommunikation und Beratungshilfe bis hin zu Künstlichen Intelligen-

80%

Vier von fünf Bürgerinnen und Bürgern können sich die Nutzung digitaler Assistenten der öffent­ lichen Verwaltung vorstellen. zen, die Anträge und Leistungen prüfen und bewilligen können. Die Bürgerinnen und Bürger bewerten die verschiedenen Szenarien allerdings sehr differenziert und wägen ab. Während sich die Mehrheit Ausfüllhilfen vorstellen kann, sinkt die Zustimmung, je eigenständiger und tiefgreifender die digitalen Assistenten handeln würden. Nur noch jeder Dritte fühlt sich beim Gedanken wohl, dass nicht ein Mensch, sondern ein automatisiertes System staatliche Leistungen bewilligt. Hier gilt es also, eine gesunde Balance zu finden, an welchen Stellen wir mit digitalen Assistenten arbeiten möchten und wo doch lieber der Mensch letzte Instanz bleiben soll. Vielleicht muss auch immer die Option bestehen bleiben, jegliche Behördenkommunikation auf Wunsch persönlich zu erledigen, ob per

Telefon, Mail oder Termin vor Ort. Doch die digitalen Assistenten in der Verwaltung werden kommen. Zu groß sind die Potenziale, um sie ungenutzt zu lassen. Digitale Assistenten sind immer erreichbar und helfen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Sie geben sofort Antworten und vor allem können sie dabei helfen, wertvolle Zeit für Standardanliegen einzusparen und so mehr Freiraum zu schaffen, wo sie für die persönliche Betreuung gebraucht wird. Für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Behörden selbst können sie somit erhebliche Beschleunigung und Entlastung bringen. In diesem Sinne wünschen wir dann doch: “einen schönen Feierabend, lieber digitaler Assistent!” *Roland Dathe ist Pressereferent bei der Initiative D21.

MELDUNG

KI.NRW gestartet (BS/wim) Das Kabinett von Nordrhein-Westfalen hat den Aufbau einer landesweiten Kompetenzplattform Künstliche Intelligenz (KI.NRW) sowie die Erarbeitung eines Masterplans zum Thema KI beschlossen.

Wie Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und Wirtschafts- und Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart erklärten, hat die Geschäftsstelle von KI.NRW bereits am 1. Dezember ihre Arbeit auf-

genommen. Die Leitung liegt beim Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) in Sankt Augustin. Eine KI-Strategie soll im Sommer 2019 vorgelegt werden.

(BS/Jürgen Fritsche) Die Verwaltung müsse “bei der Umsetzung digitaler Projekte disruptiver werden”, fordert der Chef des Bundeskanzleramts Helge Braun. Das Zauberwort sei “agile Softwareentwicklung”. Mit verschiedenen Strategien, Initiativen und Agenturen will die Bundesregierung die Digitalisierung in Deutschland voranbringen, auch die Digitalisierung der Verwaltung. Die technische Weiterentwicklung ist aber nur die eine Seite. Die Verwaltung für die (digitale) Zukunft richtig aufzustellen, ist vor allem eine organisatorische Herausforderung. Agile Softwareentwicklung ist inzwischen in der Verwaltung angekommen. Auch sogenannte Innovations- oder Digitalisierungslabore, wo Zusammenarbeit anders realisiert und Kreativität möglich wird, finden allmählich das Interesse von Projektverantwortlichen in den Behörden. In diesen Räumen kommen dann auch einmal Verwaltungskunden zu Wort und bringen ihre Sicht als Servicenehmer ein. Das sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Damit jedoch am Ende daraus tatsächlich ein zeitgemäßer Verwaltungsservice, also eine echte Innovation entstehen kann, müssen die dahinterliegenden Prozesse angepasst werden.

Was ist Innovation in der Verwaltung? Wie bei einem Eisberg ist nur ein kleiner Teil des Innovationspotenzials einer Organisation von außen sichtbar, der viel größere nicht. Dies sind prozess- und organisationsbezogene Innovationen, also komplett nach innen gerichtete Erneuerungen: ein veränderter Softwareeinsatz, neue Abläufe oder eine neue Arbeitsplatzorganisation. Solche Innovationen werden von Kunden (Bürgern, Unternehmen, anderen Verwaltungseinheiten) durch optimale Reaktionszeiten, Kommunikationsverhalten einer Organisation, Zugänglichkeit von Services und Verlässlichkeit und in diesem Sinne als “neues Produkt” oder qualitativ höherwertige Dienstleistung wahrgenommen. Eine Firmengründung online zum Beispiel, ohne Zweifel ein innovatives Verfahren, erfordert keine neue Technologie, sondern basiert ausschließlich auf schon lange verfügbarer Technik. Voraussetzung sind ein zentrales Handelsregister, eine Website und die Benennung von Registerführern, eine Funktion, die der Staat selbst übernehmen kann, aber nicht muss. Die Herausforderung liegt darin, die bestehenden Prozesse zu überprüfen, neue – vom Kunden her gedachte – Prozesse zu definieren und diese Veränderungen in der

diesen Umstand auf den Punkt gebracht: “Culture eats strategy for Jürgen Fritsche, Geschäftsleitung Public Sector msg breakfast.” Eine systems AG und Vorstandsnoch so ausgemitglied Initiative D21 feilte Strategie scheitert am BeFoto: BS/Dombrowski harrungsvermögen von Organisationen. Daher Organisation verantwortungsvoll gilt es, die Menschen mitzunehmen und sukzessive die Kultur voranzutreiben. Innovationen entstehen in der zu verändern, die Bereitschaft Abfolge: Idee – Erfindung – Markt- und den Willen zur (stetigen) durchdringung – Innovation. Am Weiterentwicklung in der Kultur Anfang einer Innovation steht zu verankern. Zudem müssen eine Idee, aber nicht jede Idee die Initiative sowie notwendige wird zu einer Erfindung. Ergo Richtungsentscheidungen vom resultieren wenige Erfindungen Top-Management ausgehen. Der Change-Manager John aus vielen Ideen. Erfindungen schaffen es höchst selten in das P. Kotter hat acht Schritte beStadium eines Produktes, das nannt: Erzeugen Sie ein Gefühl sich im Markt beweisen darf. Nur von Dringlichkeit. Bauen Sie ganz wenige Produkte schließ- eine Führungskoalition auf. lich durchdringen den Markt Entwickeln Sie eine Vision und so stark, dass von einer echten eine Strategie. Kommunizieren Innovation gesprochen werden Sie die Vision und die Strategie kann. Der Weg einer Innovation und erzeugen Sie Begeisterung. Befähigen Sie Ihre Mitarbeiter. ist also weit und steinig. Erzielen sie schnelle Erfolge. Wie geht also “Innovation Konsolidieren Sie die Erfolge und organisieren”? leiten Sie weitere Veränderungen Ideen zu fördern, ist nur der ein. Verankern Sie schließlich die erste, aber ein wichtiger Schritt. neuen Ansätze in der Kultur der Im Innovationslabor entsteht Organisation. Machen Sie deutlich, wie die hoffentlich nicht nur eine gute Idee, hier lässt sich auch darüber Organisation und wie jeder Mitnachdenken, wie sie umgesetzt arbeiter und jede Mitarbeiterin werden kann. Das alleine reicht von der Veränderung profitiert. aber nicht: Denn Organisationen Dies alles gilt für Digitalisieund Organisationskulturen sind rungsprojekte ebenso wie für meist eher träge. Der Manage- rein Organisations-bezogene ment-Berater Peter Drucker hat Innovationen. Aufmerksamkeit I

I I I I I I

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Diffusion (Marktdurchdringung)

» Outsourcing des IT-Betriebs » Datenschutz und IKT-Beschaffung

www.ikt-beschaffertage.de

Veranstalter:

Fachliche Leitung:

Innovation (Markterfolg)

Viele gute Ideen und Erfindungen erreichen letztlich nicht das Stadium der Innovation. Grafik: BS/msg systems AG

Themen 2019, u. a.:

Die Beschaffung von Leistungen aus dem Bereich der Informationsund Kommunikationstechnologie (IKT) stellt regelmäßig besondere Anforderungen sowohl an die Vergabestellen als auch an die potenziellen Bieter. Die Vergabeverfahren müssen den hohen Anforderungen an die zu beschaffenden Produkte gerecht werden. Eine sorgfältige Vorbereitung und Durchführung ist daher für einen wirtschaftlichen Vergabewettbewerb unerlässlich. Diesen und weiteren Themen widmen sich die IKT-Beschaffertage – wir freuen uns auf eine spannende Tagung gemeinsam mit Ihnen.

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Zeit

IKT-Beschaffertage 2019 12. – 13. März 2019, München

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N = Innovation

» Bewertung und Benchmarking von IT-Geräten » Die neue EVB-IT-Cloud » Lebenszykluskosten bei der IKT-Beschaffung


Informationstechnologie

Seite 38

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Innovations-Beschleuniger

J

Innovation Hub (1)

Accelerator

Incubator

Innovation Lab

Company Builder

Venture Capital

Kurzbeschreibung

Vernetzung von Innovationsakteuren, Scouting von Start-ups, Einkauf und Validierung von Innovationen

Systematischer Prozess zur Veredelung von Ideen bis zur Finanzierungs-/ Umsetzungsreife

Unterstützung der Teams nach individuellem Bedarf und Tempo; Bereitstellung von Infrastruktur

Kollaborative Ideation und Prototyping mit agilen Methoden

Aufbau von Start-ups oder Geschäftsbereichen in Eigenregie und mit eigenen Ressourcen

Beteiligung an Startups mit Wagniskapital zur Sicherung strategischer Vorteile

der Bewahrerorganisation. Den unternehmerisch geprägten und nach dem Diversity-Prinzip zusammengestellten Teams gelingt es, die unbewusste Voreingenommenheit der Kernorganisation zu überwinden. Company Builder existieren als konzerneigene Disruptions-Fabriken (z .B. kloeckner.i) oder als eigenständiges Geschäftsmodell (z. B. Rocket Internet). Sehr erfolgreich sind auch Company Builder als Dienstleister wie z. B. BCG Digital Ventures oder etventure (seit 2017 Teil von EY). Seit Gründung 2010 hat etventure über 60 Startups und Digitaleinheiten für seine Auftraggeber aufgebaut.

Typische Laufzeit / Dauer des Engagements

Oft Event-basiert, Einkauf Monate 3 bis 6 in wenigen Wochen

6 Monate bis mehrere Jahre

Wenige Tage bis 6 Monate

6 bis 18 Monate

3 bis 7 Jahre

Beteiligen

Typische Merkmale und Varianten

Aufbau von Netzwerken; Unkomplizierter Einkauf und agile Validierung von Produkten aus der Startup-Szene

Trainingslager in Kohorten (“Bootcamp”); Zielgruppen: externe vs. interne Innovatoren (Mitarbeiter)

Bereitstellung von Büroflächen, Laboren, zentralen Diensten, Mentoren und Coaching

Phasen: Ideation bis MVP; Zielgruppen: externe und/oder interne Innovatoren (Mitarbeiter)

Schneller, systematischer Aufbau von digitalen Geschäftsmodellen 100 % unabhängig von Kernorganisation

Strategisches Interesse reicht von operativer Zusammenarbeit bis “Option auf die Zukunft”

Beispiele

Deutsche Bank Innovation Labs; Defense Innovation Unit (US Department of Defense)

APX (Axel Springer & Porsche); Start-up Autobahn (Daimler et al.); Israeli Air Force Accelerator (IDF)

CoLaborator (Bayer); Grow – Heimat for Startups (Bosch); hub:raum (Telekom)

BMW Start-up Garage SAP Co-Innovation Lab; SOFwerx (US SOCOM)

Corporate: kloeckner.i Dienstleister: BCG Digital Ventures, etventure (EY) als eigenständiges Geschäftsmodell: Rocket Internet

BASF Venture Capital; BMW i ventures; Diehl Ventures; Google Ventures; In-Q-Tel (CIA)

e nach Schwerpunkt der Aktivitäten lassen sich folgende Grundtypen unterscheiden, deren Definitionen jedoch nicht einheitlich und Mischformen weit verbreitet sind:

Arten und Aktivitäten von Digital Innovation Units

(BS/Marcel “Otto” Yon/Dr. Stephanie Khadjavi*) Digital Innovation Units (DIUs) dienen der Beschleunigung der digitalen Transformation in etablierten Organisationen (vgl. Behörden Spiegel, November 2018, S. 31). Längst fester Bestandteil der Digitalisierungsstrategie großer Konzerne halten DIUs Der Innovation Hub ist eine zunehmend Einzug bei Mittelstand und öffentlicher Hand. Das Spektrum ihrer Ausgestaltungsmöglichkeiten ist breit, ebenso die Begriffsvielfalt.

Vernetzen

Einheit, die der Zusammenführung von Innovationsakteuren zu einem übergeordneten Thema dient. Der Mehrwert entsteht durch Scouting, Validierung und Einkauf von Innovationen aus der Start-up-Szene. Der Begriff findet kaum einheitliche Verwendung und wird teilweise auch als Oberbegriff für DIUs verwendet. Die 2015 gegründete Defense Innovation Unit des US Department of Defence hat sich darauf spezialisiert, Produkte von Start-ups binnen drei Monaten für das US-Militär auszuwählen und einzukaufen. Innovation Hubs als DIU sind nicht zu verwechseln mit ClusterNetzwerken wie der Digital Hub Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, bei denen die Förderung von Start-ups und Innovationen im Vordergrund steht.

Unterstützen Corporate Accelerators bieten Start-ups ein zeitlich begrenztes, standardisiertes Programm, dem ein selektiver Bewerbungsprozess vorausgeht. Ziel ist die Veredelung einer Idee bis zur Finanzierbarkeit. Hierzu setzen Acceleratoren neben dem Momentum des Programms in “Bootcamp”-Atmosphäre auf die Begleitung der Teams durch erfahrene Serien-Unternehmer (Mentoren) und durch Experten in

Digital Innovation Units im Überblick VERNETZEN Corporate DIU

AUFBAUEN

UNTERSTÜTZEN

BETEILIGEN

(1) Nicht zu verwechseln mit Cluster-Netzwerken wie der Digital Hub Initiative des BMWi, bei der es um die Förderung von Start-ups und Innovationen geht.

modernen Innovationsmethoden (Coaches). Seit einigen Jahren entstehen Acceleratoren, wie der 2017 gegründete Israeli Air Force Accelerator, die die Befähigung von Mitarbeitern zu Intrapreneuren zum Ziel haben. Der Corporate Incubator (CI) ist das “Gewächshaus”, in dem neue Geschäftsbereiche oder Start-ups in einer für sie bereitgestellten Büro- und Entwick-

lungsumgebung nach eigenem Tempo heranwachsen. CIs dienen sowohl als Freiraum für InhouseInnovationen als auch der Förderung von externen Gründern und Start-ups mit Relevanz für die Kernorganisation. Beispielsweise richtet sich der 2012 von Bayer gegründete CoLaborator an junge Start-ups im Bereich der Chemie- und Biowissenschaften und ist zwischenzeitlich an weltweit

fünf Standorten vertreten. Sein Angebot umfasst den Zugang zu Büro- und Laborinfrastruktur sowie zu den Forschungskompetenzen des Konzerns.

Aufbauen Im Innovation Lab werden unternehmensinterne Ressourcen dauerhaft zur Entwicklung digitaler Innovationen bereitgestellt und mit externen Part-

Quelle: Yon/Khadjavi

nern ergänzt. Ziel ist die schnelle Entstehung von Minimal Viable Products (MVP). Der Mehrwert entsteht durch interdisziplinäre Teams, Handlungsfreiräume sowie den konsequenten Einsatz von Kreativitätstechniken und agilen Arbeitsmethoden. Beispiel für ein Innovation Lab mit Fokus auf Mitarbeiter ist die Innovation Garage von thyssenkrupp, während z. B. die BMW Start-up Garage und das SAP Co-Innovation Lab Lieferanten, Partner und externe Innovatoren adressieren. Corporate Company Builder “bauen” in kürzester Zeit und sehr systematisch nach Lean-Start-up-Methoden neue Geschäftsbereiche und eigenständige Unternehmen auf. Der Mehrwert entsteht durch die Unabhängigkeit von der Komplexität

Corporate Venture Capital (CVC) Gesellschaften beteiligen sich an Start-ups zur Sicherung strategischer Vorteile für die Kernorganisation. CVC unterscheidet sich nach der Investitionsphase (von Seed bis Growth) und vor allem nach dem Grad der Ausrichtung an der Unternehmensstrategie. Während einige Konzerne wie BASF, BMW oder Diehl im Bereich CVC bewusst die Nähe zum Kerngeschäft suchen, sehen Unternehmen wie Google oder der US-Geheimdienst CIA mit In-Q-Tel ihre Investitionsaktivität eher als strategische “Option auf die Zukunft”. Hier gilt es abzuwägen zwischen einerseits dem Ziel, das operative Geschäft zu stützen und andererseits auch auf disruptive Ideen zu setzen, die die Kernorganisation möglicherweise verwerfen würde. In der nächsten Ausgabe gehen die Autoren auf die Erfolgsfaktoren von Digital Innovation Units ein. *Marcel “Otto” Yon ist Leiter des Cyber Innovation Hubs (CIH) der Bundeswehr. Dr. Stephanie Khadjavi verantwortet die Marktforschung im CIH. Die Autoren geben in diesem Artikel ihre persönliche Meinung wieder, nicht die des Bundesministeriums für Verteidigung.

Die Verwaltung wird agil Anpassungsfähigkeit zukünftig wichtiger als Stabilität (BS/Werner Achtert*) In einer zunehmend dynamischen Welt müssen sich Behörden schnell an Veränderungen der Kundenbedürfnisse und der gesetzlichen Vorgaben anpassen. Darüber waren sich die Teilnehmer des msg-Workshops “Agile Transition in der öffentlichen Verwaltung” in Frankfurt am Main einig. Klassische Organisationen – und das gilt in besonderem Maße für die öffentliche Verwaltung – sind meist auf eine definierte Aufgabe hin optimiert. Effizienz, Vorhersehbarkeit und Stabilität der Organisation waren in der Vergangenheit wichtiger als die Anpassungsfähigkeit. Vertreter des ITZBund, der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesverwaltungsamts stellten ihre Erfahrungen mit agilen Methoden vor. Dabei wurde deutlich, dass die Methode zumindest in der IT angekommen ist. Agile Vorgehensweisen wie Scrum werden bereits in vielen Behörden im Rahmen der Softwareentwicklung eingesetzt. Die Fachbereiche in Behörden befassen sich nach Erfahrung der Beteiligten noch viel zu wenig mit dem Thema. Wenn die IT iterativ agil arbeitet und die Fachbereiche diesem Rhythmus nicht folgen können, wirft das zwangsläufig Probleme auf. Viele Behörden haben daher mittlerweile Programme zur Einführung agiler Methoden aufgesetzt. Im Open-Space-Format wurden in mehreren Gruppen Themen wie agiles Anforderungsmanagement, agiles Testen und DevOps diskutiert. In einer gemeinsamen Diskussion wurden anschließend die besonderen Herausforderungen an die Rolle des Product

Own­ers hervorgehoben. Er ist der Vermittler zwischen Fachseite und IT und trägt die inhaltliche Verantwortung für die Entwicklung von IT-Verfahren. Es wurde aber auch deutlich, dass genau diese Rolle durch Mitarbeiter aus der Verwaltung schwer zu besetzen ist. Aus Sicht der Veranstalters msg reicht es für die weitere Digitalisierung der Verwaltung nicht aus, die Entwicklung von IT-Verfahren agil zu steuern. Vielmehr werden in Zukunft agile Organisationsformen nötig sein, mit denen fachliche Abläufe schnell angepasst werden können, um auf gesetzliche Änderungen, aber auch Erwartungen der Bürger zu reagieren. Die entscheidenden Herausforderungen sind in Zukunft die Veränderungen der Organisation, der Prozesse und der Arbeitsabläufe der Mitarbeiter. Anpassungsfähigkeit wird in Zukunft wichtiger sein als Stabilität. Agile Methoden werden daher nicht nur in der IT, sondern auch in der Organisation von Verwaltungsabläufen einen breiteren Raum einnehmen. Der Erfahrungsaustausch soll 2019 mit dem Fokus auf agile Organisation fortgeführt werden. *Werner Achtert, Geschäftsleitung Public Sector bei der msg systems AG


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Dezember 2018

B

ehörd en S p ieg e l : Der eGovernment MONITOR beobachtet nun bereits seit 2011 die Entwicklung des E-Governments in Deutschland. Ist es nicht in gewisser Weise frustrierend zu sehen, dass sich in diesem Zeitraum hierzulande so wenig bewegt hat?

Seite 39

Wir müssen nachlegen Nutzerorientierung und -freundlichkeit weiter steigern

(BS) Die Initiative D21 und das Forschungsinstitut fortiss stellten im November die Ergebnisse des eGovernment MONITOR 2018 der Öffentlichkeit vor (der Behörden Spiegel berichtete). Die renommierte und vielbeachtete Studie liefert alljährlich ein Lagebild der Nutzung und Akzeptanz digitaler Verwaltungsangebote in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Über dessen Ergebnisse und allgemeine Erkenntnisse der Erhebung Krcmar: Der eGovernment sprach der Behörden Spiegel mit dem Präsidenten der Initiative D21, Hannes Schwaderer, und fortiss-Direktor Prof. Dr. Helmut Krcmar. Die Fragen MONITOR analysiert den einen stellte Guido Gehrt. dynamischen Prozess, wie sich Akzeptanz und Nutzung über die Jahre entwickelt haben: Insofern muss man das differenziert betrachten. Beispielsweise bleiben die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger ja nicht gleich, sondern entwickeln sich weiter – was sich dann auf die Bewertung der gegenwärtigen Lage auswirkt. Natürlich wäre es aber schön gewesen, wenn man hier eine positive Entwicklung verzeichnen könnte. Man weiß seit Langem, wo die Handlungsbedarfe liegen. So hat sich die Hauptbarriere der mangelnden Bekanntheit in den vergangenen vier Jahren deutlich verringert. Noch 2014 gaben fast 80 Prozent der Befragten als größte Hürde an, dass E-Government-Dienste nicht bekannt seien. Mittlerweile hat sich diese Zahl halbiert. Auf die Nutzung hat dies aber noch keinen Effekt, auch weil viele Dienste einfach immer noch nicht durchgängig online verfügbar sind. Die Digitalisierung von Verwaltungsdiensten bleibt ein Mammutprojekt, das jetzt mit den politischen Weichenstellungen des Onlinezugangsgesetzes an Geschwindigkeit gewinnt. Wahr ist aber eben auch: Das hätte durchaus früher passieren können. Behörden Spiegel: Erleben Sie bei der jährlich durchgeführten Studie überhaupt noch Überraschungen?

Krcmar: Ja, durchaus! Wir beobachten beispielsweise, dass die Zufriedenheit in Österreich trotz eines vergleichsweise gut ausgebauten digitalen Verwaltungsangebot abnimmt, auch wenn sie sich noch immer auf deutlich höherem Niveau befindet als in Deutschland. Das zeigt, dass man sich auf den mutmaßlichen Erfolgen nicht ausruhen darf, sondern die Angebote permanent verbessern muss. Die Technik, die Nutzerfreundlichkeit und der Zugang zu vielen Diensten, die man im alltäglichen Leben nutzt, haben sich in den letzten Jahren

“Am Ende hängen Akzeptanz und Nutzung aber vor allem davon ab, wie sinnvoll und erleichternd die Menschen die Angebote finden.”

“Die Digitalisierung von Verwaltungsdiensten bleibt ein Mammutprojekt, das jetzt mit den politischen Weichenstellungen des Onlinezugangsgesetzes an Geschwindigkeit gewinnt.”

Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21. Foto: BS/Initiative D21

Prof. Dr. Helmut Krcmar, Direktor des Forschungsinstituts fortiss. Foto: BS/fortiss

stark verändert. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger dann natürlich auch im Umgang mit den staatlichen Diensten. In diesem Jahr haben wir mit der Studie erstmalig die Akzeptanz zu neuartigen Interaktionswegen über digitale Assistenten abgefragt. Hier hat uns beispielsweise doch etwas überrascht, wie offen sich die Menschen generell gegenüber solchen Digitalassistenten zeigen. Länderübergreifend können sich in der DACH-Region 80 Prozent vorstellen, mit ihnen für Verwaltungsdienstleistungen zu interagieren, vor allem bei Standardanliegen. Behörden Spiegel: Die Nutzungsraten in Österreich und der Schweiz sind signifikant besser als in Deutschland. Warum ist das so? Schwaderer: Das hat verschiedene Gründe: Österreich und die Schweiz haben schon früher umfangreichere Maßnahmen ergriffen, um ihre Angebote zu entwickeln. Beispielsweise hat Österreich bereits sehr früh zentrale Register eingeführt. Zudem wird es natürlich komplexer, je größer ein Land ist, je mehr Menschen und vor allem auch unterschiedliche Verwaltungsebenen man zusammenführen muss. Am Ende hängen Akzeptanz und Nutzung aber vor allem davon ab, wie sinnvoll und erleichternd die Menschen die Angebote finden – und da kann man aktuell in Österreich und der Schweiz deutlich mehr machen als in Deutschland.

Dort lassen sich mehr behördliche Verwaltungsdienste komplett über das Internet abwickeln, in Deutschland führt der Weg hingegen früher oder später in der Regel zum persönlichen Termin auf dem Amt. Ein Beispiel, wo Österreich einen entscheidenden Schritt weiter ist: Die Nutzung des Internets und digitaler Dienste verlagert sich immer mehr auf die mobile Nutzung per Smartphone oder Tablet. Österreich hat diese Entwicklung aufgegriffen und verfolgt daher die Strategie, auch die E-Government-Angebote stärker darauf auszurichten. Dienste werden so vereinfacht und nutzerfreundlicher gestaltet, dass sie sich auch über das Smartphone erledigen lassen. Behörden Spiegel: Inwieweit ist die geringe E-GovernmentNutzung auch ein Zeichen von mangelndem Vertrauen gegenüber “dem Staat”? Schwaderer: Ich glaube nicht, dass die geringe Nutzung in Deutschland ein generelles Misstrauen gegenüber dem Staat widerspiegelt. Die Bürgerinnen und Bürger haben allerdings gewisse Ansprüche für eine Nutzung. Sie legen hohen Wert auf Datenschutz und Datensicherheit. Es ist also wichtig, dass der Staat sie verständlich und transparent über den Umgang und die Speicherung aufklärt. Das muss Hand in Hand mit einer spürbaren Erleichterung von Verwaltungsangelegenheiten gehen und

einen echten Mehrwert bieten. Dann bin ich überzeugt, dass die Menschen in Deutschland die Angebote gerne annehmen und die Nutzungszahlen signifikant steigen werden. Behörden Spiegel: Lässt die Studie Rückschlüsse darauf zu, wie es gelingen kann, Deutschland von der E-Government-Lethargie zu befreien? Krcmar: Wir sollten viel stärker auf das hören, was die Bürgerinnen und Bürger sich wünschen. Der eGovernment MONITOR zeigt auf, welche Dienste die Menschen in ihrem privaten Umfeld kennen und verwenden – und auch, welche sie sich für die behördlichen Online-Dienste vorstellen können. Diesen Schatz muss man heben, die Menschen einbeziehen und die Angebote direkt an ihrem Bedarf ausrichten. Dazu muss ein Perspektivwechsel stattfinden, weg von der Anbieterperspektive hin zur Nutzerperspektive. Zurzeit geschieht das immer öfter, müsste im Idealfall aber flächendeckend Anwendung finden. Ein Beispiel dafür ist die digitale Identifikation: Fast 70 Prozent besitzen mittlerweile den Personalausweis im Scheckkartenformat,

aber nur jeder Fünfte hat die eID-Funktion freigeschaltet und nur noch sechs Prozent haben ein Lesegerät. Hier hat man offenkundig am Nutzer vorbei entwickelt und ihn nicht nach seinen Wünschen gefragt noch konkrete Anreize geschaffen. In Österreich hingegen hat mehr als jeder Dritte die Funktionen freigeschaltet, dort können Sie sich auch bequem per Handysignatur identifizieren – etwas, das die Menschen auch aus ihrer privaten Nutzung kennen. Behörden Spiegel: In der aktuellen Studie haben Sie in einer Citizen Journey erstmals die erlebte Interaktion der Befragten mit den Behörden nachgezeichnet. Welche Feststellungen und Lehren lassen sich aus dieser Erhebung ziehen?

Schwaderer: Wir haben für die drei Vergleichsländer aufgezeigt, über welche Kontaktkanäle, also z. B. das Telefon, per Brief, über die Homepage oder persönlich im Amt, die erste Informationsbeschaffung stattfindet. Wo eventuelle Beratungen und der Abschluss einer Leistung erfolgen und wie die Wanderbewegungen zwischen diesen Kanälen sind. Das Ergebnis zeigt, dass gerade in Deutschland die meisten Wege früher oder später aufs Amt zum persönlichen Kontakt führen – deutlich öfter als in Österreich und der Schweiz. So schließen in Deutschland gerade einmal 18 Prozent ihr Anliegen online ab, in Österreich dagegen sind es 37 Prozent. Damit spiegelt die Citizen Journey die nach wie vor bestehende Logik von behördlichen Prozessen in Deutschland wider. Wer sich beispielsweise telefonisch informiert, wird aktuell mit hoher Wahrscheinlichkeit aufs Amt ausweichen müssen und kann den erwünschten Dienst nicht online abwickeln. Die Wanderbewegungen zwischen den Kontaktkanälen müssten aber stärker hin zu den Online-Angeboten gehen. Denn laut unseren Erhebungen wünschen sich viele Bürgerinnen und Bürger die Erledigung von Behördenanliegen online, dies insbesondere bei Standardanliegen wie dem Beantragen von Dokumenten oder Ausweisen. Das bedeutet, dass wir viel stärker durchgängige Online-Prozesse brauchen und die Kanäle integrierter denken müssen. Denn mein persönlicher Nutzen ist überschaubar, wenn ich ein Formular zwar online aufrufen kann, es dann aber ausdrucken und per Post schicken oder persönlich vorlegen muss. Hier müssen wir nachlegen.

IT als Treiber der Verwaltungsmodernisierung: Der Newsletter E-Government, Informationstechnologie und Politik des Behörden Spiegel

Anmeldung: www.behoerdenspiegel.de newsletter@behoerdenspiegel.de


Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Dezember 2018

Der sichere Behörden-Messenger

Online gestartet

Kommunikation auf höchstem Sicherheits- und Datenschutzniveau

Erste E-Rechnungsplattformen

(BS/Marco Hauprich) Kommunen und Verwaltungen können von dem gezielten Einsatz von Messengern (BS/Tim Conrads*) Ende November war es soweit: Anlässlich der Smart Country Convention in Berlin drückte profitieren. Vorausgesetzt, der Messenger ist sicher und erfüllt die notwendigen Datenschutzbestimmungen. Staatssekretär Klaus Vitt den symbolischen Startknopf für die Rechnungseingangsplattform des Bundes. Nur wenige Tage später legte Bremen nach und startete als erstes Bundesland seine E-Rechnungsplattform. Ein und hat mit we- großer Erfolg für das kleinste Bundesland, das in Sachen Digitalisierung der Verwaltung einer der Vorreiter Viele Messenger, allen voran nigen Klicks den in Deutschland ist. WhatsApp, sind aus Sicherheits-

und Datenschutzgründen für den behördlichen Einsatz ungeeignet. Aber gibt es überhaupt Messengerdienste, die für die Verwaltung infrage kommen? Ja, die gibt es. So empfehlen beispielsweise die Datenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz und der EKD unter anderem SIMSme. Die Deutsche Post bietet mit SIMSme Business einen Messenger, der speziell auf die Bedürfnisse von Städten und Gemeinden zugeschnitten ist. SIMSme Business ist compliance- und datenschutzkonform und bietet höchste Sicherheitsstandards. Sämtliche Anforderungen der geltenden EU- und Bundesgesetze sowie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik erfüllt dieser Messenger voll und ganz. Alle Server von SIMSme stehen auf deutschem Boden. Das verhindert nicht zuletzt den Zugriff ausländischer Nachrichtendienste auf die Daten.

Viele Vorteile für Verwaltungen Kommunen und Verwaltungen können profitieren, wenn sie SIMSme Business gezielt einsetzen, denn viele Prozesse laufen damit medienbruchfrei, einfacher und effizienter. Das kann der regelmäßige Bürgermeister-Chat ebenso sein wie die Einladung für die kommende Sitzung des Fachausschusses. Die Mitglieder der politischen Gremien erhalten mit SIMSme Business Tagesordnungsergänzungen und Tischvorlagen direkt auf ihre mobilen Geräte – dicke Papierstapel, die per Boten zugestellt werden, sind

Vorgang erledigt.

Einfach zu steuern SIMSme Business bietet das volle Anwendungsspektrum moderner MesAuch sensible Daten wie AU-Bescheinigungen können senger: Einzelmit SIMSme Business versendet werden. und Gruppen Foto: BS/iStock, DGLimages chats, Versand von Anhängen bis 20 MB, PushKanäle und Echtzeitübertragung, Web-Version und das Management Cockpit als zentraMarco Hauprich ist Senior Vice President Digital Labs le Steuerungseinbei der Deutschen Post. heit. Damit kann der Administrator Foto: BS/Deutsche Post Accounts an Mitarbeiter vergeben, die Mitarbeiter unobsolet. Die Gemeinderäte der terschiedlichen Gruppen zuordKommunen Büchel und Illerich nen und Security-Einstellungen in Rheinland-Pfalz setzen dafür steuern. Verwaltungen können SIMSme bereits SIMSme Business ein. Auch die 71 Landräte des Bay- Business dabei nicht nur zur erischen Landkreistages nutzen interaktiven Kommunikation die App, um sich schnell und nutzen; über News-Kanäle lasgleichzeitig absolut vertraulich sen sich auch Mitarbeiter gezielt informieren – zum Arbeitsschutz, verständigen zu können. Persönliche, sensible Daten las- zu Weiterbildungsmaßnahmen sen sich damit ebenfalls sicher und vielem mehr. versenden, beispielsweise AUMit SIMSme Business können Bescheinigungen. Der Mitarbeiter Verwaltungen interne Prozesse schickt ein Foto der AU einfach sehr viel effizienter gestalten und per SIMSme Business an die gleichzeitig der Vorbildfunktion zuständige Stelle. Da der Mes- gerecht werden, die Politik und senger als Web-Version auch auf Verwaltung zukommt, indem sie den Arbeitsplatzrechnern läuft, den sicheren Umgang mit Daten kann der HR- Mitarbeiter die AU vorleben. Dazu gehört auch der einfach per Drag & Drop in das Gebrauch eines sicheren Mesjeweilige Programm verschieben sengers.

Im kooperativen Steuerungsprojekt des IT-Planungsrates wurde unter Federführung des Bundes und der Freien Hansestadt Bremen ein Architekturkonzept für die föderale Umsetzung der EU-Richtlinie 2014/55/EU entwickelt, welche die öffentlichen Auftraggeber aller föderalen Ebenen bis zum Jahr 2020 verpflichtet, ausschließlich elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten. Das Ziel des Architekturkonzeptes war eine Art Blaupause für eine zentrale ERechnungsplattform – anwenderfreundlich und fähig zur Multikanalkommunikation. Besonderer Fokus wurde dabei darauf gelegt, bereits vorhandene technische Komponenten für die Umsetzung heranzuziehen. Dies ist im Zuge der IT-Konsolidierungen auf Bundes- und Länderebene eine der grundlegenden Voraussetzungen. Zwei der empfohlenen Anwendungen stammen dabei ebenfalls aus Bremen. Eine davon ist der Governikus MultiMessenger (GMM), die Antwort auf die He­

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23. Januar 2019, Berlin Themenüberblick, 10:00-15:30 Uhr: • DSGVO: Einordnung aus organisatorischer und technischer Perspektive • Compliance-Anforderungen und -Implementierung in öffentlichen Verwaltungen • Lösungen im Kontext der DSGVO • DSGVO-Kompass – Erfahrungsbericht aus der Praxis • Auftragsverarbeitung richtig gemacht – Hilfestellungen für die behördliche Praxis Referentinnen und Referenten: • Hans Martin Frank, Inhaber advisio GmbH • Christiane Grothues, Partner Opalis GmbH • Stefanie Köhl, Geschäftsführerin eGovCD • Karin Maurer, Leiterin DSGVO IBM DACH • Heidrun Müller, Senior Beraterin eGovCD • Uwe Nadler, IBM Senior Berater Informations-Management • Dr. Christian Schefold, LL.M., Dentons Europe LLP • Linda Strick, Director CSA EMEA, Cloud Security Alliance Mit fachlicher Unterstützung von:

Veranstalter:

*Tim Conrads ist Communications Manager bei Governikus.

Welchen Beitrag leistet Technologie für Behörden? (BS/Karin Maurer/Uwe Nadler) Die DSGVO ist in Kraft. Viele Schritte sind getan, Datenschutzvorschriften sind überarbeitet, Mitarbeiter im Umgang mit der neuen Verordnung geschult und weitere Maßnahmen ergriffen. Ist damit alles getan? Halten die Maßnahmen auch einem Dauer- und Regelbetrieb stand? Eine aktuelle Umfrage von bitcom research, die auf der 4. Bitkom Privacy Konferenz im September vorgestellt wurde, zeigt, dass nur 24 Prozent der befragten deutschen Organisationen die DSGVO tatsächlich vollständig umgesetzt haben.

Kurz vor Inkrafttreten der DSGVO befragte das IBM Institute of Business Value mehr als 1.500 Führungskräfte zum Thema “DSGVO Readiness”.. In der Studie wurden drei wesentliche Herausforderungen genannt, bei denen Technologie effizient zur DGSVOKonformität beitragen kann.

Compliance-Anforderungen und -Implementierung in öffentlichen Verwaltungen

Architekturkonzept mit Governikus Autent einen Funktionsbaustein, der eine Authentisierung der Kommunikationsteilnehmer abhängig vom konkret geforderten Vertrauensniveau ermöglicht und zugleich den Umgang mit notifizierten europäischen Identifikationsmitteln nach eIDASVerordnung gewährleistet. Für das Identitätsmanagement setzt Bremen in der Umsetzung auf Governikus Autent. Die Lösung ist ebenfalls eine bereits vorhandene Infrastrukturkomponente und steht über die Anwendung Governikus des IT-Planungsrates zur Verfügung. Gespannt darf auf die Umsetzungen des Architekturkonzeptes der anderen Bundesländer geblickt werden, die bald folgen müssen. Hier ist der Stichtag der 18. April 2020, ab dann müssen alle öffentliche Auftraggeber Rechnungen elektronisch empfangen und verarbeiten können.

DSGVO-Konformität

Herausforderungen und Lösungsansätze

EU-DSGVO im Praxis-Check

rausforderungen vielfältiger Empfangs- und Zustellkanäle. Als zentrale Poststelle verwaltet die intelligente Empfangsplattform eingehende E-Rechnungen technisch-juristisch, vereinheitlicht, prüft und protokolliert sie und sorgt für eine Weiterleitung an die definierten Stellen. Selbst sogenannte elektronische Zustell-Einschreibedienste können gemäß eIDAS-Verordnung empfangen und verifiziert werden. Über eine Webservice-fähige AS4-Schnittstelle bedient der MultiMessenger den innerhalb der EU genutzten Standard bei der wechselseitigen Kommunikation zwischen Behörden und Unternehmen. Sowohl Bund als auch Bremen setzen bei der Umsetzung ihrer Plattformen auf die Anwendung GMM des IT-Planungsrates. Ein weiteres Kernelement der E-Rechnungsplattformen ist ein Authentifizierungsmodul, über das eine zweifelsfreie Identifikation des Rechnungssenders anhand elektronischer Identitäten erfolgt. Hier empfiehlt das

1. Personenbezogene Daten finden Das Auffinden von personenbezogenen Daten, wie sie üblicherweise in Fachverfahren erhoben werden, ist eine Grundlage für die Erstellung des Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten gemäß Art. 30 DSGVO. Viele Organisationen sind zuversichtlich, DSGVO-relevante Daten in strukturierten Datenquellen finden zu können. Die Betroffenenrechte unterscheiden jedoch nicht zwischen strukturierten und unstrukturierten Daten. Deshalb müssen personenbezogene Informationen auch in E-Mails, Office-Dateien und anderen Dokumenten auffindbar sein. Moderne Softwarelösungen wie IBM StoredIQ können Dokumente, die personenbezogene Daten wie Namen, Geburtsdaten, Personalausweis-Nummern enthalten, aufspüren. 2. Einwilligungen und Verarbeitungszweck dokumentieren Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten muss rechtmäßig und nachvollziehbar sein. Dazu ist unter Umständen die freiwillige und unmissverständliche Einwilligung der betroffenen Person erforderlich, die auch jederzeit widerrufen werden kann. Da diese Einwilligung über verschiedene Kommunikationska-

ginn 2018 Public Cloud-Lösungen in Deutschland, die Kunden mehr Kontrolle und Karin Maurer ist Leiterin DSGVO IBM DACH. Transparenz über Daten bieten, als die DSGVO fordert. Zusätzlich sind dort auch KI- oder Analytics Services verfügbar. Kunden können somit die IBM EU-Cloud als Uwe Nadler ist als Senior BeDSGVO-konforme rater Informations-ManagePlattform nutzen ment im Unternehmen tätig. und gleichzeitig innovative LösunFotos: BS/IBM gen einsetzen. IBM hat den Cloud Code of Conduct mit-innäle (persönlich, Mobile App, itiiert und war 2017 eines der Internet etc.) erteilt und entzogen ersten Unternehmen, das Cloud werden kann, muss diese zentral Services zertifiziert hat. Die IBM verwaltet werden. Cloud verfügt über gängige ISOUm dieses Geflecht aus Einwil- sowie über die C5-Zertifizierung ligungen und Rechtsvorschriften in Deutschland. nachweisbar zu verwalten, gibt es sog. “Einwilligungs-Verwaltungs- Fazit Systeme”. Die Kommunikation und der Informationsaustausch zwischen 3. Datendiebstahl erkennen Bürger und Behörde, aber auch und Maßnahmen einleiten innerhalb von Behörden, wird Gemäß DSGVO muss die Verlet- sich durch die Digitalisierung zung des Schutzes personenbe- deutlich verändern. So wird die zogener Daten, innerhalb von 72 Einführung von Bürgerkonten Stunden an die Aufsichtsbehörde in Zukunft ermöglichen, die wegemeldet und unter Umständen sentlichen Informationen über die betroffene Person informiert einen Bürger an zentraler Stelle werden. Softwarelösungen helfen, zu verwalten und den dazu bediese Situationen zu erkennen rechtigten Stellen verfügbar zu und fristgerecht zu melden. Das machen. IBM Security Portfolio umfasst Die in diesem Artikel erörterten Komponenten für Daten-Risi- technischen Möglichkeiten leiskomanagement, Protokollierung ten dabei nicht nur einen Beitrag und Analyse von Daten-Aktivi- zur kontinuierlichen Verbessetäten und die DSGVO-relevante rung des Datenschutzes, sondern Aufbereitung der Berichte. bilden auch die Grundlage für die Weiterentwicklung digitaler Datenschutz bei Dienste.

Cloud-Lösungen

Immer mehr Unternehmen und Behörden nutzen neben Lösungen im eigenen Rechenzentrum auch Cloudlösungen, bei denen die Datenverarbeitung durch Dritte in der Cloud erfolgt. Mit der in Frankfurt installierten IBM “EU-Cloud” gibt es seit Be-

Mehr zu diesem Thema im Rahmen der Veranstaltung “EU-DSGVO im Praxis-Check” am 23. Januar 2019 in Berlin. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit unter www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort: DSGVO.


Behörden Spiegel / Dezember 2018

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ie Digitalisierung stellt die öffentliche Verwaltung in Deutschland vor enorme He­ rausforderungen: Es können nicht nur interne Prozesse au­ tomatisiert und Behördengänge über digitale Kanäle abgewickelt werden. Auch neue Formen der Bürgerbeteiligung, Datenschutz und Cyber Security oder agile Organisationsarten sind Themen, die Behörden in Bund, Ländern und Kommunen beschäftigen. Die Digitalisierung betrifft die öffentliche Verwaltung in zweifa­ cher Hinsicht: Einerseits fördert die Politik die Digitalisierung in Deutschland insgesamt; daher muss die Verwaltung die Um­ setzung entsprechender Gesetze begleiten und Förderprogramme umsetzen. Andererseits digita­ lisiert sich die öffentliche Ver­ waltung selbst, womit sich die Arbeit in den Behörden verändert. Um den Wandel zu bewältigen, brauchen die Mitarbeitenden so­ genannte Future Skills. Zu den Future Skills zählen zum einen fachliche technolo­ gische Fähigkeiten etwa im Be­ reich komplexe Datenanalyse, die einzelne Spezialisten benöti­ gen. Zum anderen gehören dazu überfachliche Fähigkeiten wie agiles Arbeiten oder Kreativität; sie werden immer wichtiger und sollten von einem Großteil der Mitarbeiter beherrscht werden.

Bis zu 290.000 TechnologieSpezialisten benötigt Der Stifterverband für die Deut­ sche Wissenschaft und die Un­ ternehmensberatung McKinsey & Company haben in einer Studie 18 technologische und überfach­ liche Future Skills definiert. Über 600 deutsche Unternehmen wur­ den dann dazu befragt, wie viele ihrer Mitarbeiter die jeweiligen Fähigkeiten heute bereits besit­ zen und wie groß der Bedarf an Mitarbeitern mit diesen Fähigkei­ ten in fünf Jahren sein wird. Das

Informationstechnologie

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Dringend benötigt Future Skills für die öffentliche Verwaltung (BS/Julia Klier/Julian Kirchherr) Mit der fortschreitenden Digitalisierung verändert sich der Kompetenzbedarf in der öffentlichen Verwaltung. Eine aktuelle Analyse zeigt: Bereits bis 2023 werden in den Behörden bis zu 290.000 Mitarbeiter mit technologischen Fähigkeiten fehlen. Neue Qualifizierungskonzepte müssen her. sungsfähigkeiten. Zwar handelt es sich bei den Zah­ len um Hochrech­ nungen, jedoch verdeutlichen sie die Größe der He­ rausforderung. Dr. Julia Klier ist Partnerin bei McKinsey & Company in Der öffentli­ München. che Sektor ist für Talente mit technologischen Fähigkeiten tra­ ditionell weniger attraktiv als die Privatwirtschaft. Wie groß dieses Dr. Julian Kirchherr ist SeniDilemma ist, be­ or Associate bei McKinsey & legt eine McKin­ Company in Berlin. sey-Umfrage: 90 Prozent der Füh­ Fotos:BS/McKinsey rungskräfte in der Verwaltung geben Ergebnis: Bereits in fünf Jahren an, dass sie Schwierigkeiten ha­ existiert eine enorme Lücke zwi­ ben, Nachwuchsführungskräfte schen Angebot und Nachfrage. zu gewinnen und zu binden. 77 Vorausgesetzt, diese Lücke ist Prozent sind der Meinung, dass im öffentlichen Sektor ebenso die Besten eines Jahrgangs nicht groß wie in der Privatwirtschaft, oder nur selten in ihrer Orga­ werden im Bereich öffentliche nisation arbeiten möchten. Als Verwaltung, Verteidigung, Sozial­ Gründe nennen die Befragten versicherung, Erziehung und Un­ nicht nur geringere Gehälter, terricht in den kommenden fünf sondern auch den Mangel an Jahren etwa 290.000 zusätzliche attraktiven Karrierepfaden und Spezialisten mit technologischen eine Kultur, die nicht ausrei­ Fähigkeiten benötigt. Davon ent­ chend innovativ sei. fallen allein 190.000 auf den Be­ reich komplexe Datenanalyse. Drei Maßnahmen zur Entwicklung von Future Skills Bei den überfachlichen Fähig­ keiten ergibt sich ein Qualifizie­ Die öffentliche Verwaltung rungsbedarf bei bis zu 1,1 Mio. muss reagieren. Insbesondere Mitarbeitenden. Im Mittelpunkt drei Maßnahmen bieten sich an, dieser Kategorie stehen Durch­ um Mitarbeiter in Behörden und haltevermögen, die Fähigkeit zum Ämtern für künftige Aufgaben zu digitalen Lernen oder Problemlö­ rüsten. Erstens gilt es, Future

Skills stärker in der Ausbildung des eigenen Nachwuchses zu ver­ ankern. Verwaltungshochschu­ len bieten eine geeignete Platt­ form, um sowohl fachliche als auch überfachliche Fähigkeiten zu vermitteln. Denkbar sind neue Studiengänge genauso wie neue Module bei bestehenden Studien­ gängen. Ein Schwerpunkt sollte angesichts des großen Bedarfs auf der Datenanalyse liegen. Anwendungsorientierte Kurse wie “Datenanalyse mit SPSS” der Deutschen Universität für Ver­ waltungswissenschaften in Spey­ er können als Vorbild dienen. Zweitens müssen bereits Berufs­ tätige ihre technologischen Fä­ higkeiten weiterentwickeln – der Bedarf ist so groß, dass er sich nicht allein durch Nachwuchs­ kräfte abdecken lässt. Infrage kommen viele Angebotsmodelle

wie berufsbegleitende Teilzeit­ studiengänge oder Einzelmodule an Hochschulen. Mitarbeiter, die bereits über solides Grundlagen­ wissen verfügen, können sich auf diese Weise zu Spezialisten auf zukunftsträchtigen Feldern entwickeln. Der Arbeitgeber weist auf passende Angebote hin und gewährt eine teilweise Freistel­ lung oder finanzielle Förderung. Einige deutsche Großkonzerne bieten in Kooperation mit Hoch­ schulen ausgewählten Mitarbei­ tenden bereits Weiterbildungs­ studiengänge an – ein attraktives Modell auch für den öffentlichen Sektor. Drittens kommt es darauf an, Beschäftigten überfachliche Fähigkeiten zu vermitteln. Der große Bedarf kann nur durch kontinuierliche Weiterbildung mit “Learning-on-the-Job” ge­

deckt werden. Denkbar wäre es etwa, Mitarbeiter zu verpflichten, jedes Jahr eine Weiterbildungs­ maßnahme zu Future Skills zu besuchen. Alternativ könnten Beschäftigte pro Jahr jeweils ein Weiterbildungsbudget z. B. in Höhe von 500 Euro erhalten, das sie für zertifizierte Weiterbil­ dungsangebote im Kontext der Future Skills nutzen. Natürlich muss sichergestellt sein, dass überhaupt genügend Weiterbil­ dungsangebote zur Verfügung stehen. Ein mögliches Vorbild ist das Programm “Digital Lea­ dership” der Führungsakade­ mie Baden-Württemberg, das sich an Mitarbeiter der Kommu­ nal- und Landesverwaltung in Baden-Württemberg richtet. Es vermittelt über unterschiedliche Formate vielfältige Digitalisie­ rungskompetenzen. Für die öffentliche Verwaltung gilt es jetzt, alle Möglichkeiten zu nutzen, sowohl technologische als auch überfachliche Fähigkei­ ten konsequent auszubauen. Nur so kann sie auch künftig ihrem Leistungsauftrag gerecht werden und die Chancen der Digitalisie­ rung für sich und Deutschland insgesamt nutzen.

MELDUNG

Studie für erfolgreiches Smart Government (BS/gg) Das Potenzial der intelli­ genten Datennutzung haben der Bitkom und McKinsey & Com­ pany für eine aktuelle Studie zum Thema Smart Government untersucht. Die Studie analysiert zehn inter­ nationale Fallbeispiele für erfolg­ reiche Smart-Government-Initi­ ativen. So können in Dänemark Bürger vorausgefüllte Formulare auf einem zentralen Online-Portal für Verwaltungsdienstleistungen nutzen. In Los Angeles wurde die Verkehrssicherheit von Schülern

durch gezielte Auswertung von Verkehrsdaten verbessert. Und in Frankreich nutzen Arbeitsbe­ hörden erfolgreich KI-gestützte Datenanalysen, um Arbeitssu­ chende bei der Jobvermittlung besser zu unterstützen. Aber auch in Deutschland finden sich bereits erste erfolgreiche Anwen­ dungen, etwa die datengestützte Fangquotenüberwachung. Aus den Erfolgsbeispielen lei­ ten sich für McKinsey-Partner Matthias Daub klare Handlungs­ empfehlungen ab. Dazu zählt

u. a. die Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens, etwa durch die gesetzliche Veranke­ rung des “Once-Only”-Prinzips. Diese Wiedernutzung von Daten bringe eine “Datensparsamkeit” mit sich, die auch dem Daten­ schutz diene, so Daub. Für die Verbesserung des Aus­ tausches und der Zusammenfüh­ rung von Daten über Behörden­ grenzen müsse von der Politik der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur gezielt gefördert werden.


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Informationstechnologie

“W

Raum für modernes Arbeiten

ir können nicht so weiterarbeiten wie in den letzten 20 Jahren”, stellte Dr. Markus Schmitz zur Eröffnung klar. “Wir müssen uns schneller, interdisziplinärer und vor allem radikal kundenorientiert aufstellen”, sagte der Generalbevollmächtigte der BA und Geschäftsführer Informationstechnologie und Digitale Prozesse – mithin CIO der BA.

Kunde im Fokus Dabei meint er mit Kunden nicht nur Bürger, die Dienstleistungen der BA in Anspruch nehmen, sondern auch die Mitarbeiter in der eigenen Organisation, für die das IT-Systemhaus Fachanwendungen entwickelt, sowie andere Behörden, die zum Beispiel Daten mit der Agentur austauschen. Ziel sei es, so Schmitz weiter, die Gewohnheiten der Kunden mit alltäglichen OnlineDiensten auch bei den Verwaltungsdiensten widerzuspiegeln. “Digitalisierung findet auch ohne Verwaltung statt”, mahnt er. “Aber Verwaltung kann heute nur erfolgreich sein, wenn sie sich digitalisiert.” Die Kunden erwarten, Dienste zu jeder Zeit an jedem Ort in Anspruch nehmen zu können, ergänzte der Vorsitzende der Geschäftsführung des IT-Systemhauses, Dr. Martin Deeg. Die Mitarbeiter auf der anderen Seite erwarteten Medienbruchfreiheit. “Kundendaten müssen im Prozess mitwandern, statt immer wieder neu eingegeben werden zu müssen.” Letztlich gelte: “Eine gute und leistungsfähige Software

D

ie Kernkompetenz des Statistischen Bundesamtes ist es, umfassende, relevante, aktuelle und zuverlässige statistische Informationen für Politik, Wissenschaft und Gesellschaft bereitzustellen. Unser Datenangebot besteht aus rund 400 Wirtschafts- und Sozialstatistiken. Wir sehen die Digitalisierung als Chance, die uns vielfältige Möglichkeiten bietet, unsere Aufgaben noch besser, schneller, flexibler und effizienter zu erfüllen. Um das volle Potenzial der Digitalisierung auszuschöpfen, gehen wir strategisch vor. Anfang 2018 haben wir deshalb eine umfassende “Digitale Agenda” entwickelt. Sie beschreibt 59 konkrete Maßnahmen und zeigt den Weg auf, den wir in den kommenden Jahren beschreiten wollen, um die digitale Transformation voranzutreiben. Mit der Digitalen Agenda schaffen wir die Voraussetzungen, um auch im 21. Jahrhundert der führende Informationsdienstleister in Deutschland zu bleiben.

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Bundesagentur für Arbeit eröffnet Agilen Campus

Austausch mit allen internen Stakeholdern über Videokonferenzen stattfinden. Feedback der Leistungsbezieher will man sich regelmäßig einholen, um auch nach dem Ausrollen die OnlineDienste weiter zu verbessern.

(BS/stb) In der Digitalwirtschaft sind sie häufig schon etabliert, gerade dort, wo Online-Dienstleistungen direkt für Endkunden entwickelt werden. Doch auch in der öffentlichen Verwaltung machen sie allmählich Schule. Die Rede ist von agilen Entwicklungsmethoden. Um diese noch besser in die Arbeit integrieren zu können, hat das IT-Systemhaus der Bundesagentur für Arbeit (BA) nun einen “Agilen Campus” am Standort im Nürn- Rückzug möglich berger Südwestpark bekommen. Die neuen Räumlichkeiten sollen flexibleres, eigenverantwortliches und kreativeres Arbeiten vor allem bei der Auf Gedeih und Verderb sind Software-entwicklung fördern. die Mitarbeiter dem agilen Mitist trotz allem ein Reinfall, wenn sie knapp an der Kundenerwartung vorbei entwickelt wurde.” Um den Anforderungen gerecht zu werden, sagte Deeg, sei man bereit zu investieren – nicht nur in Methoden, sondern auch in Technologie und Weiterbildung.

Raum fürs agile Arbeiten Einfangen will man diese Ausrichtung auf den Kunden mit einer Herangehensweise, die die Anforderungen der Kunden an den Anfang setzt und Feedback zum ständigen Begleiter macht. Bei der Scrum-Methode arbeiten Kollegen, die früher in verschiedenen Büros gesessen hätten, eng in Teams zusammen und produzieren in kurzen Zyklen von wenigen Wochen jeweils neue lauffähige Versionen einer Anwendung. Stellen sich dabei neue Ideen als nicht praktikabel heraus, kann schnell gegengesteuert werden. Neue Funktionalitäten werden ein bis zwei Mal im Jahr für Endnutzer und bei den internen Sachbearbeitern ausgerollt. Deren Zufriedenheit ist im Zweifel das Maß der Dinge. Ungewöhnlich für die öffentliche

Digital ohne Wenn und Aber: Zur Eröffnung des Agilen Campus wurde kein rotes Band zerschnitten, sondern ein roter Knopf gedrückt. V.l.: Harald Mohr (Vorsitzender des Personalrats des IT-Systemhauses der BA), BA-CIO Dr. Markus Schmitz, Rudi Hey (Bereichsleiter Infrastruktur und integriertes Arbeitsplatzmanagement), der Vorsitzende der Geschäftsführung des IT-Systemhauses der BA Dr. Martin Deeg Foto: BS/Bundesagentur für Arbeit

Verwaltung: Viele Entscheidungen sollen direkt im interdisziplinären Team getroffen werden, statt dass auf Rückmeldung von anderer Stelle gewartet werden muss. Die Bundesagentur versucht sich schon länger am agilen Mantra. Mit dem Agilen Campus soll dem Ganzen ein geeigneter infrastruktureller Unterbau

spendiert werden. Rund 3.600 Quadratmeter sollen dort rund 170 Mitarbeitern zur Verfügung stehen. Kreativ und flexibel gehen 17 Scrum-Teams an die Arbeit. Neben modernen und ergonomischen Arbeitsplätzen wurde beim Umbau des Erdgeschosses der Liegenschaft im Nürnberger Südwestpark vor allem auf zahlreiche weiträumige Büros Wert

gelegt. Dort sollen Kollegen aus verschiedenen Bereichen gemeinsam an aktuellen Projekten arbeiten können. Das verkürzt Wege und vereinfacht Abstimmungsabläufe. In einem Visual Center können neue Ideen oder Produkte vorgestellt und diskutiert werden. Auch Workshops, in denen echte Anwender ihre Vorstellungen und Wünsche äußern können, gehören zur Herangehensweise. So bereits geschehen mit OPAL (Online-Portal für Angebote und Leistungen der Familienkasse). Hinter dem Modellprojekt verbirgt sich die vollständige Digitalisierung aller Vorgänge im Zusammenhang mit dem Kindergeld, von der Antragstellung bis zum Einreichen von Dokumenten wie Studienbescheinigungen. Kernanforderungen wurden hier nach Interviews mit vier Leistungsbezieherinnen erstellt und priorisiert. Auch die Fachseite ist eng am Entwicklungsprozess dran – die Projektleitung stellt die Familienkasse selbst. Ganz im Sinne der Scrum-Methodik werden Entwicklungsstände nach dreiwöchigen Sprints präsentiert. Dann soll jeweils ein

Machine Learning im Statistischen Bundesamt Durchführung und Ergebnisse eines Proofs of Concept im Rahmen der “Digitalen Agenda” (BS/Martin Beck) Zentraler Auftrag der amtlichen Statistik ist es, relevante und verlässliche statistische Daten bereitzustellen. Dabei nutzen wir die Chancen, die uns die Digitalisierung bietet. Großes Potenzial liegt im Bereich Machine Learning. Wie erste Projekte im Statistischen Bundesamt (Destatis) gezeigt haben, wird dadurch die Datenaufbereitung beschleunigt, flexibilisiert und effizienter. So können Sektoren im Unternehmensregister automatisiert klassifiziert oder fehlerhafte Rohdaten anhand von bereits bestehenden Regeln automatisiert korrigiert werden. Belastende und zeitraubende manuelle Arbeiten können dadurch zukünftig verringert werden.

Random Forests und neuronale Martin Beck ist Leiter der Gruppe “UnternehmensNetze. Machine register, Klassifikationen, Learning wird Verdienste, übergreifende für unterschiedUnternehmensstatistiken” lichste Zwecke im Statistischen Bundesamt eingesetzt. In und war federführend für der Statistik sind den “Proof of Concept Mamögliche Einchine Learning” zuständig. satzgebiete eine effizientere Ver Foto: BS/Statistisches Bundesamt arbeitung der Rohdaten, zum gen werden, um neue Erkennt- Beispiel durch eine automatinisse zu gewinnen. Hinsichtlich sierte Fehlerbereinigung, die des grundsätzlichen Vorgehens automatisierte Zuordnung zu unterscheidet man zwischen Positionen einer Klassifikation überwachtem (supervised Lear- anhand von Klartexten, zum Beining) und unüberwachtem (un- spiel für Branchen oder Berufe, supervised Learning) maschi- und allgemein eine Verbreiterung nellen Lernen. Das überwachte der Analysemöglichkeiten. Rolle des Machine Learnings Lernen wird häufig zur KlassifiBei der internen Diskussion kation eingesetzt, also zur Zuord- Auch für die Praxis relevant? der Digitalen Agenda stand auch nung statistischer Einheiten zu Unsere Digitale Agenda sah als die Frage im Fokus, welche Rol- vorgegebenen Gruppen. Hierfür eines von vier Leuchtturmprole das Verfahren des Machine werden geeignete Trainings- und jekten die Durchführung eines Learnings, auch maschinelles Testdaten benötigt, für die das “Proofs of Concept Machine LearLernen genannt, im Prozess der wahre Ergebnis bekannt ist und ning” (PoC) im ersten Halbjahr Digitalisierung haben könnte. mit deren Hilfe die Voraussage 2018 vor. Ziel war es, konkrete Konkret: Ist Machine Learning für neue Fälle gelernt werden soll. Einsatzmöglichkeiten für Mahilfreich bei der Generierung sta- Unüberwachtes Lernen wird zum chine Learning in den Prozessen tistischer Informationen? Klar- Beispiel für die Identifikation von der Statistikerstellung zu idenheit soll die Antwort auf die Frage Ausreißern in Daten oder die Bil- tifizieren. Dabei konnte auf Erbringen, was Machine Learning dung von zusammengehörenden fahrungen aufgebaut werden, die überhaupt ist. mit ersten Projekten im Bereich Datenclustern verwendet. Das maschinelle Lernen zeichMachine Learning hat in den der Unternehmensstatistiken genet sich dadurch aus, dass auf letzten Jahren in Forschung und wonnen wurden. Um mehr über Grundlage vorhandener Daten medialer Wahrnehmung eine weitere Einsatzmöglichkeiten von Muster und Zusammenhänge explosionsartige Entwicklung Machine-Learning-Verfahren zu erlernt werden, die anschließend genommen. Gängige Methoden erfahren, wurden strukturierte auf neue Sachverhalte übertra- sind Support Vector Machines, Umfragen bei 32 nationalen und 39 internationalen Statistikinstitutionen durchgeführt. Die MELDUNG deutschen Institutionen meldeten insgesamt 36 Anwendungen maschinellen Lernens. Die Erstes Digitallabor in Baden-Württemberg internationalen Statistikinsti(BS/wim) Die baden-württem- Hier sollen Lösungen entwickelt tutionen setzten in insgesamt bergischen Gemeinden Bad werden, die den Bewohnern, 119 Projekten Machine Learning Peterstal-Griesbach, Bad Rip- aber auch Touristen des länd- ein. Statistics Canada meldete poldsau-Schapbach und Ober- lichen Raumes einen Alltagsnut- davon bei Weitem die meisten, wolfbach starten Anfang nächs- zen bieten. Bis 2020 sollen in gefolgt vom Australian Bureau ten Jahres das erste Digitallabor Baden-Württemberg insgesamt of Statistics, von Statistics New im Land. Zealand, dem Bundesamt für acht Digitallabore entstehen.

Statistik der Schweiz sowie Institutionen in den Vereinigten Staaten. Machine-Learning-Verfahren werden dabei in Deutschland und auch weltweit häufig zur Klassifikation und Identifikation statistischer Einheiten sowie zur Imputation fehlender Angaben verwendet. Unter den am häufigsten genannten MachineLearning-Methoden finden sich Random Forests, Verfahren, die neuronale Netze nutzen, Support Vector Machines sowie weitere entscheidungsbaumbasierte Verfahren. Die Ergebnisse zeigten beispielhaft eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten auf, die prinzipiell auch für das Statistische Bun-

desamt relevant sein können. Insgesamt haben wir 31 solche Einsatzmöglichkeiten für Machine Learning identifiziert. Die Projektideen zielen oft auf die maschinelle Klassifikation von Merkmalen oder die Identifikation von Einheiten (Dubletten, Ausreißer). Dies sind auch die Anwendungen, die bei den Rückmeldungen aus den nationalen und internationalen Statistikins­ titutionen sehr häufig genannt wurden. Ein weiteres Ergebnis des PoC war, dass als Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Machine Learning im Statistischen Bundesamt die notwendige Infrastruktur geschaffen bezie-

einander in den modernen Großraumbüros aber nicht ausgesetzt. “Wir haben durchgesetzt, dass nicht einfach rigoros alle Wände herausgerissen, sondern auch Rückzugsräume geschaffen wurden”, erzählt Harald Mohr*, Vorsitzender des Personalrats des IT-Systemhauses. Mit der finalen Umsetzung des Agilen Campus zeigt er sich sehr zufrieden. Die neuen Räumlichkeiten seien auch ein Ergebnis des Drucks aus der Mitarbeiterschaft. “Die Kollegen wollen agil arbeiten. Ich hoffe, dass die Veränderungen dann auch auf andere Etagen übertragen werden”, so Mohr. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Der Campus ist als ein Pilot angesetzt. In den nächsten sechs bis neun Monaten werde es eine intensive Begleitung geben, sagt CIO Schmitz. Wenn die Raumkonzepte die gewünschten Effekte auf Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit haben, werde man über eine Ausweitung nachdenken. *Harald Mohr ist Referent auf dem 5. Zukunftskongress Bayern (www.zukunftskongress.bayern) am 7. Februar 2019 in München.

hungsweise ausgebaut werden muss. Dies betrifft zum einen die erforderliche Hard- und Software, zum anderen die Schaffung eines internen Kompetenzzentrums für Machine Learning sowie entsprechende Schulungen und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Und nun? Konkrete Umsetzung! Insgesamt wurden im Rahmen des PoC zehn Handlungsempfehlungen entwickelt, die entweder bereits realisiert sind oder aber in den nächsten Monaten sukzessive umgesetzt werden. Dazu zählen insbesondere die genannten Infrastrukturmaßnahmen. Die Projektideen der Fachstatistiken werden auf ihre Umsetzbarkeit geprüft und anschließend realisiert. Das Statistische Bundesamt nutzt im Zuge des Digitalisierungsprozesses konsequent das Potenzial, das Machine Learning bietet, um schneller, flexibler und effizienter zu werden, und will in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen.

Die “digitale, atmende” Behörde BAMF zieht Halbzeitbilanz (BS/kh) Die Digitalisierungsagenda 2020 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) umfasst 115 verschiedene Vorhaben, Projekte und Verfahren. Gestartet wurde sie 2016. Zur Halbzeit zieht die Behörde in einer nun veröffentlichten Broschüre positive Bilanz und weist auf künftige digitale Entwicklungsschritte hin. “Unser Ziel ist es, Prozesse langfristig vollständig (Ende-zu-Ende) zu digitalisieren und dabei vor allem nutzerorientiert vorzugehen”, betont dazu BAMF-Vizepräsident Dr. Markus Richter. Anfangs sei es darum gegangen, die vorhandenen IT-Systeme aufzurüsten, heute stünden vermehrt die technische Skalierbarkeit und die fachliche Flexibilität der Prozesse im Fokus. Neben der Einrichtung eines IT-Labors erprobte die Behörde neue digitale Technologien, wie etwa Blockchain oder Künstliche Intelligenz. Ebenfalls nutze das BAMF als eine der ersten deutschen Behörden Methoden der agilen Softwareentwicklung, wie das Vorgehensmodell Scrum. Die Initiative “zentraler Posteingang” (ZPE) hat Standards gesetzt, um eine effizi-

entere und rechtssichere Postbearbeitung zu gewährleisten. Der zuständige BAMF-Projektleiter, Tobias Tummescheit, erläutert: “Durch die Digitalisierung von Dokumentenservices können wir vielfältige Vorteile erzielen. Wir erwarten Zeit- und Kosten­ einsparungen bei der Verfahrensbearbeitung, da Dokumente quasi in Echtzeit ausgetauscht und bearbeitet werden können.” Derzeit wird in dem Bundesamt eine zentrale digitale Plattform eingerichtet, die der Verwaltung, Koordinierung und Abrechnung der berufsbezogenen Deutschsprachförderung dienen soll. Angebunden werden an die Plattform Arbeitsagenturen, Jobcenter, Optionskommunen und Kursträger. “Wir haben in kürzester Zeit ein riesiges Sprachför-

derprogramm mit einem Volumen von über 400 Millionen Euro im Jahr bundesweit gestartet. Der Erfolg ist überwältigend: Binnen zwei Jahren wurden rund 330.000 Berechtigungen erfasst und mehr als 10.000 Kurse gestartet,” bestätigt Florian Knape, Verfahrensreferent für die Berufssprachkurse. Insgesamt ein gutes Fazit zieht auch René Böcker, der in der Behörde für Prozesse, IT und Projektmanagement verantwortlich ist: “Eine konsequente Digitalisierung ermöglicht finanzielle und zeitliche Einsparungen, die wiederum Digitalisierungsinitiativen zugutekommen – die Digitalisierung kann sich bei einer positiven Digitalisierungsrendite gewissermaßen selbst finanzieren.”


Behörden Spiegel-Kongresse 2019 (Auszug) Antworten auf die Fragen der Zeit finden

24./25. Januar

Hamburger Vergabetag Beim Hamburger Vergabetag diskutieren die Teilnehmenden mit namhaften Richtern der Vergabesenate über aktuelle Rechtsfragen und einschlägige Spruchpraxis. Zudem erfahren sie, wie Einkaufsstrategien wirksam und zugleich rechtskonform umgesetzt werden können. Das Vorab-Programm für Neueinsteiger in das Vergaberecht, die insgesamt zwölf Workshops mit einem stark praxisorientierten Ansatz sowie der Abendempfang zum Erfahrungsaustausch zwischen Beschaffungsexperten runden den Hamburger Vergabetag weiter ab.

7. Februar

> www.hamburger-vergabetag.de

19./20. Februar

Zukunftskongress “Bayern”

Januar

Februar

2./3. April

Netzwerk Digitaler Staat

Europäischer Polizeikongress Der Europäische Polizeikongress ist die größte internationale Fachkonferenz für Innere Sicherheit in Europa. Er will den Dialog zwischen den Behörden fördern, den Teilnehmern ermöglichen, neue Kontakte aufzubauen, führt kritische Diskussionen über aktuelle Themen und informiert in der Ausstellung über neueste Technologien. Auf dem Kongress wird außerdem der Zukunftspreis Polizeiarbeit verliehen. > www.european-police.eu

März

April

Der Digitalisierungskongress für Staat und öffentliche Verwaltung wird im April 2019 in Berlin stattfinden. Digitale Staatskunst, Digitale Daseinsvorsorge und Digitale Arbeit sind die Themen. Intelligente Automatisierung, ChatBot, KI, Blockchain, OZG, Once Only sind weitere Themen des Kongresses. > www.digitaler-staat.org

27./28. Juni

Europäischer Katastrophenschutzkongress

7./8. Mai

Mai Juni

Bürgermeisterkongress Zweitägiger Kongress zum Thema Risiken und Katastrophen in Deutschland für Bürgermeister, Landräte und Führungskräfte aus Städten, Gemeinden und Landkreisen. Das Programm des Kongresses wird zusammen mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gestaltet. > www.buergermeisterkongress.de

Durch die Konzentration auf eine Vielzahl von Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene und die unmittelbare Mitwirkung der Landesregierung ist beim Zukunftskongress “Bayern” gewährleistet, dass sich mitten in München die IT-Entscheider, Beschaffer und Multiplikatoren von Land und Kommunen treffen. > www.zukunftskongress.bayern

Der Katastrophenschutzkongress fördert den aktiven Dialog zwischen Behörden und Experten aus dem Katastrophen- und Zivilschutz. Schon zum 14. Mal ist der Kongress Treffpunkt für Teilnehmer aus mehr als 40 Nationen. Gemeinsam reflektieren sie politische Entwicklungen, vertiefen Kooperationen und schaffen Netzwerke. Dieses Jahr steht die neue EU-Richtlinie zum Katastrophenschutzverfahren im Mittelpunkt! > www.katastrophenschutzkongress.de

Baden-Württemberg 4.0

4. Juli Die Landesregierung Baden-Württembergs ist mit der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie digital@bw befasst, die das Land zu einer digitalen Leitregion in Deutschland und Europa machen soll. Der Kongress “Baden-Württemberg 4.0” wird diesen Prozess fortan begleiten und zusätzliche Impulse setzen – natürlich insbesondere mit dem Fokus auf die öffentliche Verwaltung und die digitale Transformation in den Behörden des Landes und der Kommunen. > www.bw-4-0.de

2./3. September

PITS

> www.euro-defence.eu Fotos: BS/Danetzki, Dombrowsky, Giessen

Kommunale Ordnung

 September

Innere Sicherheit ist ein komplexes Thema. Ständig veränderte Herausforderungen bedeuten sich stetig wandelnde und wachsende Aufgabenfelder im Netzwerk Sicherheit. Zentrum dieses Netzwerks ist die Ordnungsbehörde, in deren Verantwortung und Aufgabe die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit liegt. Dieser Bundeskongress soll daher insbesondere Bürger­meister, Dezernenten, die Leiter von Ordnungsämtern, kommunalen Ordnungsdiensten und Stadtpolizeien zusammenführen und eine Plattform für den Erfahrungsaustausch bieten. > www.kommunale-ordnung.com

7. November

e-nrw-Kongress Das zentrale Kongress-Ereignis im Umfeld von IT und IT-gestützter Verwaltungsmodernisierung in Nordrhein-Westfalen. Der Kongress “e-nrw” ist deshalb von zentraler Bedeutung, weil NRW mit rund 18 Millionen Einwohnern nicht nur das größte Bundesland ist, sondern nach der Kommunalreform mit über 400 Gebietskörperschaften auch über starke Kommunalverwaltungen verfügt.

Oktober

November

26./27. November Der Kongress zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung stellt die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik Europas in den Vordergrund. Sie ist die größte europäische Veranstaltung zu diesem Themenfokus.

24./25. September

August

Der Fachkongress Deutschlands für IT-und Cyber-Sicherheit bei Bund, Ländern und Kommunen. Bei der Public-IT-SecurityKongressmesse treffen sich jährlich die IT-Sicherheitsverantwortlichen der Verwaltungen und informieren und diskutieren über die neuesten Entwicklungen. Aussteller präsentieren ihre speziell auf die Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung zugeschnittenen Sicherheitslösungen. > www.public-it-security.de

Berliner Sicherheitskonferenz

Juli

> www.e-nrw.info

3. Dezember

Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur

Dezember 

Für Infrastrukturverantwortliche in Kommunen, Ländern und Bund ist dieser Kongress das entscheidende Event auf dem Feld neuer Kooperationsformen und Geschäftsmodelle – nicht nur bei Hochbau, Verkehr und Gesundheit. Infrastruktur heißt auch Informationstechnologie, öffentliche Dienstleistungen und Neuorganisation der Verwaltung. > www.oeffentliche-infrastruktur.de


Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Dezember 2018

Noch Luft nach oben

Geprüfte Qualität

EU eGovernment Benchmark 2018 erschienen

Zertifizierter Business Continuity Manager für Behörden und Unternehmen

(BS/gg) Ende November wurde der aktuelle eGovernment Benchmark 2018 veröffentlicht, den Capgemini im (BS) Die zunehmende Automatisierung, Auslagerung und fortschreitende Spezialisierung führt zu einer wachAuftrag der Europäischen Kommission und in Kooperation mit den Partnern Sogeti, IDC und Politecnico di senden Vernetzung von Lieferketten. Und auch die Ressourcen wie Informations- und Kommunikationstechnik, Milano erstellt hat. Gebäudetechnik und -Services, Personal und zunehmend auch Produktionstechnik und Logistik sowie deren Zulieferer/Dienstleister sind immer stärker miteinander verbunden. Durch die direkte Vernetzung dieser ResDer diesjährige eGovernment Über Online-Chats und weitere des Internetstandards IPv6, über- sourcen über mehrere Ebenen der Wertschöpfung hinweg steigen die Risiken, dass es zu Ausfällen und damit Benchmark beleuchtet in sei- Kanäle erhalten Anwender Un- prüft. Weniger als zehn Prozent zu Geschäftsunterbrechungen kommt.

ner 15. Ausgabe den Status der digitalen Transformation der Regierungen Europas und inwieweit öffentliche Institutionen die notwendigen Weichenstellungen vornehmen, um ihre gemeinsamen E-Government-Ziele zu erfüllen. Die Studie bezieht dabei Ergebnisse zur Verfügbarkeit und Qualität digitaler Services aus den Vorjahren 2016 und 2017 ein. Zu den bewerteten öffentlichen Leistungen zählen u.a. die Bereiche Umzug, Automobilbesitz und -nutzung, Unternehmensgründung sowie Jobsuche und -verlust. Demnach bietet Europas öffentlicher Sektor fortlaufend zusätzliche Leistungen online an. So stieg deren Verfügbarkeit innerhalb der letzten vier Jahre um 13 Prozentpunkte. Die Nutzerzentrierung des EGovernment liegt europaweit bei 82 Prozent und erfasst, wie umfassend und zugleich benutzerfreundlich ein Dienst online bereitgestellt wird. Aufgrund einer verbesserten mobilen Nutzerfreundlichkeit sind drei von fünf Leistungen nun auch über das Smartphone abrufbar. Zudem können Bürger und Unternehmen zunehmend Dokumente digital senden wie erhalten und Papier einsparen – der Indikator “E-Dokumente” liegt bei 63 Prozent. Große Bemühungen unternimmt die öffentliche Verwaltung beim Anwender-Support, wie der Reifegrad von 88 Prozent belegt.

terstützung, um relevante Informationen leichter zu finden oder Online-Formulare korrekt auszufüllen. Personenbezogene Daten nehmen eine Schlüsselrolle beim Angebot personalisierter Leistungen ein, etwa beim Once-OnlyPrinzip. Dieses sieht vor, dass Bürger und Unternehmen die Möglichkeit haben, bestimmte Informationen für verschiedene Leistungen nur einmal mitzuteilen. Wann immer personenbezogene Informationen für Anträge oder zur Leistungserbringung herangezogen werden, benötigt der Anwender eine gewisse Kontrolle über die zu verarbeitenden Daten. In der Tallinn-Erklärung von 2017 haben die verantwortlichen Minister der EU- und EFTAStaaten Prinzipien wie Offenheit und Transparenz bekräftigt und betont, dass Anwender selbst ihre von staatlichen Behörden genutzten personenbezogenen Daten digital verwalten können sollen. Allerdings wurde diese Ambition bislang nur rudimentär umgesetzt; der aktuelle Indikator “Transparenz bei personenbezogenen Daten” liegt bei 54 Prozent. Sehr schlecht schneiden die EU-Behörden bei der neu eingeführten Bewertung zur Cybersicherheit ab. Hierzu wurden von 3.500 öffentlichen Webseiten grundlegende Sicherheitsaspekte, etwa die Verwendung des Transferprotokolls HTTPS und

dieser Webseiten bestanden den durchgeführten Test. Marc Reinhardt, Leiter Public Sector bei Capgemini Deutschland, sieht das Land auf einem guten Weg, da wesentliche Weichenstellungen erfolgt sind: “Aktuell liegt Deutschland verglichen mit den gesamteuropäischen Ergebnissen weitgehend im Mittelfeld. Allerdings verzeichnen wir eine enorme Dynamik in Bund, Ländern und Kommunen, ausgelöst durch das OnlineZugangsgesetz. Die Umsetzung des Portalverbunds und des Digitalisierungsprogramms des IT-Planungsrates lassen erwarten, dass sich die beginnende Aufholjagd gegenüber führenden Staaten in den Ergebnissen der kommenden Jahre widerspiegeln wird. Ein wichtiges Indiz dafür ist die Qualität der deutschen Regierungsvorhaben, die mit 84 Prozent um 10 Prozent besser als der Durchschnitt bewertet wurde.” Dabei weist Reinhardt auf den Umgang mit personenbezogenen Daten als kritischen Faktor hin: “Sicherheitsaspekte sind für das Vertrauen essentiell und der Bürger sollte die Hoheit über seine personenbezogenen Daten haben, wie dies auch schon von der DSGVO gefordert wird. Nur so kann die nächste Ära personalisierter und datenbasierter Leistungen mit entsprechender Akzeptanz in der Bevölkerung vorangetrieben werden.”

Kelber folgt auf Voßhoff Bonner MdB wird Bundesdatenschutzbeauftragter

Diese Komplexität ergänzen Gefährdungen, die durch den Klimawandel verursacht werden, wie z. B. Extremwetterereignisse, oder vermehrte Bedrohungen von innen und/oder außen, z. B. Cyber-Attacken.

Drohenden Geschäftsunterbrechungen begegnen Drohenden Geschäftsunterbre­ chungen kann nur entgegen­ getreten werden, wenn Unternehmen, Behörden und Institutionen ein professionelles System etablieren, mit dem sie in einen geordneten Notbetrieb gelangen, um eine schwerwiegende Geschäftsunterbrechung mit geringstmöglichem Schaden zu überstehen – Business Continuity Management. Dieser ist ein Spezialist für diese Aufgabenstellung. Es übernimmt im Auftrag der Geschäftsleitung die Konzeptionierung, Planung, Implementierung sowie den Betrieb und die laufende Optimierung dieses am nationalen (z. B. BSI 100-4) und internationalen (z. B. DIN EN ISO 22301) Standards ausgerichteten Managementsystems. In einem Seminar der Cyber Akademie werden die Teilnehmer

befähigt, ein Business Continuity Management (BCM) im Unternehmen nach ISO 22301:2012 einzuführen und zu betreiben.

Übergreifende Wissensvermittlung Das Seminar vermittelt dazu das folgende übergreifende Wissen: • Ziele, Aufgaben, Führungsprinzipien und Ordnungsstrukturen des Business Continuity, • Einordnung des BCM in die Unternehmensorganisation, • BCM-Standards, insbesondere ISO 22301 und rechtliche Grundlagen, • Techniken, Zielsetzungen und Durchführung einer BusinessImpact-Analyse und BCM-Risikoanalyse, • Struktur, Inhalte und Anwendung von Notfallplänen im Business Continuity Management sowie • Prozesse des Business Continuity Managements (Übungen, Tests, Schulungen/Awareness, Audits) und deren Anwendung. Nach dem Prinzip “Learning by doing” wenden die Teilnehmer im Rahmen von Workshops die Mittel und Methoden des BCM anhand von Fallbeispielen selbst an.

Die angehenden Business Continuity Manager lernen die BCM-relevanten Standards und dessen Komponenten, BCMrelevante Gesetze und Good Practice Guides kennen. Sie erhalten einen umfassenden Blick auf den BCM-Lifecycle inklusive Business Impact und Risikoanalyse, Strategie & Maßnahmen, Tests und Übungen, Pflege und Qualitätssicherung. Gleichzeitig lernen die Teilnehmer die BCM-Organisation, ihre Rollen und Schnittstellen kennen (Aufbau BCM und Ziel, Fähigkeiten und Aufgaben des BC-Managers & BC-Beauftragten, relevanter Schnittstellen) kennen. Darüber hinaus erlangen sie Grundlagenkenntnisse über die Business-Continuityrelevanten Themenfelder wie ITService Continuity Management, ISMS und Notfallmanagement sowie eine vom TÜV-Rheinland geprüfte Zertifizierung. Das fünftägige Seminar findet vom 11. bis 15. März 2019 in Bonn statt. Weitere Informationen hierzu finden sich online unter www. cyber-akademie.de, Suchwort “Business”.

Forensik im Fokus IT-Sicherheitsseminare im März und April 2019 (BS) Ob allgemeine Grundlagen, die Sicherstellung und Interpretation von netzwerkbezogenen Datenspuren oder detailliertes Know-how zu Apple-Computern – die Liste der Herausforderungen und bedenkenswerter Punkte ist lang. Die IT-Forensik stellt Daten aus

Computer weltweit und spielen

Geräte nutzen standardmäßig

diese im Hinblick auf vereinbarte Untersuchungsfragen. Anwendungen sind zum Beispiel die Aufklärung von Wirtschaftskriminalität oder nicht regelkonformer Handlungen sowie von IT-Sicherheitsvorfällen. Allgemeine Grundlagen der IT-Forensik (Computerforensik) stellen erfahrene IT-Forensiker in einem Seminar der Cyber Akademie den Teilnehmern vor, die bisher damit professionell nicht befasst waren, deren berufliche Rolle künftig aber ein solides Grundverständnis erfordert. Dabei werden Konzepte und Beispiele mit dem Schwerpunkt “Sicherung und inhaltliche Auswertung von Datenträgern” vorgestellt. Ausgewählte Handlungsschritte werden mit typischen Werkzeugen vorgeführt. Darüber hinaus spielen Ap­ple Computer eine stetig bedeutender werdende Rolle. Sie sind die Computerplattform mit dem am zweithäufigsten eingesetzten Betriebssystem für Desktop-

als geschädigte Opfersysteme eine Rolle. Für IT-Forensiker und Ermittler ist daher ein detailliertes Knowhow zu Apple-Computern, dem Betriebssystem macOS, eingesetzten Dateisystemen und korrespondierenden Technologien wie iCloud, Time Machine, Spotlight und FileVault unabdingbar, um digitale Spuren sichern, erkennen und analysieren zu können. In zwei weiteren Seminaren der Cyber Akademie steht dabei eine möglichst umfassende Analyse im Fokus, um Straftaten verfolgen und Spuren gerichtsverwertbar dokumentieren zu können. Und schlussendlich wird das in die Jahre gekommene Netzwerkprotokoll IPv4 allmählich durch IPv6 abgelöst. Aktuell findet häufig ein Parallelbetrieb statt. Im internationalen Vergleich ist in Deutschland die Einführung der Technik bei Endkunden und Verbrauchern weit vorangeschritten. Viele IT-

u. U. direkt (auch) ein IPv6-Netzwerk aufgebaut wird. Zwar sind Grundkonzepte einfach zu verstehen und auch der praktische Betrieb ist mit wenig Aufwand möglich, der Teufel steckt jedoch bekanntermaßen im Detail. Diese beeinflussen die Sicherstellung und Interpretation von Netzwerkbezogenen Datenspuren unter Zuhilfenahme einer Vielzahl ITforensischer Werkzeuge. Folgende Seminare finden zu diesen drei Themengebieten in Berlin statt: • 12. bis 14. März 2019: Mac Forensik – Digitale Spuren auf Mac-Systemen, • 19. bis 21. März 2019: IT-Forensik für Einsteiger und Aufsteiger, • 2. bis 3. April 2019: Netzwerkforensik IPv6 sowie • 10. bis 12. April 2019: MacForensik – fortgeschrittene Analyse-Techniken und Hacking.

(BS/stb) Der Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber (SPD) tritt die Nachfolge der amtierenden Bundesbeauf- IT-Systemen als Beweise nach- sowohl als Tatmittel zur Durch- mittels Dual Stack auch IPv6, tragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), Andrea Voßhoff, an. vollziehbar sicher und beurteilt führung von Straftaten wie auch sodass bei ihrem Einschalten Bei der Wahl durch den Deutschen Bundestag erhielt Kelber Ende November 444 der 658 abgegebenen Stimmen. 355 Stimmen waren erforderlich. Die Nominierung war durch die SPD erfolgt. Am 1. Januar 2019 wird Ulrich Kelber sein Mandat als Bonns direkt gewählter Bundestagsabgeordneter niederlegen und das neue Amt antreten. Gewählt ist er für fünf Jahre. Kelber will sich für die einheitliche Durchsetzung der neuen Datenschutzgrundverordnung einsetzen – auch gegen die großen datensammelnden Konzerne. In seine Zuständigkeit als neuer Bundesdatenschutzbeauftragter fällt auch der Datenschutz in den

tet er vorbildhaftes Verhalten der Verwaltung. Mit Kelber ist erstmals ein Informatiker BunUlrich Kelber ist seit 2002 fünf Mal in Folge als Direktdesdatenschutzkandidat für Bonn in den beauftragter. Deutschen Bundestag geBevor er 2001 wählt worden. Foto: BS/SPD Vorsitzender der Bonner SPD wurde, war er als wisBundesbehörden. Hier will er die senschaftlicher Mitarbeiter in gesetzeskonforme Umsetzung der einem Forschungszentrum für in den letzten Jahren erweiterten Informationstechnik sowie als Befugnisse der Sicherheitsbehör- IT-Berater tätig. In der letzten den in den Blick nehmen. Auch Legislaturperiode war Kelber Parbei der Digitalisierung öffentli- lamentarischer Staatssekretär cher Dienstleistungen und im für Verbraucherschutz, Mietrecht Beschäftigtendatenschutz erwar- und Digitales.

Anerkannt sicher Landesbetrieb IT.NRW erhält BSI-Zertifikat (BS/wim) Der Landesbetrieb IT.NRW ist vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert worden. Mit dem Zertifikat bescheinigt das BSI dem IT-Dienstleister eine zuverlässig hohe IT-Sicherheit. Zur Anerkennung der Leistung überreichte Dr. Gerhard Schabhüser, Vizepräsident des BSI, dem Präsidenten des Landesbetriebs IT.NRW, Hans-Josef Fischer, das sogenannte ISO, 27001-Zertifikat auf der Basis von IT-Grundschutz. Gegenstand der Zertifizierung war die Betriebsinfrastruktur (BIS) für Verfahren der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen. Die Bewertung umfasst hierbei neben der Bereitstellung der räumlichen und technischen Infrastruktur auch das dazugehörige Servicemanagement. “Informationssicherheit ist die Grundlage für das Vertrauen in digitalisierte Dienstleistungen von Staat und Wirtschaft. IT.NRW

verarbeitet als IT-Dienstleister der Behörden und Einrichtungen der nordrhein-westfälischen Landesverwaltung viele sensible Daten und trägt damit eine hohe Verantwortung. Das BSI bietet mit dem IT-Grundschutz ein hervorragendes Instrument, mit dem die Informationssicherheit auf einem hohen Niveau etabliert werden kann”, erklärte Schabhüser bei der Verleihung. Hans-Josef Fischer erklärte zur erfolgreichen Zertifizierung seines Hauses: “Als verlässlicher Partner der Behörden und Einrichtungen der nordrheinwestfälischen Landesverwaltung sorgen wir für einen wirksamen Schutz der Informationen in den IT-Systemen unserer Partner.

Informationssicherheit ist eines unserer wichtigsten Anliegen. Umso mehr freuen wir uns, dass das BSI uns heute mit der Zertifizierung bestätigt hat, dass wir auf einem guten Weg sind.” Auch für den Wirtschafts- und Digitalisierungsminister von NRW, Prof. Dr. Andreas Pinkwart, ist die Zertifizierung des seinem Ministerium unterstellten Hauses ein Grund zur Freude: “Informationssicherheit ist eine grundlegende und unabdingbare Voraussetzung für die Digitalisierung und damit Schlüssel für den nachhaltigen Erfolg der Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen. Die heutige Zertifizierung zeigt, dass wir dabei auf dem richtigen Weg sind.”

Weitere Informationen unter www.cyber-akademie.de , Suchwort “Forensik”

MELDUNG

Gemeinsame Plattform für Smart Cities (BS/gg) SAP und die Software AG haben auf der Smart Country Convention ihre Kooperation für den Aufbau einer offenen Smart-City-Plattform bekanntgegeben. Mit der neuen Plattform sollen Städte, Gemeinden und Landkreise ihre individuellen Smart-City- und Smart-Coun­ try-Vorhaben eigenverantwortlich umsetzen und ihren Bürgern neue intelligente Services anbieten können. Die beiden größten Softwarehäuser Deutschlands haben die Plattform in Anlehnung an die Normierungsinitiative “Open

Urban Platform” der EU erstellt. Sie umfasst ein abgestimmtes Zusammenspiel von Komponenten aus den Bereichen Internet der Dinge, Big Data und Künstliche Intelligenz sowie eine Entwicklungsplattform für smarte Apps. Dabei integriert sie bestehende Dateninseln und ist offen für andere Lösungsanbieter – vom kommunalen Betrieb über den IT-Dienstleister bis hin zum Smart-City-Start-up. Damit leistet die Plattform auch einen Beitrag für die nationale digitale Souveränität in Deutschland. Auf der Smart Country Con-

vention präsentierten die beiden Unternehmen die Lösung in einem gemeinsamen Showcase, bei dem ein Aufsatz für ein Fahrzeug im Winterdienst relevante Daten rund um den Streudienst über Sensoren in Echtzeit in die Cloud liefert und für eine weitere Verarbeitung auf der SAP-HANA-Plattform bereitstellt. Die Software AG steuert hierfür verschiedene IoT-Services bei, etwa für das Gerätemanagement, das Onboarding von Sensoren sowie die Datenübermittlung an die Plattform.


IT-Security made in Germany

Behörden Spiegel / Dezember 2018

D

ie Arbeit an der ersten Fassung des sogenannten ITSicherheitsgesetz 2.0 hat begonnen. Mit dem Kabinettsbeschluss sei im nächsten Jahr zu rechnen, ist aus dem BMI zu hören. Bis dahin könnte es im Zuge von Ressortabstimmung und Verbändeanhörung noch die eine oder andere Transformation geben. Einige Punkte können aber als gesetzt gelten. So sollen weitere Branchen Mindeststandards nachweisen und bei erheblichen IT-Sicherheitsvorfällen melden müssen. Hat der erste Aufschlag von 2015 vor allem auf für die Versorgung relevante Kritische Infrastrukturen (KRITIS) fokussiert, wird es jetzt um solche Unternehmen gehen, bei denen IT-Pannen besonders große Kollateralschäden hätten, ohne dass damit auch Engpässe verbunden wären. Als wahrscheinliche Kandidaten stehen die Rüstungs-, die Chemie- und die Automobilbranche im Raum. Nachgedacht wird aber auch über eine vertikale Ausweitung innerhalb der betroffenen Sektoren, sodass auch Zulieferer unter die Regulation fallen könnten.

Viel zu tun fürs BSI Das könnte einige Unwägbarkeiten bei der Umsetzung mit sich bringen. Je nachdem, wo die Grenzen gezogen werden, könnte die Zahl der betroffenen Unternehmen um ein Vielfaches steigen, vor allem um kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). “Das erste ITSicherheitsgesetz ist im Großen und Ganzen gut angenommen worden”, sagt Teresa Ritter, Bereichsleiterin Sicherheitspolitik beim Digitalbranchenverband Bitkom. “Startschwierigkeiten gab es aber bei KMU, denen zum Teil nicht klar war, ob sie als KRITIS-Betreiber einzustufen sind oder nicht.” Eine massive Ausweitung des Anwendungsbereichs könnte also massiven Beratungsbedarf mit sich bringen, der zum großen Teil beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) aufschlagen dürfte. Langfristig wird es darauf ankommen, dass die Cyber-Sicherheitsbehörde auch das steigende Meldungsaufkommen bewältigen und für die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen sorgen kann. Und es kommt noch mehr Arbeit auf das Bonner Bundesamt zu. So soll mit der Gesetzesnovelle auch der Auftrag zur Unterstützung der Länder erweitert werden (mehr zum laufenden Ausbau

D

ies führt uns vor Augen, was geschieht, wenn sich Soft- und Hardware nicht so verhalten, wie sie es vorgeben zu tun. Die latente Gefahr beim Umgang mit Informations- und Kommunikationssystemen führt zu einem erheblichen Vertrauensproblem. Sie wirft die Frage auf, welche Schwachstellen noch in unseren Computern, Netzwerken und Smartphones verborgen sind. Künftige autonom handelnde Systeme, wie selbstfahrende Autos, werden unser Vertrauen in besonderem Maße erfordern. Wer garantiert uns, dass diese häufig intransparenten selbstlernenden Systeme nicht vorsätzlich zu Zwecken der Spionage oder Sabotage manipuliert wurden? Antworten auf diese Fragen können nur aus der Forschung kommen. Sie muss schon heute an Lösungen der Herausforderungen der Zukunft arbeiten. Dabei dürfen Fragen der IT-Sicherheit nicht isoliert betrachtet werden. Sie müssen von Grund auf, systemisch und missionsorientiert untersucht werden, denn die Sicherheit eines selbstfahrenden Autos entscheidet sich im Zusammenspiel aller

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Update für die IT-Sicherheit Bundesinnenministerium arbeitet am IT-Sicherheitsgesetz 2.0 (BS/Benjamin Stiebel) Die Umsetzungsfristen für das IT-Sicherheitsgesetz sind noch nicht verstrichen, da arbeitet das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) bereits an der zweiten Auflage. Während klar ist, dass mehr sicherheitskritische Unternehmen in die Pflicht genommen werden sollen, stehen beim Umgang mit den IT-Herstellern noch viele Fragezeichen.

Im BMI wird am Update des IT-Sicherheitsgesetzes auf Versionsnummer 2.0 geschrieben. Unklar ist noch, wie sehr der Anwendungsbereich für Mindeststandards und Meldepflichten ausgeweitet werden soll. Auch bei Produkthaftung und rechtlichen Grundlagen für die nationale Sicherheitsarchitektur stehen noch Fragezeichen. Foto: BS/©Marco 2811, stock.adobe.de

der BSI-Länder-Kooperationen im Behörden Spiegel November 2018, S. 38). Zudem soll das BSI auch für den Verbraucherschutz im Digitalen zuständig werden. Wie die Aufgabenteilung mit dem bisher zuständigen Justizministerium aussehen soll, bleibt abzuwarten.

Ein Geben und Nehmen Ein Kritikpunkt vonseiten der Industrie besteht bisher darin, dass den gesetzlichen Pflichten in der Praxis keine ausreichende Unterstützung gegenüberstände. Das findet auch Manuel Höferlin, digitalpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: “Die Unternehmen sind zwar verpflichtet, dem BSI eine Kontaktstelle zu nennen, im Gegenzug fehlt es aber an einem dort verankerten Mechanismus, der den Unternehmen aktuelle Informationen und konkrete Hilfestellungen zur Verfügung stellt.” Das BSI solle in Zukunft als “Scharnier” für den fortlaufenden Austausch zwischen Sicherheitsbehörden und Unternehmen fungieren. Ein gänzliches Umdenken fordert dagegen der stellvertretende Bundesfraktionsvorsitzende der Grünen, Dr. Konstantin von Notz: “Wir müssen weg von einem rein reaktiven Ansatz, bei dem Unternehmen verpflichtet werden, erfolgreiche IT-Angriffe zu melden, hin zu einem proak-

tiven Ansatz, der Investitionen in gute IT-Sicherheitslösungen belohnt, zum Beispiel über steuerliche Anreize.” Ein anderes Thema ist die Regulation von internetfähigen Geräten. Wie weit das BMI hier gehen will, ist noch unklar. Grundsätzlichen Handlungsbedarf sehen viele. So will Tankred Schipanski, Sprecher für die Digitale Agenda der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hersteller und Anbieter von IT-Produkten, die neben den Kritischen Infrastrukturen von besonderem nationalem Interesse sind, mehr in die Pflicht nehmen. Saskia Esken, Berichterstatterin für IT-Sicherheit bei der SPDBundestagsfraktion, bringt hier “Kennzeichnung, Update-Pflichten und klare Produkthaftungsregeln” ins Spiel. Dem schließt sich auch Petra Pau, Sprecherin für IT-Sicherheit der Fraktion Die Linke im Bundestag an. Hersteller von IT-Produkten müssten durch verbindliche Vorgaben wie eine garantierte Produkt­ lebensdauer “zu mehr Sorgfalt in der Entwicklung von Hard- und Software bewegt werden”. Auch die Wirtschaft steht dem Thema mittlerweile ziemlich offen gegenüber, schließlich sind die meisten Unternehmen selbst ITAnwender und damit steigenden Risiken durch Cyber-Angriffe ausgesetzt. Der Teufel steckt wie so oft im Detail. So wäre im

Bereich der Gewährleistung zu klären, ob Software im juristischen Sinne als Produkt gelten und unter das Regime der Produkthaftung fallen könnte. Dazu kommt, dass IT-Systeme von der rein physikalischen Ebene über Protokolle, Schnittstellen, Betriebssysteme bis hin zu Diensten und Endnutzer-Anwendungen unheimlich komplex sind. Daher lassen sich klare Haftungsketten nur schwer abbilden. Eindeutig ist die Situation hingegen, was verpflichtende Sicherheitsstandards angeht. Diese sind aufgrund europarechtlicher Vorgaben im rein nationalen Kontext gar nicht möglich. Entsprechend wird Deutschland im Einklang mit parallel laufenden Entwicklungen auf EU-Ebene weiterhin auf freiwillige Zertifizierung setzen. Im Verbrauchermarkt sollen IT-Si-

cherheitskennzeichen auf Basis einer herstellerseitigen Selbsterklärung eingeführt werden, zuerst für Internetrouter (mehr dazu im Artikel auf Seite 47).

Staatliche Kompetenzen regeln Offen ist noch, inwieweit die Stärkung der Cyber-Sicherheitsund Verteidigungsarchitektur der Bundesrepublik Einzug ins IT-Sicherheitsgesetz 2.0 finden wird. So wird schon seit Jahren der Ausbau des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums zu einem reaktionsfähigen Koordinationszentrum diskutiert, in dem die Sicherheitsbehörden nicht nur ein umfassendes Lagebild zusammentragen, sondern Sicherheitsvorfälle gemeinsam bearbeiten. Auch eine Einbeziehung der Länder ist schon länger im Gespräch. Die rechtlichen Grundlagen könnten mit

Cyber-Sicherheitsrat gründet Start-up-Hub Beitrag für mehr digitale Souveränität (BS/stb) Der Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e. V. hat einen Start-up-Hub gegründet. Dieser soll als Plattform fungieren, um junge IT-Security-Unternehmen mit großen Konzernen und Investoren einerseits und Bedarfsträgern im privaten und öffentlichen Bereich andererseits zusammenzubringen. So sollen bessere Rahmenbedingungen für einen Cyber-Sicherheitsmarkt geschaffen werden. “Derzeit haben wir in Deutschland kaum Kontrolle über unsere grundlegenden IT-Infrastrukturen, denn die Hauptzulieferer für Netztechnik, für Betriebssysteme und weitere Basiskomponenten sind US-amerikanische oder asiatische Hersteller”, so der Präsident des Cyber-Sicherheitsrats Deutschland e. V., Hans-Wilhelm Dünn. Entsprechend fehlt es an Einflussmöglichkeiten auf die Sicherheitseigenschaften der Hardund Software. Ein Problem, wenn einerseits Wertschöpfung immer mehr in digitalen Geschäftsmodellen passiert und andererseits unser Alltag, aber auch Kritische Infrastrukturen und öffentliche Verwaltung immer stärker von IT-Systemen abhängig werden. Die Marktbedingungen sind auch für spezialisierte CyberSecurity-Anbieter schwierig. Zwar werden viele innovative Ideen in Deutschland geboren.

Vermarktet werden sie jedoch häufig anderswo, nämlich da, wo das Geld ist. “Es gibt in Deutschland leider noch keine echte Private Equity Szene”, stellt Dünn fest, “und auch staatliche Fördermaßnahmen stecken derzeit noch in den Kinderschuhen.” Mit den Security-Start-ups wandern nicht nur Innovationen, sondern auch Fachkräfte ab (siehe auch Seite 47). Der Start-up-Hub des CyberSicherheitsrats soll als eine Keimzelle die Entwicklung eines kontrollierten nationalen Markts unterstützen. Das gehe aber nicht über Nacht, wie Dünn einräumt. “Wir wollen ein Umfeld schaffen, in dem Bedarfsträger gerade auch aus sensiblen Bereichen wie Verwaltung und öffentlicher Versorgung ihre Ansprüche formulieren können.” Diese könnten dann mit Ideen von vielversprechenden Start-ups

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser Deutschlands Weg zu vertrauenswürdigen Informationssystemen made in Germany (BS/Prof. Wolf-Dieter Lukas) Seit diesem Jahr befinden sich mehr als 800 Millionen Schadprogramme im Umlauf. In jeder Sekunde kommen durchschnittlich 4,5 neue hinzu. Getarnt als harmloser E-Mail-Anhang oder eingeschleust durch Schwachstellen anderer Programme, können sie – einmal zur Ausführung gebracht – die Kontrolle über das gesamte System übernehmen. Mit einem völlig neuartigen Sicherheitsrisiko sieht sich die Welt seit diesem Jahr durch die Veröffentlichung von Angriffen auf Computerchips konfrontiert, die unter dem Namen Meltdown und Spectre bekannt wurden. Fast alle aktuellen Prozessoren sind von diesen Schwachstellen betroffen, für die es aufgrund ihrer tiefen strukturellen Verankerung bisher noch keine Lösung gibt. Komponenten. Dieser Aufgabe stellen sich im Besonderen die drei Kompetenzzentren zur ITSicherheitsforschung in Darmstadt, Karlsruhe und Saarbrücken. Mit ihrem Ausbau hat das Bundesforschungsministerium die wissenschaftliche Expertise in Deutschland nachhaltig gestärkt. Darauf aufbauend wird auch die neue Agentur für Innovation in der Cybersicherheit des Verteidigungsministeriums und Bundesinnenministeriums die bedarfsorientierte Entwicklung neuer Sicherheitstechnologien voranbringen.

Kontrolle stößt an Grenzen Unseren Wohlstand verdanken wir einem internationalen Freihandel, in dem wir Produkte, Dienstleistungen und Know-how aus anderen Regionen der Welt

beziehen. Bei Informationstechnologien stoßen die etablierten Kontrollen zur Qualitätssicherung jedoch an ihre Grenzen. Was Computerprogramme und -prozessoren wirklich tun, zeigt sich letztlich erst im praktischen Einsatz. Auch hochentwickelte Kontrollsysteme setzten erst dort an, wo die Technik bereits betrieben wird. Sicherheitsprobleme werden so häufig erst nach langer Zeit und nur für Insider ersichtlich. Wo Kontrollen von Soft- und Hardware an ihre Grenzen stoßen, wird Vertrauen unverzichtbar. Eine sichere Digitalisierung – insbesondere der Verwaltung – erfordert deshalb von Grund auf sichere und vertrauenswürdige Komponenten. Ihren Herstellern müssen wir vertrauen können. Sie müssen unseren europäi-

dem zweiten IT-Sicherheitsgesetz kommen, wenn die Entscheidungslage es zulässt, heißt es aus dem BMI. Dasselbe gilt für die Regelung der aktiven CyberAbwehr, obwohl die Chancen hier deutlich schlechter stehen. Zwar hält das Ministerium längst einen Eskalationsplan bis hin zum “Takedown” als Ultima Ratio vor. Allerdings ist der Zugriff auf fremde Systeme ein heikles Thema und noch ungewiss, welche Behörde diese Aufgabe übernehmen sollte (mehr dazu im Behörden Spiegel September 2018, S. 43). Der Gegenwind aus dem Bundestag gegen “Hackbacks” und andere gegen die Integrität von IT-Systemen gerichtete Befugnisse ist nach wie vor groß, auch beim Koalitionspartner SPD. “Wir werden nicht müde, zu betonen, dass die allgemeine IT-Sicherheit nicht durch staatliche Angriffswerkzeuge gefährdet werden darf”, sagt Saskia Esken. “Das Offenhalten und Nutzen von Schwachstellen durch den Staat lehnen wir ab.” So sehen es auch FDP, Grüne und Linke. Aus der AfD-Bundestagsfraktion war keine Stellungnahme zum IT-Sicherheitsgesetz zu erhalten.

schen Werten und Normen uneingeschränkt verpflichtet sein. In diesem Sinne müssen wir die Erforschung und Entwicklung von Komponenten zum Quantenschlüsselaustausch in Deutschland vorantreiben, mit dem Ziel des Aufbaus einer vertrauenswürdigen und sicheren Quantenkommunikationsinfrastruktur – etwa für die Netze des Bundes. Wir müssen die gute wissenschaftliche Basis für Künstliche Intelligenz in Deutschland erweitern und die Marke “Artificial Intelligence (AI) made in Germany” zu einem weltweit anerkannten Gütesiegel machen. Das ist eines der Ziele der Strategie zur Künstlichen Intelligenz, die von der Bundesregierung am 18. Juli beschlossen wurde. Die Basis muss dabei eine vertrauenswürdige Hard-

und Software aus Deutschland und Europa bilden, auf deren Sicherheit alle weiteren Komponenten aufbauen.

Mensch muss im Mittelpunkt stehen Bei all diesen Maßnahmen muss unser ethischer Kompass die Richtung vorgeben. Denn es geht nicht um das, was möglich ist, sondern um das, was von der Gesellschaft gewollt ist. Über das Gewollte entscheiden dabei stets die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit der Politik. Sie müssen sich in einer digitalen Welt vollumfänglich auf den

zusammengebracht werden und diese wiederum mit Investoren. Ein gänzlicher Ausschluss internationaler Expertise ist dabei aber nicht das Ziel. Vielmehr solle der Hub auch die wichtige Diskussion über internationale Standards vorantreiben, so Dünn. “Denn vor allem mit Blick auf internationale Zusammenarbeit brauchen wir Transparenz, um nachzuvollziehen, welche Komponenten in welchen Systemen angewendet werden.” Auch das ist ein Weg, mehr Steuerungsmöglichkeiten und Vertrauen bei der Nutzung von Technologie zu gewinnen (siehe auch das Interview mit Frank Giessen auf Seite 49). Um Vertrauen geht es auch den in dem neuen Netzwerk aktiven Jungunternehmen. “Die haben von sich aus vorgeschlagen, eine Art Zertifikat für Cyber-Sicherheits-Start-ups zu schaffen.”

Schutz des Staates verlassen können. Niemand sollte sich vor Hintertüren in Geräten und Systemen fürchten müssen. Nur wenn wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen, werden Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in digitalisierte Dienstleistungen fassen und auch Angebote der digitalen Verwaltung annehmen. Ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur im Interesse unserer Verwaltung und Sicherheitsbehörden liegt, die Souveränität des Wissenschafts- und Forschungsstandorts Deutschland im Bereich der IT-Sicherheit zu stärken. Auch für Deutschlands Industrie bietet sich die Chance, mit vertrauenswürdiger Technologie das Qualitätsmerkmal IT-Security made in Germany weltweit zu etablieren.

Prof. Wolf-Dieter Lukas ist Leiter der Abteilung Forschung für Digitalisierung und Innovationen im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Foto: BS/© BMBF, Florian Willnauer



IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Dezember 2018

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IT-Sicherheit in die Wohnzimmer

Schwachstelle Mensch

Router-Richtlinie des BSI veröffentlicht

Ausländische Investoren wissen, wo sie angreifen müssen

(BS/stb) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat eine Technische Richtlinie (TR) für Heimnetz-Router veröffentlicht. Darin werden grundlegende technische Eigenschaften und herstellerseitige Servicemaßnahmen für einen sicheren Betrieb konkretisiert. Die TR ist der erste Kandidat zur Verwendung für freiwillige IT-Sicherheitskennzeichen, wie sie die Bundesregierung einführen will. Während das BSI von einem wichtigen ersten Schritt spricht, halten Kritiker die Anforderungen für zu lasch.

(BS/stb) Dem Ausverkauf von High-Tech-Unternehmen muss etwas entgegengesetzt werden, wenn Deutschland bei der Digitalisierung in Zukunft ganz vorne mitspielen will. Doch tut sich die Exportnation schwer, politische Härte gegen ausländische Investoren zu zeigen. Diese haben besonders vielversprechende Start-ups und weltmarktführende Mittelständler längst im Visier. Zur Vorbereitung von Beteiligungen und Übernahmen setzen sie auf teils perfide Strategien.

Router verknüpfen Heimnetze mit den Weiten des Internets. Mindestanforderungen für die Sicherheit sind nun in einer Richtlinie des BSI festgehalten. Die Konformität sollen Hersteller gegenüber Verbrauchern bald mit einem Kennzeichen bekunden können. Foto: BS/DeymosHR

Dass die erste TR, die Basis für ein Verbraucher-orientiertes Sicherheitssiegel werden soll, auf Router zielt, ist kein Zufall. Die Geräte sind die Schnittstelle zwischen privaten Netzwerken und dem Internet und haben deshalb eine besondere Rolle als Schutzschild gegen externe Angriffe. Gleichzeitig sind sie aber auch selbst der erste Anlaufpunkt für Cyber-Kriminelle. Schwachstellen in Routern sind Einfallstore in sonst in der Regel kaum geschützte IT-Umgebungen. Dass gerade hier Handlungsbedarf ist, zeigte ein groß angelegte Angriff Ende 2016, in dessen Folge fast eine Millionen Telekomkunden vom Internet abgeschnitten wurden. Dabei war man wohl noch glimpflich davongekommen. Ziel des Angreifers war es eigentlich, die Router unter Ausnutzung einer kurz zuvor entdeckten Sicherheitslücke unbemerkt zu übernehmen und in ein Bot-Netz zu integrieren, als Schatteninfrastruktur für weitere Cyber-Straftaten. Das ging schief, die Router fielen aus. Man kann sich ausmalen, welche Risiken von billigen Routern ohne regelmäßige Sicherheits-Updates ausgehen, sowohl für den einzelnen Nutzer als auch in der Masse für die Sicherheit der Informationssysteme im Allgemeinen.

Um Verbrauchern bessere Kaufentscheidungen zu ermöglichen, will die Bundesregierung nun IT-Sicherheitskennzeichen einführen. Zunächst für Heimrouter, dann auch für weitere Geräteklassen wie smarte Haushaltsgeräte. Grundlage sollen jeweils vom BSI mit den Herstellern und weiteren Interessengruppen abgestimmte Anforderungen sein. Die Hersteller können die Einhaltung mit einem Kennzeichen erklären. Zusätzlich soll es nach Vorstellung des Bundesinnenministeriums einen über QR-Code zugänglichen “elektronischen Beipackzettel” geben, der konkrete Eigenschaften sowie aktuelle Sicherheitsinformationen und ggf. Warnungen des BSI enthält. Unter den nun in der TR-03148 “Sichere Breitband-Router” festgehaltenen Anforderungen findet sich manches, das für den sicheren Betrieb unverzichtbar ist und eigentlich für jeden Hersteller selbstverständlich sein sollte. Wie die standardmäßige Verschlüsselung des WLAN-Signals mit WPA2. Gefordert wird außerdem eine Firewall sowie die Verwendung eines hinreichend langen und komplexen Passworts, um in die Geräteeinstellungen zu gelangen. Fortschrittlich ist die Richtlinie schon eher, was den fortlaufenden Support betrifft.

Verbraucher sollen eindeutig erkennen können, wie lange ein Router mit Sicherheits-Updates versorgt wird. Das Ende der Pflege sollen Hersteller transparent ankündigen.

Kein Haltbarkeitsdatum? Die konkrete Ausgestaltung geht Kritikern aber gerade in diesem Punkt nicht weit genug. Der Chaos Computer Club (CCC) bemängelt, dass die Angaben zur Support-Dauer nicht auf der Verpackung oder Werbung, sondern nur auf der Webseite gemacht werden müssen. So würden die entscheidenden Informationen beim Kauf nicht zur Verfügung stehen. In Sitzungen der Arbeitsgruppe zur Richtlinie hatte der Verein nach eigenen Angaben gegen den Widerstand der Kabelnetzbetreiber für ein festgeschriebenes “Mindesthaltbarkeitsdatum” geworben. Das BSI verteidigte seinen Ansatz, dass Hersteller frei wählbare Zeiträume wählen können, die sie den Kunden dynamisch mitteilen. Die Richtlinie sei ein erster Schritt zu mehr IT-Sicherheit für die Anwender, heißt es aus dem BSI. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung sei aber notwendig. Dazu seien weiterhin auch Interessengruppen wie der CCC eingeladen.

KOMMENTAR

Monopol durch Regulierung? (BS) Damit die digitalen Neulande von heute nicht zum digitalen Wilden Westen von morgen werden, braucht es Regeln. Und die sollen vor allem die Online-Riesen aus USA und Asien einhegen. Nicht zuletzt, um Raum für hiesige Marktteilnehmer zu schaffen. Doch gilt hier: Zu viele Regulierer verderben die Digitalisierung. Datenschutzrecht, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht, Internet- und Medienrecht: In all diesen Bereichen wird in Deutschland und Europa kräftig reguliert. Anlass sind immer wieder die großen Plattformbetreiber. Sie beherrschen die digitalen Märkte und damit einen großen Teil unseres Lebens. Allen voran die Sozialen Netzwerke sind Nährboden für allerlei Wildwuchs, der die Politik immer wieder vor Herausforderungen stellt: Profilbildung und Tracking, Verbreitung geschützter oder illegaler Inhalte, Hatespeech und Desinformation. All diesen Phänomenen muss man sich stellen und an vielen Punkten am Ende auch entschieden regulieren. Ein Ziel dabei ist es, fairen Wettbewerb zu ermöglichen und die digitalen Märkte vor Ort zu fördern.

Bei unbedachtem Vorgehen schlägt das ins Gegenteil um. Wenn eine schwere Regulierungskeule nach der anderen geschwungen wird, besteht die Gefahr, dass die Großen mehr oder weniger elegant darüber hinwegspringen, während es den Kleinen die Beine weghaut. So bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Google, Facebook und Co. haben Heerscharen von Juristen durch ihre Unternehmen gejagt und sich “compliant” gemacht. Für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in Europa ist das ein teurer Kraftakt, den viele immer noch nicht hinter sich gebracht haben. Die Folge: In den sechs Monaten seit Inkrafttreten der DSGVO haben Amazon, Google und Facebook ihre Marktanteile im Onlinewerbegeschäft zulasten kleinerer Anbieter erhöht. Gleichzeitig sind Investitionen in europäische Tech-Start-ups deutlich zurückgegangen. Werden zu viele Regulierungsbaustellen gleichzeitig ausgehoben, fliegen die Marktanteile den etablierten Playern am Ende von allein zu. Die Lösung heißt aber nicht Baustopp, sondern kluge

Steuerung der Vorhaben. Wenn unsere Welt immer digitaler und damit auch immer vernetzter wird, braucht es vielleicht auch eine vernetztere Gesetzgebung. Das erfordert eine einheitliche Vision und ein gemeinsames Vorgehen. Ein Kraftakt, keine Frage, vor allem auf europäischer Ebene. Aber einer, der sich lohnt. Vorlegen könnte die Bundesregierung. Die Idee eines Digitalministeriums wurde bisher verworfen, mit der nachvollziehbaren Begründung, dass die Digitalisierung ein Querschnittsthema sei und alle Ressorts Kompetenzen und Know-how vorhalten müssten. Diese Ressourcen müssen nun aber auch abgerufen werden, gerade bei Regulierungsvorhaben von großer Relevanz. Warum also nicht die Ressortabstimmung vor der Ausfertigung eines Referentenentwurfs durchführen – und zwar als Workshop-Reihe auf Arbeitsebene? Negative Wechselwirkungen und Zielkonflikte würden so frühzeitig bemerkt und könnten konstruktiv gelöst werden. Der Auftrag für das interdisziplinäre Vorgehen könnte aus dem Digitalkabinett kommen. Benjamin Stiebel

tive Start-ups einerseits und den Mittelstand andererseits. Nicht immer steht dabei eine staatlich gelenkte Strategie im Hintergrund. Meist geht es schlicht ums Geld. Geld, das Start-ups hierzulande oft fehlt, wenn sie innovative Ideen zur Marktreife bringen oder marktreife Geschäftsmodelle groß machen wollen. Risikokapitalgeber suchen Jungunternehmer dafür in Deutschland und Europa oft vergeblich. Fündig werden sie in den USA und Asien. Beide Regionen lagen einer Studie von Roland Berger zufolge 2017 mit Risikokapital-Investitionen von jeweils über 60 Milliarden Euro fast gleichauf. In Europa waren es nur rund 16, davon eine Milliarde in Deutschland.

Deutschland will in neuen Technologien wie KI führend werden. Dabei gelingt es in einigen Bereichen schon nicht, die gute Position zu halten. Das Paradebeispiel ist der Kauf des Robotik-Herstellers Kuka durch den chinesischen Konzern Midea 2016. Zwar wurde am Firmen­ standort Augsburg investiert und die Unabhängigkeit bis 2023 garantiert. Dies aber scheinbar nur, um Befürchtungen eines Knowhow-Abzugs zu beschwichtigen. Mittlerweile liegen Pläne für ein Joint-Venture von Kuka und Midea zur Errichtung eines großen Forschungs- und Produktions­ standorts in China auf dem Tisch. Als Reaktion auf den Fall hat die Bundesregierung die Außenwirtschaftsverordnung 2017 verschärft. Eine weitere Absenkung der Eingriffsschwelle wird derzeit diskutiert, um den Erwerb von Stimmrechtsanteilen ggf. verbieten zu können, wenn dadurch der Wirtschaftsstandort oder gar nationale Sicherheitsinteressen gefährdet würden. Dagegen regt sich aber auch politischer Widerspruch. Die härtere Gangart könnte im Ausland als protektionistische Maßnahme aufgefasst werden. Das könnte Deutschlands starke Außenhandelsposition gefährden, so sie Befürchtung.

Die Erben im Visier Haben ausländische Investoren bei deutschen Start-ups also leichtes Spiel, müssen sie für Beteiligungen in wertvollen mittelständischen Betrieben schon tiefer in die Trickkiste greifen. Bei den “Hidden Champions”, unter denen viele Weltmarktführer in technologischen Nischen sind, handelt es sich nicht selten um Inhabergeführte Unternehmen. Wer sein Unternehmen selbst aufgebaut und dessen Geschicke jahrzehntelang gelenkt hat, ist einem starken Engagement ausländischer Investoren gegenüber womöglich nicht aufgeschlossen. Bei den Erben könnte das jedoch schon anders aussehen. Hier setzt die US-amerikanische Kapitalbeteiligungsgesellschaft

Fehlendes Risikokapital Doch mit Blick auf die digitalen Märkte von Morgen haben Investoren es häufig auch weniger auf große Aktiengesellschaften abgesehen, sondern auf innova-

Silver Lake an. Das Unternehmen ist an großen Tech-Firmen wie Alibaba, Dell oder Skype beteiligt, 2016 investierte es in Flixbus. Wie eine mit Interna vertraute Person dem Behörden Spiegel berichtete, will Silver Lake seine Präsenz in Deutschland ausbauen. Dazu führe man dort auch eine Liste der wertvollsten mittelständischen Unternehmen. Besonders akribisch seien Besitzverhältnisse und Nachfolgeregelungen recherchiert worden. Wie alt sind die Inhaber? Sind potenzielle Nachfolger schon langfristig ins Unternehmen eingebunden oder haben sie keinerlei Bezug zum Familienvermächtnis? Informationen, die Silver Lake mögliche Einfallstore für Beteiligungsoder Übernahmeangebote zum richtigen Zeitpunkt aufzeigen können. Silver Lake wolle deutschen Mittelständlern nach eigenen Angaben bei der Digitalisierung unter die Arme greifen. Dafür biete sie Kapital und gerne auch Know-how in Form eines erfahrenen Geschäftsführers, der das Unternehmen durch die Umstrukturierung führen solle. “Letztlich geht es bei diesen Beteiligungen darum, aus Geld schnell mehr Geld zu machen”, so der Insider weiter. Ob es dem Unternehmen oder seinen Mitarbeitern langfristig nützt, spiele dabei keine Rolle. “Wenn ein Weiterverkauf an interessierte Konzerne im Ausland sich als lukrative Option herausstellt, dann wird auch das passieren.”

MELDUNG

Verwaltungsvereinbarung unterzeichnet (BS/stb) Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und Andreas Gegenfurtner, Präsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) haben eine Verwaltungsvereinbarung unterzeichnet. Darin ist festgehalten, dass die Cyber-Sicherheitsbehörde weiterhin für die Gestaltung der Informationssicherheit in den Telekommunikationsnetzen der Bundesregierung zuständig sein wird. Die BDBOS verantwortet ab 1. Januar 2019 die Netze des Bundes (NdB). Aufgaben und Kompetenzen in den Bereichen Planung, Aufbau, Betrieb und Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Regierungsnetzinfrastruktur sollen schrittweise von der bisherigen Betreiberin T-Systems übernommen werden

BDBOS-Präsident Gegenfurtner und BSI-Präsident Schönbohm beschlossen dauerhafte Zusammenarbeit zur Gewährleistung der Sicherheit der Netze des Bundes. Foto: BS/BDBOS, Güth

(siehe Behörden Spiegel November, S. 26). Das BSI soll diesen Prozess unterstützen und für die NdB die Rolle des GesamtIT-Sicherheitsbeauftragten und Gesamt-Notfallbeauftragten wahrnehmen. Außerdem fällt

weiterhin der Schutz der Regierungskommunikation und die Koordination bei IT-Sicherheitsvorfällen dem BSI zu. Das Konsolidierungsprojekt NdB, soll eine einheitliche Plattform für alle Weitverkehrsnetze des Bundes schaffen. Zielbild ist eine einheitliche, hochverfügbare Infrastruktur mit hohem Sicherheitsniveau. Bisher sind bereits der Informationsverbund der Bundesverwaltung (IVBV) und das Bundesverwaltungsnetz (BVN) in den Informationsverbund Berlin-Bonn (IVBB) inte­ griert. Auch das Verbindungsnetz von Bund, Ländern und Kommunen (NdB-VN, ehemals Deutschland-Online Infrastruktur, DOI) wird Teil der Plattform. Vorgesehen ist auch die Integration von ressorteigenen Weitverkehrsnetzen sowie die Anbindung des Ausland-IT-Netzes des Auswärtigen Amts.

Erste DSGVO-Strafe verhängt – Vermeidung wäre einfach gewesen von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security

Knapp ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) haben Behörden die erste Geldbuße gegen ein deutsches Unternehmen verhängt. Das soziale Netzwerk Knuddels. de hat User-Passwörter unverschlüsselt gespeichert. Aufgefallen war dies durch einen Hackerangriff, bei dem unzählige E-Mail-Adressen und Passwörter gestohlen wurden. Durch die Kooperation mit den Behörden fällt die Strafe mit

20.000 Euro sehr gering aus. Nichtsdestotrotz ist das Unternehmen ein unnötiges Risiko eingegangen. Sowohl der Hack als auch der Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO hätten mit einer zeitgemäßen Cyber-Abwehrstrategie vermieden werden können. So werden z. B. Data-Control-Module angeboten, die als Zusatzoption in die ITSicherheitssoftware integriert werden können. Solch ein Tool unterstützt nicht nur bei der

Ermittlung und dem Schutz personenbezogener und sensibler Daten, sondern implementiert auch proaktive Maßnahmen, um den Zugriff und die Verwendung durch Unbefugte zu verhindern. Darüber hinaus kann die Einhaltung der geltenden Vorschriften mit wenigen Klicks aufgezeigt und belegt werden. Für jedes Unternehmen eine lohnende Investition, die hilft, 2019 sicherer zu machen. Ihr Jan Lindner


IT-Sicherheit

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ie Geräteklasse der Multifunktionsgeräte hat sich mittlerweile zu eigenständigen IT-Systemen mit der integrierten Hard- und Softwarearchitektur eines Computers entwickelt. Im Blickwinkel der Informationssicherheit werden sie aber allzu oft nur als einfache Peripheriegeräte gesehen. Im August dieses Jahres wurde eine schwere Sicherheitslücke im Programmcode für die Bildverarbeitung bekannt, der in vielen Telefax-Modulen von Multifunktionsgeräten verwendet wird (“Faxploit”). Damit war es Sicherheitsforschern gelungen, mithilfe einer manipulierten Telefax-Übertragung die Kontrolle über das Gerät zu erlangen, Schadcode darauf auszuführen und es als Brückenkopf für Angriffe in das interne Netzwerk zu nutzen. Angreifer, die per Fax über den Telefonanschluss eindringen, agieren im toten Winkel der Cyber-Sicherheit, während sich Sicherheitsmaßnahmen oft nur auf Angriffe aus dem Internet fixieren.

Im toten Winkel der IT-Sicherheit Multifunktionsgeräte sicher betreiben (BS/Jens Lange) Die Digitalisierung der Verwaltung führt zu paradoxen Begleiterscheinungen. 65 Prozent aller Ausdrucke im Büro landen entweder sofort oder spätestens zum Feierabend im Papierkorb und ein Dokument wird bis zu 17-mal gedruckt, obwohl es digital zur Verfügung steht. “Vor dem Vernichten kopieren” könnte die Dienstanweisung in Schilda lauten. Im Mittelpunkt dieser Entwicklung stehen heute oft Multifunktionsgeräte, die Alleskönner für das Drucken, Kopieren, Scannen und Faxen. tung einfließen können. Ein Test der Hard- und Software soll gewährleisten, dass die Geräte die geforderte Funktionalität zuverlässig bereitstellen und darüber hinaus keine unerwünschten Nebeneffekte auftreten. Bei einem systematischen und methodischen Vorgehen lassen sich bestehende Schwachstellen aufdecken und mögliche Sicherheitsmaßnahmen ermitteln.

Schwachstellen aufdecken

Sichere Standardkonfiguration bestimmen Als unerlässlich hat sich eine

Teststellung der Geräte erwiesen, wenn es sich in die formalen Abläufe einbinden lässt. Am besten vor einer Auftragserteilung, damit die Ergebnisse in eine Bewer-

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Neben einer sicheren Betriebsumgebung in den Netzen und organisatorischen Maßnahmen, die für alle IT-Systeme eine Grundlage bilden, ist eine sichere

Jens Lange ist IT-Sicherheitsbeauftragter der Stadt Kassel. Er ist Mitbegründer und Moderator von IT-SiBeForum.de, einem Internetforum für den Austausch der IT-Sicherheitsbeauftragten der Kommunen und Länder. Foto: BS/privat

Konfiguration ein maßgeblicher Ausgangspunkt. Das kann sich jedoch als schwieriges Unterfangen herausstellen, wenn Geräte inzwischen über einen Funktionsumfang verfügen, der zu Handbüchern mit insgesamt über 1.000 Seiten führt. Abhilfe kann hier ein Planungsworkshop mit dem Hersteller bieten, den man im Idealfall bereits in der Ausschreibung und im Auftrag als Leistung verankert hat. Ziel sollte dabei die Ermittlung einer sicheren

Standardkonfiguration für jede Geräteplattform sein, die auch Bestandteil eines Sicherheitskonzeptes werden kann. Die Standardkonfiguration muss für jedes Modell klar und dokumentiert sein. Das ist nicht nur für den ersten Rollout wichtig, sondern auch für jeden späteren Gerätetausch im Servicefall oder bei Nachbestellungen. Bestandteil der Leistung sollte ebenso die Fortschreibung bei Modellwechseln sein, denn der Lebenszyklus eines Modells geht nicht immer konform mit der Laufzeit eines Rahmenvertrages.

Bedienfunktionen effizient einschränken Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Benutzerschnittstellen wie dem Bedienfeld gelegt werden. Viele Multifunktionsgeräte haben heute Anzeigen im Tablet-Format und ermöglichen die Bedienung über Touchscreen-

Funktionen. Die Benutzeroberfläche ist nicht mehr statisch und kann mit einer Vielzahl vorgesehener Funktionen auf unterschiedlichen Bedienebenen eingerichtet werden. Im Bestreben der Hersteller, dem Anwender möglichst viele Leistungsmerkmale zur Verfügung zu stellen, können die Sicherheit und die Ergonomie verloren gehen. So sollte es gut überlegt sein, ob z. B. das Speichern von Dokumenten für das spätere erneute Drucken zugelassen wird, wenn es allein dem Benutzer obliegt, die Dokumente auch wieder zu löschen. Wer hat auf welche Funktionen und Einstellungen am Gerät einen Zugriff? Festlegungen hierzu sollten in einem Rechte-und-Rollen-Konzept geregelt werden.

Rollout-Fehler vermeiden Hat man sichere und funktionale Standardkonfigurationen

für alle Geräteklassen ermittelt, stehen Auftragnehmer und Hersteller vor der großen Herausforderung, diese fehlerfrei auf alle Geräte anzuwenden. Werden die Geräte bei der Provisionierung einzeln manuell konfiguriert, steigt die Fehlerquote. Zudem dauert eine sichere Konfiguration heute ungefähr fünfmal länger als die Standardkonfigurationen, mit denen die Geräte sonst ausgeliefert werden. Was sich zunächst nur wie eine Unwägbarkeit des Auftragnehmers darstellt, kann im Betrieb aber schnell zu einer großen Gefährdung werden. Multifunktionsgeräte, die nicht wie erwartet funktionieren, und aufwendige Nachbesserungen können auch für Nutzer und Auftraggeber zu einem großen Ärgernis werden. Da ist es gut zu wissen, dass manche Anbieter in der Lage sind, mit einer vollständig automatisierten Konfiguration die Fehlerquote gegen Null zu drücken. Multifunktionsgeräte sicher zu betreiben, sodass weder Informationen über diese abfließen können noch die Sicherheit der internen IT-Netze beeinträchtigt wird, erfordert eine besondere Aufmerksamkeit und eine gute Planung.

Herausforderung für IT-Sicherheitsbeauftragte

Beschwerden gegen Google angekündigt

Der Weg vom Reifegrad 0 zum funktionierenden ISMS

Datensammelei bringt Verbraucherschutz auf den Plan

(BS) Ein Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) ist ein unverzichtbarer organisatorischer Werk- (BS/stb) Verbraucherschutzverbände in Europa gehen mit Datenschutz-Beschwerden gegen Googles Umgang zeugkasten zur Festlegung, Steuerung und Fortentwicklung der Informationssicherheit in Unternehmen und mit Standortdaten der Nutzer an. In Deutschland könnte es zur Klage kommen. Behörden. Die Einführung ist für IT-Sicherheitsbeauftragte aber eine große Herausforderung. Stolpersteine ergeben sich oft aus der Organisationskultur. Das Problem: Google sammelt eigenen Angaben bereits die Ein- WLAN-Netzwerke. 2017 wurden An Vorgaben und Umsetzungskonzepten für ISMS mangelt es nicht. Standards wie die ISO/ IEC 27000 und folgende, der ITGrundschutz des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und Vorgehensmodelle wie ISIS12 definieren Anforderungen und zeigen auf, wie ein ISMS einzuführen ist. Schwierigkeiten ergeben sich aber oft aus den Gegebenheiten in den alltäglichen Arbeitsabläufen und aus der Organisationskultur. Hier lauern erhebliche Konfliktpotenziale. Fehlendes Bewusstsein für die Relevanz der Informationssicherheit erschwert oftmals die Kommunikation. Mitarbeiter empfin-

den IT-Sicherheit nicht selten als störend und übertrieben und sind nur mühsam von der Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen zu überzeugen. Bremsend wirkt es sich auch aus, wenn das erforderliche Know-how an Schlüsselpositionen etwa in der Leitungsebene oder der Systemadministration fehlt.

Mehr als Fachwissen gefragt Mit dem fachlichen Wissen über Standards und Normen allein ist es also bei der Einführung eines ISMS nicht getan. IT-Sicherheitsbeauftragte müssen außerdem über Kompetenzen und Strategien verfügen, diese Stolpersteine der Organisations-

kultur pro-aktiv aus dem Weg zu räumen. Dabei helfen ein effektives Änderungs- und Kommunikationsmanagement sowie ein effektives Projektmanagement. Wie diese Bausteine mit ihren unterschiedlichen Perspektiven zielgerichtet zusammengeführt werden können, ist Thema des Seminars “Herausforderung ITSicherheitsbeauftragte/r – Der Weg vom Reifegrad 0 zum funktionierenden ISMS” der Cyber Akademie. Das Seminar findet am 13. März 2019 in Bonn statt. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.cyberaka demie.de, Suchwort “IT-Sicherheitsbeauftragte”

im großen Stil Standortdaten der Nutzer. Allerdings ist der Zweck der Speicherung häufig nicht erkennbar. Außerdem sind die Einstellungsmöglichkeiten so intransparent, dass von einer informierten Einwilligung wie sie europäisches Datenschutzrecht verlangt, keine Rede sein kann. Der norwegische Verbraucherschutzverband Forbrukerrådet hat die Vorwürfe nun in einer umfangreichen Studie zusammengefasst. Neben den Norwegern wollen nun Verbraucherschützer aus Griechenland, den Niederlanden, Polen, Schweden und Slowenien Beschwerden auf Basis der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einreichen. Der deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) prüft nach

leitung eines Unterlassungsverfahrens, nachdem Google einer Abmahnung im September nicht gefolgt sei. Ausgangspunkt für die Initiative der Verbraucherschutzorganisationen ist ein Bericht, in dem amerikanische IT-Forscher gezeigt hatten, dass auch nach Abschalten der Funktion “Standortverlauf” in mobilen Endgeräten die Verfolgung durch Goo­ gle nicht ganz unterlassen wird. Denn das Unternehmen erfasst den Aufenthaltsort des Nutzers bei allen Aktivitäten in GoogleDiensten, das heißt schon bei jeder Anfrage über die GoogleSuchmaschine. Gesammelt werden diese Informationen im “Aktivitätsverlauf”. Grundlage sind nicht nur GPS-Daten, sondern auch IP-Adressen oder genutzte

Nutzer sogar einige Monate lang über Mobilfunk-Sendeanlagen geortet. Zwar lässt sich der Aktivitätsverlauf löschen und die weitere Speicherung unterbinden. Dazu muss man aber erst tief in die Einstellungen des GoogleKontos einsteigen. Von politischer Seite hat es zu dem Sachverhalt kaum Reaktionen geben (siehe auch Behörden Spiegel November 2018, S. 39). Die europäischen Aufsichtsbehörden versuchen gerade, der Flut an Anfragen und Beschwerden Herr zu werden, die die DSGVO mit sich gebracht hat und haben derweil auch noch Zuständigkeitsfragen zu klären. Ob die Initiative der Verbraucherschutzbehörden dort also für Beschleunigung sorgen wird, bleibt fraglich.

UNGESICHERTE IT-HARDWARE – EIN UNTERSCHÄTZTES RISIKO IT-Geräte strahlen unkontrolliert sensible Nutzerdaten ab

Im Zweifel für? Deutschland hält an ausländischen Zulieferern fest

(BS/Joachim Stäcker*) Grundsätzlich erzeugen alle IT-Hardware-Komponenten (Computer, Monitore, Tastaturen, Drucker, Scanner, Router, Switche usw.) unkontrollierte, bloßstellende, elektromagnetische Abstrah- (BS/stb) Mehrere Industrienationen haben dem chinesischen Hersteller Huawei wegen Sicherheitsbedenken lung – wie ein offenes, privates WiFi/WLAN-Netz – die unter anderem sensible Informationen und geheime eine Absage beim Ausbau ihrer nationalen 5G-Infrastruktur erteilt. Der russische Hersteller von SicherheitslöZugangsdaten enthalten kann. sungen Kaspersky Lab wird in mehreren Ländern vom Einsatz in der öffentlichen Verwaltung ausgeschlossen. Deutschland hält sich mit solchen Maßnahmen zurück, weil es keine Hinweise auf Gefährdungen gebe. Datendiebe können diese Abstrahlung aus einer sicheren Entfernung von bis zu einigen hundert Metern als Rauschbilder oder sogar direkt als Klartextdaten abfangen, speichern und auswerten.

Tempest-Viren und modifizierten Treibern, die dafür sorgen, dass die unkontrollierte Informations-

Abstrahlung mehr aussenden, insbesondere durch den konsequenten Einsatz von Lichtwellen-

Die unterschätzte Gefahr des spurlosen Datendiebstahls Das Erschreckende ist, dass es heute mit überschaubarem technischen Aufwand und bei immer geringer werdenden Kosten für die erforderlichen Analysegeräte möglich ist, über diesen spurlosen Datenraub den Zugang zu Kritischen Infrastrukturen (KRITIS), Identitätsdaten und SmartHome-Steuerungen zu bekommen. Durch immer preiswerter werdende sogenannte Software Defined Radios (SDR) lassen sich die verwertbaren Informationen sicher und schnell aus der Abstrahlung der IT-HardwareKomponenten herausfiltern. Beängstigend ist die Kombinationen von speziellen Software/

Grafik: BS/Heinen ICS

Abstrahlung sich möglichst optimal über die entsprechenden Signalwege verbreitet. HEINEN ICS konzipiert und entwickelt NoSpy-Hardware-Produkte, die keine verwertbare informationshaltige elektromagnetische

Leitern in Verbindung mit innovativen, mechanisch-optischen Weichen für USB, HDMI und Ethernet. *Dipl.-Ing. Joachim Stäcker ist Bereichsleiter bei HEINEN ICS.

Nach den USA und Australien hat zuletzt Neuseeland Huawei vom Aufbau des schnellen 5GMobilfunknetzes ausgeschlossen. Der Einsatz von Netztechnik des chinesischen Konzerns würde “erhebliche Risiken für die nationale Sicherheit” bedeuten, so die Begründung des neuseeländischen Nachrichtendienstes. Hintergrund für die Bedenken ist ein 2017 in China in Kraft getretenes Gesetz, das Organisationen und Bürger ausdrücklich verpflichtet, die nationale Geheimdienstarbeit zu unterstützen. Auch in Russland gibt es eine ähnliche Rechtspflicht für Unternehmen. Ein Grund dafür, dass die USA, Großbritannien, Litauen und die Niederlande Kaspersky Lab von der Nutzung in der öffentlichen Verwaltung ausschließen. Auch das EU-Parlament rät Behörden der Union vom Gebrauch ab. Auf der Berliner Sicherheitskonferenz, die der Behörden Spiegel in Berlin

veranstaltet hat, sagte Patricia Zorko, Acting National Coordinator for Security and Counter Terrorism der Niederlande, dazu: “IT-Sicherheitsprodukte könnten als eine Art trojanisches Pferd missbraucht werden, um an sensible Informationen zu gelangen oder Angriffe vorzubereiten.” Zwar kenne man keine Fälle von derartigem Fehlverhalten seitens Kaspersky Lab. “Aber wir können auch nicht sicher ausschließen, dass es nicht passieren könnte”, so Zorko. (Der ausführliche Nachbericht zur BSC beginnt auf Seite 56.) In Deutschland gilt dagegen: Im Zweifel für den Beschuldigten. Oder wie es der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, ausdrückt: “Wissen, nicht glauben.” Es lägen keine Erkenntnisse vor, die eine Manipulation von Kaspersky-Software belegen könnten. Auf die technische Einschätzung des BSI beruft

sich auch die Bundesregierung, die von Maßnahmen gegen das Unternehmen absieht. Auch dem Einsatz von HuaweiNetztechnik wird wohl kein Riegel vorgeschoben. Es gibt zwar Stimmen aus Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt, die das begrüßen würden. Offiziell heißt es jedoch von der Bundesregierung, eine gesetzliche Grundlage für den Ausschluss eines bestimmten Anbieters vom 5G-Ausbau sei nicht geplant. Rückendeckung gibt es auch hier vom BSI. Huawei habe Einblick in seine Quellcodes angeboten, so könne man Vertrauensaussagen fachlich untermauern. Freuen dürfte das die Telekommunikationsanbieter in Deutschland, die sich ebenfalls hinter den chinesischen Zulieferer stellen. Für die geht es auch ums Geld. Denn preislich kann keiner der Wettbewerber Ericsson, Cisco oder Nokia mit Huawei gleichziehen.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Dezember 2018

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ehörden Spiegel: Symantec hat kürzlich in Saarbrücken ein Forschungslabor gegründet. Woran forschen Sie dort?

Giessen: Das neue Forschungslabor ist im CISPA HelmholtzZentrum i. G. (Center for IT-Security, Privacy and Accountability) angesiedelt und stärkt Symantecs globale Forschungsorganisation Symantec Research Labs (SRL). SRL ist innerhalb Symantec eine eigenständige Abteilung, die ehrgeizige Projekte mit langfristigen Implikationen für eine Gesellschaft übernommen hat, die zunehmend online lebt. Aufgrund dieser Verlagerung konzentriert sich Symantec einerseits auf Technologien, die den Verbrauchern mehr Sicherheit und Kontrolle über ihre Online-Leben einräumen und andererseits auf Technologien, die einen erstklassigen Schutz für Unternehmensdaten bieten, die zunehmend gewinnorientiert genutzt werden. Behörden Spiegel: Können Sie Beispiele nennen? Giessen: Der Forschungsschwerpunkt ist funktionierender Datenschutz. Das ist das bestimmende Thema dieser Generation! Wir als Verbraucher hinterlassen kontinuierlich Online-Fußabdrücke, die auf unsere eigene Identität zurückgehen und sie kompromittieren. Wir befinden uns an einem Punkt in der Geschichte, an dem eine ernsthafte und unkontrollierte Bedrohung für die eigene Identität und Privatsphäre besteht. Als einer der Marktführer in der Cyber-Sicherheitsbranche fühlen wir uns immens verantwortlich, unseren Kunden dabei zu helfen, ihre Identität zu schützen, sie vor ruchlosen Akteuren zu verteidigen und ihnen mehr Macht über ihre eigenen Informationen und deren Nutzung zu geben. Behörden Spiegel: Was hat Sie bewogen, nach Deutschland, ins Saarland zu gehen?

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Globales Know-how souverän nutzen Wie der Wirtschaftsstandort Deutschland sich in der digitalisierten Welt behaupten kann

gende Prinzipien einer sicheren digitalen Welt zu verständigen. Ganz konkret sollen z. B. sicherheitsrelevante Standards für IoTGeräte definiert werden.

(BS) Deutschland will im Wettbewerb der Technologietreiber nicht weiter ins Hintertreffen geraten. Mehr nationale Souveränität im Digitalen sei Behörden Spiegel: Sehen Sie aber kein Widerspruch zur Nutzung globalen Know-hows, wie Frank Giessen, Head of Government Affairs bei Symantec Deutschland, im Behörden als amerikanischer IT-SecuritySpiegel-Interview betont. Mit Benjamin Stiebel sprach er über das Potenzial des Forschungs- und Wirtschaftsstandorts Deutschland und über Hersteller für sich auch PartiZusammenarbeit für eine sichere Gestaltung der digitalen Welt. zipationsmöglichkeiten, wenn Giessen: Aus dem CISPA in Saarbrücken wird bis zum Jahresende das 19. Helmholtz-Zentrum in Deutschland entstehen. Es wird das erste HelmholtzZentrum für IT-Sicherheit sein. Die Helmholtz-Gemeinschaft beschäftigt bundesweit rund 39.000 Mitarbeiter und hat ein jährliches Forschungsbudget von 4,5 Milliarden Euro. Die Zentren verfolgen Forschungsziele des Staates, um die Lebensgrundlagen der Menschen zu erhalten und zu verbessern. Im 19. Helmholtz-Zentrum sollen mittelfristig rund 500 internationale Wissenschaftler tätig sein, der Jahresetat beträgt 50 Millionen Euro. Das sind hervorragende Voraussetzungen. Dazu kommt der exzellente Ruf des Standorts Saarbrücken in der Software-Branche sowie die starke Unterstützung der politischen Institutionen im Saarland. Was Deutschland betrifft, so ist es hinsichtlich des Bruttoinlandsprodukts die größte Volkswirtschaft Europas und die viertgrößte weltweit. Und Deutschland rangiert laut Weltwirtschaftsforum unter den fünf wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt. Die Unternehmen in Deutschland und die Bundesregierung haben den Stellenwert der Digitalisierung erkannt. Wer in Produktion, Vertrieb oder Produktentwicklung digitale Projekte wagt, hat gute Chancen, damit sein Wachstum nachhaltig zu steigern. Bis zu 126 Milliarden Euro zusätzliche Wertschöpfung könnten Deutschlands Unternehmen bis 2025 durch konsequente Digitalisierung erzielen, so eine Angabe der Unternehmensbe-

vollziehbar und richtig. Behörden Spiegel: Wie kann digitale Souveränität im Hinblick auf IT-Sicherheit erreicht werden?

Betont im Behörden Spiegel-Interview, dass mehr Kontrolle in der digitalen Welt auch mehr Know-how bei Politik, Wirtschaft und Bürgern erfordert: Frank Giessen, Head of Government Affairs bei Symantec Deutschland. Foto: BS/Giessen

ratung McKinsey. Mit diesen Potenzialen ist der Wirtschaftsstandort Deutschland für uns von zentraler Bedeutung. Behörden Spiegel: Trotz der hohen Wirtschaftskraft ist Deutschland genau wie Europa insgesamt bei Basistechnologien aber von Herstellern aus den USA und Asien abhängig, auch in sicherheitskritischen Bereichen. Entsprechend gibt es regelmäßig Forderungen nach digitaler Souveränität. Ist das der richtige Weg? Giessen: Mit der Digitalisierung droht ein immer größerer Teil der Wertschöpfung außerhalb Deutschlands und Europas stattzufinden – sei es bei Dienstleistungen, in der Automobilbranche oder bei internetfähigen Geräten, die unser alltägliches Leben zunehmend bestimmen werden. Das hat Folgen nicht nur auf die

Wirtschaftskraft, sondern auch auf die Möglichkeiten, die digitale Zukunft mitzugestalten. Die Regierungsparteien der Groko verschreiben sich deshalb im Koalitionsvertrag der Wahrung und Rückgewinnung technologischer Souveränität. Schon der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel forderte eine digitale Vision für Europa. Ziel sei es, dass Deutschland und Europa Innovationen anführt, in allen wichtigen Bereichen der digitalen Ökonomie – etwa Industrie 4.0, intelligente Dienstleistungen und Big Data. Damit würde es Deutschland schaffen, in einer globalisierten Welt Standards zu setzen, Marktführerschaft zu erreichen und zugleich seine digitale Souveränität zu sichern. Dieser Ansatz ist aufgrund der Digitalisierung und der damit begonnenen und bevorstehenden Veränderung der Märkte nach-

Giessen: Es kann nicht darum gehen, in Zukunft alle Basistechnologien in allen Bereichen selbst zu entwickeln, um die volle Kontrolle zu erhalten. Das wird nicht funktionieren. Auch wenn Deutschland und Europa in einigen Bereichen führend werden, braucht es das globale Know-how, um die Digitalisierung zu stemmen. Souveränität kann man aber dadurch erreichen, dass man die Technologien versteht und sich in die Lage versetzt, bei ihrer Entwicklung Einfluss zu nehmen und sich im Einsatz Selbststeuerungsmöglichkeiten zu bewahren. Dazu müssen sich aber auch alle Akteure befähigen: Wirtschaft, Politik und Bürger. Behörden Spiegel: Einflussmöglichkeiten wird es aber ohne Entgegenkommen der anderen Länder und der Unternehmen kaum geben können, oder? Giessen: Es braucht hier sicherlich mehr Transparenz und mehr Vertrauen zum gegenseitigen Vorteil. Ein gutes Beispiel, wie man hier vorankommen kann, ist die Charter of Trust, die auf Initiative von Siemens ins Leben gerufen wurde. Zu den Mitgliedern gehören global agierende Industriekonzerne und IT-Hersteller sowie mit dem TÜV Süd auch einer der größten Zertifizierer. Ziel ist es, ein weltweites Netzwerk bedeutender Akteure zu schaffen, um sich über grundle-

Deutschland und Europa nach digitaler Souveränität streben?

Giessen: Diese Entwicklung ist sicherlich nicht aufzuhalten und sich als ausländisches Unternehmen dagegen zu sperren, wäre kontraproduktiv. Als Symantec fragen wir uns also durchaus, wie wir teilhaben können. Unser größter Schatz sind unsere Daten. Als einer der Marktführer in der Cyber-Sicherheitsbranche mit Millionen Kunden verfügen wir über eine der größten zivilen Schadcode-Datenbanken der Welt. Symantec verwendet eine offene Architektur, d. h. durch offene Programmierschnittstellen besteht die Möglichkeit, Bedrohungsdaten gemeinsam zu nutzen und mit anderen Anbietern zusammenzuarbeiten. Daher haben kleinere Unternehmen auch die Möglichkeit, Daten über die Plattform zu erhalten und mit größeren Anbietern zusammenzuarbeiten und somit größere Kunden zu erreichen. Start-ups, die in Deutschland innovative Geschäftsmodelle im Bereich Cyber-Sicherheit auf den Weg bringen wollen, könnten von diesem Wissen enorm profitieren. Wir stellen diesen Unternehmen unsere Daten gegen Gebühren zur Verfügung. Darüber hinaus bietet Symantec für kleinere Unternehmen im Bereich Cyber-Sicherheit Finanzierungsmöglichkeiten an. So können wir Venture-Capital für Start-ups bereitstellen. Eine Win-win-Situation – nicht nur für uns und die jungen Unternehmen, sondern auch für die deutsche Politik, die sich mehr nationale Expertise in der CyberSicherheit wünscht.

Kein Ende in Sicht

net wird. Zum Entpacken muss yber-Kriminellen geht es in der Nutzer ein Passwort eingealler Regel ums Geld. Und ben, das er dem Anschreiben der das lässt sich mit Ransomware Ransomware: Neue Ansätze halten das kriminelle Geschäftsmodell am Leben Pseudo-Bewerbung entnehmen gut verdienen. Im Jahr 2017 sind Unternehmen dadurch (BS/stb) Seit sich die Aufregung um die Angriffswellen mit WannaCry und NotPetya von 2017 gelegt hat, ist es in der Öffentlichkeit hierzulande kann. Angeblich eine Maßnahme schätzungsweise acht Milliarden ruhig um das Thema Ransomware. Tatsächlich ist die Erpressungsmasche aber weiterhin lukrativ für viele kriminelle Hackergruppen. Die gehen zum Schutz der Privatsphäre des Dollar Schaden entstanden. In dabei immer gezielter vor. Absenders. Was eigentlich dahinProduktionsanlagen in Deutschtersteckt: Ein passwortgeschützland kam es durch Befall von Organisationsnetz die jeweilige höherer Erfolgsquote und mit Ransomware des Jahres ist Gand­ gne, die sich die Gutgläubigkeit tes Archiv kann von vielen ViBedienstationen und anderen Schadsoftware nicht, landet sie deutlich höheren Lösegeldfor- Crab. Der Schädling ist unter an- von Mitarbeitern in Unternehmen renscannern nicht selbstständig Steuerungskomponenten schon auf dem Rechner und beginnt, derungen. geöffnet und überprüft werden. derem als Exploit-Kit erhältlich, und Behörden zunutze macht. zu teils mehrwöchigen Ausfällen. wichtige Daten oder gleich die Die Täter verteilen angebliche Der Angreifer schmuggelt das Als Vorreiter gilt eine kleine also gewissermaßen als RundBetroffen waren auch Kritische ganze Festplatte zu verschlüs- Gruppe, die schon seit 2016 mit um-Sorglos-Paket für weniger Bewerbungen per Mail, die Ran- “trojanische Archiv” also durch Infrastrukder Ransomware SamSam aktiv versierte Cyber-Kriminelle. Seit somware wird erst aktiv, wenn die Sicherheitskontrolle, geöffturen wie ist, vor allem in den USA. Der einigen Wochen ist GandCrab das angehängte Archiv entpackt net wird es vom nichtsahnenden Betriebe im Einstieg ins Netzwerk gelingt auch Teil einer perfiden Kampa- und die enthaltende Datei geöff- Nutzer. Gesundheitsihnen meist durch das Knacken wesen und in schwacher Remotedesktop-Passder Logistik. wörter in Geräten, die außerhalb Ein Großteil der Sicherheitsperimeter liegen. der SofortVon dort aus verschaffen sie Meldungen sich über die üblichen Hackingvon IT-SicherMethoden schrittweise weitere Neue Risiken mit neuen Technologien managen heitsvorfällen Zugriffsrechte. Sind alle Vorbein Bundesbereitungen getroffen, platzieren (BS/Dr. Volker Strecke*) Die digitale Transformation ist nicht mehr nur optional oder gar ein Unterscheihörden gesie ihren Schädling zeitgleich dungsmerkmal – vielmehr ist es für Behörden und Unternehmen zur Pflicht geworden, um bei den heutigen genüber dem auf allen Systemen. Gefordert digitalisierten Abläufen und Prozessen den Überblick zu bewahren und um wettbewerbsfähig zu bleiben. Mit den neuen Technologien kommen jedoch neue Risiken. B u n d e s a m t Ransomware erfreut sich bei Cyber-Kriminellen ungebro- werden Lösegelder in Höhe von f ü r S i c h e r - chener Beliebtheit. Was sich ändert, sind die Methoden zur 10.000 bis 50.000 Dollar. SamSam war unter anderem 3.) Die Fähigkeit, eine maßgeheit in der Verteilung und zur Umgehung von ­Sicherheitsmaßnahmen. Das Management digitaler Risi- nagement digitaler Risiken zu die Ursache dafür, dass im März schneiderte Roadmap für das Informations- ken erfordert die Zusammenar- unterstützen: Foto: BS/© arrow, stock.adobe.com dieses Jahres in Atlanta Polizistechnik (BSI) 1.) Die Fähigkeit, digitale Ri- Management digitaler Risiken beit zwischen Sicherheits- und gehen auf Ransomware zurück. seln. Dann sieht der Nutzer die ten und andere Bedienstete der Risikomanagementteams. Diese siken mit einem einheitlichen mit der RSA Risk & CyberseJüngst ist die Zahl der Ransom- Aufforderung, einen bestimmtes, Stadt tagelang ihre Berichte auf Ausrichtung bietet Organisati- Ansatz für Sicherheit und Ri- curity Practice, den RSA® Risk ware-Angriffe zwar zurückge- meist verhältnismäßig geringes Papier ausfertigen mussten und onen Transparenz, damit sie siko zu minimieren – darauf Frameworks und der RSA Argangen. Dafür ist das Vorgehen Lösegeld (englisch: ransom) in Bürger ihre Wasserrechnungen über die richtigen Informati- bereitet RSA Organisationen mit cher® Suite zu entwickeln. der Kriminellen aber deutlich Bitcoin zu zahlen, damit die Da- und Parktickets nicht bezahRSA unterstützt gemeinsam onen verfügen, Einblicke zur der RSA Archer® Suite und der Priorisierung von Reaktionen RSA NetWitness® Platform auf mit dem Distributor Arrow ausgefeilter geworden. Typi- ten wieder freigegeben werden. len konnten. Kürzlich konnten Mittlerweile gehen einige Ha- infolge von FBI-Ermittlungen scherweise sind sie bisher nach und die Fähigkeit, angemessene die Herausforderungen des di- ECS AG und weiteren Partnern dem Gießkannenprinzip vorge- ckergruppen anders vor. Sie zwei Iraner dafür zur Anklaund rechtzeitige Maßnahmen gitalen Risikomanagements vor. Behörden und Unternehmen 2.) Die Fähigkeit, digitale Ri- in jeder Phase ihrer digitalen gangen. Mithilfe von Bot-Netzen platzieren die Schadprogramme ge gebracht werden. Doch die zu ergreifen. werden automatisiert Millionen gezielt von Hand in den Netz- Strategie macht Schule. Längst Zur aktiven Umsetzung bietet siken mit modernen Benutzer­ Transformation. verseuchter Mails meist wahllos werken von Organisationen und sind mit BitPaymer, Ryuk oder RSA mit seiner Business-driven authentifizierungsmethoden zu verteilt. Die Nutzer werden mit umgehen dabei sogar gezielt Si- Dharma Ransomware-Varianten Weitere Informationen oder Security-Strategie transforma- kon­trollieren – die RSA Secur­ tive und skalierbare, prozess­ ID® Suite und die RSA® Fraud Anfragen: rsa.ecs.de@arrow.com mehr oder weniger trickreichen cherheitsmechanismen, löschen im Umlauf, die ähnlich funktiNachrichten zum Klicken eines Back-ups und verwischen ihre onieren. orientierte Sicherheitslösungen, & Risk Intelligence Suite bieten *Dr. Volker Strecke ist Senior Links oder zum Herunterladen Spuren. So gab es 2018 insgeGanz Ausgestorben ist die klasdie sich in drei wesentlichen sicheren Zugriff und multiplen eines Anhangs bewogen. Erken- samt weniger Angriffe als in den sische Massen-Ransomware aber Funktionen unterscheiden, Betrugsschutz für eine digital Business Development Manager nen die Sicherheitssysteme im beiden Vorjahren, allerdings mit nicht. Die wohl meistgenutzte um Organisationen beim Ma- vernetzte Welt. bei Arrow ECS AG.

Digitale Transformation und Sicherheit


19. – 20. Februar 2019, bcc Berlin Congress Center Fokus Europa Migration – Integration – Sicherheit Hauptprogramm Dienstag, 19. Februar 2019 07:30 Uhr Eröffnung der Ausstellung / Registrierung 08:45 Uhr Eröffnung des 22. Europäischen Polizeikongresses R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber, Behörden Spiegel 09:00 Uhr Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Bundesrepublik Deutschland 09:30 Uhr Wolfgang Sobotka, Präsident des Nationalrates, Republik Österreich 10:00 Uhr Viorica Dancila*, Ministerpräsidentin Rumänien 10:30 Uhr Andreas Kleinknecht, Mitglied der Geschäftsleitung, Geschäftsbereich Public Sector, Microsoft Deutschland GmbH 11:00 Uhr Kaffeepause 11:45 Uhr Fachforen – Block 1 13:15 Uhr Mittagspause 14:40 Uhr Grenzsicherung in Europa Moderation: Fritz Rudolf Körper, Staatssekretär a. D. Teilnehmer: Präfekt Massimo Bontempi*, Direktor der Zentraldirektion für Immigration und Grenzpolizei, Italienische Republik Fabrice Leggeri, Exekutivdirektor Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX), Europäische Union Adrian Popescu*, Generalinspekteur der Grenzpolizei, Rumänien Dr. Dieter Romann, Präsident Bundespolizeipräsidium, Bundesrepublik Deutschland Generalmajor Robert Strondl*, Leiter der Abteilung II/2 Einsatzangelegenheiten, Bundesministerium für Inneres, Republik Österreich General Zacharoula Tsirigoti*, Generalinspekteurin für Ausländerpolizei und Grenzschutz, Hellenische Republik 15:40 Uhr Analytics in der Ermittlungsarbeit am Beispiel Terrorismusprävention Michael Hohensee, Manager Pre-Sales Fraud NEMEA & Leendert Kollmer, Solution Architect Pre-Sales Fraud NEMEA, SAS Deutschland 16:00 Uhr Kaffeepause 16:15 Uhr Fachforen – Block 2 17:45 Uhr Kaffeepause 18:30 Uhr Gemeinschaftsaufgabe Integration Moderation: N.N. Teilnehmer: Michel Goovaerts, Chief of Police, Brussels Capital Ixelles Police Cordula Heckmann*, Schulleiterin Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli Martin Henriksen*, Vorsitzender des Ausländerausschusses, Dänisches Parlament General i.R. Karl Mahrer, Bereichssprecher für Polizeiangelegenheiten, Abgeordneter zum Nationalrat, Republik Österreich Boris Palmer, Oberbürgermeister Stadt Tübingen 19:30 Uhr Buffet und Networking Aktuelle Programmänderungen finden Sie unter www.europaeischer-polizeikongress.de

Fachforen

Dienstag, 19. Februar 2019 Forum 1A Grenzsicherung: Intelligente Grenzen und Identitätsmanagement Forum 1B Big Data bei der Polizei Forum 1C Organisierte Kriminalität: Wirtschaft & Finanzen Forum 1D Cyber-Crime: aktuelle Phänomene und Herausforderungen Forum 1E Die Bedeutung der Verkehrssicherheitsarbeit für die Kriminalitätsbekämpfung

Mittwoch, 20. Februar 2019 07:30 Uhr Eröffnung der Ausstellung / Registrierung 08:40 Uhr Holger Münch, Präsident Bundeskriminalamt 09:10 Uhr Thomas Haldenwang*, Präsident Bundesamt für Verfassungsschutz 09:40 Uhr VPAM 3 war gestern, VPAM 6: Schutz für die gesamte Polizeifamilie Georg Scharpenack, Geschäftsführer Ulbrichts Protection, Ulbrichts Witwe GmbH 10:00 Uhr Geheimhaltung vs. öffentliches Interesse – was bleibt vertraulich? Moderation: Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat Teilnehmer: Wilfried Karl, Präsident Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbunds des NDR, des WDR und der Süddeutschen Zeitung Julian Reichelt*, Vorsitzender der Chefredaktionen und Chefredakteur Bild Dieter Schürmann, Landeskriminaldirektor, Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 10:45 Uhr Messenger als Mannausstattung – Niedersachsen und Hessen weisen den Weg Andreas Noack, CEO, stashcat GmbH 11:05 Uhr Kaffeepause 11:30 Uhr Verleihung des Zukunftspreises Polizeiarbeit 2019 11:45 Uhr Diskussionsrunde der Landesinnenminister und -senatoren Moderation: R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber Behörden Spiegel Teilnehmer: Andreas Geisel, Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin Hans-Joachim Grote, Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein Joachim Herrmann, Bayerischer Staatsminister des Innern, für Sport und Integration Boris Pistorius, Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport Herbert Reul, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 12:45 Uhr Mittagspause 14:30 Uhr Fachforen – Block 3 16:00 Uhr Kaffeepause 16:15 Uhr Organisierte Kriminalität: Schleusung & Menschenhandel Moderation: Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. und Präsident des BND a. D., Programm- und Herausgeberbeirat Behörden Spiegel Teilnehmer: Robert Crepinko, Leiter des European Migrant Smuggling Center (EMSC), Europäisches Polizeiamt (EUROPOL) Peter Henzler, Vizepräsident Bundeskriminalamt Frank Hoever, Direktor Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen General Franz Lang, Direktor Bundeskriminalamt, Republik Österreich 17:00 Uhr Zusammenfassung und Ausblick R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber Behörden Spiegel Moderation: Dieter Wehe, Inspekteur der Polizei Nordrhein-Westfalen a. D.

Forum 2A Cyber-Kriminalität, Spionage, Wirtschaftsschutz: Herausforderung für die Sicherheitsbehörden Forum 2B Gewalt gegen die Polizei Forum 2C Sichere mobile Kommunikation Forum 2D Polizist der Zukunft Forum 2E Elektromobilität – Erfahrungen aus dem Einsatzbereich der Polizei Forum 2F Analyse und Auswertung von Massendaten Forum 2G Intelligente Videoanalysen als Hilfsmittel für die Polizei

Mit Unterstützung von

Mittwoch, 20. Februar 2019 Forum 3A Ausrüstung und Ausstattung: sicher, robust Forum 3B Videoüberwachung von öffentlichen Räumen Forum 3C Smart Policing: intelligente Polizeiarbeit Forum 3D Digitale Kriminalistik Forum 3E Künstliche Intelligenz: ein Instrument für die Polizei? Forum 3F Intelligence-led Policing: informationsbasierte Polizeiarbeit


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Dezember 2018

Europa den Europäern?

KNAPP

Zwischen transatlantischer Bündnistreue und eigenständiger regionaler Integration

Landesweites Fahndungsportal gestartet

(BS/Dr. Gerd Portugall) “Europa den Europäern?” Diese Formulierung spielt in Analogie an auf die berühmte Monroe-Doktrin aus dem Jahre 1823 (“Amerika den Amerikanern”). Die (BS/mfe) Die nordrhein-westisolationistische Trump-Administration hat ein sicherheitspolitisches Erdbeben unter anderem auf dem Alten Kontinent ausgelöst. Werden die Europäer notgedrungen in der Lage sein, fälische Polizei verfügt über ein ihre Sicherheit selbst zu organisieren? Russen (hybride Kriegsführung) und Chinesen (Neue Seidenstraße) positionieren sich bereits. neues, landesweites InternetAuf Einladung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge sprach der französische Präsident Emmanuel Macron anlässlich des Volkstrauertages Mitte November als Gastredner im Deutschen Bundestag. Dabei betonte er: “Europa muss stärker werden, deswegen muss es eigenständiger werden” – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des mittlerweile ausgesprochen schwierigen Verhältnisses zur NATO-Führungsmacht USA unter Präsident Donald J. Trump. Integrationstheoretisch betrachtet, spielen die Vereinigten Staaten in Bezug auf den militärischen Zusammenschluss der Europäer aktuell die Rolle des sogenannten “negativen Föderators”, d. h. die Europäische Union (EU) schreitet militärisch voran als Gegenreaktion auf die Außen- und Sicherheitspolitik der TrumpAdministration. Bereits fünf Tage vor dem Macron-Besuch in Berlin hatte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel vor dem Europäischen Parlament in Straßburg eine viel beachtete Rede zur Zukunft Europas gehalten. Dabei präzisierte sie: “Europa ist unsere beste Chance auf dauerhaften Frieden, auf dauerhaften Wohlstand und auf eine sichere Zukunft.” Einheit und Geschlossenheit sind aus Merkels Sicht dafür unverzichtbar. Sie nannte insgesamt drei Bereiche, auf die es ankomme. Der erste – und damit offenkundig wichtigste – Punkt war die Außenund Sicherheitspolitik. Europa sei nur geschlossen stark genug, um auf der globalen Bühne gehört zu werden und um seine Werte und Interessen verteidigen zu können – auch gegenüber USPräsident Trump. Europa müsse langfristig handlungsfähiger werden, forderte Dr. Merkel. Es müsse dort auf Einstimmigkeit verzichtet werden, wo die Verträge dies möglich machten.

Auch Nils Annen (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt in Berlin, setzte auf der BSC die transatlantischen Akteure in Relation: Danach stünden 326 Millionen Einwohnern der USA zusammengerechnet 511 Millionen Einwohner in den EUMitgliedsstaaten gegenüber. Mit anderen Worten: Europa brauche sich gegenüber Amerika nicht zu verstecken. Aber: Natürlich ist die EU nicht ebenso handlungsfähig wie ein Nationalstaat.

EU-Meilensteine

Das Eurokorps gilt als Keimzelle der militärischen Integration Europas – hier deutsche und französische Soldaten bei einer Übung. Foto: BS/Bundeswehr, Marco Dorow

Den Punkt “Einstimmigkeit” hatte auch Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen bei der Eröffnung der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz (BSC) Ende November aufgegriffen.

BSC – immer hochaktuell Die deutsche Ministerin plädierte auf dem Kongress dafür, dass europäische Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik künftig per Mehrheitsbeschluss und nicht mehr einstimmig gefällt werden sollten. Der deutsche Parlamentsvorbehalt gelte weiter, müsse aber flexibler und europäischer werden. “Die bisherige Einstimmigkeit verlangsamt, ja verhindert oft ein hörbares, kraftvolles und wirkungsvolles Europa”, kritisierte die CDUPolitikerin. (Der ausführliche Nachbericht zur BSC steht auf den Seiten 56 bis 59.) Zurück zur Bundeskanzlerin vor dem EU-Parlament: Sie sprach sich dafür aus, einen Europäischen Sicherheitsrat – zum Beispiel in Analogie zum deutschen Bundessicherheitsrat – einzusetzen, in dem wichtige Beschlüs-

se schneller vorbereitet werden könnten. Mit der Gründung einer europäischen Eingreiftruppe könne Europa zudem auch am Ort des Geschehens handeln. Außerdem sprach sich Dr. Merkel für die Schaffung einer europäischen Armee aus: “Wir sollten an der Vision arbeiten, eines Tages eine echte europäische Armee zu schaffen.” Das sei keine Armee gegen die NATO, sondern “eine gute Ergänzung” zu dem Bündnis. Den Punkt “europäische Armee” griff Dr. Géza von Geyr, Abteilungsleiter Politik im Bundesministerium der Verteidigung, in der “High-Level Debate” der BSC auf und präzisierte ihn: Er sehe als künftiges militärisches Instrument eine “Armee der Europäer”, die sich immer noch aus jeweils nationalen Streitkräften zusammensetzen würde. Andre Haspels, Generaldirektor für politische Angelegenheiten im Außenministerium der Niederlande, die offizieller Partner des diesjährigen Kongresses gewesen sind, ergänzte hierzu: “Es ist keine Europa-Armee geplant.” Wegen

der zahlreichen Bedrohungen, denen sich Europa ausgesetzt sehe, müsse ein “breiter und integrativer Sicherheitsbegriff” Anwendung finden. Die praktische militärische Zusammenarbeit solle weiter ausgebaut und die Verteidigungshaushalte der EU-Staaten sollten “deutlich erhöht” werden, so Haspels. In diesem Zusammenhang ergänzte Dr. von Geyr: Für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion (ESVU) der Zukunft brauche man “ein gemeinsames verbindendes Narrativ, um die Öffentlichkeit in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten auch für ein solch ambitioniertes Projekt zu gewinnen.” Dr. Beate Neuss, Professorin für Internationale Politik an der TU Chemnitz und Stellvertretende Vorsitzende der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, rückte die transatlantischen Beziehungen in eine empirische Perspektive: Während die Vereinigten Staaten über rund 1,4 Millionen aktive Soldaten verfügten, hielten die EU-Mitgliedsstaaten insgesamt rund 1,8 Millionen unter Waffen.

Im vergangenen Jahr hat die militärische Integration innerhalb der EU einige wichtige “Meilensteine” erreicht: Im November und Dezember teilten die Außenund Verteidigungsminister von 25 der – noch – 28 EU-Staaten dem Europäischen Rat mit, in der Verteidigung künftig noch intensiver kooperieren zu wollen. Dieses Projekt läuft unter dem englischen Kürzel PESCO (dt. Ständige Strukturierte Zusammenarbeit). Im Dezember wurde dann die ESVU beschlossen. Weitere Vorhaben sind CARD (dt. Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung) und der Europäische Verteidigungsfonds (EVF). Ministerin von der Leyen bezeichnete in ihrer Ansprache auf der BSC den Europäischen Verteidigungsfonds als echten “Game Changer”: “Zum ersten Mal gibt es europäisches Geld für gemeinsame Erforschung, Entwicklung und Beschaffung. Die Europäische Kommission plant mit 13 Milliarden Euro im EVF bis zum Jahr 2027.” Arnaud Danjean, französisches Mitglied im Europäischen Parlament, rechnete in der “High-Level Debate” der BSC nach und stellte fest: Bei 1,3 Milliarden Euro pro Jahr für die gesamte EU könne von einem “Game Changer Europäischer Verteidigungsfonds” keine Rede sein.

Entscheidung über Musterpolizeigesetz frühestens 2019 (BS/mfe) Ein Musterpolizeigesetz ist immer noch nicht Realität. Dieser Zustand wird auch mindestens noch bis zum kommenden Jahr anhalten. Denn die Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern konnten sich erneut nicht verständigen. Da zahlreiche Bundesländer ihre Polizeigesetze derzeit eigenständig einer Reform unterziehen, stellt sich nunmehr die Frage, wie sinnvoll ein Musterpolizeigesetz noch ist. konsequent bestrafen zu können. Sein niedersächsischer Amtskollege und Sprecher der SPDregierten A-Länder, Boris Pistorius (SPD), wies auf einen weiteren ungeklärten Punkt hin: einen einheitlichen Ehrentag für Polizeibeamte und Feuerwehrleute. Hier sei innerhalb der IMK kein Konsens möglich gewesen, sodass die einzelnen Bundesländer solche Tage nunmehr selbst und ohne Koordination untereinander festlegen würden.

Abschiebestopp nach Syrien wird verlängert Einig waren sich die Innenminister hinsichtlich einer Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien. Dieser wäre eigentlich am 31. Dezember dieses Jahres ausgelaufen. Nun wird er mindestens bis zum 30. Juni 2019 verlängert. Zudem bittet die IMK die Bun-

desregierung um eine Fortschreibung der Lagebewertung in dem Bürgerkriegsland, die letztmalig im November vorgenommen wurde. Ergebe diese Fortschreibung bis zur nächsten IMK-Tagung im Frühjahr nächsten Jahres in Kiel keine grundlegende Änderung, verlängere sich der Abschiebungsstopp nach Syrien automatisch bis zum 31. Dezember 2019. Unabhängig davon bittet die IMK den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) um die Vorlage eines Konzeptes zum Umgang mit ausreisepflichtigen syrischen Intensivstraftätern, die vor allem wegen Kapitalverbrechen auffällig wurden. Stahlknecht sagte dazu: “An einer Verlängerung des Abschiebestopps, auch für Kriminelle und Gefährder, führt aktuell kein Weg vorbei:” Rückkehrern nach Syrien drohten gegenwärtig erhebliche

Gefahren. “Dennoch bestehen wir darauf, dass die Lage permanent analysiert und neu bewertet wird, um sofort reagieren zu können, sobald sich tatsächliche Rückführungsmöglichkeiten ergeben.” Pistorius ergänzte: “Derzeit ist es ausgeschlossen, Menschen nach Syrien abzuschieben. Es geht aus der aktuellen Lagebeschreibung des Auswärtigen Amtes klar hervor, dass das auch absehbar kein Thema wird.” Man habe sich auf Wunsch der B-Länder allerdings darauf geeinigt, darüber bereits bei der kommenden IMK-Tagung erneut zu sprechen. Unterdessen plädieren die Ressortchefs für ein schärferes Vorgehen gegen die missbräuchliche Verwendung von Pyrotechnik in und um Fußballstadien. Hierfür sollen sowohl im Straf- als auch im Ordnungswidrigkeitenrecht Maßnahmen erarbeitet werden.

Tablets für alle Streifenwagen (BS/mfe) Alle rund 230 Funkstreifenwagen der Berliner Polizei werden mit einem Tablet und einem Smartphone ausgestattet. In diesem Jahr sollen 800 Tablets und 280 Smartphones ausgeliefert werden. Für das kommende Jahr sind weitere 1.200 Tablets vorgesehen. Sie sollen dann auch an das Landeskriminalamt gehen. Jetzt werden neben den Streifenwagenbesatzungen vorerst nur die Bereitschaftspolizei, der Verkehrsdienst und die Polizeiakademie ausgestattet, erklärte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD). Die Gesamtkosten des Projekts betragen drei Millionen Euro. Auf den Tablets befinden sich verschiedene Applikationen, unter anderem eine App zur Aufnahme von Verkehrsunfällen mit Sachschäden. Bei den Anwendungen handelt es sich sowohl um aus anderen Bundesländern übernommene als auch um Eigenentwicklungen. Derweil erhält die bayerische Polizei Tausende iPhones.

Rettungsgassen funktionieren oft nicht

Wieder keine Einigung

Man sei sich zwar einig, dass es eine solche Orientierung geben sollte, erklärte der derzeitige Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), Holger Stahlknecht (CDU). Konkretere Vorschläge würden aber frühestens auf einer der beiden Tagungen der Konferenz 2019 diskutiert, so der sachsen-anhaltinische Innenminister. Ebenfalls keine Einigung wurde im Bereich der Strafbarkeitslücke bei Identitätstäuschungen durch Asylbewerber erzielt. Hierzu sagte der Sprecher der unionsregierten B-Länder in der IMK, der Schweriner Innenminister Lorenz Caffier: “Das Fehlverhalten der Asylbewerber hat bisher keinerlei Konsequenzen, birgt aber hohe Sicherheitsrisiken für den Rechtsstaat.” Hier müsse der Bund eine Lösung finden, um die Personen schneller eindeutig identifizieren und Täuschungen

Fahndungsportal. Darüber kann künftig jeder Nutzer Fotos, Videos und Audioaufnahmen von Tatverdächtigen, Vermissten, Toten sowie tatrelevanten Gegenständen abrufen. Ziel ist es, alle Öffentlichkeitsfahndungen der 47 nordrhein-westfälischen Kreispolizeibehörden auf der Internetseite www.polizei.nrw/ fahndungen zusammenzuführen. Eine Filterung nach Ort, Zeit oder Kategorie ist möglich. Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte zu der Neuerung: “Früher haben wir Fahndungsplakate an Laternenmasten aufgehängt, heute hängen wir sie ins Netz.” Am Prinzip der Öffentlichkeitsfahndung habe sich jedoch nichts geändert. “Die Polizei ist auch im Online-Zeitalter auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen”, unterstrich der Düsseldorfer Ressortchef.

Dies soll laut Caffier innerhalb des Arbeitskreises zwei der IMK stattfinden.

Regelanfrage soll kommen Darüber hinaus haben die Minister und Senatoren das Bundesinnenministerium (BMI) gebeten, eine Gesetzesinitiative zu unterstützen, die vorsieht, dass Waffenbehörden im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung zur Einholung von Informationen bei den Verfassungsschutzbehörden verpflichtet werden. Derzeit ist eine solche Regelanfrage nicht möglich. Momentan dürfen sich die zuständigen Behörden lediglich der Informationen aus dem Bundeszentralregister bedienen. Die Innenminister plädieren hier für eine künftige Nachberichtspflicht. Dadurch stünden ihnen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes sofort zur Verfügung.

(BS/mfe) In 80 Prozent aller Fälle verlieren hierzulande Helfer des Rettungsdienstes wertvolle Zeit, weil die Rettungsgasse blockiert wird. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hervor. An ihr haben sich insgesamt 96 DRKRettungsteams aus Baden-Württemberg, Bayern, dem Saarland, Niedersachsen, Berlin und Sachsen beteiligt. DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt sagte zu den Resultaten der Befragung: “Diese Zahlen sind erschreckend. Gerade wenn es um Menschenleben geht, zählt jede Sekunde.” Sie appellierte an die Verkehrsteilnehmer, mehr Respekt gegenüber den Notfallhelfern aufzubringen. “Notärzte und unsere Einsatzteams retten Leben. Das sollte sich jeder immer wieder vor Augen halten”, so Hasselfeldt. Nur bei 15,6 Prozent der ausgewerteten Einsätze wurde nach Angaben von DRKBundesarzt Prof. Dr. Peter Sefrin spontan eine Rettungsgasse gebildet, bei 35,4 Prozent erst nach Aufforderung.


Innere Sicherheit

Seite 52

Hausaufgaben machen

S

olche Auseinandersetzungen erschwerten vielmehr die po­ lizeiliche Arbeit und die effektive Bekämpfung von Kriminalität. Insbesondere auf Letztere komme es aber entscheidend an, meint Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Schließlich müsse sich der Staat um eine bestmögliche Sicherheit für seine Bürger bemühen. “Erfolgreiche Polizeiarbeit hat eine große Be­ deutung für das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat.” In seinem Bundesland sei man hier bereits weit vorangeschritten. So sei die Gefahr, Opfer einer Straftat zu werden, im Freistaat mit zuletzt 4.533 Delikten pro 100.000 Einwohnern so niedrig wie nirgendwo sonst in Deutsch­ land. Auch habe Bayern mit einer Aufklärungsquote von 64 Prozent die höchste im bundesweiten Vergleich, unterstrich der Christ­ soziale auf dem Münchner Poli­ zeitag, den der Behörden Spiegel gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ausrichtete. Der Ressortchef zeigte sich zu­ dem überzeugt, dass sich die Sicherheitslage nicht sofort ver­ bessern würde, wenn der Bund mehr Zuständigkeiten erhiel­ te. Vielmehr komme es darauf an, dass sowohl der Bund als auch die Länder “ihre Hausauf­ gaben machen”. Dies umfasse eine personelle Verstärkung der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) auf allen Ebenen in der föderal strukturierten Bundesrepublik. In Bayern würden bis 2023 jähr­ lich 500 neue Polizeivollzugsbe­ amte eingestellt, kündigte der Politiker an. Ebenso relevant sei ein intensiver Informationsaus­ tausch zwischen den BOS. Und das nicht nur deutschlandweit, sondern auch grenzüberschrei­ tend. Große Bedeutung habe darüber hinaus die Schleier­ fahndung, die inzwischen auch von der Europäischen Kommis­ sion als erfolgreich angesehen werde. Herrmann meinte: “Die Schleierfahndung trägt zu einer Erhöhung der Sicherheit bei.”

Verlangt größtmögliche Anstrengungen aller staatlichen Akteure in Bund und Ländern bei der Gewährleistung von Sicherheit: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Zurückweisungen nicht ­zulässig Allerdings könnten bei die­ sen Kontrollen im Grenzraum keine Zurückweisungen illegal eingereister Personen erfolgen. Dann seien nur Zurückschie­ bungen möglich. Und das auch nur durch die Bundespolizei und nicht durch seine Kräfte, gab der Leiter der Bayerischen Grenzpo­ lizei, Alois Mannichl, zu beden­ ken. Zurückweisungen könnten seine Beamten nur im Rahmen ordnungsgemäß angeordneter, vorübergehender Grenzkon­

Sicherheitsbehörden müssen in Bund und Ländern gestärkt werden (BS/Marco Feldmann) Die Gewährleistung der Inneren Sicherheit ist die zentrale Aufgabe des Staates. Hier müssen die Behörden stark sein. Ist dies nicht der Fall, leidet das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger enorm. Auch Streit um Zuständigkeiten zwischen unterschiedlichen Akteuren ist nicht hilfreich.

Diskutierten über die personelle Aufstellung der Bayerischen Polizei und mögliche Entlastungen für Vollzugsbeamte (v.l.n.r.): Manfred Ländner (CSU), Peter Schall (GdP), R. Uwe Proll (Moderator), Katharina Schulze (Bündnis 90/Die Grünen), Wolfgang Hauber (Freie Wähler) und Stefan Schuster (SPD). Fotos: BS/Feldmann

trollen aussprechen. Diese füh­ re die Bayerische Grenzpolizei momentan auch eigenständig durch. Grundlage dafür sei ein “Memorandum of Understan­ ding”. Dieses sei vom bayerischen Landespolizeipräsidenten, dem Präsidenten der Bundespolizei und der für Bundespolizeiange­ legenheiten zuständigen Abtei­ lungsleiterin im Bundesinnenmi­ nisterium (BMI), Dagmar Busch, unterzeichnet worden. Bei den Überprüfungen, in deren Rahmen bereits 1.350 offene Haftbefehle vollstreckt worden seien, stimme man sich eng mit der Bundespo­ lizei ab, so Mannichl weiter. Darüber hinaus setze man auf eine eigene uniformierte Kom­ ponente sowie Personal für den Bereich der technisch unterstüt­ zenden Fahndung. Diese Kol­ legen, deren Zahl wie die aller anderen Angehörigen der Baye­ rischen Grenzpolizei sukzessive aufwachsen werde, würden an den Kontrollstellen dringend ge­ braucht. Dort seien sie für die Gewährleistung der technischen Infrastruktur erforderlich. “Die Bevölkerung soll sehen, dass es wieder eine uniformierte Bayeri­ sche Grenzpolizei gibt”, betonte Mannichl. Die Behörde wird da­ bei nicht nur personell stärker werden, sondern schrittweise auch zusätzliche Aufgaben wahr­ nehmen. Das gilt etwa für die Luftaufgaben an den Grenzen Bayerns zu anderen Staaten. Diese werden Mannichls Beam­ ten zum 1. Januar kommenden Jahres übertragen.

Es braucht Netzwerke und Kontakte

Geld zu gelangen, brauche es bilaterale Kontakte, einen effekti­ ven Informationsaustausch und Netzwerke. Davon zeigte sich der Inspekteur der Bayerischen Po­ lizei, Harald Pickert, überzeugt. Außerdem unterstrich er: “Wir sind auf dem Weg, zu Vereinheit­ lichungen zu kommen.” Hierzu könne das Bayerische Landesamt für Asyl beitragen. Seine Behörde sei schließlich für die Bündelung von zentral für ganz Bayern zu erledigen­ den operativen Verwaltungsauf­ gaben im Zusammenhang mit Rückführungen zuständig, so Thomas Hampel. Dazu gehörten etwa die zentrale Beschaffung von Passersatzpapieren und Heimreisedokumenten, für die bisher die Regierung von Ober­ bayern zuständig war, sowie die Bearbeitung von Schubaufträ­ gen, berichtete der Präsident der im August dieses Jahres in den Wirkbetrieb gegangenen Behörde. Des Weiteren seien seine Mit­ arbeiter, die in engem Kontakt zur Bundes- und Landespolizei stünden, für die Koordinierung und Intensivierung der Rück­ kehrprogramme sowie für die Förderung der freiwilligen Ausrei­ se zuständig. Zudem betreibe das Landesamt, das als Schnittstelle zu den zentralen und örtlichen Ausländerbehörden im Freistaat, zum BMI und zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) fungiere, eine tempo­ räre Abschiebehaftanstalt am Münchner Flughafen. Auch or­ ganisiere man eigene, bayerische Abschiebeflüge.

Einheitliches Polizeiauf­ gabengesetz gefordert Nicht nur in diesem Bereich

komme es auf internationale po­ lizeiliche Kooperation an. Auch bei der Bekämpfung von soge­ nanntem Call-Center-Betrug, bei dem Täter mit dem guten Ruf der deutschen Polizei arbeitenten und aus dem Ausland heraus versuchten, in Deutschland an

Dem bayerischen GdP-Landes­ vorsitzenden Peter Schall geht die Einheitlichkeit bei den deutschen Polizeien noch lange nicht weit genug. Er verlangte: “Wir sollten bundesweit ein einheitliches Po­ lizeiaufgabengesetz haben.” Mo­ mentan unterschieden sich die

Immer mehr Graubereiche Extremisten zunehmend schwieriger zu identifizieren (BS/mfe) Die Trennlinie zwischen Meinungsstärke und -bildung einerseits und Extremismus andererseits ist immer komplizierter zu ziehen. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Rechtsextremismus. Vor allem hier gibt es immer öfter Mischformen und Abgrenzungsschwierigkeiten. Und das gilt nicht nur für den zivilen Bereich, sondern auch für die Bundeswehr. Das sagt Christof Gramm, Prä­ sident des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD). Er erläutert zudem, dass die Zahl der Extremisten innerhalb der Bundeswehr seit Jahren relativ konstant sei und im hohen einstelligen Bereich

Behörden Spiegel / Dezember 2018

liege. Darunter befänden sich allerdings keine gewaltbereiten Extremisten. Gleichwohl gebe es auch in der Truppe einzelne sogenannte “Reichsbürger” und “Selbstverwalter”. Hinsichtlich des Selbstverständnisses seiner Behörde unterstrich Gramm,

dass sich das BAMAD als “Si­ cherheitsdienstleister für die Bundeswehr” verstehe. Aus die­ sem Grunde erstrecke sich der Zuständigkeitsbereich des Bun­ desamtes auch nur auf aktive Soldaten und Reservisten – und damit auf natürliche Personen.

gesetzlichen Bestimmungen zum Teil erheblich. Das gelte etwa für die Länge des Gewahrsams sowie die genutzten Datensysteme in den einzelnen Bundesländern. Diese Differenzen erschwerten den Informationsaustausch und behinderten die Polizeiarbeit teil­ weise enorm, so Schall.

Unterschiede sachlich nicht zu rechtfertigen Ebenso wenig Verständnis brachte er für Unterschiede bei Fürsorgeleistungen, Arbeitsbe­ dingungen und Schutzausstat­ tungen für Polizeibeamte auf. Dif­ ferenzen bei der Besoldung, der Beihilfe oder freien Heilfürsorge sowie bei den Laufbahnen seien

nicht zu rechtfertigen, kritisierte Schall. Ein Musterpolizeigesetz hält auch die Innenpolitische Sprecherin und Fraktionsvorsit­ zende der Grünen im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, für sinnvoll. Zugleich fordert sie aber auch eine noch bessere personel­ le Aufstellung der Polizei im Frei­ staat sowie die Entlastung von polizeivollzugsfremden Aufgaben. Dazu gehört etwa die Begleitung von Schwertransporten. Hierfür erhielt sie Zustimmung von Peter Schall und dem SPD-Landtags­ abgeordneten Stefan Schuster. Letzterer plädierte zudem für eine monetäre Besserstellung der Tarifbeschäftigten der Bay­ erischen Polizei, wenn diese Vollzugskräfte stärker entlasten sollen. Außerdem verlangte der Sozialdemokrat: “Wir brauchen Strategien gegen Übergriffe gegen Polizeibeamte.”

Strukturen bei der Polizei überdenken Eine andere Forderung erhob der CSU-Abgeordnete Manfred Ländner. Er verlangte: “Wir brau­ chen Spezialistentum bei der Po­ lizei.” Denn das kriminelle Gegen­ über sei den Sicherheitsbehörden immer voraus. Hier dürfe man allerdings nicht zurückhängen und müsse über eine Öffnung der Laufbahnen sowie die vermehrte Zahlung von Funktionszulagen nachdenken. Aus diesem Grunde gelte: “Wir müssen über struktu­ relle Veränderungen bei der Poli­ zei nachdenken.” Aber auch die Justiz, und hier insbesondere die Staatsanwaltschaften, dürften in der Diskussion nicht vergessen

werden, waren sich Schulze und ihr Parlamentarierkollege von den Freien Wählern, Wolfgang Hauber, einig. Übereinstimmung bestand zwi­ schen den Abgeordneten und Gewerkschafter Schall zudem bezüglich des subjektiven Sicher­ heitsgefühls der Bürger. Hier ver­ langte Schulze: “Darüber sollten wir eine gesamtgesellschaftliche Debatte führen.” Schließlich be­ einflusse nicht nur die Polizei mit ihrer Präsenz vor Ort diesen Eindruck. Auch Soziale Medien, in denen inzwischen leider zahl­ reiche “fake news” zu finden sei­ en, hätten eine Verantwortung, so der GdP-Landeschef. Dissens kam hingegen schließ­ lich bei der Diskussion über das geplante Polizeiaufgabengesetz im Freistaat auf. Während Ländner und Schall das Vorhaben – und insbesondere den umstrit­ tenen Begriff der “drohenden Ge­ fahr” – verteidigten, störten sich Schulze und Schuster gerade an ihm.

Fortschrittliche Technik ­präsentiert Der Münchner Polizeitag wurde auch zur Vorstellung moderner Technik genutzt. So ging Christian Scherf von Axon auf Möglich­ keiten von Körperkameras und digitaler Beweismittelverwaltung ein. Lothar Schuster von Ulbrichts widmete sich dem Thema “Kopf­ schutz für Polizisten”, und Michael Hohensee sowie Leendert Kollmer von SAS Deutschland sprachen über Analytics in der Ermittlungsarbeit am Beispiel der Terrorismusprävention. Julian Schwerdtfeger von secunet er­ läuterte Möglichkeiten zur Iden­ titätsfeststellung und Fahndung mithilfe von Smartphones. Jan Bonde Hennies von der stashcat GmbH sprach über “Polizeikom­ munikation in Zeiten von Whats­ App und Co.” und Peter Zontek von der Cellebrite GmbH über die Analyse von Massendaten.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Dezember 2018

Gute Abdeckung und Verfügbarkeit

B

ehörden Spiegel: Herr ­Gegenfurtner, wie gestaltet sich der Ausbauzustand des ­BOS-Digitalfunknetzes?

Gegenfurtner: Das BOS-Digitalfunknetz hat einen sehr guten Ausbaustand erreicht. Wir haben etwas mehr als 4.600 Basisstationen, die alle in Betrieb sind. Damit versorgen wir eine Fläche von 99 Prozent der Bundesrepublik Deutschland. Mehr als 820.000 Teilnehmer nutzen dieses Netz. Und wir haben eine sehr hohe Verfügbarkeit der Services mit 99,97 Prozent im Durchschnitt der letzten drei Jahre. Solche Netze müssen aber gepflegt werden. Wir werden immer am BOS-Digitalfunknetz arbeiten müssen. Aber den kommerziellen Anbietern geht es ja nicht anders. Momentan arbeiten wir noch an der Objektfunkversorgung, etwa in Tunneln, Kliniken oder großen Kaufhäusern. An sich steht das Netz aber und ist aktiv im Betrieb. Behörden Spiegel: Viele der von Ihnen genannten Objekte gehören Privaten. Bei denen besteht oftmals kaum die Bereitschaft, ihre Objektfunkanlagen zu modernisieren und an den Digitalfunk anzupassen. Wie sollten sie überzeugt werden? Gegenfurtner: Man muss die Themenstellung mit dem jeweiligen Objekteigentümer besprechen. Das ist auch unsere Vorgehensweise. Wir haben einen Leitfaden und auf dessen Grundlage gehen wir auf jeden einzelnen privaten Betreiber zu. Die Objekteigentümer haben in aller Regel – und da muss ich Ihrem Eindruck widersprechen – ein Interesse daran, dass im Ernstfall die Personenrettung sichergestellt ist. Behörden Spiegel: Worauf bezieht sich der von Ihnen gerade

Seite 53

BOS-Digitalfunknetz braucht aber ständige Pflege und Weiterentwicklung (BS) Nahezu in ganz Deutschland können die Einsatzkräfte der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) auf das Digitalfunk­netz zurückgreifen und dessen Services nutzen. Schwierigkeiten gibt es noch bei der Objektfunkversorgung, räumt der Präsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), Andreas Gegenfurtner, im Behörden Spiegel-Interview ein. Außerdem weist er darauf hin, dass die Wartung eines solchen Digitalfunknetzes nie ende. Die Fragen stellte R. Uwe Proll. genannte Abdeckungsgrad von 99 Prozent? Gegenfurtner: Der bezieht sich auf die Fläche. Das unterscheidet uns von den kommerziellen Anbietern. Schließlich leisten die Feuerwehren ihren Dienst auch auf dem flachen Land und nicht nur in Ballungszentren. Behörden Spiegel: Wenn Sie das deutsche BOS-Digitalfunknetz im internationalen Vergleich betrachten: Wo liegen die Vorteile und was kann man eventuell noch aus dem Ausland lernen? Gegenfurtner: Jeder Staat hat so ein bisschen seine Eigenheiten. Die europäischen Netze sind nicht wirklich miteinander vergleichbar. Es gibt nur ganz wenige Staaten, die ein solch flächendeckendes BOS-Digitalfunknetz haben wie wir in Deutschland. Was wir aus dem Ausland noch lernen können, ist, uns durch Kooperationsvereinbarungen noch besser untereinander zu vernetzen. Behörden Spiegel: Können Europas Polizisten inzwischen eigentlich grenzüberschreitend kommunizieren? Gegenfurtner: Ja, dafür wurden Lösungen gefunden. Aber nicht die, die vor zehn Jahren eigentlich angedacht waren. Ein Inter-System-Interface (ISI) – im Sinne einer Art Blackbox, an die verschiedene Systeme vollkompatibel angekoppelt werden können – existiert immer noch

Behörden Spiegel: Werben Sie auch Personal von den Ländern ab?

Andreas Gegenfurtner ist seit Juni 2016 Präsident der BDBOS. Zuvor war er seit 2007 bereits ­Vizepräsident der ­Anstalt. Foto: BS/Giessen

nicht. Dafür sind die Systeme vonseiten der Hersteller schlicht zu unterschiedlich. Behörden Spiegel: Wie geht es mit TETRA weiter? Gegenfurtner: TETRA ist eine Technologie, die unglaublich effizient mit Sprache umgehen kann. LTE ist eine Technologie, die unglaublich gut mit Daten umgehen kann. LTE ist keine Technologie, die spezialisiert ist, um mit Sprache umzugehen. Deswegen kann heute LTE die Funktionalitäten aus TETRA nicht abbilden. Wir müssen aus der alten TETRAWelt in eine neue TETRA-Welt kommen. Diese neue TETRA-

Fo Foto o s:: BS/Feldma S/Fe /Fe Feldma dma mann, ann, nn n, BS/Autor BS///Autor BS/A u isie sierte rte te Stel Stte telle e Digit git g italfu f nk k Niede iede ie edersac de ersac rsachsen sa achsen se , BS/Tob BS BS/Tob //To /T Tobias T ias ia a Nord Nordhaus N haus ausen, en, CC BY 2.0, 2.0, flick flickr.co r.co .com m

SYMPOSIUM

Neue Technologien für die Polizei Technikvorschau 6. bis 8. März 2019 in Würzburg Zielgruppe Das Symposium richtet sich an Führungskräfte und Experten der Polizei, die entweder auf neue Technologien für ihre ( künftige ) Aufgabenerledigung angewiesen sind oder für Technik bzw. technologische Innovation in ihren Behörden zuständig sind. Themen: • Führungs- und Einsatzunterstützungssysteme, Führungsmittel • Geodaten für die Polizei • Aufklärung, Sensorik, Tracking • Mobile Computing für die Polizei • Gefahren und Ermittlungsansätze in IoT / Smart Buildings • Vernetzte Fahrzeuge – Ermittlungsmöglichkeiten und Forensik • Künstliche Intelligenz – Optionen für die Polizeiarbeit • Nutzung von Virtual / Augmented Reality zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung • Digitale Assistenzsysteme

www.fuehrungskraefte-forum.de

unserer größten Herausforderungen. Der Kampf um die Talente hat längst begonnen. Teilweise versuchen wir auch, direkt bei den Unternehmen Mitarbeiter zu gewinnen. Außerdem sind wir in den Sozialen Medien vertreten und gehen Kooperationen mit Universitäten ein. Wir bieten attraktive Arbeitsbedingungen, auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Wir haben eine großzügige Gleitzeitregelung ohne Kernarbeitszeiten, bieten mobiles Arbeiten und Telearbeit an und stellen ein Eltern-Kind-Zimmer zur Verfügung. Aber als Öffentlicher Dienst sind wir zwar leider nicht in der Lage, sofort riesige Gehälter zu zahlen. Das können wir nicht bieten. Dafür gibt es bei uns einen sicheren Arbeitsplatz und die Möglichkeit zur Verbeamtung.

Welt muss IP können und über IP müssen wir in die LTE-Welt kommen, denn das ist der gemeinsame Nenner. Die alte Welt spricht schließlich kein LTE. Die neue Welt schon. Ich bin davon überzeugt, dass mittelfristig die Lösung eines hybriden Netzes stehen wird.

wie diese Übergangsphase genau zu überbrücken sein wird, ist allerdings noch nicht gefallen. Behörden Spiegel: Wie gestaltet sich die alltägliche Arbeit in der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), die ja eine Bund-Länder-Anstalt ist?

Gegenfurtner: Wir haben einige Mitarbeiter, die früher beim Land Berlin beschäftigt waren. Von dort übernehmen wir aber nur Personal, wenn sich daraus für beide Seiten eine “Win-winSituation” ergibt. Behörden Spiegel: Die sähe für das Land Berlin dann wie aus?

Gegenfurtner: Es kann durchaus sein, dass Berlin zum Beispiel einen Mitarbeiter hat, bei dem es für das Land von Vorteil sein kann, wenn er bei uns arbeitet, weil er hier spezifische Behörden Spiegel: Welche Dinge einbringen kann. Ich denke Rolle spielen die Netze da zum Beispiel an undes Bundes in diesem seren Betriebsbereich, Konzept? wo es um einen engen “Die europäischen Netze sind nicht Austausch über EinGegenfurtner: Die Netsatzlagen geht. Davon ­wirklich miteinander vergleichbar.” hat Berlin pro Jahr beze des Bundes sind leikanntlich ja sehr viele. tungsbasiert und liegen Da kann es dann im konkreten auf unserer Transportplattform. Auf ihr befinden sich sowohl der Gegenfurtner: Die BDBOS war Fall eine Win-win-Situation für BOS-Digitalfunk als auch die die erste Bund-Länder-Anstalt beide Seiten geben. Ich bin aber Netze des Bundes. Auch künftige ihrer Art. Da gab es am Anfang kein Befürworter sogenannter Lösungen würden wir über diese sicher Startschwierigkeiten. Raub-Ernennungen. Solche wird Plattform laufen lassen. Mittlerweile ist die BDBOS aber es mit mir bei der BDBOS nicht ein Erfolgsmodell geworden. Es geben. Behörden Spiegel: Wie wird wurde eine Plattform gefunden, sich 5G auf das BOS-Digitalfunk- auf der Bund und Länder gut Behörden Spiegel: Wer ist beim zusammenarbeiten können. Teil- BOS-Digitalfunknetz eigentlich netz auswirken? weise ist es aber durchaus nicht für Vergaben und Beschaffungen Gegenfurtner: Wir haben dies- ganz einfach, 17 Akteure unter zuständig? bezüglich eine besondere Heraus- einen Hut zu bringen. Da geht Gegenfurtner: Für alle digitalforderung bei den Endgeräten. es oftmals auch um finanzielle Dort werden wir eine mehrjährige Fragen oder unterschiedliche funkspezifischen Dinge sind wir Übergangsphase haben. Einer- Prioritätensetzungen. selbst Vergabestelle. Wir könnseits haben wir noch die Sprache ten also rein rechtlich in diesen Behörden Spiegel: Wie sieht Fällen ganz allein Beschaffunin der TETRA-Technologie. Andererseits wollen wir aber bereits es bei der BDBOS mit der Nach- gen durchführen. In der Realität stimmen wir uns aber ganz eng Breitbandlösungen nutzen. Da wuchsgewinnung aus? mit dem Beschaffungsamt des werden wir wohl hybride Geräte Gegenfurtner: Die Personal- Bundesinnenministeriums ab. sehen, die beides können. Die abschließende Entscheidung, gewinnung ist im Moment eine Wir unterstützen uns gegenseitig.


Zahlen & Fakten

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BehĂśrden Spiegel / Dezember 2018

Erhebliches Vollzugsdefizit in Deutschland (BS/mfe) In Deutschland sind zahlreiche Haftbefehle schon seit Längerem nicht vollstreckt. Zugleich zeigt sich, dass sich hoher Personaleinsatz bei (Schleier-)Fahndungen und Personenkontrollen durch die Polizei lohnen. Während vorĂźbergehender Grenzkontrollen konnten durch die Bundespolizei viele Gesuchte gefasst werden. Ein Appell an die Politik, noch mehr Vollzugsbeamte einzustellen und auf die StraĂ&#x;e zu bringen?

Offene Haftbefehle (sortiert nach Bundesländern und BundesbehÜrden) Zahlen werden an das Bundeskriminalamt gemeldet

Brandenburg

2.840

Berlin

8.585

Baden-WĂźrttemberg

19.809 29.582

Bayern* Bremen

1.070

Hessen

10.976

Hamburg Mecklenburg-Vorpommern

175.397

3.526 1.119 31.407

Nordrhein-Westfalen 4.251

Rheinland-Pfalz 2.147

Schleswig-Holstein Saarland

1.732 6.239

Sachsen** Sachsen-Anhalt***

2.198

ThĂźringen

2.135

Bundeskriminalamt

22.856

Bundespolizei

8.521 3.262

Zollkriminalamt

Stichtag: 31.03.2018

* Stichtag: 01.04.2018

** Stichtag: 10.07.2018 *** Stichtag: 18.08.2018

Offene Haftbefehle gegen Personen mit politisch motiviertem Hintergrund

Quelle: BS/Bundestagsdrucksache 19/2914, Drucksache 17/23484 im baden-wßrttembergischen Landtag, Antwort der sächsischen Landesregierung auf Drucksache 6/13969, eigene Recherche

3.151

Offene Haftbefehle gegen Gefährder und relevante Personen (Stichtag: 26.03.2018)

(zum 26.03.2018)

151

605*

Quellen: BS/Bundestagsdrucksachen 19/2914 und 19/6214

316

191

144 PMK-links

PMK-rechts

15

PMK-ausländische PMK-religiÜse Ideologie Ideologie

* zum 28.09.2018

Spionage/ Proliferation/ Landesverrat

Anzahl der Gefährder mit mindestens einem offenen Haftbefehl Anzahl der relevanten Personen mit mindestens einem offenen Haftbefehl

PMKnicht zuzuordnen

Durch die Bundespolizei im Rahmen temporärer Grenzkontrollen vollstreckte Haftbefehle

offene Haftbefehle bundesweit

13.847

Niedersachsen

0

3

PMK-links

0

PMK-rechts

10

2

1

0

PMK-ausländische Ideologie

PMK-religiĂśse Ideologie

Quelle: BS/Bundestagsdrucksache 19/2914

782 Quelle: BS/eigene Recherche; Bundespolizei

(zwischen dem 12.06. und dem 11.07.2017 an allen Binnengrenzen zu Deutschland)

3.992

(in den Jahren 2017 und 2018 an der deutsch-Ăśsterreichischen Grenze)

Offene Haftbefehle nach Dauer ihrer Nicht-Vollstreckung

Stichtag: 28.11.2018

(Stichtag: 03.01.2018)

Offene Haftbefehle nach Grund der Fahndungsnotierung bzw. Art der Ausschreibung

bundesweit

(sowohl im INPOL-Datenbestand als auch im Fahndungssystem des jeweiligen Ausschreibungslandes)

BEISPIEL

(nur zu Personen mit politisch motivertem Hintergrund

Mecklenburg-Vorpommern

BEISPIEL Mecklenburg-Vorpommern 1.424 (davon 454 Ăśrtliche Haftbefehle) Stichtag: 03.01.2018

512

414 40

BEISPIEL Nordrhein-Westfalen Stichtag: 19.09.2017

26.776 davon 25.255 bundesweite Ausschreibungen

BEISPIEL Sachsen

1.521 landesweit

1.864

2.547

4.411 gesamt

5.099

2

522

(inklusive Ăśrtlicher Haftbefehle)

6.239

Stichtag: 10.07.2018

1.384 gesamt

206

144

1.138 Ăźber zwĂślf Monate offen

darunter Strafvollstreckung Quellen: BS/Antwort der sächsischen Landesregierung auf Drucksache 6/13969, Drucksache 7/1612 des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, NRW: Vorlage 17/137

entwichene Strafgefangene

Ăźbrige GrĂźnde (z.B. Strafverfolgung, Unterbringung und Ausweisung)

Illustration: BS/Dach; Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des BehÜrden Spiegel.

zwĂślf Monate offen

Quelle: BS/Bundestagsdrucksache 19/2914

sechs Monate offen

drei Monate offen

Quelle: BS/Drucksache 7/1612 des Landtages Mecklenburg-Vorpommern


Behörden Spiegel / Dezember 2018

Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

Seite 55

Nur gemeinsam stark

Herausforderungen nehmen zu

Ohne hybride Lösungen wird es in Zukunft nicht gehen

Passagierwachstum erfordert Weiterentwicklung von Luftsicherheitstechnik

(BS/Marco Feldmann) Hybride Netze für die Realisierung von Breitbandanwendungen mit hohem Datenvolumen sind die beste Option für die Zukunft. Das meint der Präsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), Andreas Gegenfurtner (Interview auf Seite 53). Die hybriden Netze sollten sich einerseits aus einem BOS-Basisnetz zusammensetzen, das auf bestehender ­Digitalfunkinfrastruktur mit eigenen Frequenzen im Bereich 450 und 700 MHz beruhe. Andererseits sollten die BOS kommerzielle Mobilfunknetze mitnutzen können.

(BS/Marco Feldmann) Bis 2030 rechnet der Flughafenverband ADV mit 300 Millionen Fluggästen allein in Deutschland. 2010 waren es noch “nur” rund 200 Millionen. Diese Entwicklung macht es notwendig, immer wieder die Effizienz von Luftsicherheitskontrollen auf den Prüfstand zu stellen. Die Durchsatzzahlen an einer Luftsicherheitskontrollstelle hängen dabei von unterschiedlichen Faktoren ab.

Hier bedürfe es jedoch einer Be­ sonderheit. In den kommerziellen Netzen müssten die Einsatzkräfte mit garantiertem Vorrang behan­ delt werden, verlangt Gegenfurtner. Denn: “Kommunikation ist eine unserer Lebensadern.” Mit Blick auf Hybridnetze meint er: “Das Paket bildet die Lösung.” Und noch etwas ist ihm wichtig. In den Standardisierungsprozess für 4G und insbesondere für die nächste Mobilfunkgeneration 5G müssten die BOS-spezifischen Anforderungen aktiv eingebracht werden. Ein weiteres wichtiges Thema sind standardisierte Schnittstel­ len. Diese seien für die Leitstellen der Zukunft dringend erforder­ lich. Anderenfalls werde kein Gleichschritt der Akteure im Kri­ senfall möglich sein. Außerdem werde es dann nicht gelingen, Abstimmungsaufwände zu mini­ mieren, meint Franz Schiffer. Der Leiter des Bereichs Führungsund Lagesysteme im hessischen Polizeipräsidium für Technik geht davon aus, dass Leitstel­ len heutzutage ein “vernetztes Gesamtgebilde mit zentralen und

dezentralen Elementen” sind, wo sich das Aufgabenspektrum der Disponenten deutlich wandelt. Hinzu komme, dass Hardware und Betriebssysteme in Leitstel­ len inzwischen deutlich kürzere Lebenszyklen hätten. Dies gehe einher mit höheren Testaufwän­ den für die Mitarbeiter der Leit­ stellen. Um all diesen Anforderungen gerecht werden zu können, sei neues Personal in Leitstel­ len notwendig. Die Mitarbeiter bräuchten dringender denn je eine Digitalisierungskompetenz auf allen Ebenen sowie die Fä­ higkeit zum interdisziplinären Erkennen von Zusammenhän­ gen, fordert Schiffer.

Formate und Modelle müssen übereinstimmen Peter Beckmann, Referatslei­ ter für Ausbildung, Logistik, Informations­und Kommunikati­ onstechnik sowie Haushaltsange­ legenheiten im Brand­und Katas­ trophenschutz im Düsseldorfer Innenministerium, plädiert für ei­ ne standardisierte Übermittlung von Informationen mithilfe eines

Beim BOS-Digitalfunk wird es in Zukunft aller Voraussicht nach hybride Netze geben. Das gilt vor allem für die Nutzung von breitbandigen Anwendungen durch Polizei, Feuerwehr und Co. Foto: BS/©benjaminnolte, Fotolia.com

einheitlichen Austauschformats sowie eines gemeinsamen Daten­ modells. Nur so könnten sich die “Daten untereinander verstehen”. Und ausschließlich auf diesem Wege könne es ein einheitliches Verständnis von Lagebilddaten geben, das dringend erforderlich sei, meint Beckmann. Die Bedeutsamkeit eines ge­ meinsamen Informationsraumes unterstreicht auch Georg Neubauer vom AIT Austrian Insti­ tute of Technology. Nur wenn ein solcher existiere, könnten verschiedene Akteure des Kri­ senmanagements, Domänen und Hersteller Informationen unterei­ nander austauschen. Dies gehe etwa über ein einheitliches Proto­ koll und zielgerichtet entwickelte Adaptoren, so Neubauer.

Hybride Alarmierung noch lange nicht flächendeckend Für Hybridalarmierungen wirbt Rainer Buchmann. Dieser Alar­ mierungsweg habe mehrere Vor­ teile, meint der Leiter der Integ­ rierten Leitstelle Saarland. Dazu gehörten unter anderem eine feingliedrigere Alarmierung als bisher, Zeit- und Kostenerspar­ nisse sowie Einsparungen bei der Erstattung von Lohnersatz­ kosten gegenüber Arbeitgebern. Des Weiteren erhalte die Leitstelle nach erfolgter Alarmierung eine Rückmeldung hierüber. Und es gebe dort eine Verfügbarkeitsan­ zeige für einzelne Einsatzkräfte. Noch ist dieser Ansatz in Deutschland allerdings nicht allzu weit verbreitet. Laut Buchmann sind nur rund fünf Pro­ zent aller Leitstellen damit aus­ gestattet. Im kommenden Jahr will aber zumindest die Berliner Feuerwehr ein hybrides Alarmie­ rungssystem einführen, erläutert ihr IT-Abteilungsleiter Bernhard Harz.

Notfallversorgung umstrukturieren Einsatz- und Patientenaufkommen ansonsten kaum noch zu bewältigen (BS/mfe) Die Strukturen der medizinischen Versorgung von Patienten müssen dringend reformiert werden. Das machen die zunehmende Inanspruchnahme der Notaufnahmen in Krankenhäusern und die immer weiter ansteigende Zahl von Einsätzen des Rettungsdienstes und der Feuerwehren erforderlich. Hier muss vieles neu gedacht werden. So brauche es unter anderem In­ tegrierte Leitstellen und entspre­ chende Notfallzentren, verlangt der stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Prof. Dr. Eberhard Wille. Die “Kleinstaa­ terei” mit je einer (Rettungs-) Leitstelle pro Landkreis müsse ein Ende finden. Des Weiteren komme es darauf an, eine Fle­ xibilisierung der Sprechzeiten niedergelassener Hausärzte zu fördern und im vertragsärztli­ chen Bereich vermehrt Sams­ tag- und Abendsprechstunden anzubieten. Außerdem müssten die Befugnisse der Notfallsani­ täter erweitert werden, um die Notärzte zu entlasten. Die Integrierten Notfallzentren sollten als zentrale Anlaufstel­ len mit einer eigenen Vergütung durch die Krankenkassen aus ei­ nem neu einzurichtenden Finan­ zierungstopf ausgestaltet werden. In den Einrichtungen müsste insbesondere darüber befunden werden, ob ein Patient stationär aufgenommen werden muss. Wer vor dem Aufsuchen bereits eine Integrierte Leitstelle kontaktiert habe, solle dafür honoriert wer­ den. Zum Beispiel durch kürzere Wartezeiten. Wichtig dabei: Diese Entscheidung müsse unabhängig

von den Interessen der jeweili­ gen Krankenhausträger erfolgen, meint Wille. Zudem verlangt der Sachver­ ständige, den Rettungsdienst als eigenständigen Leistungsbereich ins Sozialgesetzbuch fünf einzu­ führen und dort jeden Einsatz als solchen zu vergüten. Bisher fließe nur Geld, wenn auch tatsächlich ein Patiententransport stattfinde.

Eng verknüpft Die internationale Ebene be­ leuchtete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesvertei­ digungsministerium (BMVg), Dr. Peter Tauber (CDU). Er zeigte auf, dass aktuelle sicherheitspoliti­ sche Herausforderungen oftmals auch mit Gesundheitsrisiken zu tun hätten. Das sei etwa im Rah­ men der Ebola-Epidemie deutlich geworden. Und sie habe noch etwas klar gezeigt: Gefahren ma­ chen vor einzelnen Staatsgrenzen nicht halt. Aus diesem Grunde sei die in­ ternationale Zusammenarbeit, unter anderem im Rahmen der Vereinten Nationen, von entschei­ dender Bedeutung. Auf national­ staatlicher Ebene komme es auf eine enge Kooperation zwischen der Bundeswehr und dem Deut­ schen Roten Kreuz (DRK) an. Die Hilfsorganisation und der

Sanitätsdienst der Truppe hätten einen gemeinsamen Auftrag, so Tauber.

Bisher noch keine einheitliche Definition Problematisch sei allerdings, dass keine allgemeingültige Defi­ nition des Begriffs “Gesundheits­ sicherheit” vorhanden sei, gab Dr. Johannes Blasius zu bedenken. Dabei gelte inzwischen eigentlich, so der Referatsleiter für Gesund­ heitsschutz, Gesundheitssicher­ heit und Krisenmanagement bei biologischer Gefahrenlage im Bundesgesundheitsministerium: “Gesundheitssicherheit hat mehr denn je eine globale Dimension.” Aus diesem Grunde und weil die Thematik zahlreiche Facetten besitze, sei ein ressortübergrei­ fender Ansatz erforderlich. Eine rasche, von allen Akteuren akzeptierte Begriffsbestimmung sei jedoch äußerst wichtig, kon­ statierte Daniela Braun. Schließ­ lich hätten Gesundheitsprobleme das Potenzial, Staaten aufgrund der damit einhergehenden sozio­ ökonomischen Auswirkungen zu destabilisieren. Deshalb verlangte die Referentin für Außen- und Sicherheitspolitik der KonradAdenauer-Stiftung: “Sicherheits­ politik sollte sich mit Gesundheit beschäftigen.”

Wichtig seien die infrastruktu­ rellen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel eine ausreichen­ de Länge der Kontrollstelle, um moderne Sicherheitstechnik einbringen zu können. Ebenso bedeutsam für den Durchsatz seien aber auch die kontinuier­ liche Fluggastzuführung und der individuelle Passagiermix (Ferien­ reisende, Geschäftsleute, Fami­ lien mit Kindern, etc.). All diese Rahmenbedingungen seien von Flughafen zu Flughafen unter­ schiedlich. Im Übrigen würden in der öffentlichen Darstellung unterschiedlichste Messme­ thoden verwandt, die – je nach Berechnungsmethode – an der gleichen Kontrollstelle zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führten. Vergleiche seien daher mit Vorsicht zu genießen. Werde die Leistungsfähigkeit dieser Schleuse beispielswei­ se schlicht durch die Addition der theoretischen maschinellen Prozesse ermittelt, ergebe sich in einem fiktiven Beispiel eine Durchsatzzahl von zum Beispiel 210 Passagieren stündlich. Bei diesem prozessbezogenen Ansatz blieben aber individuelle Fakto­ ren, wie die Kommunikation mit dem Passagier, die individuelle Betreuung unerfahrener Flug­ gäste und Zeiten geringerer An­ flutung der Kontrollstelle außen vor, erläuterte der im Potsdamer Bundespolizeipräsidium für Luft­ sicherheitsaufgaben zuständige Referatsleiter Markus Bierschenk. Orientiere man sich hingegen an einer definierten kurzen Zeit­

spanne oder am Fluggast und rechne die gemessenen Werte dann im Sinne einer Exploration auf die volle Stunde hoch, erge­ be sich in dem Modell nur noch eine stündliche Durchsatzzahl von 155 bis 160 Fluggästen. Bei einer Echtzeitmessung im Voll­ betrieb während sogenannter Pe­ akzeiten seien es dann in dem fiktiven Beispiel sogar nur noch 125 bis 130 Passagiere pro Kon­ trollstunde. In diesem Szenario seien dafür allerdings bereits Ver­ zögerungen wegen individuellen Nachkontrollbedarfs oder wegen Abbrüchen des Kontrollprozesses berücksichtigt. Generell gilt laut Bierschenk: “Die Luftsicherheitsmaßnahmen müssen den Verkehr schützen, ohne ihn unverhältnismäßig einzuschränken.” Gleichzeitig sei aber auch wichtig, dass bei Sicherheitsfragen “Qualität vor Geschwindigkeit” gehe. Denn: “Die Bedrohungen für den zivilen Luftverkehr sind vielfältig und gegenwärtig. Sie fordern unsere ganze Aufmerksamkeit.”

Zahlreiche Bedrohungen Zu den größten Gefahren gehö­ ren laut Uwe Büchner, Referats­ leiter im bayerischen Staats­ ministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, unter anderem sogenannte “einsame Wölfe”, versprengte Mitglieder der Ter­ rormiliz “Islamischer Staat”, die auch nach Europa einsickern könnten, und Schusswaffen­ angriffe auf Flughäfen. Auch Attacken mit Sprengstoffgür­

teln, Fahrzeugbomben oder Rucksacksprengsätzen hält er für möglich. Weitere denkbare Szenarien seien Cyber-Angriffe auf Flugzeugsteuerungen, Zu­ trittssysteme oder Gepäckdaten sowie die Nutzung von Drohnen zu terroristischen Zwecken. Aber auch die traditionelle Luftsicher­ heit, also Passagiere, Reise- und Handgepäck, seien bedroht, so Büchner.

Passagierzahlen gewachsen Gleichzeitig werde der Luftver­ kehr allein im Freistaat Bayern bis Ende dieses Jahres erstmals mehr als 50 Millionen Fluggäste verzeichnen. Damit habe sich die Zahl seit 1998 mehr als verdop­ pelt. Darüber hinaus stiegen die Sicherheitsanforderungen immer weiter, während die Durchsatz­ leistungen der Einzelschleusen weiter zu sinken drohten. Die bauliche Infrastruktur sei aber nicht beliebig vermehrbar. Ziel­ setzung müsse es deshalb sein, die Sicherheit zu verbessern, die Durchsatzleistung der Kontroll­ stellen jedoch zu erhalten oder gar zu verbessern. Dabei müsse zugleich allerdings berücksichtigt werden, dass Luftsicherheitsaus­ rüstung deutlich teurer werde. Hier warnte Büchner vor Fehlin­ vestitionen. Zumal sich bei den Prüfanlagen für Handgepäck ein hoher Austauschbedarf angestaut habe und die manuelle Bildaus­ wertung Risiken berge. Er merkte mit Blick auf modernere Technik allerdings auch an: “Wer es nicht ausprobiert, hat schon verloren.”

Meteorologisches Potenzial steigt Waldbrandgefahr steigt insbesondere in bisher weniger betroffenen Regionen (BS/mfe) Deutschland dürfte in Zukunft noch stärker als bisher schon mit Waldbränden und Feuer auf Graslandschaften zu kämpfen haben. Zumindest aus meteorologischer Sicht wird sich die Wahrscheinlichkeit für solche Ereignisse deutlich erhöhen. Und das bundesweit. Besonders gefordert sind Regionen, in denen es momentan noch selten zu Waldbränden kommt. Dies treffe unter anderem auf Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu, berichtet Falk Böttcher von der Abteilung Agrarmeteorologie des Deut­ schen Wetterdienstes (DWD). Er meint: “Wir verzeichnen für ganz Deutschland in unserem Waldbrandgefahrenindex immer öfter mittlere Stufen. Zugleich nimmt die Zahl der Warnungen auf niedrigeren Stufen ab und die Zahl der Gefährdungen mit der höchsten Warnstufe fünf bleibt seit Jahren konstant.” Die Skala reicht vom Wert eins (sehr geringe Gefahr) bis zum Wert fünf (sehr hohe Gefahr). Während der Waldbrandsai­ son, die in der Regel von März bis Oktober dauert, wird diese Pro­gnose einmal täglich aktu­ alisiert. “Die Berechnung des Waldbrandgefahrenindex erfolgt auf der Grundlage stündlicher Werte. In das Berechnungsmo­ dell werden unter anderem die Lufttemperatur, die relative Luft­ feuchtigkeit, die Windgeschwin­

In Deutschland wird es in Zukunft sehr wahrscheinlich öfter zu Bränden auf Wald- und Graslandflächen kommen. Und davon werden auch Regionen betroffen sein, die bisher oft noch unbehelligt bleiben. Foto: BS/Harry Hautumm, pixelio.de

digkeit, die Niederschlags- oder Schneemenge sowie die kurzund langwellige Strahlung der Atmosphäre einbezogen”, erläu­ tert der Meteorologe. Bestimmt werde mithilfe des Index die Feuerintensität beziehungswei­ se die Zündbereitschaft. Auf den darauf beruhenden Karten würden dann die Vorhersagen für den aktuellen Tag sowie die vier Folgetage abgebildet. Die wichtigste Kenngröße für das seit 2010 existierende Produkt bilde dabei die Streufeuchte, da Waldbrände immer in der Streu entstünden.

Warnungen selbst obliegen Ländern Zugleich stellt Böttcher aber auch klar, dass Waldbrandwar­ nungen selbst nicht in den Zu­ ständigkeitsbereich des DWD fielen. Die Kompetenz hierfür lie­ ge bei den einzelnen Bundeslän­ dern, die auch die individuellen Waldbrandgefahrenstufenstufen festlegten. Einige Landesministe­ rien würden dabei die vom DWD ermittelten Stufen übernehmen, andere noch Anpassungen vor­ nehmen. Insgesamt sei die Zusammen­ arbeit mit den einzelnen Bun­ desländern sehr unterschiedlich ausgeprägt, auch wenn de facto mit jedem ein Verwaltungsab­ kommen existiere. Diesen dif­ ferierenden Grad der Koope­ ration führt Böttcher auf die unterschiedliche Betroffenheit von Wald- und Graslandbränden zurück. Besonders eng sei die Zu­ sammenarbeit mit Brandenburg, das über einen eigenen Wald­ brandbeauftragten verfügt. Eben­

falls sehr stark und reibungslos arbeite der DWD mit ausländi­ schen Partnerwetterdiensten, etwa in Polen, Tschechien und Österreich, zusammen. Diese nutzten teilweise jedoch andere Indizes mit abweichenden Ge­ fahrenstufen.

Wissenschaftlich ginge noch einiges Auf den Waldbrandgefahren­ index des DWD, dessen metho­ dische Grundlagen bis in die 1960er-Jahre zurückreichen, und seine Weiterentwicklungs­ möglichkeiten bezogen merkt Böttcher an: “Wissenschaftlichtheoretisch könnte der Index nicht mehr nur einmal täglich, sondern stündlich aktualisiert werden.” Er zeigt sich aber auch überzeugt: “Das würde für den einzelnen Bürger nicht mehr Si­ cherheit bedeuten.” Man setze eher auf die Un­ terstützung der Katastrophen­ schutzbehörden auch nach dem Ausbruch eines Waldbrandes. Auch dann liefere der DWD Wetterdaten, beispielsweise zur Windgeschwindigkeit und -prognose. Die Ausbreitungs­ vorhersagen übernähmen bisher jedoch noch die Feuerwehren selbst. Allerdings gebe es dies­ bezüglich Überlegungen inner­ halb des DWD, diese Aufgabe zu übernehmen, erläutert Böttcher. Der Meteorologe warnt aber nicht nur vor zunehmender Wald­ brandgefahr hierzulande. Auch die Graslandfeuergefahr, die von der individuellen Landnutzung abhänge, steige. Ein weiteres Feld, auf dem staatliches Han­ deln dringend erforderlich ist.


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Behörden Spiegel / Dezember 2018

Berliner Sicherheitskonferenz B

ei ihrer Ansprache vor dem voll besetzten Auditorium betonte Ministerin von der Leyen, dass die Europäische Union (EU) in Zukunft deutlich mehr Eigenleistung zu Sicherheit und Verteidigung übernehmen müsse. Dieser Appell zog sich bei vielen Sprechern beiderseits des Atlantiks wie ein roter Faden durch die gesamte Konferenz. “Ein Europa”, so die CDU-Politikerin weiter, “das schützt, muss handeln wollen – und können!” Zugleich zeigte sie sich überzeugt, dass die “strategische Autonomie” des alten Kontinents schon lange keine Frage des “Ob” mehr sei, sondern nur noch des “Wie”. Dr. von der Leyen unterstrich: “Die Europäische Verteidigungsunion ist im Werden.” Hierfür sei es jedoch dringend erforderlich, dass die EU eigene Führungsfähigkeiten aufbaue. Es gelte aber weiterhin: “Wir bleiben der NATO ebenso verbunden wie Europa.” Die Stärke der Atlantischen Allianz lebe vom gemeinsamen Bekenntnis und Handeln. Des Weiteren plädierte die deutsche Verteidigungsministerin dafür, dass europäische Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik künftig per Mehrheitsbeschluss und nicht mehr einstimmig gefällt werden sollten. Der deutsche Parlamentsvorbehalt gelte weiter, müsse aber flexibler und europäischer werden. ”Die bisherige Einstimmigkeit verlangsamt, ja verhindert oft ein hörbares, kraftvolles und wirkungsvolles Europa”, kritisierte die CDUPolitikerin. Würde etwa ein Ausschuss von Sicherheitspolitikern aus den nationalen Parlamenten in Brüssel regelmäßig über zukünftige Krisen­ szenarien auf dem Laufenden gehalten, würde “die Orientierung unserer parlamentarischen Experten früher ansetzen, der parlamentarische Diskurs würde belebt und Entscheidungen könnten schneller fallen.” Und all das, ohne den deutschen Parlamentsvorbehalt zu schmälern. Außerdem meint die Bundesverteidigungsministerin: “Wir wissen doch alle, dass die Fragmentierung der Waffensysteme in den europäischen Streitkräften unerträglich ist.” Aus diesem Grunde verlangt von der Leyen: “Wir müssen Entwicklung und Beschaffung unserer europäischen militärischen Fähigkeiten besser abstimmen können.” Es brauche nicht nur eine gemeinsame Beschaffung, sondern auch ein einheitliches Ersatzteilmanagement, gemeinsame Ausbildung und Übungen sowie eine länderübergreifende Instandhaltung. Der Weg zu einer “Armee der Europäer” sei angelegt. Dies sei auch wichtig. Denn: “Verharren wir im rein nationalen Denken, werden wir jeder für sich stolz bleiben, aber irrelevant.” Und das könne nicht im gemeinsamen europäischen Interesse sein. Für eine gegensei-

Zwischen NATO und EU BSC 2018: Partner Niederlande im Fokus (BS/Dr. Gerd Portugall, Marco Feldmann) “Transatlantisch bleiben, europäischer werden” – so lautete das Motto der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz (BSC), die Ende November in der Bundeshauptstadt stattgefunden hat. Eröffnet hat diesen – mittlerweile 17. – Kongress zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung erstmals die deutsche Verteidigungsministerin, Dr. Ursula von der Leyen.

Sprachen auf der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz (v.l.n.r.): die österreichische Außenministerin Dr. Karin Kneissl, Bundesverteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen, der niederländische Außenminister Stef Block, Kongresspräsident Prof. Ioan Paşcu und Veranstalter R. Uwe Proll. Foto: BS/Dombrowsky

tige Ergänzung von Atlantischer Allianz und Europäischer Union sprach sich anschließend der niederländische Außenminister Stef Blok von der wirtschaftsliberalen VVD (“Volkspartij voor Vrij­ heid en Democratie”) aus. Das Nachbarland war dieses Jahr Partner der BSC. Angesichts der komplexeren Sicherheitslage, der multipolaren Welt, zunehmender hybrider Gefahren sowie der Bedrohungen aus dem digitalen Raum – in diesem Zusammenhang fiel auf der Konferenz auch das Schlagwort vom “Ring of Fire” rund um Europa – sei dies dringend erforderlich. Minister Blok stellte aber auch klar: “Wir können uns in Europa nicht ohne die USA verteidigen.” Daher müssten sowohl die militärischen Fähigkeiten Europas gestärkt als auch die der NATO ausgebaut werden. Zugleich appellierte er an seine europäischen Kollegen: “Wir müssen den Mut finden, in Sicherheit zu investieren.” Zahlreiche weitere hochrangige Sprecher aus dem Nachbarland kamen auf der BSC zu Wort: U. a. stellte sich Barbara Visser, Staatssekretärin im Niederländischen Verteidigungsministerium, zusammen mit ihrem deutschen Counterpart Benedikt Zimmer im “High-Level Interview” den Fragen von Rolf Clement. Weil das Königreich der Niederlande Partner der diesjährigen BSC gewesen ist, fand der mittlerweile schon traditionelle Vorabendempfang des Kongresses diesmal in den Räumen der niederländischen Botschaft in Berlin statt. Ihr Hausherr Wepke Kingma sagte bei seiner Begrüßung der internationalen Gäste,

dass zur Bewältigung der aktuell zahlreichen Bedrohungen und der sich daraus ergebenden sicherheitspolitischen Herausforderungen “wir die NATO und ein starkes Europa brauchen”. Mit Stärke allein sei es jedoch nicht getan: “Europa muss handeln”, betonte Seine Exzellenz. Stets seien die Niederlande “ein aktiver Partner in Verteidigungsfragen” gewesen – und daran solle sich auch weiterhin nichts ändern. Im Gegenteil: Botschafter Kingma hob in diesem Zusammenhang die – immer weiter fortschreitende – “besonders enge Zusammenarbeit” zwischen den niederländischen und deutschen Streitkräften hervor. Gerade dieser Aspekt ist immer wieder von zahlreichen Sprechern des Kongresses als Musterbeispiel für militärische Kooperation bis hin zur Integration genannt worden. Der diplomatische Vertreter des Königreiches in Deutschland zeigte sich erfreut, dass auch zahlreiche Vertreter der wehrtechnischen Industrie in Programm und Ausstellung eingebunden worden seien. Schließlich sei die Privatwirtschaft integraler Bestandteil des “sicherheitspolitischen Ökosystems”. “Wir leben in einer Zeit beispielloser Gefahren”, stellte auch Prof. Ioan Mircea Paşcu, diesjähriger Kongresspräsident und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, in den Räumen der niederländischen Botschaft fest. Dabei griff er das Motto der BSC 2018 auf: “European Security and Defence – remaining Transatlantic, acting more European”. Die große Frage, die sich daraus ergebe, sei: Wie könne man konkret mehr in Europa tun

und gleichzeitig transatlantisch bleiben, so der ehemalige rumänische Verteidigungsminister Paşcu. Sichtlich und verdientermaßen stolz wies R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber des BSC-Veranstalters Behörden Spiegel, beim Vorabendempfang darauf hin, dass “wir noch nie eine Konferenzeröffnung mit drei herausragenden Ministern” – der deutschen Verteidigungsministerin, dem niederländischen Außenminister sowie der österreichischen Außenministerin – gehabt hätten. Dies unterstreiche die zentrale Rolle, die Europa bei diesem Kongress spiele. Nicht nur die Welt “ist aus den Fugen geraten”, um den heutigen Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier zu zitieren. Gerade “in und um Europa herum” verschlechtere sich die Sicherheitslage kontinuierlich. Deshalb bräuchte Europa die NATO nach wie vor, so Proll.

Russland im Blick Auf der Konferenz kam wiederholt die jüngste Zuspitzung des russisch-ukrainischen Konfliktes in der Straße von Kertsch zwischen dem Schwarzen und dem Asowschen Meer zur Sprache. Nicht zuletzt vor diesem aktuellen Hintergrund plädierte die österreichische Außenministerin Dr. Karin Kneissl auf der Berliner Sicherheitskonferenz für einen konstruktiven Umgang mit Russland. Sie sagte: “Auch mit schwierigen Nachbarn müssen wir an der Gegenwart und der Zukunft arbeiten.” Ministerin Kneissl vertrat die Alpenrepublik bei der Kongresseröffnung, weil letztere im zweiten

Halbjahr 2018 die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Aus ihrer Sicht bietet sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für erneute Vermittlungsversuche zwischen den beiden Nationen an. Schließlich sei die OSZE ein “wichtiges Forum, in dem Russland seinen Platz hat”, so die österreichische Ministerin. In diesem Zusammenhang betonte sie die grundlegende Bedeutung von Geschichte (“la longue durée”) und Geografie für die europäische Sicherheit. Niels Annen (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, sagte in der “High-Level Debate” am ersten Tag ganz deutlich, dass die Staatsführung in Moskau mit der jüngsten Militäraktion in der Straße von Kertsch “erneut einen Bruch des Völkerrechts” begangen habe. Vor diesem aktuellen Hintergrund lauschte das Plenum sehr aufmerksam den Worten des stellvertretenden russischen Außenministers Alexander Grushko, der – wenig überraschend – die Sichtweise seiner Regierung vorgetrug.

Treffpunkt der Befehlshaber Im zweitägigen Hauptprogramm trugen u. a. General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr, und sein niederländischer Counterpart, Admiral Rob Bauer, vor. Daneben wurden täglich auch sieben parallele Fachforen durchgeführt. Eingebunden waren darin u. a. auch die Befehlshaber der niederländischen Teilstreitkräfte: Generalleutnant Leo Beulen (Heer), Vizeadmiral Rob Kramer (Marine) und Generalleutnant Dennis Luyt (Luftwaffe). Auch

Vizeadmiral Ben Bekkering, Ständiger Militärischer Vertreter der Niederlande bei NATO und EU, sowie Vizeadmiral Arie Jan de Waard, Rüstungsdirektor des Niederländischen Verteidigungsministeriums, kamen zu Wort. Im Luftwaffen-Panel z. B. stellte der Inspekteur Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, heraus, dass die fliegenden Einheiten die “flexibelsten militärischen Aktivposten” seien, die der politischen Leitung zur Verfügung stünden. Nationale Probleme bei der Einsatzbereitschaft würden multinational noch dadurch erschwert, dass viele europäische Luftstreitkräfte zwar dieselben Muster flögen, deren Interoperabilität allerdings durch völlig unterschiedliche Konfigurationen behindert würde. Im Marine-Panel waren sich die Vertreter der Industrie – u. a. Hein van Amejden, Geschäftsführer der niederländischen Werft Damen Schelde – und der Seestreitkräfte – u. a. Vizeadmiral Andreas Krause, Inspekteur Marine – einig, dass Personal die knappste Ressource überhaupt sei. Admiral Krause, der auch im Hauptprogramm am “High-Level Military Forum” spekteure und Oberbeder In­ fehlshaber teilgenommen hat, nahm dort Stellung zum Thema “Einsatzfähigkeit”: Als im vierten Quartal des vergangenen Jahres alle sechst deutschen U-Boote nicht einsatzbereit gewesen seien, hätten fast alle Medien darüber berichtet; dass davon mittlerweile wieder drei Unterseeboote führen, darüber spreche niemand, so der MarineInspekteur.

Die Konferenz Die BSC ist eine der größten Veranstaltungen zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zu Kongress und Ausstellung, jeden Herbst seit 2001 in Berlin abgehalten, kamen dieses Jahr mehr als 1.100 Teilnehmer aus rund 50 europäischen und außer-europäischen Staaten, von den Europäischen Institutionen und der NATO. Mehr als 150 Mitwirkende sind diesmal in das internationale Programm eingebunden gewesen. Dieses internationale Event wendet sich vor allem an Sicherheitspolitiker, die europäischen Streitkräfte, an Ministerien und Ämter, die Botschaften in Berlin und an nationale und internationale Firmen. Der Kongress wird durch den Behörden Spiegel organisiert, Deutschlands führender unabhängiger Zeitung für den Öffentlichen Dienst. Die Veranstaltung versteht sich als neu­trale und objektive Plattform. Seit einigen Jahren werden Staaten dazu eingeladen, Partner der BSC zu werden. Bisher waren dies Russland, Großbritannien, die Türkei, die USA, Frankreich und Schweden.


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Treffpunkt der Generale und Admirale

Jeder braucht Nachwuchs

Von der militärischen Kooperation zur Integration

Künftige Herausforderung: genügend Personal finden

(BS/Dr. Gerd Portugall) Auf der Berliner Sicherheitskonferenz diskutierten nicht nur Spitzenpolitiker, Diplomaten und Industrievertreter unterein- (BS/iga) Die Bedeutung der Arbeitskräfte der europäischen Armeen ist ander und miteinander. Auch zahlreiche ranghohe Militärs besprachen die Themen, die vielen Kongressteilnehmern unter den Nägeln brannten: ein Thema, das auch bei der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz u. a. Einsatzfähigkeit, Interoperabilität, Finanzausstattung, Personalmangel und Bedrohungslagen. behandelt wurde. Vor allem aktuelle Probleme und bevorstehende Herausforderungen der europäischen Streitkräfte standen dabei im Im zweitägigen Hauptprogramm Generalleutnant Leo Beulen, so der niederländische Gene- Aktivposten” seien, die der poli- Fokus. Das fehlende Interesse der jungen Generationen, beim Militär zu trugen u. a. die beiden rang- niederländischer Counterpart ralleutnant Jan Broeks, zurzeit tischen Leitung des Landes zur arbeiten, stellt beispielsweise eines der Probleme dar. Denn: Es besteht höchsten Soldaten Deutsch- von General Vollmer, sprach in Generaldirektor des Internatio- Verfügung stünden. Nationale Nachwuchsbedarf in einigen europäischen Ländern.

lands und der Niederlande, General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr, und sein Counterpart, Admiral Rob Bauer, vor. (Mehr dazu auf dieser Seite unten.) Vizeadmiral Andreas Krause, Inspekteur der deutschen Marine, nahm am zweiten Tag im Hauptprogramm am “HighLevel Military Forum” der Inspekteure und Oberbefehlshaber Stellung zum Thema “Einsatzfähigkeit”: Als im vierten Quartal des vergangenen Jahres alle sechs deutschen U-Boote nicht einsatzbereit waren, hätten fast alle Medien darüber berichtet; dass davon mittlerweile wieder drei Unterseeboote führen, darüber spreche niemand, so der Marine-Inspekteur. Moderiert wurde das Forum vom Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Wolfgang Hellmich (SPD). Generalleutnant Jörg Vollmer, Inspekteur des deutschen Heeres, ergänzte im “Military Forum”, dass es “eine Schande” sei, nach so vielen Jahren der multinationalen Kooperation und Integration so schlecht technisch miteinander kommunizieren zu können. Zum Thema “Integration” wies er außerdem darauf hin, dass zumindest bei den Landstreitkräften alle hohen Offiziere beider Staaten mindestens einmal in ihrer Laufbahn im 1. Deutsch-Niederländischen Korps gedient hätten.

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perationen im Cyber-Raum als allgemeine Bedrohung für die westlichen Demokratien, Krisengebiete, in denen Staaten gegen terroristische Organisationen vorgehen – speziell im Nahen und Mittleren Osten – sowie die Vielzahl kleinerer regionaler Krisengebiete zwingen gerade Nationen mit großen Verteidigungsbudgets, nicht nur mehr Service- und Unterstützungsleistungen bereitzustellen, sondern deren Qualität stetig zu verbessern, führte der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, aus. Die Frage sei daher auch nicht mehr, ob kooperiert werde, sondern wie die Zusammenarbeit zum Erfolg geführt werden könne, ohne die nationale Souveränität zu gefährden, ergänzte Admiral Rob Bauer, Oberbefehlshaber der niederländischen Streitkräfte. Selbst die NATO-Partner jenseits des Atlantiks würden in Europa einen Beitrag zur na-

diesem Zusammenhang sogar von “tiefer Integration” zwischen den Teilstreitkräften beider Nationen. Damit diese Integration funktionieren könne, komme der technischen Interoperabilität größte Bedeutung bei. Im Falle eines militärischen Konfliktes “müssen wir schnell große Mengen von Daten austauchen können”, so General Beulen weiter. Ein “Musterbeispiel” für Interoperabilität in Europa sei das einstrahlige Mehrzweckkampfflugzeug F-16 “Fighting Falcon”, ergänzte Generalleutnant Dennis Luyt, Befehlshaber der niederländischen Luftwaffe. Der ursprünglich von General Dynamics für die U.S. Air Force entwickelte und seit 1993 von Lockheed Martin produzierte Jet wird u. a. auch von den Luftstreitkräften Belgiens, Dänemarks, Griechenlands, Norwegens und Portugals geflogen. Generalleutnant Christopher Cavoli, Kommandierender General der US-Landstreitkräfte in Europa (USAREUR) mit Dienstsitz in Stuttgart, machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass es den Vereinigten Staaten um Interoperabilität mit den NATO-Partnern gehe, nicht aber um Integration. Schließlich müssten die USA militärisch weltweit zu viele verschiedene internationale Verpflichtungen wahrnehmen. Die NATO-Kommandostruktur stelle zwar einen wichtigen Integrationsfaktor für Europa dar,

nalen Militärstabes der Atlantischen Allianz. Was dem Bündnis noch fehle, sei eine “Kultur der Einsatzbereitschaft”. Zwar bekämen die europäischen Streitkräfte wieder mehr Geld, so Heeresgeneral Beulen. Allerdings zog sich auch hier das Thema “Personalmangel” wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Mit mehr Geld könnten auch wieder mehr Ersatzteile beschafft werden. Doch dann bräuchte man auch mehr Mechaniker, um diese Teile einzubauen. Angesprochen in der Diskussion mit dem Auditorium auf die jüngste Zuspitzung des russisch-ukrainischen Konfliktes in der Straße von Kertsch, erklärte General Broeks, dass die NATO nicht mehr militärische Präsenz im Schwarzen Meer zeigen wolle und dürfe. Schließlich wolle das Nordatlantische Bündnis eine weitere Eskalation des Konfliktes möglichst vermeiden.

Hochrangig besetzte Fachforen Neben dem Hauptprogramm wurden täglich auch sieben parallele Fachforen mit zahlreichen ranghohen militärischen Vertretern durchgeführt. Im Luftwaffen-Panel am ersten Tag z. B. stellte der Inspekteur der deutschen Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, heraus, dass die fliegenden Einheiten die “flexibelsten militärischen

Probleme bei der Einsatzbereitschaft würden allerdings multinational dadurch erschwert, dass viele europäische Luftstreitkräfte zwar dieselben Muster flögen – z. B. “Tornado” und Eurofighter –, deren Interoperabilität allerdings durch völlig unterschiedliche Konfigurationen behindert würde. Im Marine-Panel am zweiten Tag waren sich die Vertreter der Industrie – u. a. Hein van Amejden, Geschäftsführer der niederländischen Werft Damen Schelde – und der Seestreitkräfte – u. a. Admiral Krause, der dieses Fachforum leitete – einig, dass Personal die knappste Ressource überhaupt sei. Sehen lassen konnte sich auch das Panel “Die Zukunft integrierter Kräfte”, das von Generalleutnant Leo Beulen, Befehlshaber des niederländischen Heeres, zusammen mit Generalleutnant Jörg Vollmer, Inspekteur Heer, moderiert wurde. Multinationalität sei auf dem Weg zu integrierten Kräften zwar ein guter erster Schritt, aber noch lange nicht alles, kons­ tatierte Generalleutnant Michiel van der Laan, Kommandierender General (KG) des 1. DeutschNiederländischen Korps. Es komme auch auf Interoperabilität, eine gemeinsame Arbeitssprache und eine voll integrierte Logistik an. Des Weiteren brauche es einen gemeinsamen strategischen Ansatz, so der niederländische Befehlshaber.

In dieser Hinsicht äußerte sich der Geschäftsführer von The Boston Consulting Group, Peter Geluk: “Eine Herausforderung für die Streitkräfte in Zukunft wird es sein, genug Personal zu haben.” Geluk wies darüber hinaus auf die Notwendigkeit hin, die Attraktivität des Militärs als Arbeitgeber zu steigern. “Wir sollten uns die Frage stellen: Was können wir machen, um neue Arbeitskräfte anzulocken?”, schlug er vor. Außerdem plädierte er für eine “drastische” Vereinfachung der Organisation. Auch der Personaldirektor des niederländischen Verteidigungsministeriums, Peter Reesink, verwies auf das Problem des Nachwuchsbedarfs. Er sagte: “Wir brauchen mehr Personal, wenn wir unsere Armeen stark halten wollen. Wir brauchen aber auch datenbasierte Systeme und eine bessere Bildung. Die Bildung des Personals wird in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen.” Zudem sprach sich Reesink dafür aus, neue Wege der Zusammenarbeit zu finden.

Auch Bundeswehr betroffen Die Bundeswehr ist auch mit dem Nachwuchsbedarf konfrontiert. Über sinkende Personalzahlen in der Bundeswehr berichtete Klaus von Heimendahl, Personaldirektor des Bundesministeriums der Verteidigung

“Gemeinsam glücklicher als allein” Freundschaft und einheitliche Regularien als Basis für eine gemeinsame Truppe (BS/Jörn Fieseler) Drei zentrale Herausforderungen zwingen die Streitkräfte, mehr miteinander zu arbeiten. Denn eine tiefe Integration der Streitkräfte kann helfen, Kenntnisse und Fähigkeiten zu verbessern, um die Versprechen gegenüber der NATO besser einhalten zu können. Aber: Es erfordert Investitionen in unterschiedlichste Bereiche. tionalen Sicherheit leisten. So stelle Kanada beispielsweise wichtige Ressourcen bereit und arbeite mit Polen, Deutschland, aber auch mit Kroatien sehr eng zusammen, erläuterte General Zorn. Und weiter: “Nur durch diese Zusammenarbeit ist eine Abschreckung möglich.” Trotzdem müsse die europäische Zusammenarbeit vorangetrieben werden. Deutschland votiere deshalb für neue gemeinsame Projekte wie Eurodrohne oder im Bereich der Luftkapazitäten. Das Konzept der Bundeswehr stelle deshalb die operative Bereitschaft in den Mittelpunkt. “Wir müssen militärisch besser koordinieren”, begründet Zorn den Ansatz. Dazu gehöre, Trup-

pen nicht zu duplizieren und keine überflüssigen Einheiten zu entwickeln. “Wir müssen ein­ ander kennenlernen und noch enger gemeinsame Fähigkeiten entwickeln”, so der Generalin­ spekteur der Bundeswehr. Hier seien Deutschland und die Niederlande Pioniere, sagte Admiral Bauer mit Blick auf das 414. Panzerbataillon. Zur Einheit gehören neben Stab und Unterstützungskompanie zwei deutsche sogenannte Kampfkompanien sowie eine niederländische Kampfkompanie. Gemeinsame Verfahren und Vorgehensweisen seien eta­ bliert, und auch die kulturelle Interoperabilität sei erreicht, unterstrich Bauer. Letzteres ist

für den Admiral von entscheidender Bedeutung. Denn Basis für eine solche Zusammenarbeit seien Freundschaft und Vertrauen. Weshalb besonders in die zwischenmenschlichen Beziehungen investiert werden müsse.

Material und Personal Darüber hinaus seien sowohl das Material als auch Qualifikationsanforderungen an das Personal relevant. Damit niederländische Soldaten Fahrzeuge und Gerätschaften der Bundeswehr nutzen könnten, müssten sie dafür voll ausgebildet worden seien, erläuterte der Admiral weiter. Doch gebe es unterschiedliche Qualifika-

tionsanforderungen. So habe es bei den Luftfahrtbehörden der Niederlande und von Deutschland drei Jahre gedauert, bis die Zertifizierungsanforderungen vereinheitlicht worden seien. Vor allem die Haftbarkeit war ein strittiges Thema. “Jetzt haben wir einheitliche Standards und ein vollständiges Vertrauen in die jeweilige Ausbildung.” Beim Material und Beschaffungsprozess gebe es weiteren Optimierungsbedarf. “Wir brauchen viel mehr identische Produkte, das erhöht Schlagkraft”, betonte General Zorn. Dem will sich Peter Heilmeier, Director Sales and Business Development Germany von MBDA, nicht verstellen. Aus seiner Sicht sind

(BMVg). Das Problem sei aber nicht nur, dass man mehr Personal brauche, sondern auch, dass viele der neu eingestellten Mitarbeiter innerhalb weniger Monate die Bundeswehr verlassen würden. Er sagte: “Man sollte der Frage nachgehen, was kann gemacht werden, damit sie in der Bundeswehr bleiben wollen.” Darüber hinaus legte er großen Wert auf eine kompetenz­ orientierte Bildung sowie auf die Notwendigkeit, sich an neue Arbeitsweisen anzupassen.

Bedürfnisse berücksichtigen Paul E. O‘Neill, Kommodore der britischen Luftwaffe, sagte, man müsse die Bedürfnisse der neuen Arbeitskräfte berücksichtigen, damit sie kurze Zeit später nicht kündigen wollten. Für O‘Neill spielen auch eine angemessene Belohnung und Anerkennung eine zentrale Rolle, wenn es darum gehe, die Treue der Streitkräfte zu erhöhen. Außerdem solle das Zugehörigkeitsgefühl nicht unterschätzt werden. O‘Neill meinte: “Meiner Meinung nach sollten wir in Zukunft dieses Gefühl aufrechterhalten.” Für die Entwicklung einer neuen Strategie zur Einstellung von Arbeitskräften plädierte Maurits Speksnijder, Geschäftsführer von Randstad Consultancy. Auch er unterstrich die Bedeutung des Zusammengehörigkeitsgefühls.

europäische Rüstungskooperationen alternativlos, allerdings benötige es dafür einerseits die richtigen Voraussetzungen und andererseits müsse es ein EU-Programm geben, das einen Mehrwert schaffe. Zu Ersterem gehörten gemeinsame Fähigkeitsanforderungen auf der Basis eines gemeinsamen Bedarfs, der sinnvoll auf die Industrieunternehmen verteilt sein müsse. Ebenso seien die Bau- und Abnahmevorschriften zu vereinheitlichen. Hinsichtlich eines EU-Programms sollte dieses mit den nationalen Programmen abgestimmt sein und sich an den Bedarfen notieren, fordert Heilmeier. Dazu gehöre auch, dass die Frage des Exports bei neuen Programmen gleich im Vorfeld geklärt werde. “Das ist zwingend notwendig”, so Heilmeier. “Schlussendlich geht es um den Glauben, dass man gemeinsam glücklicher ist, als wenn man allein agiert”, so Admiral Bauer abschließend.


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b wir besorgt sein sollten wegen der schwächelnden westlichen Verteidigungsstärke und dem Erstarken von Russland und China, ist schwer einzuschätzen”, sagte Prof. Dr.Ing. Jürgen Beyerer, Vorsitzender des Fraunhofer-Verbunds für Verteidigungs- und Sicherheitsforschung (VVS) und In­ stitutsleiter des des Fraunhofer Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB). Es würden, fuhr er fort, seit Jahren große Unterschiede zwischen den Rüstungsetats der westlichen Welt einerseits und denen der Russischen Föderation oder der Volksrepublik China andererseits existieren. Die Sorge über diese Asymmetrie könne auch unser Motor sein, so der Wissenschaftler, der gleichzeitig Professor an der Fakultät für Informatik des Karlsruher Instituts für Technologie ist. “Wir haben unsere demokratischen Werte und eine Welt, die uns für Desinformationen verwundbar machen und Entscheidungen hinauszögern.” Aber diese Probleme könnten gelöst werden: “Wir können die flexiblere Denkweise der zivilen Gesellschaften mit einbringen, um Lösungen zu generieren. Außerdem müssen wir unseren erwarteten Vorteil durch die Digitalisierung nutzen, ihn festigen und die Flanken der Verwundbarkeit hinsichtlich eines etwaigen Cyber-Kriegs und Cyber-Detektion schließen”, so der eindringliche Appell von Prof. Beyerer. Aber hierfür müsste investiert werden. “Militärische Investitio-

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yber-Angriffe sind kein neues Phänomen. Neu sei aber die hohe Aggressivität und der hohe Einsatz von Ressourcen der professionellen Hacker, so Patricia Zorko, Amtierende Nationale Koordinatorin für Sicherheit und Terrorabwehr der Niederlande. Es gehe längst nicht mehr um einzelne Bürger als nichtsahnende Opfer. Die Angreifer hätten mittlerweile höher gesteckte Ziele. “Was wir im Kampf gegen Cyber Crime brauchen, sind mehr Vorbereitung sowie schnellere und bessere Reaktionsfähigkeit”, forderte die Sicherheitskoordinatorin. “Wir sind in einem nie endenden Wettrennen, das zu verlieren wir uns einfach nicht leisten können.” Gefahr droht aber nicht nur von Kriminellen, die auf schnelles Geld aus sind. Kritische Infrastrukturen (KRITIS) und die Informationssysteme der öffentlichen Verwaltung stünden im Fokus staatlicher – oder wenigstens staatlich gelenkter – Akteure. “Wir sehen, dass Russland ein sehr aggressives Cyber-Programm als Teil einer größeren Strategie zur politischen Destabilisierung des Westens verfolgt”, so Zorko, die

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Alle Mann auf Digitalisierungsposition! Chancen, Herausforderungen und Nutzen für die westliche Verteidigung

halt nicht bereits veraltet sei. “Wir haben dies in der NATO mittlerweile verändert – nach 15 Jahren”, so Dr. Daum. Dies zeige die Bedeutung des Wandels auf.

(BS/Adrian Bednarski) China und Russland steigern ihre Militärausgaben, um sich im Verteidigungsbereich technologisch fortschrittlich aufzustellen. Dadurch könnten die westlichen und insbesondere die europäischen Staaten ins Hintertreffen geraten. Jedoch ebnen sie bereits den Weg für die ganz eigene digitale Zukunft, die nicht nur neue Technologien, sondern auch moderne Prozesse umfasst. Was muss getan werden, um Unterschiedliche Organisationsformen Einsätze auch zukünftig zu dominieren? nen hinken den wirtschaftlichen Investitionen hinterher”, erläuterte Dr. Thomas H. Killion, Chief Scientist im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Er sehe deshalb auch als Treiber der technologischen Zukunft die kleinen- und mittleren Unternehmen (KMUs). “Es entscheidet die Soft- und Hardware – also die Computerindustrie. Ich glaube, es existieren mehr Möglichkeiten für diese Unternehmen, indem sie Software und Algorithmen sowie neue Herangehensweisen entwickeln, die dann vom kommerziellen Markt auf militärische Anwendungen übertragen werden können. Die Barrieren hierfür sind abgebaut worden”, betonte Dr. Killion. Der US-Amerikaner verwies dabei auf die jetzigen Smartphones, die teilweise leistungsfähiger seien als die meisten Home Computer.

Schlechte Informationsverarbeitung “Wir müssen Informationen auf den schnellsten Wegen verarbeiten, speichern und auch weiterleiten können. Die Digitalisierung hat die Arbeitsweise der Hauptquartiere verändert”, fuhr Generalmajor Reinhard Wolski, Amtschef des Amtes für Heeresentwicklung der Bundeswehr in Köln, fort. In einem komple-

xen, vernetzten Einsatzumfeld müssten Soldaten gegenenfalls aller Teilstreitkräfte sowie genuine Cyber-Einsätze – unter ständiger Beobachtung der Medien – gleichzeitig geführt werden. Dies erfordere eine Synchronisierung der unterschiedlichen Einsatzbereiche und die Verarbeitung einer großen Vielzahl an Informationen. Die Verarbeitung ist aber ein Aspekt, der Kopfzerbrechen bereitet. “In den großen Hauptquartieren werden nur 25 Prozent der Informationen verwendet. Der Rest ist “Abfall”, weil die aktuellen Systeme die weiteren Informationen nicht aufbereiten können”, kritisierte Terry Halvorsen, Chief Information Officer (CIO) von Samsung Electronics. Für ihn stellt das 5GNetz (“Fifth Generation”) eine Lösung für verbesserte Datenübertragung dar. Dieses könne beispielsweise in Fahrzeugen mittels Mikrochips implementiert werden, wodurch schneller und größere Datenmengen ausgetauscht würden.

Technik zu sehr im Fokus Wobei Dr. Markus Hellenthal, Excecutive Vice President von Capgemini, kritisierte, dass die Technik zu sehr im Fokus stehe: “Wir haben stellenweise

eine nicht endende Technologie-Diskussion. Existiert die eierlegende Wollmilchsau? Wir verwenden zu viele finanzielle Mittel und Zeit auf der Suche nach ihr.” Vor allem, dies unterstreicht er, werde eine Digitalisierung ohne Interoperabilität nicht funktionieren, zu welcher Standardisierungen verhelfen könnten. “Es existiert nicht die eine Lösung. Um nun zügig etwas zu bewirken, müssen wir in kleinen Schritten zeigen, dass es funktioniert und es einfach tun und umsetzen”, so sein abschließendes Fazit. Dass die Technik langfristig entscheidend und ein Fortschritt notwendig sei, unterstrich auch Dr. Dr. Gerhard van der Giet, ehemaliger CIO der Bundeswehr und Senior Consultant der Computacenter AG: “Wir werden nicht nur menschliche, sondern auch maschinelle Intelligenz auf den zukünftigen Schlachtfeldern sehen. Deshalb müssen wir uns damit intensiver beschäftigen.” Denn Künstliche Intelligenz (KI) werde sich seines Erachtens so schnell entwickeln, dass die menschlichen Entscheidungen hinterherhinken würden. Einen weiteren Aspekt warf Vizeadmiral Arie Jan de Waard, Rüstungsdirektor im niederlän-

dischen Verteidigungsministerium, auf: “Das größte Problem hinsichtlich Regierung und Verwaltung ist der Bürokratismus und die fehlende Geschwindigkeit. Außerdem müssen wir es zulassen, dass die Menschen Fehler machen und daraus lernen können.”

Menschen und Prozesse im Mittelpunkt Die Menschen und die Prozesse im Mittelpunkt sah auch Konteradmiral Dr. Thomas Daum, Chef des Stabes der NATO Communications and Information Agency (NCIA). Das Ringen um Talente unter den mittlerweile “Digital Natives” brauche moderne Arbeitsplätze und resiliente Infrastrukturen, so der deutsche Admiral. Denn die jungen Potenziale wollten mindestens die gleichen digitalen Lebensverhältnisse vorfinden, wie sie sie aus ihrem Alltag her kennen würden. “Des Weiteren müssen wir unsere Mitarbeiter ständig weiter- und fortbilden.” Gleichzeitig müssten auch die Beschaffungsprozesse überdacht werden. Wenn Technologie beschafft werde, dann müssten auch die Vergabeprozesse effizienter und schneller ablaufen, damit die Technologie bei Er-

Ein nie endendes Wettrennen Im Umgang mit Cyber-Bedrohungen ist vor allem Eile geboten

Hinsichtlich der Organisationsstruktur brachte Brigadegeneral Manfred Gerhard Kreis, Abteilungsleiter der Abteilung Planung im Kommando der Streitkräftebasis (SKB) in Bonn, ein: “Wir haben Fähigkeitskommandos mit flachen Hierarchien für schnelle Reaktionsfähigkeiten stellenweise aufgebaut. Außerdem müssen wir das Mindset ändern, und zwar muss die Aktion direkt auf die Information folgen und keine lange Suche nach den Ursachen beginnen.” Ein Aspekt, der von Brigadegeneral Wilfred Rietdijk, stellvertretender Direktor Organisation und Information im niederländischen Verteidigungsministerium, erweitert wurde: “Wir müssen als Partner zusammenarbeiten. Denn hierbei teilen wir nicht nur den Nutzen, sondern auch die Risiken.” Durch Kooperationen werde Kompetenz dazugewonnen. Hinsichtlich der deutsch-niederländischen Partnerschaft äußerte er sich positiv: “Zum ersten Mal sehe ich einen funktionierenden, nicht perfekten Mechanismus. Unsere beiden Länder arbeiten zusammen, um Lücken in der Verteidigung zu schließen und jedes Land leistet hierbei seinen Beitrag”, so der leitende Ministerialbeamte aus in Den Haag.

tung ausschlaggebend sein muss. Schabhüser: “CyberVerteidigung ist ein Gemeinschaftswerk.”

(BS/Benjamin Stiebel) Organisierte Cyber-Kriminalität und die zunehmde Bereitschaft staatlicher Akteure, den Cyber- und Informationsraum in offener oder verdeckter Weise für Ihre Zwecke zu nutzen, setzen Deutschland und die Europäische Union unter Zugzwang. Öffentliche Verwaltung, Spielregeln gefordert Kritische Infrastrukturen und hochgradig vernetzte Wirschaftssysteme müssen dringend resilient gegen eine Vielzahl sich wandelnder Bedrohun- Über die Notwendigkeit, Cygen aufgestellt werden. Im Sinne einer soliden Sicherheits-Architektur werden aber auch Rufe lauter, Kompetenzen für eine aktive Verteidigung ber-Fähigkeiten aufzubauen, aufzubauen. bestand weitgehend Einigkeit. gleichzeitig auch Direktorin für Cyber-Sicherheit im niederländischen Justizministerium in Den Haag ist. Dem schloss sich auch Zorkos Landsmann Hans de Vries, Leiter des Nationalen Cyber-Sicherheitszentrums der Niederlande, an. Besorgniserregend seien in diesem Zusammenhang auch unkalkulierbare Kollateralschäden für heutige hochgradig vernetzte Wirtschaftssysteme. Der stellvertretende Generaldirektor der estnischen Behörde für Cyber-Sicherheit und Informationssysteme, Uku Särekanno, setzt hier auf multinationale Regulierungsstandards: “Wir müssen dahin kommen, dass Behörden, Kritische Infrastrukturen und Dienstleister überall auf demselben Niveau gesichert sind wie in Frankreich und Deutschland.” Dazu sei engere

und bessere Zusammenarbeit vonnöten, ergänzte Jan Lindner, Vice President Northern Continental Europe bei Panda Security. Es gehe aber nicht nur um Hochsicherheitsbereiche, so Lindner weiter, sondern auch um unsere grundlegenden IT-Infrastrukturen – die einfache Büroumgebung sowie mobile Endgeräte. “In der günstigen Standard-ITInfrastruktur hat der moderne Angreifer ein riesiges Schlachtfeld für sich entdeckt, das sich nicht so einfach verteidigen lässt.”

Fähigkeiten vorhalten Diskutiert wurde auf der Berliner Sicherheitskonferenz nicht nur über den Schutz der Informationstechnik, sondern auch über Möglichkeiten und Notwendigkeiten von CyberOperationen als aktive Vertei-

digungsmaßnahmen. Das aktuelle verteidigungspolitische Ungleichgewicht im CyberRaum brachte Särekanno auf den Punkt: “Anders als Russland und die USA hat Europa bisher keine erstzunehmenden Abschreckungsmittel.” Das sah auch Dr. Gerhard Schabhüser, Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), so. Bisher habe es noch keine Situation gegeben, in der ein staatlicher “Hackback” zu Gebote gestanden hätte. “Man muss die Fähigkeit dazu aber vorhalten. Ein Staat muss nach außen zeigen, dass er reagieren kann.” Das BSI als nationale CyberSicherheitsbehörde würde zwar selbst keine Cyber-Operationen in diesem Sinne durchführen, könnte mit seiner technischen Expertise Unterstützung leisten. Um Cyber-Operationen

erfolgreich durchführen zu können, sei eine ausführliche technische Umfeldanalyse notwendig, so der BSI-Vizepräsident: “Eine Gegenmaßnahme wird immer nur nachhaltig sein können, wenn man sich ein genaues Verständnis erarbeitet hat, wie der Angreifer vorgeht und was seine nächsten Schritte sein könnten.” Denn sobald der Angreifer aufgrund von Gegenmaßnahmen merke, dass er entdeckt sei, gebe es zwei typische Reaktionen, so Schabhüser. “Entweder er wird panisch und macht etwas Dummes, womögliches Schädliches. Oder, wenn er Profi ist, vergräbt er sich und wartet ab.” Bei allen Erwägungen technischer Natur dürfe jedoch nicht vergessen werden, dass bei aktiven Cyber-Abwehrmaßnahmen oberhalb einer gewissen Schwelle die politische Bewer-

Aber auch Forderungen nach verbindlichen Spielregeln zum Verhalten der Staaten im CyberRaum wurden immer wieder gestellt. So plädierte de Vries für einen verlässlichen “diplomatischen Werkzeugkasten”, der konkrete Maßnahmen und Eskalationsstufen bei CyberVorfällen definiere. Hier ergänzte Prof. Dr. Robin Geiss, Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Recht und Sicherheit an der Universität Glasgow: “Der Cyber-Krieg ist rechtlich und politisch eine absolute Grauzone. Was im Falle eines konkreten Angriffs passieren würde, ist derzeit völlig unklar.” Noch hätten wir keinen Cyber-Krieg im strengen Wortsinne erlebt. Das sei aber nur eine Frage der Zeit, war sich Geiss sicher. “Die Staaten müssen unbedingt klare Linien ziehen und Reaktionsmechanismen entwickeln.”


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High-Level Interview auf Staatssekretärsebene

PESCO und europäische Sicherheit

Bedürfnisse der Soldaten in den Mittelpunkt stellen

Verteidigungskooperation und Beschaffung

(BS/stb) Wenn es um internationale Kooperation in der Verteidigung geht, stellt sich schnell die Frage nach dem Geld. Wer investiert wie viel in die Truppe und deren Ausrüstung? Hier auf einen “grünen Zweig” zu kommen, ist nicht immer leicht. Doch es gibt durchaus gute Beispiele für bilaterale Kooperation, aus denen sich Lehren für multinationale Ansätze ziehen lassen.

(BS/Andy Stirnal) Im Rahmen gleich zweier Fachforen wurden die Umsetzung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ bzw. PESCO – Permanent Structured Cooperation) der EU und damit einhergehende Fragen militärischer Beschaffung debattiert. Fazit: Anerkannt wurde, dass PESCO das erfolgskritische Momentum aus politischem Willen und finanziellen Bekenntnissen erstmals glaubhaft zusammenzubringt. Diese neue Qualität der Ambitionen muss sich nun auch in der Eignung der ausgewählten gemeinsamen Entwicklungs- und Beschaffungsprojekte wiederfinden. Redundanzen zu bestehender NATO-Infrastruktur müssen vermieden, komplementäre Projekte identifiziert und derart Fähigkeitslücken gezielt geschlossen werden.

Auf der Berliner Sicher­ heitskonferenz 2018 (BSC) stellten sich Staatssekretäre aus den Verteidigungsminis­ terien von Deutschland und dem Kongress-Partnerland Nie­ derlande im “High-Level Inter­ view” den Fragen von Wolfgang Clement, vormals Deutsch­ landfunk. Beide sprachen über ihre Herangehensweise bei der Zusammenarbeit beider Länder. “Auf Arbeitsebene muss man sich persönlich kennenlernen und so oft wie möglich von An­ gesicht zu Angesicht mitein­ ander reden”, betonte Barbara Visser, Staatssekretärin im nie­ derländischen Verteidigung­ sministerium. Oft sei der Wille zur Zusammenarbeit zwar dar, ein Vorankommen im Detail er­ fordere aber ein vertrauensvol­ les Miteinander auf Augenhöhe. “Man muss sich nicht nur auf konkrete Ziele einigen, sondern auch darauf, wie man sie er­ reichen will, wie viel man für entsprechende Vorhaben in­ vestieren will und vor allem, in welchem Zeitrahmen man die Dinge angehen will,” so die Nie­ derländerin.

Benedikt Zimmer, beamteter Staatsekretär im Bundesminis­ terium der Verteidigung (BMVg), ergänzte: “Wir beide halten den Gesprächsfaden auf Arbeitsebe­ ne aufrecht und dürfen ihn nie abreißen lassen.” Zwei Personen seien aber nicht genug, räum­ te er ein. “Die politische Ebene über uns muss ebenfalls dran­ bleiben. Manchmal braucht es auch einen gewissen Druck von oben.”

Mehr Investitionen im Verteidigungsbereich nötig Beide Staatssekretäre waren sich einig, dass mehr Investi­ tionen im Verteidigungsbereich vonnöten seien. Das sei auch ohne Forderungen vonseiten der NATO klar. Vor allem bei digi­ talen Technologien zur Unter­ stützung von Kommunikation und Informationsmanagement bestehe Bedarf. Man dürfe aber nicht alles nur von der Beschaffung und Ausrüstung her aufrollen. “Im Mittelpunkt stehen die Soldat­ en”, stellte Staatssekretär Zimmer klar. “Das war auch der gemeinsame Ausgangspunkt

für die Kooperation zwischen den Niederlanden und Deutsch­ land.”

Auch sektorübergreifend zu­sammenarbeiten Ziel solle es sein, den Truppen das bestmögliche Rüstzeug an die Hand zu geben, so Visser. Das gelinge am besten, wenn man den dauerhaften Dialog mit Forschung und Industrie suche. “So werden wir auch cleverer bei der Formulierung unserer An­ forderungen und beim Einkauf.” Von der Industrie wünschte sich Zimmer mehr Konsolidierung: “Dabei geht es nicht nur um Kosteneffizienz. Es liegt einfach nicht viel Sinn darin, viele ver­ schiedene Systeme zu entwi­c­keln, die am Ende im Einsatz nicht gut zusammenarbeiten.” Bei der Beschaffung forderte der deutsche Staatssekretär Beschleunigung der oft­ mals noch trägen Prozesse – aber nicht um jeden Preis. Bei kostspieligen Großprojekten sei gute Planung im Voraus der Schlüssel, um Schwierigkeiten und Verzögerungen in späteren Phasen vorzubeugen.

Brigadegeneral Stefan Schulz, Unterabteilungsleiter Politik I im BMVg, und Generalarzt Bruno Most, Direktor des Mul­ tinational Medical Coordination Centre (MMCC) in Koblenz, ver­ wiesen beide darauf, dass zudem Standards und Spezifikationen gezielte Stimuli für konvergen­ te Entwicklungen zum Nutzen von NATO und PESCO entfalten könnten. Prof. Dr. Sergiu Nicolae Vintilă, Berater im EU-Parla­ ment, betonte, hier anknüpfend, die Notwendigkeit einer guten “strategischen Kommunikation” im Rahmen einer Transfer- und Wissenspartnerschaft zwischen den beiden multilateralen Orga­ nisationen. Der intergouvernementale Charakter einer Europäischen Verteidigungskooperation, so Marcin Kazmierski, Abteilungs­ leiter für internationale Sicher­ heitspolitik im polnischen Ver­ teidigungsministerium, müsse zudem weiterhin durch natio­ nale Anstrengungen außerhalb der PESCO-Projekte, wohl aber

koordiniert im Rahmen einer ge­ meinsamen Planung, umgesetzt werden. Derart könnten auch Mitgliedsstaaten mit weniger starken Industriestrukturen im Verteidigungssektor essen­ ziell zur Besetzung kritischer Nischen beitragen, die sonst im Rahmen von europäischen “Leuchtturm”-Projekten nicht adressiert würden. Die Teilnahme von Drittstaaten an PESCO und an der Innovati­ onsförderung des Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) könne zudem zu Neuerungsimpulsen und einer breiteren Lasten­ verteilung beitragen, betonten Ruthy Reinders, Europa-Koor­ dinatorin im niederländischen Verteidigungsministerium, und Tom Holter, Abteilungsleiter für internationale Sicherheitspo­ litik im norwegischen Vertei­ digungsministerium. Die Sor­ ge, dass eine Einbindung von NATO- und Drittstaaten in die PESCO deren Kernziel einer eu­ ropäischen strategischen Auto­ nomie zugegen laufen könnte,

wurde von den Diskutanten an­ erkannt, aber nicht umfassend geteilt. In der Zukunft braucht es zudem eine klare europäische Beschaffungsperspektive. Wie wettbewerblich diese oder aber eine koordinierte nationale Be­ schaffung für Europa ausge­ staltet werden muss, bleibt vor dem Hintergrund von potentiell verzögernden Rechtswegen und dem Anspruch auf faire Teilnah­ mebedingungen insbesondere für KMUs (Kleine und mittlere Unternehmen) ein schwieriges Terrain. Derweil scheint sich im Rahmen der gegenwärtigen Prüfung der Beschaffungsricht­ linie der Europäischen Vertei­ digungsagentur (engl. EDA) die Interpretation durchzusetzen, dass durchaus die Beschaffung für eigene Zwecke im Sinne des Satzungszweckes gemeint sein soll. Die EDA könnte so zukünf­ tig europäische Beschaffung ko­ ordinieren und eine notwendige Randbedingung für eine gelin­ gende PESCO sein.

Ohne Infrastruktur geht nichts

“Keine leichte Aufgabe”

Weltordnung und Widerstandsfähigkeit

Fünf Gewinner ausgezeichnet

(BS/Katarina Heidrich) Bedrohungslagen für die nationale Sicherheit finden sich mittlerweile aus verschiedensten Richtungen kommend und auf verschiedenste Angriffspunkte abzielend. Angesichts dieser gesteigerten Unübersichtlichkeit gewinnen internationale Kooperationen an Bedeutung. Etwa um die militärische Mobilität zu gewährleisten oder auch, um von anderen Akteuren zu lernen, wie die gesamtgesellschaftliche Resilienz erhöht werden kann.

(BS/Ignacio Gomez) Bei der Preisverleihung auf der Berliner Sicherheitskonferenz (BSC) ging es darum, die jährlichen Aktivitäten und Projekte zur Herausbildung eines europäischen Bürgersinns zu belohnen. Dabei wurden ebenfalls andere Auszeichnungen – wie beispielsweise der Preis für europäische Werte oder der Preis für europäische Sicherheit und Verteidigung – verliehen. Auch dieses Jahr waren die Vereinigungen CiDAN (“Civisme Défense Armée Nation”) und ESDA (“European Security and Defence Association”) zuständig für die Preisvergabe.

Insbesondere das “anhaltend schlechte Benehmen der Rus­ sischen Föderation” stelle eine solche Bedrohungslage für Eu­ ropa und die USA dar, kritisierte Botschafter Philip T. Reeker, Zivi­ ler Stellvertreter und politischer Berater (POLAD) des Befehlsha­ bers des United States Euro­ pean Command (USEUCOM), General Curtis M. Scaparrotti. Letzterer ist gleichzeitig NATOOberbefehlshaber (SACEUR). Vor diesem Hintergrund wür­ den die transatlantischen Bezie­ hungen relevanter. Diese stell­ ten aber gleichzeitig die “Krux der stabilisierten Weltordnung dar”, da auf ihrer Ebene eine Integration von Militär und Di­ plomatie erfolgen müsse, so der US-Botschafter. Das bedeute harte Entscheidungen auf der einen sowie intensive Diskussi­ onen auf der anderen Seite. Auch müssten sich Europa und die USA für die Bekämpfung des Terrorismus weiterhin gegensei­ tig stärken. Bisherige Leistun­ gen und Friedenszeiten würden schnell als Selbstverständlich­

keit angesehen. “Wir müssen aber aus zwei Weltkriegen ler­ nen”, appellierte Reeker bei der Eröffnung des zweiten Tages der Berliner Sicherheitskonferenz. Trotz aller nationalen Unter­ schiede gehe es letztlich darum, Konsens zu bilden, um sich da­ ran zu erinnern, “dass es immer noch wichtig und notwendig ist, sich zu verteidigen”. Besonders die europäischen Staaten soll­ ten hierbei auf Lastenteilung und Erhöhung der Verteidi­ gungsausgaben setzen – auch, um eine höhere militärische Mo­ bilität zu erreichen. “Ich bin op­ timistisch, dass wir gemeinsam diese Herausforderungen meis­ tern werden”, urteilte der Zivile Stellvertreter des Befehlshabers USEUCOM. Allerdings gebe es auf der einen Seite menschengemachte und auf der anderen Seite natürliche Hindernisse, welche die militä­ rische Mobilität erschwerten, wies Dr. Thomas Kauffmann, Vi­ ce President International Busi­ ness & Services von General Dy­ namics European Land Systems

(GDELS), hin. Geografie und verschiedene Zeitzonen hemm­ ten eine weitreichende Mobili­ tät. Menschengemachte Hin­ dernisse hingegen bestünden vor allem in infrastrukturellen Gegebenheiten. So seien Tun­ nel oder Brücken oftmals nicht ausgerichtet auf die speziellen Fahrzeuge, die für militärische Zwecke eingesetzt würden. “Wir haben eine alternde In­ frastruktur”, kritisierte Kauffmann. Also sei Funktionalität bei den Fahrzeugen, der Aus­ rüstung sowie den Systemen gefragt – ebenso müsse man auf Interoperabilität zwischen den Staaten setzen. Generalleut­ nant a. D. Ben Hodges vom Cen­ ter for European Policy Analysis ergänzte: “Wir brauchen diese Möglichkeiten, damit die Politik Signale senden kann.” Allerdings gewinne neben der militärischen Dimension ein weiterer Bereich an Bedeutung: die zivile Resilienz, wie Jānis Garisons, Staatssekretär im let­ tischen Verteidigungsministeri­ um, prognostizierte.

“Es war keine leichte Aufgabe, die fünf Gewinner der diesjäh­ rigen Berliner Sicherheitskonfe­ renz auszuwählen”, sagte Robert Walter, Präsident der ESDA, zu Beginn der Preisverleihung. Vladimir Kmec, ein Forscher aus der Slowakei, der derzeit an der Universität Cambridge arbeitet, erhielt den Preis für europäische Sicherheit und Verteidigung. Er habe die Auszeichnung wegen seiner These zur europäischen Friedensförderung im Bereich gemeinsame Verteidigungspoli­ tik bekommen, wie der General­ sekretär der ESDA, Colin Cameron, erklärte. Die Vereinigung “New Euro­ peans” bekam die Trophäe für den europäischen Bürgersinn. Die Sicherstellung der Bewe­ gungsfreiheit, der Kampf gegen Diskriminierung und die Ge­ währleistung des Solidaritäts­ prinzips in Europa stellen die wichtigsten Ziele des Verbandes dar. “New Europeans” will da­ rüber hinaus die Gleichberech­ tigung der in Europa lebenden

Nicht-Europäer fördern. Laut der Organisation würden die Nicht-Europäer nicht die glei­ chen Rechte genießen, die den Europäern eingeräumt wür­ den. Aufgrund seiner Arbeit in den eben erwähnten Bereichen erhielt der Verband den Preis. Roger Casale, der Gründer der Vereinigung, nahm den Preis persönlich entgegen. Zwei Vereinigungen erhielten den Preis für europäische Wer­ te: “Ad Augusta” aus Frankreich und “Help for Heroes” aus Groß­ britannien. Die Arbeit dieser Verbände besteht darin, den Kriegsverwundeten Program­ me zur physischen und psy­ chischen Erholung anzubieten. Diese Programme richten sich ausschließlich an die nationa­ len Streitkräfte der Länder, in denen diese Vereinigungen tätig sind: Frankreich und Großbri­ tannien. Bei der diesjährigen Preis­ verleihung wurde erstmals ein Preis in der Kategorie Europä­ ische Industrielle Technologi­

sche Basis ausgehändigt. Der Preisträger ist die “Federation of European Defence Technology Associations” (EDTA), die aus elf nationalen Verbänden in zehn europäischen Ländern besteht. Die EDTA bekam die Auszeich­ nung wegen ihrer Studien und Berichte zur europäischen Ver­ teidigungspolitik und zur Vertei­ digungstechnologie. Die französischen Vereinigun­ gen “Association des Réservis­ tes de la Région Occitanie du Service de Santé des Armées A.R.R.O.S.S.A.”, “Associati­ on des Officiers de Réserve de Haute Garonne” und “Maison de l’Europe des Pyrénées” erhielten den Preis für Bürgersinn, Si­ cherheit und Verteidigung. Die Trophäe bekamen sie u. a. wegen der Hilfe, die sie den Kriegsver­ sehrten der Streitkräfte geleis­ tet haben, und der Weiterga­ be medizinischer Erfahrungen an zivile Notfallsanitäter, die in einem Kriegsgebiet im Einsatz sind und gegen Terroranschläge gewappnet sein müssen.


Verteidigung / Wehrtechnik

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Behörden Spiegel / Dezember 2018

Grad der Digitalisierung steigt

N

tungen mit umfangreichen Vor­ ach wie vor ist insbesondere räten und tiefer Instandsetzung die mobile Logistik der Land­ zweckmäßig. Zur notwendigen streitkräfte in vergleichsweise klassischer Form organisiert, Flexibilität sind die Kräfte so aus­ zugestalten, dass sie modular logistische Kräfte und Fähigkei­ eingesetzt werden können. ten werden auf verschiedenen Daneben kann die Stärkung Hierarchieebenen (z. B. Division, (BS/Generalleutnant Peter Bohrer) Die Digitalisierung mit disruptiven Technologien verändert Industrie und Gesellschaft grundlegend. Es ist Brigade) vorgehalten, ebenso fin­ klar, dass diese Entwicklung mit Bedrohungen im Cyber-Raum einhergeht und Maßnahmen der IT-Sicherheit und Resilienz unverzichtbar macht. der Versorgungsdienste bei den det die Bevorratung von Muniti­ Moderne Logistik ist in hohem Maße vernetzt. Künstliche Intelligenz in Entscheidungsunterstützungstools in Verbindung mit Big Data verbessern verbrauchenden Truppenteilen on, Treibstoffen und Ersatzteilen die Analyse- und Prognosefähigkeit sowie die logistische Steuerungsfähigkeit. Das “Internet of Things” und der 3D-Druck stehen beispielhaft für durch eine höhere logistische Reichweite, verbesserte Fähig­ auf verschiedenen Ebenen statt. moderne Fertigungsverfahren. Doch wie steht es um die Logistik der Streitkräfte? keiten zur Instandsetzung sowie Material wird von einer logisti­ schen Ebene zur nächsten Ebene Obsoleszenz oder Versorgungs­ eine ausreichende Bergefähigkeit nachgeschoben und dabei mehr­ engpässen einzusetzen, sondern zur Resilienz beitragen. fach umgeschlagen. Mindestens auch zukunftsorientiert künftige Insgesamt bedeutet dies eine teilweise holt der militärische Verfahrensweisen bei Rüstungs­ Stärkung der Transportlogistik Endverbraucher, also der Kampf­ zulasten der Größe von Versor­ projekten zu entwickeln. Im Zusammenwirken mit dem gungspunkten “weit vorne”. Der verband, seinen Nachschub bei einer logistischen Einrichtung ab. Fraunhofer Institut FKIE hat die bisher konzeptionell vorgesehe­ Logistische Einrichtungen zur SKB in einem Logistikbataillon in ne Umschlag von Gütern und Unterstützung von Landoperati­ einem ersten Schritt Exoskelette der Wechsel der Verantwortung für Tätigkeiten beim Materialum­ für die logistische Leistungser­ onen nehmen regelmäßig mehre­ schlag erprobt und dabei unter­ bringung auf dem Gefechtsfeld re Quadratkilometer Fläche ein, sucht, welche Vorteile wir für eine dort, wo die Bedrohung und die sind nur mit großem Aufwand militärische Nutzung generieren Anforderungen an Verlässlich­ zu verlegen und lagern große können. Die SKB kann hier eine keit am höchsten sind, muss Mengen an Material. Bevorra­ echte Vorreiterrolle einnehmen, vermieden werden. Daneben tungshöhen werden oftmals in vergleichsweise generischer Form da bisher keine westliche Streit­ können prozessuale Verfahren ermittelt. Und: logistische Errich­ Der in Afghanistan aufgestellte 3D-Druck-Container Foto: BS/Bundeswehr kraft Exoskelette im serienmäßi­ wie die Planung und Einrichtung tungen dieser Größe sind, wenn gen Truppeneinsatz hat. Was also alternativer Versorgungsstraßen, überhaupt, nur sehr schwer zu hat sich dagegen, dass logisti­ der Operationsplanung mit Ent­ sein. Die Entwicklungen (Vernet­ könnten vor den geschilderten die nur temporär kurzzeitig ge­ schützen! sche Einrichtungen für einen scheidungsunterstützungstools zung, Sensorik, künstliche Intelli­ Hintergründen konzeptionelle öffnet und geschützt werden, Landstreitkräfte sehen sich auf Augenhöhe operierenden qualitativ verbessert, zeitlich genz in Verbindung mit Big Data Ansätze sein, Logistik zur Unter­ zum Schutz beitragen, ähnlich künftig veränderten Anforderun­ Gegner Ziele höchster Priorität gestrafft und in Verbindung mit und “End-to-End”-Verbindungen) stützung von Landoperationen zu den “Temporary Minimum Risk gen ausgesetzt. Diese ergeben sind. Deshalb stellt sich die Fra­ der Digitalisierung der taktischen ermöglichen somit auch unter gestalten? Eine Operationsfüh­ Routes” in der Luftraumordnung. sich aus den Fähigkeiten mögli­ ge, wie Organisationsform, Pro­ Lage auch vorausschauend auf Berücksichtigung möglicher rung mit hybrider Bedrohung, Logistische Führung wird sowohl cher Gegner, neuen Technologien zesse und am Ende militärische mögliche Risiken geplant werden. Friktionen eine zielgerichtete, in aufgelockerter Form in gro­ durch eine hochgradige Vernet­ und, daraus resultierend, ange­ Einsatzkonzepte der Logistik an Moderne Ausrüstung wird vorausschauende Planung der ßen Räumen und mit großen zung operativer und logistischer passten Einsatzverfahren und die operativen Erfordernisse un­ komplexer und immer mehr mit Logistik mit höherer Präzision Lücken, in denen keine eigenen Planungen als auch durch eine veränderter Operationsführung. ter konsequenter Nutzung der IT-Systemen ausgestattet und und Agilität. Sie verbessern somit Kräfte eingesetzt sind, bedarf Entscheidungsunterstützung, In der Folge wird die Operations­ Möglichkeiten der Digitalisierung vernetzt (“Internet der Dinge”, die Möglichkeiten zur Deckung eines vorausschauend agilen, un­ basierend auf künstlicher Intelli­ Autonomie und Robotik). Zur des Bedarfs nach Zeit, Ort, Menge terbrechungsfrei durchgängigen, genz und Big-Data-Analyse sowie führung durch eine hohe Agilität angepasst werden können. und Beweglichkeit, Jointness auf Moderne Logistik der Streitkräf­ Beherrschung der hohen Komple­ und Qualität in einem dynami­ gesicherten und allen Ebenen und die Notwendig­ te wird in einem hohen Maße xität sollten die (Gefechts-)Fahr­ schen Umfeld (“Logistik 4.0”). kryptierten Da­ keit zum Schutz, zur Resilienz vernetzt sein. Die logistische Füh­ zeuge mit Sensoren ausgestattet tenverbindungen, Die gewaltigen mit 5G erreich­ und zur Redundanz geprägt sein. rung, logistische Lage in den zu und mit IP-Adressen vernetzt baren Bandbreiten schaffen da­ sichergestellt. Um Die klare Begrenzung der Ver­ versorgenden Truppenteilen, die werden, die den technischen Zu­ für die Voraussetzungen und die die sich daraus antwortung des Truppenführers Lage in den logistischen Einrich­ stand der Fahrzeuge überwachen Möglichkeit, verstärkt auf unbe­ ergebenden Vor­ für Räume wird sich zugunsten tungen (z. B. Transportfahrzeuge und somit eine vorausschauen­ mannte Transportmittel zurück­ teile hinsichtlich Generalleutnant Peter Bohrer, Stellvertreter des In­ der Verantwortung für Effekte einschließlich der Bevorratung), de Wartung und Fehleranalyse zugreifen. Autonomes Fahren, Schnelligkeit, spekteurs der Streitkräfteverlagern. Resilienz und die taktische Lage auf dem Ge­ in “End-to-End”-Verbindungen Robotik und Drohnen werden basis (SKB) Landstreitkräfte werden vermut­ fechtsfeld und die Beurteilung bis in die Basis Inland und zum den Personalbedarf reduzieren Reaktionsfähig­ lich im Raum dynamisch ein­ der logistischen Lage im Rahmen Hersteller ermöglichen. keit zukunftsfä­ und den Schutz erhöhen. Additive Foto: BS/Bundeswehr hig und nachhal­ gesetzt. Auflockerung – mit der der Operationsplanung sind mit­ Die dahinterliegende logistische Fertigung (3D-Druck) wird die Er­ Fähigkeit, Wirkung zu konzen­ einander vernetzt. tig zu nutzen, ist Planung kann so deutlich zeit- satzteilversorgung flexibilisieren. trieren – und schnelle Zusam­ Die Vernetzung und die Auswer­ und zielgerichteter erfolgen. Die Die Streitkräftebasis (SKB) er­ reaktionsfähigen und geschütz­ die durchgängige Führung der menführung der Kräfte können tung großer Datenmengen (Big Grundlagen dazu werden bereits probt dazu aktuell, zusammen ten logistischen Netzwerkes über Logistik “from Factory to Fox­ sich abwechseln. Weitreichende Data) mithilfe Künstlicher Intel­ im Ausrüstungs- und Nutzungs­ mit den Experten des BAAINBw die gesamte Supply Chain. hole” notwendig. All dies sind Versorgungspunkte müssen ei­ Mosaiksteine für ein modernes Waffen gewinnen an Bedeutung, ligenz ermöglichen die Analyse prozess zu Beginn und über den (3D-Druckzentrum im WIWeB der Grad der Autonomisierung von Bedarfen, Materialströmen gesamten Lebenszyklus im Sinne Erding), das Herstellen von Er­ ne geringe “Signatur” bieten. Be­ Logistiksystem. An vielen dieser und Digitalisierung steigt, of­ und die Bewertung der Risiken eines “Digital Engineerings” ge­ satzteilen mittels 3D-Druck in vorratungshöhen sind möglichst Mosaiksteine wird gearbeitet, sie fensive und defensive Cyber- in deutlich höherer Qualität als schaffen. In der Folge wird die Afghanistan. Damit soll auch die beweglich bereitzuhalten. Nur in müssen mittelfristig zu einem Fähigkeiten erweitern den Mix heute. Darauf abgestützt kann Vernetzung der Logistik mit der Grundlage geschaffen werden, weitgehend sicheren Gebieten neuen logistischen Ansatz zu­ an Effektoren. Nicht geändert der Führungsprozess im Rahmen Industrie noch enger als bisher additive Fertigung nicht nur bei sind größere logistische Einrich­ sammengeführt werden.

Mosaiksteine für ein modernes militärisches Logistiksystem

A

rt. 1 Abs. 2 GG also bedeutet nicht mehr und nicht weniger als eine Garantie unseres Staates zugunsten der Menschenwürde jedes Einzelnen. Dies schließt die Gewährleistung der Grundrechte ebenso ein wie den Schutz un­ serer Sicherheit vor inneren und äußeren Bedrohungen. Während die Wahrung der Inneren Sicher­ heit im Wesentlichen Ländersa­

Kommentar

“Würde statt Waffen? – eine Lanze für die Würde” (BS) Die von Sarah Wagenknecht gegründete Sammlungsbewegung “Aufstehen” hat eine Demonstration unter dem Motto “Würde statt Waffen” initiiert. Wir gehen davon aus, dass es sich bei dem Begriff “Würde” um die Würde des Menschen handeln soll, die nicht von ungefähr im allerersten Satz unseres Grundgesetzes für unantastbar erklärt wird. Dieser erste Satz in Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ist jedoch untrennbar mit dem darauffolgenden zweiten Satz verbunden. Er lautet: “Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.” che ist, regelt das Grundgesetz in Art. 87 a, dass der Bund zur

Verteidigung (der Äußeren Si­ cherheit) Streitkräfte aufstellt.

Zauberformel “Location Intelligence” Ohne Geoinformationssysteme geht nichts mehr (BS/por) Auf der GIS Talk 2018 im World Conference Center Bonn standen zwei Tage lang die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten von Geoinformationssystemen (GIS) und die Potentiale von “Location Intelligence” im Fokus des Programms. Geoinformationssysteme unterstützen unter anderem beim Breitbandausbau und bei der Analyse digitaler Datenströme. Auch die Streitkräfte profitieren von den GIS. Aus diesem Grund referierte Oberstleutnant Astrid Jakob, studierte Geologin und beruf­ liche Seiteneinsteigerin, vom Kommando Cyber- und In­ formationsraum (KdoCIR) der Bundeswehr in Bonn. Sie sprach zum Thema “Das Cyber-Lagebild: Echtzeitabwehr von Cyber-Be­ drohungen”. Sie berichtete, dass das Gemeinsame Lagezentrum (GLZ) des Kommandos bis 2021 “die volle Einsatzfähigkeit” er­ reicht haben solle. “In Echtzeit” könnten dann Cyber-Gefahren abgewehrt werden. Das entspre­ chende “Hack back” heiße im CIR-Jargon “degradieren”. Das GLZ sei letztlich das “Herzstück” des Kommandos CIR. Eng wür­ de das GLZ mit dem Nationa­ len Cyber-Abwehrzentrum und

dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BIS) – beide ebenfalls in Bonn behei­ matet – zusammenarbeiten. Für räumliche Analysen mit Geoinfor­ mationssystemen würden unter anderem auch Fachzeitschriften des militärwissenschaftlichen Londoner Fachverlages Jane‘s der IHS-Gruppe ausgewertet. Auch Meldungen der Deutschen Presseagentur (DPA) – immerhin rund vier Millionen pro Monat – würden digital erfasst und ge­ sichtet, so die LuftwaffenuniformTrägerin. Das Thema “Der Infanterist der Zukunft (IdZ) – GIS im militäri­ schen Führungskontext” behan­ delte Andreas Sztybryc von der Rheinmetall Electronics GmbH aus Bremen. Ziel des Projektes

IdZ ist der besser geschützte und mit robusten Wirkmitteln aus­ gestattete Soldat, der über ein klares Bild der Situation und über zuverlässige Kommunikati­ onsmittel verfügt. Wichtig ist da­ bei ein offenes Infanteriesystem, basierend auf einer modularen Kampfausstattung für die Trup­ pe, das eine höhere Leistung bei geringerem Ausrüstungsgewicht ermöglichen soll. Aber nicht nur im Hinblick auf das Gewicht ist eine Überbelas­ tung des einzelnen Infanteristen zu vermeiden, gleiches gilt auch mit Blick auf die Beherrschbar­ keit der Ausrüstung unter Ein­ satzbedingungen. Das Motto des diesjährigen GIS Talk lautete “Mit Location Intel­ ligence die Zukunft gestalten”.

Das damit verbundene Verbot, Handlungen vorzunehmen, die geeignet sind, das friedliche Zu­ sammenleben der Völker zu stö­ ren, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzuberei­ ten, findet sich schon in Art. 26 GG (und gilt im Übrigen auch für alle Regierungsentscheidungen über Rüstungsexporte). Damit hat unser Grundgesetz klar umrissen, dass unter seiner Geltung die Würde der beteilig­ ten Menschen notfalls – wenn dies zur Wahrung der Äußeren Sicherheit erforderlich ist – auch mit Waffengewalt zu verteidigen ist. Da ein Aggressor immer be­ waffnet vorgehen würde, würde ein Verzicht der Bundesrepublik auf Waffen unseren Staat entwe­ der von vorneherein schutzlos einer möglichen äußeren Aggres­ sion aussetzen oder aber den in der Bundeswehr dienenden Menschen eine reale Chance auf adäquate Verteidigung nehmen. Dies wäre ihrer Würde als Men­ schen nicht entsprechend, aber auch nicht der Würde ihres Ein­ satzes für den zu verteidigenden Staat. Der flott formulierte Spruch “Würde statt Waffen” geht also offensichtlich ins Leere und ent­ puppt sich somit sehr schnell als

reine Propaganda. Aber selbst wenn er gar nicht die Ausrüs­ tung unserer eigenen Streitkräfte meint, sondern zu Propagandazwecken einmal mehr gegen den Export von Rüstungsgütern ge­ richtet sein soll, vermag der Satz nicht zu überzeugen. Exporte von Rüstungsgütern (und speziell von sog. “Kriegswaf­ fen”) unterliegen in Deutschland von jeher schon einem sehr res­ triktiven Genehmigungsregime durch die jeweilige Bundesre­ gierung. Die Ratio dazu ergibt sich aus dem zitierten Art. 26 GG sowie aus Gesetzen, die die­ sen Artikel ausfüllen (z. B. dem Kriegswaffenkontrollgesetz). Bei ihrer Genehmigungsentschei­ dung hat die damit befasste, am­ tierende Bundesregierung jeweils einen relativ weiten politischen Ermessenspielraum, den sie unter Abwägung verschiedener, verfassungsrechtlich relevanter Güter in sorgfältiger Abwägung zu nutzen hat. Dabei spielen in jedem Einzelfall unterschiedli­ che außen- und sicherheitspo­ litische Erwägungen (die jedoch der Öffentlichkeit aus Geheim­ schutzgründen meistens nicht erklärt werden) ebenso eine Rolle wie die Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit unseres

Landes und damit auch die Be­ fähigung zur Ausrüstung unserer Bundeswehr. Rechtlich gesehen wird dabei auf die Belange der beteiligten Industrie sowie der dort beschäftigten Menschen am wenigsten Rücksicht genommen, da es hierbei vor allem um staat­ liche Erwägungen geht. Unser Gemeinwesen ist einge­ bettet in eine komplexe Welt, die keineswegs frei von Angrif­ fen und Aggression ist. Unsere Verfassung stellt klar, dass zur Garantie der Würde des Men­ schen Verteidigungsfähigkeit und somit auch Waffen unverzichtbar sind; sie macht aber zugleich auch klar, wie diese in Würde zu verwenden bzw. nicht zu ver­ wenden sind. Dr. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV), Berlin

MELDUNG

Von allem mehr (BS/por) Der Haushaltsaus­ schuss des Bundestages hat Ende November mehrere 25-Mil­ lionen-Beschaffungsvorlagen des BMVg mit einem Finanzvolumen von insgesamt rund 250 Milli­ onen Euro gebilligt. Außerdem ist es der Bundeswehr in den letzten zweieinhalb Jahren ge­ lungen, mehr als 6.000 zusätz­ liche Berufs- und Zeitsoldaten zu gewinnen.


Behörden Spiegel / Dezember 2018

B

ei Schriever und seinem Team landet so ziemlich alles an Beweismitteln, das irgendwie elektronisch ist: PCs, Mobiltelefone, USB-Sticks, Festplatten, CDs. “Alles, was Daten speichern kann, wird bei uns ausgewertet”, so der IT-Forensiker. Das können auch Trägermedien sein, die eigentlich ausgestorben sind, wie Videobänder im Super-8-Format. “Einmal hatten wir auch Disketten auf dem Tisch”, erinnert sich Schriever. “Dafür noch ein funktionierendes Laufwerk zu finden, war gar nicht so einfach.” Meist hat er es aber mit moder­ nen Datenträgern sowie mit Notebooks, Smartphones oder Tablets zu tun. Praktisch jeder verwendet heute die mobilen Alleskönner – und hinterlässt auf ihnen unter Umständen auch verräterische Spuren. Chat- und Mailverläufe, Fotos oder Finanzdaten können für Polizei und Justiz die entscheidenden Beweise liefern, um Täter zu überführen. “Das Auslesen von Rechner oder Smartphone ist schon sehr, sehr persönlich. Man kennt denjenigen hinterher recht gut”, sagt Schriever. Zu seinen Aufga­ben gehört es auch, die großen Mengen an Daten zu sichten, zu sortieren und ihre Relevanz für das jeweilige Verfahren zu beurteilen, sodass die Ermittler mit den Ergebnissen direkt weiterarbeiten können.

Die letzte Seite

Alles, was Daten speichern kann Sebastian Schriever wertet digitale Beweismittel aus (BS/Benjamin Stiebel) Bilder, Videos, E-Mails und Textdokumente: Unsere digitalen Daten geben viel über uns Preis. Darum spielen sie heute auch eine große Rolle für die Strafverfolgung. Sebastian Schriever wertet Datenträger im Auftrag von Staatsanwaltschaften aus, um Ermittlern wertvolle Beweise an die Hand zu geben. Der IT-Forensiker ist absoluter Technikliebhaber und tüftelt bei seiner Arbeit gern kreative Lösungswege aus, um an die relevanten Daten zu gelangen. Die Aufbereitung gerichtstauglicher Gutachten erfordert darüber hinaus detailgenaues Vorgehen und die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen.

Dienstleister im Staatsauftrag

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itszeit eines IT-Forensikers geht in die Verfassung der Gutachten, auch wenn ein Techniker nun einmal lieber mit Schraubendreher oder Lötkolben zu Werke gehe, wie Schriever anmerkt. Dabei will das Schreiben von Gutachten gelernt sein. “Einerseits muss ich die techni­schen Fakten einer Untersu­chung korrekt zusammentragen, andererseits muss ich beachten, dass die Aufarbeitung auch für den Laien verständlich ist.” Und ein weiterer Spagat muss dem IT-Sachverständigen gelingen. Ein Gutachten soll den Täter zwar überführen helfen, darf a­b er auch keine Schuldzuweisung sein. Es ist neutral zu erstellen, das gilt für den Inhalt und auch für den Stil. “Man bekommt eine klare Aufgabenstellung, der man nachgeht. Man darf keinen Jagd­ instinkt entwickeln und gezielt nach Dingen suchen, die nicht gefragt sind”, betont Schriever. Genauso wenig dürfe man Hinweise weglassen, die vielleicht gegen einen harten Tatverdacht sprechen. “Die Kunst besteht darin, den Ermittlern und Richtern eine Entscheidungsgrundlage zu bieten, ohne die Entscheidung vorwegzunehmen. Man stellt dar, was man gefunden hat, lässt dem Leser aber Spielraum für ein eigenes Urteil.” Dass die Gutachten sich wie aus einem Guss lesen, ist Schriever wichtig. Schließlich muss er als der Sachverständige alle Gutachten unterschreiben und gegebenenfalls auch vor Gericht vertreten. Das heißt auch, dass die Kollegen praktisch für die Ablage arbeiten, wenn der Leiter im Urlaub oder unterwegs zu Fachveranstaltungen ist, die er nutzt, um Kontakte zu pflegen und ein Gefühl für neue technische Entwicklungen und Trends zu behalten. Zuweilen hält er auch selbst Vorträge zu Fachthemen. Dazu kommen regelmäßige Weiterbildungsmaßnahmen, zuletzt ein Seminar zu Ethical Hacking.

Schriever selbst ist kein Polizeibeamter, sondern ganz IT-Fachmann. Er leitet das Sachgebiet IT-Forensik in der Schweriner Sind sie nicht willig, so braucht er Gewalt. Manchmal muss Schriever die Geräte auseinandernehmen, um direkt an die Speicherchips heranzukommen. DVZ M-V GmbH, dem IT-Dienst­ Fotos: BS/Stiebel leister der Landesregierung Angefangen hatte Schriever Ermittler sichten und aufarbei­ sucht, um voranzukommen.” zur Umgehung von VerschlüsMecklenburg-Vorpommern. In der Regel beschäftigen die Krimi­ dann zunächst mit einer Kollegin. ten zu können, müssen sich die Da wird auch schon mal im selung zu suchen, wäre durch nalpolizeiinspektionen im Land Ursprünglich war nur die Aus- IT-Forensiker zunächst mal Zu- Arbeitsspeicher nach flüchti- Schrievers kleines Team schon zwar ein bis zwei Polizeibeamte, wertung von PCs bei Verfahren griff verschaffen. Die Auswer- gen Daten gesucht, die bei der zeitlich nicht leistbar. Auch der die digitale Geräte auslesen im Bereich Kinderpornografie tung von PCs stellt sie dabei Umgehung von Zugriffssperren direkte Weg, mit einem soge­ können. Den großen Bedarf vorgesehen. Das Portfolio und normalerweise vor keine großen helfen könnten. nannten Brute-Force-Angriff alle an digitaler Spurensuchar­beit das Team wurden aber nach und Schwierigkeiten. “Wir können In einem Fall habe das Team möglichen Kombinationen einer können sie aber längst nicht nach erweitert. Zum einen, weil in grundsätzlich alles sichtbar mehrere Browser-Passwörter Schlüsselphrase durchzuprodecken. Ein Gros geht daher an vielen Fällen auch Smartphones machen, auch gelöschte Inhalte”, auf einem Gerät auslesen kön- bieren, ist nicht Teil des Portdas Landeskriminalamt (LKA), und andere Datenträger rele- so Schriever. Für die Auswertung nen und ein Schema dahinter folios. “Dazu müssten wir kostdas deutlich mehr Personal und vant sind und die Asservate nicht verloren sind Daten erst, wenn erkannt. “Der Tatverdächtige spielige Infrastruktur vorhalten. technische Ressourcen vorhält, getrennt werden können. Zum sie gezielt mehrfach auf dem hatte das Schema auch für Und selbst dann würde man 24 Stunden IT-Forensiker oder eben an externe Experten anderen sind mit der Zeit auch Speicher überschrieben wurden. das Passwort eines Verschlüs- schon bei einem achtstelligen Am Ende nimmt Schriever auch wie Sebastian Smartphones sind selungscontainers verwendet, so Schlüssel Monate, wenn nicht viel Denkarbeit mit nach Hause. Schriever: “Unda schon ein an- konnten wir es erraten und an Jahre Rechenleistung investier- “Viele Problemfälle löst man einfach nicht in den acht Stunden, ser Produkt sind “Das macht den Job ja so spannend, dass man d e r e s K a l i b e r . die Daten kommen.” Das sei aber en müssen.” Wenn möglicherweise rele- die man hier ist, sondern man SachverständiBeim Auslesen ein großer Glücksgriff gewesen, immer wieder kreativ nach Lösungen sucht, gengutachten zur vante Daten in verschlüsselten denkt abends noch einmal hilft hier profes- ergänzt Schriever. um voranzukommen.” Auswertung von sionelle Software, Containern vorliegen, spielt darüber nach oder recherchiBeweismitteln. in der Datens- Grenzen der Auswertung Schriever den Ball daher an die ert technische Neuheiten, um peicherprofile für Auftraggeber sind Häufig stoßen die IT-Foren- Staatsanwaltschaft zurück. Die neue Lösungsansätze zu finden.” immer die Staatsanwaltschaften Fachkommissariate mit Fällen zahlreiche Betriebssystem- und siker auch an die Grenzen des muss dann entscheiden, ob sie Dass Zeit ein kostbares Gut ist, in Mecklenburg-Vorpommern.” in Bereichen wie Organisierter Geräteversionen hinterlegt sind. Machbaren. So sind iPhones in wichtigen Fällen an staatliche merkt er besonders, seit er vor Um zum IT-Sachverständi- Kriminalität, Staatsschutz oder zwei Jahren Wurde ein Gerät vom Besitzer und Smartphones mit neueren Ermittlungsgen bestellt zu werden, musste Computerkriminalität auf den vor der Beschlagnahme auf die Android-Versionen standard- behörden he­ Vater geworden “Wer in der IT-Forensik ist. Abstriche Schriever einiges vorweisen kön- Experten zugekommen. Inzwis- Werkseinstellungen zurückge- mäßig verschlüsselt. Mit den r a n t r i t t , d i e macht er jenen. So hatte er bereits über 20 chen hat der gebürtige Schwer- setzt, wird die digitale Spuren- üblichen Methoden lassen sie ganz andere arbeitet, der ist doch an anJahre Berufserfahrung in der iner drei Mitarbeiter, ein weiterer suche allerdings schwierig. Auch sich dann nicht auslesen. Eine R e s s o u r c e n 24 Stunden am Tag derer Stelle – passwortgeschützte oder defekte von vielen technischen Hürden, zur Verfügung IT hinter sich, von der Ausbil- soll demnächst dazukommen. IT-Forensiker.” früher habe er Geräte sind ein Problem. Für die die ganze IT-Forensik-Szene haben. Manch­ dung zum Kommunikations­ den Techniker Schriever wird es derzeit beschäftigen. Während m a l , s o d e r elektroniker über Tätigkeiten als Akribisches Aufarbeiten viel mehr Sport EDV-Servicetechniker, Fernmel­ Trotz der Öffnung für neue De- dann aber erst richtig interes- eine Lösung für iPhones vorerst Forensik-Exgetrieben. Da detechniker und Ausbilder für liktbereiche hat das Team immer sant. Oft muss er auf Lötkolben nur in den USA am Markt zu perte, reiche es aber womöglich ist ihm die Familie nun wichInformationstechnik. Dazu kam noch am häufigsten mit Kinder- oder Heißluftpistole zurückgrei­ haben sei, berichtet Schriever, schon, mit dem Hinweis auf tiger. Die und seine andere Leiein Studium mit Diplom und pornografie zu tun. Diese Fälle fen, um die Speicherchips he­ biete ein kommerzieller Anbieter sonst steigende Gerichtskosten denschaft: die Technik. “Wer Master in Wirtschaftsinformatik. sind besonders arbeitsintensiv. rauslösen und direkt auslesen hierzulande das Auslesen bisher den Besitzer um die Herausgabe in der IT-Forensik arbeitet, Beim DVZ startete er vor neun Die polizeilichen Ermittler und zu können. “Es ist auch viel nur als eigene Dienstleistung des Passworts zu bitten. der ist 24 Stunden am Tag Jahren als Systemtechniker und Staatsanwälte wollen nicht nur Jugend-forscht-Arbeit dabei”, an. Für neuere Android-SysBei alledem muss am Ende IT-Forensiker”, so Schrievers kümmerte sich dann als Sachge- wissen, welches Material auf den freut er sich. “Das macht den Job teme werde im nächsten Jahr auch noch Zeit für die saubere Credo. Wenn er nicht gerade bietsleiter um die Verteilung von Geräten gespeichert ist, sondern ja so spannend, dass man immer ein Produkt erwartet. Systema­ Dokumentation bleiben. Ein dur- über Probleme in aktuellen Software. Als vor vier Jahren im wann es aus welcher Quelle be­ wieder kreativ nach Lösungen tisch nach eigenen Methoden chaus erheblicher Teil der Arbe- Verfahren grübelt, liest er Fachzeitschriften und probiert DVZ auf gemeinsame Initiative zogen, wann es wie sortiert, ko­ neue Betriebssysteme, Apps der Geschäftsführung mit dem piert oder bearbeitet wurde und und Geräte aus. Oder er nimmt LKA Mecklenburg-Vorpommern wann es gegebenenfalls an wen sie auseinander – zuletzt einen ein Sachgebiet IT-Forensik ein- weiterverteilt wurde. Oft müsSmart-TV, demnächst einen gerichtet werden sollte, hatte sen riesige Sammlungen mit sprachgesteuerten Assistenten. Schriever das als spannende Tausenden von Fotos und Videos (BS) Die DVZ M-V GmbH ist zentraler IT-Dienstleis“Ich habe mir extra eine Alexa ter der Landesverwaltung in Mecklenburg-VorpomHerausforderung und Chance müssen im Einzelnen gesichtet zugelegt und ein paar Wochen mern mit Sitz in Schwerin. Das Land ist seit über auf “etwas Frisches” erkannt und und kategorisiert werden. 20 Jahren alleiniger Gesellschafter. Den Vorsitz im genutzt”, erzählt Schriever. “Die sich die Leitung des Projektes In Zukunft könnten Systeme Aufsichtsrat hat die Staatssekretärin des Ministemöchte ich jetzt ausschlachten erkämpft. mit Künstlicher Intelligenz die riums für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung und mal schauen, was auf dem Nach einer weiteren fachli- aufwendige Aufarbeitung untervon Mecklenburg-Vorpommern. Beschäftigt werden Speicherchip so zu holen ist.” chen Spezialisierung hatte er stützen. Über einen Testlauf denmehr als 500 Mitarbeiter, darunter 15 AuszubildenDie Erfahrungen aus solchen gegenüber den Ermittlungsbe- kt Schriever bereits nach. Dabei de und duale Studenten. Projekten sind auch für Ermitt­ hörden seinen Sachverstand müssen aber nicht nur Kosten Verwaltungsmodernisierung bietet das DVZ seinen Das DVZ betreibt ein vollständig nach ISO 27001 ler interessant. Schließlich in Form eines Probegutachtens und Nutzen abgewogen werden, Kunden auch Beratung und Unterstützung für Prozertifiziertes Rechenzentrum auf insgesamt 900 n u t zen i mmer meh r M enunter Beweis zu stellen. Auch so der 43-Jährige. “Die Frage jekte an. Auch Fort- und Weiterbildungsangebote Quadratmetern Fläche und vernetzt fast 600 schen Smart-Home-Produkte die technischen und räumlichen ist, wie weit man der Maschine Standorte mit 1.300 Kilometern Kabellänge. Neben im IT-Bereich gehören zum Portfolio. Seit 2000 ist und hinterlassen möglichweise Voraussetzungen vor Ort wurden letztlich vertrauen kann. Will Netzinfrastrukturen für Kommunikation und Daten- die Gesellschaft außerdem die zentrale IT-Beschafgeprüft – vor allem mit Blick auf ich mich darauf verlassen, dass digitale Spuren darauf. Und austausch entwickelt und betreibt der Dienstleister fungsstelle des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Datensicherheit. So hat das tatsächlich keine relevanten wenn ­S ebastian Schriever solund schreibt Rahmenverträge für Basiskomponenauch Fachverfahren für die öffentliche Verwaltung DVZ eigens einen zugangsbes- Dateien vorhanden sind, wenn che Geräte demnächst öfter auf ten wie PC- und Drucktechnik aus. sowie E-Government-Anwendungen. Im Zuge der chränkten Asservatenraum ein- die Maschine nichts findet?” seinen Tisch bekommt, weiß Um die digitalen Daten für die gerichtet. er schon, wo er suchen muss.

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