Behörden Spiegel Januar 2018

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. I / 33. Jg / 3. Woche

Berlin und Bonn / Januar 2018

G 1805

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Digitalisierung in Bayerns Schulen

Keine Zentralisierung

Neue Edle für den Staat

Staatssekretär Georg Eisenreich

Hamburgs Verfassungsschutzchef Torsten Voß

Konfuzius zu Ausbildung und Verhalten

über moderne Bildungsformen ............. Seite 26

gegen mehr Einfluss durch den Bund ..... Seite 42

von Beamten ......................................... Seite 48

Etat entlastet (BS/stb) Die fiskalischen Gesamtkosten der Arbeitslosigkeit in Deutschland beliefen sich laut Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Jahr 2016 auf 55,5 Milliarden Euro. Das ist rund eine halbe Milliarde Euro weniger als 2015 – ein Rückgang von 0,9 Prozent. Deutlicher fiel die Verringerung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt aus. Der Anteil der Kosten für Arbeitslosigkeit sank von 1,85 auf 1,77 Prozent. 2004 hatte der Wert noch bei 4,2 Prozent gelegen. Berücksichtigt wurden für die Berechnung neben Transferzahlungen auch Mindereinnahmen der öffentlichen Haushalte. Den größten Anteil an den Gesamtkosten trug der Bund mit 32 Prozent, gefolgt von der Bundesagentur für Arbeit (23 Prozent) und der Rentenversicherung (16 Prozent).

Vergütung verbessern (BS/jf) Der Berliner Senat erarbeitet aktuell kurzfristige Lösungen, um die Vergütung von angestellten Ärzten im Öffentlichen Gesundheitsdienst, (ÖGD), zu verbessern. Insbesondere soll die Gehaltslücke zu Ärzten an Kliniken geschlossen werden. Dabei prüft die Senatsverwaltung für Gesundheit auch, inwiefern Lösungen wie im sogenannten “Hamburger Modell” auf Berlin übertragen werden können. Zuvor hatte die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) Verhandlungen über die Gehälter von Ärzten im ÖGD mehrheitlich abgelehnt.

Neues Projekt zur Flüchtlingsteilhabe (BS/ab) Ein neues Modellprojekt “Mitbestimmung und Eigenverantwortung von Geflüchteten” ist in Bonn gestartet. Die Teilhabe sei ein wichtiger Bestandteil für eine gelungene Integration. Deshalb führe die Otto Benecke Stiftung e. V. das Modell im Rahmen des Bundesprogrammes “Demokratie leben!” durch. In dem Projekt sollen in den nächsten zwei Jahren Mitwirkungsmöglichkeiten für Geflüchtete in ihrem sozialen Umfeld geschaffen werden. Dies fange bei dem Erfahrungsaustausch Geflüchteter untereinander an. Geplant ist die Übernahme von Aufgaben und Pflichten in Heimen sowie die Teilnahme an elterlichen Mitbestimmungsgremien in Kitas und Schulen. Auch eine organisierte Interessenvertretung der Geflüchteten in der Kommunalpolitik sei ein zentraler Punkt. So soll die Identifikation mit der heimischen Gesellschaft gestärkt sowie die Wahrnehmung der hiesigen Bevölkerung verändert werden.

Uneins bei der Arbeitsorganisation Dialog zur Wertschätzung im Öffentlichen Dienst (BS/Jörn Fieseler) “Er ist keine Zierde des Staates, sondern das ordnende Prinzip: verlässlich, korrekt und engagiert – der Öffentliche Dienst”, konstatierte der neue Bundesvorsitzende des DBB Beamtenbunds und Tarifunion, Ulrich Silberbach. Dafür gebühre den Beschäftigten hoher Respekt. Und die Unterstützung aus der Politik in Form verlässlicher Rahmenbedingungen. Dieser Aussage will generell zwar keiner widersprechen. Im Konkreten gehen die Meinungen dann doch auseinander, wenn auch nicht bei der Übertragung des Tarifergebnisses. Es komme auf den Menschen an, es werde schließlich der Dienst am Menschen geleistet. Und natürlich hätten die Beschäftigten ein Anrecht darauf, dass ihre Aufgaben und ihre Arbeit honoriert, wertgeschätzt und respektiert würden, erklärte Silberbach auf der 59. Jahrestagung des DBB in Köln. “Die Beschäftigten müssen spüren, dass der Dienstherr ihre besondere Einsatzbereitschaft wertschätzt”, unterstrich auch Staatssekretär Hans-Georg Engelke aus dem Bundesministerium des Innern, mit Blick auf die Bewältigung der Flüchtlingsströme. Zur Wertschätzung gehöre aber auch, die Mitarbeiter nicht zu überfordern, so Engelke mit Blick auf die gestiegene Erwartungshaltung an den Staat angesichts der rasanten Veränderungen in der Welt: Etwa die Umbrüche in Europa, die Dimension von Flucht und Migration, die Durchdringung der Digitalisierung und die Angst vor Terror. Mit Blick auf die Digitalisierung seien der DBB und die Menschen im Öffentlichen Dienst bereit, neue Wege einzuschlagen (siehe Seite 3),betonte der Gewerkschafter. Im Gegenzug dürften aber Versorgungsrücklagen nicht verfrühstückt werden. Stattdessen müsse dem Staat, der handlungs- und funktionsfähig bleiben soll, ein

schätzung ist. Ebenso gehört zur Anerkennung und Honorierung, für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen, etwa bei der Arbeitszeit. Für Silberbach ist das die Reduzierung der wöchentlichen 41 Stunden auf das Tarifniveau. “Seit 2004 wurde die Arbeitszeit für Beamte um 2,5 Stunden angehoben – einseitig und ohne Ausgleich”, echauffiert sich der DBB-Chef. Einzig aus Sparüberlegungen heraus. Jetzt biete es sich an, dieses Sparopfer zurückzudrehen. Im Tarifbereich entspreche eine Stunde Arbeitszeit einer linearen Entgelterhöhung von rund 2,5 Prozent. “Ich weiß, sie liegt Ihnen sehr am Herzen”, entgegnete Engelke. Die Stellenhaushalte des Bundes seien zuletzt massiv gewachsen. Der Personalaufbau diene dazu, Beschäftigte, die zum Beispiel durch Flüchtlingskrise und Terrorgefahr besonders belastet seien, zu entlasten. Der DBB Beamtenbund und Tarifunion sieht bei der Arbeitszeit für Beamte die Gelegenheit, die 41-Stunden-Woche “Wenn wir jetzt die Arbeitszeit abzuschaffen. Im Bundesinnenministerium sieht man in der dieser Frage keinen Handlungsbedarf. Derzeit sieht es so reduzieren, würgen wir diesen aus, dass die Gewerkschaft das Spiel verliert. Foto: BS/©LoloStock, Fotolia.com Entlastungseffekt ab, bevor er überhaupt anfängt zu wirken.” qualifizierter Nachwuchs etwas der Alimentation aus. “Ja, die Wertschätzung kann sich auch Zumal die Stellen noch nicht alle wert sein. Der desaströse Be- Bezahlung muss stimmen”, be- gegenüber den Versorgungs- besetzt seien. Zudem dürften nicht alle Unsoldungswettbewerb unter den stätigte Engelke. Deshalb wolle empfängern ausdrücken. In Ländern gehöre eingedämmt – sich Bundesinnenminister Dr. NRW hat Finanzminister Lutz terschiede zwischen Beamten auf bayerischen Niveau selbst- Thomas de Maizière (CDU) da- Lienenkämper rückwirkend für und Tarifbeschäftigten eingeebverständlich. Auch dürfe in den für einsetzen, auch in diesem 2017 rund 680 Mio. Euro in net werden, sonst verlöre das Ländern nicht die Grenze der Jahr das Tarifergebnis zeit- und den Pensionsfonds des Landes System der althergebrachten Alimentation nach unten aus- wirkungsgleich auf die Beamten eingestellt. Damit halte die neue Grundsätze an Überzeugungsgetestet werden. Wertschätzung und Versorgungsempfänger zu Landesregierung Wort, was kraft. Doch dieses Argument drücke sich nun mal auch in übertragen. auch ein Ausdruck von Wert- überzeugte in Köln kaum.

Kommentar

Nachhaltigkeit bei der Finanzplanung gefragt (BS) Die Koalitionäre der möglichen “Großen” Koalition sind sich in einem einig – Politik soll durch Geldverteilen an die eigene Klientel betrieben werden. Das ist ein bekanntes Politikverständnis, das weder die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen z. B. die Digitalisierung von Arbeit und Alltag – in den Mittelpunkt rückt, noch sich eindeutig der nachhaltigen Verantwortung für die jungen Generationen stellt. So wird das im Sondierungspapier angedachte Rentenniveau absehbar nur durch eine Dauersteuersubventionierung möglich sein. Auch ansonsten sieht das Sondierungsergebnis im Kern eher “alt” aus. Die Alten stellen eben die Mehrheit des Wahlvolkes. Es benötigt nicht ein “Zukunfts-Ministerium”, um zu erkennen, dass nur in ihr die Sicherung von Wohlstand, Arbeit und Gleichheit liegt. “Einheitliches Grundeinkommen”, wie es die CDU in SchleswigHolstein mit den Grünen in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, wie es auch skandinavische Länder als Zukunftsmodell testen, oder eine Mrd. Euro Investitionen für die Digitalisierung in Niedersachsen (siehe Seite 25) – Fehlanzeige.

Ein maues Bekenntnis zur Schuldenbremse hingegen erscheint nur notgedrungen. Die erhofften Steuereinnahmen sind komplett verausgabt. Dass diese Jahre weiter so sprudeln werden, dass die Nullzinssituation für die öffentlichen Hände bleibt, ist eine Annahme, der man getrost widersprechen muss. Jeder Bergsteiger weiß, dass dem Aufstieg ein ebensolcher Abstieg folgt. Erste Anzeichen für eine Zinswende lassen sich erkennen. Mehrausgaben in allen Bereichen, Sachmittel wie Personal, werden dann durch teure Kredite bezahlt werden müssen. Natürlich wird an allen Ecken mehr Personal benötigt, doch es auf hergebrachte Organisationsformen und Strukturen ein-

fach obendrauf zu satteln, ohne eine Aufgabenkritik vorwegzuschicken, wird sich als fatal erweisen. Alte Regel: “structure follows strategy”. Nun sind wir vier Monate ohne amtierende Regierung, über ein Vierteljahr. Die Wirtschaft brummt – ohne Regierung – demnächst wahrscheinlich trotzdem. Wer macht das möglich – eine hervorragend aufgestellte Verwaltung, die für Rechtsstaatlichkeit, Verlässlichkeit und Kontinuität steht. Vier Monate ohne neue Gesetze, Gesetzesänderungen und Novellierungen, die ansonsten zwar das Licht der Welt erblicken, aber in der Rechtswirklichkeit immer häufiger gar nicht ankommen. R. Uwe Proll

Dinner for Two

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Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Januar 2018

Auch 2018 werden wieder zahlreiche Deutsche ans Meer fahren, um dort den Ausblick zu genießen. In der Politik stehen in diesem Jahr große Herausforderungen an, nicht nur hinsichtlich der Regierungsbildung auf Bundesbene. Foto: BS/© Jenny sturm, fotolia.com

Ausblick 2018 Wider die Kleinstaaterei

Ans Fliegen kommen

Digitalisierungspakt und Qualifizierungsschwerpunkt ...................................... Seite 3

Digitale Transformation der Verwaltung nimmt 2018 weiter Fahrt auf .................................................................. Seite 25

Es bleibt viel zu tun

Digitale Zukunftskommune@bw

Kommunale Herausforderungen und Bundes-Sondierungslösungen ................................ Seite 15

72 Kommunen im Rennen beim Landeswettbewerb ........................................ Seite 27

Die Schmelze und das Schreckgespenst

Game over, Kupfer-Ära

Steigbügelhalter in die digitale Zukunft

“Hochgradig sicher und stabil”

Schnelles Internet als Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit ....................................... Seite 23

Das ITZBund ist die Anlaufstelle für alle IT-Belange der Behörden ....................................... Seite 28

Leistungsfähige Netze als Fundament der Digitalisierung .................................................. Seite 36

E-Government-TÜV gefordert Deutscher Landkreistag veröffentlicht Positionspapier ...................................................... Seite 31

Sicherheitslücken in Computerchips ...................... Seite 34

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Social Media neu erleben Online-Angebote auf allen Kanälen (BS/har) Der Behörden Spiegel weitet derzeit sein digitales Informationsangebot deutlich aus. So hat die Berichterstattung auf Social MediaPlattformen wie Facebook und Twitter in den vergangenen Monaten spürbar an Fahrt aufgenommen. Zusätzlich zur gewohnt fundierten monatlichen Print-Ausgabe werden auf diesem Wege informative, aber kurze Berichte in höherer Frequenz online gestellt. Die Leser haben zudem die Möglichkeit, mit der Redaktion im Internet in Interaktion zu treten und sich an interessanten Diskussionen zu beteiligen. Außerdem setzen zahlreiche NewsKanäle die Follower über Trends im Bereich Sicherheit und Verteidigung, IT-Security und Digitalisierung in Kenntnis. Über den YouTube-Kanal werden die Nutzer zudem mit Videos von Kongressen und Interviews versorgt.

Dialog und Interaktion werden gestärkt Im letzten halben Jahr hat die Online-Redaktion das SocialMedia-Angebot kontinuierlich erweitert. Was mit einem Facebook-Auftritt für den Fachkongress “Digitaler Staat” begann, hat sich zunehmend als eine feste Größe im Redaktionsalltag etabliert. Auf international renommierten Veranstaltungen wie der Public-IT-Security oder der Berliner Sicherheitskonferenz war insbesondere die gewachsene Bereitschaft zum Dialog ebenso zu spüren wie auf regional sehr erfolgreichen Kongressen wie “e-nrw”. Neue Medien wie Twitter wurden äußerst positiv angenommen, der Austausch über den TwitterKanal “Behörden News” wurde erfolgsversprechend ausgebaut.

Konstruktiver Journalismus bleibt Ziel Dabei ist auf den vergangenen Veranstaltungen des Behörden Spiegel vor allem ein Aspekt

Der Behörden Spiegel lädt seine Leser ein, in die Welt der Online-Redaktion einzutauchen. Hierfür bieten insbesondere die Sozialen Netzwerke kreative Möglichkeiten. Foto: BS/Jason A. Howie, CC BY 2.0, flickr.com

deutlich geworden: Mit Social Media konstruktiven Journalismus auch im Behörden Umfeld zu betreiben ist möglich. Es braucht kreative Ideen, die den User inspirieren und ihn sich für eine Sache begeistern lassen. Denn erst solch ein Umfeld schafft den Nährboden für kontroverse Diskussionen im Web – dem Impuls schaffenden Raum für Start-ups und junge Vordenker: auch im Verwaltungsbereich!

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Eisenreich Foto 2: BS/Feldmann Foto 3: BS/3dman eu, pixabay Beilagenhinweis Einer Teilauflage liegt eine Beilage der Technischen Akademie Wuppertal bei.

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100% Für Vetriebsänderungen:

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Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Januar 2018

Wider die Kleinstaaterei

KNAPP

Digitalisierungspakt für die Verwaltung gefordert / Fokus auf Qualifizierung legen (BS/Jörn Fieseler) In neun Jahren wird ein Drittel der Bundesbeschäftigten in den wohlverdienten Ruhestand gehen. “Glauben sie, dass sich auch die Aufgaben des Öffentlichen Dienstes in dieser Zeit um ein Drittel reduzieren werden?”, fragt Christoph Verenkotte, Präsident des Bundesverwaltungsamtes (BVA), rhetorisch. Ohne digitale Prozesse ist dieser Wandel nicht zu bewältigen. Doch die Bilanz über die bisherigen Maßnahmen fällt nüchtern aus. Eine Verwaltung 2020 wünscht sich Hans-Georg Engelke, Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Konkret: eine horizontal und vertikal vernetzte Verwaltung. Dafür bedürfe es einer Reform, die auf Vernetzung und Austausch setze, Arbeitsabläufe verschlanke, den Datenschutz optimiere und Ressourcen schone. Denn die Zukunft des Öffentliches Dienstes sei von drei Leitlinien geprägt: “Da sein”, “gut sein” und “motiviert sein” (siehe Behörden Spiegel, Dezember 2017, Seite 4). Und zum Aspekt “da sein” gehöre eben auch, digital erreichbar zu sein. Zwar habe die Geschichte bereits gezeigt, dass sich der Staatsdienst als langlebig und überlebensfähig erwiesen habe. Schließlich gingen die Anfänge des Beamtentums auf das alte Ägypten, China (siehe Seite 48) und das Römische Reich zurück. Zum Leitbild “gut sein” gehöre aber auch, dass der Öffentliche Dienst sich – gleich einem lebenden Organismus – an veränderte Bedingungen anpasse und fortentwickele. “Schließlich sind sich alle einig, dass die Bürger rund um die Uhr vor den virtuellen Schalter treten können”, ergänzt Ulrich Silberbach, Chef des DBB Beamtenbunds und Tarifunion. Wobei nach Engelke “geheiratet gern noch altmodisch analog werden darf”. Aber, so Silberbach: “Es hapert an der Umsetzung.” Deutschland hänge im Zeitalter der digitalen Kleinstaaterei fest, zwar gebe es vielversprechende kommunale und regionale IT-Initiativen, aber keinen verbindlichen Masterplan zum Thema. Er fordert deshalb auf der diesjährigen Kölner Jahrestagung seiner Organisation von der Politik einen Pakt für Digi-

Schluss mit dem staatlichen Flickenteppich: Zwar ist im Vergleich zu den Fürsten-, Herzog- und Königtümern die Zahl der Länder deutlich zurückgegangen. Doch bei der Verwaltungsdigitalisierung gibt es immer noch zu viele Einzellösungen. Es muss mehr vernetzt werden, auch zwischen Fachbehörden auf einer Ebene. Foto: BS/©Sergey Kamshylin, Fotolia.com

talisierung. Ob Pakt oder nicht, Verenkotte unterstreicht: “Wir brauchen eine neue Herangehensweise und müssen die Fragen beantworten, was mit einer Aufgabe erreicht und wie der Prozess aussehen soll.” Dazu müsse man sich komplett mit staatlichen Aufgaben befassen und die Prozesse digital denken. Bislang würde sich Deutschland aber an Themen abarbeiten, die seit über 20 Jahren diskutiert würden. Vor allem die Arbeitsweise der Juristen erschwere die Neugestaltung von Prozessen. Sie antworteten auf politische Fragen stets mit einem Gesetz, sagt der BVA-Präsident, der selbst Jurist ist. Jährlich würden in Deutschland dadurch Steuergelder in Höhe von sechs Mio. Euro verschwendet. Prof. Dr. Ulli Christian Meyer, Staatssekretär im Finanzminis-

terium des Saarlandes, pflichtet ihm bei: für Juristen sei der Wandel der Arbeitsbedingungen schmerzlich. Schließlich handle es sich um nichts Geringeres als die Automatisierung der geistigen Arbeit. Doch nicht nur die Juristen würden die Umsetzung erschweren, “auch unser föderaler Staat macht Entscheidungen nicht leichter”, unterstreicht Uwe Lübking, Beigeordneter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. Kein gute Bild gebe der Öffentliche Dienst auch bei der Schulung und Vorbereitung der Mitarbeiter ab. “Die Skepsis ist da”, so Silberbach. Nicht nur wegen der Furcht vor dem Stellenabbau. Sondern auch, weil sich der Arbeitsaufwand nicht verringere, die Arbeitsverdichtung weiter zunehme. Dabei fehlen in Bund, Ländern und Kommunen

über 200.000 Beschäftigte, wie der DBB im Vorfeld seiner Tagung vorrechnete. Demgegenüber nannte der saarländische Staatssekretär eine Studie, wonach durch die Digitalisierung 400.000 Bedienstete im Öffentlichen Dienst ihre Tätigkeit verlieren könnten. Personalumschichtungen seien dann auf der Tagesordnung. So könnten unkomplizierte Steuererklärungen durch künstliche Intelligenz geprüft werden und die Finanzbeamten eher als Betriebsprüfer eingesetzt werden. Am Ende werden wir Bereiche mit deutlich weniger Personal haben und andere mit mehr. Letztere sind die, wo Leistungen von Menschen für Menschen erbracht werden.” Um für Fachkräfte attraktiv zu werden, dürfe aber nicht nur auf die Besoldung abgestellt

werden, mahnt Engelke. Für ihn ist ein anderer Aspekt entscheidend: das Know-how. Hier gelte es, frühzeitig beim Bewerber anzusetzen. Es müsse nicht immer auf den fertig ausgebildeten Bewerber gewartet werden, Verwaltungen könnten auch finanzielle Studienförderungen anbieten. “Eine Art Stipendium, verbunden mit studienbegleitenden Praktika in der Behörde und mit der Verpflichtung, korrespondierend nach dem Studium einige Jahre in dieser Behörde zu arbeiten”, erläutert der Staatssekretär. Auch die Betreuung von Bachelor- und Master-Arbeiten kann er sich vorstellen. “Es ist Zeit, dass wir unsere Personalbedarfe mindestens in der Bundesverwaltung zusammen betrachten und die kreativen Ideen zur Personal- und Wissensgewinnung zusammenlegen.” Ansonsten bliebe nur die Möglichkeit, selbst auszubilden. BVA-Präsident Verenkotte sieht hier den Bund mit seinen Ausbildungsinstitutionen sehr gut aufgestellt, unterstützt Engelke aber dahin gehend: “Wir fischen mit der Wirtschaft im gleichen Teich. Aber nur weil wir mehr Angeln reinreichen, gibt es nicht mehr Fische. Stattdessen müssen wir uns einen eigenen Teich anschaffen.” Und Meyer ergänzt: “ Wir müssen überlegen, wie Ausbildung, Fortbildung, ein lebenslanges Lernen und Arbeiten, verbunden mit Karriereperspektiven sicherzustellen sind.” Ein erster Schritt dahin wäre, die Aufstockung der Personalbudgets für Ausbildung zu vergrößern. Die seien mit ein bis drei Prozent viel zu klein. In der Privatwirtschaft werde immerhin das Drei- bis Vierfache investiert, so Silberbach.

Ergebnisse im Mai (BS/jf) Die Branchenedition “Public Sector” der Studie “Azubi-Recruiting Trends 2018” wird im Mai veröffentlicht. In der von der u-form Testsysteme GmbH & Co. KG in Zusammenarbeit mit dem Behörden Spiegel und Prof. Dr. Christoph Beck von der Hochschule Koblenz erarbeiteten Umfrage werden Schüler, Bewerber und Auszubildende unter anderem nach ihren Wünschen und Erwartungen zu den Themen Ausbildung, Berufsund Betriebswahl, Bewerbung, digitale Medien, E-Learning und dem Einfluss von Eltern auf den Berufswunsch befragt. Besonders im Fokus steht die “digitale Fitness”, der jungen Berufsanfänger und der Verwaltung als Arbeitgeber. Bis zum 20. April 2018 können interessierte Auszubildende und Ausbilder an der onlinebasierten Umfrage teilnehmen. Weitere Informationen und Zugang zur Umfrage unter: www. studie.behoerdenspiegel.de

Gleiches Niveau (BS/jf) für die Jahressonderzahlungen der Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen werden die Bemessungssätze und -grundlagen vereinheitlicht. Bis 2020 sollen die noch bestehenden Unterschiede zwischen den Tarifgebieten West und Ost beseitigt werden. Dies geht aus einem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern hervor. Derzeit beträgt die Höhe der Jahressonderzahlung für Beschäftigte in den Entgeltgruppen E 1 bis E 8 im Westen 90 Prozent, in den Gruppen E 9a bis E 12 80 Prozent und für alle übrigen Tarifangestellten 60 Prozent. Im Tarifgebiet Ost werden für das aktuelle Jahr 81 Prozent bzw. 68 Prozent oder 51 Prozent als Bemessungssatz veranschlagt. Eine weitere Erhöhung zwischen drei und 4,5 Prozent ist für 2019 vorgesehen.

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Hamburger Vergabetag 2018 25.–26. Januar, Handelskammer Hamburg Der Hamburger Vergabetag ist der Treffpunkt für öffentliche Einkäufer, Vergaberechtler und -berater sowie Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden. → Online-Anmeldung unter www.hamburger-vergabetag.de

Veranstalter

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Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Korruption in Deutschland

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o exportieren wir unser Verwaltungs-Know-how auch in Sachen Compliance gern in jene Länder, auf die wir – ausweislich des weltweiten Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International – in puncto Korruptionsanfälligkeit gern und zu Recht herabschauen. Dabei wissen oder ahnen wir aber doch alle, dass Korruption, wenn auch auf niedrigerem Niveau als etwa in Osteuropa, auch in Deutschland täglich stattfindet. Man kann dies regelmäßig in den Medien nachlesen. Aber wenn es um Korruptionsrisiken deutscher Behörden geht, dann sind es selbstverständlich die Risiken der anderen, selten der eigenen Institution, denen man ehrlich ins Auge zu sehen geneigt ist.

Anstieg in Deutschland im mehrjährigen Trend “Korruption in NRW nimmt wieder zu” titelte die Neue Westfälische Ende Dezember 2017. Die dramatisch anmutende Schlagzeile ist zutreffend, allerdings stellt man bei näherem Nachlesen fest, dass es sich um einen eher undramatischen Anstieg von 402 auf 416 Verfahren handelt. Bei rund 800.000 öffentlich Beschäftigten im Land NRW steht somit rein statistisch nur jeder 2.000ste pro Jahr unter Korruptionsverdacht. Das

Behörden Spiegel / Januar 2018

Prävention bleibt wichtig / Öffentliche Verwaltung ist nicht “über den Berg” (BS/Ingo Sorgatz) Korruption in der öffentlichen Verwaltung ist eines jener zwiespältigen Themen, über die man zwar gern und heftig diskutiert. Allerdings am liebsten dann, wenn sie im Ausland stattfindet, etwa in Ländern, in denen die mangelnde Integrität öffentlich Bediensteter ohnehin kein Geheimnis ist. Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) zur Korruptionskriminalität in Deutschland nennt 6.502 Korruptionsdelikte für das Berichtsjahr 2016. Das ist ein signifikanter Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Statistiken sind jedoch bekanntermaßen interpretierbar und es kommt auf den Betrachtungswinkel an. Das gilt für die meisten Lebensbereiche, die Korruption bildet da keine Ausnahme. So kann man im kurzfristigen Zeitfenster (drei bis fünf Jahre) zwar von einer Besserung sprechen. Im Zehnjahreszeitraum weist der lineare Trend hingegen einen Anstieg der Korruptionsdelikte aus. Bei näherer Betrachtung der überjährigen Statistik fallen zudem die enormen Schwankungen der Fallzahlen auf. Diese sind auf sogenannte “Umfangverfahren” zurückzuführen, sprich das Aufdecken bereits jahrelang zusammenarbeitender korruptiver Kartelle, die in ihrem dauerhaften Zusammen-

empfohlener Maßnahmen auflisten. So lange allerdings berichtete Fälle nicht im eigenen Zuständigkeitsbereich stattfinden, schiebt man die Vorsorge gegen Korruption dann aber doch gerne auf die “lange Bank”. Zumal die “Compliance” im permanenten Zielkonflikt mit anderen Aufgaben steht, man denke etwa an das – nicht zuletzt aus korruptionspräventiven Gründen – sehr formalisierte deutsche und europäische Vergaberecht.

Ingo Sorgatz Erster Kriminalhauptkommissar und Dipl. Verwaltungswirt (FH), ist nach langer Tätigkeit im kriminalpolizeilichen Bereich seit mehreren Jahren für Interne Revision und Korruptionsprävention zuständig. Foto: BS/privat

wirken naturgemäß bereits eine Vielzahl einzelner Bestechungsdelikte begangen haben. Das regelmäßige Aufdecken solcher Kartelle belegt deutlich, dass die sogenannte strukturelle Korruption auch in Deutschland fest verwurzelt ist. Wirft man ergänzend zu den Deliktszahlen einen Blick auf den prozentualen Anteil der öffentlichen Verwaltung an den Korruptionsstraftaten des Jahres 2016, so wird – siehe Abbildung – außerdem deutlich, auf welch tönernen Füßen die vorschnelle Conclusio stünde, die deutsche Verwaltung sei beim Thema Korruptionsvermeidung “über den Berg”. Denn auch hier ist der zehnjährige lineare Trend ein steigender. Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen verfügen heute über Anti-Korruptionsregelungen, die ganze Bündel

Nicht alle Maßnahmen sind gleichermaßen erforderlich Exzessive Compliance kann verhindernd wirken hinsichtlich der Zielerreichung von Fachaufgaben. Dass bürokratische “Kontroll- und Präventionsmonster” aufgebaut werden, kann nicht gewollt sein. Dementsprechend sind die Präventionsvorschriften hinsichtlich der zu treffenden Gegenmaßnahmen in aller Regel mit Ermessensspielräumen verbunden. Wo Ermessen besteht, muss dieses aber auch pflichtgemäß ausgeübt werden. Dass etwa die öf-

fentliche Beschaffung, der Baubereich oder das Förderwesen Aufgabensektoren mit dauerhaft hohen Korruptionsrisiken sind, liegt auf der Hand und engt das Ermessen etwa in Bezug auf die Implementierung von Vorgangs- und Vor-Ort-Kontrollen, Mehr-Augen-Prinzip, Annehmen von Geschenken, Rotation etc. erheblich ein. Hier schließt sich der Kreis – denn keine Behördenleitung und keine ihrer Führungskräfte wird sich in Zeiten gestiegener ComplianceHaftung und reputativer Risiken auch im öffentlichen Sektor auf so “dünnes Eis begeben” wollen, sich im Ernstfall vorhalten lassen zu müssen, trotz erkannter kritischer Bereiche das präventive Vorgehen gegen dolose Handlungen ignoriert und damit solche womöglich sogar sehenden Auges zugelassen zu haben.

Beauftragte und Ombudsstellen Die meisten Behörden haben heute Anti-Korruptions-Beauftragte und Interne Revisionen eingerichtet – sinnvolle Stellen, die allerdings nicht pauschaler Garant oder “Persilscheinaussteller” für die Compliance der Fachbereiche der Behörde sein können. Es bleiben die Fachbereiche selbst, die sich zunächst einmal um ein professionelles

Internes Kontrollsystem zu bemühen haben. Anti-Korruptionsbeauftragte und Interne Revisionen sind in erster Linie Berater und Signalgeber. Viele Institutionen, auch im öffentlichen Sektor, haben inzwischen sogenannte Ombudsstellen eingerichtet, bei denen Hinweisgeber unter Wahrung ihrer Anonymität Angaben machen können. Dies stellt einen weiteren wichtigen Baustein der Korruptionsbekämpfung dar. Hierbei muss jedoch der Eindruck vermieden werden, das sogenannte “Whistleblowing” sei die allein wirksame Maßnahme gegen Korruption. Schnell kann hierdurch ein Klima der gegenseitigen Verdächtigung und des Misstrauens erzeugt werden, was nicht gewollt ist und dem Anliegen (der Verbesserung der Integrität) sogar einen Bärendienst erweisen könnte. Welche Maßnahmen sollten in Behörden Standard sein? Wo ist Ermessen in welcher Art risikoorientiert auszuüben? Wo liegen in straf-, disziplinar-, arbeits- und haftungsrechtlicher Hinsicht Fallstricke aus, die es zu beachten gilt? Welches Fachwissen gehört zu einer professionellen Beraterrolle, die der/die Anti-Korruptionsbeauftragte wahrzunehmen hat? Der Behörden Spiegel bietet hierzu gemeinsam mit dem Verein Qanuun e. V. einen Zertifikatslehrgang an, der vom 5. bis 9. März 2018 wieder in Berlin stattfinden wird. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungs kraefte-forum.de, Suchwort “Antikorruptionsbeauftragte”

Generationen Y und Z als Herausforderung Personalverantwortliche im Öffentlichen Dienst müssen sich anpassen (BS/Gerhardt Weitkunat) Der sich abzeichnende demografische Wandel lässt eine nie dagewesene Herausforderung für die Personalführung und -wirtschaft im Öffentlichen Dienst erwarten. Vordringliches Thema für die Führungskräfte von Vollzug und Verwaltung sollte die Tatsache sein, dass die Angehörigen der sogenannten “Generationen Y und Z” ab 2025 die Mehrheit der Mitarbeiter stellen werden.

Grafik: BS/Sorgatz

qanuun-aktuell Von Riad bis Peking von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune China und Saudi-Arabien haben aktuell eine Gemeinsamkeit, die eher überrascht: beide werden von einem Mann regiert oder künftig regiert, der die Korruption im eigenen Land beseitigen will. Xi Jinping, der Generalsekretär der KP in China, hat bereits 2012 eine weitreichende Antikorruptionskampagne eröffnet. So wurden mehr als 80 hochrangige Parteifunktionäre zu empfindlichen Strafen verurteilt. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat Anfang November 2017 mindestens zehn Angehörige der Herrscherfamilie sowie mehrere (Ex-)Minister wegen Korruptionsverdachts inhaftieren lassen. Auch er hat der Korruption auf allen politischen wie gesellschaftlichen Ebenen den Kampf angesagt und will diesen, ebenso wie auch Xi Jinping, die kommenden Jahre fortsetzen. In der Bevölkerung dürfte ein solches Durchgreifen durchaus posit es einen Eindruck der Vergangenheit zu widerlegen scheint, die Kleinen würden gehängt und die Großen blieben verschont. Das hehre Ziel, die staatliche Integrität und Gemeinwohlorientierung in diesen beiden großen Län-

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

dern zu fördern, wurde im Ausland wohlwollend beklatscht. Unausgesprochen wächst die Hoffnung, dass in einer fernen Zukunft der internationale Handel ohne Korruption möglich sein könnte. Bei allem Enthusiasmus sollte man jedoch nicht übersehen, dass die Festnahmen und Verurteilungen bedeutender korrupter Funktionäre und Politiker Xi Jinping und Mohammed bin Salman auch persönlich zupass kamen, wurden dadurch doch einzelne ihrer Widersacher durch Sanktionen ausgebremst. Integrität ist also nicht nur ideell, sondern ganz real ein geeignetes Instrument staatlicher Machterhaltung.

Sie gelten als anspruchsvoll, geltungsbedürftig, sprunghaft, kompromisslos, mitteilsam, ungeduldig, technikabhängig, mobil, sozial vernetzt und global denkend. Die Vertreter dieser neuen Mitarbeitergeneration scheinen nicht mehr so voraussetzungslos anschlussfähig zu sein an die Binnen- und Handlungslogiken des Öffentlichen Dienstes. Sicher ist, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie den klassischen Beamtenapparat sowohl in der Arbeitsweise wie auch in den Inhalten durch ihr Denken und Handeln nachhaltig prägen werden. Die hier nur grob skizzierte Perspektive greift umso mehr, da aufgrund des allgemeinen Geburtenrückgangs der zurückliegenden Jahrzehnte nicht mehr ausschließlich die passendsten Bewerber für den Öffentlichen Dienst ausgewählt werden können. Neben dem Ausgleich der Altersabgänge beschleunigen nunmehr auch die neue Sicherheitslage und die damit verbundenen Einstellungsoffensiven bei Bund und Ländern den Generationenwechsel im Staatsdienst. Um auch mit den neuen Mitarbeitern die Handlungsfähigkeit von Vollzug und Verwaltung wahren zu können, müssen aufbau- und ablauforganisatorische Lösungen gefunden werden, die gleichsam dem Auftrag der Organisation sowie den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht werden. Diese Lösungen werden sich aus den oben genannten Gründen voraussichtlich deutlich von den bisherigen Modellen unterscheiden.

Nichts isoliert betrachten Beginnend mit den Bereichen zielgruppengerechte Nach-

G20-Gipfel in wuchswerbung, effiziente AusHamburg, nicht bildung bis hin zu Organisatidie Polizeifühonskultur und Führungsethos rung, sondern ergeben sich eine Vielzahl von Gerhardt Weitkunat ist Dedie mediale Öfzernatsleiter für Aus- und Handlungsfeldern, von denen fentlichkeit über Fortbildung in der Zentralkeines isoliert zu betrachten den Einsatzerund Grundsatzabteilung ist. Eine Veränderung in einem folg entscheider Lübecker Bundespolidieser Felder bedingt unweigerzeiakademie. det. Spätestens lich Wechselwirkungen mit den wenn Einsatzanderen. Nicht zuletzt gilt es zu Foto: BS/Bundespolizeiakademie kräfte via Twitter berücksichtigen, dass bei der oder WhatsApp Anpassung der zuvor genannan ihre Freunde ten Handlungsfelder ein “Realitäts-Check” nicht ausbleiben Auseinandersetzung mit dem unter den Aktivisten, Passandarf: Welche Bewerber kann der KFS erfolgt aufgrund des Dog- ten oder Daheimgebliebenen Öffentliche Dienst am Arbeits- mas der PDV 100 jedoch nicht. ihre persönlichen Eindrücke markt aufgrund der sich abzeich- Als hinreichenden Grund für die in Bild und Ton weiterleiten, nenden Arbeitgeberkonkurrenz Erforderlichkeit eines solchen verfließen die Grenzen zwischen in den kommenden Jahren noch Diskurses ist beispielhaft die Mitarbeiterführung nach innen erwarten? Wie kann man die kybernetische Handlungslogik und Einsatzbewältigung nach außen. An diesem Beispiel zeigt Ausbildung und die zu erler- des KFS zu nennen. sich, dass der polizeiliche Ernenden Arbeitsabläufe so ausrichten, dass wir die Anwärter Transparenz immer wichtiger folg nicht durch das Drehen an im Vorbereitungsdienst systeAngeblich greifen die sechs Stellschrauben erreicht wird, matisch zum Erfolg führen? Wie Elemente (Delegation, Betei- sondern in einer hoch digitalilassen sich Ausbildungserfolg, ligung, Repräsentation, Kon- sierten Gesellschaft dem Verpolizeilicher Einsatzerfolg sowie trolle, Leistungsbewertung und such gleicht, einen Pudding an eine positive mediale Präsenz Transparenz) wie Rädchen im die Wand zu nageln. der Behörde Getriebe inunter den zueinander und Führung professionalisieren “Dem Führungsethos künftigen perbedingen sich Vor diesem Hintergrund muss kommt im Öffentlichen g e g e n s e i t i g . Führung professionalisiert und sonellen und technischen In der Praxis auf die zukünftigen MitarbeiDienst eine tragende Voraussetzunlässt sich hin- ter sowie die technischen und Rolle zu.” gen gewährgegen feststel- gesellschaftlichen Neuerungen leisten? Eine len, dass die ausgerichtet werden. Ein kritisolcherart abgestimmte Anpas- Transparenz von Führungs- sches Selbstverständnis für die sung mehrerer Handlungsfelder entscheidungen sowohl für die eigene Organisation sowie für findet zurzeit nicht statt. eigenen Mitarbeiter als auch die individuelle Verkörperung In diesem Zusammenhang für betroffene Dritte gegenüber des staatlichen Gewaltmonokommt dem Führungsethos im anderen Elementen von zu- pols muss geschaffen werden. Öffentlichen Dienst eine tra- nehmender Bedeutung zu sein Da in der Schnelllebigkeit und gende Rolle zu: Für die Poli- scheint. der digitalen Selbstinszeniezei in Bund und Ländern sind Die Angehörigen der “Generati- rung der jungen Generation das Kooperative Führungssys- on-Why?” wollen wissen, warum althergebrachte Bindungsmustem (KFS) sowie das Situative sie bestimmte Dinge tun und ter und Loyalitäten verschwimFühren mit seinem sogenann- sich mit ihrem Auftrag identifi- men, müssen die klassischen ten Reifegradmodell durch die zieren können. Ebenso stellen Denkstrukturen sowie die UmNormierung in der Polizeidienst- wir fest, dass bei der polizeilichen gangs- und Arbeitsformen in der vorschrift (PDV) 100 festge- Bewältigung von Großlagen, Leistungs- und Eingriffsverwalschrieben. Eine praxisbezoge- wie beispielsweise dem Amok- tung in gleicher Weise aufgebrone und systematisch kritische lauf von München oder dem chen werden.

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Bund / Länder

Behörden Spiegel / Januar 2018

E

s geht nicht nur um ungeplante Mehrausgaben oder fehlende Kontrolle, sondern auch um entgangene Steuergelder. Der angeprangerte Hauptschuldige ist, in den Fällen des Bundesfinanzministeriums (BMF) sowie des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi), die IT. Beim BMI sei es die fehlende Kontrolle und beim BMVI die nicht umgesetzte Gebührenerhöhung der Bundeswasserstraßen. In den Finanzämtern der Bundespublik fehle es an notwendiger IT-Unterstützung, wodurch “die Finanzverwaltung außerstande ist, die gesetzlichen Vorgaben technisch vollständig umzusetzen”, heißt es aus den Bemerkungen des BRH. Dieser Zustand bestehe seit neun Jahren. Insbesondere bei Gesellschaften mit mehr als 500 Beteiligten könne die Steuererklärung nicht elektronisch abgegeben werden. Das Finanzamtpersonal werde dadurch stark eingebunden und belastet. Denn eine solche Prüfung nehme mehr als ein Jahr in Anspruch. Wobei dies gleichsam aus den über 380-seitigen Eingabebögen resultiere, die zu Fehlern und somit zu Steuerausfällen verleiten würden. Das den Finanzämtern übergeordnete BMF stimmte dem BRH zu. “Die entsprechenden Gegenmaßnahmen realisieren wir im Vorhaben KONSENS”, sagt Dr. Daniel Fehling, Sprecher des Ministeriums. Dabei handle es sich um eine Kooperation von Bund und den Ländern, um Innovationen zu entwickeln und die Software zu betreuen. Wozu die Erfüllung der gesetzlichen sowie technischen Anforderungen gehöre. Fehling ergänzt: “Um die Arbeiten bei KONSENS zu beschleunigen, wurden in den vergangenen Jahren zusätzliche Mittel bereitgestellt.” Des Weiteren sei in diesem Zusammenhang rechtlich nachjustiert worden. Zum Januar 2019 werde das neue Organi-

Ministerien reagieren unterschiedlich Bundesrechnungshof prangert an, aber zu Recht? (BS/ Adrian Bednarski) Sie sind da – nein – nicht die Eröffnungen des Berliner Flughafens oder Stuttgart 21. Sondern die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes (BRH) zu den jährlichen Ausgaben der Ministerien und ihrer Geschäftsbereiche. Verkalkulierte IT-Großprojekte, Gebühren der Bundeswasserstraße oder die nichteintreibbaren Steuern für Gesellschaften finden sich wieder. Die Diskussionen über fehlende Steuerungen und Nachbesserungsbedarf in den Geschäftsbereichen der Ministerien stehen ausgesprochen im Raum. Aber auch gegenüber dem Rechnungshof hagelt es Kritik. Blendet dieser die Wirklichkeit aus? sationsgesetz wirksam, welches Standards einführe und die Interoperabilität im Hinblick auf einheitliche Software verbessere.

Anstöße zur besseren Kontrolle Auch zwei IT-Großprojekte, nämlich “Netze des Bundes (NdB)” und “IT-Konsolidierung Bund (IT-K)” des Bundesinnenministeriums (BMI), stehen im BRH-Fokus. Diese sollten grundlegend die Informationstechnik modernisieren, zentralisieren und deren Sicherheit erhöhen. Für diese Aufgabe seien externe Berater hinzugezogen worden. Aber der BRH bemängelt, dass die Art der Arbeit, der Aufwand und die Ergebnisbewertung nicht vollständig seitens des BMI ermittelt würden. Dieses solle das Qualitätsmanagement verbessern, um bei den geplanten 230 Millionen Euro für Berater bis 2022 besser kontrollieren zu können. Der Sprecher des BMI, Dr. Harald Neymanns, erwidert auf die Bemerkungen: “Mit den beiden IT-Großprojekten geht eine Vielzahl komplexer Fragen einher, zu deren Lösungen sowie Bewertungen der externe Sachverstand mitunter sehr zeitnah benötigt wird.” Auch einzelne Teilprojekte des IT-K würden nicht nur vom BMI verantwortet. Es sei ein ressortübergreifendes Projekt. Die Ausführung der Projekte werde in eben diesen vorgenommen und erfordere den Einsatz externer Berater. Diese Konstellation und die Kurzfristigkeit würden die Kontrol-

Der BRH prangert die Ministerien und ihre Geschäftsbereiche an. Die Diskussionen über fehlende Steuerungen und Nachbesserungsbedarf sind entbrannt. Aber werden sie umgesetzt? Ist die Kritik berechtigt? Foto: BS/Thomas Quine, CC BY 2.0, flickr.com

le und Evaluation der Berater erschweren. “Das BMI ist sich der Herausforderungen im Kontext mit der Planung, Steuerung und Kontrolle von Beratertätigkeiten bewusst”, äußert sich Neymanns. Es greife darum die Hinweise und die Empfehlungen des BRH auf. “Zur Verbesserung des Informationsaustausches zwischen verschiedenen Projekten sind bereits neue Lenkungsgremien eingerichtet worden. Auch der Einsatz standardisierter Methoden, die auch Beratertätigkeiten nachhalten, wird ausgeweitet”, erläutert er die zukünftige Handhabung.

Sind es überzeichnete Einzelfälle? Auch IT-bedingte Kritik wird gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geäußert. “Das BAFA hat insgesamt mehrere hundert Millionen Euro mit ordnungswidrig betriebenen IT-Systemen

ausgezahlt”, klagt der BRH an. Die IT-Mängel, welche seit 2014 bestehen würden, seien nicht behoben worden. Dadurch hätten sie bei der jährlichen Fördermittelverteilung Buchungs- und Auszahlungsfehler verursacht. Stichproben würden ergeben, dass Gelder auf falsche Konten überwiesen wurden, auch wenn dies überwiegend auf menschliche Fehler zurückzuführen sei. Es mangle an Kontrollmaßnahmen. Doch seitens des dem BAFA übergeordneten Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) wird die Kritik zurückgewiesen: “Wir haben keine Hinweise, dass das BAFA in der Vergangenheit nicht rechtskonform gearbeitet hat”, so BMWi-Sprecher Philipp Jornitz. Das Amt wiederum verweist darauf, dass es sich bei den aufgeführten Beispielen überwiegend um individuelle und nicht um systembezogene Bearbeitungsfehler gehandelt

Antagonismus nachhaltiges Wirtschaften Eigene Nachhaltigkeitsstrategie des BMWi (BS/kh) Obwohl in den Sondierungsgesprächen das Einhalten der Klimaziele 2020 als politische Maßgabe gestrichen wurde, beabsichtigt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Veröffentlichung einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie. Mit dieser vertieft das Ministerium die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und legt den Schwerpunkt auf nachhaltiges Wirtschaften in der sozialen Marktwirtschaft. Bislang gibt es noch erheblichen Aufholbedarf, ökologische Zielvorgaben mit wirtschaftlichem Handeln zu vereinbaren – auch bei Vorlagen und Gesetzestexten. Die Bundesregierung hat sich dazu verpflichtet, die UN-Agenda 2030 ambitioniert umzusetzen, die die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung als Leitbild des Regierungshandelns bestimmt. Hierfür wurde die schon 2002 beschlossene Nationale Nachhaltigkeitsstrategie kontinuierlich weiterentwickelt und kam mit der Neuauflage vom 11. Januar 2017 zu ihrem umfassendsten Ausbau. “Diese unterstreicht die Bedeutung von nachhaltiger Entwicklung für die Politik”, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Auf Grundlage der Mitverantwortung aller Ministerien der Bundesregierung zur gemeinsamen Umsetzung publiziert das BMWi seine “eigene” Strategie hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. Diese fokussiert sich im Besonderen auf das achte Ziel der Agenda 2030 “Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum”, zum Beispiel bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Neben der Aufgabe, ein dauerhaftes, nachhaltiges und inklusives Wirtschaftswachstum zu fördern, hat das BMWi ebenfalls die Ressortzuständigkeit für “bezahlbare und saubere Energie” (SDG 7) inne. Weiter befasst es sich mit den Zielen “Reduktion von Ungleichheit” (SDG 10), “Industrie, Innovation und Infrastruktur” (SDG

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Ökologie und Ökonomie: Die neue Nachhaltigkeitsstrategie des Wirtschaftsministeriums soll zwei Richtungen vereinen, die unvereinbar scheinen. Foto: BS/Thomas Kohler, CC BY 2.0, flickr.com; Illustration: BS/Dach

9), “Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion” (SDG 12) und dem Ausbau von internationalen “Partnerschaften zur Erreichung der Ziele” (SDG 17).

Umsetzung der Ziele Neben den Aktivitäten nach außen richtet die oberste Bundesbehörde auch ihre interne Verwaltungspraxis an nachhaltigen Maßgaben aus. Beispielsweise werden bei eigenen Rechtssetzungsvorhaben die Auswirkungen auf eine solche analysiert und aufgeführt. Mögliche Konflikte, die sich aus einer Konkurrenz zwischen SDG und den mit dem Gesetzentwurf verfolgten Zielen oder auch zwischen verschiedenen SDG ergeben, sollen transparent dargestellt werden. Eine konkrete Maßnahme des

Ministeriums zur Erreichung der Ziele ist das Leuchtturmprojekt Nationaler Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE), der zur Förderung von Effizienzinvestitionen, zum Abbau von Investitionshemmnissen und zur Stärkung des Energiedienstleistungsmarkts beitragen soll. Das BMWi ist sich sicher: “Für eine erfolgreiche Umsetzung der Ziele werden die Beiträge der Politik nicht ausreichen.” Ebenso bedeutsam für eine erfolgreiche Umsetzung seien Akteure der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem im Mai 2017 vom BMWi ernannten Ressortkoordinator Nachhaltigkeit, Dr. Philipp Steinberg, dem Rat für nachhaltige Entwicklung, dem

Parlamentarischen Beirat und den entsprechenden Stellen in Ländern und Kommunen steht im Fokus des Bestrebens. Das Leitprinzip des BMWi umfasst die Zielvorgaben der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, des sozialen Ausgleichs und der ökologischen Notwendigkeit. Gerade die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen und die ökologischen Zielsetzungen stehen sich dabei allerdings oft konträr gegenüber. Trotz Fortschritten, beide Vorhaben zu vereinen, müsse sich Nachhaltigkeitspolitik auch als politische Plattform bewähren und unternehmerische Nachhaltigkeit könne nie alleine bestehen, gibt der Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Prof. Dr. Günther Bachmann, zu bedenken. “Zu selten noch setzen Unternehmen ihren Nachhaltigkeitserfolg zur öffentlichen Kommunikation ein, zur Differenzierung am Markt und gegenüber Investoren. Transformation wird von der Digitalisierung, nicht von der Nachhaltigkeit bestimmt”, betont der Mitgestalter des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Ob die Nachhaltigkeitsstrategie des BMWi im Zuge der Regierungsbildung nochmals angepasst wird und inwiefern sie die bestehenden Divergenzen lösen kann, bleibt abzuwarten.

habe. “Sämtliche Auszahlungen erfolgen nur auf Grundlage einer sorgfältigen Prüfung der Förderfähigkeit der Maßnahmen”, so der Sprecher. Das Vier-Augen-Prinzip werde dabei durchgängig eingehalten. Trotzdem könnten individuelle Fehler bei Massenverfahren nicht vollkommen ausgeschlossen werden. “Aber die aufgeführten Vorgänge betreffen in diesem Sinne auch nur 0,03 Prozent der im BAFA bearbeiteten Anträge”, äußert sich Jornitz. Das BAFA habe bereits auf Kritik aus dem Jahr 2014 reagiert. Die Transparenz der Bearbeitung sowie die Nachverfolgbarkeit von Verantwortlichkeiten sei gestärkt worden. Damit seien die Fehlermöglichkeiten in einem Verfahren beseitigt, sodass es keiner weiteren aktuellen Änderung bedürfe.

17-jähriges Versäumnis? Dem Bundesverkehrsministerium (BMVI) wirft der BRH sogar Fahrlässigkeit vor, welches Einnahmeausfälle in Kauf nehme. “Seit über 17 Jahren versäumt das BMVI, die wichtigsten Gebühren zur Nutzung der Bundeswasserstraßen zu erhöhen. Es verstößt damit gegen die haushaltsrechtlichen Verpflich-

tungen, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben”, kritisiert der BRH. Dadurch würden Einnahmen in Höhe von 19 Millionen Euro jährlich wegfallen. Wobei, bedingt durch die Bundeshaushaltsordnung, Gebührensätze regelmäßig zu aktualisieren seien. “Initiativen zur Erhöhung der Gebühren scheitern dennoch schon auf der Ebene des BMVI”, wird bemängelt. Obwohl die Anpassung möglich sei, werde sie vom Ministerium nicht beabsichtigt. Das BMVI wiederum kritisiert den BRH. So bezieht ein Sprecher Stellung: “Die Kritik des BRH ist unberechtigt, insbesondere hinsichtlich der Schifffahrtsgebühren, weil dies wirtschaftliche Situation der Unternehmen und der deutschen Häfen vollständig ausblendet wird.”

Maßnahmen seien breits eingeleitet Die bis zum Jahr 2021 geplante Umsetzung der Regelungen aus dem Bundesgebührengesetz (BGebG) seien dem System “Schiff/Wasserstraße” nicht zuträglich. “Das Ministerium beabsichtigt daher, die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der Bundeswasserstraßen durch die gewerbliche Schifffahrt aus dem Geltungsbereich des BGebG herauszulösen. Diese sollen dann in einem Spezialgesetz wettbewerbsneutral geregelt werden”, so der Ministeriumssprecher. Dies sei bereits im Koalitionsvertrag der vergangenen Großen Koalition gefordert worden (mehr über die Bemerkungen des BRH zur Bundeswehr auf S.45).

RET-Bags für Berlin Auch andere Feuerwehren rüsten sich für Terroreinsätze (BS/mfe) In Berlin können Kräfte von Polizei und Feuerwehr künftig auf besondere Sets zur Erstversorgung von Personen nach einem Massenanfall von Verletzten (MANV) zurückgreifen. Die Rettungs-, Erstversorgungs- und Transport-Bags (RET-Bags) bestehen unter anderem aus acht kleinen Modultaschen zur Unterbindung stark blutender Wunden. Diese Mini-Trauma-Kits enthalten etwa Spezialbandagen und Tourniquets, Wärmedecken, Spezialverbände für Brustkorbverletzungen und vier stabile Tragetücher. Mithilfe dieser Ausrüstung, die durch Experten der Berliner Feuerwehr und der Polizei, Notärzte des Bundeswehrkrankenhauses in der Bundeshauptstadt sowie Leitende Notärzte des Landes Berlin konzipiert wurde, soll eine bessere und schnellere Patientenversorgung möglich werden.

Bereits auf ersten Fahrzeugen vorhanden Außerdem kann dadurch in polizeilichen Gefahrenlagen, etwa nach einem Terroranschlag, durch Polizisten bereits im noch gefährdeten Bereich der Einsatzstelle mit der Erstversorgung begonnen werden. Mit den Tragetüchern können die Verletzten zudem in die gesicherten

Bereiche gebracht werden. Die ersten 125 RET-Bags befinden sich bereits auf Notarzteinsatzfahrzeugen und Streifenwagen der Polizei. Bis Ende Februar soll die Verteilung von 500 weiteren abgeschlossen sein. Auch andere deutsche Feuerwehren, insbesondere in den Großstädten, haben für den Terrorfall nachgerüstet. Das sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland, Bonns Feuerwehrchef Jochen Stein. In München etwa befindet sich auf jedem Rettungs- und Hilfeleistungslöschfahrzeug eine sogenannte Sichtungstasche für MANV-Lagen. Darin enthalten sind u. a. Verbandpäckchen, spezielle Bandagen zur Blutungsstillung, TourniquetAbbindesysteme und Verletztenanhängekarten.

MELDUNG

Bundesanstalt mit neuer Aufgabe (BS/mfe) Ab 2021 müssen bei der Einfuhr von Zinn, Tanatal, Wolfram, deren Erzen sowie Gold aus Konflikt- und Hochrisikoregionen in die Europäische Union umfassende Sorgfaltspflichten in der Lieferkette eingehalten werden. Ob diese tatsächlich vollumfänglich erfüllt werden, soll in Deutschland die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) überprüfen. Das entschied das Bundeswirtschaftsministerium. Grundlage dafür ist eine EUVerordnung, die im Juni in Kraft trat und ab 2021 verbindlich ist. Dann gelten die besonderen

Sorgfaltspflichten für Importe ab einer exakt festgelegten Mengenschwelle. Damit würden mindestens 95 Prozent aller Einfuhren dieser Rohstoffe in die EU erfasst, hieß es. Mithilfe der Verordnung soll insbesondere die Finanzierung bewaffneter Auseinandersetzungen durch Erlöse aus dem Verkauf dieser Minerale eingedämmt werden. Die ersten Importeurskontrollen wird die BGR 2022 durchführen. Bis dahin erarbeitet sie – in Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium – die exakten Verfahrensschritte zur Unternehmensprüfung.

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Länder

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Behörden Spiegel / Januar 2018

Aussitzen ist das neue Motto

Verkürzte Ausbildung für Ex-Soldaten

Zahlreiche Skandale ohne Konsequenzen für Politiker

Pilotprojekt bei Hamburger Polizei gestartet

(BS/Marco Feldmann) 42 Insassen der Berliner Justizvollzugsanstalt Plötzensee wollten im letzten Jahr nicht länger sitzen bleiben, obwohl sie teilweise kurz vor der Entlassung standen. Nur einer will nicht seinen Hut nehmen: Justizsenator Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen). Und mit dem Kleben an seinem Stuhl könnte er sogar Erfolg haben. Schließlich zeigt ein Blick in die Vergangenheit frei nach dem militärischen Sprichwort “Melden macht frei” oft genug: “Politik macht auch frei”.

(BS/Marco Feldmann) In Hamburg haben im Rahmen eines Pilotversuchs elf ehemalige Zeitsoldaten ihre Ausbildung bei der Landespolizei begonnen. Diese dauert statt 30 Monaten nur eineinhalb Jahre. Begründet wird diese Verkürzung mit ihren Vorerfahrungen, etwa im Umgang mit Waffen oder dem Tragen von schwerer Körperschutzausrüstung.

Nur wenige Verantwortliche mussten tatsächliche politische Konsequenzen übernehmen. Selten traten Politiker hierzulande nach Unglücken, Fehlplanungen oder Bauverzögerungen zurück oder wurden von den Bürgern abgewählt. Auch strafrechtliche Verurteilungen sind selten. Ein beredtes Beispiel für die Gültigkeit dieses Musters ist die juristische Aufarbeitung des Einsturzes des Kölner Stadtarchivs im März 2009. Obschon es bereits in den Jahren 2007 und 2008 zu Zwischenfällen auf der unter dem Stadtarchiv befindlichen U-Bahn-Baustelle kam, unter anderem gab es einen Wasserrohrbruch und kleine Risse in Wänden, geschah nichts.

Lokalpolitik blieb zu lange untätig Diese Untätigkeit der Politik hielt selbst dann noch an, als ein Gutachter aufgrund der Risse und Absenkungen des Stadtarchivgebäudes weitere Untersuchungen empfahl. Nach dem Unglück mit zwei Toten kam dann sogar heraus, dass in der Baustelle aufgrund mangelhafter Kontrollen durch die Behörden mehr Grundwasser abgepumpt wurde als ursprünglich genehmigt, Messprotokolle gefälscht und illegale Brunnen in der Baugrube errichtet wurden. Dennoch wurde bis heute niemand wegen dieser Missstände strafrechtlich belangt, obwohl die Staatsanwaltschaft gegen rund 90 Beschuldigte Ermittlungsverfahren einleitete. Besonders brisant: Urteile müssten bis zum Frühjahr kommenden Jahres gefällt werden. Anderenfalls verjähren die Vorwürfe. Nur der damalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) entschied nach dem Unglück, nicht für eine weitere Amtsperiode zu kandidieren. Etwas weiter fortgeschritten ist die juristische Aufarbeitung des Duisburger Love-Parade-Unglücks im Jahre 2010. Bei einer Massenpanik kamen damals 21 Menschen ums Leben, 514 wurden verletzt. Hier läuft seit Ende vergangenen Jahres die Haupt-

Oftmals kleben Politiker an ihren Stühlen und weigern sich, aus Skandalen persönliche Konsequenzen zu ziehen. Sie sitzen sie eher aus. Foto: BS/Claudia Hautumm, pixelio.de

verhandlung vor dem Landgericht Duisburg. Angeklagt sind Mitarbeiter der Stadtverwaltung, des Veranstalters und Polizeibeamte. Zur Wahrheit gehört hier aber auch, dass die Hauptverhandlung aufgrund eines als nicht hinreichend eingestuften Tatverdachts zunächst überhaupt nicht eröffnet werden sollte. Erst ein Beschluss des Düsseldorfer Oberlandesgerichts änderte das. Auf politischer Ebene bat der damalige Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) zwar um Entschuldigung, räumte selbst jedoch kein Fehlverhalten ein. Gleichwohl gab es für ihn – anders als in mehreren anderen Fällen – unmittelbare Konsequenzen. Er wurde per Bürgerentscheid im Februar 2012 abgewählt.

Oft “goldener Handschlag” In der Privatwirtschaft sieht es in vielen Fällen nicht besser aus. Zwar müssen auch hier immer wieder Vorstandsmitglieder und -chefs ihren Hut nehmen, in aller Regel erhalten sie aber den wohlbekannten “goldenen Handschlag”. Tatsächliche Folgen bekommen hingegen – gemäß dem Motto “Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen” –, wenn überhaupt, nur mittlere Führungskräfte zu spüren. Das war zuletzt geradezu prototypisch an der juristischen Aufarbeitung des VWDieselskandals in den USA zu erkennen. Wiederum ein Beispiel für das Motto “Politik macht frei” ist die Causa Flughafen Berlin-

Brandenburg (BER). Dessen Baukosten sollten ursprünglich eine Milliarde Euro betragen. Kürzlich prognostiziert wurden sechs Milliarden. Und noch immer hebt vom neuen Teil des Flughafens keine Maschin ab, obwohl der Flugbetrieb eigentlich bereits im Juni 2012 starten sollte.

Quo vadis Politiker-Rücktritte? Bisher mussten nur mehrere Chefs der Flughafengesellschaft ihren Hut nehmen. Und: Ein ehemaliger Bereichsleiter des Unternehmens wurde wegen Bestechlichkeit zu 42 Monaten Haft verurteilt. Darüber hinaus laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den ehemaligen Technikchef des Flughafens. Rücktritte im politischen Raum gab es deshalb aber nicht. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wollte sich sogar vor der Verantwortung drücken und spielte zeitweise mit dem Gedanken, den BERAufsichtsrat zu verlassen. Auch bei anderen Verzögerungen und Kostensteigerungen, etwa dem Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs von einem Kopfzu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof oder im Falle der Hamburger Elbphilharmonie, hatte ihr Handeln für die politisch Verantwortlichen keinerlei negative Folgen für ihre Karrieren. Auch Berlins Justizsenator Dirk Behrendt lehnt nach den Vorkommnissen in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee einen Rücktritt weiterhin kategorisch ab.

Eingestellt wurden die sieben Männer und vier Frauen – es gab insgesamt 93 Bewerbungen – als Polizeimeisteranwärter. Laufen soll das Projekt zunächst bis 2021, danach ist eine Evaluation vorgesehen. Voraussetzung für die Teilnahme an dem Pilotprojekt ist eine mindestens fünfjährige Dienstzeit bei der Bundeswehr. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Brandenburg. Dort fokussiert man sich jedoch ausschließlich auf ehemalige Feldjäger.

Nicht der Weisheit letzter Schluss Bei den Polizeigewerkschaften der Hansestadt fallen die ersten Reaktionen auf die Neueinstellungen verhalten positiv aus. So sagte etwa der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders: “Das ist grundsätzlich ein guter Ansatz, auch wenn die Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden.” Schließlich seien ur-

sprünglich 25 Neueinstellungen im Zuge des Pilotprojektes vorgesehen gewesen. Zugleich machte er aber auch klar: “Das ist nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein.” Angesichts von rund 10.000 Beschäftigten bei der Hamburger Polizei würden diese Neueinstellungen die massiven Personalprobleme der Behörde nicht lösen, so Lenders.

Reduzierung in mehreren Bereichen Gerhard Kirsch, Vorsitzender des Hamburger Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte: “Das Projekt zur Einstellung von Soldatinnen und Soldaten sollte fortgeführt werden. Es müssen weitere qualifizierte Soldatinnen und Solden für den Polizeidienst gewonnen werden. Wir werden sehen, ob das auch in größerer Anzahl gelingen wird.” Zentrale Forderung bleibe aber die Einführung der zweigeteilten Laufbahn in Hamburg, um mit anderen

Bundesländern und der freien Wirtschaft konkurrenzfähig zu bleiben. Reduziert wird bei der verkürzten Ausbildung im Norden übrigens sowohl der Umfang polizeifachlicher Inhalte als auch jener der allgemeinbildenden Fächer. So wurden etwa die Unterrichte in den Fächern Deutsch sowie Politik/Staatsrecht gestrichen. Hier werde die erforderliche Vorbildung durch einen Test auf dem Niveau der Laufbahnprüfung nachgewiesen, hieß es vonseiten der Hamburger Polizei. Zudem werde der Englischunterricht – mit einem verkürzten Zeitansatz – in Form eines Seminars abgehalten. Des Weiteren sei das Fach Polizeitraining um ein Viertel gekürzt worden. Minimale Streichungen habe es außerdem in den Bereichen Rechtskunde, Polizeiberufskunde und -dienstlehre sowie Kriminalistik gegeben. Auch Seminare und das Praktikum wurden gekürzt.

GdP gerät mit Verdi und DGB aneinander Bayerischer Landesverband denkt über Austritt aus Dachverband nach (BS/mfe) Die Mitglieder des bayerischen Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind sauer auf den Dachverband ihrer Interessenvertretung, den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Grund dafür ist die Vermietung des DGB-Hauses in München an die Veranstalter eines antifaschistischen Kongresses (Antifa). Der GdP-Landesvorstand im Freistaat überlegt nun, auf dem Bundeskongress im November einen Antrag zum Austritt aus dem DGB zu stellen. Das bestätigte Peter Schall, Chef der bayerischen GdP. Zunächst seien jedoch die übrigen DGBGewerkschaften im Freistaat zu Stellungnahmen aufgefordert worden. Diese sollen Ende Januar im Rahmen einer Sitzung des Geschäftsführenden GdPLandesvorstandes erörtert werden. Im Februar tagt dann der bayerische GdP-Landesvorstand. In dieser Sitzung könnte möglicherweise über einen entsprechenden Antrag auf dem GdPBundeskongress entschieden werden. Der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow hatte bereits kurz nach dem Streit um die Vermietung des DGBHauses in der bayerischen Landeshauptstadt, die auch vom nordrhein-westfälischen Lan-

desverband der GdP kritisiert wurde, im DGB-Bundesvorstand interveniert. Vom DGBVorsitzenden Reiner Hoffmann hieß es: “Die Gewerkschaft der Polizei ist ein wichtiges Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Wir wissen um die kritische Diskussion und sind in konstruktiven Gesprächen.”

Verdi mit heftiger Kritik an Polizei Auch Mitglieder der Bonner Verdi-Jugend gerieten in die Schlagzeilen. Mehrere von ihnen wurden im Rahmen der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg in Gewahrsam genommen, drei kamen sogar zeitweise in Untersuchungshaft. Anschließend distanzierte sich der Verdi-Bezirksvorstand Nordrhein-Westfalen-Süd von gewalttätigen Protestformen. Denn: Diese wirkten lächerlich und seien sinnlos. Zudem erlaubten sie den Einsatz von

Gewalt seitens der Polizei. Wörtlich heißt es: “Sie erlauben die Instrumentalisierung der Gewalt durch die bekämpften herrschenden Interessen.” Außerdem wird kritisiert: “Polizei, Politik und dem überwiegenden Teil der Medien geht es gerade darum, den politischen Charakter der Demonstration in Abrede zu stellen und von den Zielen abzulenken.” Des Weiteren ist in dem Dokument von Polizeiwillkür die Rede. Die Bonner GdP stellte vorerst die Zusammenarbeit mit Verdi ein Schall sagt in diesem Zusammenhang: “Gewalt kann niemals Lösung eines gesellschaftlichen Problems sein. Das Grundgesetz stellt ganz klar zur Versammlungsfreiheit fest: Die Versammlungsfreiheit gilt für jedermann, der friedlich und ohne Waffen demonstrieren will. Teile der Verdi- und DGB-Jugend wollen das anscheinend nicht akzeptieren.”

Rekord in Berlin Mehr als zwei Milliarden Euro Finanzierungsüberschuss (BS/mfe) Das Land Berlin konnte im vergangenen Jahr das beste Haushaltsresultat seiner Geschichte erzielen. Den vorläufigen Zahlen des Jahresabschlusses 2017 zufolge betrug der rechnerische Finanzierungsüberschuss 2,16 Milliarden Euro. Dieser kam unter anderem aufgrund der guten konjunkturellen Lage zustande. Sie führte zu Steuermehreinnahmen von über einer Milliarde Euro. Auch bei den übrigen Einnahmen wurde ein höheres Volumen erreicht als geplant. Die Höhe der bereinigten Einnahmen betrug im abgelaufenen Jahr 27,698 Milliarden. Das waren 1,244 Milliarden Euro mehr als prognostiziert. Berlins Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) sagte zu den Resultaten: “Der rechnerische Finanzierungsüberschuss von 2,16 Milliarden Euro eröffnet Berlin erneut großen Spielraum für Investitionen in die wachsende Stadt.” Gleichzeitig könne ein wesentlicher Beitrag zur Schuldentilgung

geleistet werden. Dadurch sei es auch möglich, nachhaltig die Zinslasten der Zukunft zu reduzieren. Der Landesverband des DBB Beamtenbund und Tarifunion verlangte angesichts des Rekordüberschusses Nachbesserungen bei der Besoldung der Beamten. Sein Vorsitzender, Frank Becker, betonte: “Die Beamtinnen und Beamten haben jahrelang zur Konsolidierung des Haushaltes des Landes Berlin durch massiven Gehaltsverzicht beigetragen. Bei einem Rekordüberschuss von 2,1 Milliarden Euro in der Landeskasse muss hiermit endlich Schluss sein.”

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Finanzen

Behörden Spiegel / Januar 2018

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Bremens Aktiva und Passiva

Grün-gelbes Licht für Hamburg

Finanzressort veröffentlicht Geschäftsbericht 2016

Monitoring Schuldenbremse 2017

(BS/Olaf Diezelmüller*) Das Bremer Finanzressort hat den Geschäftsbericht und die Haushaltsrechnungen des Landes und der Stadtgemeinde Bremen 2016 vorgelegt. Der Bericht gibt einen Überblick über das bremische Vermögen, die Verbindlichkeiten sowie den Ressourcenverbrauch. Ergänzend liefert der doppische Jahresabschluss eine betriebswirtschaftliche Betrachtung der Lage Bremens.

(BS/kh) Der Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg hat der Bürgerschaft sowie dem Senat den Bericht “Monitoring Schuldenbremse 2017” inklusive seiner Beratenden Äußerung vorgelegt. Darin wird untersucht, ob der Haushalt der Stadt auf dem Weg ist, die Schuldenbremse einzuhalten. Anhand eines Ampelsystems von zwölf Indikatoren werden die Ergebnisse dargestellt. Das Urteil fällt ambivalent aus.

Das Verwaltungsergebnis, das die rechnerischen Auswirkungen des Verwaltungshandelns aus den Kernaufgaben auf den doppischen Jahresabschluss ermittelt, belief sich im Geschäftsjahr 2016 auf rund minus 381,44 Mio. Euro und verbesserte sich im Vorjahresvergleich um 987,53 Millionen Euro. Hauptursachen waren bessere Erträge und sinkende Aufwendungen. Beim Jahresfehlbetrag 2016 gibt es ebenfalls eine positive Entwicklung: 2016 ergab sich ein Jahresfehlbetrag von 1,48 Mrd.Euro, der sich im Vergleich zum Vorjahr um 430,81 Mio. Euro verbesserte. Die Bremer Entwicklung ähnelt der in Hamburg und Hessen, die ebenfalls einen doppischen Jahresabschluss erstellen. Alle drei Länder haben einen negativen Jahresfehlbetrag, der im Vorjahr aber deutlich höher ausfiel. Bremen hat nicht nur Schulden, sondern auch Vermögen, das zeigt der doppische Jahresabschluss. Das Vermögen lag Ende 2016 bei fast zwölf Milliarden Euro. Der Großteil ist mit rund 7,5 Mrd. Euro im Anlagevermögen langfristig gebunden. Hierin werden unter anderem die bremischen Sondervermögen, Eigenbetriebe und Gesellschaften, die aus dem sogenannten Kernhaushalt ausgegliedert wurden, erfasst. Mit über 5,5 Mrd. Euro stellen diese Beteiligungen das Tafelsilber Bremens dar, da sie teilweise auch Erträge erwirtschaften. Das Umlaufvermögen beträgt knapp 4,4 Mrd. Euro. Darunter fallen kurzfristige Vermögenspositionen, wie beispielsweise Forderungen gegenüber dem Bund aus Steuern, gegenüber verbundenen Unter-

nehmen, aber auch gegenüber Bürgern. Am Bilanzstichtag waren Forderungen in Höhe von rund 1,9 Mrd. Euro noch nicht beglichen. Das bremische Geldvermögen ist ein weiterer Bestandteil des Umlaufvermögens. Die Kassen- und Bankenguthaben beliefen sich auf 2,5 Mrd. Euro zum Bilanzstichtag. Die Verluste der Vergangenheit haben dazu geführt, dass das bremische Eigenkapital mehr als aufgebraucht wurde. Deshalb wurde ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag, der mittlerweile auf über 21 Mrd. Euro angestiegen ist, ausgewiesen. Die Verpflichtungen des Landes und der Stadtgemeinde Bremen ergeben sich aus Rückstellungen und Schulden. Die Rückstellungen bestehen größtenteils aus Pensionsrückstellungen für zukünftige Pensionslasten. Mit einer Höhe von rund zehn Milliarden Euro stellen sie die derzeitigen Ansprüche der Bremer Beschäftigten dar, für die in Zukunft eine Pension bezahlt werden muss. Darüber hinaus werden die bremischen Schulden als Verbindlichkeiten mit rund 22,6 Mrd.Euro aufgeführt. Kameralistik und Doppik ergänzen sich und erlauben ein umfassendes Bild der tatsächlichen Lage. Beispielsweise tauchten im kameralen Haushalt die Pensionsrückstellungen nicht auf. Die zukünftigen Pensionslasten müssen aber schon heute im Blick behalten und den Rechnungsperioden zugordnet werden, in denen sie entstehen. Allerdings zeichnet diese Vermögensrechnung für den NichtHaushälter ein nicht immer leicht verständliches Bild. Das

liegt an der ungleichen Behandlung von Vermögen und Schulden: Vermögen wird höchstens mit seinen Anschaffungskosten bewertet – ein Grundsatz, der sich aus dem Handelsrecht ableitet. Ein Gebäude wie das Rathaus, das theoretisch für viel Geld verkauft werden könnte, ist über 600 Jahre abgeschrieben worden und damit aus kameraler Sicht nicht mehr wert als einen Euro. Es hat nur noch einen “Erinnerungswert”, damit es nicht ganz aus der Buchführung fällt. Nicht beziffert wird im Rechnungswesen Bremens die sogenannte stille Reserve, also der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und tatsächlich erzielbarem Verkaufserlös. Um diesen zu ermitteln, müsste man ein Gutachten anfertigen lassen. Kurz: Bremen hat sicherlich höhere erzielbare Vermögenswerte als die in der Bilanz ausgewiesen Buchwerte. Diese Art der unterschiedlichen Bewertung ist üblich. Die Beurteilung der Lage des Landes und der Stadtgemeinde Bremen führt aus doppischer Sicht zu schlechteren Ergebnissen als aus kameraler Sicht. Es wird jedoch ein Blick auf die Vermögens- und Schuldenpositionen möglich und der Zusammenhang zwischen Mittelverwendung und Mittelherkunft verdeutlicht. Politische Entscheidungen können durch Informationen unterstützt werden und es wird sichtbar, ob durch das Verwaltungshandeln zusätzliches Vermögen geschaffen oder aufgezehrt wird. *Olaf Diezelmüller ist zuständig für die kaufmännische doppelte Buchführung im Bremer Finanzressort.

Zum vierten Mal in Folge hat der Landesrechnungshof anhand eines Ampelsystems geprüft, ob der Haushalt der Stadt Hamburg und damit die Finanzstrategie des Senats auf eine Einhaltung des ab 2020 verbindlich geltenden Neuverschuldungsverbots hinarbeitet. Die Untersuchung zeigt, dass sich die Haushaltssituation in keinem Bereich der zwölf untersuchten Indikatoren verschlechtert hat. Sieben Ampeln stehen auf Grün, fünf auf Gelb. Allerdings hat sich die Lage auch lediglich in einem der Felder seit 2015 gebessert, bei der strukturellen Verschuldung durch Kassenverstärkungskredite. Der Kernhaushalt weist demnach eine gute finanzielle Lage auf, womit die Einhaltung der Schuldenbremse bis 2020 sichergestellt sei. “Statt der geplanten Neuverschuldung gibt es im Kernhaushalt Finanzierungsüberschüsse von rund 600 Mio. Euro”, heißt es dort. Zwar seien die Steuereinnahmen aufgrund der guten Wirtschaftslage kontinuierlich hoch, allerdings erhöhten sie lediglich die Konjunkturrücklage und müssten deshalb per Gesetz zurückgelegt werden. Nach Gegenrechnen der Neuverschuldung der Sondervermögen blieben von den fast 600 Millionen Euro Überschuss für 2016 bloß 139 Mio. Euro.

Neuverschuldung trotz “gutem” Kernhaushalt Außerhalb des Kernhaushalts wachsen die finanziellen Zukunftslasten Hamburgs. Zunehmend werden Investitionen und Kreditaufnahmen in Gesellschaften verlagert, die dem Haushalt ausgelagert sind. Durch das sogenannte MieterVermieter-Modell beispielsweise

Nach Ansicht des Rechnungshofs hat Hamburg noch zu tun, damit es zu einer langfristigen Grün-Phase kommt. Foto: BS/Martin Abegglen, CC BY-SA 2.0, flickr.com

sind für 2017 gegenwärtig rund 100 Mio. Euro an neuen Schulden geplant, zwischen 2015 und 2017 bedeutet das eine Neuverschuldung von ca. 340 Mio. Euro. “Wird die gesamte Sphäre des “Konzerns Hamburg” betrachtet, steigen die Schulden sogar um Milliarden”, heißt es in der Beratenden Äußerung des Rechnungshofs. Ursache hierfür seien vor allem die Zahlungen im Zusammenhang mit der HSH-Nordbank, für die Hamburg und Schleswig-Holstein zulasten der Länderhaushalte gebürgt haben. Aber auch durch Aktivitäten anderer städtischer Unternehmen seien die Schulden von 2015 auf 2016 um über eine Mrd. Euro gestiegen. Der Rechnungshof legt der Stadt nahe, trotz der guten Lage im Kernhaushalt finanziell weiterhin Maß zu halten, um die Schuldenbremse einhalten zu können. Denn günstige Rahmenbedingungen wie niedrige Zinsen müssten keinen Dauerzustand darstellen und ausgelagerte Verschuldungen würden “typischerweise erst mit Zeitverzögerung und in vergleichsweise kleinen “Raten” im Haushalt

MELDUNG

MELDUNG

Kritik an Zahlungsmoral der öffentlichen Hand

Digitaler Haushalt auf Digitaler Staat

(BS/lkm) Eine aktuelle Umfrage zur Zahlungsmoral des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) zeigt, dass es scheinbar nicht gut um die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand bestellt ist: “Trotz sprudelnder Steuereinnahmen lassen sich Behörden mancherorts besonders lange Zeit, fällige Forderungen zu bedienen. Unter anderem Handwerker und an-

dere Dienstleister haben dann oft das Nachsehen”, kritisiert Kirsten Pedd, Präsidentin des BDIU. Damit entwickle sich die Rechnungstreue von Behörden völlig konträr zur allgemeinen Zahlungsmoral. In der Umfrage unter den Inkassounternehmen des BDIU meldeten 88 Prozent der Teilnehmer, dass insbesondere Städte und Gemeinden ihre Rechnungen genauso lax

bezahlen wie noch zu Beginn des Jahres. Jeder Zehnte beobachtet sogar eine weitere Verschlechterung der behördlichen Rechnungstreue. Gleichzeitig berichten 89 Prozent der Inkassounternehmen, dass sich die allgemeine Zahlungsmoral von Wirtschaft und Verbrauchern seit Jahresbeginn auf hohem Niveau stabilisiert oder sogar noch weiter verbessert hat.

(BS/gg) Digitale Werkzeuge können im öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesen mehr Transparenz schaffen und durch bessere Planungs- und Steuerungsmöglichkeiten eine effizientere und effektivere Ressourcennutzung gewährleisten. Hierdurch kann ein wichtiger Beitrag zur Leistungsfähigkeit und zur Akzeptanz staatlichen Handelns geleistet werden. Nicht

Steuerverwaltung im digitalen Zeitalter Strukturierung – Automatisierung – Veränderungsbereitschaft (BS/gg) Welche Chancen bringt die Digitalisierung der Steuerverwaltung mit sich und wie sind die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern? Dieser Fragestellung ging eine Veranstaltung in der Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union in Brüssel nach. Für Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer ist eine erfolgreiche Digitalisierung zunächst nicht nur von der technischen Umsetzung, sondern insbesondere davon abhängig, ob es gelingt, ein positives Veränderungsmanagement in den Köpfen zu organisieren.

Datenmengen strukturieren Mit Blick auf die technische Umsetzung müsse es gelingen, die hochkomplizierten steuerrechtlichen Sachverhalte international zu sortieren, um gleichzeitig die daraus entstehenden riesigen Datenmengen einer strukturierten Verarbeitung zuzuführen. Das werde man in Zukunft nicht mit einer wesentlich größeren Zahl an Menschen bewältigen müssen, denn man

werde auch im Wettbewerb um die Fachkräfte vor großen Herausforderungen stehen. Daher werde man mit einer anderen Priorisierung der Arbeit umgehen müssen.

Klassische Alltagsverfahren automatisieren “Wir müssen zukünftig die technischen Möglichkeiten nutzen, um die klassischen Alltagsverfahren möglichst automatisiert abzuarbeiten. Diese millionenfach gleichförmigen Verfahren müssen wir soweit automatisieren, dass im Idealfall der zuständige Finanzbeamte das Verfahren gar nicht mehr zu Gesicht bekommt, sondern diese automatisiert durchlaufen, wenn sie bestimmten Regeln entsprechen” erklärte Schäfer.

Das bedeute eine gewaltige Umstellung für die Mitarbeiter, aber die großen Herausforderungen seien nur in den Griff zu bekommen, wenn genau dies gelinge.

Auch beratende Berufe von Digitalisierung betroffen Dies gelte jedoch nicht nur für die Steuerverwaltung, sondern auch für die beratenden Berufe (Steuerberater), die sich mit gleichen Herausforderungen konfrontiert sähen, wenn zukünftig ihr derzeitiges “Brot-und-Butter-Geschäft” der einfachen Arbeitnehmer-Steuerveranlagung vollständig in digitale Prozesse Hessens Finanzminister Dr. Thomas überführt sein werde. Schäfer sieht in der Digitalisierung große Chancen für die SteuerverwalMehr zu dieser Veranstaltung in tung. Um diese zu nutzen, brauche es der Februar-Ausgabe des Behör- jedoch ein positives Veränderungsmanagement. den Spiegel. Foto:BS/HMdF

zuletzt aus diesem Grunde wird es im Rahmen des Kongresses “Digitaler Staat”, den der Behörden Spiegel am 20. und 21. März 2018 in Berlin veranstaltet, am zweiten Veranstaltungstag auch ein eigenes Fachforenprogramm zum Thema “Digitaler Haushalt”

sichtbar”. Des Weiteren fehle ein Konzept zur dauerhaften Finanzierung des Personalbestands. “Der Senat muss dafür sorgen, dass seine Personalplanung nicht aus dem Ruder läuft”, mahnt der Präsident des Rechnungshofs, Dr. Stefan Schulz.

System hat sich bewährt Die oberste Kontrollinstanz der öffentlichen Finanzen überprüfte insgesamt zwölf Kriterien und bewertete sie anschließend nach einem Ampelsystem. Dadurch ist eine übersichtliche Darstellung der Ergebnisse gewährleistet sowie die Möglichkeit, schnell Vergleiche zu den Vorjahren zu ziehen. Ein solches Ampelsystem habe sich im Prinzip bewährt und solle so weiterverwendet werden, da auf diese Weise “alle wichtigen Effekte abgegriffen werden”, so der Direktor bei dem Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg, Philipp Häfner. Die Kriterien beziehungsweise das gesamte Ampelsystem seien aber weiterhin zu evaluieren und nochmals zu prüfen, wenn die Schuldenbremse wirkt. “Im Moment befinden wir uns noch in der Einflugschneise”, so Häfner.

geben. Zu den Themen Haushalt 4.0, Modernisierung der HKRVerfahren und EPSAS werden dabei zahlreiche Experten ihre Erkenntnisse und Positionen in die Diskussionen einbringen. Weitere Informationen unter www.digitaler-staat.org

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Beschaffung / Vergaberecht

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Behörden Spiegel / Januar 2018

Ab Oktober 2018 von A-Z elektronisch

Alternative zum Online Dienst

E-Vergabe ohne elektronische Signaturen möglich

Integration der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung in den Vergabeprozess

(BS/Brigitta Trutzel) Die Zukunft ist papierlos und heißt E-Vergabe. Statt seitenweise Unterlagen zu blättern, sollen die Städte und Gemeinden bei der Auftragsvergabe mit Bits und Bytes arbeiten. Brüssel beabsichtigt, die Arbeitsprozesse weiter zu digitalisieren und hat für EU-weite Vergabeverfahren eine Frist in rasch heranziehender Zukunft gesetzt. Für viele Verwaltungen in Deutschland liegt dieser Zeitpunkt allerdings immer noch weit weg.

(BS/Joachim Klühspies*) Eines der wesentlichen Ziele der EU-Vergaberichtlinien von 2014 und damit auch der Vergaberechtsreform in Deutschland ist die Senkung des Verwaltungsaufwands in einem Vergabeverfahren für Auftraggeber einerseits und Bieter andererseits. Die Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) soll dabei ein wichtiger Teil dieser Zielerreichung werden.

Seit diesem Jahr registriert die Auftragsberatungsstelle Hessen e. V. jedoch bei ihren Schulungsseminaren eine steigende Nachfrage. Kommunen qualifizieren ihr Personal und schaffen sich den für die Durchführung einer elektronischen Vergabe notwendigen Zugang zu einer E-Vergabe-Software an. Das komplette Dienstleistungspaket zum Thema E-Vergabe bietet auch die Auftragsberatungsstelle Hessen e. V. mit der eHAD an, die sich als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Verwaltung versteht. Dort unterstützen IT-Spezialisten die kommunalen Partner bei der Umstellung und Durchführung.

Zeit-, Geld- und Papierersparnis Die positiven Aspekte der Digitalisierung sind schnell erläutert: Vergabestellen sparen Papier, Zeit und Geld. Ausschreibungsprozesse laufen insgesamt schneller, weil das Verfahren standardisiert und rechtssicherer über die Software abgebildet werden kann. Beispielsweise können Angebotsdaten automatisch berechnet werden. Der Auftraggeber kann sich durch das Verfahren führen lassen oder mit weniger Unterstützung einen kleineren Auftrag vergeben. Bieter können elektronische Angebote bis zur letzten Minute der laufenden Angebotsfrist abgeben und das Versendungsrisiko minimieren. Unterschriftspflichten entfallen im Rahmen der E-Vergabe grundsätzlich.

Ober- und unterschwellig Metropolen wie Frankfurt am Main zeigen sich gern als moderne Verwaltungen, die die EVergabe längst in ihre Prozesse

teil: Neben dem – vielen schon bekannten – Tool des Vergabemanagementssystems Brigitta Trutzel ist Syndikusanwältin und Geschäfts(VMS), welches führerin der Auftragsberaden Anwender tungsstelle Hessen e. V. durch einen umfassenden Foto. BS/absthessen Support bei der Durchführung eines Verfahintegriert haben. Doch auch rens unterstützt, besteht auch kleine Kommunen oder Eigen- die Möglichkeit, einen sogebetriebe haben sich mit ihren nannten Kurzworkflow (KWF) Bietern schon vor Jahren in im System zu nutzen. Auch der Pionierarbeit erfolgreich auf E- KWF bietet alle VoraussetzunVergabe eingelassen. Der Um- gen, um ein Vergabeverfahren stellungsprozess wird auch im von A-Z elektronisch abzubilUnterschwellenbereich durch den. Im Unterschied zum VMS entsprechende Regelungen reduziert sich der KWF aber auf unterstützt: In Hessen dürfen die Darstellung der je nach VerAuftraggeber auf elektronische fahrensart notwendigen VerSignaturen auch bei kleine- fahrensschritte. Eine umfassende Anleitung ren Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte verzichten (vgl. und schrittweise Begleitung Vergabeerlass Ziff. 1.7, Text- wie im VMS wird nicht geboten form nach § 126b BGB). Die und kann daher zusätzlich Zeit per Gesetz vorgegebenen Sicher- sparen. Vorteil der Anwender heits- und Verschlüsselungs- der eHAD ist, dass sie je nach techniken werden durch die Belieben zwischen der AnwenVerwendung einer E-Vergabe- dung des VMS und des KWF Software vollumfänglich erfüllt. wechseln können. Aufgrund Auf eine klassische Namensun- dieser Flexibilität, aber auch terzeichnung in Form von elekt- der Möglichkeit, eine Abrechronischen Signaturen kann ver- nung nach Nutzeranzahl oder zichtet werden, da der Absender durchgeführten Verfahren zu der Willenserklärung definiert wählen, bietet die Auftragsbeund seine Erklärung geschützt ratungsstelle Hessen e. V. unist. Damit gilt auch eine den terschiedliche Kostenmodelle Unterlagen beigefügte Eigener- an, die auf den jeweiligen Bedarf klärung (z. B. “Eigenerklärung des Auftraggebers abgestimmt zu Tariftreue-/Mindestlohn”) werden. Über eine Testplattform könals unterzeichnet. Elektronische Signaturen sind zukünftig nen Interessierte die Software daher die Ausnahme und von vorab ausprobieren. Die AufVergabestellen nur noch in Aus- tragsberatungsstelle e. V. bietet den Auftraggebern zudem an, nahmefällen zu verlangen. auch die Bieterseite zu schulen, Mehr Flexibilität um die eHAD und das sogeDer Vergabemanager der eHAD nannte “Bietercockpit” kennenbietet einen weiteren großen Vor- zulernen.

Auf die Vertragsgestaltung kommt es an Beim Auftakt der Behörden Spiegel-Seminarreihe am 1. Dezember im Düsseldorfer Bü-

bemanager integriert. Bei Verfahren oberhalb der Schwelle wird – auf Wunsch des Sachbearbeiters – automatisch eine Vorlage für eine elektronische Einheitliche Europäische Eigenerklärung (eEEE) den Vergabeunterlagen beigefügt. Diese Vorlage wird innerhalb des Verfahrens nach dem Zusammenstellen des Kriterienkataloges für die Eignungsprüfung generiert. Alternativ kann an dieser Stelle auch eine bereits bestehende eEEE-Anfrage importiert werden (siehe Abbildung). Eine weitere Bearbeitung danach ist möglich. Auf diese Weise können nicht nur bereits zusammengestellte eEEE-Anfragen wiederverwendet, sondern es können auch eEEE-Anfragen aus Vorsystemen übernommen werden, wenn z. B. die gesamte Leistungsbeschreibung einer Vergabe in einem Fremdsystem vorgenommen wurde. Bieter haben die Möglichkeit, diese Vorlage zur eEEE mit einer früher ausgefüllten Antwort zu verbinden, um bereits beantwortete Fragen nicht er-

Die EEE ist als elektronischer Fragebogen in das Verfahren integriert.

Top-Thema E-Bus-Beschaffung

D

ie Umrüstung auf Elektrofahrzeuge und andere Antriebe ist das größte und faszinierendste Klimaschutzprojekt, das es jemals gab. Vorreiter soll der öffentliche Nahverkehr sein. Elektrobusse können für Bürgermeister und Gemeinderäte aber auch zum Millionengrab werden – Vergabeverfahren und Verträge müssen optimal gestaltet sein, warnt Dr. Ute Jasper vor den Risiken.

Als “Standardformular” dient sie als vorläufiger (Eigen-)Beleg, dass ein Unternehmen grundsätzlich geeignet ist, einen öffentlichen Auftrag auszuführen. Nachweise und Bescheinigungen müssen vom öffentlichen Auftraggeber erst bei Zuschlagserteilung vom Unternehmen angefordert werden – und nur von dem Unternehmen, das den Zuschlag erhalten soll. Dadurch entfällt auf Bieterseite die Notwendigkeit, Bescheinigungen oder Nachweise bereits den Teilnahmeanträgen und Angeboten beizufügen. Die Europäische Kommission stellt für die EEE zurzeit einen kostenlosen Online-Dienst für Auftraggeber und Auftragnehmer, die eine EEE elektronisch ausfüllen möchten, zur Verfügung. Das Online-Formular kann ausgefüllt, exportiert, gespeichert und elektronisch übermittelt werden. In einem gemeinsamen Projekt mit der EU hat die Administration Intelligence AG (AI AG), als Alternative zur Nutzung dieses Online-Dienstes, die EEE in ihre Vergabelösung” AI Verga-

Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek: Risiko trägt Hersteller, nicht die Kommune (BS/Dr. Laurence Westen) Es wird eines der Top-Themen des Jahres 2018 für Kommunen: die Beschaffung von Fahrzeugen mit innovativem Antrieb. Die Chancen und Risiken neuer Technologien diskutiert der Behörden Spiegel in einer Seminarreihe. Eine gebündelte Vergabe sämtlicher Komponenten ist für Verkehrsgesellschaften die beste Lösung, so Dr. Ute Jasper, Partnerin der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek. ro der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek nannte Jasper den 50 Teilnehmern das Beispiel batteriebetriebener Busse. Liefert der Hersteller nicht nur die Busse, sondern auch die zum Betrieb erforderliche Ladeinfrastruktur, die Energiespeicher und ein Betriebshof-

managementsystem, so “spielt es keine Rolle, wo bei einem Systemversagen der Fehler liegt”. “Neue Technologien sind immer mit Risiken verbunden – die Risiken kann aber nur der Hersteller tragen, nicht die Kommune oder ihre Verkehrsgesellschaft. Das System muss

dauerhaft fehlerfrei funktionieren, die Verantwortung für die Schnittstellen liegt beim Hersteller – wenn Vergabeverfahren und Verträge entsprechend gestaltet sind”, so Dr. Ute Jasper, Leiterin der Praxisgruppe Öffentlicher Sektor und Vergabe der Kanzlei.

Fahrverbote alternativlos Dr. Stefan Behrning von der TÜV Rheinland Inter Traffic GmbH stellte beim Behörden Spiegel-Seminar den aktuellen Stand der technischen Entwicklung bei den Fahrzeugherstellern vor. Oliver Hoch von der Nationalen Organisation Was-

Beschaffung von Fahrzeugen mit innovativen Antrieben

+++ Diesel schmutziger als gedacht +++ Feinstaubbelastung steigt +++ Erste Fahrverbote in deutschen Innenstädten +++

neut beantworten zu müssen. Alle noch fehlenden Antworten können entsprechend nachgetragen werden. Die eEEE des Bieters kann schließlich dem elektronischen Angebot angefügt werden. Im AI Vergabemanager wird diese Antwort automatisch in die Eignungsmatrix eingelesen und die Antworten des Bieters bei den entsprechenden Fragen angezeigt. Aus dieser Integration ergeben sich mehrere Vorteile: ▪ Es erfolgt eine automatische Übernahme der Eignungsfragen in die Vergabeunterlagen. ▪ Ein Import eines Eignungsfragen-Katalogs ist möglich. ▪ Im AI Bietercockpit erfolgt eine Prüfung beim Import der Antworten in das Angebot. ▪ Auf Vergabestellenseite erfolgt eine automatische Übernahme der Antworten in den Kriterienkatalog im AI Vergabemanager. *Joachim Klühspies leitet den Bereich Vertrieb und Marketing der Administration Intelligence AG.

Screenshot: BS/AI AG

serstoff- und Brennstoffzellentechnologie informierte über die öffentlichen Fördermöglichkeiten bei der Fahrzeugbeschaffung. Aus Sicht eines Praktikers berichtete Frank Gäfgen, Geschäftsführer der ESWE Verkehrsgesellschaft mbH, über das Projekt “Emissionsfreier Nahverkehr in Wiesbaden”. Das Vergabeverfahren zur Beschaffung von 221 rein batteriebetriebenen Bussen bis 2022 wird von Dr. Ute Jasper und ihrem Team begleitet. Damit stellt Wiesbaden als erste Stadt in Deutschland komplett auf emissionsfreien Nahverkehr um. Am Ende stand fest: Dieselfahrverbote scheinen unausweichlich. Nach der Rechtsprechung gibt es keine gleich wirksamen Alternativen.

Schnell, flexibel, wirtschaftlich – Praxisseminare zur Ausschreibung von Elektrofahrzeugen: 26. Januar 2018 Stuttgart Fotos:: BS Ar Fo Archi chiv, v Jul ulian ian Ei E nha n us

31. Januar 2018 Frankfurt am Main 07. Februar 2018 München

Mit fachlicher Unterstützung von Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

Dr. Laurence Westen ist Rechtsanwalt in der Praxisgruppe “Öffentlicher Sektor und Vergabe” von Heuking Kühn Lüer Wojtek. Foto: BS/privat

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Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / Januar 2018

Der weite Weg zum Wettbewerbsregister

► Entscheidungen zum Vergaberecht ► AUFHEBUNG

Zweite Chance Kein wertbares Angebot übrig Ein Bieter, dessen Angebot auszuschließen ist, hat in der Regel keine Möglichkeit, die Vergabeentscheidung des Auftraggebers anzugreifen. Mit einer Ausnahme: Er kann darlegen, dass auch alle anderen Angebote nicht gewertet werden können, was besonders einfach ist, wenn nur derer zwei eingegangen sind. So lag der Fall beim Streit um einen Auftrag zur Lüftungstechnik vor der VK Nordbayern. Der Antragsteller bemängelte zunächst den Zuschlag an seinen einzigen Konkurrenten. Er hatte den Verdacht, dass hier unzulässig der Preis nachverhandelt worden sei. Der Auftraggeber kontert: Der Bieter haben keine Antragsbefugnis, denn er habe mit seinem Angebotsbegleitschreiben das Leistungsverzeichnis abgeändert. In der Akteneinsicht fällt nun aber dem Antragsteller auf, dass sein Konkurrent eine von mehreren geforderten Unterschriften vergessen hatte. Die Vergabekammer verfügt den Ausschluss beider Angebote und verhilft dem Antragsteller so zu einer zweiten Chance. Er sei wegen der Fehlerhaftigkeit auch des einzigen anderen Angebotes ausnahmsweise antragsberechtigt. Es sei dabei unerheblich, dass beide Angebote aufgrund ganz unterschiedlicher Fehler auszuschließen seien. Maßgeblich sei allein, dass beide nicht gewertet werden könnten und damit das Vergabeverfahren nicht abgeschlossen werden könne. Insofern war der Antragsteller erfolgreich. Die Kosten muss der Antragsgegner daher allein tragen. VK Nordbayern (Beschl. v. 11.08.2017, Az: 21.VK-319411/17)

► AUFTRAGSART

Zum Schießen Hineinstellen ist kein Bauauftrag Es gibt Entscheidungen, nach denen alles, was zum bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Gebäudes in dieses hineingetragen wird, mit zum Bauauftrag zählt: Sogar die Erstausstattung von Schulbüchern im Schulneubau. Diese weitgehende Auslegung hat die Vergabekammer des Bundes jetzt beschnitten. Streitpunkt war die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, weil der Auftragswert den Schwellenwert eines Bauauftrages nicht erreicht hatte, wohl aber den des Lieferauftrages überschritt. Gegenstand des Auftrages war die Installation einer automatischen Trefferanzeige eines neu errichteten Schulschießstandes. In der Ausschreibung hatte der Auftraggeber einige Bestimmungen ins Leistungsverzeichnis geschrieben, die ihm zum Verhängnis werden sollten. Dort hieß es: Die Datenkabel seien lose auf dem Gelände hinzulegen, Teile der Anlage waren auf Transportwägen zu liefern, von anderen war bestimmt, dass sie bei Nichtgebrauch in Lager getragen werden sollten. Bauliche Veränderungen am Schießstand wurden ausdrücklich untersagt. Die Teile, die fest zu montieren waren, sollten so konstruiert sein, dass sie

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“mit einfachem Werkzeug” auszutauschen seien. Dies alles führte die Vergabekammer zu dem Schluss, es liege ein Lieferauftrag vor, denn die geschuldete Leistung stehe im Sinne von § 103 Abs. 3 GWB weder im Zusammenhang mit Bauleistungen, noch sei sie selbst ein Ergebnis von Tiefoder Hochbauarbeiten. VK Bund (Beschl. v. 31.07.2017, Az.: VK 1-67/17)

► ETYMOLOGIE

WC steht im Weg Was bedeutet “Mehrzweckbereich”? Für die Gestaltung neu zu beschaffender Eisenbahnwaggons für den Regionalverkehr hat der Auftraggeber festgelegt, dass an den Türen ein Mehrzweckbereich u. a. für Fahrräder etc. vorzusehen sei und dass neben dem WC im Wagen eine Mindestgangbreite verbleiben solle. Ein Bieter ordnete das WC so an, dass man von der Tür ums WC herumgehen musste, um an die Fahrradfläche zu kommen. Die strittige Frage im Nachprüfungsverfahren war nun: Ist das WC Bestandteil des Mehrzweckbereiches (dann darf es neben der Tür liegen) oder nicht (dann müsste die Fahrradfläche an der Tür sein). Die Vergabekammer löst das Problem mit einer sprachwissenschaftlichen Analyse des strittigen Begriffes. Das Wort Mehr-Zweck-Bereich bestünde aus drei Teilen, wobei “Mehr” darauf hinweise, dass in diesem Bereich ein Zweck zu erfüllen sei, der über den eigentlichen Beschaffungsgegenstand hinaus gehe. Beschafft werden solle die Leistung, Personen im Nahverkehr nach Fahrplan mit Schienenfahrzeugen zu befördern. Dazu benötigt würde weder ein WC noch ein Fahrradabstellplatz. Das zeige der Vergleich mit SBahn-Zügen. Demnach seien sowohl WC als auch Fahrradplätze Mehr-Zwecke. WC und Fahrradplätze bilden damit einen einheitlichen Bereich, innerhalb dessen der Bieter frei war, wie er beides anordnen will. Dass es schlicht unpraktisch wäre, müsste man das Fahrrad erst ums WC herumbugsieren, sei kein Argument gegen die strittige Raumaufteilung. Dies hätte der Auftraggeber im Leistungsverzeichnis eindeutig ausschließen müssen. VK Baden-Württemberg (Beschl. v. 15.08.2017, Az.: 1 VK 30/17)

► PREISE

Verwirrende Zahlen Nur ein einzelner Einheitspreis erlaubt Für die Vergabe von Sachverständigenleistungen hatte der Auftrageber seinem Leistungsverzeichnis ein Formular beigefügt, in dem die Bieter die geforderten Stundenhonorare für Sachverständige mit unterschiedlichem Ausbildungsstand eintragen sollten. Deswegen fanden sich in den Vergabeunterlagen immer wieder Hinweise auf die “Stundensätze” im Plural. Im Formular war jedoch für jeden Sachverständigentyp genau ein Eintragungsfeld mit der Überschrift “Stundensatz” im Singular vorgesehen. Diese Felder waren so groß dimensioniert, dass dort unschwer auch mehrere

Eintragungen hineingepasst haben. Ein Bieter hat dies ausgenutzt und für den Einsatz gleichqualifizierter Sachverständiger unter verschiedenen Randbedingungen unterschiedliche Sätze eingetragen. Der Auftraggeber schloss ihn aus, weil dadurch unklar war, welchen dieser Stundensätze er der Wertung zugrunde legen kann. Der Bieter berief sich in der Nachprüfung darauf, dass die Verwendung des Plurals in den Unterlagen ihn zu der irrigen Annahme geleitet hätte, dass mehrere Eintragungen möglich seien. Damit blieb er jedoch erfolglos. Wenn für eine Leistung genau ein Formularfeld auszufüllen ist, dann müsse der verständige Bieter davon ausgehen, dass in dieses Feld auch nur genau eine Eintragung erfolgen soll. VK Baden-Württemberg (Beschl. v. 14.07.2017, Az.: 1 VK 20/17)

► AMTSERMITTLUNG

Vergabekammer prüft... ...unabhängig vom Vorbringen der Beteiligten Das Vergabenachprüfungsverfahren ist ein eigenartiges Zwitterwesen. In der ersten Instanz läuft es vor den Vergabekammern. Im GWB werden deren Entscheidungen ausdrücklich als Verwaltungsakte bezeichnet. Für die Anfechtung dieser Verwaltungsakte ist aber nicht etwa das Verwaltungsgericht, sondern das Oberlandesgericht zuständig. Da kann man schon ins Grübeln kommen, welche Prozessordnung denn nun für solche Verfahren wohl gelten könne. Die VK Baden-Württemberg sagt dazu: gar keine. Es gelten nur die speziellen Verfahrensvorschriften des GWB. Analogien mag man vielleicht an der einen oder anderen Stelle zu der ZPO oder dem VwVfG bzw. der VwGO herstellen. Diese dürfen aber den Prinzipien des speziellen GWB-Verfahrens nicht widersprechen. Ein Bieter hatte sich darauf berufen, dass seine Behauptung, der Auftragswert habe den Schwellenwert von Anbeginn her überschritten, vom Auftraggeber unwidersprochen blieb. Eigene Beweise für diese Behauptung konnte er nicht vorbringen. Er stützte sich stattdessen auf die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO. Wenn der Gegner nicht widerspricht, sei sein Vortrag als wahr zu unterstellen. Das macht die Vergabekammer nicht mit. Sie weist auf den Amtsermittlungsgrundsatz des GWB hin. Wenn die Kammer aber unabhängig vom Vorbringen der Parteien auf die Rechtmäßigkeit hinwirken solle, kann sie sich logisch auch nicht auf dasjenige beschränken, was die Parteien vortragen (oder vorzutragen unterlassen). Der Kunstgriff der unwidersprochenen Unterstellung funktioniert also vor der Vergabekammer nicht. VK Baden-Württemberg (Beschl. v. 22.09.2017, Az.: 1 VK 35/17)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

Technische Voraussetzungen sollen 2018 geschaffen werden (BS/ Dr. Oliver Homann*) Seit dem 28. Juli 2017 ist das Wettbewerbsregistergesetz (WRegG, BGBl. I S. 2.739) in Kraft, mit dem nach dem Willen der Politik “effektiv zur Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität beigetragen” werden soll. Der Gesetzgeber entspricht damit einer Empfehlung der OECD sowie der Forderung u. a. von Transparency International. Der öffentliche Auftraggeber wird zukünftig (wahrscheinlich erst ab 2020) verpflichtet sein, ab einem geschätzten Auftragswert von 30.000 Euro beim Wettbewerbsregister (anstatt derzeit beim Gewerbezentralregister) eine Anfrage zu dem Bieter zu stellen, der den Zuschlag erhalten soll. Diese Pflicht gilt bei Sektoren- und Konzessionsvergaben, wenn die Aufträge den EU-Schwellenwert erreichen. Ungeachtet dieser Verpflichtung steht es den Auftraggebern frei, auch unterhalb der Grenze von 30.000 Euro auf das Register zuzugreifen. Das Gleiche gilt für Vergabeverfahren mit Teilnahmewettbewerb. Hier können bereits im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs Auskünfte über sämtliche Bewerber eingeholt werden.

Ausschlussgründe Die künftigen Inhalte des Registers umfassen sämtliche Informationen, die benötigt werden, um einen zwingenden Ausschluss des Bieters nach § 123 Abs. 1 und 4 GWB zu begründen. Hierbei handelt es sich regelmäßig um Straftatbestände, wie die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Betrug und Subventionsbetrug gegen EU-Haushalte, Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr oder gegenüber Mandatsträgern. Aber auch die Hinweise zu fakultativen Ausschlussgründen nach § 124 GWB, bei denen

der Auftraggeber ein Ermessen über den Ausschluss des jeweiligen Angebotes hat, werden im Wettbewerbsregister Aufnahme finden. Dies sind insbesondere Verstöße gegen umwelt-, sozialoder arbeitsrechtliche Verpflichtungen. Das Register speist sich aus den Informationen der Staatsanwaltschaften und den Ordnungswidrigkeitsbehörden, die diese jeweils an das Register weiterleiten und die dort nach einer Prüfung eingestellt werden.

Auskunftsanspruch und Datenlöschung Für Unternehmen besteht ein Auskunftsanspruch, um sich im Hinblick auf das eigene Unternehmen über bestehende Eintragungen zu informieren. Die Daten von Dritten können regelmäßig nicht im Register eingesehen werden. Gegen eine Eintragung in das Register kann das betroffene Unternehmen gerichtlich im Wege der Beschwerde nach Maßgabe der Regeln über sonstige Verfügungen der Kartellbehörden (§§ 63 ff. GWB) vorgehen. Die Eintragungen über Straftaten werden spätestens nach fünf, die über Bußgeldentscheidungen spätestens nach drei Jahren aus dem Register gelöscht. Eine frühere Löschung ist möglich, wenn das betroffene Unternehmen konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergreift, die geeignet sind, weiteres Fehlverhalten zu vermeiden. Diese Maßnahmen

hat es gegenüber der Registerbehörde, dem Bundeskartellamt, darzulegen. Diese entscheidet dann, ob das Unternehmen eine sog. “Selbstreinigung” erfolgreich vorgenommen hat.

Aus für Landesregister Eine Kleinigkeit fehlt allerdings zurzeit noch: das Wettbewerbsregister selbst. Hier bedarf es zum einen noch technischer und personeller Aufbauarbeit bei der Registerbehörde und zum anderen einer Rechtsverordnung, welche die Einzelheiten über den Betrieb des Registers insbesondere über die Meldung, die Abfrage und die Löschung der Daten enthält. Während die technischen Voraussetzungen für das Register 2018 geschaffen werden sollen, wird die Rechtsverordnung erst für 2019/2020 erwartet. Erst nachdem das Register installiert und die Rechtsverordnung in Kraft getreten ist, werden die Meldepflichten für die Strafverfolgungsbehörden und die Abfragepflichten für die öffentlichen Auftraggeber gelten. Sobald das nationale Wettbewerbsregister seine Tätigkeit aufgenommen hat, werden die jeweiligen Länderregister (u. a. in NRW, Berlin, Hamburg und Bremen) nach einer Übergangszeit aufgelöst. *Dr. Oliver Homann ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht bei der Kanzlei Leinemann Partner Rechtsanwälte mbB.

Sechs Nominierte Preisverleihung im Februar 2018 in Berlin (BS/jf) Für den vom Bundesverband für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) verliehenen Preis “Innovation schafft Vorsprung 2018” sind sechs Kandidaten nominiert worden. Der Preis steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Sämtliche Konzepte haben ein in der Praxis verwirklichtes Projekt zum Gegenstand, mit dem die Einkaufs- bzw. Beschaffungsorganisation der Behörde, Verwaltung oder des Eigenbetriebes dauerhaft optimiert wurde und das zur Effizienzsteigerung beigetragen hat. Außerdem muss es auf andere Institutionen und Organisationen der öffentlichen Hand übertragen werden können. Die sechs nominierten Konzepte kommen aus Berlin, Köln, Arnsberg und Tübingen. Es sind, in alphabetischer Reihenfolge: die Berliner Stadtreinigung (mit zwei Projekten), die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Berlin), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (Köln), der Ruhrverband (Arnsberg) sowie die Universitätsstadt Tübingen. Die Projekte reichen von der Optimierung von Abfall- und Wertstoffbehältern über den Einsatz polymerer Flockungsmittel in kommunalen Kläranlagen und die Bildung eines Unternehmenspools mit Lieferantenbeurteilung für forstliche Dienstleistungen in der Holzernte bis zum elektronischen Einkauf inkl. Abrechnung von Büroartikeln, den automatisierten Direkteinkauf und die automatisierte Bereitstellung von Reporten über ein Dashboard. Der Award “Innovation schafft Vorsprung” wird jedes Jahr an Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen sowie öffentliche Unternehmen und Institutionen in den Kategorien “Beschaffung von innovativen Produkten, Verfahren und

Dienstleistungen” und “Gestaltung innovativer Beschaffungsprozesse” vergeben. Der praktische Einsatz der innovativen Produkte, Verfahren und Dienstleistungen sollte die Produktivität und Effizienz – etwa unter finanziellen, prozessualen und/oder umwelttechnischen Aspekten – nachweislich deutlich verbessert haben. Insgesamt ist der Preis mit Gutscheinen für Beratungsleistun-

gen von bis zu 10.000 Euro pro Kategorie dotiert. Die Jury hat ihr Votum bereits gefällt. Wer die begehrte Auszeichnung erhält, wird auf dem “Tag der öffentlichen Auftraggeber” am 7. Februar 2018 am Berliner Dienstsitz des BMWi bekannt gegeben. Parallel läuft die Bewerbungsfrist für den BME-Preis “Innovation schafft Vorsprung 2019”. Diese endet am 12. Oktober 2018.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen

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Personelles

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Behörden Spiegel / Januar 2018

Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Staatskanzlei NRW Stand: Januar 2018

Ministerpräsident Armin Laschet Ministerpräsident Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen Postanschrift: Horionplatz 1, 40190 Düsseldorf Lieferanschrift: Horionplatz 1, 40213 Düsseldorf

Foto: BS/Laurence Chaperon

Referat GStB MR’in Britta Bollmann Stellvertreterinnen: MR’in Rita von Stumberg Elisabeth Hellmund 1221

Regierungssprecher MD Christian Wiermer -1396

Abteilung Landespresse- und Informationsamt Simone Fibiger -1628

Chef der Staatskanzlei -1536

Nathanael Liminski

-1483 -1230

Leiter des Büros Chef der Staatskanzlei, Persönlicher Referent: Dr. Christoph Weckenbrock -1282 RR Markus Dettmann -1385 Christina Fritsch -1185

Stellvertretender Regierungssprecher Moritz Kracht -1261

-1300

Ständige Vertretung MR Thomas Wallenhorst -1377

Heidi Renz RD Thomas Behrens Maurizio Gemmer Thomas Querengässer Ragna Beyé Klaudia Grabisch Sabine Hoffmann Birgit Korte (Volontärin) Sabine Lux RR’in Ute Maria Kilian (Heinz-Kühn-Stiftung)

-1217 -1413 -1168 -1624 -1534 -1405 -1134 -1471 -1151 -1274

LPA 2 Kommunikationsplanung, elektronische Medien, vernetzte Öffentlichkeitsarbeit Andreas Hahn RD Matthias Kowalski ORR Andreé Kringe Martin Götz Wolfgang Meyer-Piehl Philip Illickan Bianca Schad

-1147 -1155 -1637 -1376 -1108 -1642 -1648

LPA 3 PR, CI, Publikationen Dr. Detlef Herbner Anneli Niedecker Gabriele Nebelung Joachim Hermaneck* Nadine Scholz

-1133 -1442 -1142 -1237 -1635

LPA 4 Medienauswertung und Dokumentation Silvia Rosendahl RR Detlef Roitzheim Siegbert Saß Ute Fischer Friedhelm Heinrich Andreas Ostermann Hans Dieter Pinnow Patricia Quinn Regina Serló-Lakotta

-1408 -1368 -1264 -1306 -1246 -1287 -1382 -1141 -1447

LPA 5 ServiceCenter der Landesregierung MR Herbert Lumer

-1281

Maria Huesmann-Kaiser -1118

LMR’in Katrin Kohl

LPA LPA 1 Chefin vom Dienst

Abteilung I Zentralabteilung Verwaltung, Recht, Religionsangelegenheiten

Abteilung M Ministerpräsident, Protokoll, Veranstaltungen

Simone Fibiger -1628

Telefon: 0211/837-01 oder 837 + Nebenstelle Telefax: 0211/837-1150 (Zentrale) oder PC-Fax: 0211/837 187 + Nebenstelle E-Mail: poststelle@stk.nrw.de Internet: www.land.nrw

M1 Internationale Kontakte, Verbindungen zu Parteien, Fraktionen, gesellschaftlichen Gruppen MR Thomas Wallenhorst -1377 Renata Penzesova -1318

M2 Protokoll, Konsularwesen MR Peter Wende

-1137

M3 Staatspreis, Ordensangelegenheiten Heidi Müller RD’in Daphne Aichberger-Krebs Sabine Dammermann AR‘in Christiane Marx RR‘in Gabi Schoek Sandra Seidel Jürgen Konschack Gudrun Nikolic Vanessa Stumberger

-1411 -1202 -1669 -1435 -1474 -1322 -1181 -1277 -1407

MR’in Rita von Stumberg -1483 Bereiche Kultur und Wissenschaft

M4 Grußworte, Schirmherrschaften, Korrespondenz Christian Gorges Gisbert Horn Heike Fassbender Patrizia Di Corato-Rupar

-1127 -1380 -1140 -1233

M5 Reden, Namensbeiträge Werner Althoff

-1485

M6 Veranstaltungen MR Oliver Gottmann Stephan Ditger RR Holger Gerdes Dennis de Haan

-1223 -1375 -1453 -1423

M7 Persönlicher Referent, Termine Ferdinand Johannes Schmitz -1421 AR‘in Christina Pauly -1339 Christine Sommer -1654 Cynthia Joy Wandelt -1392 Carmen Kasperek -1379

Gruppe P Politische Planung LMR’in Uta Klinkers

-1507

Gruppe P 1 Grundsatzfragen für Landespolitik Hans-Michael Diller RD’in Barbara Stern Dr. Bastian Hartmann Dr. Carsten Schymik

-1593 -1438 -1337 -1860

P2 Arbeitsprogramm der Landesregierung, Aufgabenplanung MR’in Birgit Elsing Katrin Kreutz Claudia Stocker

-1660 -1383 -1351

P3 Bundesangelegenheiten; MPK MR Thorsten Ader ORR’in Andrea Nelißen RR’in Andrea Ivancic Ingrid Werner

-1531 -1215 -1175 -1415

Gruppe MN Medien- und Netzpolitik Andreas Lautz

-1113

MN 1 Grundsatzfragen der Medienpolitik Andreas Lautz -1113 RD’in Claudia Seidel -1558 Dr. Florian Jäkel-Gottmann - 1644 RR‘in Sabine Köster -1183

MN 2 Medienwirtschaft Dr. Benedikt Berg-Walz Beate Hoffmann David von Galen* RAfr Janina Schieritz

-1173 -1271 -1207 -1273

MN 3 Medien- und Presserecht, Rundfunktechnik MR Michael Schneider Robin Klahm Stefanie Kupczak Ri’inLG Kerstin Planken Rolf Riegert Roland Merz

-1260 -1473 -1458 -1473 -1437 -1526

MN 4 Digitale Gesellschaft, Medienkompetenz MR’in Kordula Attermeyer -1257 OStR André Spang -1647 Silke Offergeld -1516 RI Henning Albrecht -1663 Hermann-Josef Sabrowski*-1493

Neukonzeptionierung des Medienforums NRW LMR’in Britta Weimer

-1490

Gruppe I A Verwaltung, Kabinett LMR Dr. Harald Hemmer -1289

IA1 Personal MR‘in Petra Bals -1310 RD’in Dr. Sarah Bünstorf -1617 RR‘in Melani Dimov -1416 AR‘in Silvia Bonnen -1463 RR‘in Ruth Brake-Köpp -1129 RR Stefan Legr -1440 RR’in Petra Reuschenbach -1661 AR’in Riem Sassi -1520 Annette Brauer -1204 RAI Peter Gassen -1498 ROS David Sante -1521 Tina Springstein** -1204

IA2 Kabinett, Staatssekretärkonferenz, Landtagsangelegenheiten LMR Dr. Harald Hemmer -1289 MR Manfred Perlick -1356 Ri’inAG Charlotte Dantz -1825 (zgl. I A) RR’in Ulrike Handle -1153 RAfr Kerstin Lange -1234 Dagmar Holz -1225

IA3 Organisation, Zentrale Dienste MR’in Regina Junga

-1608

E-Government, Informationstechnik RD Torsten Tuschinski Klaus Blumenthal RR’in Susanne Hilgert

-1650 -1477 -1659

CISO (Chief Information Security Officer) RD Erich Beresheim -1243 (zgl. Innenrevision/ Korruptionsprävention)

-1229

IB1 Grundsatzfragen des Verfassungsrechts, Recht der EU, Internationales Recht Sven Retzmann -1275 RiVG Dr. Michael Weber -1353 RiVG Dr. Simone Knemeyer -1657 RD’in Saskia Gutmann*** 1410

IB2 Justiziariat, Landesgesetzgebung, Dienstrecht, Zentrale Vergabestelle, Religionsverfassungsrecht, Beschwerdestelle AGG MR Dr. Klaus Hartung -1315 RiLG Cornelius Woermann -1618 (zgl. Innenrevision/ Korruptionsprävention) RiLG Sven-Helge Kleine -1350 RiOLG Gunnar Orlik -1406 Ri‘inAG Dr. Birgit Then -1662 Ri’inVG Dr. Muna Trierweiler-1524 RR Michael John Pospisil -1276 Susanne Sengenberger -1226 RR’in Elisabeth Wittwer -1334

IB3 Kontakte zu Kirchen, jüdischen Kultusgemeinden und sonstigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften

IB4 Haushalt, Beauftragter für den Haushalt

MR’in Stefanie Kölking -1211 RD Dr. Claudius Rosenthal** -1802

RD Erich Beresheim -1243 (zgl. CISO) RiLG Cornelius Woermann -1618 (zgl. I B 2)

LMR Hans-Jörg Lieberoth-Leden

N.N. -1664 Dr. Cornelia Schmolinsky -1252 AR Christian Klaka -1668

Personalentwicklung, Organisationsentwicklung, Gesundheitsmanagement

Innenrevision / Korruptionsprävention

Gruppe I B Recht, Haushalt, Religionsangelegenheiten

-1149

MR Martin Dorn -1370 RR Marcel Mosters -1149 Ruth Lenhardt -1166 RA Andreas Leusch -1619 RR Dirk Liehr -1404 Susanne Papke -1329 RR’in Monika Zimmermann -1523 Roswitha Leinemann -1263

-1650

LMR Hans-Jörg Lieberoth-Leden -1229 ORR Maik Oppitz -1511

Projektgruppe EPOS RR Marcel Mosters

Projektgruppe E-Government RD Torsten Tuschinski

IB5 Stiftungen

* Projektmitarbeiter und Externe ** vorläufige Personalmaßnahme *** beabsichtigte Umsetzungen

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Personelles

Behörden Spiegel / Januar 2018

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Personalrat Vorsitzender Dr. Dietmar Scherer 1. Stellv.: RR‘in Ingrid Wichert Geschäftsstelle: Anna Chamkhi

Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales

Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Reden MR’in Nina Heil -1399 Robin Teller -1309

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner -1610 VZ: Nora Dietel -1611 Leiter des Büros des Ministers für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales: MR David Lüngen -1665 RAfr Meike Holschbach -1206 TA: Stefanie Scholten -1514

Vertretung des Landes beim Bund Postanschrift: Hiroshimastr. 12-16, 10785 Berlin Telefon: 030/27575-0 oder 27575 + Nebenstelle Telefax: 030/27575-221 (Zentrale) Kurzwahl: 872 + Nebenstelle E-Mail: poststelle@lv-bund.nrw.de Internet: www.bund.nrw.de Vertretung des Landes bei der EU Postanschrift: Rue Montoyer 47,1000 Brüssel, Belgien Telefon: 00322/7391-775 oder 7391 + Nebenstelle Telefax: 00322/7391-707 Kurzwahl: 871 + Nebenstelle E-Mail: poststelle@lv-eu.nrw.de Internet: www.europa.nrw.de

Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales Bevollmächtigter des Landes beim Bund

Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt Andrea Milz VZ: Anja Schülein Andrea Schwarz Persönlicher Referent: Alexander Rettig

Abteilung II Ressortkoordination MD Dr. Urban Mauer -1389

Dr. Mark Speich

-1203 -1400 -1652

-226 -161

VZ: Jeannette Daham** Nicole Fleischer**

Abteilung III Sport, Sportstätten und Ehrenamt

Abteilung IV Europa, internationale Angelegenheiten

LMR Bernhard Schwank -2421

Jürgen Hein

Gruppe II A Ressortkoordination I

Gruppe II B Ressortkoordination II

Beate Weber

LMR‘in Dr. Sabine Bonkowski -1256

-1244

II A 1 Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk N.N. -1255 RD Henning Hehemann-1228 ORR Klaus Imig -1307 ORR Stefan Koch-Wahser (zgl. II A 2) -1409 ORR Eike Lürig AR Torsten Schubert -1645

Gruppe II B 1 Inneres und Kommunales, Justiz

II A 3 Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter MR Dr. Dirk Göpffarth -1402 RD’in Ursula Mecklenbrauck (zgl. II A 2) -1250 RR Frank Berlingen -1475

II A 4 Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Naturund Verbraucherschutz Claudia Bönnighausen -1456 ORR’in Nora Ricken -1476 RR Markus Korbmacher -1428

II A 5 Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr MR Johann Wilhelm Müller -1124 RD‘in Liesel Hoff -1540 Bernd Gorschlüter -1106 RR‘in Petra Lüntz-Aldick -1245

Henning Schreiber

-4127

III 1 Grundsatz- und Finanzangelegenheiten des Sports, Sport für alle

MR Michael Bischoff -1492 RD Stefan Zimmermann -1800 ORR’in Jana Demmerling -1466 RiLG Dr. Volker Ochsenfahrt -1132

Henning Schreiber -4127 Dr. Gerwin-Lutz Reinink -2235 Andre Kalinke -2218 RR’in Susanne Mergler -3193 Carmen Plischke (zgl. III 2) -4105 RR’in Monika Maria Schinke -4130 RR Rainer Wolf -4125

Gruppe II B 2 Schule und Weiterbildung

III 2 Sportstätten, Sport und Umwelt

II A 2 Arbeit, Integration und Soziales MR‘in Margret Bäcker -1386 RD’in Ursula Mecklenbrauck (zgl. II A 3) -1250 ORR Stefan Koch-Wahser (zgl. II A 1) -1409

Ständige Vertretung

Dr. Detlef Josczok RR Klaus Stosiek RR‘in Monika Traud-Burchert

-1152 -1398 -1285

Gruppe II B 3 Innovation, Wissenschaft und Forschung MR Prof. Dr. Manfred Mai -1393 RD’in Dr. Karen Bayer -1297 AR’in Anja Emler -1422

Gruppe II B 4 Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport MR’in Britta Bollmann -1536 Elisabeth Hellmund -1221 RR‘in Ingrid Wichert -1503

Gruppe II B 5 Finanzen MR Daniel Moritz -1205 RR Maximilian Tillemans -1136 Julia Clajus -1613 Dr. Michael Demmer -1390 Christof Weinmann -1557 RAfr Juliane Meyncke Koordination EU (zgl. Jörg Singelnstein) Koordination Bund (zgl. Beate Krüger)

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

MR Detlef Berthold -2209 RR’in Monika Schulzeck-4106 Daniel Heuwind -4149 Carmen Plischke (zgl. III 1) -4105 RR Frank Tusche (zgl. III 5) -4131

III 3 Leistungssport, Wettkampfwesen MR Wolfgang Fischer -4151 RD’in Birgit Schaffrath -4134 Matthias Nierle -4126 RR’in Ingrid Mertens -4142 Lehrerin Andrea Spaan (zgl. III 5) -4138

III 4 Kinder- und Jugendsport, Integrationsprojekte, Sport und Wissenschaft Dr. Ulrike Kraus Britta Damm

-4102 -4145

III 5 Sportliche Großveranstaltungen, Sportland NRW Nils Klagge -4141 RR Frank Tusche (zgl. III 2) -4131 Jörg Rodermund -2254 Lehrerin Andrea Spaan (zgl. III 3) -4138

III 6 Bürgerschaftliches Engagement, Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen, Bundesfreiwilligendienst MR Andreas Kersting -2547 RR’in Mareike Lüsebrink-2247 Karina Conconi -2392 Christina Kracker -1251

-748 -1418

Personalrat LV Bund Vorsitzender Sven Brieger

-258

Schwerbehindertenvertretung Vertrauensperson: RD Andreas Becker RR Andreas G. Theis Angelika Kilian

-1372 -1436 -1622

Kontaktperson Suchtkrankenhilfe Susanne Papke

-1329

Soziale Ansprechpartner Claudia Bönnighausen Susanne Papke RD Dr. Claudius Rosenthal

-1456 -1329 -1802

Pflegebeauftragter MR Herbert Lumer

-1281

Sicherheitsbeauftragte Wolfgang Meyer-Piehl (Stk) Dr. Dietmar Scherer (Stk) Heinrich Rohlfing (LV-Bund)

-1108 -1418 -242

Datenschutzbeauftragter N.N. Stellv.: MR Dr. Klaus Hartung

-1315

Geheimschutzbeauftragter LMR Dr. Harald Hemmer Stellv.: RR Michael John Pospisil Stellv.: MR Frank Matthias

-1289 -1276 -250

Gerätebeauftragte Defibrillator Stk: Petra Henrich LV-Bund: Ingmar Wist LV-EU: Daniela Jaron

-1420 -371 -724

Leitung der Vertretung: StS Dr. Mark Speich

-1295

Gruppe IV A Europäische Union LMR Martin Flasche

-1301

IV A 1 Grundsatzfragen der EU; Koordination der europäischen Fachpolitiken RD’in Sina BreitenbruchTiedtke -1630 RR Michael Abels -1425 Volker Gutekunst -1363 RR’in Alexandra Marquardt -1419 Lydia Schmelzer-Ofenstein -1288

IV A 2 Europafähigkeit, EURechtsetzungsvorhaben und Subsidiaritätskontrolle, Regionen und Kommunen in Europa LMR Martin Flasche RD Andreas Becker Martine Krause Simone Rackow

-1301 -1372 -1673 -1522

IV A 3 Bilaterale Beziehungen innerhalb der EU, Regionales Weimarer Dreieck Dr. Heidi Hoffmann -1197 RD Dr. Dominik Fanatico -1254 Dr. Marzena Kloka-Kohnen -1484

IV A 4 Benelux-Kooperation, Grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Beziehungen zu den EFTA-Staaten MR’in Dr. Uta Loeckx -1518 Janna van Diepen -1530 RR’in Dagmar Stockey -1640 Birgit Lischka -1826

Gruppe IV B Internationale Angelegenheiten und Eine-Welt-Politik LMR’in Tanja Baerman -1452

-116

Stellvertretender Leiter der Vertretung / Projektkoordination: Gerhard Sauer zgl. LV-B 3 -117

IV B 1 LV-B 1 Internationale und Koordination der entwicklungspolitiBundes- und Europasche Grundsatzfragen, politik Internationale Bezie-257 hungen zu Nord- und Beate Krüger RR Arno Bauermeister -206 Südamerika LMR’in Tanja Baerman-1452 RD’in Dörte Eisenhauer-1280 Heike Dongowski -1561

IV B 2 Internationale Beziehungen zum Nahen Osten und zu Afrika MR’in Nicola Schwering-1487 RD Wael El-Gayar -1364 RD Bernd Fecke -1444 Sabine Raddatz -1529

IV B 3 Internationale Beziehungen zu Asien, Ost- und Südosteuropa

-260 -266

Fachpolitik Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration ORR Dr. Nikolaj Beier -276 Finanzen MR’in Anita Böckler (zgl. stellv. GStB) Inneres Heinrich Rohlfing

IV B 4 Entwicklungspolitische Inlandsarbeit, Internationaler Standort Bonn, internationaler Bericht -1443 -1373 -1317 -1326 -1156

Dr. Lale Akgün Angelika Kilian Tim Stoffel* Holger Willing*

LV-B 3 Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit Gerhard Sauer

Jörg Singelnstein

-757

LV-EU 1 Koordination der fachpolitischen Angelegenheiten der EU, Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Sport und Medien Jörg Singelnstein Leonie Martin Heiko Noack

-757 -759 -793

Fachpolitik Finanzen Susanne Metzler

-729

Energiepolitik und Klimaschutz, Telekommunikation Dr. Ralf Kuder -719

-117

Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung Geschäftsstelle Bauministerkonferenz RD’in Susanne Jancke -274 Luise Langemach -228

Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr RD’in Susanne Pillath -769 Inneres und Sport ORR’in Daniela Giannone -730 Arbeit, Gesundheit und Soziales Klaus Müller -779 Justiz N.N.

-737

(Sekretariat Geschäftsstelle MBK)

Umwelt, Landwirtschaft und Naturschutz Heide Bergschmidt -795

Justiz Ri’inOLG Simone Kleinod -223

Umwelt, Verbraucherschutz, Nachhaltige Entwicklung Dr. Christian Engel -726

Verkehr ORR Florian Schnoor -165

Wissenschaft und Forschung ORR Jörg Janßen -705

Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Franziska Deil -246

Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung, Emanzipation ORR Norbert Lammering -715

EU-Angelegenheiten, Verteidigung Sebastian Gröning-von Thüna -248

-1459 -1622 -1626 -1472

Stellvertretender Leiter der Vertretung/ Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Sport und Medien:

-242

Kultur und Wissenschaft; Medien N.N. -273

newtrade nrw Büro für Nachhaltige Beschaffung

Leiter der Vertretung/ Grundsatzfragen der EU: MD Rainer Steffens -747

Wirtschafts- und Strukturpolitik, Außenhandel Johannes Grotz -718

Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie ORR’in Eva Hertel -261

Schule und Bildung Gerhard Sauer

Vertretung des Landes bei der Europäischen Union

-256

Arbeit, Gesundheit und Soziales ORR Thilo Scholle -238

MR Thomas Gorys -1446 RD’in Sandra DieterichZimmer -1479 Sonja Kirchner -1283 Waldtraut Hof -1262

Anke Lehmann Dimitria Clayton AR Jörg Wefers Birgit Schölermann Bettina Peters

Carola Röck Philipp Kiss

-1491

Gesamtpersonalrat Vorsitzender RR Jörg Falk 1. Stellv.: Dr. Dietmar Scherer

Vertretung des Landes beim Bund

MD Volker Meier**

-1418 -1503

Internationales und Auswärtiges MR’in Sieglinde von Wasielewski -204 Andrea Kunkel -240

LV-B 2 Zentrale Dienste

-117 MR Frank Matthias

-250

Kultur MR’in Gudrun Keßler-Wiedeck -744 Ausschuss der Regionen, Erweiterung der EU und Interregionale Zusammenarbeit RD Dr. Stefan van Heeck -720

LV-EU 2 Zentrale Dienste, Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit MR’in Gudrun KeßlerWiedeck -744

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Diplomaten Spiegel

Seite 12

Wir sind überzeugte Europäer

P

rompt entdecken Sohnemann und seine Kumpels in Bälde Madeira, die Azoren und die Kapverdischen Inseln. Kollege Vasco da Gama segelt sogar bis nach Indien und Pedro Álvares Cabral, um 1500, gen Brasilien. Man hört es heute noch, man spricht dort portugiesisch. Gut 200 Millionen Menschen einschließlich Angola, Mosambik, Osttimor und Macao tun dies, weil sich das als Kolonie so schickt und, wenn die Herren endlich fort sind, es mehr oder weniger einfach so bleibt. Faktum eben. Apropos, wenn Letzteres einem das Herz abdrückt, die Sehnsucht grenzenlos und die Liebe halt gar so unerfüllt, dann stimmt der Portugiese gerne einen “Fado” an, was auf gut portugiesisch “Schicksal” heißt und hierzulande klagend, weltschmerzig, steinerweichend in tiefstem Moll klingt und singt. Danach schüttelt man sich fröhlich die Hände, trinkt seinen Roten aus und geht glücklich und zufrieden nach Hause: “O gosto de ser triste, echt cool, traurig zu sein, Jungs.”

Behörden Spiegel / Januar 2018

Ein Gespräch mit Portugals Botschafter in Berlin, João António Mira Gomes (BS/ps) Die República Portuguesa ist mit 92.212 km ein kleines Land, das seit 1146 als erster europäischer Nationalstaat mit bis heute festen Grenzen und einheitlicher Sprache besteht. Seit dem 15. Jahrhundert beginnt man, wie der große Nachbar Spanien auch, sich auf Meeren und Ozeanen umzusehen. “Was die können, können wir auch”, sinniert Heinrich der Seefahrer, überzeugt keck seinen Vater König Johann I., einen Spross zur linken Hand aus dem Hause Burgund: “Seefahrt tut Not...” Der lässt sich nicht lange bitten, holzt landauf, landab die Kiefer- und Eichenwälder ab, um eine Flotte zu bauen: “Das sind die Bretter, die die Welt bedeuten, Junge, ahoi.”

Gute Beziehungen

Fortwährende Herausforderung Botschafter João António Mira Gomes, 58, ist diese “Saudade”, eine seinen Landsleute gerne nachgesagte Schwermut, ferner denn je. Auch nach über drei Jahrzehnten als Diplomat. Sein Land erlebt unter einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung, die u. a. von den Kommunisten unterstützt wird, nach einigen Krisenjahren einen wirtschaftlichen Aufschwung um fast drei Prozent. Ministerpräsident António Costa hat dafür vieles anders gemacht als erwartet, indem er z. B. die Austeritätspolitik seines konservativen Vorgängers beendet hat und damit erfolgreich ist. Und im Übrigen empfindet Gomes seinen vor zwei Jahren angetretenen Job in Berlin “als eine sehr bereichernde Erfahrung und große, fortwährende Her-

lichte. In Deutschland und auch in Portugal hat man damit einen wichtigen Lernprozess über die entscheidende Rolle sowohl von europäischer Solidarität als auch von nationaler Eigenverantwortung absolviert. Allesamt haben wir verstanden, dass die Europäer zusammenhalten und Kompromisse eingehen müssen, wenn man in der Welt überhaupt relevant sein möchte.”

Seit 34 Jahren im Dienste Portugals und seit zwei Jahren in Berlin: João António Mira Gomes, Botschafter der Republik Portugal.

ausforderung, unter anderem wegen der Vielfalt Deutschlands und der nationalen Interessen, die es in Berlin zu vertreten gilt”.

EU als Glücksfall “Wie die Bundesrepublik reiht sich auch Portugal in jene EUStaaten ein, die in der Union einen historischen Glücksfall für unseren Kontinent erken-

Fotos: BS/Dombrowsky

nen, den es zu verteidigen, auszubauen und zu vertiefen gilt. Dazu kommt noch eine eher persönliche Herausforderung: Meine Deutschkenntnisse sind noch nicht vollständig ausgereift, obwohl mein regelmäßiger Deutschunterricht sehr gut vorangeht. Meine Familie wohnt leider nicht mit mir in Berlin, da meine Frau Botschafterin in Wien ist und meine erwachsenen Kinder in Lissabon bzw. Amsterdam sind.” Und noch etwas vermisst er: “Die Sonne und den Atlantik.”

Mit Tennisstar tauschen

Europäische Solidarität und nationale Eigenverantwortung

Portugal steht fest zur EU, diese gelte es zu verteidigen, auszubauen und zu vertiefen.

Rein dienstlich mag der studierte Jurist nicht “klagen”. Die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Portugal sind vertrauensvoll, von einer hohen Besucherdichte und einer großen Übereinstimmung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen geprägt. “Deutschland hatte einen erheblichen Anteil am Aufbau demokratischer Strukturen nach der Nelkenrevolution in Portugal 1974 (Sturz des Salazar-Regimes) und förderte 1986 unseren Beitritt zur heutigen EU.” Eine enge Abstimmung beider Länder vor und während ihrer aufeinanderfolgenden EU-Ratspräsidentschaften im Jahr 2007 festigt das Verhältnis weiter. Der “Vertrag von Lissabon zur

Aus dem Heimatland des Botschafters: eine portugiesische Fayence (links) und einzelne Korkplatten mit verschiedenen Qualitätsstufen. Portugal ist der größte Korkproduzent der Welt.

Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften” am 13. Dezember 2007 wird nach der deutschen unter der darauf folgenden portugiesischen Ratspräsidentschaft in Lissabon unterzeichnet. So arbeiten beide Staaten bei der Bewältigung der Krise im Euro-Raum auch eng und vertrauensvoll zusammen. “Deutschland”, so Botschafter Gomes, “wird daher als wirtschaftlich erfolgreiches und im europäischen Kontext politisch sehr wichtiges Land empfunden.

Botschafters Rezept Bacalhau (Stockfisch, für 8 Personen) Zutaten: 1 kg Stockfisch (getrockneter, gepökelter Kabeljau), 4 Kartoffeln, 180 ml Olivenöl 2 Knoblauchzehen, gehackt, 30 g frische Petersilie, gehackt, 1,5 TL Chiliflocken, Pfeffer, 3 EL Butter, 2 Zwiebeln, in dünne Scheiben geschnitten, 10 grüne Oliven, ohne Stein, 10 schwarze Oliven, ohne Stein, 4 hartgekochte Eier. Zubereitung: Zum Entsalzen Kabeljau 24 Stunden lang in kaltem Wasser einweichen, mehrmals das Wasser wechseln. Einen großen Topf mit Wasser zum Kochen bringen und den

eingeweichten Fisch hineingeben. 5 Minuten kochen, bis der Fisch sich mit einer Gabel leicht zerteilen lässt. Kabeljau aus dem Wasser nehmen und dieses zum Kochen der Kartoffeln aufbewahren. Haut und Gräten vom Fisch entfernen und den Kabeljau mit einer Gabel fein zerpflücken. Olivenöl, 1 Knoblauchzehe, 1 EL Petersilie, Chiliflocken und Pfeffer verquirlen, über den Fisch gießen und vermischen. Backofen auf 180°C / Gas Stufe 4 vorheizen. Kartoffeln in das Fischwasser geben und 20 Minuten kochen, bis die Kartoffeln weich sind. Abgießen, mit kaltem Wasser abschrecken, schälen und in 0,5 cm dicke Scheiben

“Das Bild Portugals in Deutschland ist nicht so scharf definiert wie z. B. das unserer großen Nachbarn Frankreich oder Italien. Einerseits sind die deutschportugiesischen Beziehungen historisch unbelastet, was die bilateralen, auch zwischen den Zivilgesellschaften, dementsprechend vereinfacht. Zum positiven Bild unseres Landes tragen ganz entscheidend die 140.000 Mitbürger bei, die in Deutschland leben und sehr gut integriert sind. Dasselbe gilt natürlich für die rund 10.000 Deutschen, die in Portugal zuhause sind. Im Übrigen erlebe ich hier immer wieder, wie jeder, der schon mal in Portugal war, sehr positiv über unsere Willkommenskultur berichtet!” “Andererseits muss ich sagen, dass man hier manchmal auch auf Unwissen über Portugal stößt, zum Beispiel bezüglich der rasanten Modernisierung, die bei uns in den letzten Jahrzehnten auf allen Ebenen stattgefunden hat. Nicht immer sind sich meine deutschen Gesprächspartner dessen bewusst, dass wir eine der dynamischsten Start-up-Szenen Europas haben, dass in keinem westeuropäischen Land die Exporte in den letzten Jahren schneller gestiegen sind, dass wir einen sehr starken Industriesektor haben, inklusive einem dynamischen und wachsenden Luftfahrtsektor, oder dass die größte jährliche Internet- und Technologiekonferenz der Welt, der Websummit, angezogen von der Dynamik dieser zukunftsorientierten Wirtschaftsbereiche in Portugal, seit 2016 in Lissabon stattfindet.”

schneiden. Während die Kartoffeln kochen, Butter in einer großen Pfanne bei mittlerer Hitze schmelzen. Zwiebeln darin goldbraun anschwitzen. Die zweite Knoblauchzehe damit verrühren und beiseite stellen. Die Hälfte der Kartoffeln auf den Boden einer gefetteten, ca. 20 x 30 cm großen, ofenfesten Form legen und mit der Hälfte des Kabeljaus und der Zwiebelmischung bedecken. Eine zweite Schicht Kartoffeln, Kabeljau und Zwiebeln darübergeben. Im vorgeheizten Backofen 15 Minuten leicht braun werden lassen. Vor dem Servieren mit grünen und schwarzen Oliven und hartgekochten Eier garnieren und mit der restlichen Petersilie bestreuen.

Die meisten Portugiesen sind sich auch dessen bewusst, dass Deutschland eine ganz entscheidende Rolle bei den Euro-Rettungsprogrammen gespielt hat, die Portugal den Zugang zu den Finanzmärkten wieder ermög-

34 Jahre ist João António Mira Gomes im Dienste Portugals, ob bei der NATO, in Macau, Sofia, Lissabon, beim Verteidigungsminister, als ständiger Vertreter beim Nordatlantikrat (Brüssel) oder nun seit 2015 bei uns und kann’s eigentlich zufrieden sein. Möchte er dennoch mal mit jemand anderen tauschen? “Mit Roger Federer, und was weiter wird, darum kümmere ich mich, wenn ich in Rente bin.” Na dann – erfolgreiche Tie-Breaks...

Bis zu 45 neue Attaché(e)s Auswärtiges Amt sucht Bewerber für höheren Dienst (BS/jf) Über ein Jahr dauert das Auswahlverfahren beim Auswärtigen Amt für den Vorbereitungsdienst für den höheren Auswärtigen Dienst. Für den Einstellungstermin Mai 2019 beginnt im April 2018 die Bewerbungsphase. Gesucht werden zwischen 35 und 45 Attaché(e)s als Beamte auf Widerruf. Insgesamt umfasst das Verfahren fünf Schritte. Bewerbungen können in der Zeit vom 16. April bis 31. Mai 2018 ausschließlich über eine Online-Maske abgegeben werden. Nach Ablauf dieses Zeitraumes findet als zweite Phase ein Vorverfahren statt, in dem Anfang Juni ein onlinebasiertes Prescreening zu absolvieren ist. Darin werden die verbale und numerische Verarbeitungskapazität sowie die Bearbeitungsgeschwindigkeit überprüft. Die Ergebnisse des Tests fließen in die Entscheidung des Auswahlausschusses zur Zulassung zum weiteren Verfahren ein.

Das beginnt im dritten Schritt mit einem schriftlichen Teil. Die Bewerber müssen die Position der Bundesregierung zu einem außen-, europa- oder außenwirtschaftspolitisch relevanten Thema darstellen sowie Fremdsprachenkenntnisse und ihr Wissen in verschiedenen Themengebieten unter Beweis stellen. Im Anschluss daran werden die Bewerber der engeren Wahl zu einem mündlichen Präsenstermin mit Vorstellungstermin eingeladen. Abgeschlossen wird das Verfahren durch eine Gesundheitsuntersuchung und Sicherheitsüberprüfung. Mehr unter: www.auswaerti ges- amt.de

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Gesundheit

Behörden Spiegel / Januar 2018

Seite 13

Was für ein Glück

Hamburgs Polizei setzt auf Gesundheitslotsen

Vom eigenen Empfinden bis zum Umgang mit Konflikten

Krankenstand in der Behörde inzwischen rückläufig

(BS/Dr. Volker Reinken*) Glückshormone sorgen dafür, dass alles im Körper besser funktioniert. Glückserleben stärkt unseren Körper und wirkt gesundheitsförderlich. Es ist eine wechselseitige Beziehung zwischen Psyche und Körper, psychosomatisch und somatopsychisch, denn wenn im Körper alles gut funktioniert, fühlen wir uns wiederum wohl. Die moderne Burnoutpro-Phylaxe z. B. macht sich diese Erkenntnisse zunutze.

(BS/Ralf Martin Meyer) Im Jahr 2014 verzeichnete die Polizei Hamburg 450 langzeiterkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wobei die Krankenquote insgesamt 10,2 Prozent betrug. Das waren pauschal jeden Tag 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die der Polizei Hamburg nicht zur Verfügung standen. Es bestand also Handlungsbedarf.

Im Körper ereignet sich ein Feuerwerk in den neuronalen Netzwerken. Dabei kommunizieren die Nerven mit sogenannten Glücks-Botenstoffen wie Dopamin, Serotonin, Endorphinen, Noradrenalin und Oxytocin. Diese Substanzen erzeugen quasi auf biochemischem Weg Glücksgefühle. Dopamin ist z. B. für die Lust zuständig, Noradrenalin für die Aktivierung, Serotonin für die Stimmungsaufhellung, die Endorphine dämpfen den Schmerz und Oxytocin ist das vertrauensbildende Bindungsund Liebeshormon. Bei der psychopharmakologischen Behandlung von Depressionen beeinflusst man z. B. gezielt den Stoffwechsel dieser Substanzen mit Medikamenten, den sogenannten Antidepressiva. Die körpereigenen Glücksbotenstoffe werden aber auch vom Körper spontan beim Sport ausgeschüttet oder wenn wir uns in einer Beziehung wohlfühlen. Hinsichtlich des Glücklichseins gilt als das sogenannte Glücksparadox oder Easterlin Paradox: Wenn unsere grundlegenden Bedürfnisse gestillt sind, führt mehr Reichtum nicht zu mehr Glück. Die Glücksforschung hat sogenannte Glücksfaktoren ermittelt und berichtet regelmäßig im “World Happiness Report” darüber. Die sogenannten Glücksfaktoren sind demnach z. B. Arbeitszufriedenheit, Sicherheit, Qualität der Regierung, Lebenserwartung, verlässliche Menschen um sich zu haben und freie Entscheidungen für das eigene Leben treffen zu kön

Mitbringsel aus der Natur können helfen, sich an Glücksmomente zu erinnern. Vor allem, wenn es ein vierblättriges Kleeblatt – das Symbol von Glück – ist. Foto: BS/Jürgen Acker, pixelio.de

nen. Für eine andere, europaweite Studie wurden Menschen direkt befragt und es wurde untersucht, welche Personengruppe am glücklichsten war. Das waren die mit einer guten Partnerschaft, mit Kindern und mit einem guten Einkommen. Zum Glücklichsein braucht es aber auch das Unglück. Wenn es immer nur unseren Lieblingspudding gäbe, hinge er uns bald zum Halse heraus. Wir brauchen auch die Abwechslung und auch die Herausforderungen, um unseren Selbstwert zu stärken und uns am Erfolg zu freuen. Auch Kinder brauchen Herausforderung, sie nur in Watte zu packen, hilft da nicht, eine, wohlgemerkt angemessene, Forderung ist für die Entwicklung wichtig. Und das Glücksempfinden lässt sich bewusst steuern. Schon stammesgeschichtlich war es

für den Menschen wichtig, sich negative Erlebnisse gut zu merken und deren Wiederholung möglichst zu vermeiden. Bei dieser Ausrichtung vergessen wir in schweren Zeiten manchmal die guten Dinge, die uns widerfahren sind. Deshalb ist es wichtig, sich diese immer wieder bewusst zu machen. Ich empfehle meinen Patienten manchmal ein sogenanntes Goldblättchentagebuch, in dem sie ihre schönen Ereignisse regelmäßig eintragen und darin lesen können. Damit stärken sie das Bewusstsein für die glücklichen Momente, die sie in ihrem Leben hatten und haben und wirken dem belastenden gedanklichen Katastrophisieren entgegen. Ich selbst gehe auch gerne raus in die Natur, was mir Kraft und Zentrierung gibt. Manchmal bringe ich mir etwas mit, das mich an einen stärkenden und entspannenden Moment erinnert. Die moderne Burnout-Prophylaxe z. B. nutzt all diese Erkenntnisse, indem sie nicht nur auf Entspannungsintervalle und Achtsamkeit fokussiert, sondern auch auf die Verbesserung von Beziehungen im öffentlichen Unternehmen und Behörden durch Konfliktmanagement, indem man als Leitung z. B. das synergistische Potenzial von Konflikten aufgreift. *Dr. Volker Reinken ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und ärztlicher Direktor der Akutklinik Urbachtal im deutschen Bad Waldsee. Er ist spezialisiert auf die Behandlung von Depressionen und Burnout.

Wie die Informationsflut bewältigen? Sechs Schritte zum selbstbestimmten persönlichen Wissensmanagement (BS/Christian Peirick) In Zeiten einer ständig anwachsenden Informationsflut wird ein selbstbestimmtes persönliches Wissensmanagement immer wichtiger, um weiterhin alle für die eigene Arbeit wichtigen Informationen aufzunehmen und zu behalten. zuvor Ihren Lesearbeitsplatz optimiert haben. Dazu gehören ein aufgeräumter, möglichst ruhiger Schreibtisch und gute Lichtverhältnisse genauso wie auch die Orientierung am eigenen Biorhythmus und die Vermeidung von Störungen. 2. Schritt: Steigern Sie Ihr Lesetempo: Machen Sie sich bewusst, dass Sie vermutlich nicht viel schneller lesen als ein zehnjähriger Schüler Christian Peirick ist Refe– und Sie mithilfe ratsleiter in der Verwaltung einfach zu erlerdes Landtags Rheinlandnender SchnellPfalz. Seit 1998 leitet er Selesetechniken minare zum Thema “Infoflut innerhalb kürbewältigen mit RaLete – Razester Zeit Ihre tionelle Lesetechniken®”. LesegeschwinFoto: BS/privat digkeit verdoppeln können. Allein das kann ten. Und nebenbei müssen für schon zwei bis drei Stunden an die eigentliche Arbeit zunächst Zeitgewinn pro Arbeitstag bewirder Arbeitsauftrag und die dazu- ken. gehörenden Begleittexte gelesen 3. Schritt: Vermeiden Sie Lewerden. Nach neuesten Studien sehemmnisse: Hierzu gehört kommen sog. “Wissensarbeiter” unter anderem der Irrglaube, damit auf einen Leseaufwand durch ein extrem langsames Levon bis zu 5,7 Stunden pro Ar- sen könne man besonders konbeitstag. Es verbleibt daher im- zentriert lesen. Denn wenn das mer weniger Zeit für die originä- Tempo zu gering wird, lasten wir unser Gehirn nicht mehr richtig re Aufgabenerledigung. Mit den folgenden sechs Schrit- aus – sodass sich dieses mit ten können Sie wieder zu einem anderen, (vermeintlich) spanselbstbestimmten persönlichen nenderen Dingen beschäftigt (z. Wissensmanagement gelangen B. mit der am Abend geplanten und die zunehmende Informati- Freizeitaktivität). 4. Schritt: Bestimmen Sie Ihr onsflut bewältigen. 1. Schritt: Optimieren Sie das Leseziel: Wie beim Wandern ist Leseumfeld: Sie können nur es auch beim Lesen unabdingkonzentriert lesen, wenn Sie bar, dass Sie vor dem Start wisAn besonderen Tagen trudeln die E-Mails fast schon im Minutentakt im elektronischen Postfach ein. Viele davon enthalten Anlagen mit oftmals über 100 Seiten. Außerdem gibt es verschiedene Fachzeitschriften, die gelesen werden sollten. Im Internet finden sich ergänzend noch viele weitere Informationen, die interessant sein könn-

sen, was Ihr Ziel, hier also Ihre Leseabsicht ist. Anschließend überfliegen Sie zunächst die Texte. Dann werden Sie nämlich schnell feststellen, dass viele Texte von Ihnen gar nicht oder allenfalls in kleinen Teilen gelesen werden müssen. Auf diese Weise sparen Sie noch einmal viel Zeit ein. 5. Schritt: Verbessern Sie die EMail-Kommunikation: Dazu gehören aussagekräftige Betreffs, die Beschränkung der Adressaten auf das notwendige Maß, das Vorsortieren von E-Mails durch Filterregelungen und das geordnete Ablegen unter Verwendung von Kategorien. Und überlegen Sie einmal, ob Sie sich ständig ablenken lassen wollen durch neu eintreffende Nachrichten. Denn an einem Großteil der Arbeitsplätze würde es ausreichen, zwei bis vier Mal pro Tag sein E-Mail-Postfach aufzurufen und die eingegangenen EMails zu lesen. 6. Schritt: Besuchen Sie ein Schnellleseseminar: Diese und weitere Schritte helfen, wieder zu einem selbstbestimmten persönlichen Wissensmanagement zu gelangen. Am einfachsten erlernen Sie die neue Herangehensweise an Ihre Informationsflut dabei im Rahmen des Praxisseminars “Schneller lesen, mehr behalten, Infoflut bewältigen” am 19. April 2018 in Bonn. Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort “Lesen”.

Im April 2015 wurde die Arbeitsgruppe Gesundheitsförderung und Fehlzeitenmanagement (AGGF) eingerichtet. Ihr Auftrag bestand darin, Maßnahmen zu entwickeln, die der kontinuierlich ansteigenden Arbeitsunfähigkeitsquote innerhalb der Polizei Hamburg entgegenwirken. Da ein Großteil der krankheitsbedingten Fehltage durch Langzeiterkrankungen hervorgerufen wird, entschied sich die Arbeitsgruppe, den Fokus auf das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) zu legen. Es wurden zwei Polizei- und ein Verwaltungsbeamter extern zu “Certified Disability Management Professionals (CDMP)” ausgebildet. Die CDMP tragen innerhalb der Polizei Hamburg die Bezeichnung Gesundheitslotsen. Bereits im Oktober 2015 nahmen die Gesundheitslotsen im Rahmen eines Pilotprojekts ihre Arbeit auf. Nach erfolgreichem Projektabschluss und begleitender Evaluation wurde im Oktober 2016 eine Dienstvereinbarung mit dem Personalrat geschlossen und die Gesundheitslotsen in die Alltagsorganisation übernommen. Sie sind heute im Bereich Soziales und Fürsorge innerhalb der Personalabteilung als eigenständiges Sachgebiet angebunden.

Gesundheitslotsen kümmern sich um alle Beschäftigten Die Gesundheitslotsen sind verantwortlich für den gesamten Prozess des Betrieblichen Eingliederungsmanagements und damit für circa 10.000 Beamte und Tarifbeschäftigte der Polizei Hamburg. Der individualisierte Prozess beginnt mit einer persönlichen und wertschätzend formulierten Einladung des oder der Beschäftigten zu einem unverbindlichen Informationsgespräch. Dieses Angebot, noch

verfahren. Die Gesundheitslotsen werden inzwischen administrativ durch einen sogenannten Koordinator unterstützt. Im April Ralf Martin Meyer ist der 2017 wurde eine Polizeipräsident Hamburgs. weitere PolizeibeFoto: BS/Polizei Hamburg amtin zur Disability Managerin ausgebildet. Von einem unmittelbar positivor Beginn des offiziellen Verfahrens, hat sich mittlerweile etab- ven Einfluss der Gesundheitsliert und als ebenso wirksam wie lotsen auf die Arbeitsunfähigerfolgreich erwiesen. Es folgt ein keitsquote ist auszugehen. Nach individuell angepasster Einglie- dem Ausgangswert von 10,2 Proderungsprozess. Die Gesund- zent im Jahr 2014 betrug die heitslotsen stellen in diesem Ver- Krankenquote 2016 noch 9,2 fahren das Bindeglied zwischen Prozent. Für 2017 lag der Wert Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei 9,3 Prozent. Jenseits der sinkenden Fehlzeidar. Sie fungieren für beide Seiten als Ansprechpartner, Bera- tenquote hat die Einführung der ter und Unterstützer. Ihr Ziel ist Gesundheitslotsen ein deutlies, die individuellen Ressourcen ches Zeichen der Wertschätzung und Bedürfnisse des Mitarbei- für den Umgang mit gesundheitters und die Anforderungen des lich beeinträchtigten MitarbeiteArbeitgebers zu einer praktikab- rinnen und Mitarbeitern gesetzt. len Lösung zusammenzuführen Der nächste Schritt ist ein Fehlund dadurch die Arbeitsunfä- zeiten-Benchmarking, also der higkeit des Einzelnen möglichst Vergleich der Fehlquoten innerfrühzeitig, aber auch nachhaltig halb der einzelnen Abteilungen in der Polizei Hamburg, mit dem zu überwinden. Dabei stellen sie nicht nur für Ziel des Austausches der guten langzeiterkrankte Mitarbeiter und weniger guten Werte. Damit und Mitarbeiterinnen wertschät- soll das System einer sinnvolzende, kompetente, verbindliche len Diagnose und, soweit sich und vertrauliche Ansprechpart- daraus Maßnahmen ableiten ner dar, sondern stehen auch lassen, auch der sinnvollen Inden verantwortlichen Vorgesetz- tervention dienen. Mittelfristiges Ziel ist das systen für präventive beziehungsweise strukturelle Maßnahmen tematische und ganzheitliche Vorgehen zur Förderung der beratend zur Seite. Gesundheit der Beschäftigten in Erwartungen übererfüllt einem “Haus der Gesundheit”. Das individuelle Fallmanage- Es soll eine strategische Planung ment in den Händen ausgebilde- und Steuerung in Sachen Beter Disability Manager gestaltet schäftigtengesundheit ermöglisich sehr positiv. Der Zuspruch chen. Mit der Einrichtung eines Betrieblichen und die erfolgreiche Erweiterung ganzheitlichen des Angebotes übersteigen die G e s u n d h e i t s m a n a g e m e n t s Erwartungen. Durchschnittlich (BGM) soll die Gesundheit der betreuen die Gesundheitslotsen Mitarbeiterschaft als strategizeitgleich 250 Eingliederungs- sches Ziel definiert werden.

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Zahlen & Fakten

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Behörden Spiegel / Januar 2018

Fehlzeitentrends 2016 im Öffentlichen Dienst Verwaltungsweite Fehlzeiten-Statistiken

(BS/Jörn Fieseler) Sind Berlins Beamte und Tarifbeschäftige häufiger krank als Beschäftigte in anderen Ländern oder im Bund? Sind Bayerns Staatsdiener am gesündesten? Diese Fragen lassen sich nicht beantworten. Zu unterschiedlich sind die Fehlzeitenerhebungen der Beschäftigten in Bund und Ländern. Nicht alle Bundesländer haben landesweite Erhebungen und mancherorts bestehen Absprachen mit den Personalvertretungen, vorhandene Statistiken nicht zu veröffentlichen. Ein Vergleich zwischen den Gebietskörperschaften ist nicht möglich. Zu unterschiedlich sind die Methoden der Datenerfassung: Arbeitstage oder Kalendertage? Absolute Zahlen oder errechnete Durchschnittszahlen pro Beschäftigten? Wie mit Anwärtern und Auszubildenden verfahren? Wie mit Mutterschutzzeiten umgehen – einerseits sind sie Fehlzeiten, andererseits keine Krankheitstage?! Letztlich lassen sich aus den verschiedenen Daten Trendaussagen ableiten.

in Bund und Ländern 6%

Keine Angaben

Vorhanden Nicht vorhanden

35 % 59 %

Exemplarische Übersicht durchschnittliche Krankentage 2016 Durchschnittliche Fehlzeiten in Arbeits- oder Kalendertagen (gerundet)

Durchschnittliche Fehlzeiten nach Männern und Frauen (gerundet) 40

40

37,5

Frauen

35

35

30

30 25

23,8

22,6

20

20 15

22,5 20,1

21,3

13,2 10,5

10,7

23,9

21,5

15

13,7

10

25,3

25

21,01

14,3

11

10 5

5 0

Männer

37,2 37,6

Bund

BY

*Angabe in Kalendertagen

BE*

HB*

HH

0

NW**

BY

*Angabe in Kalendertagen

**Eigene Berechnung auf Basis vorhandener Daten

Durchschnittliche Fehlzeiten in Arbeitstagen nach Beamten und Tarifangestellten (gerundet)

Bund

BE*

HB*

HH

**Eigene Berechnung auf Basis vorhandener Daten

Durchschnittliche Fehlzeiten in Arbeitstagen nach Laufbahn (gerundet) Beamte Angestellte

31,2 26,4

Bund

10,1

BY

Mittlerer Dienst (A8-9/E8-9)

15,7

BY

12,1

11,8

Gehobener Dienst (A9-13/E9-12)

6,4 23,2

HH

30

HH

21,6 10,2

16

31,2

17,2 17,5

SH 0

5

10

Höherer Dienst (A13-16/E13-15Ü)

27,3

13

NW*

Einfacher Dienst (< A8-9/E8-9)

18,2 10,1

21,4 22,3

Bund

NW**

15

*Eigene Berechnung auf Basis vorhandener Daten

23,1

NW*/**

17,7 9,8

20

25

30

25 21,9

SH*

14,1 8,4

0

5

10

*Eigene Berechnung auf Basis vorhandener Daten

Quellen:

15

20

25

30

35

**Ohne Schulpersonal

Abfragen aus den Krankenstatistiken der Länder Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein sowie aus den Berichten “Fehlzeiten der Beschäftigten des Freistaates Bayern 2016”, “Pauschale Gesundheitsquoten der Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst Berlin 2016” sowie dem “Gesundheitsförderungsbericht 2016 der unmittelbaren Bundesverwaltung” des Bundesministeriums des Innern.

Grafik: BS/ Beate Dach

© Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.

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Kommune Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Januar 2018

Es bleibt viel zu tun

KNAPP Resolution gegen Gewalt

Kommunale Herausforderungen und Bundes-Sondierungslösungen (BS/Jörn Fieseler) Eigentlich sind Sondierungen vorbereitende Gespräche, in denen die Meinungen der Teilnehmer erkundet werden. Bei CDU/CSU und SPD hat der Meinungsaustausch stellenweise zu sehr konkreten Ergebnissen geführt. Entsprechend positiv fällt das Fazit aus. Vor allem aus kommunaler Sicht. Denn deren Liste der zu bewältigenden Aufgaben ist lang: Finanzausstattung, gleichwertige Lebensverhältnisse und ländliche Räume, damit verbunden die Digitalisierung, Integration und Wohnungsbau und nicht zuletzt die Luftreinhaltung (hierzu siehe Seite 23). Christian Haase, Abgeordneter im Bundestag und Bundesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der CDU, sieht in den Zwischenresultaten nach den Sondierungen die Parteien auf einem guten Weg. “Die Ergebnisse sind aus kommunaler Sicht mit deutlich mehr Licht als Schatten zu bewerten. Das vorliegende Ergebnis zeigt in die richtige Richtung und greift die Probleme der Gesellschaft auf. Es sollte die Basis sein, dass alle drei Parteien Koalitionsgespräche befürworten können.”

gration weiter leisten und die kommunale Investitionskraft stärken, zwei Seiten einer Medaille”, fordert Daldrup. Besonders strukturschwache Regionen bräuchten mehr Wachstum durch Investitionen und einen sozialen Arbeitsmarkt, “damit der Zusammenhalt unserer Gesellschaft keine Floskel für Sonntagsreden bleibt”. Ähnlich äußert sich Haase: “Bei der Digitalisierung sind in der zurückliegenden Wahlperiode die Grundlagen geschaffen worden. Gleichwohl müssen wir feststellen, dass die bisherigen Bemühungen nicht ausreichen. Grundlage künftiger Planungen muss ein bundesweit flächendeckender Glasfaserausbau sein.”

Rund 20 Mrd. Euro finanzielle Zusagen Integration sei eine Daueraufgabe, heißt es vom Deutschen Städtetag. Außerdem stünden Investitionen bei der (energetischen) Sanierung von Schulen, in die Barrierefreiheit und den sozialen Wohnungsbau ganz oben auf der Agenda. Und beim Ausbau von Ganztags-Betreuungsangeboten. Hier seien zusätzliche Plätze oder umfangreichere Betreuungszeiten für rund 560.000 Kinder zusätzlich notwendig. In den Sondierungen sind zu den meisten Themen deutliche Signale gesetzt worden, vor allem in finanzieller Hinsicht. Kommunale Programme des Bundes, wie die Integrationspauschale, die Kostenerstattung für Unterkunft und die Unterstützung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen fortgesetzt werden. Insgesamt acht Mrd. Euro werden für diese Ausgaben bis 2021 gerechnet. Weitere vier Mrd. Euro sind für die Erhöhung der Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für 2020/21, die regionale Strukturpolitik und

Für die Kommunen und ihre Beschäftigten heißt es auch in diesem Jahr, die Ärmel hochzukrempeln. Seitens der Politik deutet sich zumindest finanzielle Hilfe an. Foto: BS/ ©thodonal, Fotolia.com

für ländliche Räume vorgesehen. Für Qualitätsstandards und ein Absenken der Gebühren für Kindertagesstätten sind weitere 3,5 Mrd. Euro für die kommenden vier Jahre vorgesehen. Ebenso verständigten sich die Sondierer auf die weitere Förderung des sozialen Wohnungsbaus bis 2020/2021 in Höhe von zwei Mrd. Euro. Mit der gleichen Summe soll auch ein Programm Ganztagsschule/ Ganztagsbetreuung aufgesetzt werden. Zudem ist für den Breitbandausbau ein eigener Fonds vorgesehen.

Grundsteuer dringenst novellieren Auch die Bürger sollen von der guten konjunkturellen Entwicklung, das Bruttoinlandsprodukt stieg 2017 um 2,2 Prozent, profitieren. Soli-Zahler sollen um 90 Prozent entlastet werden.

Demgegenüber mahnt Bernhard Daldrup, ebenfalls Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecher der Arbeitsgruppe Kommunalpolitik in der SPDBundestagsfraktion, mit Blick auf die Finanzlage in den Gemeinden: “Steuerentlastungen bei Gemeinschaftssteuern reißen auch Löcher in die kommunalen Einnahmen. Würde der Soli abgeschafft, hätten die Kommunen 2,5 Mrd. Euro weniger. Um die Finanzausstattung mindestens zu sichern, muss die Grundsteuer novelliert werden.” Das Gesetz wird noch im Januar 2018 verfassungsrechtlich geprüft. “Eine Novelle liegt vor und kann vom Bundestag beschlossen werden. Sie darf nicht am Veto Bayerns und Hamburgs scheitern, immerhin stehen rund 13 Mrd. Euro jährlich auf dem Spiel”, so Daldrup weiter.

Trotz aller Vorhaben in der kommenden Legislatur bleibt die Lage in den Kommunen weiter angespannt. Nach den jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes sind die Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände zwar in den ersten drei Quartalen 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Prozent (-4,6 Mrd. Euro) gesunken. Allerdings betragen sie immer noch 139,1 Mrd. Euro. Vor allem die Kassenkredite sind mit 45,662 Mrd. Euro auf weiterhin hohem Niveau. Der neue Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, forderte entsprechend: “Die Städte dürfen mit den hohen Risiken der kommunalen Altschulden nicht alleine gelassen werden. Sie brauchen die Unterstützung von Bund und Ländern.” Deshalb “muss der Bund seinen Teil der Flüchtlingsinte-

Kommunalvertreter mehr einbeziehen Ebenso werde es bei der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse darum gehen, neben der Digitalisierung bei weiteren Bereichen wie Gesundheitsversorgung, ÖPNV, Infrastruktur, aber auch Einkaufsmöglichkeiten Grundlagen für die weitere Umsetzung zu definieren. Immerhin leben 70 Prozent der Menschen außerhalb in mittleren und kleinen Städten oder in ländlichen Regionen. “Wichtige Voraussetzung dafür ist die von CDU und CSU geforderte Kommission zur Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen, in der neben Bund und Ländern auch die Kommunen gleichberechtigt vertreten sein müssen”, so Haase. Außerdem sollten bei weiteren Koalitionsverhandlungen die Kommunalvertreter beteiligt werden, fordert der KPVBundesvorsitzende der CDU. “Es gilt, die Interessen der Kommunen bei den weiteren Gesprächen eins zu eins einzubringen.”

(BS/kh) Das Präsidium des Deutschen Landkreistages (DLT) nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass die Anzahl an verbalen und körperlichen Angriffen gegen Landräte und andere Amtsträger deutlich gestiegen ist. Aus diesem Grund wurde die Resolution “Keine Gewalt gegen öffentlich Bedienstete!” beschlossen. “Immer wieder haben wir es mit Beleidigungen, Drohungen und tätlichen Angriffen gegenüber Amtsträgern und Verwaltungsmitarbeitern zu tun. Derartige Attacken sind unerträglich und müssen mit unserem rechtsstaatlichen Instrumentarium konsequent geahndet werden. Wir müssen über das Strafrecht hinaus aber vor allem auch im täglichen Miteinander immer wieder deutlich machen, dass wir so etwas in unserer Gesellschaft keinesfalls dulden”, so der DLT-Präsident, Landrat Reinhard Sager.

Blaue Plakette spaltet (BS/kh) Das Thema blaue Plakette entzweit die kommunalen Spitzenverbände. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund lehnt sie ab und schlägt stattdessen die Umwidmung nicht abgerufener Mittel aus der Elektroauto-Kaufprämie vor, um damit Elektrobusse stärker zu fördern. “Ich warne vor Plaketten, das zeigen die Erfahrungen mit den Umweltplaketten”, betont DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg, der diesen nur geringe Auswirkungen auf die Feinstaubminderung zuschreibt. Demgegenüber spricht sich der Deutsche Städtetag für die blaue Plakette aus. “Wir brauchen eine Lösung, die funktioniert, die Gesundheit der Menschen schützt und den Verkehr in den Städten nicht lahmlegt”, erklärt Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

11. Bürgermeisterkongress

Risiken und Katastrophen in Deutschland 16. – 17. April 2018 Bad Neuenahr-Ahrweiler

Beratend: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Bernd Kasper, pixelio.de; Lichtkunst.73, pixelio.de; panimia, pixabay.com; M.Großmann, pixelio.de

www.buergermeisterkongress.de

Eine Veranstaltung des

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Kommunalpolitik

“D

Kampf den deutschen Geisterstädten!

ie Anzahl der Kundenbesuche in den bundesweiten Innenstädten sinkt seit Jahren”, sagt Bernd Öhlmann, GeschäftsführerderWirtschaftsförderung der Stadt Diepholz. Hinzu kämen drei Trends, nach denen sich die potenziellen Käufer orientieren würden: OnlineShopping, Erlebnis-Shopping, wie verkaufsoffene Sonntage, und Smart-Shopping, bei denen bewusst die Schlussverkäufe ausgenutzt würden. Diese Entwicklung zeichnet sich nicht nur in Städten mit bis zu 20.000 Einwohnern wie im niedersächsischen Diepholz ab.

Wie neue Projekte mit altbekannten Riesen die Innenstädte retten sollen (BS/Adrian Bednarski) Der Einzelhandel in den deutschen Innenstädten stirbt. Der ganze Einzelhandel? Nein – Kooperationsprojekte sollen den stationären Einzelhandel konkurrenzfähig machen. Indem sie ihm den Weg in das Online-Geschäft ermöglichen. EBay und DHL spielen dabei eine tragende Rolle. Aber bringen die Kooperationen den erwarteten Mehrwert?

E-Commerce ist existenzbedrohend! “Insbesondere seitdem die Umsätze des E-Commerce in die Höhe schießen, bangt der Einzelhandel um seine Existenz”, beschreibt Wolfgang Speen , Sprecher aus dem Mönchengladbacher Rathaus, dem Behörden Spiegel die aktuelle Situation. In der rund 260.000 Einwohner zählenden Stadt sind mithilfe eines Forschungsprojekts die konkreten Auswirkungen und Optionen für den Einzelhandel untersucht worden, um dem Existenzverlust entgegenzuwirken. Bei einer in diesem Kontext durchgeführten Kundenbefragung kam heraus, dass OnlineEinkaufen für alle Kundengruppen attraktiv sei.

Ohne Online geht es nicht Daraus resultiere, so Speen, dass eine digitale Erreichbarkeit des städtischen Einzelhandels ausgebaut werden müsse. “Als Fundament sollte ein Online-Marktplatz dienen. Durch das anschließende Auswahlverfahren bedingt, wurde eBay schließlich Projektpartner”, erläutert er. Ein eigener und gemeinsamer Online-Marktplatz war auch das gemeinsame Ziel in Diepholz. “Schnell stellte sich jedoch heraus, dass eine Eigenlösung sich zu aufwendig gestaltet”, so Öhlmann. Die Stadt habe sich deshalb bei dem Wettbewerb “Die Digitale Innenstadt” beworben, der vom Handelsverband Deutschland und eBay ausgeschrieben wurde. Sie erhielt den Zuschlag für das Nachfolgeprojekt des vorangegangenen “Mönchengladbach bei eBay”. In Bonn hingegen gingen DHL, der Einzelhandelsverband Bonn und das City Marketing auf die Geschäftskunden zu, welche vielfach klein- und mittelständig sind.

Konkurrenzfähiger Handel “Wir wollten auch solchen Unternehmen den Weg in den ECommerce und zu neuen Zielgruppen ermöglichen. Dadurch bleibt der lokale Einzelhandel konkurrenzfähig”, erläutert

Behörden Spiegel / Januar 2018

Die Kunden kaufen online, immer mehr und mehr Läden schließen: Drohen die Innenstädte zu verwaisen und zu Relikten vergangener Ären zu werden, wie die Telefonzellen? Aber der Widerstand regt sich und neue Projekte sollen die Umsätze des stationären Einzelhandels wieder erhöhen. Aber kommen auch die Menschen in die Städte zurück? Foto: BS/Wendelin Jacober, CC BY 2.0, flickr.com

Dunja Kuhlmann, Sprecherin der Deutschen Post DHL Group, die Anfänge des Projektes. Die beschlossenen Kooperationen wurden in den drei Städten unterschiedlich, je nach Partner, umgesetzt.

Synergieeffekte durch die Partner “Die Händler haben sich dann gemeinsam in das Projekt hineingearbeitet und Erfahrungen ausgetauscht”, sagt Öhlmann. Sortimente seien überarbeitet sowie neue Organisationsstrukturen im Laden geschaffen worden. Die Projekte wurden seitens der Wirtschaftsförderung durch breitgefächerte Marketingaktivitäten wie Werbung auf City Lights, Fotoshootings und Workshops begleitet. Die eBay-Plattformen werden in Diepholz und Mönchengladbach von beiden Wirtschaftsförderungen nach wie vor betreut. Hierfür führte das Unternehmen Schulungen durch, um die jeweiligen Marktplätze den Städten anzuvertrauen. Interessierte Händler können sich über die Ansprechpartner auf der Plattform anmelden und die Zahl derer sei steigend. “Des Weiteren fragen wir nach und holen uns das Feedback der Händler ein, wie es mit eBay läuft und was optimiert werden könnte”, erklärt Speen die fortgesetzte Kooperation. Die Händler seien neben der eigenen Plattform auch über das “normale” eBay auffindbar. Auch die DHL betreue die interessierten Bonner Einzelhändler auf ihrer Plattform. “Daneben bietet sie den Händlern ein ganzheitliches Angebot über die gesamte Wertschöpfungskette

hinweg”, äußert sich Kuhlmann. Dies umfasse beispielsweise die Vermarktung sowie vereinfachte Versandvorbereitungen und Lieferungen. Denn die Versandoptionen seien hierfür gesondert an die lokalen Händler angepasst worden, wodurch die Möglichkeit bestehe, dass regionale Käufer die Ware innerhalb von zwei Stunden erhielten. “In dem Pilotzeitraum sind 3,2

Millionen Euro Umsatz über das Portal generiert worden. Mehr als 200.000 Artikel sind online gewesen, wobei mehr als 87.000 Artikel in 84 Länder verkauft wurden”, resümiert Speen für Mönchengladbach.

Aber gemischte Bilanz bleibt Die aktiven Händler hätten in diesem Zeitraum einen durchschnittlichen zusätzlichen Jah-

resumsatz von 90.000 Euro erzielt. Bis heute seien ungefähr sieben Millionen Euro Umsatz durch die Kooperation in Mönchengladbach erzielt worden. Aber: Nach der Pilotphase habe sich knapp die Hälfte der Händler in Mönchengladbach wieder abgemeldet. Als Beweggründe würden geringer Umsatz und ein zu hoher Personal- sowie Zeitaufwand gelten. “In der Summe waren dies die Händler, die schon in der Pilotphase weniger aktiv waren”, merkt Speen an. Er ergänzt, dass, je vielfältiger das Angebot gewesen sei, der Erfolg umso größer gewesen ist. “Wir sind sehr zufrieden mit dem Projekt, da es gezeigt hat, dass ein international angebundener Online-Marktplatz ein guter zusätzlicher Absatzmarkt für die Händler ist”, kommt das Fazit aus Mönchengladbach. Auch Diepholz äußert sich positiv: Das Gros der Händler habe die Chance genutzt, sogar 40 bis 50 Prozent von ihnen taten es sehr gut. Doch auch hier seien Händler während oder kurz nach dem Projekt wieder ausgeschieden. Da in Bonn das Projekt erst vor Kurzem an den Markt gegangen

ist, können noch keine konkreten Zahlen vorgelegt werden. “Aber das Angebot wird von den Bonner Händlern sehr gut angenommen. Bereits rund 90 Händler haben sich registriert und mehr als die Hälfte davon ist auf der Plattform präsent”, erläutert Kuhlmann von DHL. Im nächsten Schritt würden die Händler ihre Produkte vermehrt Online auf die Plattform hochladen, das Ziel sei, das gesamte Bonner Einzelhandelsangebot widerzuspiegeln.

Rettet dies die Innenstädte? Aber insgesamt hat sich bei den eBay-Projekten herausgestellt, dass sich die Besucherzahlen in den Innenstädten nicht verändert haben. Der hinzugewonnene Umsatz sei hauptsächlich auch im örtlichen Versandgeschäft erzielt worden. Deshalb sei es wichtig, dass die lokalen Händler Themen wie “click & collect” bespielen. Dies umfasse die Online-Reservierung und anschließende lokale Abholung. Zusätzlich könnten daran Aktionen, die auf “online/ stationär” abzielten, gekoppelt werden. Zum Beispiel könnten bei Selbstabholungen den Kunden Sonderrabatte eingeräumt werden. Auch in Bonn bleibt eine Portion Skepsis, denn wie sich das Projekt entwickelt, hänge nun stark von den Händlern und ihrem Engagement ab. Grundsätzlich werde es jedoch auch seitens der Stadt und des Einzelhandelsverbands Bonn e. V. begrüßt.

Lebendige Nachbarschaft Projekte zur Förderung des solidarischen Miteinanders (BS/Katharina Hofmann*) Gemeinsam mit ihren Mitspielern gestalten die Deutsche Fernsehlotterie und ihre Stiftung, das Deutsche Hilfswerk, das solidarische Miteinander in Deutschland. Dabei spielt neben dem ländlichen Raum auch die aktive Nachbarschaft in der Stadt eine wichtige Rolle. Unsere Gesellschaft verändert sich. Die Menschen werden immer älter und bleiben länger aktiv. Umso wichtiger ist es, sie verstärkt in das nachbarschaftliche Miteinander einzubinden. Bundesweit kümmern sich Quartiersprojekte darum, generationenübergreifende Angebote im Viertel zu schaffen, von denen alle Bewohner profitieren. Sie regen den Dialog zwischen den Generationen über bürgerschaftliches Engagement an, verbessern die Infrastruktur und sorgen somit für eine lebenswerte Nachbarschaft – in der Stadt wie auf dem Land. Für Christian Kipper, Geschäftsführer der Deutschen Fernsehlotterie und des Deutschen Hilfswerks, ist die Frage, wie das Miteinander in Zukunft organisiert werden kann, eine Herzensangelegenheit. “Der Nachbarschaft in Kommune und Quartier kommt eine be-

sondere Bedeutung zu, denn es ist wichtig, gemeinsam dort Verantwortung zu übernehmen, wo Hilfe nötig ist”, sagt Kipper. Vor Ort zeige sich, wie sehr Solidarität für eine aktive Gemeinschaft gebraucht werde.

Miteinander im Viertel Schauplatz dafür sind die Quartiere. Mehrgenerationenhäuser bringen Jung und Alt durch Freizeitangebote zusammen, Beratungsstellen unterstützen pflegende Angehörige, und Quartiersmanager sorgen für mehr Miteinander in der Nachbarschaft. “Diese Gegenseitigkeit und der Blick für die Menschen in der Umgebung sind für unsere Gesellschaft sehr wichtig. Zusammen mit unseren Mitspielern wollen wir deshalb das solidarische Miteinander aktiv gestalten”, betont Kipper. Allein im letzten Jahr förderte die Soziallotterie 105

Der Bauspielplatz Schwerin ist Spiel- und Lernort für Kinder, aber auch Begegnungsstätte für alle Generationen. Fotos: BS/Deutsche Fernsehlotterie

Quartiersprojekte mit mehr als zwölf Millionen Euro – Tendenz steigend. Das Seniorenzentrum St. Valentin in Karlsruhe zeigt, wie der Austausch der Generationen funktionieren kann: Das öffentliche Café ist Anlaufplatz für alle Menschen des Stadtteils Daxlanden. Hier trifft man sich nicht nur zu Kaffee und Kuchen, sondern auch zu geselligen Spielenachmittagen. In den Vorleserunden gibt es zudem für alle Neues zu entdecken: Senioren erinnern sich an die Lieblingsgeschichten ihrer Kindheit und die Kinder bringen ihre liebsten Bilderbücher mit. Das Nachbarschaftsbüro “WILLKommen” organisiert weitere Veranstaltungen im Quartier, mit dem Ziel, alle Bewohner zusammenzubringen. Der Bauspielplatz Schwerin ist nicht nur für die Kinder des Viertels ein Erlebnis. Hier steht das

elementare Lernen im Mittelpunkt – geübt wird zum Beispiel der kontrollierte Umgang mit Gefahren wie Hammer, Nägeln und Säge beim Bau kleiner Hütten. Darüber hinaus kommen Nachbarn aller Generationen zusammen, um den Kräuterund Gemüsegarten zu pflegen. Am Ende des Tages tauschen sich Jung und Alt am großen Lagerfeuer aus. *Katharina Hofmann betreut als Autorin die Plattform Du-bistein Gewinn.de.

Weitere Infos Auf fernsehlotterie.de und Dubist-ein-Gewinn.de erfahren Sie mehr über die Arbeit und die Fördermöglichkeiten der Deutschen Fernsehlotterie und der Stiftung Deutsches Hilfswerk.

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Kommunaler Haushalt

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Trendwende in Kassel – Schulden in Frankfurt Marode Straßen trotz guter Steuereinnahmen Großstädtebericht Hessen

Ursachen und Lösungsansätze für den kommunalen Investitionstau

(BS/lkm) Hessens Rechnungshof nahm die Haushalte von fünf verschiedenen Großstädten genau unter die Lupe. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Wirksamkeit der bisherigen Konsolidierungsbemühungen. Untersucht wurden die Städte Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Wiesbaden und Kassel. Die Haushalts- und Ausgangslage der fünf Städte war dabei sehr unterschiedlich, genauso wie die Konsolidierungsbemühungen.

(BS/lkm) Dem aktuellen KfW-Kommunalpanel zufolge betrug der wahrgenommene Investitionsstau in den Kommunen im letzten Jahr 126 Milliarden Euro. Die Hauptdefizite lagen dabei in den Bereichen Straße und Verkehr sowie Schule und Bildung. In einer Diskussionsrunde auf dem 12. Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur des Behörden Spiegel zeigte sich, dass aber nicht nur das Geld ein Problem ist, auch fehlendes Personal und Planungsengpässe tragen ihren Teil zum hohen Investitionsrückstand der öffentlichen Hand bei.

Während Frankfurt am Main und Wiesbaden bei hohen Rücklagen und einer vergleichsweise geringen Pro-Kopf-Verschuldung keinen Konsolidierungsbedarf im Prüfzeitraum (2010 bis 2014) aufwiesen, waren Darmstadt, Kassel und Offenbach im Jahr 2014 konsolidierungsbedürftig und hoch verschuldet. Sie erhielten allein aus dem kommunalen Schutzschirm Entschuldungshilfen von insgesamt 658,3 Millionen Euro. Den vereinbarten Konsolidierungspfad hielten sie bis zum Prüfungszeitpunkt ein.

Hohe Ausgaben in Frankfurt Wie der Großstädtebericht zeigt, produzierte Frankfurt ein Defizit von rund 80 Millionen Euro (Vorjahr: Überschuss von 73 Millionen Euro), während Wiesbaden und Offenbach jeweils Überschüsse in Millionenhöhe – Wiesbaden mit 82 Millionen Euro (Vorjahr: 12 Millionen Euro) und Offenbach mit 47 Millionen Euro (Vorjahr: 17 Millionen Euro) – vorwiesen. Woher kommen die hohen Ausgaben in Frankfurt? “Hier spielen selbstverständlich viele Faktoren eine Rolle: Die Stadt wächst und verändert sich. Es ist vor allem aber auch eine Frage der selbstgesetzten Standards bei den Pflichtaufgaben und den freiwilligen Leistungen”, erklärt Dr. Walter Wallmann, Präsident des Hessischen Rechnungshofes. Wie zu erwarten, hielten die Großstädte abhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Leistungsangebot in den Bereichen Kultur, Sport und Bäderbetrieb, Volkshochschule sowie Wirtschaftsförderung und Tourismus vor. Frankfurt und Wiesbaden hielten dabei als nicht konsolidierungsbedürftige Großstädte die umfangreichsten Leistungsangebote vor. “Für das kommende Jahr thematisiert der Kämmerer die Frage, ob ein Haushaltssicherungskonzept notwendig wird. Danach wird die Rücklage der Stadt Frankfurt spätestens 2020 aufgebraucht sein. Die

Stadt wird nach dieser Planung bis 2021 ihren Schuldenstand von aktuell 1,475 Milliarden Euro auf rund 2,9 Milliarden Euro verdoppeln”, erklärt Wallmann weiter. Sollte sich der Trend negativer Jahresergebnisse über den Zeitraum der mittelfristigen Ergebnisplanung hinaus weiter fortsetzen, wäre Frankfurt rechnerisch im Jahr 2028 konsolidierungsbedürftig, warnen die Prüfer in ihrem Bericht.

Trendwende in Kassel Erfreulich war dagegen die Entwicklung in Kassel: Kassel hat die Trendwende geschafft und ist ein Beispiel für erfolgreiche Konsolidierung. Hier zeigt sich, dass Konsolidierung oft auch mit vermeintlich kleinen Schritten – wie den Parkgebühren – beginnt. Aufgrund vieler – auch unpopulärer – Maßnahmen ha-

Die Stadt Kassel ist eine der ersten Kommunen in Hessen, die den Schutzschirm des Landes verlassen hat. Foto: BS/pixelio.de

be Kassel ab 2015 wieder den Haushaltsausgleich geschafft und konnte in diesem Jahr – als erste hessische Stadt – aus dem Schutzschirm aussteigen.

Fehler aus der Vergangenheit belasten Offenbach Auch wenn Offenbach erstmals wieder positive Finanzzahlen aufwies: Die Lasten der Vergangenheit wiegen schwer und resultieren dem Rechnungshof zufolge auch aus Fehlern in der Vergangenheit. “Allein der Verkauf von 90 Prozent des Klinikums für einen Euro – bei

für das Klinikum geleisteten Zahlungen und eingegangenen Verpflichtungen von insgesamt 385 Millionen Euro – ist hier zu kritisieren”, so Wallmann. So haben auch die zeitgleich vom Land im Rahmen des Schutzschirms geleisteten 211 Millionen Euro und auch die bereits 2012 gezahlten Mittel aus dem Landesausgleichsstock von 40 Millionen Euro nicht zu geringeren Schulden geführt. Ende 2016 beliefen sich die Schulden in Offenbach auf 927 Millionen Euro (je Einwohner 7.495 Euro). Seit 2015 macht das Klinikum wieder Gewinn, aber die Stadt hat nichts davon: Sie verzichtet bis einschließlich 2023 auf eine Gewinnbeteiligung.

Schuldenabbau forcieren Die Prüfer appellieren an alle Großstädte, zu hinterfragen, ob sie sich Aufgaben, zu denen sie nicht gesetzlich verpflichtet sind, im bestehenden Umfang leisten können, eine wirtschaftlichere Leistungserbringung möglich ist oder ob eine alternative Finanzierung durch Nutzungsentgelte erfolgen kann. Andernfalls seien die bestehenden kommunalen Leistungen durch die steuerpflichtigen Bürger im Sinne einer Ultima Ratio durch Anpassung des Hebesatzes für die Grundsteuer B bis zur Höhe eines ausgeglichenen Haushalts zu refinanzieren. Zu einem nachhaltigen Konsolidierungsmanagement gehört den Prüfern zufolge auch der Abbau der dauerhaft in Anspruch genommenen Kassenkredite. Mit einem sukzessiven Abbau der Kassenkredite würden sich Darmstadt, Kassel und Offenbach auf der einen Seite durch einen sinkenden Zinsaufwand stetig entlasten und auf der anderen Seite einem Zinsänderungsrisiko durch steigende Zinsen entgegentreten. “Die Großstädte sind vor diesem Hintergrund dazu aufgefordert, den Abbau der Schulden zu forcieren und damit direkt zur Zukunftssicherung durch eine stabile Finanzlage beizutragen”, so das Resümee der Prüfer.

Janina Oest, Referentin für Infrastrukturfinanzierung bei der KfW, und Florian Schilling, Referatsleiter für Kommunalfinanzen beim DStGB, zeigten Wege auf, um dem kommunalen Investitionsstau zu begegnen. Foto: BS/Dombrowsky

Den enormen Investitionsstau der Kommunen abzubauen, sei keine Aufgabe von zwei bis drei Jahren, sondern von Jahrzehnten, betonte Florian Schilling, Referatsleiter für Kommunalfinanzen beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB). Um dieses Problems Herr zu werden, ist laut Schilling eine nachhaltige Investitionsoffensive notwendig. Dazu gehöre unter anderem, dass Kommunen eine aufgabengerechte Finanzausstattung erhielten und das Kooperationsverbot gelockert werde. “Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass wir gesamtwirtschaftliche Aufgaben nicht über alle Ebenen finanzieren können”, kritisiert Schilling. Auch sei ein Abbau überbordender Administration notwendig. Standards müssten hinterfragt und überprüft werden. So gebe es aktuell 16 verschiedene Bauordnungen. Hier wäre es besser, eine gemeinsame Musterbauordnung zu erarbeiten. Auch die kommunalen Planungskapazitäten und die interkommunale Zusammenarbeit sollten gestärkt werden. Auch Mario Hesse, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliche Finanzen und Public Management der Universität Leipzig, machte deutlich, dass, gemessen an der Wirtschaftsleistung in den vergangenen Jahren, ein deutlicher Rückgang der Investitionen und der infrastrukturbezogenen Ausgaben in den Kommunen zu erkennen sei. “Das große Inves-

“Doppik”

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

Herstellungskosten oder der Wiederbeschaffungszeitwerte in die Gebührenkalkulation

Grafik: BS/Rechnungshof Hessen; Quellen: eigene Darstellung, entwickelt auf Grundlage von § 41 Absatz 3 GemHVO und Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Arbeitsgruppe Infrastrukturmanagement: Empfehlungen für das Erhaltungsmanagement von Innerortsstraßen, Ausgabe 2012 – E EMI 2012 sowie Gemeindeprüfungsanstalt NRW: Abgrenzung von Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand beim Infrastrukturvermögen, S. 8

Während vor 20 Jahren noch bei der Beratung von Kommunen die Finanzierung im Vordergrund standen habe, seien dies heute jedoch ganz andere Fragen, berichtet Hartmut Fischer, Geschäftsführender Gesellschafter der VBD Beratungsgesellschaft für Behörden. “Die Finanzierung und Geldbeschaffung ist zurzeit kein Hindernis für Projekte”, so Fischer. Grund seien unter anderem die niedrigen Zinsen, die große Liquidität am Markt sowie sprudelnde Steuereinnahmen. Engpässe würden heute vielmehr beim Personal, den Planungskapazitäten und den knappen Ressourcen in Bauwirtschaft und Handwerk bestehen. Auch Janina Oest, Referentin für Infrastrukturfinanzierung bei der KfW Bankengruppe, bestätigte, dass die Finanzierung in der Regel kein Problem sei. “Das gilt aber nur für Kommunen, die einen ausgeglichenen Haushalt

Neues kommunales Investitionsprogramm

von Dr. Ulrich Keilmann

grenzung wirkt sich regelmäßig deutlich auf die Kalkulation der kommunalen Benutzungsgebühren und Beiträge aus. Für die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermittelnde Benutzungsgebühr ist es nicht unerheblich, ob eine Maßnahme im Kalkulationszeitraum als Aufwendung für Unterhaltung oder über eine anteilige Abschreibung auf Basis der Anschaffungs- oder

Knappe Personal- und Planungsressourcen

haben”, gibt Oest zu bedenken. Auch sei bei den Kommunen im Gegensatz zu Bund und Ländern die Kreditfinanzierung immer noch eine der wichtigsten Finanzierungsformen. Es gebe hier nur wenig Veränderung bei den Instrumenten zur Investitionsfinanzierung. Alternative Finanzierungsmodelle seien für Kommunen wenig relevant. Bei den Finanzierungsmodellen stünden den Kommunen neben der klassischen Kreditfinanzierung aber auch viele andere Modelle zur Verfügung, so Schilling. Der KommunalfinanzExperte nannte hier unter anderem Schuldscheindarlehen und Anleihen, Crowdfunding, Genossenschafts- und Beleihungsmodelle und die Verursacherfinanzierung. Auch Öffentlich Private Partnerschaften dürfe man nicht per se verteufeln. “In Anbetracht des Fachkräftemangelns in der Verwaltung ist das eine Option”, so Schilling. Bei den Fördermitteln zeige sich in der Praxis oft das Problem, dass finanzschwache Kommunen große Probleme hätten, den dafür erforderlichen Eigenanteil zu erbringen. Auch sei die zeitliche Begrenzung ein Problem. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund plädiere daher für eine Entfristung der Fördermittel, betonte Schilling. Auch hätten kleine Kommunen enorme Probleme, sich für alle Fördermittel zu bewerben und von allen Fördermöglichkeiten Kenntnis zu haben.

MELDUNG

Investition oder Erhaltungsaufwand? Auch acht Jahre nach der Doppik-Einführung werden Investitionen und Erhaltungsaufwand in der kommunalen Praxis immer noch nicht sauber und einheitlich voneinander abgegrenzt. Grundsätzlich werden getätigte Investitionen über die erwartete Nutzungsdauer abgeschrieben. Das klingt einfach, ist es aber nicht immer. Zum einen weichen technische und wirtschaftliche Nutzungsdauern oft von der buchhalterisch angesetzten Nutzungsdauer ab, weswegen sich auch aus dem Verhältnis zwischen Investitionen und Abschreibungen nicht eins zu eins ein Sanierungsstau ablesen lässt. Zum anderen werden Erneuerungsmaßnahmen in bestehenden Anlagen teilweise nicht als Investition, sondern als Erhaltungsaufwand ausgewiesen. Dabei lässt sich recht einfach der Erhaltungsaufwand von der Investition (vgl. dazu das nachstehende Beispiel beim Trinkwassernetz) abgrenzen: Gerade eine fehlerhafte Ab-

titionsfeuerwerk, das wir erwarten, bleibt aus”, so Hesse. Das sei aufgrund der aktuell guten Wirtschaftslage befremdlich. Auf kommunaler Ebene finde nach wie vor ein realer Vermögensverzehr statt, warnt der Wissenschaftler. Bund und Länder hingegen könnten hier positive Salden verzeichnen. Als Gründe für die negativen Nettoinvestitionen nennt Hesse deutlich abnehmende Investitionszuweisungen.

einfließt. Gleiches gilt für sachgerecht kalkulierte Beiträge, die im Sinne des Grundsatzes zur Erzielung von Erträgen und Einzahlungen kommunale Infrastruktureinrichtungen generationengerecht refinanzieren sollen. Hilfreich für die kommunale Praxis wären seitens des Verordnungsgebers konkretisierende Regelungen für die Abgrenzung von Investition und Erhaltungsaufwand, um den Kommunen bei der buchhalterischen Erfassung dieser Vorgänge zu helfen. Einheitliche Festlegungen, beispielsweise durch das Aufstellen von Aktivierungsrichtlinien, könnten Orientierungspunkte vorgeben, die eine einheitliche Abgrenzung ermöglichen. Lesen Sie mehr zum Thema “Abgrenzung von Erhaltungsaufwand und Investition” im Kommunalbericht 2016, Hessischer Landtag, Drucksache 19/3908 vom 2. Dezember 2016, u.a. S. 172 ff. (“Trinkwasser III”) und S. 300 ff. (“Straßenunterhalt II”).

(BS/lkm) Bayerns Innen- und Bauminister Joachim Herrmann hat ein neues Investitionsprogramm vorgestellt, mit dem finanzschwache Kommunen unterstützt werden sollen. Mehr als 293 Millionen Euro stehen für die Verbesserung der Schulinfrastruktur bereit. “Das Programm richtet sich an finanzschwache Gemeinden und Gemeindeverbände. Wir fördern damit beispielsweise die energetische Sanierung von Schulgebäuden oder den Abbau von baulichen

Barrieren”, so Herrmann zum Start des neuen “Kommunalinvestitionsprogramms Schulinfrastruktur KIP-S”. Interessierte Kommunen können sich bis einschließlich 27. April 2018 mit ihren Projekten bei der jeweiligen Bezirksregierung bewerben. “Zusammen mit den Kommunalen Spitzenverbänden haben wir objektive Kriterien für die Antragsberechtigung entwickelt, um die Abwicklung für die Kommunen und die Verwaltung zu erleichtern”, erläuterte Herrmann.

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Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

Seite 22

Behörden Spiegel / Januar 2018

Köln im Jahre 2040

Untergang der Fischzucht

Leistungsfähige Infrastruktur generationengerecht finanzieren

Stadtwerke Völklingen sanieren sich nach Reinfall

(BS/lkm/gg) Wie können es Kommunen schaffen, finanzielle Handlungsfähigkeit und notwendige Investitionen zum Erhalt und zur Entwicklung ihrer Infrastruktur in Einklang zu bringen? Wie ist dies möglich, wenn Schulden zu tilgen und gleichzeitig eine nachhaltige Stadtentwicklung zu gewährleisten sind? Wie können die Finanz- und Infrastrukturplanung langfristig die Finanzierung von Investitionen sichern? Welche Instrumente werden dazu benötigt und wie sind diese einzusetzen? Dies sind Fragen, die sich die Stadt Köln zusammen mit dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) und dem Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut an der Universität zu Köln (FiFo) gestellt hat. Erste Erkenntnisse und weiterführende Schritte wurden Ende Dezember in Köln auf einem Symposium präsentiert und diskutiert.

(BS/Adrian Bednarski) Erst war Land unter bei den Stadtwerken Völklingen. Diese standen kurz vor der Insolvenz, nachdem die eigene Fischzucht als alternative Geldquelle ein Schlag ins Wasser war. Aber eine gemeinsame Sanierungsstrategie des Stadtrates sowie der Stadtwerke sichert aktuell die finanzielle Situation. Neben den Krediten waren die Mitarbeiter sowie Innovationen ausschlaggebend – was kann von den Stadtwerken gelernt werden?

Mit dem Projekt sollen Kriterien für die Priorisierung kommunaler Infrastrukturen entwickelt und diese langfristig mit der Finanzplanung koordiniert werden. “Unser Ziel war die generationengerechte Finanzierung einer leistungsfähigen Infrastruktur”, berichtet Dr. Henrik Scheller, Teamleiter Finanzen vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin. Hierfür dürfe man sich nicht nur die Kernverwaltung anschauen, sondern müsse auch über den Tellerrand hinausschauen. Mit einer langfristigen Infrastrukturbedarfsanalyse bis 2040 projizierte man für Köln Szenarien für den zukünftigen Infrastrukturbedarf und identifizierte mit der doppischen Tragfähigkeitsrechnung die Tragfähigkeitslücken des städtischen Haushaltes. Dr. Michael Thöne, geschäftsführender Vorstand des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitutes der Universität Köln, betonte, dass die Zufriedenheit mit der Schwarzen Null nichts mit Tragfähigkeit zu tun habe. “Man darf sich nicht auf den Lorbeeren einer Schwarzen Null ausruhen.” Das Kölner Tragfähigkeitskonzept sei grundsätzlich auf andere Kommunen übertragbar. Es müsse nun gelingen, mit diesem den innerstädtischen Diskussionsprozess zu bereichern. Es sei nun spannend zu sehen, welche Erfahrungen Köln machen werde und wie es die Möglichkeiten insbesondere zur Kommunikation nutzen werde. Ein Dilemma sei jedoch, dass man bei der langfristigen Planung hohe Unsicherheiten darüber habe, wie sich die Infrastruktur in Zukunft entwickeln werde. Hätte man das Projekt bereits 1990 gemacht, würde man heute sagen, dass das was da rauskam, völliger “Käse” sei. “Ich glaube nicht, dass wir prognostizieren können, wie die Technologie 2040 aussieht. Man kann immer nur Näherungswerte ermitteln, dennoch ist es notwendig, das zu tun”, betonte Dr. Jens Libbe, Leiter des Arbeitsbereichs Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen beim Difu. Man

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Doppelfunktion führt zu Interessenkonflikten In den Aufsichtsräten kommunaler Unternehmen werden die Vertreter der öffentlichen Hand dabei oftmals mit sehr unterschiedlichen, häufig auch komplexen rechtlichen Anforderungen konfrontiert. So kann eine Doppelfunktion als Vertreter der Stadt bzw. des Kreises und als Aufsichtsratsmitglied einer Beteiligungsgesellschaft mitunter zu Interessenkonflikten führen. Andererseits kann die strategische (politische) Rolle des Aufsichtsrats durchaus von Vorteil

Unangenehme Wahrheiten erkennen “Ich bin mir sicher, das 20 bis 25 Prozent der Infrastruktur, für die ich in Schleswig-Holstein verantwortlich war, unproduktiv ist”, machte Thomas Losse-Müller, ehemaliger Staatssekretär des Landes Schleswig-Holstein, auf dem Symposium deutlich. Problematisch sei beispielsweise auch hier die schon erwähnte demografische Entwicklung. “Wir fangen aktuell damit an, Geburtskliniken zu schließen und die Altersmedizin auszubauen. In der späteren Generation wird

Köln versucht, eine Balance zwischen infrastrukturellen Bedarfen und deren Finanzierung in Zeiten knapper Ressourcen zu finden. Foto: BS/Guy Gorek, cc by nc nd 2.0, flickr.com

es aber dieses Ungleichgewicht nicht mehr geben”, so LosseMüller. Hier sei daher strategische Planung notwendig. “Wir geben heute weniger für die Infrastruktur aus als noch vor 20 Jahren”, kritisierte LosseMüller. Um dieses Problem zu lösen, dürfe man auch unangenehme Diskussionen wie bspw. über Steuererhöhungen oder Öffentlich Private Partnerschaften nicht scheuen. Wichtig sei es, sich hier ehrlich zu machen. “Und Frau Klug macht sich in Köln ehrlich”, betonte Losse-

Müller mit Blick auf die nachhaltige Finanzplanung der Stadtkämmerin Gabriele C. Klug. “Wir haben uns daran gewöhnt, dass die öffentliche Infrastruktur abgeranzt ist”, brachte es Prof. Dr. Dennis Hilgers von der Johannes-Kepler-Universität aus dem österreichischen Linz auf den Punkt. Daher sei es auch schwierig, von einem “Investitionsrückstand” zu sprechen. Eine Untersuchung bei 75 Kommunen in Deutschland habe gezeigt, dass diese über sechs Jahre hinweg jährlich durchschnittlich zwölf Prozent ihres Eigenkapitals verloren hätten. Insgesamt habe der öffentliche Sektor ein Steuerungsproblem. Die Einführung der Doppik sei ein Ansatz gewesen, dieses zu lösen. Im Kleinen zeige sich doch, wie schwer dies sei. Kai Petersen, Geschäftsführer der IKVS Interkommunale Vergleichs-Systeme GmbH, hat mit seinem Unternehmen 2010 begonnen, ein Steuerungssystem für Kommunen zu etablieren. Dieses bilde die Strukturdaten vollständig ab und biete so einerseits die Möglichkeit zum Vergleich sowie andererseits die Option, auch Daten in die Zukunft einzuspielen, so Petersen. Aus seiner Erfahrung heraus sieht auch er die Schwachstelle nicht bei den Daten, sondern in den Verwaltungsleitungen, welche öfter den Mut haben müssten, sich gegenüber dem Parlament durchzusetzen. Tragfähigkeitsberichte mit einer entsprechenden Langfristperspektive kennt man in der Schweiz bereits seit 2008, wie Dr. Carsten Colombier erklärte, der bei der Eidgenössischen Finanzverwaltung für ökonomische Analyse und Beratung verantwortlich ist. Diese richteten sich insbesondere an die Parlamentarier und vermittelten diesen eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung und deren Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte. Dabei müsse aber klar sein: “Es ist eine Projektion, die Orientierung bieten soll, keine Prognose”, so Colombier. Dies werde mitunter verwechselt.

Neues Verkehrskonzept und Bürgersprechstunden Aber damit einher seien auch Kündigungen und ein grundsätzlicher Personalabbau gegangen. Die übrigen Mitarbeiter hingegen seien nach anfänglicher Skepsis engagiert dabei und würden viele Ideen zur Verbesserung mit einbringen. “Der größte dauerhafte Einspareffekt mit 1,3 Million Euro jährlich war die Neuausrichtung des ÖPNV”, so der Geschäftsführer. Durch eine Umstellung des Linienkonzepts seien die Taktung sowie die Anzahl der Linien und Haltestellen erhalten geblieben, während die Fahrkilometer um 100.000 Kilometer reduziert wurden. Ein weiterer zentraler Bestandteil der Umstrukturierung seien auch Bürgersprechstunden gewesen, um Wünsche sowie Anregungen aus Fahrgastsicht zu berücksichtigen.

Kundencenter: Ist der Kunde König? Um den Fokus weiter auf den Kunden zu legen, sei ein neues Kundencenter in der Völklinger Innenstadt eröffnet worden. Daneben sei das Online-Kundenportal erweitert worden und biete nun auch alle Informationen in sieben Sprachen an. “Unsere Mitarbeiter wurden im Vorfeld für das Kundencenter geschult. Zudem arbeiten sie mit Systemen und Prozessen, die eine deutlich umfassendere und schnellere Bearbeitung von

Die Stadtwerke Völklingen sind mit der Fischzucht auf Grund gelaufen. Aber es gelang ihnen eine Sanierung des Geschäfts, auch wenn dies mit vielen Umstrukturierungen verbunden war. Foto: BS/Jerzy Sawluk, pixelio.de

Kundenanliegen ermöglichen”, erklärt der Chef des Kundenservices, Christian Hauschild. Daneben haben die Stadtwerke neue Festpreistarife für Gas und Strom eingeführt. Trotzdem bleibt auch die Selbstkritik: “Nicht alles hat optimal geklappt, weil wir über unserer Kapazitätsgrenze gearbeitet haben”, ergänzt Hauschild. Auch hätten Formulierungen bei den Festpreisangeboten präziser sein können.

Die Überreste des Fischzucht-Desasters “Wir haben inzwischen 90 Prozent der Vorgaben aus dem Sanierungsgutachten umgesetzt und die Kapitaldienstfähigkeit des Konzerns wiedererlangt”, zieht Böddeker Bilanz. Mithilfe eines Kredites, der den Sanierungskredit sowie bestehende Tilgungskredite von unterschiedlichen Bankinstituten

MELDUNG

Kosten für Noteingriffe in Rekordhöhe (BS/stb) Der große Stromnetzbetreiber Tennet musste im Jahr 2017, nach vorläufiger Bilzanz, fast eine Milliarde Euro für Noteingriffe ins Netz zahlen. 2015 lagen die Kosten mit 710 Millionen Euro deutlich darunter, im windschwachen Jahr 2016 erreichten sie nur 660 Millionen Euro. Eingriffe sind dann nötig, wenn wegen starken Windes in norddeutschen Windparks mehr Strom produziert wird, als

Das vergessene Organ Warum es ohne ein effizientes Beteiligungsmanagement nicht geht (BS/Lars Scheider) In den vergangenen zehn Jahren wurden eine Vielzahl von Instrumenten zur Führung und Steuerung öffentlicher Unternehmen von der Praxis und insbesondere auch von der wissenschaftlichen Lehre in Deutschland entwickelt bzw. deren Einsatz eingefordert. Vergleicht man jedoch die praktische Anwendung der Instrumente und die Anzahl der entsprechend veröffentlichten Kodizes zum Thema “Gute Unternehmensführung” (sog. PCGKs) mit der Anzahl der Kommunen/Gebietskörperschaften in Deutschland, dann ist diese immer noch als relativ überschaubar zu bewerten. Bei kritischer Betrachtung stellt sich insofern die Frage, warum ihr Einsatz teilweise noch ins Leere läuft. Gesellschafterversammlung nicht aus dem Blick verloren werden: Als gesellschaftsrechtlich höchstes Organ ist die Gesellschafterversammlung beispielsweise im Rahmen des Jahresabschlusses für die Entlastung der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats verantwortlich. In den meisten Gebietskörperschaften ist diese Anteilseignerfunktion dem Beteiligungsmanagement zugeordnet. Das Beteiligungsmanagement fungiert als fachlicher Berater der politischen Gremien, aber auch der Verwal-

Ass. jur. Lars Scheider verantwortet als Abteilungsleiter Beteiligungsmanagement der Stadtkämmerei der Stadt Frankfurt am Main alle Grundsatzfragen der Beteiligungssteuerung der 500 städtischen Beteiligungsgesellschaften. Foto: BS/privat

sein, wenn das Unternehmen von Kenntnissen und Erfahrungen der Aufsichtsratsmitglieder profitiert, zumal Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen häufig mit wesentlichen kommunalpolitischen Akteuren besetzt sind. Dabei darf jedoch die herausragende Bedeutung des Organs

tungsspitze, und ist somit Ansprechpartner in allen Fragen der Beteiligungssteuerung. Es regt Verbesserungen des Steuerungssystems an und ist für eine Anwendung und Umsetzung der PCGK-Instrumente von entscheidender Bedeutung.

Management entspricht nicht den Anforderungen Allerdings entspricht das Beteiligungsmanagement oftmals weder personell noch materiell den gestiegenen Anforderungen (auch im Vergleich mit “klassischen” Verwaltungsbereichen, wie z. B. den Haushaltsabteilungen). Dies ist durchaus bemerkenswert, da in einigen Kommunen durch Ausgliederungen bereits mehr als 50 Prozent der Daseinsvorsorgeleistungen

abgelöst habe, sei eine Umschuldung gelungen. Dadurch seien neue Freiräume eröffnet worden und die Position in den Büchern “Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag” sei verschwunden. Die Altlasten, die durch die geplante Fischzuchtanlage entstanden sind, scheinen abgetragen zu werden. Die seitens der CDU initiierte Fischzuchtanlage, die dazu dienen sollte weltweite Nahrungsprobleme anzugehen und eine finanzielle Innovation für Kommunen sein sollte, lief nicht an. Aber es habe von Anfang an Probleme bei der Finanzierung gegeben, da Investoren ausblieben und ein undurchsichtiger Wirtschaftsplan als Basis gedient habe. Die Pläne der Sanierung der Stadtwerke hingegen seien im Gegensatz dazu von nahezu allen Parteien im Stadtrat mitgetragen worden, so der Sprecher der Völklinger SPD Erik Roskothen.

nicht mehr durch die klassische “Kernverwaltung”, sondern durch GmbHs, Zweckverbände

die Netze aufnehmen können. Die Kosten dafür werden über Netzentgelte auf den Strompreis umgelegt. “Das Netz ist wegen des starken Zubaus der Erneuerbaren weiter extrem belastet. Wir brauchen ein Energiewende-Netz, also die vom Gesetzgeber bereits beschlossenen Netzausbauprojekte”, forderte das Tennet-Geschäftsführungsmitglied Lex Hartmann (mehr zur Stromversorgung siehe S. 44).

oder Anstalten des öffentlichen Rechts erbracht werden. Dabei hat das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Interessen und Auffassungen ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial. Ohne ein professionelles, personell und materiell gut aufgestelltes Beteiligungsmanagement wird es kaum gelingen, die notwendigen Steuerungsinstrumente in der Verwaltungspraxis zu etablieren.

Foto: ©bysa20_flickr

nbestritten ist, dass der Schwerpunkt beim Thema “Gute Unternehmensführung” zunächst beim Organ Geschäftsführung liegt. Eine gute, hoch motivierte Geschäftsführung ist für eine “gute Unternehmensführung” – und somit auch für die Beteiligungssteuerung – ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Mit Blick auf den privaten Sektor wurde der Fokus der Öffentlichkeit zuletzt verstärkt auf das Organ Aufsichtsrat gerichtet (z. B. auf den VW-Aufsichtsrat).

habe es aufgrund von Technologiesprüngen und der demografischen Entwicklung mit sehr unsicheren Prozessen zu tun.

Über 20 Millionen Euro seien in das Projekt der Fischzuchtanlagenversenktworden.“ErsteMaßnahmen waren das Schließen von Dokumentationslücken, Aufstellen von Grundsätzen bei der künftigen Dokumentation und den Jahresabschlussprozess neuabzubilden”, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Michael Böddeker. Des Weiteren wurde der Konzern, der aus acht Gesellschaften sowie mehreren Tochtergesellschaften bestand und 250 Mitarbeiter umfasste, umstrukturiert. “Wir begannen damit, aus zwei Verkehrsgesellschaften eine zu machen und die Gewerbeansiedlungsgesellschaft mit der StadtwerkeHolding zu verschmelzen”, so Böddeker.

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Hamburger Tag der Beteiligungsverwaltung Vom passiven Verwalten zum aktiven Steuern 21. - 22. Februar 2018, Hamburg www.beteiligungsverwaltung.org

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Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Januar 2018

Game over, Kupfer-Ära

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er Ausbau von Glasfasernetzen “ist die einzig zukunftsfähige Technologie”, so der Vorstand der SBR-net Consulting AG, Dr. rer. pol. ErnstOlav Ruhle. Das Thema Breitband durchziehe das politische sowie gesellschaftliche Leben, der deutsche Markt hinke allerdings hinterher und es gebe einen viel größeren Anteil erreichbarer als aktiver Haushalte. “Wir brauchen eine Infrastrukturperspektive und Glasfaser auch für das mobile Netz”, fordert Ruhle. Die Zahl der geschalteten Breitbandanschlüsse in Festnetzen ist zwar um 0,5 Millionen gestiegen und lag Mitte 2017 bei rund 32,5 Millionen Anschlüssen. Ebenso konnten Steigerungsraten von ca. 13 bzw. 14 Prozent bei Anschlüssen mit hohen nominellen Übertragungsraten im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet werden, wie aus dem Tätigkeitsbericht der Bundesnetzagentur zur Telekommunikation 2016/2017 hervorgeht. Jedoch seien die Nutzerzahlen der örtlich begrenzten Zugänge über Glasfaserkabel noch relativ gering. “Das Potenzial dieser als ideales Übertragungsmedium auch größter Datenmengen angesehenen Infrastruktur liegt mit ca. 2,7 Millionen möglichen Anschlüssen um ein Vielfaches höher”, heißt es im Bericht. Trotz der steigenden Zahlen der Breitbandanschlüsse und der entsprechenden Übertragungsgeschwindigkeiten bleibt Deutschland hinter dem von der Bundesregierung ehrgeizig gesteckten Ziel zurück, dass bis 2018 alle Haushalte mit Anschlüssen mit mindestens 50 Megabits pro Sekunde ausgestattet sein sollen. Betrachtet man die Surfgeschwindigkeiten im internationalen Vergleich, belegt die Bundesrepublik nur Rang 25, wie aus dem aktuellen Akamai-Bericht für das erste Quartal 2017 hervorgeht.

Schnelles Internet als Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit (BS/Katarina Heidrich) Der Bandbreiten-Bedarf steigt jährlich um ca. 50 Prozent. Diese Prognose, die als “Nielsens Gesetz” bekannt ist, verdeutlicht die Unabdingbarkeit von Innovationen und Investitionen in die Netz-Infrastruktur. Zusammengenommen mit dem Moor’schen Gesetz, das von einem Wachstum der Rechnerleistung um jährlich rund 60 Prozent ausgeht, zeichnet sich ein Bild von einem noch stärker wachsenden Bedarf ab. Mit Blick auf die weltweite Entwicklung der Leitungen und Verbindungsgeschwindigkeiten lässt sich allerdings feststellen, dass Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes den Anschluss verliert. Platz eins besetzt Südkorea und hat mit 28,6 Mbit/s die durchschnittlich höchste Verbindungsgeschwindigkeit weltweit.

Wachstumspotenziale im ländlichen Raum Vor allem mit Blick auf die Bevölkerungsverteilung wird der Grund und damit das gleichzeitige Problem deutlich: Während in dem ostasiatischen Land rund 50 Prozent der Bevölkerung in der Hauptstadt Seoul leben, wohnen in Deutschland mehr Menschen in ländlichen Regionen. Dadurch herrscht nicht nur im globalen Vergleich ein Wettbewerbsnachteil, sondern auch innerhalb Deutschlands gibt es gravierende Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung. Besonders der ländliche Raum in Ostdeutschland weist strukturschwache Regionen auf, die durch sinkende Wirtschaftskraft und abnehmende Bevölkerungszahlen gekennzeichnet sind (siehe Behörden Spiegel November 2017, Seite 24). Bastiaan Milatz, Berater beim BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH, sieht die Lösung in einer leistungsstarken Breitbandinfrastruktur. Er gibt zu bedenken: “Ohne Ausbau von Hochgeschwindigkeitsanschlüssen entgehen Kommunen und Regionen Wachstumspotenziale. Besonders Kooperationen zwischen Kommunen und lokalen Energie- und Infrastrukturan-

Problem Luftreinhaltung Die Problematik der hohen Abgas-Messwerte wurde laut DUH bisher nicht angegangen. So bemängelt die Umweltorganisation eine 42-prozentige Lücke zwischen den Herstellerangaben und den tatsächlichen Messwerten im Prüfzyklus. Eine Lösung für dieses strukturelle Problem könne das Einführen von Sanktionen für falsche Angaben schon ab einer Differenz von vier Prozent sein. Eine, auch vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) geforderte, Einführung der Musterfeststellungsklage in das deutsche Recht wurde nun auch im Ergebnis der Sondierungen beschlossen. Dadurch können zentrale Rechtsfragen, wie im Fall des Diesel-Skandals, in einem einzigen Ver-

Kupfer hat ausgedient; die einzig zukunftsfähige Breitband-Technologie heißt Glasfaser. Foto: © K.C., Fotolia.com

bietern bieten attraktive Optionen für einen Glasfaserausbau.” Erst dadurch könne der positive Effekt einer Erhöhung des BIP entstehen. Neben den direkten wirtschaftlichen Auswirkungen solle man ebenso die indirekten Effekte auf die volkswirtschaftliche Leistung im Blick haben, fordert Milatz. Der Glasfaserausbau in Smart Villages hätte positive Folgen für den Tourismus oder die Wertsteigerung von Immobilien. Auch die Entwicklung von energetischen und klimafreundlichen Strategien fußen vielfach auf technologischen Grundlagen und Möglichkeiten der raschen Datenübertragung. Ebenso setzen die Konnektivität und Koordination zwischen Bevölkerung und Verwaltung sowie innerhalb der Verwaltung elektronische Netzwerke zum

schnellen und transparenten Austausch voraus. Es gelte, die digitale Kluft zwischen Dörfern und Städten zu überwinden und das Potenzial zu befeuern, das die Digitalisierung biete, denn “das Kupferzeitalter des 19. Jahrhunderts ist vorbei”, wie der Leiter des Breitbandkompetenzzentrums Schleswig-Holstein, Richard Krause, pointiert.

Regionale Wertschöpfung fördern Im Gegensatz zu GesamtDeutschland, wo der Anteil von Glasfaser an Breitbandanschlüssen lediglich sieben Prozent beträgt, fährt das nördlichste Bundesland mit einer Glasfaseranschlussrate von 32 Prozent der Häuser auf. Bis 2022 sollen es sogar 65 Prozent sein, prognostiziert der Breitbandexperte. Der Erfolg ließe sich

dadurch erklären, dass Schleswig-Holstein auf ein Infrastrukturziel setze. Das bedeute, das Ziel nicht in Geschwindigkeit zu bemessen, sondern in der Anzahl der Haushalte mit Zugang. Außerdem sei ein Zweckverband in Form einer öffentlichen Ausschreibung als Betreiber-Modell von Vorteil, da dieser die Kommunalkreditfähigkeit und die Förderfähigkeit beinhalte, so Krause während einer Diskussionsrunde auf dem Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur des Behörden Spiegel. Ein ähnliches Pacht-Modell durch einen öffentlichen Teilnahmewettbewerb findet sich in Baden-Württemberg. Die interkommunale Initiative BADEN. NET setzt den Ausbau eines Breitbandnetzes in Form einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung um. Mitinitiator und Kämmerer der Gemeinde Lauf im Schwarzwald, Ralph EssigChristeleit, fordert “so schnell wie möglich Glas bis in jedes Haus!” Dadurch, dass sich regionale Firmen bewerben und die Auftragsvergabe meist an sie gehe, werde die lokale Wertschöpfung gestärkt. Das größte Hindernis eines flächendeckenden Glasfasernetzes sind, wie meist, die Kosten. Zum einen ist die Nachfrage wegen hoher Anschlussgebühren noch verhalten, zum anderen ist der Ausbau selbst teuer. Im “Strategiepapier Glasfaser-Zukunft” des Bundesverbands Breitbandkommunikation (BREKO)

Totalausfall beim Klimaschutz

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on einem “Jahr des politischen Stillstands” und einem “Totalausfall bei Luftreinhaltung, Natur- und Klimaschutz” spricht der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH), Sascha Müller-Kraenner. Mit großer Sorge blicke er auf die nächste Legislaturperiode, denn Deutschland sei nach wie vor Nachzügler in Sachen Umweltpolitik. Strukturelle Maßnahmen müssten in allen Wirtschaftsbereichen getroffen werden, so Kraenner. Demgegenüber bekennen sich die Sondierer von Union und SPD zwar weiterhin zum Klimaziel 2020 und wollen die Handlungslücke zu seiner Erreichung “so schnell wie möglich schließen”, wie es in den Ergebnissen der Sondierungsgespräche heißt. Dennoch wird nur die eindeutige Zielerreichung des 2030-Ziels betont; ein 65-Prozent-Anteil an Erneuerbaren Energien.

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Bilanz des umweltpolitischen Jahres 2017 (BS/Katarina Heidrich) Die Deutsche Umwelthilfe zieht eine negative Bilanz. Umweltpolitisch habe sich seitens der alten Bundesregierung nicht viel getan. Mensch und Umwelt stünden hinter der Ökonomie weiter zurück, so die Organisation. Mit Blick auf die Bildung der nächsten Regierung gibt sie Lösungsvorschläge und Impulse mit auf den Weg, die in den Sondierungen teils schon erhört, teils aber auch negiert wurden. fahren gebündelt werden. Da der Weg über die Gerichte derzeit der einzig verbliebene sei, um Politik, Behörden und Automobilhersteller zur Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte zu bewegen, leitete die DUH mittlerweile in 62 deutschen Städten Rechtsverfahren ein, so der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch (siehe Behörden Spiegel April 2016, Seite 17). Gegen insgesamt 19 Städte wurde Klage erhoben, in über 90 Regionen seien die Belastungen zu hoch. Die Untätigkeit der Bundesregierung führe zu Vertragsverletzungsverfahren, aufgrund derer die EU-Kommission derzeit eine Klage gegen Deutschland vorbereite. Es müssten Maßnahmen getroffen werden, um den ÖPNV auszubauen, Diesel-Busse nachzurüsten, Taxi-Flotten auf E-Mobilität umzustellen und den Individualverkehr zu verringern. Verbraucherbezogene Richtlinien sollten dabei helfen, dass eine effektive Kontrolle in Deutschland nicht nur durch die Zivilgesellschaft stattfinde. Die in der Diskussion stehende blaue Plakette könnte dazu beitragen, “Diesel-Fahrzeuge auszusperren”, betont der DUH-Geschäftsführer. Selbst VW-Chef Matthias Müller habe die Einführung einer solchen und ein Ende der Steuervorteile für Dieselautos angeregt. Die Sondierer wollen die Luftreinhaltung verbessern, gleichzeitig aber trotzdem weiterhin Fahrverbote vermeiden. Das Bundesverwal-

Nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe ging das Thema Umwelt- und Klimaschutz in der gesamten letzten Legislaturperiode unter. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de

tungsgericht wird am 22. Februar 2018 über deren Notwendigkeit im Zusammenhang mit dem Luftreinhalteplan der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf urteilen. In den Kommunen selbst wird allerdings nicht auf zukünftige Entscheidungen gewartet. Vielerorts werden Busflotten, teilweise schneller als geplant, umgerüstet (siehe Behörden Spiegel, Dezember 2017, Seite 25). Dadurch ließe sich die Situation zwar mildern, aber nicht beseitigen, betont der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags (DST), Helmut Dedy. “Der Mobilitätsfonds hilft und wird derzeit Schritt für Schritt umgesetzt. Aber elf Förderrichtlinien und zu hohe Eigenanteile der Städte erschweren den Abruf der Mittel.” Ein Heranziehen

der bereitgestellten Mittel ohne oder nur mit geringen Eigenmitteln wäre wünschenswert, so der Hauptgeschäftsführer. Auch die Förderung von Maßnahmen zur Digitalisierung des Verkehrs, für intelligente Verkehrsplanung und -steuerung sowie Vernetzung könne verbessert werden. Bislang würden derartige Projekte zu 50 Prozent aus dem Fonds gefördert. “Zu wenig”, meint Dedy. Auch die mögliche nächste Große Koalition befürwortet Maßnahmen zur Förderung der E-Mobilität und des ÖPNV sowie zu effizienteren Verbrennungsmotoren inklusive Nachrüstungen. Sie setzt dabei auf ein gemeinsames Vorgehen von Bund, Ländern, Kommunen, Unternehmen und Gewerkschaften. Der Präsident des

Deutschen Städtetags, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, und der Vizepräsident, Nürnbergs Oberbürgermeister, Dr. Ulrich Maly haben in einer ersten kurzen Bewertung der Sondierungsergebnisse verlauten lassen: “Mehrere Vorhaben sind kommunalfreundlich. Dazu zählen zum Beispiel stärkere Investitionen in die kommunale Infrastruktur und Maßnahmen, um gleichwertige Lebensverhältnisse in Städten und Regionen zu schaffen. Nun wird es darauf ankommen, in möglichen Koalitionsverhandlungen einzelne Punkte noch genauer auszugestalten und in einigen Bereichen offene Fragen zu beantworten.”

Kohleausstieg Die Ziele von Klimaschutzabkommen sind nach Ansicht Müller-Kraenners nur durch einen schnellen Kohleausstieg und den gleichzeitig beschleunigten Einstieg in Erneuerbare Energien zu erreichen. “Wir brauchen ein Klimaschutzsofortprogramm”, fordert der Bundesgeschäftsführer der DUH. Zwar herrsche Konsens, dass bei der Energiegewinnung Kohle zum wesentlichen Klimaschädiger geworden sei, doch Einwände gegen den Ausstieg würden vorrangig genutzt, um die Industrie zu schützen. Verschiedene Landräte aus Regionen, die direkt vom aktiven BraunkohleTagebau geprägt sind, haben gemeinsam einen Brief an die Bundeskanzlerin formuliert,

heißt es: “Der wesentlichste Unterschied ist, dass die Glasfasernetze im Gegensatz zu den bereits vorhandenen Kupfernetzen noch gebaut werden müssen.” Aus diesem Grund verwendet die Deutsche Telekom beispielsweise Vectoring-Technologien: die Weiternutzung der Kupfernetze durch den Anschluss von Verteilerkästen in den Straßen an das Glasfasernetz. Der BREKO lehnt solche kupferbasierten Übergangstechnologien ab und fordert die “reine Glasfaser bis ins Gebäude”. Da aber kein Mitgliedsunternehmen des Verbandes in der Lage sei, im Alleingang flächendeckend auszubauen, bedürfe es Investitionen möglichst vieler Akteure. Selbst wenn die Telekom dazu befähigt wäre und sich “trotz der regulatorisch gesetzten Anreize zur Weiternutzung des Kupfernetzes zukünftig tatsächlich stärker im Ausbau von Glasfasernetzen engagieren sollte, wird sich absehbar die Frage stellen, ob und wie lange sie das Kupfernetz dort weiter betreibt, wo Glasfaserinfrastrukturen ausgebaut sind”, spekuliert der BREKO. Der Verband fordert die Verhinderung eines Marktmacht-Transfers durch den Konzern. Obwohl Europa, im Gegennsatz zu den USA, weiterhin an der Netzneutralität festhält, könnten auch hierzulande Provider mit einem Wettbewerbsnachteil argumentieren, dass der Breitbandausbau nur finanzierbar sei, wenn sie Geld für bestimmte Datenpakete verlangen dürften. Besonders der künftigen Bundesregierung legt der Verband nahe, Förderprogramme nur dann aufzulegen, wenn sichergestellt ist, dass die im laufenden Bundesförderprogramm zur Verfügung gestellten Mittel nun auch tatsächlich in konkreten Glasfaserausbauprojekten umgesetzt werden.

mit der Bitte, einen BraunkohleGipfel im Bundeskanzleramt einzuberufen. Sie gestehen zwar den ökologischen Nutzen des Kohleausstiegs ein, warnen aber vor einem dadurch bedingten Wegfall von “zehntausenden Arbeitsplätzen und Betriebsflächen von hunderten Quadratkilometern” und diesbezüglich “drohenden sozialen Verwerfungen”. DUH-Geschäftsführer Resch hebt hingegen hervor, dass Argumente wie das des Arbeitsplatzverlustes oder einer Versorgungsunsicherheit durch die Energiewende in der Vergangenheit lediglich als Scheingründe genutzt wurden, ohne dass Alternativen ins Gespräch gekommen seien. So gebe es keinerlei Auseinandersetzung mit den betroffenen Beschäftigten oder Konzepte für Umpositionierungen, obwohl der langfristige Weg abzusehen sei. Es müssten Lösungen für neue Industrieund Gewerbeplätze entwickelt werden, fordert Resch. Union und SPD konnten sich nun auf die Erarbeitung eines Klimaschutzgesetzes einigen, das 2019 verabschiedet werden soll.Ebenso auf ein Konzept bis Ende 2018 für den Kohleausstieg, das auch ein konkretes Ausstiegsdatum benennen soll. Jedoch liegt beides in weiter, theoretischer Ferne, wie der derzeitige Abriss des Immerather Domes zu Zwecken des Braunkohle-Abbaus zeigt. Alles in allem habe die Bundesregierung über das gesamte Jahr einen “falsch verstandenen industriellen Protektionismus” gefördert, zeigt sich die DUH enttäuscht. Bundesgeschäftsführer Resch spricht von einem “eindrucksvollen Versagen über die gesamte Legislaturperiode”.

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Kommunale Ordnung

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ehörden Spiegel: Herr Wegner, sollte es in Großstädten wie Berlin, Düsseldorf oder Köln eine anlassunabhängige Videobeobachtung des öffentlichen Raums geben?

Behörden Spiegel / Januar 2018

Angsträume nicht akzeptieren Videobeobachtung nicht nur Thema in Groß- und Mittelstädten (BS) Die Kontrolle des öffentlichen Raumes mithilfe von Kameras ist für das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger von entscheidender Bedeutung.

Behörden Spiegel: Wie können bei der Videobeobachtung Aufklärungsinteressen einerseits und Datenschutzbelange andererseits in Einklang zueinander gebracht werden?

Wegner: Sicherheit und DaWegner: Es ist zwingend erfor- Davon zeigt sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner überzeugt. Außerdem könne die Technik dazu beitragen, Übergriffe zu verhindern. tenschutz sind wichtig. Ich warderlich, dass es in Deutschlands Das Gespräch führte Behörden Spiegel-Redakteur Marco Feldmann. ne aber davor, dass sich der Großstädten Videobeobachtung Staat aufgrund datenschutzBehörden Spiegel: Sollte die des öffentlichen Raumes und ist das auch eine Lösung für Mitrechtlicher Argumente künstVideobeobachtung im öffentlimehr technische Einrichtungen tel- oder auch Kleinstädte? lich blind macht. Das können chen Raum ausgeweitet werzur Kriminalitätsbekämpfung wir uns nicht mehr erlauben. gibt. Denn gerade dort existieren Wegner: Videobeobachtung den? Sollte dabei eher auf sta“Es ist zwingend Außerdem ist für mich klar: inzwischen oftmals Angsträume ist keineswegs nur ein Thema tionäre oder mobile Lösungen erforderlich, dass es in Täterschutz darf nie vor dem für die Bürger. Die darf es aber für Groß- und Mittelstädte. Die gesetzt werden? Deutschlands GroßOpferschutz stehen. Deshalb nicht geben. Entscheidung, ob eine VideobeWegner: Der Einsatz mobiIn Deutschland müssen sich obachtung des öffentlichen Raustädten Videobeobach- müssen unsere Behörden und Organisationen mit Sicherdie Bürger zu jeder Tages- und mes vor Ort stattfinden sollte, ler Lösungen zur Videobeobtung des öffentlichen heitsaufgaben alle technischen Nachtzeit sicher fühlen können. muss einzelfallbezogen getrof- achtung macht vor allem bei Raumes gibt.” Dazu können Videoschutz und fen werden. Schließlich existie- besonderen Lagen Sinn. Dazu Möglichkeiten nutzen dürfen, Videobeobren Angsträu- gehören etwa Großveranstalohne den Datenschutz aus den achtung ganz “Wir sollten alle Möglich- me auch in tungen, Fußballspiele und DeAugen zu verlieren. Auch er Mittelund monstrationen. maßgeblich muss ernst genommen werden. keiten ausschöpfen, um Kleinstädten, Was jedoch die Kriminalitätsbeitragen. Das ist meines Erachtens zum S c h l i e ß l i c h Straftäter und Terroristen auch wenn es bekämpfung an Plätzen und in Kai Wegner (CDU) ist seit 2005 MitBeispiel durch vorgeschriebene in der Vorderhand sein. Aus Angsträumen anbetrifft, plädieeine Häufung helfen sie bei glied des Deutschen Bundestages. Speicher- und Löschfristen für frühzeitig zu erkennen.” von Straftaten re ich für die Nutzung statio- Von 2009 bis 2017 war er zudem Be- diesem Grunde müssen unsere Bildaufnahmen in Deutschland der Verhindean einem be- närer Lösungen zur Videobe- auftragter für große Städte der CDU/ Polizisten bestmöglich ausge- gewährleistet. Dadurch können rung von Straftaten, auch durch die Abschre- stimmten Ort vor allem in Groß- obachtung. Denn hier muss es CSU-Bundestagsfraktion sowie Vor- stattet sein und über die mo- Opfer- und Datenschutz in eidernste Technik verfügen, um nen sinnvollen Ausgleich geckung potenzieller Täter, sowie städten gibt. Videotechnik sollte nachhaltige und langfristige sitzender der Landesgruppe Berlin. deshalb vor allem dort zum Ein- Lösungen geben. bei deren rascher Aufklärung. Foto: BS/Yves Sucksdorff Straftätern Herr zu werden. bracht werden. satz kommen, wo die Menschen Behörden Spiegel: Sollten bei Behörden Spiegel: Ist Videobe- Angst haben und nachweislich obachtung im öffentlichen Raum gehäuft Straftaten begangen Videobeobachtung im öffentlichen Raum auch biometrische nur in Großstädten sinnvoll oder werden. Gesichtserkennungssoftware oder andere automatische AnaKommunale Ordnungsdienste können Aufgaben nicht effektiv wahrnehmen lyseprogramme zum Einsatz kommen? (BS/Jörg Bruns*) Im Bereich der Kommunalen Ordnungsdienste herrscht bisher kaum Einheitlichkeit. Weder

Es mangelt an vielen Ecken und Enden

In Berlin hat die Polizei kürzlich mehrere mobile Videobeobachtungsanhänger angeschafft. Foto: BS/Feldmann

Wegner: Wir sollten alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Straftäter und Terroristen frühzeitig zu erkennen. Wenn die biometrische Gesichtserkennung dazu beitragen kann, sollten wir sie auch nutzen. Dazu laufen ja auch gerade Pilotversuche, deren Ergebnisse wir noch abwarten müssen. Straftäter dürfen, was die technischen Mittel anbetrifft, niemals

Auf die Sicherheit kommt es an Attacken lassen sich durch zahlreiche Maßnahmen verhindern (BS/Ronald Mikkeleitis) Viele Gewaltvorfälle gegen Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes mit zum Teil erheblichen Folgen könnten verhindert werden, wenn zumindest die Grundsätze der Eigensicherung – auch und gerade im Innendienst – beachtet würden. Wichtig ist es, sich in Gedanken auf den Ernstfall vorzubereiten. Dabei sollten jedoch keine unnötigen Ängste aufgebaut werden. Zumal sich diese statistisch betrachtet nicht untermauern lassen. Die Wahrscheinlichkeit eines Übergriffs ist in vielen Ämtern immer noch gering, aber eben auch nicht ausgeschlossen. In höherem Maße gefährdet, Opfer einer Gewalttat im Dienst zu werden, sind unter anderem Mitarbeiter, die Entscheidungsbefugnis gegenüber dem Bürger haben oder alleinverantwortlich entscheiden und handeln können. Gleiches gilt für Beschäftigte, deren Entscheidungen stark repressive Folgen für den Betroffenen haben können oder die in einem Einzelzimmer sitzen. Es ist von großer Wichtigkeit, zu kontrollieren, ob im Büro ein Alarmsystem installiert ist. Außerdem sollten Mitarbeiter genau wissen, wie dieses zu bedienen ist. Im Ernstfall ist oft keine Zeit mehr, herauszufinden, wie das System funktioniert. Außerdem sollte eine regelmäßige Wartung des Alarmsystems selbstverständlich sein. Ebenfalls bekannt sein sollten den Beschäftigten

Verwaltungsmitarbeiter ein Deeskalationstraining durchlaufen und an einer Notfallübung in der Dienststelle teilnehmen.

Eigenverantwortung ist gefragt

Ronald Mikkeleitis ist Leiter des Außendienstes im Ordnungsamt BerlinMitte und hält zahlreiche Seminare zu den Themen Deeskalation und AntiGewalt-Maßnahmen ab. Foto: BS/Feldmann

Alarmpläne und Gefährdungsanalysen sowie Fluchtwege und Notausgänge.

Nicht den Schlüssel stecken lassen Und: Niemals sollte der Zimmerschlüssel im Türschloss stecken bleiben. Ansonsten besteht die Gefahr von einem Angreifer – eventuell sogar zusammen mit ihm – im Büro eingeschlossen zu werden. Des Weiteren sollte möglichst jeder

Aus der Erfahrung von fast 40 Dienstjahren und insbesondere auch resultierend aus vielen Gesprächen empfehle ich ausdrücklich, all diesen Sachständen nachzugehen. Entscheidend ist, herauszufinden, wie es um die individuelle, persönliche Sicherheit bestellt ist. Hier ist jeder Mitarbeiter gefragt, sich eigenverantwortlich darum zu kümmern, dass gewisse Sicherheitsstandards eingehalten werden. Angriffe auf Bedienstete der öffentlichen Verwaltung und Strategien dagegen sind auch Thema auf dem kommenden “Bundeskongress Kommunale Ordnung” des Behörden Spiegel. Dieser findet am 26. und 27. September 2018 in Hamburg statt.

MELDUNG

Sicherheitsinitiative KOMPASS in Hessen gestartet (BS/mfe) In den vier hessischen Modellkommunen Hanau und Maintal, die beide im Main-Kinzig-Kreis liegen, sowie Bad Homburg vor der Höhe (Hochtaunuskreis) und Schwalbach am Taunus (Main-Taunus-Kreis) hat das Projekt “KOMmunalProgrAmm SicherheitsSiegel” (KOMPASS) begonnen. Dort werden künftig Sicherheitskonzepte durch die beteiligten Part-

ner Kommune, Polizei, Bürger und weitere gesellschaftliche Akteure erarbeitet und gemeinsam umgesetzt. Ziel des Programms ist es, die Sicherheitsarchitektur in den einzelnen Kommunen individuell weiterzuentwickeln und entsprechende Lösungen für konkrete Probleme vor Ort bereitzustellen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Prävention. Innenminister

Peter Beuth (CDU) sagte dazu: “Mit KOMPASS schlagen wir ein weiteres, neues Kapitel in der Sicherheitsstrategie des Landes Hessen auf. Wir wollen, dass hessische Städte und Gemeinden Probleme vor Ort selbständiger angehen und individuelle Lösungen entwickeln können.” Damit nehme man auch die Kommunen verstärkt selbst in die Pflicht, so der Ressortchef.

existiert eine einheitliche Bezeichnung der Verwaltungseinheiten noch gibt es Datenerhebungen über die unterschiedliche Ausrüstung und Aufgabenwahrnehmung in den einzelnen Städten und Gemeinden. Auch unterscheiden sich die Arbeitszeiten der Dienste teilweise erheblich. Zudem lassen viele Kommunale Ordnungsdienste keine direkte Kontaktaufnahme durch den Bürger zu. In den Behörden selbst werden sämtliche Verwaltungsausbildungsstrukturen eingesetzt, jedoch greifen die meisten Kommunen auf Angestellte ohne Verwaltungsausbildung zurück. Fortgebildet werden die Kräfte häufig in den Bereichen der Einsatz- und Eingriffstechniken, der Nutzung der Ausrüstungsgegenstände, im Deeskalationstraining und in der Ersten Hilfe. Die Ausrüstung der Kommunalen Ordnungsdienste in Nordrhein-Westfalen variiert je nach Aufgabenwahrnehmung erheblich. Zu den etablierten Ausrüstungsgegenständen zählen Smartphones, Reizgas, Handfesseln und schuss- beziehungsweise stichsichere Westen. Die Ausrüstung mit einem Schlagstock oder Diensthunden wird von den wenigsten Städten und Gemeinden vorgenommen. Für über 90 Prozent von ihnen ist ihr Kommunaler Ordnungsdienst klar für den Bürger erkennbar und unterscheidet sich deutlich vom Erscheinungsbild der Landes- und Bundespolizei.

Ordnungspartnerschaften fast flächendeckend Fast jede Stadt oder Gemeinde im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland hat eine Ordnungspartnerschaft eingerichtet und führt Doppelstreifen durch, hat eine gemeinsame Wache mit der Polizei eingerichtet oder arbeitet in anderer Weise mit anderen Sicherheitsbehörden zusammen. Erstaunlich ist, dass die Einsatzkräfte fast jedes zweiten nordrhein-westfälischen Kommunalen Ordnungsdienstes keinen unmittelbaren Zwang anwenden. Hier scheinen die Auffassungen, wie der eingerichtete Vollzugsdienst bei Personalienverweigerungen oder Widerstandshandlungen reagiert, am weitesten auseinanderzuliegen. Nahezu jede Kommune sah sich in der Lage, mit den dienstlich zugelassenen Ausrüstungsgegenständen die obliegenden Aufgaben zu versehen. Über 70 Prozent sahen ihren Ordnungsdienst jedoch nicht in der Lage, die entsprechenden Aufgaben ohne Vollzugshilfe der Polizei

durchzuführen. Für sie bestanden auch keine Akzeptanzprobleme, welche sich auf fehlende rechtliche Möglichkeiten zurückführen ließen.

Ausweitung der Dienstzeiten unerwünscht Die Kommunen wünschen sich auch keine Umbenennung in Stadtpolizei zur Akzeptanzerhöhung, wie beispielsweise in Hessen. Hier scheint es einen großen Wahrnehmungswiderspruch zu geben, da einerseits die rechtlichen und Ausrüstungsmöglichkeiten als ausreichend bewertet werden, hingegen ein komplett autarkes Arbeiten ausgeschlossen wird. Noch deutlicher wird die Möglichkeit verneint, weitere Aufgaben zu übernehmen, um beispielsweise die Landespolizei zu entlasten, oder die Einsatzzeiten auf 24 Stunden auszuweiten. Dies wird allerdings durch die Polizei gefordert. Einige Kommunen in Nordrhein-Westfalen nehmen ihre Aufgaben sehr gewissenhaft und mit erheblichem Personalund Zeitaufwand wahr. Doch dieser Trend ist nicht bei allen Städten und Gemeinden zu erkennen. Sicherheit kostet Geld, das war schon immer so. Auch eine oft reservierte Auffassung in den Rathäusern, was unter Polizeiaufgaben fällt und was nicht, lässt die Ordnungsbehörden als Gefahrenabwehrbehörde in NordrheinWestfalen weit hinter ihren gesetzlichen Möglichkeiten und Verpflichtungen arbeiten, denn die Polizei soll nur einschreiten, wenn es den Ordnungsbehörden nicht möglich ist. Eine effiziente

Aufgabenwahrnehmung wäre jedoch möglich, wenn die Ordnungsbehörden über entsprechende Personalkapazitäten sowie eine qualifizierte Ausbildung und Ausrüstung verfügen würden. Auch die fehlende Einbindung der Kommunalen Ordnungsdienste in den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) erschwert es den Ordnungsbehörden, die ihnen eigentlich im Sicherheitsapparat zukommende Rolle wahrzunehmen. Gleichwohl sind sie in die Sicherheitskonzepte eingebunden.

Widersprüche in Zukunft beseitigen Diese Widersprüche gilt es zukünftig zu beseitigen, um zu erreichen, dass die Kommunalen Ordnungsdienste einerseits ihre Aufgaben erfüllen und andererseits von den Bürgern als der Polizei gleichwertige Garanten für Sicherheit akzeptiert werden. Nur so können sie zur vielfach von der Politik geforderten Entlastung der Polizei beitragen. *Jörg Bruns ist derzeit im Beteiligungsmanagement der Düsseldorfer Kämmerei tätig. Zuvor war er Dienstgruppenleiter im Ordnungsamt Düsseldorf. Im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit “Kommunale Ordnungsdienste in NRW – Einführung einer Stadtpolizei?” hat er eine OnlineUmfrage zu zahlreichen, den Kommunalen Ordnungsdienst betreffenden Fragen bei allen nordrhein-westfälischen Kommunen durchgeführt. 184 von ihnen (43 Prozent) beteiligten sich daran.

Im Bereich der Kommunalen Ordnungsdienste sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Dienststellen in den verschiedenen Städten und Gemeinden weiterhin sehr groß. Und das gilt nicht nur für die Bezeichnungen der Behörden. Foto: BS/Giessen

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Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Januar 2018

Ans Fliegen kommen

KNAPP Sondervermögen Digitalisierung

Digitale Transformation der Verwaltung nimmt 2018 weiter Fahrt auf

(BS/Guido Gehrt) Für die erfolgreiche Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung wurden in den vergangenen Jahren viele Weichenstellungen vorgenommen, man denke etwa an die (BS/lkm) Niedersachsens neuer E-Government-Gesetze des Bundes und der meisten Länder oder an die Errichtung eines Portalverbundes. Viele der beschlossenen Maßnahmen müssen in diesem Jahr nun weiter mit Finanzminister, Reinhold HilLeben gefüllt werden, will Deutschland seinem Anspruch gerecht werden, auch bei der Verwaltungsdigitalisierung zu den Spitzenreitern in Europa zu gehören. bers, kündigte an, dass das Land So sollen in diesem Jahr die Bereitstellung und Nutzung erster Basisdienste sowie das OnlineGateway im Portalverbund prototypisch umgesetzt werden. Bund und Länder wollen dabei gemeinsam die Standards, Schnittstellen und Sicherheitsvorgaben festgelegen. Ab 2019 sollen dann sukzessive weitere Dienste hinzukommen. Auf Basis dieser Erfahrungen soll schließlich bis 2022 der stufenweise Rollout erfolgen.

E-Rechnung kommt im Herbst Bei der E-Rechnung wird es für die obersten Bundesbehörden bereits im Spätherbst ernst, denn die im September 2017 erlassene Verordnung über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen des Bundes verpflichtet diese, ab dem 27. November 2018 Rechnungen elektronisch zu empfangen und weiterzuverarbeiten. Für alle übrigen Bundesbehörden gilt diese Verpflichtung ab dem 27. November des kommenden Jahres. Länder und Kommunen haben noch etwas mehr Zeit und müssen spätestens bis zum 18. April 2020 elektronische Rechnungen entgegennehmen. Auch für den IT-Planungsrat und dessen operativen Unterbau ist 2018 ein wegweisendes Jahr, denn es wird in den kommenden Monaten darauf ankommen, die Föderale IT-Kooperation, kurz FITKO, weiter in die Spur zu bekommen. Derzeit hat die Aufbauorganisation in Frankfurt/Main vier Mitarbeiter. Nach einer erforderlichen Anpassung des IT-Staatsvertrages soll FITKO schließlich mit 40 Mitarbeitern die Arbeit aufnehmen. Hessens Co-CIO Roland Jabkowski ging jedoch in einem Vortrag auf dem Kongress e-nrw

Die Raupe gewinnt durch die Metamorphose zum Schmetterling deutlich an Agilität und Geschwindigkeit. Gleiches strebt auch die öffentliche Verwaltung im Zuge der Digitalisierung an. Foto: BS/© JPS, Fotolia.com

davon aus, dass dieser Prozess erst im Jahr 2019 abgeschlossen sein wird. Ein zentrales Projekt des ITPlanungsrates, welches in diesem Jahr konkret wird, ist das Digitalisierungsprogramm zur Verbesserung des Online-Angebotes von Verwaltungsleistungen. Hier sollen bis Ende 2018 anhand einer Auswahl von mindestens sechs Anliegen – je drei für Bürger und Unternehmen – Erfahrungen mit der Digitalisierung und Bereitstellung von Verwaltungsleistungen im geplanten Portalverbund gesammelt werden. Im aktuellen Papier zu den Ergebnissen der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD, immerhin ein 28-seitiges Pamphlet, finden sich auch zwei Sätze zur Verwaltungsdigitalisierung und dezidiert zum Portalverbund: “Wir wollen die Digitalisierung der Verwaltung und werden ein zentrales, einheitliches digitales Portal für Bürger und Unternehmen schaffen. Die Umsetzung werden wir mit großer Dynamik in

dieser Legislaturperiode vorantreiben.” Die flächendeckende Versorgung Deutschlands mit Internetzugängen von mindestens 50 MBit/s sollte eigentlich bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Trotz intensiver Bemühungen und massiver Investitionen des Bundes und der Länder wird man diese Zielsetzung nicht erreichen, da insbesondere im ländlichen Raum derartige Breitbandverbindungen in diesem Zeitraum nicht flächendeckend zur Verfügung stehen werden. Da 50 Mbit/s angesichts der technologischen Entwicklung ohnehin für einen Standort wie Deutschland zu wenig sind, wollen Bund und Netzbetreiber nun im Rahmen einer Netzallianz bis 2025 ein flächendeckendes Gigabit-Netz über Deutschland spannen. Auch zu diesem Thema findet sich etwas im Sondierungspapier. So ist geplant, für den Aufbau des Gigabit-Netzes die Erlöse aus der Vergabe der UMTS- und 5G-Lizenzen zweckgebunden bereitzustellen. Dabei sollen zukünftig nur die Ausbau-

schritte förderfähig sein, die mit Glasfasertechnologie ausgebaut werden. Die Lizenzvergabe will man mit Ausbauauflagen kombinieren, um bestehende Funklöcher zu schließen und den Mobilfunk-Standard 5G dynamisch aufzubauen. Die Sondierer gehen von einem öffentlichen Finanzierungsbedarf von zehn bis zwölf Mrd. Euro in dieser Legislaturperiode aus.

Künstliche Intelligenz Auch neue Technologien wie Blockchain werden dieses Jahr verstärkt Einzug in die öffentliche Verwaltung halten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist derzeit dabei, für den Datenaustausch mit anderen Behörden eine entsprechende Lösung zu entwickeln. Bis zum Herbst will man beim BAMF die erste Ausbaustufe im Produktivbetrieb haben.

Veränderungsmanagement Für den Erfolg dieser und noch weiterer hier nicht angesprochener Maßnahmen ist es zwingend erforderlich, die Mit-

arbeiter “mitzunehmen”. Dies stellt besondere Anforderungen an die interne Kommunikation, nicht nur mit Blick auf Qualifizierung, sondern auch, um die Mehrwerte der Digitalisierung aufzuzeigen.

Verortung der Digitalisierung Interessant wird es auch zu beobachten sein, wie eine künftige Bundesregierung das Thema Digitalisierung in den Ressorts verortet. Die Forderung nach einem Digitalministerium, das es ja auf der Länderebene schon vereinzelt gibt, ist in der Diskussion nicht mehr so häufig zu hören. Vielmehr gibt es vielfach Stimmen, die sich hier für eine koordinierende Funktion eines Staatsminister im Bundeskanzleramt aussprechen. Unabhängig davon, wie die personelle Lösung am Ende des Tages aussieht, wird sich eine neue Bundesregierung möglichst rasch einer Fortschreibung der Digitalen Agenda und auch des Regierungsprogramms “Digitale Verwaltung 2020” widmen müssen.

bis zum Jahr 2022 eine Milliarde Euro über das “Sondervermögen Digitalisierung” zur Verfügung stellen will. Das Land sehe in der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft eine zentrale Herausforderung, die es für die Zukunftsfähigkeit Niedersachsen zu bewältigen gelte. Die Digitalisierung sei daher auch ein wesentlicher Schwerpunkt der Regierungspolitik. In einem ersten Schritt sollen über den Jahresabschluss 2017 Landesmittel in Höhe von 500 Millionen Euro bereitgestellt werden. Das Finanzministerium werde hierzu einen entsprechenden Gesetzentwurf erarbeiten. Eine Kabinettsbefassung ist für April 2018 vorgesehen. Über die konkrete Aufteilung der zugeführten Mittel soll nach Erstellung und Vorlage eines Masterplans entschieden werden.

Telemedizin startet in BW (BS/wim) In Baden-Württemberg startet im März das Pilotprojekt “DocDirekt”. Das Telemedizin-Projekt läuft zunächst zwei Jahre und wird von der Kassenärztlichen Vereinigung BW in zwei Modellregionen durchgeführt, dem Stadtkreis Stuttgart und dem Landkreis Tuttlingen. Über Telefon, App oder Webseite können Patienten sich an den Service wenden, wo zunächst eine medizinische Fachkraft oder Krankenschwester eine Einschätzung der Erkrankung vornimmt und den Patienten dann an einen Arzt weiterleitet. Die Mediziner sind speziell geschult und dürfen neben Anamnese und Diagnose auch Rezepte für den Patienten ausstellen. Zusätzlich können sie den Anrufer bei Bedarf noch am selben Tag an eine teilnehmende Portalpraxis weiterleiten.

1. Februar 2018, Haus der Bayerischen Wirtschaft, München REFERENTEN u.a.

4. Zukunftskongress Bayern Fotos: © alphaspirit, fotolia.com; Dombrowsky

Die digitale Verwaltung in Staat und Kommunen – heute und morgen – für Bürger und Wirtschaft Der Zukunftskongress Bayern wird auch in diesem Jahr wieder die aktuelle Entwicklung der Digitalisierung von Staat und Kommunen diskutieren. Der traditionelle Blick in andere Bundesländer, aber auch nach Österreich und in die Schweiz, wird die Diskussionen öffnen und um zusätzliche Impulse bereichern. Ziel der Veranstaltung ist es, einerseits eine Standortbestimmung vorzunehmen und über das bislang Erreichte zu informieren. Ebenso wichtig ist es jedoch, angesichts der Dynamik der digitalen Transformation, Konzepte, Strategien und Lösungen für die Weiterentwicklung des digitalen Staates und der digitalen Verwaltung zu entwerfen. Daher wird es ein zentrales Element des Kongresses sein, intensiv, visionär und kontrovers über die richtigen Weichenstellungen für das digitale Bayern der Zukunft zu diskutieren. Die Themen sind bunt und vielfältig, die Diskussionen ebenso! Melden Sie sich unter www.zukunftskongress.bayern an und diskutieren Sie mit!

Georg Eisenreich, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst

Dr. Rainer Bauer, IT-Abteilungsleiter im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat

SCHIRMHERRSCHAFT Dr. Markus Söder, Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat

www.zukunftskongress.bayern [#zkonbayern]

Eine Veranstaltung des

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Organisation & Management

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Behörden Spiegel / Januar 2018

Digitalisierung in Bayerns Schulen

B

ehörden Spiegel: Vielfach ist zu hören, dass der Umgang mit digitalen Medien – neben Lesen, Schreiben und Rechnen – zu einer vierten Kulturtechnik wird. Würden Sie diese Einschätzung teilen?

Freistaat investiert massiv in Köpfe und Infrastruktur

(BS) Der Freistaat Bayern wird in den kommenden Jahren erhebliche Investitionsmittel in die digitale Bildung an den Schulen stecken, um die Schulen und letztendlich die Schüler fit für die Digitalisierung zu machen. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Masterplan Bayern Digital II. Über Eisenreich: Der kompetente die Maßnahmen und die damit verbundenen Investitionen sprach der Behörden Spiegel mit Georg Eisenreich, Staatssekretär im Bayerischen Umgang mit Informations- und Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Die Fragen stellte Guido Gehrt. Kommunikationstechnologien ist inzwischen die vierte Kulturtechnik geworden. Dies hat das Bayerische Kultusministerium schon vor zwei Jahren in der Zukunftsstrategie “Digitale Bildung in Schule, Hochschule und Kultur” deutlich gemacht. Die Digitalisierung betrifft alle Lebensbereiche und verändert das gesellschaftliche Leben ebenso wie das jedes Einzelnen. Junge Menschen müssen also befähigt werden, sich souverän, verantwortungsvoll und kreativ in einer Welt zu bewegen, die von Digitalisierung geprägt ist. Es ist daher unsere Aufgabe, jungen Menschen die erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln. Behörden Spiegel: Was ist notwendig, damit die Schulen die wachsenden Anforderungen an die Vermittlung von Medienkompetenz in der Praxis auch erfüllen können? Eisenreich: Entscheidend ist, die Rahmenbedingungen im Bereich der Sachausstattung zu verbessern, geeignete Inhalte bereitzustellen sowie die Kompetenzen der Lehrkräfte zu stärken. Diese Punkte gehen wir mit dem Masterplan Bayern Digital II an. Wir legen ein Förderprogramm zur Verbesserung der IT-Ausstattung der Schulen auf, insbesondere für digitale Klassen-

zimmer. Wir wollen damit die Sachaufwandsträger bei ihrer Aufgabe unterstützen. Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler müssen Zugang zu geeigneten Inhalten für digitales Lehren und Lernen haben. Die Lernplattform “mebis – Landesmedienzentrum Bayern” leistet hier einen wichtigen Beitrag. Wir haben außerdem durch entsprechende Rechtsänderungen bereits die Möglichkeit geschaffen, dass Schulbuchverlage digitale Schulbücher anbieten können. In unseren Lehrplänen ist die Medienbildung Bildungs- und Erziehungsziel in allen Schularten und allen Fächern, also eine Querschnittsaufgabe. Darüber hinaus sieht der Masterplan Bayern Digital II Informatik bzw. Informationstechnologie als Pflichtfach für alle Schülerinnen und Schüler an den Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien vor. Die dafür notwendigen zusätzlichen Lehrer wollen wir durch eine Nachqualifizierungsmaßnahme für Informatik und den Ausbau der Didaktik für Informatik in der Lehrerausbildung gewinnen. Außerdem sollen Lehrkräfte durch eine Fortbildungsoffensive für digitales Lernen und Lehren weitergebildet werden. Damit all diese Maßnahmen an den Einzelschulen greifen, muss sich jede Schule im Rahmen ei-

Bayerns Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich: mittlerer dreistelliger Millionenbetrag in IT-Ausstattung der bayerischen Schulen. Foto: BS/Eisenreich

nes Schulentwicklungsprozesses mit Digitalisierung auseinandersetzen. Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle hat im Sommer 2017 daher allen Schulen in Bayern einen entsprechenden Auftrag erteilt. Behörden Spiegel: Mit Blick auf die Infrastruktur hat sich der Freistaat mit dem “Digitalen Bildungsnetz Bayern” bereits 2011 auf den Weg gemacht. Worum geht es bei dem Projekt, wo liegen besondere Herausforderungen und wie ist hier der aktuelle Stand der Entwicklung? Eisenreich: Um die Chancen der Digitalisierung für den Bildungsbereich zu nutzen, hat

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

Wer passt auf meine Daten auf?

der IT-Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung das Forschungs- und Entwicklungsprojekt “Digitales Bildungsnetz Bayern” (DBB) durchgeführt und abgeschlossen. In enger Abstimmung mit dem Kultusministerium sind dabei Konzepte für eine schulisch geeignete Infrastruktur entwickelt und erprobt worden. Diese Erkenntnisse waren hilfreich für die Planung aktueller und künftiger Strategien und Maßnahmen zur Stärkung der digitalen Bildung in Bayern. Behörden Spiegel: Die Kommunen sind – nicht nur in Bayern – als Schulaufwandsträger für das Schulgebäude und dessen Ausstattung für den Lehrbetrieb zuständig. Besteht da nicht grundsätzlich die Gefahr, dass die Digitalisierung der jeweiligen Schule von der Finanzkraft der Kommune vor Ort abhängt? Was kann der Freistaat unternehmen, um eine digitale Spaltung der Schullandschaft vermeiden? Eisenreich: Damit Kommunen die an sie gestellten Anforderungen auch bewältigen können, unterstützt der Freistaat sie durch den kommunalen Finanzausgleich. Die Staatsregierung nimmt dabei die Anliegen der Kommunen sehr ernst und hat deshalb mit dem Nachtragshaushalt 2018, den der Bayerische Landtag derzeit berät, eine weitere deutliche Steigerung der Unterstützungsleistungen für die Kommunen vorgesehen. 2018 wird der kommunale Finanzausgleich das Rekordniveau von 9,5 Milliarden Euro erreichen. Der Freistaat Bayern wird in den kommenden Jahren erhebliche zusätzliche Anstrengungen leisten, um die Schülerinnen und Schüler, die Schulen

und das differenzierte Schulwesen noch stärker zu machen. Die Staatsregierung plant mit dem Masterplan Bayern Digital II und dem Bildungspaket “Für Bildung begeistern! Fördern, Fordern, Forschen” massive Investitionen über mehrere Jahre in die Bildung. Der Masterplan Bayern Digital II sieht unter anderem ein mehrjähriges Förderprogramm zur Verbesserung der IT-Ausstattung der bayerischen SchuStaatssekretär Georg Eisenreich ist Referent auf dem 4. Zukunftskongress Bayern am 1. Februar 2018 in München. Weitere Informationen unter www.zukunftskongress.bayern

len vor. Es soll insgesamt einen Umfang von einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag umfassen. Als erster Schritt ist bereits für den Nachtragshaushalt ein Fördervolumen in Höhe von 162,5 Millionen Euro vorgesehen. Behörden Spiegel: Im sogenannten “Digitalpakt Schule” des Bundes wurden den Schulen Digitalisierungsmittel in Höhe von fünf Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Was erwarten Sie – gerade mit Blick auf den Gesamtstaat – von einer künftigen Bundesregierung an bildungspolitischen Maßnahmen zur Unterstützung der Digitalisierung der Schulen? Eisenreich: Die Digitalisierung an unseren Schulen voranzubringen, ist Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Die Ankündigung des Bundes zum “Digitalpakt Schule” ist ein wichtiges Signal, dass auch der Bund sich sei-

ner Verantwortung bewusst ist. In intensiven Verhandlungen zwischen Bund und Ländern wurden die Eckpunkte einer entsprechenden Bund-LänderVereinbarung erarbeitet. Im Rahmen der Gespräche hat der Bund rund fünf Milliarden Euro für den Ausbau der ITInfrastruktur in den allgemeinbildenden Schulen, beruflichen Schulen und sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen in öffentlicher und freier Trägerschaft in Aussicht gestellt. Natürlich erwarten wir, dass diese Zusagen eingehalten werden. Wir werden jedoch nicht auf den Bund warten, um unsere Schulen bei der Digitalisierung zu unterstützen. Mit dem Masterplan Bayern Digital II will die Staatsregierung im Bildungsbereich schon 2018 kräftig investieren. Behörden Spiegel: Inwieweit kann die Digitalisierung im Schulbereich auch zu einer weiteren Intensivierung der länderübergreifenden Zusammenarbeit führen, etwa wenn man an das Thema Bildungs-Cloud denkt? Eisenreich: Es macht natürlich Sinn, gleiche Aufgaben und Herausforderungen auch gemeinsam anzugehen. Die Bildungs-Cloud ist hierfür ein gutes Beispiel. Doch solche Initiativen dürfen nicht dazu führen, dass Länder, die schon weiter sind, ausgebremst werden. Mit “mebis – Landesmedienzentrum Bayern” stellen wir bereits jetzt allen bayerischen Schulen eine Bildungs-Cloud mit einem Infoportal, einer Lernplattform, einer Mediathek und einem Prüfungsarchiv zur Verfügung. Für das Bayerische Kultusministerium ist die zentrale Zielsetzung die konsequente Optimierung und Weiterentwicklung der Angebote. Bei all diesen Vorhaben kooperieren wir nach Möglichkeit mit anderen Bundesländern, beispielsweise bei der Weiterentwicklung der Lernplattform oder der Verwendung gemeinsamer Medien-Server für die Mediathek. Wir sehen uns als Vorreiter und Taktgeber in diesem Bereich.

Digitale Verwaltung braucht Zugriff – doch die Bürger sind skeptisch (BS/Roland Dathe*) Für die Bevölkerung wäre es eigentlich eine sehr bequeme Lösung, wenn sie alle ihre Angaben bei Behörden und Ämtern nur genau einmal machen müsste und dann alle Ämter den Zugriff darauf hätten und damit arbeiten könnten. Das wäre auch deutlich effizienter und schneller – nicht jedes Mal bräuchte man wieder vorlegen, was schon an verschiedenen anderen Stellen in der Verwaltung bekannt ist. Einen Adresswechsel beispielsweise gäbe man dann nur noch einmal an und dann wäre die Adresse zentral geändert. Man spricht vom sogenannten “Once-Only”Prinzip, das schnellere Abläufe und eine durchgängige OnlineAbwicklung erlaubt. Klingt eigentlich gut und für jeden Einzelnen sehr bequem. Doch unweigerlich stellen die Menschen sich auch die Frage, was die Behörden eigentlich machen, wenn sie die ganzen Daten erst einmal haben. Schaut sich der Mitarbeiter aus dem Meldeamt aus Interesse meinen letzten Steuerbescheid an? Wenn zukünftig Algorithmen in der Verwaltung Daten auswerten, wie gläsern ist man als Bürger gegenüber dem Staat? Dies sind relevante Aspekte, warum die Datennutzung und auch das “Once-Only”-Prinzip festen Bestimmungen unterliegen müsste, damit genau das nicht passiert. Doch die Deutschen sind zurückhaltend, was die Herausgabe ihrer Daten angeht. Die Studie eGovernment MONITOR

55%

Mehr als die Hälfte der Befragten fürchteten den “gläsernen Bürger”. 2017 fragte ab, welche Bedenken sie im Bereich Datenschutz und Datensicherheit haben, die sie von einer intensiveren Nutzung von Online-Behördendiensten abhalten. Ganze 55 Prozent gaben an, sie fürchteten den gläsernen Bürger. Insgesamt haben die Sicherheitsbedenken im Vorjahresvergleich sogar etwas zugenommen. Nur in jüngeren Generationen nehmen die Vorbehalte spürbar ab, sie scheinen generell bereitwilliger, persönliche Daten preiszugeben. Möchten wir als Gesellschaft auf absehbare Zeit eine effiziente digitale Verwaltung aufbauen, die einen erkennbaren Mehrwert für alle hat, muss man die Datennutzung der Behörden überdenken und aktiv den Bedenken der BürgerInnen begegnen. Das Thema Datenschutz und -sicherheit besitzt bei den Menschen eine hohe Priorität. Die Umsetzung des “OnceOnly”-Prinzips bildet als anste-

hende Aufgabe die Möglichkeit, modernen Datenschutz und die Idee der Daten-Souveränität in den Behörden zu verankern. Die Zentralisierung der Registerlandschaft ist eine weitere. Daten-Souveränität bedeutet dabei auch, dass Menschen souverän und selbstbestimmt über ihre Daten verfügen können. Die Umsetzung und Verankerung ist eine wichtige Aufgabe der Behördenleitungen und der Politik. Die verbreitete Angst vor dem gläsernen Bürger in der Bevölkerung zeigt dabei deutlich, dass sie diese von Beginn an von dem Angebot überzeugen und ihre Maßnahmen verständlich und nachvollziehbar kommunizieren müssen. Nur so kann die digitale Verwaltung wirklich zu einem Erfolg werden und die Bedenken bzgl. der Nutzung nicht als Barriere im Wege stehen. *Roland Dathe ist Pressereferent bei der Initiative D21.

Expertennetz Prozessmanagement Nächste Fachtagung Anfang März in Berlin (BS) Im “Expertennetz Prozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung” haben sich Experten und Verantwortliche für das Prozessmanagement aus Ministerien, Behörden und Institutionen des Bundes, der Länder und aus Kommunen zu einer Kommunikationsplattform mit Fokus auf das Prozessmanagement zusammengeschlossen. Das Netzwerk hat den Zweck, die Verankerung und Entwicklung von Prozessmanagement auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung zu fördern. Vor allem geht es um den Informationsaustausch, wie das Prozessmanagement und dessen Nutzen effektiv auf der Ebene der Behördenleitung sichtbar gemacht werden kann. Zusätzlich versteht es sich jedoch auch als Einstiegshilfe für neue Interessenten, die sich mit Prozessmanagement beschäftigen. Das Netzwerk steht allen Personen aus der öffentlichen Verwaltung offen, die sich im Netzwerk austauschen und sich mit ihren Erfahrungen rund um Prozessmanagement inhaltlich einbringen möchten. Die Mitgliedschaft im Netzwerk ist kostenfrei. Ein Beirat mit Vertretern unterschiedlicher Ministerien und Behörden von Bund, Ländern, Hochschulen und Experten aus der Wirtschaft steuert die inhaltliche Gestaltung des Expertennetzes. Erste Fachtagungen fanden bereits 2016 und 2017 in Bonn statt. Die jeweils ca. 70 Teilnehmer aus allen Ebenen der Verwaltung verfolgten gespannt

Vorträge zu Prozessmanagement in der Organisationsentwicklung und der praktischen Anwendung im Rahmen von Anforderungsanalyse und prozessgestützter Software-Entwicklung. Beleuchtet wurde außerdem das Zusammenspiel von Organisation, Mensch und IT. Für das sehr aktuelle Thema E-Rechnung wurde ein prozessorientiertes Lösungskonzept vorgestellt. In verschiedenen interaktiven Workshops diskutierten die Teilnehmer den Nutzen und die Herausforderungen im Prozessmanagement der öffentlichen Verwaltung. Diskutiert wurde auch über unterschiedliche Themenschwerpunkte in Bund, Ländern und Kommunen. Trotz den vorhandenen Unterschieden: Die Ebenen der öffentlichen Verwaltung stehen vor den gleichen Herausforderungen und können auch übergreifend viel voneinander profitieren. Dies wurde von allen Beteiligten so empfunden. Deshalb stand für alle Teilnehmer die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen, Fragen zu stellen und von den Best Practices anderer zu profitieren, im Vorder-

grund aller Veranstaltungen. Die nächste Tagung findet am 6. März im Bundespresseamt in Berlin statt. Teilnehmen können wieder Vertreter vom Bund, den Ländern und Kommunen. Schwerpunktthema ist das Geschäftsprozessmanagement im Zuge von Digitalisierung und Konsolidierung. Geplant sind wieder Praxisvorträge, u. a. von der Freien und Hansestadt Hamburg sowie vom ITZBund, und Workshops zu den Themen “Portale – Türöffner in die vernetzte Welt, “IT-Konsolidierung – Prozesse verbinden” sowie “EGovernment – Prozesse digital”. Die abschließende Podiumsdiskussion rund um Digitalisierung und Konsolidierung in der Verwaltung wird moderiert von Guido Gehrt, Leiter der Bonner Redaktion des Behörden Spiegel, der auch Medienpartner der Tagung ist. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung vorab ist aus organisatorischen Gründen unbedingt erforderlich. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit unter www.exper tennetz-prozessmanagement. de

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Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Januar 2018

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Bayern-WLAN

Hohes Vertrauen in KI

10.000ster Hotspot freigeschaltet

Bundesweite Zertifizierung von Algorithmen gefordert

(BS/gg) Kurz vor Weihnachten wurde der 10.000ste Bayern-WLAN-Hotspot im Freistaat in Garmisch-Partenkirchen freigeschaltet. “Der Ausbaustart des Bayern WLANs im Sommer 2016 brachte für freie WLAN-Angebote in ganz Bayern einen massiven Schub. Heute, nach nicht einmal eineinhalb Jahren, geht bereits der 10.000ste Bayern-WLAN-Hotspot in Betrieb”, freute sich Finanz- und Heimatstaatsminister Dr. Markus Söder.

(BS/wim/gg) Fast 60 Prozent der Deutschen würden in bestimmten Situationen eher auf die Entscheidungen einer Künstlichen Intelligenz (KI) vertrauen als auf die eines Menschen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Bitkom. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer schlägt ihrerseits zur Erhöhung der Transparenz die Einführung einer bundesweiten Zertifizierung von Algorithmen sowie eine Beschwerdestelle für Nutzer vor.

Mit dem Bayern WLAN kann man kostenfrei, sicher, unbegrenzt und ohne Passwort im Internet surfen. Die Nachfrage ist sehr gut. Innerhalb des letzten Dreivierteljahres haben sich die Nutzungszahlen mehr als versiebenfacht. Allein im November haben mehr als 2,4 Millionen Nutzer über das Bayern WLAN mehr als 300.000 GB Daten bewegt. Der Freistaat Bayern soll bis 2020 mit einem engmaschigen Netz von kostenfreien BayernWLAN-Hotspots überzogen werden. Im Fokus stehen dabei Kommunen, touristische High-

lights, Schulen und Behördenstandorte. Dadurch sollen 40.000 Hotspots entstehen. “Mit dem Bayern WLAN erhält jede Stadt und jede Gemeinde die Möglichkeit, Bürgern und Touristen an ihren attraktiven Plätzen die digitale Welt zu erschließen. Digitalisierung ist kein Privileg der Großstädte. Mit unserer Initiative für freies WLAN wollen wir insbesondere den ländlichen Raum stärken und so für digitale Chancengleichheit und gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern sorgen”, so Söder. Der Freistaat unterstützt die Kommunen

bei der Einrichtung mit bis zu 5.000 Euro für zwei Standorte. Für touristische Standorte können die Gemeinden eine zusätzliche Unterstützung in Höhe von jeweils 2.500 Euro erhalten. Die Kommunen bestimmen dabei selbst, ob, wo und wie viele Bayern-WLAN-Hotspots sie installieren. Für den Einstieg in den Hotspot “@Bayern WLAN” sind keine Passwörter und keine Anmeldedaten erforderlich, eine Registrierung ist nicht nötig, der Jugendschutz ist durch Filter garantiert. Aktuell ist das Bayern WLAN bereits an 1.400 kommunalen Standorten verfügbar.

Digitale Zukunftskommune@bw 72 Kommunen im Rennen beim Landes-Wettbewerb (BS/gg) In Baden-Württemberg haben sich bis zum Stichtag am 31. Dezember 2017 beim Ideenwettbewerb “Digitale Zukunftskommune@bw” insgesamt 72 Kommunen um einen Platz im Förderprogramm beworben. Dies berichtete der Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Thomas Strobl Anfang Januar in Stuttgart. Für den landesweiten Wettbewerb “Digitale Zukunftskommune@bw” nimmt das Land insgesamt 7,6 Millionen Euro in die Hand. Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie des Landes digital@bw sollen dabei bis zu vier digitale Modellkommunen gefördert und weitere 50 Kommunen des Landes bei der Entwicklung ihrer Digitalisierungsstrategie unterstützt werden. Von den 72 Kommunen, die jetzt im Rennen sind, bewerben sich zehn um die Umsetzung von vier landesweiten, digitalen Leuchtturmprojekten, die mit jeweils bis zu 1,1 Millionen Euro gefördert werden. 62 bewerben sich um eine Förderung zur Entwicklung ihrer Digitalisierungsstrategie in Höhe

von bis zu 45.000 Euro. Aus den besten Strategien werden mindestens vier Kommunen ausgewählt, die mit bis zu 100.000 Euro einige ihrer Ideen dann umsetzen können. “Wir haben eine große Bandbreite an Kommunen, die an dem Wettbewerb teilnehmen. Die kleinste Gemeinde hat nur knapp über 2.500 Einwohner, aber auch Großstädte, Landkreise und sogar große Regionalverbände sind im Rennen. Auch haben sich Kommunen für den Wettbewerb zusammengeschlossen, zum Teil mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Das zeigt: Städte, Gemeinden und Landkreise wollen die Digitalisierung gestalten. Darüber bin ich sehr froh. Denn

das ist der Schlüssel, um hier auch erfolgreich zu sein”, unterstrich Strobl. Unter dem Vorsitz des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration werden Vertreter des Gemeindetags, des Städtetags und des Landkreistags sowie von Wirtschaft und Wissenschaft die Gewinner auswählen. Für die Umsetzung der Leuchttürme bewerben sich sieben Städte und drei Landkreise. Die 62 Antragsteller für die Umsetzung ihrer Digitalisierungsstrategie sind neun Landkreise oder Zusammenschlüsse von Kommunen, 30 Große Kreisstädte sowie 23 Städte und Gemeinden bis einschließlich 20.000 Einwohnern.

Deutsche kritisch bei E-Government Digital Government Barometer 2017 untersucht vier Länder (BS/gg) Den Deutschen geht es hierzulande bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung nicht schnell genug. 42 Prozent der Deutschen stufen den Entwicklungsstand einer digitalen öffentlichen Verwaltung als fortschrittlich ein, neun Prozentpunkte weniger als 2016. 84 Prozent wünschen sich von Bund, Ländern und Kommunen mehr Tatendrang. In anderen Ländern bewerten die Bürger die digitalen Angebote ihrer Verwaltung insgesamt positiver. Das ergibt die Studie „Digital Government Barometer 2017“ von IPSOS im Auftrag von Sopra Steria. Im Ländervergleich ist die Bevölkerung in Deutschland ungeduldiger und kritischer, was den digitalen Fortschritt bei Bund, Ländern und Kommunen angeht. Etwas mehr als jeder zweite Bundesbürger (56 Prozent) nimmt wahr, dass Verwaltungen ihnen zahlenmäßig heute mehr Online-Dienste anbieten als vor einigen Jahren. In den anderen untersuchten Ländern Frankreich, Großbritannien und Norwegen sind es dagegen jeweils mehr als 80 Prozent. In Norwegen sind zudem 75 Prozent der Bürger der Ansicht, dass die digitale Transformation in der öffentlichen Verwaltung ausreichend vorankommt, in Frankreich sind es 66 Prozent, in Großbritannien 64 Prozent – deutlich mehr als die eingangs erwähnten 42 Prozent in Deutschland. Der Digitalisierungsgrad unterscheidet sich in den einzelnen Verwaltungsressorts teilweise erheblich: Die Finanzverwaltungen erhalten in allen vier untersuchten Ländern die besten Noten. In Deutschland bewerten sechs von zehn Bürgern das Online-Angebot der Finanzbehörden als fortgeschritten, beispielsweise die Abgabe der Einkommensteuererklärung

über das Internet. Zum Vergleich: Justiz und Polizei gelten nach Ansicht von nur 31 Prozent der Bürger als digitale Vorreiter. Rund jeder vierte Deutsche (24 Prozent) ist der Auffassung, dass Maßnahmen wie die geplante stärkere Vernetzung der Sicherheitsbehörden Vorrang haben sollten. Besonders groß sind die Erwartungen bei wiederkehrenden Behördenangelegenheiten, beispielsweise im Einwohnmeldewesen, der Inanspruchnahme medizinischer Behandlungen, aber auch bei belastenden Situationen wie der Arbeitsplatzsuche. Für 46 Prozent der Deutschen sollten digitale Möglichkeiten zur Erneuerung von Personalausweis und Reisepass Priorität haben. 36 Prozent fordern, Onlinedienste im Bildungssektor wie den elektronischen BAföGAntrag mit Vorrang voranzutreiben. 35 Prozent der Bundesbürger wünschen sich zudem möglichst bald mehr digitale Angebote im Gesundheitswesen, beispielsweise die vereinfachte Vereinbarung von Arztterminen über das Internet. Wie bei Onlineshops in der privaten Wirtschaft, nutzen Bürger die digitalen Angebote der öffent-

lichen Verwaltung nur, wenn sie ihnen das Leben erleichtern. Zentrale Qualitätsbaustellen aus Sicht der Bevölkerung hierzulande sind die Abkürzung der Schritte bis zum Ergebnis sowie eine schnellere Navigation an die richtige Stelle oder zum richtigen Ansprechpartner. Für 41 Prozent der Deutschen ist der virtuelle Behördengang noch zu kompliziert, jeder Dritte erwartet zudem einen Bearbeitungsstatus, ähnlich einer Sendungsverfolgung im Onlinehandel. Länderübergreifend wünschen sich die Bürger, dass sie Daten nur noch einmal eingeben müssen – beispielsweise über ein zentrales Bürgerkonto, das sie selbst anlegen und pflegen können. 81 Prozent der Deutschen sehen die Regierungen auf Bundesund Landesebene im Prinzip auf dem richtigen Weg mit ihren angeschobenen Maßnahmen zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Dennoch mahnt jeder Zweite Verbesserungen bei der Umsetzung einer digitalen Agenda an. 70 Prozent der Bundesbürger wünschen sich, dass Staat und Bürger künftig noch stärker digital miteinander interagieren, etwas mehr als bei der Befragung im Vorjahr.

Laut der Bitkom-Umfrage sehen 15 Prozent der Teilnehmer die Entscheidung einer KI als vertrauensvoller an, wenn es um die Beantragung eines Kredites geht. Ein Zehntel würde sich zudem nach einem Verkehrsunfall lieber einer KI als einem menschlichen Richter stellen. Auch für Bitkom-Präsident Achim Berg bietet die auf Algorithmen basierende Intelligenz “ein enormes Potenzial, unser Leben zu verbessern”. Dazu habe sie “bereits heute eine erstaunlich hohe Akzeptanz in der Bevölkerung”. Auf Künstlicher Intelligenz basierende Angebote sind inzwischen weit verbreitet und fast überall im Alltag anzutreffen. Algorithmen helfen bei der Berechnung der schnellsten Reiseroute, helfen Ärzten bei Operationen und sind gerade dabei, das fahrerlose Autofahren zu erlernen. Den Befürwortern stehen jedoch immer noch rund 40 Prozent der Befragten entgegen, die sich grundsätzlich nicht vorstellen können, eine KI-Entscheidung der eines Menschen vorzuziehen. Die Akzeptanz wird dabei umso kleiner, je älter die Befragten sind. Zwischen den Geschlechtern gibt es dagegen kaum einen Unterschied. Berg sieht die KI dabei auch eher als unterstützende Instanz, während der allgemeine Grundsatz gelten solle, “dass bei zentralen Entscheidungen ein Mensch das letzte Wort hat”. Grundsätzlich sieht der Bitkom die Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie, die den Alltag der Zukunft stark beeinflussen wird. Daher gelte es, die Potenziale der Technik bestmöglich nutzbar zu machen und sie gleichzeitig auf ein solides rechtliches und ethisches Fundament zu stellen.

Mehr Transparenz bei automatisierten Entscheidungen “Bei automatisierten Entscheidungen, die von Algorithmen

Autonomes Fahren ist eines der bekanntesten Beispiele für Künstliche Intelligenz im Alltag der Zukunft, in dem in vielfältiger Weise KI-Technologie zum Einsatz kommen wird. Foto: BS/mmihori, cc by-sa 2.0, flickr.com

getroffen werden, muss es mehr Transparenz und eine unabhängige Kontrolle geben”, forderte Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Vor diesem Hintergrund soll eine bundesweite Zertifizierung von Algorithmen sowie eine Beschwerdestelle für Nutzer eingeführt werden. Das Zertifikat solle bestätigen, dass Algorithmen bestimmte Kriterien erfüllen. Man müsse sich auf gemeinsame Standards verständigen, die weitgehend verhinderten, dass Algorithmen diskriminierend wirken oder der Vertrauensschutz der Nutzer im Hinblick auf Daten verletzt werde, so Dreyer weiter. Der rheinland-pfälzische Landesrat für digitale Entwicklung und Kultur, dem Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft angehören und der die Ministerpräsidentin berät, fordert zudem den Aufbau einer Zertifizierungsstelle. Diese soll die Einhaltung der Kriterien prüfen und als Beschwerdestelle dienen. Außerdem sei eine Intensivierung der Anstrengungen zur sicheren Beherrschung wichtiger innovativer Technologien und Anwendungen notwendig, zum Beispiel Technologien aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz und Anwendungen in autonomen Systemen.

Ausdrücklich begrüßte Dreyer das vom Bundesverband der Verbraucherzentralen veröffentlichte Thesenpapier “Algorithmenbasierte Entscheidungsprozesse”. “Wir stellen als Gesellschaft noch zu wenig Fragen hinsichtlich Algorithmen und ihrer Wirkung. Wie viel Entscheidungsmacht wollen wir an Algorithmen abgeben, wie sollen Algorithmen abgesichert werden und wie kann die Gesellschaft bestmöglich von Algorithmen profitieren? Diese Fragen müssen gesamtgesellschaftlich breiter diskutiert werden”, so die Ministerpräsidentin. Automatisierte Entscheidungsfindungen durch Algorithmen seien in vielen Fällen im Sinne des Benutzers, beispielsweise wenn ein Algorithmus im Navigationsgerät den besten Weg ohne Baustellen und Staus umgehend von alleine errechne. “Algorithmen können aber auch diskriminierend wirken”, so Dreyer. Sie verwies auf Fälle aus den USA, in denen Bewerbungen durch Computerprogramme vorsortiert würden. Algorithmen seien zudem bei Versicherungsunternehmen imstande, die Lebenserwartung von Menschen zu berechnen und so an der Entscheidung beteiligt, welcher Kunde welchen Tarif bekomme.

Zensus 2021 wird digital Datenerhebung findet in der gesamten EU statt (BS/wim) Die nächste Zensusbefragung im Jahr 2021 soll so weit wie möglich auf Basis des Internets ablaufen. Während im Jahr 2011 noch etwa ein Drittel aller Befragten ihren Fragebogen im Rahmen der Wohnungs- und Gebäudezählung online ausfüllten, soll zehn Jahre später erstmals mit einer Online-First-Strategie gearbeitet werden, um den Meldeweg über das Internet als Normalfall zu etablieren und damit gleichzeitig eine spürbare Präzisierung der Daten zu erreichen.

Auswirkungen der Flüchtlingskrise

Trotz der Priorisierung des digitalen Weges wird es den Fragebogen allerdings auch weiterhin in Papierform geben, damit Menschen mit einer geringeren Affinität zum Internet ebenfalls wie gewohnt am Zensus teilnehmen können.

Zensus auf Registerbasis Zusätzlich zum Online-Verfahren verfolgt das Statistische Bundesamt mittelfristig den Ansatz, den Zensus zu größten Teilen auf modernisierte Register zu stützen. Auf Basis digitalisierter und verknüpfter Register könnten Daten zu Struktur und Entwicklung der Bevölkerung schneller und präziser generiert und somit öfter und mit deutlich weniger Aufwand aktualisiert werden. Da die benötigten Daten allerdings bisher nicht vollständig und teilweise nicht in der erforderlichen Qualität vorliegen, wird der Zensus 2021 neben Daten aus dem Melde- und weiteren Verwaltungsregistern weiterhin auf einer gewissen Anzahl von Haushaltebefragungen auf Stichprobenbasis sowie einer

Ab dem kommenden Zensus 2021 soll das System sukzessive vom analogen Zählen auf ein digitales und registergestütztes System umgestellt werden. Foto: BS/Martin Fisch, cc by sa 2.0, flickr.com

Gebäude- und Wohnungszählung basieren. In Zukunft sollen sich diese Befragungen, und somit auch die Belastung für Bürger und freiwillige Helfer, so weit wie möglich im Rahmen halten und stattdessen sämtliche Daten aus digitalisierten und aktuellen Registern abgerufen werden können.

Der Zensus 2021 in Deutschland ist Teil einer europaweiten Zensusrunde, die für alle Mitgliedsländer der EU verpflichtend vorgeschrieben ist. Da die Europäische Union ab dem Jahr 2024 die jährliche Veröffentlichung von georeferenziellen Bevölkerungsdaten von seinen Mitgliedern fordert, wird eine Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltungsregister in Zukunft unumgänglich werden. Für einen rein registerbasierten Zensus benötigt die Verwaltung digitalisierte und verknüpfte Melderegister und ein noch aufzubauendes Gebäude- und Wohnungsregister. Musste die Einwohnerzahl der Bundesrepublik im Jahr 2011 noch um rund 1,5 Millionen Menschen nach unten korrigiert werden, waren die nachfolgenden Jahre durch eine starke Zuwanderung im Zuge der Flüchtlingskrise geprägt, sodass in drei Jahren von einem generellen Wachstum der Bevölkerung ausgegangen werden kann.

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Digitaler Staat

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ehörden Spiegel: Die ITKonsolidierung ist ein Thema, das alle Bundesbehörden betrifft. Und Sie, also das ITZBund, sollen es vorantreiben. Wie groß ist diese Herausforderung?

Behörden Spiegel / Januar 2018

Steigbügelhalter in die digitale Zukunft Das ITZBund ist die Anlaufstelle für alle IT-Belange der Behörden

(BS) Als zentraler IT-Dienstleister des Bundes wurde das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) mit Sitz in Bonn Anfang 2016 gegründet, um für die Herausforderungen der bevorstehenden IT-Konsolidierung angemessen gerüstet zu sein. Die Aufgabe der Einrichtung ist dabei, das Kranstedt: Die Herausforde- gesamte Spektrum an IT-Dienstleistungen für die Bundesverwaltung zur Verfügung zu stellen. Im Interview sprach der Behörden Spiegel mit dem rung ist gewaltig, da müssen Direktor des ITZBund, Dr. Alfred Kranstedt. Die Fragen stellte R. Uwe Proll. wir uns keine Illusionen machen. Und doch ist sie notwendig. Die Notwendigkeit für die IT-Konsolidierung liegt in Erhalt und Ausbau der IT-Sicherheit und des Datenschutzes, der Sicherung der hoheitlichen Steuerungsfähigkeit der IT und zusätzlich in der Herstellung eines adäquaten Angebotes für die öffentliche Verwaltung, um den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht werden zu können. Dabei geht es vor allem um das Heben von Synergiepotenzialen für die IT-Leistungserbringung und damit letztlich auch um Kostenkontrolle. Und ich möchte betonen, dass es wirklich nur um die Kontrolle der Kosten geht. Es wird nicht erwartet, dass die IT-Kosten sinken, aber ein weiterer Anstieg selbiger Kosten soll so weit wie möglich im Rahmen gehalten werden. Behörden Spiegel: Können Sie sagen, wie viele Behörden von der Konsolidierung erfasst werden? Kranstedt: Insgesamt sind es etwa 130 Behörden, die zu konsolidieren sind. Dabei sind jene bereits abgezogen, die zu Beginn des Programms im Jahr 2015 schon konsolidiert waren, wie die Zollbehörden oder das Bundeszentralamt für Steuern. Es geht um über 1.000 Rechenzentren und Serverräume, die durch verschiedene Behörden der Bundesverwaltung betrieben werden. Diese sollen am Ende idealerweise auf eine ein- oder niedrige zweistellige Anzahl reduziert werden – Betriebskonsolidierung – und gleichzeitig so ausgelegt sein, dass vereinheitlichte Basis- und Querschnittsdienste für die Bundesverwaltung zur Verfü-

gung stehen – Dienstekonsolidierung. Zu guter Letzt ist noch die Beschaffungsbündelung im Programm enthalten, also die Reduktion der Vertragsschnittstellen mit der Industrie auf ein oder zwei zentrale Beschaffungseinheiten. Die Rechenzentrumskonsolidierung soll dabei bis 2023 abgeschlossen sein, die Konsolidierung der Dienste bis zum Jahr 2025. Behörden Spiegel: Im Moment gibt es ja einige Pilotbehörden. Wie sind da Ihre Erfahrungen? Kranstedt: Die Erfahrungen mit den Pilotprojekten waren sehr hilfreich, weil sie uns gezeigt haben, wo wir die Konzepte und Vorgehensweisen noch anpassen müssen. Mit zwei Projekten sind wir jetzt auf der Zielgeraden, nämlich mit dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie sowie der Bundeszentrale für politische Bildung. Beide Projekte werden im ersten Quartal 2018 abgeschlossen sein. Aus diesen Projekten nehmen wir viel mit, wie beispielsweise die Erkenntnis, dass man sich ausreichend Zeit nehmen muss für eine fundierte Bestandsaufnahme und die Bewertung der IT bezüglich der Migrationsfähigkeit. Im Zweifelsfall muss die IT nämlich ebenfalls angepasst werden. Vieles in den Behörden ist historisch gewachsen und weder dokumentiert noch dafür ausgelegt, auch über Distanzen zu funktionieren. Aus solchen Erfahrungen haben wir für das weitere Vorgehen in der Breite viel lernen können. Behörden Spiegel: Wie sieht der Prozess der IT-Konsolidierung für die Behörden aus?

“Insgesamt sind es etwa 130 Behörden, die zu konsolidieren sind.” Dr. Alfred Kranstedt ist seit Mitte 2017 Direktor des ITZBund. Zuvor war er dort bereits Abteilungsleiter für “Dezentrale Betriebsservices”. Foto: BS/ITZBund, Joppen

Kranstedt: Für die Behörden gestaltet sich der Prozess so, dass die entsprechende Infrastruktur in den Rechenzentren des ITZBund parallel zum laufenden Betrieb der Anwendung in der Behörde aufgebaut wird. Dann wird nach und nach ein Verfahren nach dem anderen aus dem Altrechenzentrum in der Behörde auf die neue Infrastruktur im Rechenzentrum des ITZBund migriert und dort produktiv geschaltet. Grundlage hierfür bildet eine Rahmenvereinbarung zwischen den Ressorts und Detailvereinbarungen sowie Service Level Agreements mit den jeweiligen Behörden. Hierin werden die zukünftig durch das ITZBund zu erbringenden Leistungen genau beschrieben. Darin werden auch die Qualitätskriterien beschrieben und ein Ressourcenausgleich festgelegt, also eine Art Vergütung. Das Personal, das in der Vergangenheit die IT-Leistung in der Behörde erbracht hat, wechselt entweder ins ITZBund oder verbleibt in der Behörde und nimmt dann dort eine andere Aufgabe wahr. Für die Pilotbehörden gibt es dazu eine Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Innenministerium und den Finanzministerien, in denen das Prinzip der Freiwilligkeit festge-

Auf dem Weg zur Smart City Städte gestalten Digitalisierung kreativ (BS/har) Das Leitbild einer Smart City ist Inbegriff zukunftsgewandter, digitalisierter kommunaler Räume, die sich aufgrund der hohen Nachfrage nach Interkonnektivität dem digitalen Wandel zunehmend stellen. Mut zur Kreativität sowie die Fähigkeit, eingetretene Pfade zu verlassen, gelten als Gebot der Stunde. Digitalkonzepte erlangen Vorreiterfunktion, da sie Trends mit Modellcharakter in die unterschiedlichsten Bereiche der Daseinsvorsorge und des kulturellen Lebens verpflanzen. Die “Digitalstadt” Ulm ist ein Beispiel für die konsequente Umsetzung solch einer Digitalisierungsstrategie. Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) sieht den Stadtentwicklungsprozess von morgen unter dem Stern einer digitalen Transformation, die niemals Selbstzweck sein dürfe. Ulm verfügt über eine Vielzahl von Bürgerportalen, wie u. a. das donau.portal und beweist Social-Media-Affinität, welche die Einwohnerschaft und das Rathaus näher zusammenbringt. Die Stadt zeigt sich transparent und setzt auf Apps, die zum Beispiel das Parken erleichtern. Auch Tourismus und Kultur werden über digitale Dienste beworben.

Darmstadt wird zur digitalen Zukunftsstadt Die hessische Großstadt hat mit ihrem Modellprojekt “Digitales Darmstadt” den Preis “Digitale Stadt” des IT-Branchenverbands Bitkom gewonnen. Insbesondere die fortschrittliche IT-Infrastruktur sei die Grundlage für die gelungene Umsetzung der Digitalisierung, so Oberbürgermeister Jochen Partsch (Bündnis 90/Die Grünen). 97,7 Prozent der Haushal-

update te seien mit DSL, 93 Prozent mit COAX-Kabelnetzanschlüssen ausgestattet. Nicht nur in der City, sondern auch in der Fläche habe man auf zukunftsfähigen Internet-Ausbau geachtet. Darmstadts Rechenzentrum DARZ, welches energieeffizient betrieben wird, sei an den größten Internetknoten der Welt “DeCIX” angebunden.

Digitalisierung an der Förde Kiel hingegen überzeugt in der Vermarktung und Präsentation digitaler Inhalte. Mit dem viel beachteten Innovationskongress “Digitale Woche” wirbt man für Technologien, die den Wandel der Gesellschaft zur Society 5.0 einläuten. Große Resonanz konnte Kiels Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer (SPD) mit dem einwöchigen Event gewinnen: “Wir wollten das Thema in allen Facetten in die Stadt tragen. Akteure aus der klassi-

schen und digitalen Wirtschaft zusammenzubringen, war unser Ansinnen. Ebenfalls wollten wir die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen.” Als Höhepunkt der Digitalen Woche wurde die digitale Zukunft im Gesundheitswesen thematisiert. Innovationen im Bereich der Medizintechnik veranschaulichten den Wandel im Bereich E-Health. Von der elektronischen Patientenakte bis hin zum modernen digitalisierten Operationssaal wurde einiges geboten.

Fachkongress “Digitaler Staat” Am 20. März 2018 werden Ulm, Darmstadt und Kiel ihre Erfahrungen im Rahmen des “Digitalen Staates” auf dem Podium des Premierenkinos Kosmos in Berlin vorstellen. Mehr Informationen hierzu und zum gesamten Kongress unter www.digitaler-staat.org

legt wurde. Es wird also niemand gegen seinen Willen ins ITZBund versetzt, sondern nur auf freiwilliger Basis. Die Struktur des ITZBund ist somit also selbst auch einem ständigen Veränderungsprozess unterlegen. Behörden Spiegel: Welche Rolle soll das ITZBund in der Bundesverwaltung zukünftig einnehmen? Werden Sie das zentrale Rechenzentrum und der Hauptanbieter von Dienstleistungen in Verfahren sein? Kranstedt: Genau diese Rolle wollen wir einnehmen. Da muss man aber auch immer explizit dazu sagen, dass wir seit dem letzten Jahr nicht mehr der einzige Anbieter sind, sondern die BWI gleichberechtigt neben uns haben. Wir beide sind die sogenannten Generalunternehmer. Darüber hinaus gibt es weitere Partner im Leistungsverbund, die aber nicht als Generalunternehmer fungieren. Das bedeutet, dass BWI und ITZBund das gesamte Portfolio anbieten und für alle Fragen bezüglich IT der zentrale Ansprechpartner für unsere jeweiligen behördlichen Kunden sind. Wir arbeiten dabei kooperativ mit der BWI zusammen. Wir teilen uns die Aufgaben und sollen uns auch gegenseitig beauftragen können, sodass nicht beide Dienstleister das komplette Angebot für die IT-Bedürfnisse der Bundesverwaltung vorzuhalten haben. Es sollen lediglich solche Dienstleistungen parallel vorgehalten werden, die eine Grundversorgung sicherstellen. Hierzu zählt bspw. der Betrieb zentraler Serversysteme oder die Versorgung mit Endgeräten für die Nutzerinnen und Nutzer. Ein Großteil der Dienste wird aber nur von jeweils einem Dienstleister für alle Kunden in der

Verwaltung erbracht werden, der andere Dienstleister vermittelt diesen Dienst in seiner Rolle als Generalunternehmer. Beispielsweise wird die BWI kein eigenes System einer EAkte anbieten. Da wird es nur ein System geben, und das wird durch das ITZBund entwickelt und betrieben. Entsprechende Aufträge der Kunden leitet die BWI zu uns durch, sodass wir dann gegenüber dem Endkunden als Subunternehmer der BWI auftreten. Die Abstimmungen des Portfolios der Dienstleister laufen aktuell. Behörden Spiegel: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gilt derzeit als Vorreiter in Sachen Möglichkeitserkundung in der digitalen Welt. Dort wird überlegt, einen Verbund mit der Bundesagentur für Arbeit und anderen Behörden aufzubauen, um Informationslücken auf einer Cloud-Basis zu schließen. Sind Sie da aktiv beteiligt? Kranstedt: Wir sind der Partner, der sämtliche Systeme des BAMF betreibt und somit sind wir auch Teil dieser Überlegungen. Daher spricht das BAMF mit uns über all diese Zukunftsthemen wie Cloud, künstliche Intelligenz und Big Data. Im Auftrag des BAMF entwickeln wir gemeinsam eine Cloud-Lösung für genau diesen Zweck des behördlichen Datenaustausches. In diese Cloud soll dann ein Großteil ihrer Anwendungen integriert werden und daraus sollen dann auch automatisierte Dienstleistungen und Datenschnittstellen in die anderen Behörden generiert werden. Wir sind dankbar dafür, dass diese Behörde so innovativ ist, denn sie artikuliert einen Bedarf und trägt diese Themen in die Fachöffentlichkeit. Diese Aufmerksamkeit hilft uns natürlich, Finanzmittel einzuwerben, um neue Technologien auf ihre Nutzbarkeit in der Verwaltung zu prüfen. Daher arbeiten wir intensiv mit dem BAMF zusammen, prüfen dort neue Technologien auf ihre Alltagstauglichkeit und sind zusätzlich auch mit den entsprechenden Herstellern solcher Lösungen sowie punktuell auch

der Forschung im Gespräch. Das geschieht immer mit dem Ziel, neue Technologien bis zu einer Reife und Stabilität zu entwickeln, sodass wir sie dem behördlichen Umfeld guten Gewissens anbieten können. Mit dem BAMF sitzen wir gemeinsam in den entsprechenden Architekturgremien im Innenressort, um die Asylverfahren weiter zu entwickeln, Daten auszuwerten und diese zu koppeln. Behörden Spiegel: Könnte dieser Cloud-Ansatz nicht auch als Grundmuster für eine Bundes-Cloud dienen? Kranstedt: Das stimmt, die Cloud-Lösung für das BAMF wird Bestandteil der BundesCloud sein. In Zukunft soll es eine hoheitlich administrierte BundesCloud geben, die eine Vielzahl von Diensten bündelt, in der Regel Querschnittsdienste, die viele Behörden nutzen, aber auch Fachdienste, wie die des BAMF. Daneben soll auch in beschränktem Maße die Nutzung von Public Cloud-Angeboten aus dem behördlichen Umfeld heraus möglich sein, sofern diese Dienste aus Datenschutzsicht unbedenklich sind. Unsere Aufgabe ist es dabei, zentrale Einstiegspunkte für die verschiedenen Lösungen zu geben. Eine Vermischung dieser beiden Angebote ist dabei allerdings nicht möglich. Wenn ich mit eingestuften Dokumenten arbeite, dann kann ich die nicht in eine Public-Cloud setzen. Das verbietet sich schon rein von der rechtlichen Grundlage her. Dementsprechend muss ich als Behörde einige Vorgänge in der geschützten Bundes-Cloud betreiben und ausschließlich kontrolliert im Behördenkontext bearbeiten, während für die Kommunikation mit der Außenwelt auch Public-Cloud-Angebote denkbar sind. Das heißt aber nicht, dass sich eine Behörde für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden muss. Sie kann durchaus beides parallel nutzen, aber sie kann die Daten eben nicht beliebig zwischen diesen beiden Welten hin und her schieben. Es gibt eine Sicherheitsgrenze zwischen diesen beiden Welten, und die muss zwingend eingehalten werden.

ITZBund-Direktor Dr. Alfred Kranstedt ist Referent auf dem Fachkongress Digitaler Staat am 20. und 21. März 2017 in Berlin. Weitere Informationen unter www.digitaler-staat.org

Fragt die zukünftigen Mitarbeiter Studenten skizzieren Vision der Verwaltung im Jahr 2030 (BS/ab) Mit dem demografischen Wandel werden die Fachkräfte weniger. Ein Ringen um geeignete Mitarbeiter findet jetzt schon statt. Auch Verwaltungen sind davor nicht gefeit. Doch wie können Behörden ihre Attraktivität für neue Mitarbeiter steigern? Die jüngere Generation meldet sich zu Wort und konnte erste Antworten liefern. Bei der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) sowie für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin durften die Studenten ihre Visionen und Perspektiven entwickeln, die sie selber als Mitarbeiter erleben möchten. Die Verwaltung im Jahr 2030: Mehr Flexibilität sowie Nachhaltigkeit und bessere mobile ITAusstattung sind Forderungen der Studenten. Aber auch ein lebenslanges Lernen dürfe nicht fehlen.

Nutzt die moderne Technik! Um die Visionen zu erreichen, müssten die neuen technischen Errungenschaften so weit wie möglich ausgereizt und mehr finanzielle sowie personelle Ressourcen freigesetzt werden. Arbeitslaptops, eine ausgebaute

IT-Infrastruktur sowie die Nutzung der Cloud könnten die Attraktivität der öffentlichen Verwaltung steigern. Auf Basis der Cloud sei es vor allem möglich, Home-Office- und E-Learning-Angebote anzubieten, auf die die Mitarbeiter von überall zugreifen könnten. Auch Weiterbildungsprogramme “von Mitarbeitern für Mitarbeiter” könnten auf potenzielle Bewerber anziehend wirken. Durch eine Vernetzung zwischen den jungen “Digital Natives” und der älteren, erfahrenen Generation von Verwaltungsmitarbeitern könnten an dieser Stelle nämlich Synergieeffekte entstehen. Von diesen versprechen sich die Studenten zusätzlich auch mehr Dynamik in den Abteilungen. Ein attraktives Ar-

beitsumfeld kann genauso einen Reiz für junge Menschen ausstrahlen, wie diese selbst auch Voraussetzung für ein attraktives Arbeitsumfeld sein können. Somit könnten diese ersten Teilaspekte der Modernisierung der Organisation dazu führen, dass auch junge IT- und Verwaltungsfachkräfte ihren Weg in die Behörden finden.

Auf dem Digitalen Staat Weitere Ergebnisse der Umfrage werden auf dem Fachkongress des Behörden Spiegel “Digitaler Staat” am 20.-21.März 2018 im Trendreport der Prognos AG präsentiert. Die Studenten erhalten die Gelegenheit, die Ergebnisse des Zukunftslabors mit den Teilnehmern aus der öffentlichen Verwaltung zu diskutieren.

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Partnerland 2018: Norwegen egeen

20.-21. März 2018

KOSMOS, Berlin

Der Digitalisierungskongress für Staat und öffentliche Verwaltung wird im März 2018 in Berlin stattfinden. Automatisch und intelligent – Herausforderungen für die Vernetzung: Automatisierung, ChatBot, KI, Blockchain, OZG, Once Only sind Themen des Kongresses. Mit dem Partnerland Norwegen wird der Kongress internationale Lösungen zur Digitalisierung von Staat und öffentlicher Verwaltung aufzeigen. Impulse werden durch die neue Legislaturperiode und die Digitale Agenda 2017–2021 gesetzt. Erstmals findet der Kongress im größten Premierenkino Berlins statt, dem KOSMOS. Vorhang auf!

PROGRAMM 20. März

PROGRAMM 21. März

08:30 Uhr: Eröffnung Kongress R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber Behörden Spiegel 08:35 Uhr: Die neue Digitale Agenda 2017–2021 N.N. 08:55 Uhr: Innovation organisieren Jürgen Fritsche, Geschäftsleitung Brancheneinheit Public Sector, msg systems 09:15 Uhr: E-Government made in Norway Paul Chaffey, Staatssekretär Norwegisches Ministerium für öffentliche Verwaltung und Modernisierung 09:35 Uhr: Soziale Netzwerke im Behördenalltag Peter Morwinski, Leiter Technologie Center, Bechtle 09:55 Uhr: Kaffeepause 10:35 Uhr: Herausforderung Portalverbund – Anmerkungen aus der Wissenschaft Prof. Dr. Jörn von Lucke, Zeppelin Universität Friedrichshafen 10:55 Uhr: Once-Only: der neue Portalverbund von Europa, Bund, Ländern und Kommunen Moderation: Matthias Kammer, Vorsitzender, Nationales E-Government Kompetenzzentrum Impuls: Mathias Oberndörfer, Bereichsvorstand Öffentlicher Sektor, KPMG Prof. Dr. Jörn von Lucke, Direktor des Lehrstuhls für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik, Zeppelin Universität Friedrichshafen Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik Hartmut Beuß, Beauftragter der Landesregierung NRW für Informationstechnik (CIO) Dorothea Störr-Ritter, Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates 11:35 Uhr: Schaffung einer Kohärenz der innovativen Ansätze im digitalen Dänemark Lars Frelle-Petersen, Stellvertretender Staatssekretär, Finanzministerium Dänemark 11:50 Uhr: Pause / Raumwechsel 12:00 Uhr: Forenblock 1 E-Government Fachprogramm Digitaler Datenschutz E-Government 1: E-Rechnung – Einsparpotenzial für Unternehmen und Verwaltung E-Government 2: Prozessoptimierung – Grundlage einer erfolgreichen Digitalisierung E-Government 3: E-Government made in Norway E-Government 4: IT-Sicherheit in der Verwaltung 4.0 – zentraler Vertrauensbaustein im digitalen Zeitalter E-Government 5: Digitalisierung ohne Innovation – ist das sinnvoll?

13:30 Uhr: Mittagspause 14:30 Uhr: Forenblock 2 E-Government E-Government 6: Microservices, DevOps, Agilität: Trends für IT-Entwicklung und Deployment E-Government 7: E-Akte – medienbruchfreier Verwaltungsprozess E-Government 8: Stadtlabor E-Government 9: Future of work E-Government 10: Implementierung von Cloud-Strukturen in der öffentlichen Verwaltung

(in Kooperation mit der Initiative D 21) Moderation: Prof. Dr. Wilfried Bernhardt, Universität Leipzig 12:00 Uhr: Once-Only-Prinzip – Gefahren oder Chancen für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung? 12:30 Uhr: DSGVO ante portas: Rettet uns technischer Datenschutz?

Fachprogramm Digitaler Datenschutz 14:30 Uhr: 15:00 Uhr: 15:30 Uhr:

Chancen und Herausforderungen der DSGVO für die Kommunen Arbeitnehmerdatenschutz Die Bedeutung der eIDAS-Verordnung für Behörden

16:00 Uhr: Kaffeepause 16:30 Uhr: Digitale Plattformen im Spannungsfeld zwischen Effizienz und Datenschutz Prof. Dr. Louisa Specht, Lehrstuhl für Europäisches und Internationales Daten- und Informationsrecht an der Universität Passau 16:50 Uhr: Staat als Plattform für digitale Ökosysteme Prof. Dr. Peter Parycek, Leitung des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) 17:10 Uhr: Die Digitalisierung meiner Stadt – Kommunikation, Kollaboration, Partizipation Moderation: Guido Kahlen, Stadtdirektor der Stadt Köln a. D. Gunter Czisch, Oberbürgermeister der Stadt Ulm Jochen Partsch, Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister der Stadt Kiel Manfred Schnur, Landrat des Landkreises Cochem-Zell 18:15 Uhr: Start-up-Pitch Moderation: Verena Hubertz, Geschäftsführerin Kitchen Stories Dr. Markus Richter, Abteilungsleiter für Infrastruktur und IT, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und andere 19:30 Uhr: Abendempfang und Buffet

Weitere Informationen www.digitaler-staat.org

08:30 Uhr: Eröffnung Ausstellung 08:45 Uhr: Den digitalen Staat bewusst gestalten – Rechts- und Verwaltungsvereinfachung als Grundbedingung einer erfolgreichen Digitalisierung Dr. Johannes Ludewig, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates 09:05 Uhr: ChatBot – auf dem Weg zum vollautomatisierten Verwaltungsakt Impuls und Moderation: Dr. Matthias Flügge, Leiter Geschäftsbereich Digital Public Services, Fraunhofer FOKUS Dr. Markus Richter, Abteilungsleiter für Infrastruktur und IT, 09:20 Uhr – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 15:15 Uhr Dr. Martin Deeg, Leiter des IT-Systemhauses, Bundesagentur für Arbeit FachRoland Jabkowski, Co-CIO der Landesregierung Hessen programm Digitaler Dr. Kay Ruge, Beigeordneter, Deutscher Landkreistag Haushalt 09:50 Uhr: Digitale Justiz – e-justice Prof. Dr. Winfried Bausback, Bayerischer Staatsminister der Justiz 10:10 Uhr: Partner-Vortrag Susanne Diehm, Mitglied der Geschäftsleitung, SAP Deutschland 10:30 Uhr: Die Digitale Agenda der Bundesagentur für Arbeit Dr. Markus Schmitz, CIO der Bundesagentur für Arbeit 10:45 Uhr: Kaffeepause 11:15 Uhr: Forenblock 3 E-Government Fachprogramm Arbeit & Personal 4.0 FachE-Government 11: Digitalisierung über alle föderalen Ebenen – nächste Generation E-Government 12: Digitalisierung Bund – Konsolidierung, Prozesse und Dienstleistungen E-Government 13: Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs mit der Justiz – aktueller Sachstand und zukünftige Entwicklung E-Government 14: GovBot – KI in der öffentlichen Verwaltung

13:45 Uhr: Forenblock 4 E-Government E-Government 15: Blockchain – Zukunftstechnologie für den öffentlichen Sektor E-Government 16: IT-Sicherheitsstrategien in Ländern und Kommunen E-Government 17: Digitale Kommune – smart, vernetzt, bürgerorientiert E-Government 18: Authentifizierung und Identifizierung leicht gemacht – Alternativen zum Personalausweis

Fachprogramm Arbeit & Personal 4.0 Fach13:45 Uhr: Nachhaltiges Wissensmanagement durch offene Wissensressourcen 14:15 Uhr: Interne Mitarbeiterkommunikation im digitalen Zeitalter 14:45 Uhr: Organisation der Arbeit im digitalen Zeitalter

programm Digitaler Haushalt

15:15 Uhr: Kaffeepause 15:30 Uhr: Arbeit – Beschäftigung – Bildung in der Verwaltung 4.0: Was müssen wir tun, damit die Transformation gelingt? Prof. Dr. Manfred Becker, Lehrstuhl für Personalwirtschaft und Business Governance an der Universität Halle-Wittenberg 16:00 Uhr: Upskilling, Grundeinkommen und Society 5.0 Moderation: Dr. Petra Wolf, Expertin in Digitalisierung der Verwaltung, Nutzerorientiertes E-Government, Capgemini Impuls: Dr. Ralph Bürk, Präsident, Führungsakademie Baden-Württemberg Generalmajor Michael Vetter, Stellvertretender Inspekteur und Chef des Stabes Kommando Cyber- und Informationsraum Prof. Dr. Hilmar Schneider, Vorsitzender der Geschäftsführung, Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender, dbb beamtenbund und tarifunion Dr. Georg Thiel, Präsident, Statistisches Bundesamt 16:45 Uhr: Vorstellung des Trendreports 2018 „Auf dem Weg zur digitalen Organisation“ Marcel Hölterhoff, Bereichsleiter Managementberatung, Prognos Jan Tiessen, Senior-Projektleiter im Bereich Organisation & Umsetzungsberatung, Prognos 17:00 Uhr: Ende des Kongresses

Technologiepartner: Königreich Dänemark

programm Digitaler Haushalt

12:45 Uhr: Mittagspause

www.facebook.com/digitalerstaat

Themenpartner:

Moderation: Ralf Münchow, Bundesministerium für Bildung und Forschung 11:15 Uhr: What‘s up in der Verwaltung – sicheres Messaging in der Behördenkommunikation 11:35 Uhr: Flexibles und mobiles Arbeiten

twitter #digistaat Eine Veranstaltung des

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Informationstechnologie

Seite 30

Behörden Spiegel / Januar 2018

Planen und bauen

Auf dem Weg zur Industrie 4.0

MRN und Hamburg kooperieren

Fujitsu stellt “Smart Factory” in Augsburg vor

(BS/gg) Die Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) und die Metropolregion Hamburg haben eine Vereinbarung zur Beschleunigung des digitalen Wandels in der öffentlichen Verwaltung geschlossen. Im Zentrum der Kooperation steht die gemeinsame Konzeption und Erprobung innovativer digitaler Lösungsansätze im Bereich der Planungs- und Bauverwaltung. Planungsprozesse sowie Baugenehmigungsverfahren sollen in den kommenden Jahren transparenter, einfacher, schneller und kostengünstiger werden.

(BS/wim) Um der Entwicklung der digitalen Transformation in der Industrie proaktiv zu begegnen, hat der Technologiekonzern Fujitsu in seinem deutschen Hauptwerk in Augsburg eine sogenannte “Smart Factory” eingerichtet. Mit einer auf die Zukunft ausgerichteten Produktion sollen Forschung und Entwicklung sowie die Produktion von 21.000 Einheiten wie Notebooks und Serversystemen pro Tag effizient gestaltet werden.

“Die Prozesse in den Planungsämtern und Bauverwaltungen werden bereits heute durch IT-Anwendungen unterstützt. Jedoch sind viele der verwendeten Systeme und Datenformate nicht kompatibel miteinander. Medienbrüche und komplizierte Verwaltungsverfahren sind die Folge”, erklärte Dr. Christine Brockmann, Geschäftsführerin der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH. Vor diesem Hintergrund wurden im IT-Planungsrat unter der Federführung Hamburgs zwei Standards entwickelt: “XPlanung” dient dem verlustfreien Austausch von digitalen Planwerken, angefangen bei der Raumordnung bis hin zur örtlichen Bauleitplanung. “XBau” ermöglicht den digitalen Datenaustausch zwischen allen am Bauantrags- und Baugenehmigungsverfahren beteiligten Akteuren. Die Kooperationspartner wollen “XPlanung” und “XBau” nun gemeinsam in die Praxis bringen. “Hamburg ist Vorreiter bei der Digitalisierung im Bereich Planen und Bauen. Die RheinNeckar-Region ist bundesweites Vorbild bei der Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg. Diese Kompetenzen wollen wir bündeln, um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen im föderalen Kontext

voranzutreiben”, so Jakob Richter, Leiter der Geschäftsstelle der Metropolregion Hamburg. “Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus Hamburg werden in zwei geplante Pilotprojekte einfließen, die wir im Rahmen der digitalen Modellregion RheinNeckar umsetzen”, sagte Ralph Schlusche, Verbandsdirektor Verband Region Rhein-Neckar. So soll im Rahmen des Projekts “Virtuelles Bauamt” eine webbasierte Antrags- und Kooperationsplattform zur vollständig medienbruchfreien Bearbeitung von Bauanträgen entstehen. Eingebunden sind die 26

unteren Baubehörden in der Metropolregion Rhein-Neckar sowie die drei zuständigen oberen Baubehörden der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Im Rahmen des zweiten Pilotprojekts soll der Standard “XPlanung” erprobt und evaluiert werden. So sollen neue Möglichkeiten der länderübergreifenden Darstellung sowie der Auswertbarkeit baurechtlicher Festsetzungen geschaffen werden. Hierdurch könnte man in Zukunft z. B. einfacher geeignete Standorte für den Wohnungsbau finden.

Präsentierten die Kooperationsvereinbarung: Ralph Schlusche (Verbandsdirektor Verband Region Rhein-Neckar), Dr. Christine Brockmann (Geschäftsführerin der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH) und Jakob Richter, Leiter der Geschäftsstelle der Metropolregion Hamburg. Foto: BS/MRN GmbH, Tobias Schwerdt

In mehreren Schritten wurde das Produktionssystem nach einer Gesamtrevision im Jahr 2009 immer weiter modernisiert und mit Assistenzsystemen erweitert. So arbeiten die Bayern heute mit vollvernetzten Kleindisplays statt Papieretiketten, um die Umwelt zu schützen und werksinterne Kennzeichnungen jederzeit von überall flexibel anpassen zu können. Zusätzlich gibt es seit diesem Januar zwei Roboterarme im Werk, die in Kooperation mit dem Roboterhersteller KUKA entwickelt wurden. Diese Arme sollen den Arbeitsalltag in der Fertigung von Mainboards erleichtern, indem sie den Mitarbeitern besonders anstrengende oder monotone Aufgaben abnehmen. Aber auch langfristig will Frank Blaimberger, Head of Services and Tools bei Fujitsu, diese Roboter lediglich als Unterstützung für den Menschen einsetzen, denn “jeder Mensch hat etwas zu bieten, was Maschinen nicht können.” Stattdessen setzen er und sein Team auf die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, um die Vorteile beider Seiten effizient zusammenzuführen. Außerdem wird die Wartung von Geräten nicht mehr nach Turnus und somit nach statistischem Verdacht auf Verschleiß durchgeführt. Stattdessen ermöglicht die smarte Vernetzung eine je-

derzeit mögliche Wartung nach Bedarf, wenn bei individuellen Geräten Grenzwerte erreicht sind. Da die Industrie 4.0 laut den Verantwortlichen nicht mehr allein zu stemmen ist, unterhält das Unternehmen neben der Partnerschaft mit KUKA eine Vielzahl von weiteren Kooperationen. Neben Wirtschaftsunternehmen wie Siemens, Bosch oder Microsoft gibt es auch einen aktiven Austausch mit Wissenschaftseinrichtungen wie dem

Fraunhofer-Institut und Universitäten. Für die Zukunft stellt man sich bei Fujitsu dazu auf eine neue Positionierung ein. Denn wo eine Fabrik früher das Ende der Produktionskette darstellte, müssen heute für Kunden und Partner Produktlösungen entwickelt und realisiert werden. Daher arbeiten die Bayern an neuen Geschäftsmodellen, wie beispielsweise der Vermietung von Hard- und Software sowie an verschiedenen Cloud-Lösungen.

Mit einem solchen Roboterarm sollen die Mitarbeiter des Fujitsu-Werkes bei der Überprüfung der Mainboards unterstützt werden. Foto: BS/Orth

E-Rechnung in heißer Phase Wie die Umsetzung gelingen kann (BS/Dr. Steffen Bernius*) Für die E-Rechnung sind die wichtigsten Rahmenbedingungen geschaffen. Sowohl die öffentlichen Auftraggeber als auch deren Lieferanten stehen vor der Herausforderung, den neuen Standard XRechnung einzuführen und die Optimierung ihrer Prozesse voranzutreiben. Um die engen Deadlines zu halten, müssen die Umsetzungsprojekte spätestens 2018 starten – gerade Kommunen stehen hierbei jedoch vor vielen Herausforderungen. Die im September 2017 durch das Bundeskabinett beschlossene E-Rechnungs-Verordnung konkretisiert die Vorgaben für den Rechnungsaustausch mit der Bundesverwaltung. Kerninhalte sind die Verpflichtung für Lieferanten zur Einbringung elektronischer Rechnungen (Ausnahme: Direktaufträge bis 1.000 Euro), die Verwendung eines Rechnungsformats gemäß der EU-Norm (XRechnung als deutsche Ausprägung) sowie die Nutzung eines Verwaltungsportals. Gilt dies zunächst nur auf Bundesebene, so geht zweifelsohne eine Signalwirkung für die Umsetzung in den Bundesländern aus. Diese werden in den kommenden Monaten mit eigenen Gesetzen und Verordnungen nachziehen und die Vorgaben auf Landes- und Kommunalebene ausweiten. Die jenseits der Bundesebene bereits gestarteten Projekte bewegen sich aktuell noch auf einer Straße ohne feste Leitplanken. Die Projektverantwortlichen stehen u. a. vor der Aufgabe, den Rechnungseingang zu konzipieren – und damit vor etlichen Fragen: Wird die Landesgesetzgebung die Anbindung an ein Portal vorschreiben? Wenn ja, an welches? Inwieweit werden die Lieferanten verpflichtet? Kann ich neben der XRechnung auch andere Formate nutzen? Was geschieht mit den eingehenden Papierrechnungen? Wie soll mit Baurechnungen, Sammelrechnungen etc. umgegangen werden? Wie integriere ich die E-Akte? Auf den Großteil dieser Fragen müssen individuelle Antworten gefunden werden. Als wesentliche Stellschraube zur Vermeidung von Fehlern in der Umsetzung hat sich die Fokussierung auf einen durch-

dachten und nachhaltigen Projektaufsatz erwiesen – für viele Behörden, insbesondere kleinere Einrichtungen, ein ungewohntes Terrain. So ist eine detaillierte Projektabgrenzung und -planung zwar unabdingbar, steht aber oftmals im Gegensatz zu unrealistischen Zeit- und Budgetvorstellungen. Dennoch sollten zumindest in der Vorprojektphase externe Best-Practice-Erfahrungen hinzugezogen werden. Vielen fachlichen, organisatorischen oder technischen Problemstellungen, die erst später im Projekt auftauchen, kann so schon frühzeitig begegnet werden. Die Durchführung erfolgt zumeist durch mehrere Workshops mit dem Projektkernteam, deren Output entsprechend aufbereitet wird. Im Ergebnis steht dann neben einem validen Ressourcen- und Budgetplan auch das notwendige Instrumentarium für eine erfolgreiche Projektdurchführung zur Verfügung. Dazu gehören zum Beispiel eine Auflistung bewerteter und messbar gemachter Projektziele, ein detaillierter Zeit- und Aktivitätenplan, ein Maßnahmenkatalog zur Risikominimierung, Berichts- und Kommunikationsstrukturen sowie ein Qualitätssicherungskonzept. Der Rückgriff auf Expertenwissen kann für diese kurze Vorphase zumeist ohne eine aufwendige Ausschreibung realisiert werden. Und nicht zuletzt: Wenn Probleme bei anderen Verwaltungen, die weit in der Umsetzung fortgeschritten sind, bereits bewertet und gelöst wurden, sollte man dieses Wissen anzapfen! *Dr. Steffen Bernius ist Head of E-Rechnung bei der Bonpago GmbH.

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Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Januar 2018

Seite 31

Ohne beA ins neue Jahr

Papierlose Justiz in Coburg

Sicherheitspanne beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach

Bausback gibt am Landgericht Startschuss für E-Akte

(BS/stb) Seit 1. Januar 2018 müssen Rechtsanwälte das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nutzen. Das ist zurzeit nicht möglich, weil die zugrunde liegende Plattform offline ist. Grund ist ein Sicherheitsproblem, das kurz vor Weihnachten entdeckt wurde. Nachdem eine Schnellschusslösung sogar zu noch größerer Unsicherheit geführt hatte, setzt die zuständige Bundesanwaltskammer (BRAK) nun auf transparente Kommunikation und will auch unabhängige Experten einspannen, um Lösungen zu finden.

(BS/wim) Das Landgericht Coburg hat Ende des vergangenen Jahres den elektronischen Rechtsverkehr auf Basis der E-Akte eingeführt. Nachdem die elektronische Akte in Landshut und Regensburg bereits im Sommer eingeführt wurde, ist Coburg nun das dritte Landgericht in Bayern, an dem in Zukunft digital eingereichte Zivilklagen bis zur Zustellung der Entscheidung durchweg elektronisch bearbeitet werden.

Das beA soll die sichere elektronische Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und Justizbehörden ermöglichen. Die von der BRAK entwickelte und betriebene Plattform ist im Kern ein geschlossenes E-MailVerwaltungssystem, bei dem die übermittelten Nachrichten und Postfächer durch Authentifizierungs- und Verschlüsselungsverfahren geschützt werden. Das System ist bereits seit Herbst 2016 in Betrieb. Seit Jahresbeginn muss eigentlich jeder in Deutschland zugelassene Anwalt ein Postfach eingerichtet haben und “passiv nutzen”, d. h. erreichbar sein. Daraus wird nun erst mal nichts, denn die BRAK hat das beA vom Netz genommen, um den Anmeldeprozess zu überarbeiten. Dieser wies bisher ein Sicherheitsproblem auf. Ein ITSicherheitsforscher des Chaos Computer Clubs hatte festgestellt, dass das zur sicheren Nutzer-Authentifizierung nötige Zertifikat den privaten Teil des Schlüssels enthielt, der somit öffentlich war. Nach einer Benachrichtigung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und T-Systems, die das Zertifikat signiert hatte, wurde dieses für ungültig erklärt.

Kurzfristige Lösung scheitert Offenbar um den Rechtsanwälten die termingerechte Einrichtung und Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zum Jahreswechsel ermöglichen zu können, veröffentlichte die BRAK kurzfristig eine Anleitung zur händischen Installation eines neuen Zertifikats – und verschlimmerte die Situation noch. Nicht nur war auch bei dem neuen Zertifikat der Schlüssel öffentlich. Mit dem neuen Zertifikat fügten Nutzer auch eine neue Zertifizierungsstelle zu ihrem System hinzu, die für jede beliebige InternetDomain Zertifikate ausstellen könnte. Ein Angreifer könn-

Statt Ordnertürmen finden sich auf den Verhandlungstischen des Gerichts nun Computermonitore mit Touchscreens, auf denen sämtliche Dokumente für die Gerichtsprozesse schnell und praktisch überall im Saal aufgerufen werden können. Zusätzlich gibt es einen großen Bildschirm hinter dem Richtertisch, auf dem Bilder und andere für die Verhandlung relevanten Prozessgegenstände für alle Beteiligten dargestellt werden können. Auf dem großen Monitor können außerdem auch Zeugen in Abwesenheit befragt werden. Den Startschuss für den elektronischen Rechtsverkehr am Landgericht Coburg gab Ende November der bayerische Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback. Das Einreichen von Schriftsätzen durch Anwälte Das besondere elektronische Anwaltspostfach soll einen leichten und sicheren E-Mail-Verkehr zwischen Rechtsanwälten und Justizbehörden ermöglichen. Bis zur Lösung eines Sicherheitsproblems ist das System jedoch offline. Foto: BS/© Alexyndr, Fotolia.com

te auf dieser Grundlage leicht Man-in-the-Middle-Angriffe auf die Kanzlei durchführen.

BRAK geht in Informationsoffensive Die BRAK hat sich dann auch schnell von dieser Schnellschusslösung distanziert und die gesamte beA-Plattform vom Netz genommen. Die Anwaltskammer rät den Nutzern dringend, das Zertifikat wieder zu deinstallieren und bemüht sich ansonsten um regelmäßige Informationen zum Stand der Dinge. In einem öffentlichen Schreiben erklärt der Präsident der BRAK, Ekkehart Schäfer: “Nach unseren Informationen waren und sind die beA-Plattform selbst, die Verschlüsselung der Nachrichten und die Sicherheit der Nachrichtenübermittlung und Speicherung im beA-System von der aktuell festgestellten Sicherheitslücke nie betroffen.” Im neuen Jahr ist die BRAKPräsidentenkonferenz in Berlin zu einer Sondersitzung zusam-

mengekommen, um das weitere Vorgehen zu diskutieren. Grundsätzlich wird eine möglichst zeitnahe Wiederinbetriebnahme angestrebt. Dabei soll aber Sicherheit vor Geschwindigkeit gehen. Ein vom BSIempfohlener Gutachter soll die Sicherheit des beA-Systems testen. Das Gutachten soll öffentlich gemacht werden. Außerdem wird ein “beAthon” geplant, bei dem unabhängige Experten gemeinsam mit Gutachtern und technischen Dienstleistern den vorgesehenen Lösungsweg erörtern sollen, wie es aus der BRAK heißt. Inzwischen sind einzelne Dienste des beA-Systems, die von den Sicherheitproblemen nicht betroffen sind, wieder verfügbar, so das bundesweite Amtliche Anwaltsverzeichnis. Vollständig werde das System erst wieder in Betrieb genommen, “wenn alle sicherheitsrelevanten Fragestellungen eindeutig geklärt sind”, versichert BRAKPräsident Schäfer.

war in Coburg schon seit einiger Zeit rund um die Uhr auf elektronischem Weg möglich gewesen. Seit November können neu eingegangene Dokumente nun ausschließlich auf elektronischem und somit papierlosem Wege weiterbearbeitet werden. Um den Erfolg der Pilotphase sicherzustellen, wirbt Bausback um Geduld, um die nötige Sorgfalt einfließen lassen zu können: “Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit! Die schrittweise Pilotierung der elektronischen Akte bildet das notwendige Fundament für die Entscheidung über die landesweite Einführung der elektronischen Gerichtsakte.” Die Einführung der E-Akte in Coburg erfolgte im Zuge des EJustice-Gesetzes, welches zum 1. Januar in Kraft getreten ist. Die landesweite Einführung des

elektronischen Rechtsverkehrs in der bayerischen Justiz ist zum Jahr 2026 geplant. Minister Bausback wird auch auf dem Kongress “Digitaler Staat” am 20./21. März in Berlin zum Thema E-Justiz sprechen.

Prof. Dr. Winfried Bausback gab den Startschuss für die E-Akte am Landgericht Coburg. Foto: BS/Giessen

Breitbandförderung Bund vergibt 375 Millionen Euro Fördermittel (BS/gg) Christian Schmidt, geschäftsführender Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), hat kurz vor Weihnachten 124 Förderbescheide aus dem milliardenschweren Bundesprogramm für den Glasfaserausbau vergeben. In der fünften Runde und im Sonderprogramm Gewerbegebiete überreichte das BMVI rund 375 Millionen Euro Fördermittel an Landkreise und Kommunen in unterversorgten Regionen und ermöglicht damit Gesamtinvestitionen in Höhe von 782 Millionen Euro. “Wir stellen die Weichen für die digitale Zukunft unseres Landes. Mit unseren heutigen Förderbescheiden bauen wir rund 30.000 Kilometer neue Glasfaser und unterstützen die Landkreise und Kommunen dabei, ihren Anschluss an das superschnelle Breitband zu organisieren. Insgesamt haben wir mit unserem Bundesprogramm rund 320.000 Kilometer neue Glasfaser ermöglicht. Dafür investieren wir über 3,45 Milliarden Euro Bundesmittel und schaffen Netzgeschwindigkeiten bis in den Gigabit-Bereich”, erklärte Minister Schmidt. Allein durch die fünfte Runde bekommen laut BMVI mehr als 100.000 Haushalte und mehr als 10.000 Unternehmen einen Breitbandanschluss. Rund

8.000 Unternehmen davon könnten von einem Gigabitanschluss profitieren.

Der geschäftsführende Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Christian Schmidt, bei der Übergabe der Förderbescheide Breitbandausbau Ende vergangenen Jahres. Foto: BS/BMVI

De Maizière besucht BAMF

E-Government-TÜV gefordert

Lob für technische Systeme zur Identitätsprüfung

Deutscher Landkreistag veröffentlicht Positionspapier

Seit April 2016 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bereits 731 Förderanträge für Netzausbauprojekte in ganz Deutschland bewilligt. Für jedes Ausbauprojekt erhalten Landkreise und Kommunen bis zu 15 Millionen Euro Bundesmittel, um unterversorgte Gebiete ans schnelle Internet anzuschließen. Bei den Ausbaubescheiden beträgt der Fördersatz 50 bis 70 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben. Da das Bundesprogramm mit Förderprogrammen der Länder kombinierbar ist, kann der Förderanteil auf bis zu 90 Prozent gesteigert werden. Insgesamt stehen für die Breitbandförderung aus Bundesmitteln mehr als vier Milliarden Euro bereit.

(BS/gg) Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière hat sich in der Ber- (BS/gg) Nach Ansicht des Deutschen Landkreistages (DLT) bedarf es konsequenter Anstrengungen und passender Rahmenbedingungen für den liner Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Ausbau digitaler Verwaltungsangebote. Seine Erwartungen an den Bund hat der DLT nun in einem Positionspapier öffentlich gemacht. über die neuen IT-Assistenzsysteme zur Identitätsprüfung informiert. Mithilfe von Bildbiometrie, Namenstranskription und Sprachbiometrie sowie dem Auslesen mobiler Datenträger können die im Rahmen des Asylverfahrens erhobenen Informationen validiert und plausibilisiert werden. Der Minister zeigte sich beeindruckt von den technischen Hilfsmitteln, die auch für andere europäische Staaten ein Vorbild seien. BAMF-Präsidentin Jutta Cordt erklärte, 60 Prozent der Schutzsuchenden kämen ohne Papiere nach Deutschland. Hier sei es wichtig, so viele Hinweise wie möglich zu haben. “Deshalb haben wir IT-gestützte Assistenzsysteme eingeführt, mit denen wir die Informationen von Asylsuchenden besser überprüfen, Entscheidungen auf eine breitere Grundlage stellen können.” Seit September seien die vier Tools in allen Außenstellen und Ankunftszentren flächendeckend im Einsatz. So unterstützt eine spezielle Software den bildbiometrischen Abgleich und ermöglicht es, biometrische Merkmale mit denen bereits re-

gistrierter Asylantragstellender zu vergleichen. Ein anderes Assistenzsystem nimmt eine standardisierte Übertragung von arabischen Namen in die lateinische Schriftform vor und kann darüber hinaus Hinweise auf ein mögliches Herkunftsland geben. Als “weltweit einzigartig” bezeichnet Dr. Markus Richter, BAMF-Abteilungsleiter Infrastruktur und IT, die Software für Akzenterkennung. Anhand einer zweiminütigen Sprachprobe kann der Dialekt ermittelt werden, was auf die Herkunftsregion des Sprechers schließen lässt. “Die Spracherkennung ist – wie alle Tools – eine zusätzliche Informationsquelle, mit der Inkonsistenzen aufgedeckt werden können”, so Richter: “Wichtig ist: Die Werkzeuge sind nur eine Hilfe für die Entscheiderinnen und Entscheider.” Die Asylentscheidung könne nur in der Gesamtschau aller Erkenntnisse gefällt werden. Dies gelte auch für das Auslesen von Handydaten, um Angaben zu Identität und Herkunft zu erhalten.

“Wir erwarten vom Bund, Lösungen aufzuzeigen, wie etwa eine mobile Nutzung des neuen Personalausweises oder die im Rahmen der elektronischen Steuererklärung ausgegebenen Zertifikate allgemein und flächendeckend für E-Government-Anwendungen genutzt werden können. Hierbei ist auf die Gestaltung der Schnittstellen zu den kommunalen Systemen besonderes Augenmerk zu richten”, so der DLT-Vizepräsident, Landrat Joachim Walter (Landkreis Tübingen). “Wir fordern einen wirksamen EGovernment-TÜV, der etwa beim Nationalen Normenkontrollrat angesiedelt werden könnte”, so Walter weiter. Zahllose Schriftformerfordernisse insbesondere im Bundesrecht würden den Ausbau der digitalen Verwaltung behindern. “Wir begrüßen zwar die bisherigen Initiativen, diese Schriftformerfordernisse abzubauen. Eine neue Kontrollinstanz sollte aber genau und permanent darauf achten, dass neue Rechtsvorschriften konsequent digitaltauglich ausgestaltet werden”, erläuterte Walter.

In Bezug auf das Onlinezugangsgesetz erwarte der Deutsche Landkreistag, dass der Bund die Länder und die Kommunen dabei unterstützt, bis 2022 alle onlinefähigen Dienstleistungen anzubieten. “Bundesweite Vorgaben müssen dabei kommunale Anforderungen berücksichtigen und müssen die Portale der Landkreise sowie die Kooperationsstrukturen mit den Ländern respektieren und unangetastet lassen. Daher muss sich der Bund auf die erforderlichen Standardsetzungen konzentrieren. Portale ohne Anbindung an die jeweiligen kommunalen Fachverfahren sind weitgehend wirkungslos.” Vielfach seien zu hohe Nutzungshürden zu beklagen, so Walter weiter: “So können auch sechs Jahre nach Einführung des neuen Personalausweises nur vier Prozent der Internetnutzer diesen vollumfänglich mit allen Funktionen verwenden. Benötigt werden daher Lösungen, die mit geringen Einstiegshürden für die breite Bevölkerung anwendbar sind. Die elektronische Identifizierung und Signa-

tur müssen deshalb auch beispielsweise über Smartphones nutzbar sein.” Um Bürger und Unternehmen zu entlasten, müsse es möglich werden, bei der öffentlichen Hand einmal vorhandene Daten flächendeckend zu nutzen. “Der Bund sollte die rechtlichen und technischen Voraussetzungen für das “Once-Only”-Prinzip schaffen, nach dem die Behörden verpflichtet sind, auf vorhandene Daten des Betroffenen aus elektronischen Registern

zurückzugreifen. Nicht mehr der Bürger oder das Unternehmen sollten Geburtsurkunden, Meldenachweise oder Handelsregistereinträge vorlegen müssen, sondern diese sollten von der jeweiligen Behörde direkt in einem elektronischen Register abgefragt werden.” Hierfür sei auch das Datenschutzrecht anzupassen, so der DLT-Vizepräsident. Der Deutsche Landkreistag ist Themenpartner des Kongresses “Digitaler Staat”, www.digitalerstaat.org

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ehörden Spiegel: Frau Krezer, wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus und wie wollen Sie die digitale Zukunft in Deutschland gestalten? Krezer: Als eines der führenden Beratungsunternehmen im Bereich der Digitalisierung weltweit und in Deutschland setzen wir in unserer täglichen Arbeit schwerpunktmäßig große Transformationsprojekte um – auch bei den großen Aufgabenstellungen der Digitalisierung auf Bundesebene. Dazu gehören auch Behörden wie die Bundesagentur für Arbeit, mit der wir erfolgreich gemeinsam ein neues, nutzerorientiertes Internetportal realisiert haben. Punktuell unterstützen wir auch Kunden auf Landesebene bei Transformationsvorhaben.

Herausforderung gemeinsam stemmen Accenture entwirft Lösungen für die Zukunft der digitalen Verwaltung (BS) Corinna Krezer arbeitet seit mehr als 20 Jahren in Projekten für Kunden der öffentlichen Verwaltung und gehört seit Mai 2017 zur Geschäftsleitung von Accenture für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Im Interview mit dem Behörden Spiegel spricht sie über die digitale Transformation im Öffentlichen Dienst und die Herausforderungen, die damit verbunden sind. Die Fragen stellte R. Uwe Proll. Kommunen betreuen wir ebenfalls bei einigen ausgewählten Projekten. Ein Beispiel hierfür ist unser Gutachten zur Leistungsfähigkeit der kommunalen IT, das wir für die Stadt München erstellt haben. Der Schwerpunkt von Accenture liegt jedoch ganz klar auf der Ebene des Bundes und der Länder. Damit die digitale Transformation hierzulande gelingt, muss es zukünftig darum gehen, or-

ganisatorische Reformaufgaben mit digitalem Fokus umzusetzen, statt weiterhin nur darüber zu diskutieren. Dafür muss nicht immer das ganz große Rad gedreht werden, denn auch kleinere Projekte können eine große Wirkung haben. Wichtig sind konkrete und messbare Ergebnisse. Behörden Spiegel: Sie haben die digitale Transformation angesprochen. Wie schätzen Sie

Über Twitter und Facebook in den Bundestag Die Lehren aus dem digitalen Wahlkampf 2017 (BS/wim) Das Internet und seine Sozialen Netzwerke sind mit der Bundestagswahl im vergangenen Herbst endgültig zum festen Bestandteil des Wahlkampfes geworden. Das ist das Resultat einer Studie der Quadriga Hochschule, die eine Untersuchung darüber durchführte, wie die Parteien die digitalen Möglichkeiten nutzen und wie der Wähler diese annimmt. Nachdem der interaktive Aspekt des Internets in den Wahlkämpfen 2009 und 2013 noch eher zögerlich und auf experimenteller Basis in den Kampagnen eingesetzt wurde, warteten im vergangenen Jahr erstmals alle großen Parteien mit einer konkreten Onlinestrategie auf, die fest in das allgemeine Konzept der Gesamtkampagne eingebettet war.

lisierung der Wähler sowie die passive Teilhabe des Volkes durch Likes und Views auf. Dabei gab es, auch bedingt durch die begrenzte Auswahl an relevanten Sozialen Medien mit Breitenwirkung, viele Gemeinsamkeiten bei der wahlkampftaktischen Ausrichtung der Parteien. Dennoch traten bei der tiefergehenden Analyse deutlich sichtbare Unterschiede in der Schwerpunktsetzung der Onlinestrategien zutage.

lung. Die Partei bemühte sich, auf allen großen Plattformen möglichst gleichmäßig Beiträge zu posten und dabei eine hohe Frequenz und Anzahl zu erreichen. SPD und Liberale konnten vor allem bei der Vernetzung punkten, also der wachsenden Zahl von Followern in den sozialen Medien. Bei der Teilhabe durch Likes oder dem Ansehen von Inhalten durch die Benutzer konnten Grüne Vier wichtige Erfolgsfaktoren und SPD besonders punkten, dicht gefolgt von der AfD. Diese Die Studie listet dabei als die konnte sich dagegen die vier wesentlichen Erfolgsfunk- Der Kampf um Likes und Follower Krone bei der Kategorie der tionen der Sozialen Medien die Vermittlung von Informationen So verfolgte die Union den am Mobilisierung aufsetzen. Bei über Politik, die Vernetzung meisten ausgewogenen Ansatz Facebook, Twitter und dem mit den Anhängern, die Mobi- ihrer Informationsvermitt- Fotonetzwerk Instagram verzeichnete die AfD die größten Reichweiten und die meisten geteilten Inhalte, gefolgt von Union und SPD. Während also mit Ausnahme der Linkspartei alle Parteien bei den vier Punkten in mindestens einem Schwerpunkt besondere Erfolge vorweisen konnten, sieht die Quadriga-Studie insgesamt gesehen SPD und AfD als geteilte Sieger des digitalen Wahlkampfes 2017. Während die Sozialdemokraten einen hohen Vernetzungs- und Teilhabegrad erreichen konnten, punktete die AfD vor allem mit hohen Mobilisierung Beim Kampf um die neuen Plätze im Bundestag ist das Internet inzwischen einer durch viele geteilte Inhalte ihrer fester Bestandteil in den Strategien der Parteien. Foto: BS/Cornelius Kibelka, cc by-sa 2.0, flickr.com loyalen Anhängerschaft.

Licht und Schatten bei Rechenzentren Nationaler Markt wächst, internationale Nachfrage schwächelt (BS/ab) Der Markt für Rechenzentren in Deutschland wächst. Die Investitionen im Jahr 2017 seien um voraussichtlich zehn Prozent gestiegen. Die Investitionsgrenze von einer Milliarde Euro sei damit erstmalig überschritten worden. Aber international gesehen wird laut Prognosen ein Rückgang der Nachfrage nach dem deutschen Standort erwartet. Dabei seien die Zentren neben Breitbandnetzen ein zentrales Element digitaler Infrastrukturen und damit eine grundlegende Voraussetzung für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Als Ursache für die sinkende internationale Nachfrage gilt eine dynamischere Entwicklung der Kapazitäten in den USA und in Asien. “Treiber sind aktuelle Trends wie Cloud Computing, Industrie 4.0 und Big Data, die größere Rechenzentrumskapazitäten beanspruchen. Auch in den kommenden Jahren stehen die Zeichen auf Wachstum”, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg für den deutschen Markt voraus. Aber im Hinblick auf den internationalen Wettbewerb prognostiziert der Präsident, dass

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die Bedeutung des deutschen Standortes weiter abnehmen wird. Laut den aktuellen Analysen werde der Anteil der deutschen Rechenzentren am Weltmarkt von fünf Prozent im Jahr 2010 auf vier Prozent im Jahr 2020 sinken.

Wettbewerbsfaktor Energie “Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängt dabei ganz maßgeblich von den Energiekosten ab. Die Strompreise sind entscheidend dafür, ob Rechenzentrumsbetreiber in Deutschland weiterhin einen attraktiven und wettbewerbsfähigen Standort finden”, so Berg. Auch langwierige Genehmigungsverfahren würden die Entwicklung ausbremsen. Bei den übrigen Standortfaktoren schneide Deutschland dagegen

gut bis sehr gut bei den folgenden Faktoren ab: Sicherheit der Stromversorgung, gute Internetanbindung, Datenschutz und Rechtssicherheit.

Steigende Beschäftigung in der Branche Aber durch das nationale Wachstum bedingt, entwickle sich trotzdem die Beschäftigung positiv. Seit 2014 seien in den Rechenzentren 15.000 zusätzliche Jobs entstanden. Aktuell würden sich dadurch 130.000 Vollbeschäftigte ergeben und weitere 85.000 Arbeitsplätze seien direkt von den Zentren abhängig. Das ist das Ergebnis einer Studie des Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.

automatisierte Prozesse in der Verwaltung ein, bei denen keine Menschen mehr gebraucht werden? Krezer: Natürlich haben digitale Technologien das Potenzial, den Öffentlichen Dienst fundamental zu verändern und den Menschen als Arbeitskraft in Teilen zu verdrängen. Aber die öffentliche Verwaltung hat mit dem demografischen Wandel eine gewaltige Herausforderung zu bewältigen. Bis 2030 werden im öffentlichen Sektor voraussichtlich über 800.000 Fachkräfte fehlen. Die Kunst dabei ist, jene Bereiche zu identifizieren, in denen durch Technologien – das können Bots oder auch Programmierschnittstellen sein – Entlastung geschaffen werden kann. Es geht nicht darum, durch Digitalisierung Arbeitsplätze abzubauen, sondern Freiräume für Verwaltungsmitarbeiter zu schaffen, die bislang mit Routineaufgaben belastet sind. Also solche Freiräume, die für die individuelle Bedienung von zunehmend anspruchsvoller werdenden Bürgern und Unternehmen gebraucht werden. Wir von Accenture können Politik und Verwaltung mit unserer Erfahrung und unseren spezialisierten Fähigkeiten unterstützen, die Potenziale neuer Technologien zu erkennen, zu bewerten und schließlich umzusetzen. Die so freiwerdenden Kapazitäten können dann für neue Herausforderungen eingesetzt werden. Dabei spielt die Weiterbildung von Mitarbeitern eine zentrale Rolle. Grundsätz-

lich lassen sich die Phänomene Digitalisierung und demografischer Wandel nicht isoliert voneinander betrachten. Der demografische Wandel findet statt, mit allen Konsequenzen und Risiken für die öffentliche Verwaltung. Wir haben aber moderne Technologien, die die Chancen eröffnen, diesen Wandel zu meistern.

gesetzlich definierten Auftrag zu erfüllen. Dennoch müssen Staat und Verwaltung offen sein, mit Innovationen neue Wege zu gehen. Es gibt genug Beispiele dafür, dass moderne Innovationsmethoden auch der Verwaltung helfen können, die Potenziale neuer Technologien für Verbesserungen des konkreten Alltags zu nutzen. Es braucht die Möglichkeit iterativer Prozesse, in denen neue Lösungen durch schnelles Prototyping ausprobiert und analysiert werden können, um so Abläufe und Services zu verbessern. Das sind die Ansätze, mit denen die Verwaltung in eine neue Richtung steuern kann. Behörden Spiegel: Sollen zukünftig alle digitalen Aktivitäten auf Bundesebene einer zentralen Stelle, wie bspw. einem Digitalministerium, zugeordnet sein?

Corinna Krezer ist seit Mai 2017 Geschäftsführerin für den Bereich Öffentliche Verwaltung bei Accenture für die DACH-Region. Foto: BS/Accenture

Behörden Spiegel: Stoßen wir denn nicht teilweise an Grenzen, an denen die Verwaltung gar nicht mehr transformationsfähig ist? In vielen Bereichen wurde sie von anderen Akteuren bereits überholt. Krezer: Ohne Frage, auch wenn die deutsche Verwaltung insgesamt gut funktioniert, ist sie nicht gerade ein Nährboden für innovative Lösungen. Das hat zwar einen guten Grund, denn der Öffentliche Dienst steht eben immer in der Pflicht, einen

Krezer: Grundsätzlich ist es wichtig, dass sinnvoll bündelbare Zuständigkeiten der künftigen digitalen Agenda an zentraler Stelle zusammenlaufen, aber in allen Ressorts digitale Kompetenzen vorhanden bleiben. Zusätzlich halte ich die Schaffung einer Umsetzungseinheit, eine Art “Digital Factory”, für essenziell. Eine Stelle, an der Kapazitäten und Erfahrungswerte gebündelt werden, um dem Öffentlichen Dienst verwaltungsübergreifend zu helfen, neue Ideen für die digitale Zukunft zu entwickeln. Diese Umsetzungseinheit kann die verschiedenen Behörden als treibende Kraft unterstützen, digitale Themen und Projekte voranzutreiben. Staat und Verwaltung müssen sich insgesamt noch stärker als Wegbereiter des digitalen Wandels begreifen, wenn Deutschland auch zukünftig im internationalen Wettbewerb Spitze sein will.

Kräfte sinnvoll bündeln Open Access und Kooperationen gefordert (BS/lkm) Der Deutsche Landkreistag, der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO), der Bundesverband Glasfaseranschluss (BUGLAS) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) fordern gemeinsam einen Glasfasermarkt mit fairen Spielregeln für alle Marktteilnehmer. Der gemeinschaftliche Ausbau zukunftssicherer, reiner Glasfaseranschlüsse bis in alle Gebäude stehe dabei im Wege von Kooperationen im Vordergrund. Im Rahmen solcher Modelle würden sich Anbieter fairen und transparenten Zugang zu ihren Netzen gewähren (Open Access). “Open-Access-Geschäftsmodelle zwischen den zahlreichen lokalen und regionalen sowie bundesweiten Netzbetreibern inklusive der Deutschen Telekom sind die Ausbauszenarien der Zukunft”, zeigten sich die vier Verbände überzeugt. Auf diese Weise würden sich die Kräfte sinnvoll bündeln lassen, sodass beim Glasfaserausbau volkswirtschaftlich unsinniger Doppelausbau vermieden werden könne. Ein pauschaler Verzicht auf Regulierung komme jedoch nicht in Betracht. “Für den weiteren Ausbau von Glasfasernetzen, die bis mindestens in die Gebäude reichen, brauchen wir stärkere wirtschaftliche Anreize. Eine Verringerung von Regulierung kommt aber nur dann infrage, wenn allen Marktteilnehmern ein Netzzugang zu fairen, zwischen den Anbietern frei verhandelten Konditionen angeboten wird”, so die Verbände. Auch die Monopolkommission ist in ihrem vor wenigen Tagen vorgestellten Sondergutachten “Telekommunikation 2017: Auf Wettbewerb bauen!” zu dem Ergebnis gekommen, dass die Potenziale von Kooperationen beim Breitbandausbau genutzt werden sollten. “Teilen sich zwei oder mehr Unternehmen die Kosten des Netzausbaus, sinken die Ausbaurisiken, weil sich die zu er-

wartende Auslastung der Netze verbessert”, schreiben die unabhängigen Experten.

Warnung vor kompletter Deregulierung Vor einer vollständigen Deregulierung warnt indes auch die Monopolkommission: “Sofern sich Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht an solchen Ko-Investitionen beteiligen, sollte auf eine (flexibilisierte) Regulierung jedoch nicht verzichtet werden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass sich diese Unternehmen durch das Schließen strategischer Allianzen der Regulierung zulasten des Wettbewerbs entziehen.” Nach Auffassung der Verbände muss dem Regulierer die “Schiedsrichterrolle” zukommen, sofern Verhandlungen scheitern oder verweigert werden. BREKO, BUGLAS, der Deutsche Landkreistag und der VKU setzen daher darauf, dass sich alle Marktteilnehmer gemeinsam mit der Bundesnetzagentur möglichst bald auf entsprechende Spielregeln für den künftigen (reinen) Glasfasermarkt verständigen. Auf diese Weise werde Investitionssicherheit für die Wettbewerber als maßgebliche Treiber des Glasfaserausbaus in Deutschland geschaffen und damit der flächendeckende Glasfaserausbau weiter vorangetrieben.

Schon heute würden mehr als 80 Prozent des Ausbaus mit Glasfaseranschlüssen bis in die Gebäude von den alternativen Netzbetreibern in Deutschland gestemmt. Auch Landkreise, die in schwer zu erschließenden ländlichen Räumen eigene Infrastrukturen errichten und den Netzbetreibern wettbewerblich zur Verfügung stellen, würden auf Glasfaseranschlüsse setzen.

Kooperationsmodelle auf dem Vormarsch Um Kooperationsmodelle zu fördern, hat der BREKO im November eine bundesweite Open-Access-Plattform gestartet, die allen Marktteilnehmern offensteht und über die regionale Netzbetreiber Zugang zu ihren Netzen zu fairen und diskriminierungsfreien Konditionen anbieten können. “So werden kleine Netze groß!”, erklärte Breko-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers. Kooperationsmodelle würden sich sukzessive auf dem Telekommunikationsmarkt etablieren. Auch durch die Umsetzung von Breitband-Förderprogrammen würden Open-AccessGeschäftsmodelle immer mehr an Bedeutung gewinnen, da Netzbetreiber, die Glasfasernetze im Rahmen von Förderprojekten ausrollten, dazu verpflichtet seien, ihre Netze für andere Nachfrager zu öffnen.

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ie Zeichen stehen auf Beschleunigung. Stadtstaaten wie Bremen, das als weiteres Bundesland den entscheidenden Schritt zu einem E-Government-Gesetz vollzogen hat, und auch das Beispiel BadenWürttemberg machen aktuell deutlich, welchen Stellenwert die digitale Modernisierung von Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft genießt. So hat das “Ländle” nicht nur ein EineMilliarde-Euro-Paket für Digitalisierungsvorhaben bis zum Jahr 2021 geschnürt, sondern in einer breit gefächerten Digitalisierungsstrategie Zukunftsfelder abgesteckt und den Anspruch postuliert, zur “digitalen Leitregion” werden zu wollen. Dass solche Papiere durchaus schnell mit Leben gefüllt werden, beweist die exponierte Rolle Baden-Württembergs im Bereich der medizinischen Fernbehandlung. Das Bundesland geht hier seit Jahresbeginn mit stark beachteten Modellprojekten voran – Ausstrahlung auf ganz Deutschland nicht ausgeschlossen. Bemerkenswert ist am Beispiel Telemedizin zudem, dass Verbraucherschützer solchen Initiativen sehr positiv gegenüberstehen. Die umfassende Akzeptanz seitens Patienten und Ärzten wird sich zwar noch erweisen müssen, von digitaler Skepsis kann jedoch keine Rede sein. Digitalisierung ist Teil des Alltags geworden – und wird von immer mehr Menschen als Chance begriffen, die Lebensqualität zu erhöhen.

Weitreichende Erwartungen Während beim Thema Telemedizin der Blick auf die benachbarte Schweiz hilf- und impulsreich für Entscheider in Gesundheitswesen und Politik gewesen sein mag, zeigt das länderübergreifende European Digital Government Barometer 2017, wie weitreichend die Erwartungen, aber auch die

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Digitale Transformation gestalten 360° Public Sector Day in Neckarsulm / IT-Forum für öffentliche Auftraggeber (BS/Ole Behrens*) Evolution ist keine Serie von Ereignissen, sondern ein Prozess. So könnte man den digitalen Wandel auf den Punkt bringen, auch und gerade im öffentlichen Sektor. In verschiedenen Bereichen und auf allen Ebenen nutzen öffentliche Auftraggeber heute den Werkzeugkasten digitaler Technologien, um die Effizienz bestehender Abläufe zu erhöhen, mehr Leistungen über das Web anzubieten und darüber hinaus Potenziale in neuen Anwendungsfeldern zu erschließen – Stichwörter: Open Data, E-Science oder E-Health. Mithin vollzieht sich dabei auch ein Wandel der Denkweise, was in der Beschäftigung mit 4.0-Konzepten, Innovation Hubs oder der Vision effizienter Back-Ends einerseits und nutzerfreundlicher Front-Ends andererseits zum Ausdruck kommt. Selten war die Zukunft offener und die Bereitschaft größer, Veränderung mitzugestalten. Welchen Anforderungen öffentliche Auftraggeber in diesem Prozess begegnen und was sie auf dem digitalen Weg voranbringt, steht im Mittelpunkt des 360° Public Sector Days am 29. und 30. Januar in Neckarsulm. Akzeptanz in der Bevölkerung bezüglich neuer öffentlicher Servicemodelle sind. Gemäß der IPSOS-Studie im Auftrag von Sopra Steria bewerten deutsche Bürger den Digitalisierungsgrad der öffentlichen Verwaltung kritischer als in den anderen untersuchten Ländern Frankreich, Großbritannien und Norwegen. Fast 60 Prozent der hierzulande Befragten sehen Nachholbedarf, was die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen über das Internet angeht. Dennoch besteht kein Grund zum Alarmismus: Die ebenfalls in der Studie ermittelten hohen Zustimmungsraten für bereits eingeleitete Maßnahmen von Bund und Ländern, der Wunsch nach zusätzlichen Services bis hin zur voll digitalisierten Verwaltung und nicht zuletzt das hohe Vertrauen in den Schutz personenbezogener Daten durch die öffentliche Hand legen nahe, dass die Bürger ambitionierte Programme begrüßen. Ob Digitale Strategie 2025 auf Bundes-, Masterpläne auf Länderebene oder die jüngste Ministererklärung beim EU-Digitalgipfel von Tallinn: Bekenntnisse zum Handeln sowie umfassende, mutige Ansätze dürfen damit rechnen, gesellschaftlich auf fruchtbaren Boden zu fallen. Neben der angestrebten Weiterentwicklung sicherer und effizienter E-GovernmentDienstleistungen verdeutlicht

Der 360° Public Sector Day findet erstmalig am 29. und 30. Januar 2018 in der Konzernzentrale der Bechtle AG in Neckarsulm statt. Foto: BS/Bechtle

Querdenker, Hinterfrager und Impulsgeber: Prof. Dr. Gunter Dueck (l.). KeynoteSpeaker Matthias Kammer beleuchtet die Lebenswirklichkeit der Menschen im digitalen Zeitalter und die Bedingungen für Leadership. Fotos: BS/Michael Herdlein, Frederike Heim

die genannte Ministererklärung, für wie wichtig europaweit die Stärkung der digitalen Denkweisen und Fähigkeiten im Öffentlichen Dienst erachtet wird – konsequent umzusetzen auf allen Ebenen. Bedeutsam sind auch die genannten Ziele eines umfassenderen und intensiveren Austauschs über Best Practices sowie die Förderung innovativer IT-Anwendungen und “Testbeds” in Zusammenarbeit mit Forschung und Wirtschaft. Die Erklärung weist einmal mehr darauf hin, dass die größte Herausforderung nicht die Digitalisierung als solche ist, sondern in der digitalen Transformation liegt: der Gestaltung des Digitalisierungsprozesses für die Bürger in der notwendigen Geschwindigkeit und als Querschnittsaufgabe für die jeweilige Organisation.

Praxisnaher Austausch und Vernetzung Dem praxisnahen Austausch über technologische Möglichkeiten, vor allem aber auch der Vernetzung der Handelnden widmet sich der Ende Januar in Neckarsulm stattfindende 360° Public Sector Day. Anknüpfend an erfolgreiche Formate auf Branchenebene versammelt das Forum in diesem Jahr erstmals Vertreter mehrerer Teilbereiche des öffentlichen Sektors auf einer übergreifenden Veranstaltungsplattform. Angesprochen werden Vertreter aus Bundesund Landesverwaltungen, kommunaler Verwaltung und Schulen, aus Gesundheitswesen,

Forschung und Lehre sowie Kirche und Wohlfahrt. Ob CIO oder Fachbereichsführungskraft, Rechenzentrumsleitung oder Administrator – die zweitägige Veranstaltung bietet ein breites Spektrum an Anregungen für alle, die in der Verantwortung für

(BS/gg) Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) hat Ende des vergangenen Jahres den Probebetrieb des neuen E-Services DPMAdirektPro, der den elektronischen Versand von Bescheiden sowie die elektronische Zustellung von Beschlüssen an die Kunden ermöglicht, abgeschlossen. Seit 1. Januar ist das System nun in der regulären Anwendung. “DPMAdirektPro war sozusagen das Missing Link in unserer digitalen Bearbeitungskette”, erklärte DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer. “Mit dem neuen Service bieten wir ein umfassendes rechtssicheres und medienbruchfreies E-Government-Angebot von der Schutzrechtsanmeldung über die Bearbeitung in elektronischen Akten bis hin zum digitalen Versand amtlicher Dokumente.” Das Amt betreibt bereits seit 2003 mit DPMAdirekt eine digitale Poststelle für elektronisch eingehende Anmeldungen für Patente, Gebrauchsmuster, Marken und Designs. Bearbeitet werden Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen seit 2011 und Markenanmeldungen seit 2015 ausschließlich in elektronischen Akten. Beschlüsse, Bescheide und andere Schreiben wurden den Kunden bisher aber

Die Beschaffung von Leistungen aus dem Bereich der Informationsund Kommunikationstechnologie (IKT) stellt regelmäßig besondere Anforderungen sowohl an die Vergabestellen, als auch an die potentiellen Bieter. Die Vergabeverfahren müssen den hohen Anforderungen an die zu beschaffenden Produkte gerecht werden. Eine sorgfältige Vorbereitung und Durchführung ist daher für einen wirtschaftlichen Vergabewettbewerb unerlässlich. Diesen und weiteren Themen widmen sich die IKT-Beschaffertage – wir freuen uns auf eine spannende Tagung gemeinsam mit Ihnen. Fachliche Leitung:

*Ole Behrens ist Leiter Branchenmanagement Öffentliche Auftraggeber bei Bechtle.

Digitale Bearbeitungskette nun durchgängig

14. – 15. März 2018, München

Veranstalter:

Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei, mehr Informationen und Anmeldung unter www.bechtle.com/events/360public-sector-day

DPMA schließt “Missing Link”

IKT-Beschaffertage 2018

www.ikt-beschaffertage.de

digitale Lösungen stehen. Dabei bietet die Zukunftswerkstatt am ersten Veranstaltungstag – moderiert von anerkannten Branchenexperten – die Chance zur intensiven Auseinandersetzung mit den wichtigsten Trends und Herausforderungen jeder Teilbranche. Wie robust, wie integriert und wie beweglich soll die IT-Infrastruktur sein? Wie viel Raum verdient Future IT, parallel zum Regelbetrieb im Rahmen einer “bimodalen IT” vorangetrieben? Was bringt die Gesundheitsversorgung näher an die Menschen und was benötigen Schulen jetzt, um ihre digitale Reifeprüfung zu bestehen? Zusätzlich beleuchtet der Pu-

blic Sector Day aktuelle Informationstechnologien. In 18 Sessions geben Spezialisten Impulse zu Grundlagen und möglichem Nutzen für öffentliche Auftraggeber. Dabei kommen etablierte Themen wie IT-Security, die EAkte und Cloud Computing ins Blickfeld, aber auch “emerging technologies” wie das Internet der Dinge oder Blockchain-Anwendungen. Mit Matthias Kammer, langjähriger Vorstandschef des IT-Dienstleisters Dataport und heutiger Direktor des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet, sowie Prof. Dr. Gunter Dueck, ehemaliger Chief Technology Officer von IBM Deutschland, teilen zudem zwei profilierte Digitalisierungs-Denker ihre Einschätzung über die nächsten Schritte für den öffentlichen Sektor mit den Besuchern.

noch in Papierform zugestellt. Die Schreiben mussten Unternehmen und Anwaltskanzleien erst einscannen, um sie in ihr jeweiliges Bearbeitungssystem einpflegen zu können. Mit DPMAdirektPro steht hier nun ein elektronischer Versand zur Verfügung, mit dem das Amt und seine Kunden fortan ihre Akten vollständig elektronisch führen können. Für Rudloff-Schäffer ist diese Erweiterung der E-Services ein Zeichen, dass man das Profil als digitale Dienstleistungsbehörde weiter schärfe. Der Pilotversuch der Lösung lief seit April 2017. Dafür bekamen ausgewählte Kunden ein Software-Update des bisherigen Systems DPMAdirekt. In der mehrmonatigen Testphase erwies sich die neue IT-Anwendung als vollständig technisch funktionsfähig, stabil, gut bedienbar und benutzerfreundlich.

Um an DPMAdirektPro teilzunehmen, müssen sich die Kunden für den elektronischen Dokumentenversand registrieren. Sie erhalten dann eine PIN, mit der die zusätzlichen Funktionen der Software aktiviert werden. Die bisherigen Teilnehmer müssen nichts zusätzlich unternehmen, sondern können mit dem System wie gewohnt weiterarbeiten. Alle Kunden können den Service fortan nicht nur mit neuen Vorgängen, sondern auch mit ihren Bestandsakten nutzen, wenn sie dies wünschen und beim DPMA beantragen. Sie können aber auch vollständig oder für einzelne Akten den Versandweg mit Papier beibehalten. “Maßgeblich ist immer der Wunsch der Kunden. Sie teilen uns mit, zu welchen Akten sie die Rückantwort in elektronischer oder in Papierform wünschen”, so die DPMA-Präsidentin.

Themen 2018 u.a.: » Beschaffung von CloudLeistungen » Beschaffung eines 12MWRechenzentrums » Beschaffung einer ERP-Lösung im wettbewerblichen Dialog » Verhandlungs- und Nachprüfungsverfahren » Eignungsprüfung und Ausschluss “ungeliebter” Bieter

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IT-Sicherheit / Trends 2018

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Die Schmelze und das Schreckgespenst

FitSM

Schwachstellen in Computerchips

IT-Service-Management schlank, schnell und sicher

(BS/stb) Das Jahr 2018 beginnt mit Meldungen über Schwachstellen in weitverbreiteten IT-Produkten. Der Fehler liegt nicht in der Software – sondern tiefer, in der Arbeitsweise von modernen Mikroprozessoren. Die Angriffsszenarien “Meltdown” und “Spectre” betreffen zahlreiche Chip-Reihen großer Hersteller und damit etliche Geräte.

(BS/Michael Brenner, Heinz Krippel und Andreas Mück*) Der volkswirtschaftliche Nutzen der IT und ihre gesellschaftliche Bedeutung nehmen stetig zu. Breitbandige IT-Infrastrukturen zählen mittlerweile zu den wichtigsten Standortfaktoren. Innovative IT-Services steigern die Produktivität der Wirtschaft und die Lebensqualität der Bevölkerung. Unsere IT-Systeme und Kommunikationsnetze bergen Daten von unschätzbarem Wert. So ist es nicht verwunderlich, dass die organisierte Kriminalität diesen Werten auflauert.

Die Angriffsszenarien Meltdown (engl. Schmelze, Zusammenbruch) und Spectre (engl. Schreckgespenst) wurden Anfang des Jahres öffentlich gemacht, nachdem bereits Gerüchte über Sicherheitsprobleme mit Chips des Herstellers Intel die Runde gemacht hatten. Intel zufolge könnten Angreifer Lücken ausnutzen, um sensible Daten auf Systemen unbemerkt und nicht nachverfolgbar abzugreifen. Manipulation oder Löschung von Daten sei nach derzeitigen Erkenntnissen aber nicht möglich. Das Unternehmen arbeite mit anderen Herstellern und Betriebssystemanbietern an Lösungen. Mittlerweile steht fest, dass zumindest auch Angriffe auf Basis von Spectre bei vielen Chips der Hersteller AMD, ARM und Qualcomm möglich sind. Gefährdet seien nahezu alle Geräte, die komplexe Prozessorchips der betroffenen Hersteller enthalten, heißt es aus dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Dazu gehören insbesondere Computer, Smartphones und Tablets mit allen gängigen Betriebssystemen sowie Smart-Home- und Internet-of-Things-Geräte. Darüber hinaus seien auch Cloudanbieter und Hosting-Provider betroffen.

bohm. “Security by Design” und “Security by Default” sind Grundsätze, die für den Erfolg der Digitalisierung unerlässlich sind.” Das BSI fordert die Hardwarehersteller dazu auf, die Schwachstellen im Zuge der Produktpflege zu beheben. Von Diensteanbietern verlangt die Cyber-Sicherheitsbehörde, Anwendungen schnell abzusichern. Unternehmen und Bürgern wird empfohlen, Sicherheits-Updates für Betriebssysteme und Browser einzuspielen, sobald sie verfügbar sind. IT-Sicherheitsforscher hatten Meltdown und Spectre schon im Juni 2017 entdeckt und betroffene Hersteller informiert. Seitdem arbeiten die Chiphersteller sowie Anbieter von Betriebssystemen und Webbrowsern an Lösungen. Für Android-, MacOSund Windows-Systeme sind bereits Sicherheits-Updates er-

schienen, die die Anfälligkeit für die Angriffsszenarien senken sollen. Die Cloud-Diensteanbieter AWS, Google und Microsoft haben ebenfalls begonnen, ihre Services abzusichern.

Probleme prinzipbedingt Damit sind die Probleme jedoch nicht aus Welt, denn die Sicherheitslücken ergeben sich aus Eigenheiten in der Arbeitsweise der meisten Prozessoren seit den 90er-Jahren. Um freie Ressourcen zu nutzen und schneller zu arbeiten, lesen Prozessoren unter bestimmten Bedingungen Speicherinhalte vorläufig aus, um Berechnungen gewissermaßen “spekulativ” vorwegzunehmen. Auf Basis dieser spekulativen Ausführung können Angreifer, die bereits Zugriff zu einem System haben, einen verdeckten Kanal einrichten, mit dem sonst nicht zugängliche Informationen abgezogen werden können.

BSI fordert zum Handeln auf “Der vorliegende Fall ist ein erneuter Beleg dafür, wie wichtig es ist, Aspekte der ITSicherheit schon bei der Produktentwicklung angemessen zu berücksichtigen”, sagt dazu BSI-Präsident Arne Schön-

Das Vertrauen in die Sicherheit der IT hat gleich zum Jahresbeginn einen schweren Schlag erlitten: Ein großer Teil der seit den 90er-Jahren gängigen Prozessoren weist prinzipbedingte Schwachstellen auf. Foto: BS/Yandle, cc by 2.0, flickr.com

Quo vadis, IT-Sicherheit? Digitale Transformation – Freund oder Feind? (BS/Roland Schneider*) 2017 haben wir verheerende Cyber-Angriffe im öffentlichen Sektor erlebt – hier fällt einem sofort die Ransomware-Attacke auf den britischen Gesundheitsdienst NHS (National Health Service) ein. Sicherheitsanbieter kämpfen an allen Fronten, um die Netzwerke und Infrastrukturen ihrer Kunden zu verteidigen. Worauf sollen Behörden und öffentliche Einrichtungen sich 2018 einstellen, damit sie den CyberKriminellen trotz der immer größer werden Angriffsfläche einen Schritt vorausbleiben? In den nächsten Jahren werden wir eine ständige Ausweitung der Angriffsfläche erleben, bei gleichzeitigem Verlust von umfassender Transparenz und Kontrolle über jetzige Infrastrukturen. Die Fülle an internetfähigen Geräten und die wachsende Vernetzung bringen auch neue Möglichkeiten für Cyber-Kriminelle mit sich. Auch die professionelle CyberKriminalität nutzt Fortschritte in Bereichen wie der künstlichen Intelligenz (KI), um noch effektivere Angriffe durchzuführen. Wir rechnen damit, dass sich diese Entwicklung 2018 noch verstärken und ein destruktives Potenzial entfalten wird. Darknet und Organisierte Kriminalität setzen auf automatisierte Dienste: Die Welt der Cyber-Kriminalität entwickelt sich weiter, genauso wie das Darknet. Wir rechnen mit neuen “Dienstleistungsangeboten” aus dem Darknet, wenn professionelle, kriminelle Organisationen die Automatisierungstechnologie für sich entdecken. Sandbox-Tools mit maschineller Lernfähigkeit erlauben uns, schnell unbekannte Bedrohungen zu identifizieren und dynamische Schutzmaßnahmen zu erstellen. Es gibt jedoch keinen Grund, warum nicht der gleiche Ansatz für andere Zwecke automatisiert und verwendet werden könnte,

nämlich um Netzwerke abzubilden, Angriffsziele zu finden, Schwachstellen von Angriffszielen zu entdecken oder Ziele einem Blueprinting zu unterziehen, um virtuelle Penetrationstests durchzuführen, maßgeschneiderte Attacken zu entwickeln und Angriffe auszuführen.

Erpressung kommerzieller Dienste ist großes Geschäft Obwohl das Ausmaß der Bedrohung durch Ransomware, Ransomworms und andere Angriffsformen gegenüber dem Vorjahr bereits um das 35-Fache gestiegen ist, ist künftig mit noch mehr Attacken dieser Art zu rechnen. Wir gehen davon aus, dass CyberKriminelle KI-Technologien mit Multi-Vektor-Angriffsmethoden kombinieren werden, um nach Schwachstellen zu suchen und diese auszunutzen. Die Folge solcher Angriffe kann bei der Organisierten Kriminalität die Kassen klingeln lassen und Dienstausfälle für hunderte, wenn nicht tausende von öffentlichen Einrichtungen bringen. Öffentliche Einrichtungen betreiben Netzwerke von hohem Stellenwert, die unverzichtbare Dienste und Informationen schützen. Sollten diese kompromittiert werden oder komplett ausfallen, sind die Folgen verheerend. Die Dreistigkeit von Angreifern und das Zusammenwachsen von Betriebs- und

Informationstechnologie verleihen der Security von Kritischen Infrastrukturen nicht nur 2018, sondern auch in den darauf folgenden Jahren Priorität.

Bedrohungen proaktiv bekämpfen Cyber-Kriminelle profitieren von Fortschritten bei der Automatisierung und Künstlichen Intelligenz. Sie können damit geeignete Tools entwickeln, um unsere Digitalwirtschaft empfindlich zu treffen. Security-Lösungen müssen um integrierte Sicherheitstechnologien, umsetzbare Threat Intelligence und dynamisch konfigurierbare Security Fabrics herum aufgebaut werden. Und die Security muss mit digitaler Geschwindigkeit funktionieren. Dafür müssen nicht nur Reaktionen automatisiert und Informationen angewendet werden, auch muss die Security selbstlernend sein, um effektive, autonome Entscheidungen treffen zu können. Zusätzlich werden grundlegende Sicherheitspraktiken benötigt, die in fundamentale Sicherheitsprotokolle integriert werden. Dies wird oft vernachlässigt, ist aber entscheidend, um negative Folgen zu minimieren, wenn wir sie schon nicht vollständig vermeiden können. *Roland Schneider ist Director Major Accounts (Government & Education) bei Fortinet.

Der durch die digitalen Wegelagerer jährlich verursachte Schaden für die deutsche Wirtschaft wird auf über 50 Milliarden Euro geschätzt. Gerade für die öffentliche Verwaltung ist eine sichere IT von höchster Bedeutung, sind Behörden doch gegenüber den Bürgern und der Wirtschaft verpflichtet, verantwortungsvoll mit deren Daten umzugehen. Diesen Herausforderungen auch weiterhin nur auf technischer Ebene mit Virenscannern hier und Firewalls dort begegnen zu können, ist ein Trugschluss.

Für die Umsetzung eines IT-Service-Managements ist FitSM eine leichtgewichtige Alternative zu ITIL. Foto: BS/©everythingpossible, Fotolia.de

sierten Forschung waren mit ITSM-Einführungen auf Basis von ITIL gescheitert. Neben direkter und praktischer ITSMBeratung war also eines der Projektziele, ein Rahmenwerk und eine Sammlung von Anleitungen für ITSM-Prozesse zu schaffen, die in Zukunft kleineren, nicht-kommerziellen Organisationen eine Einführung von IT-Service-Management mit vertretbarem Aufwand ermöglichen würde. Diese Dokumente wurden ab 2013 nach und nach als “FitSM” veröffentlicht. FitSM wurde von Anfang an daraufhin gestaltet, einfach und leicht anwendbar zu sein. Dies heißt auch, Dokumente übersichtlich und im positiven Sinn leichtgewichtig zu halten. FitSM besteht aus unterschiedlichen Teilen und trennt dabei unbedingt notwendige von empfohlenen oder optionalen Inhalten. Die sogenannten Kerndokumente (FitSM-0 bis FitSM-3) haben einen Gesamtumfang von weniger als 100 Seiten. Ein Grund hierfür ist auch, dass FitSM anders konzipiert ist als ITIL. Seine grundlegende Struktur hat viel mehr mit ISOStandardfamilien wie ISO 9000 gemein als mit ITIL. FitSM versucht erst gar nicht, alles Wissen zu ITSM vollständig in umfangreichen Büchern zu dokumentieren. Es startet in FitSM-1 mit Mindestanforderungen an grundlegende Managementaktivitäten und 14 ITSM-Prozessen. Diese prägnant gehaltenen Anforderungen werden in den anderen FitSM-Teilen mit weiterführenden Empfehlungen, Vorlagen und Umsetzungswerkzeugen ergänzt. Ein wichtiger FitSM-Bestandteil ist auch das standardisierte Schulungs- und Qualifikationsprogramm, das essenzielles ITSM-Know-how auf effiziente Art vermittelt. Eine FitSM-Foundation-Schulung dauert beispielsweise i. d. R. nur ein bis eineinhalb Tage. FitSM ist frei verfügbar und verwendet die in der OpenSource-Community geschätzten Creative-Commons-Lizen-

Sicheres Fundament mit ITSM Zur Gewährleistung einer ausreichenden IT-Sicherheit bedarf es auch in der Verwaltung eines Informationssicherheitsmanagements, das nicht nur die Technik, sondern insbesondere auch die auf- und ablauforganisatorischen Sicherheitsaspekte berücksichtigt. Hier bieten sich bewährte Frameworks wie der IT-Grundschutz des BSI, die ISO/IEC 27001 oder ISIS12 an. Jedes dieser Standardwerke setzt für ein effektives Sicherheitsmanagement jedoch einen geregelten IT-Betrieb im Rahmen dokumentierter und wiederholbarer Prozesse, z. B. für das Änderungs- oder ProblemManagement, voraus. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, bildet das IT-Service-Management (ITSM) das Fundament für einen sicheren IT-Betrieb. Berater versuchen, das Thema ITSM i. d. R. mit der IT Infrastructure Library (ITIL) an die Verwaltung heranzutragen. Das Verhältnis der Behörden zu ITIL ist aber durchaus gespalten. Für viele kleinere und mittelgroße Behörden – und damit für die überwiegende Mehrheit – erscheint das Regelwerk weit überdimensioniert und kaum umsetzbar. Es verwundert daher nicht, dass ITSM-Projekte – oder besser ITIL-Projekte – in der Verwaltung zurückgestellt oder gar nicht erst angegangen werden. Das müsste jedoch nicht sein. Analog zu ISIS12, dem kleinen Bruder des ITGrundschutzes und der ISO/ IEC 27001, gibt es auch zu ITIL Alternativen. Eine davon ist FitSM.

FitSM: kleiner Bruder von ITIL FitSM ist im Rahmen eines EU-Projekts zur Unterstützung von “e-infrastructure providers” entstanden. Viele dieser mit EUMitteln finanzierten, kleinen bis mittelgroßen Organisationen aus dem Bereich der digitali-

zen, die eine faire und unproblematische Nutzung erlauben. Dies betrifft nicht nur die FitSMKerndokumente. Alles, was FitSM umfasst – Vorlagen und Beispieldokumente, ein Excelbasiertes Werkzeug zur Bestimmung des ITSM-Reifegrads (FitSM-6) und nicht zuletzt die Schulungsunterlagen – kann auf der FitSM-Webseite kostenfrei heruntergeladen werden.

Leichtgewichtige Alternative FitSM kommt in Organisationen dort zur Anwendung, wo ein ITSM nach klassischen Vorgaben bislang als zu komplex erschien. Ein Service-Management nach FitSM kann aber auch ein erster Schritt für einen längerfristigen Weg hin zu einem ITSM nach ITIL oder ISO/ IEC 20000 sein. FitSM ist mit seinem Prozessrahmenwerk kompatibel zu ITIL. Die ISO/ IEC-20000 bietet sogar einen Leitfaden für den Weg von einem FitSM-basierten ITSM hin zu einer Zertifizierung nach ISO/IEC 20000. Das in der Verwaltung erforderliche Sicherheitsniveau kann nur im Rahmen eines geregelten IT-Betriebs aufrechterhalten werden. In diesem Grundsatz sind sich alle einschlägigen Rahmenwerke, sei es der IT-Grundschutz, die ISO/ IEC 27001 oder ISIS12, einig. Ein geregelter IT-Betrieb ist aber nicht zwangsläufig mit einer schwergewichtigen ITIL- oder ISO/IEC 20000-Einführung verbunden. Mit FitSM existiert seit drei Jahren ein für Behörden nahezu ideales, leider hier noch unbekanntes ITSM-Framework. Ein Blick darauf lohnt sich – nicht nur aus Sicherheitsgründen: https://fitsm.itemo.org. *Michael Brenner ist für das Leibniz-Rechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Heinz Krippel für das Munich Institute for IT Service Management tätig. Andreas Mück ist Referatsleiter “IuK im Geschäftsbereich” im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft.

IT-Sicherheitsprognosen für 2018 – Zeit, den Negativtrend zu beenden von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security

Cyber-Angriffe sind nach wie vor ein äußerst lukratives Geschäft – und sie werden zunehmend gefährlicher. Am Ende eines Jahres ziehen IT-Sicherheitsexperten gerne Bilanz. Diese fällt bereits seit Jahren gleich aus: negativ. Ja, es ist richtig, die Techniken der Cyber-Kriminellen sind in den vergangenen Monaten noch ausgeklügelter geworden, die Angriffsvektoren haben sich vervielfacht, die Werkzeuge der Hacker sind präziser. Erschreckend ist jedoch nicht nur die kriminelle Energie, mit

der die Hacker heutzutage zu Werke gehen. Erschreckend sind vor allem auch die häufig nicht erkennbaren Konsequenzen, die Unternehmen und Institutionen daraus ziehen. Denn diese liegen eigentlich auf der Hand: Mehr Professionalität und neue Technologien aufseiten der Cyber-Kriminellen bedingen auch eine höhere Investitionsbereitschaft aufseiten der Unternehmen und Institutionen, um sich vor modernen Angriffen zu schützen. Doch anstatt neue Wege zu

beschreiten und modernen IT-Security-Technologien eine Chance zu geben, wird abgewogen, getestet, getagt, gewartet, verschoben … Dabei gibt es effiziente Schutz-Technologien, die den Hackern bereits heute einen Schritt voraus sind. Sie müssten nur genutzt werden. Damit könnte der Negativtrend dann auch endlich beendet werden. Hätte, sollte, müsste, könnte … Auf ein sicheres digitales Jahr 2018. Ihr Jan Lindner

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IT-Sicherheit / Trends 2018

Behörden Spiegel / Januar 2018

Seite 35

Megathema Cyber-Sicherheit

Darknet – die dunkle Seite des Internets

Nächste Schritte für mehr Cyber-Resilienz

Der Silkroad-Case

(BS/stb) Mit der Cyber-Sicherheits-Strategie für Deutschland, dem IT-Sicherheitsgesetz und weiteren Maßnahmen ist die Bundesregierung wichtige Schritte zur Gewährleistung eines angemessenen Schutzniveaus gegangen. Doch gerade im letzten Jahr haben weltweit aufsehenerregende Fälle gezeigt, wie verwundbar die digitale Gesellschaft nach wie vor ist. Wie können Politik und weitere Akteure den Herausforderungen begegnen?

(BS/Volker Kozok) Das Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen verzeichnet einen deutlichen Anstieg der Cyber-Kriminalität. Wie schwierig die Aufklärung von Straftaten ist, bei denen die Darknet-Technologie zugrunde liegt, wird am Beispiel des spektakulären Silkroad-Falls deutlich. (Zur Darknet-Technologie siehe Behörden Spiegel September 2017, S. 54.)

Die Politik hat Cyber-Sicherheit als “Megathema” der heutigen Zeit durchaus erkannt und bereits wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht, wie Stephan Meyer (CSU), innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betont. “Wir waren nicht untätig. Deutschland ist noch nicht optimal, aber auch nicht schlecht aufgestellt”, sagt Meyer. “Es geht nicht immer um Regularien. Wichtig ist es, das Bewusstsein für die Risiken und für Abhilfemaßnahmen zu schaffen”, so Meyer. IT-Sicherheit müsse auch mehr ein Thema der kleinen und mittleren Unternehmen werden. Für die kommenden Jahre nannte Meyer einige zentrale Vorhaben, um Staat, Wirtschaft und Gesellschaft besser vor Gefahren im Cyber-Raum zu schützen. Das IT-Sicherheitsgesetz solle fortentwickelt werden. Zu prüfen sei, ob erweiterte Meldepflichten infrage kämen und welche weiteren Branchen einzubeziehen seien. Meyer schlug dies explizit für die Rüstungs- und die Chemieindustrie vor. Außerdem solle die nächste Bundesregierung die Etablierung eines Sicherheitsgütesiegels für IT-Produkte weiterverfolgen. “Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Gestaltung der Digitalisierung ist Vertrauen”, erklärte Meyer bei einem Parlamentarischen Frühstück des Behörden Spiegel in Berlin. Die Verbraucher würden aber nur Vertrauen haben, wenn sie sicher sein können, dass Produkte und Dienste einem gewissen Sicherheitsstandard unterliegen. Michael Bartsch, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit, begrüßte Bestrebungen der Politik, das Thema

Stephan Meyer (CSU) forderte unter anderem, Gesetze im Bereich IT-Sicherheit kurzfristiger zu evaluieren, um auf sich schnell verändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können. Foto: BS/Stiebel

Cyber-Sicherheit entschlossen anzugehen. Er vermisse aber einen gemeinsamen Plan: “Alle machen irgendwie Cyber, aber es fehlt noch eine übergeordnete, zielgerichtete Koordination der Bemühungen.” Ob die zentrale politische Steuerung durch eine 28. Enquete-Kommission, einen Arbeitskreis oder ein anderes Gremium erfolgen solle, ließ Bartsch offen.

Personal- und Investitionsbedarf “Keine andere Industrie hat so große Wachstumsraten wie Cyber-Kriminalität”, sagte HansPeter Bauer, Vice-President Central Europe beim IT-Sicherheitshersteller McAfee. Ein ausreichender Schutz der eigenen Organisation sei mit “manuellen Mitteln” kaum zu gewährleisten. Das gelte insbesondere angesichts der Prognose, dass im Jahr 2020 weltweit etwa zwei Millionen und in Deutschland 80.000 IT-Security-Experten fehlen werden. “Wir halten mit den Anforderungen einfach nicht Schritt”, so Bauer. Eine

Abmilderung lasse sich einerseits durch Outsourcing von IT-Sicherheit als Dienstleistung erzielen. Andererseits könne der Automatisierungsgrad bei Erkennung von und Reaktion auf Angriffe erhöht werden. Das erfordere innovative Technologien, so Bauer, die den Austausch von maschinellen Informationen zwischen den Produktiv- und Sicherheitssystemen verbessern. Gerade mit Blick auf die Zukunft des IT-Standorts Deutschland sei IT-Sicherheit ein zentrales Gut, betonte Dr. Rolf Werner, Vorsitzender der Geschäftsführung und Head of Central Europe bei Fujitsu Technology Solutions. “Security by Design ist ein wichtiger Schlüssel, um die Zuverlässigkeit der Prozesse und auch die Sicherheit von Menschen, der Gesellschaft, von Kritischen Infrastrukturen und des Staates zu sichern.” Werner wünschte sich für den Standort Deutschland mehr öffentliche Förderung von Forschung und Entwicklung im IT-Sicherheitsbereich. Viele OECD-Staaten seien deutlich freigiebiger.

Cyber-Crime-Trend 2018 Attacken richten sich zunehmend gegen Endpoints (BS/Kristin Petersen*) Eine Cyber-Attacke kann heute ein System innerhalb Stunden, manchmal sogar nur Minuten, kompromittieren. Die Reaktionen der Betroffenen – also die Entdeckung bzw. die Schadensbehebung nach einem erfolgten Angriff – dauern dagegen gewöhnlich Monate oder sogar Jahre. Dabei zielen die Angreifer nicht mehr nur auf Server. Stattdessen haben es die Hacker in zunehmendem Maße auf die Endpoints abgesehen, weil sie von dort aus leicht auf andere Ziele zugreifen, Informationen herausfiltern, Daten stehlen oder andere Angriffe starten können. Hinsichtlich der “Verteidigung” der Endpoints stehen Institutionen und Unternehmen heute vor großen Herausforderungen: Neue Angriffsvektoren tragen dazu bei, immer komplexere Angriffsszenarien zu kreieren. So kommt es beispielsweise vermehrt zu “malwarelosen” Attacken, die weder Schwachstellen ausnutzen noch schädliche URLs einsetzen und gegen die konventionelle Abwehrmaßnahmen nicht funktionieren. Zudem sind Cyber-Kriminelle heute nicht länger auf menschliches Fehlverhalten angewiesen, um ihre Angriffe erfolgreich durchzuführen. Mittels sorgfältiger Untersuchung ihrer Opfer ist es ihnen möglich, sehr spezifische Sicherheitslücken auszunutzen und eine automatische und exponentielle Verbreitung von Malware auszulösen, ohne auf menschliche Interaktionen zurückgreifen zu müssen.

Endpoint-Schutz im Fokus Wie sieht also die Zukunft der IT-Security im Jahr 2018 aus? Viele Anbieter von IT-Sicherheitslösungen sprechen mit ihren Unternehmenskunden noch immer über den Perimeter, der geschützt werden müsse. Dabei wird das Wichtigste oft

vernachlässigt: der EndpointSchutz. Warum ist dieser so wichtig? Die Antwort ist einfach: Wenn Angreifer den Endpoint nicht erreichen, können sie nicht auf andere Ziele zugreifen, Informationen exfiltrieren, Anmeldeinformationen stehlen, Netzwerkdaten sammeln oder neue Angriffe ausführen. Jan Lindner, Vice President Central Europe beim IT-Sicherheitsspezialisten Panda Security, bestätigt: “Der Großteil des Sicherheitsbudgets in Institutionen wird heute noch immer dem Perimeter-Schutz zugewiesen. Dabei wird das entscheidende Ziel der Cyber-Kriminellen, der Endpoint, zumeist vernachlässigt. Dies geschieht nicht aus Unkenntnis oder Nachlässigkeit. In der Vergangenheit machte die Konzentration auf den Perimeter durchaus Sinn. Denn innerhalb des Unternehmensnetzwerks waren die Endpoints grundsätzlich sicher. Daher bestand die Priorität darin, die Abwehr gegen Angriffe von außen, die durch den Perimeter laufen mussten, zu verstärken.” Heute ist die Situation jedoch radikal anders: Der Perimeter ist verschwommen, Mobilität ist in jedem Unternehmen die Norm

und Unternehmensnetzwerke sind viel exponierter. Angreifer richten ihren Blick auf einzelne Computer und wissen, dass sie nur einen von ihnen erreichen müssen, um weitere Aktionen durchführen zu können.

Neue Ansätze erforderlich Es ist daher an der Zeit, dass ITVerantwortliche ihre Denkweise ändern. Jan Lindner ist überzeugt: “Intelligente Systeme, die mithilfe cloudbasierter ScanTechnologien alle laufenden IT-Prozesse auf den Endpoints kontinuierlich überwachen, analysieren und klassifizieren, sind heute und in Zukunft alternativlos. Ein effektiver, moderner IT-Schutz muss Prävention, Erkennung und Reaktion kombinieren sowie den Zeitaufwand und den Ressourcenverbrauch mittels automatisierter Analysen reduzieren. Auf diese Weise können Cyber-Attacken jeglichen Ursprungs vorhergesehen und automatische Arbeitsprozesse generiert werden. Nur so kann heute und auch in Zukunft ein absolut zuverlässiger Schutz vor Cyber-Attacken gewährleistet werden.” *Kristin Petersen ist für Panda Security tätig.

Ross Ulbricht, ein 29-jähriger US-Amerikaner, baute einen der größten Drogenumschlagplätze im Darknet auf. Im Januar 2011 warb er erstmals für seinen neuen Marktplatz für Drogen, den er Silkroad – Seidenstraße – nannte. Silkroad entwickelte sich zum führenden Online-Markt im TorNetzwerk, auf dem hauptsächlich Drogen, aber auch andere Waren angeboten wurden. Die Webseite war aufgebaut wie die Seite eines legalen Onlinehändlers. Man musste sich als Nutzer anmelden und kam dann auf die Angebotsseite. Die Ermittlungsbehörden hatten schnell von der Existenz des neuen Marktplatzes erfahren, aber da die Seite nur im TorNetzwerk erreichbar war, konnten sie den Standort des Servers aufgrund der eingesetzten TorTechnologie nicht identifizieren. Die US-Behörden wussten aus der Auswertung einschlägiger Foren, dass der Eigentümer der Seite sich Altoid nannte. Doch im Oktober 2011 machte Ross Ulbricht den ersten entscheidenden Fehler. Er suchte im Bitcoin-Forum als Altoid einen IT-Fachmann für seinen Service und bat um Rückantwort an “rossulbricht at gmail dot com” – seiner Google-E-MailAdresse. Jetzt hatten die Agenten des FBI einen Namen – aber noch fehlten zwei wesentliche Voraussetzungen für die Festnahme und Anklage: die IP-Adresse mit dem Standort des Servers und der Nachweis, dass der Beschuldigte Administrationsrechte auf dem Server hat. Am 5. Februar 2012 gab sich Ross Ulbricht den Namen Dread Pirate Roberts (DPR) nach einer Figur aus dem Buch “The Princess Bride” und nutzte die Figur mit der Halbmaske aus dem gleichnamigen Film als Signet neben dem Einkaufswagen. DPR war geboren.

Zwei Mordaufträge Einen Monat später machte Ross Ulbricht den nächsten Fehler. Er meldete sich unter Ross Ulbricht bei einem Austauschforum für Softwareentwickler an und wählte den Nutzernamen “Frosty” – den Namen, den er auch als Administrator nutzte. Am 17. Januar 2013 nahm das FBI Curtis Clark Green, Szenename Chronicpain, wegen des Besitzes von Kokain fest. Er hatte einen Administratorzugriff auf dem Silkroad-Server, den die Behörden für ihre weiteren Ermittlungen nutzten. Kurze Zeit später verschwanden Bitcoins von einem Konto. Ross Ulbricht verdächtigte Green und sperrte am 26. Januar seinen Account. Er setzte sich im Darknet mit einem angeblichen Killer in Verbindung und bot ihm 80.000 US-Dollar für die Ermordung von Green an. In Wirklichkeit war der Killer ein Undercover-Agent, der auf die Anfrage reagierte. Ulbricht zahl-

Administrationsrechte auf dem Server hatte. Sie beschatteten ihn und stellten daOberstleutnant Volker Kozok bei fest, dass er ist Cyber-Sicherheitsexperte regelmäßig eiund arbeitet als technischer ne öffentliche Referent im BundeministeBibliothek im rium der Verteidigung. Stadtteil Glen Foto: BS/privat Park in San Francisco aufsuchte te und die Behörden zogen Green und dort das WLAN nutzte. Ein Undercoveragent des Deaus dem Verkehr und täuschten partment of Homeland Security seinen Tod vor. Doch damit nicht genug. Am hatte sich als Cirrus seit Wochen 13. März 2013 nahm ein Nut- regelmäßig mit Ross Ulbricht zer namens “Friendly Chemist” ausgetauscht. Am 1. Oktober Kontakt zu Ulbricht auf und teil- 2013 wartete das FBI in der Büte ihm mit, dass er sich in den cherei, Beobachtungskameras Server gehackt und Daten ab- waren installiert und die Beamgezogen habe. Blake Krokoff, wie ten machten sich bereit, Ulbricht der Erpresser mit richtigen Na- festzunehmen und ihn gleichmen hieß, bot Ulbricht die Daten zeitig daran zu hindern, seinen gegen Zahlung von 500.000 US- Laptop zu schließen und damit Dollar an, ansonsten würde er eine Verschlüsselungsroutine Kundendaten veröffentlichen. zu starten. Als Ulbricht die BüUlbricht dachte gar nicht daran, cherei betrat und online ging, dem Erpresser Geld zu überwei- nahm Cirrus mit ihm Kontakt sen. Er wandte sich an einen auf und brachte ihn dazu, sich Hells Angel, der als Redand- als Administrator einzuloggen. White Mordaufträge ausführte. Ulbricht meldete sich an und Sie unterhielten sich in einem sobald die Agenten am oberen Chatroom und besprachen die Bildrand seines Laptops den Details, schließlich erklärte sich Namen Frosty sahen, griffen sie RedandWhite für 150.000 US- zu. Sie überwältigten ihn, ohne Dollar bereit, den Auftrag aus- dass er Gelegenheit hatte, seizuführen. Krokoff ist seitdem nen Laptop zu schließen. Jetzt verschwunden, die Polizei geht hatten sie endlich den Beweis davon aus, dass der Mordauf- – Ross Ulbricht hatte Administratorrechte auf dem Silkroadtrag ausgeführt worden ist. Server. Unerwarteter Am 4. Februar 2014 wurde Ermittlungserfolg vom Geschworenengericht des Der FBI-Agent Christopher Tar- Southern District in New York bell des New Yorker FBI Field die Anklage erhoben. Am 5. FeOffice beschreibt in seiner fo- bruar 2015 wurde Ross Ulbricht rensischen Analyse, wie die Er- schließlich in allen Anklagemittler zufällig an die IP-Adresse punkten für schuldig befunden, des Silkroad-Servers gekom- er bekam zweimal lebenslänglich men sind. Ross Ulbricht hatte und weitere 40 Jahre Gefängnis. zur Vermeidung maschineller Erstaunlicherweise wurden die Angriffe bei der Einwahlroutine Mordaufträge in einem gesonneben Username und Passwort derten Verfahren behandelt. Die auch ein Captcha-Tool imple- Grand Jury im District Marymentiert, bei dem der Nutzer land klagte ihn im Oktober 2013 eine vorgegebene Zeichenfolge wegen der Mordaufträge an, das eingeben muss. Mit Captcha Urteil steht noch aus. Ende Mai 2017 hat ein amelassen sich automatisierte Angriffe verhindern. Im Juni 2013 rikanisches Berufungsgericht analysierte Tarbell den Verkehr, den Berufungsantrag des Silkzurückgewieder bei den Einwahlversuchen road-Gründers über das Login-Interface ent- sen und seine Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe stand. Bei der Analyse der einzelnen bestätigt. Auch die Mittäter bePakete fanden die Ermittler kamen langjährige Gefängnisschließlich eine IP-Adresse, die strafen. Mit den Verurteilungen keinem der bekannten Exit-No- im Silkroad-Fall endet eines des des Tor-Netzwerkes zuge- der spektakulärsten Verfahren ordnet werden konnte. Sie gaben gegen kriminelle Angebote im die Adresse in den Internet- Darknet – doch die kriminelle Browser ein und drückten die Szene hat schnell reagiert und Enter-Taste und wurden über- neue Angebote mit zusätzlichen ins rascht. Obwohl sie nicht mehr Sicherheitsmaßnahmen im gesicherten Tor-Netz waren, Netz gestellt. Die deutsche Polizei hat den tauchte der typische schwarze Bildschirm mit der Einwahlrou- Kampf gegen die Cyber-Krimitine für den Silkroad-Server auf. nellen aufgenommen. ZentralSie hatten den Server gefunden. staatsanwaltschaften, das CyEr stand im hochmodernen Thor bercrime-Kompetenzzentrum Data Center in Island. Sie nah- des LKA Nordrhein-Westfalen, men Verbindung mit der islän- Personalaufwuchs und eine verdischen Reichspolizei auf und besserte Kooperation zwischen zogen eine Kopie des Servers. den Behörden sind wichtige Jetzt mussten sie Ross Ulbricht Schritte im Kampf gegen Silknur noch nachweisen, dass er road & Co.

MELDUNG

EU-Institutionen verstärken gemeinsame Cyber-Abwehr (BS/lkm) Die Europäische Union will sich besser gegen Cyber-Bedrohungen schützen. Die EU-Institutionen haben eine interinstitutionelle Vereinbarung unterzeichnet, mit der ein ständiges Einsatzteam für Computernotfälle (Computer Emergency Response Team – CERT-EU) für die europäischen Organe, Einrichtungen

und Agenturen eingerichtet wird. Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Kommissions-Vizepräsident Andrus Ansip erklärte: “Das Computer Emergency Response Team ist ein wichtiger Akteur beim Schutz der EU-Institutionen vor Cyber-Bedrohungen. Es zeigt, wie viel die EU-Institutionen erreichen können, wenn

sie gemeinsam handeln.” EUDigitalkommissarin Mariya Gabriel ergänzte: “Jetzt können sich alle EU-Organe auf ein permanent einsatzbereites Cyber-Sicherheitsteam verlassen, das ihnen hilft, wirksam auf die zunehmende Zahl fortgeschrittener Cyber-Bedrohungen zu reagieren, von denen auch die Bürger betroffen sind.”

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IT-Sicherheit

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B

ehörden Spiegel: Für den öffentlichen Bereich ist der Betrieb von Netzwerken ein großes Thema – so im Zuge des Projekts “Netze des Bundes”. Sind Netze das Kernthema der Digitalisierung?

Behörden Spiegel / Januar 2018

“Hochgradig sicher und stabil” Leistungsfähige Netze und IT-Sicherheit als Fundament der Digitalisierung

(BS) Cisco ist ein weltweit agierendes Unternehmen, das vor allem als Hersteller von Netzwerktechnik bekannt ist. Im Behörden Spiegel-Interview sprachen der Vice President und Vorsitzende der Geschäftführung Cisco Deutschland, Oliver Tuszik, und Christian Korff, Vertriebsdirektor ÖffentTuszik: Absolut. Das sehen wir liche Hand bei Cisco Deutschland, über Breitbandausbau, IT-Sicherheit in der öffentlichen Verwaltung und Transparenz in der IT-Branche.

schon, wenn wir die Zahlen der Connected Devices hochrechnen. Wir gehen in Deutschland bis 2020 von etwa 760 Millionen miteinander verbundenen Geräten aus. Dafür brauchen wir sichere, stabile und leistungsfähige Netze. Es wird auch überall in Netze, in sichere Infrastruktur investiert. Das fängt bei einfachen WLAN-Themen an und reicht bis zu großen Backbones. Es geht vielleicht noch nicht schnell genug, aber es beginnt eindeutig. Klar ist jedoch, wenn dieses Wachstum nur halb so schnell kommt, wie alle sagen, müssen wir ganz andere Netzwerkinfrastrukturen haben, die hochgradig sicher und stabil sind. Behörden Spiegel: Zum Thema Stabilität: Beim Mobilfunk wird über 5G als großer Technologie-Sprung gesprochen – dabei ist LTE noch nicht einmal richtig angekommen. Die Konsumenten erleben doch weniger Stabilität als eher Probleme in ihren Netzen. Tuszik: Wir sehen in dem Bereich ein Wachstum, das so keiner vorhergesehen hat. Der Bedarf steigt deutlich schneller durch zusätzliche Systeme, ein großer Teil des Netzverkehrs entfällt heute auf Video. Aber ich muss dennoch gegenhalten: Wir sagen immer, unsere Netzqualität sei schlecht. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern haben wir in Deutschland sehr gute Netze. Wir sind aber an einem Punkt angekommen, an dem wir wieder erkennen, dass Breitbandausbau die Basis der Digitalisierung ist und da haben wir definitiv ein Problem. Aber es gibt ja auch tolle Ideen. Korff: Wir haben mit Senden bei Münster eine Partnergemeinde, mit der ein tolles Projekt läuft: Fiber to the Bauernhof (FTTB). Wir haben da Glasfaser in die einzelnen Gemeindestadtteile gebracht, aber die haben von sich aus gesagt: “Das reicht uns nicht, wir wollen wirklich jedes Gemeindemitglied erreichen.” Dann haben die Landwirte einen Pflug umgebaut und damit in Eigenleistung Glasfaser

zu jedem Bauernhof gebracht. Technologisch ist es möglich, in der Fläche die Basis zu legen, dass man sich als Gemeinde zu 100 Prozent digitalisieren kann. Haben wir da als Land zu spät angefangen? Absolut. Gehen wir Schritt für Schritt weiter? Definitiv. 5G, das Sie ansprachen, ist ein Hype, der ein bisschen früh in der Diskussion ist. Wir sind noch an dem Punkt, wo wir vor allem den Glasfaserausbau nach vorne treiben. Das ist auch ein Alleinstellungsmerkmal z. B. gegenüber den USA, die sich das nur in den großen Zentren erlauben. In Deutschland haben wir einen anderen Anspruch. Wir wollen Chancengleichheit über die gesamte Geografie. Behörden Spiegel: Sie nennen da ein schönes Beispiel für eine Bürgerinitiative. Ansonsten gibt es Städte und einige Länder wie Bayern, die sehr aktiv sind, der Bund ist ein Akteur und dann gibt es noch die Netzbetreiber. Bräuchte es nicht einen übergreifenden nationalen Plan? Tuszik: Ich glaube, das ist ein sehr komplexes Thema. Wir haben alle nach der Deregulierung geschrien und einen Wettbewerb gefordert. Den haben wir jetzt. Das hat bestimmt bei der Qualität und anderen Themen geholfen, aber wir kämpfen jetzt auch mit den Nachteilen dieses Wettbewerbes. Ich bin ein schönes Beispiel: Ich wohne zwischen zwei Orten und habe einen Zwei-Megabit-Anschluss. Es ist nahezu unmöglich, dort eine Initiative zu starten oder einen Anschluss zu bekommen, weil es sich nicht rechnet. Da diskutieren wir über den Sprung von zwei auf zehn Megabit, obwohl wir alle wissen, dass wir mindestens auf 100 oder 500 Megabit gehen sollten. Dafür gibt es nicht immer übergreifende Konzepte. Natürlich brauchen wir aber auf Bundesebene einen massiveren Ausbauplan für alles, was mit Förderung, Deregulierung oder auch Regulierung zu tun hat. Wir können nicht akzeptieren, dass es digitale Verlierer gibt in irgendwelchen Städten, Gemeinden

und teilweise auch erbracht. Bei gewissen Dingen behält man lokale Flexibilität. Zu einem ähnlichen Modell werden wir auch kommen müssen. Wenn wir zulassen, dass es 1.000 Zugangssysteme, 1.000 Sicherheitsstandards gibt – selbst, wenn sie sich nur in Nuancen unterscheiden – dann werden wir nie das notwendige Sicherheitsniveau erreichen.

Im Gespräch mit R. Uwe Proll: Oliver Tuszik (mitte), Vice President und Vorsitzender der Geschäftsführung, und Christian Korff (links), Vertriebsdirektor Öffentliche Hand bei Cisco Deutschland. Foto: BS/Cisco Deutschland

oder landschaftlichen Gebieten, nur weil sie keinen vernünftigen Breitbandanschluss haben. Behörden Spiegel: Gibt es nicht eine große Diskrepanz zwischen dem, was der Bund an Sicherheitsanforderungen an sich selbst stellt und dem, was in Kommunen gebraucht wird und darstellbar ist? Korff: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist auf einem guten Weg. Es wird mit gesundem Augenmaß in die Zukunft geschaut und Anforderungskataloge werden angepasst, sodass auch Diversifizierung zugelassen wird. Ich kann nicht eine Schutzklasse über alle Daten spannen, sondern ich muss eine den Informationen und dem Schutzbedürfnis der Informationen angemessene Schutzklasse definieren. Da erleben wir im engen Dialog mit dem BSI mittlerweile einen viel pragmatischeren und viel stärker auf Skalierung ausgelegten Ansatz. Dass das noch etwas Zeit braucht und sich die öffentliche Verwaltung nicht innerhalb von zwölf Monaten transformiert, das ist bei rund 11.000 Gemeinden auch keine Überraschung. Tuszik: Wobei wir schon aufpassen müssen. Sie sagen zu Recht, dass es unterschiedliche Anforderungen gibt. Aber wenn wir jetzt anfangen, 500 oder 1.000 unterschiedliche Lösungen zu entwickeln, wird eine kleine Kommune nicht in der La-

ge sein, einen Sicherheitsstandard zu schaffen, weil sie einfach die Aufwände nicht verkraften kann. Schauen Sie sich weltweit agierende Unternehmen an, die haben ja dieselbe Herausforderung. Da werden Kernaspekte zentral designt und vorgegeben

Behörden Spiegel: Wie steht es eigentlich um die zumindest in der Öffentlichkeit inzwischen etwas abgeflaute Diskussion um Hintertüren in US-Technologie, die amerikanische Dienste zur Informationengewinnung nutzen? Korff: Das ist eine kontinuierliche Diskussion, die auch sehr wichtig ist. In Deutschland kooperieren wir mit der Rohde & Schwarz Cybersecurity. Wir

bringen so weltmarktführende US-Technologie mit nationalen Krypto-Algorithmen zusammen. Das ist sicherlich eine gute Lösung für eine gewisse Nische. Generell gilt: Wir arbeiten mit keiner Organisation oder Regierung zusammen, um eine Schwächung der Sicherheitsfunktionen unserer Produkte zu ermöglichen. Das unterstreichen wir beispielsweise durch unsere Transparenzoffensive mit unseren Verification-Services, bei denen wir auch Einblick einerseits bis hin zum Sourcecode, andererseits bis in die Logistik gewähren. Das stärkt natürlich das Vertrauen. Wir haben jetzt in Berlin ein SupportCenter, in dem wir getrennt sind von allen amerikanischen Einrichtungen. Die Mitarbeiter sind durch das Bundeswirtschaftsministerium sicherheitsüberprüft und wir können technisch und organisatorisch sicherstellen, dass Informationen nicht abfließen können und wir unserer Verantwortung als Hersteller gerecht werden. Das vollständige Interview lesen Sie auf www.behoerdenspiegel.de, Suchbegriff “Tuszik Korff”.

GSTool-Nachfolger DocSetMinder Modernisierter BSI-IT-Grundschutz – Ready for Audit (BS/Krzysztof Paschke*) Am 6. Dezember 2017 fand die durch das BSI in Kooperation mit der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) in Brühl initiierte ITGS-Tool-Messe für Bundesbehörden statt. Zielgruppe der Veranstaltung waren die IT-Sicherheitsbeauftragten der Bundesverwaltung. Die GRC Partner GmbH präsentierte als einziger Hersteller mit DocSetMinder vollständig umgesetzte Anforderungen und Methodik des modernisierten ITGrundschutzes (BSI-Standards 200-Reihe). Die Modulstruktur und Softwarefunktionen unterstützen eine effiziente Migration vom BSI-Standard 1002 zu 200-2. BSI-GS-Kataloge und GS-Kompendium können gleichzeitig genutzt werden. Durch die Mandantenfähigkeit, Auswahl der Umsetzungsmethoden (Basis-, Kern- und Standard-Absicherung) und eine einfache Implementierung eignet sich DocSetMinder für den Einsatz in Behörden jeder Größe. Die Strukturanalyse, Schutzbedarfsfeststellung und Modellierung berücksichtigen das neue Schichten-Modell der neuen ITGS-Methodik. In Kombination mit den Modulen “EU-DS-GVO” und “Notfallmanagement” ist

DocSetMinder eine Komplettlösung für die Informationssicherheit und den Datenschutz jeder Behörde. Für die unmittelbaren Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen in Deutschland fallen für das Modul “IT-Grundschutz” keinerlei Lizenzkosten

an. Die Lösung bietet somit eine hervorragende Grundlage, um Behörden sicher und “Ready for Audit” zu machen. *Krzysztof Paschke ist Geschäftsführer der GRC Partner GmbH.

PITS 2018

Der Fachkongress Deutschlands für IT- und Cybersicherheit bei Staat und Verwaltung

Sicherheit und Risiko

Technologie-Partner:

Strategien für eine erfolgreiche Digitalisierung FOLGENDE THEMEN SIND GEPLANT:

• Das Internet der (unsicheren) Dinge (IoT)

10.–11. September 2018, Hotel Adlon, 10117 Berlin

• IT-Sicherheitsgesetz 2.0 • Quantum Computing

• Alles in die Cloud – aber ohne Risiko! • Schutz öffentlicher Infrastrukturen und Netze • Mobile Security

• Digitalisierung, aber richtig!

• Die sichere Landesbehörde

• Forensik im Cyberraum • Endpoint-Protection

Security-Partner „Mobile Sicherheit“

• IT-Sicherheit: Trends, Innovationen, Lösungen

• Die neue europäische Datenschutzgrundverordnung • Cybersicherheits-Strategien

Eine Veranstaltung des

• Ransomware – und immer noch kein Ende!

• Darknet: Terrorismus in der digitalen Welt • Wirtschaftsspionage • IT-Security made in Germany • Cybercrime

Themenpartner

Foto: © Jakub Jirsak, Fotolia.com

• Keine Chance dem Blackout – Resilienz Kritischer Infrastrukturen

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Cyber Akademie

Behörden Spiegel / Januar 2018

Seite 37

Themenseite in Kooperation mit:

Neues aus der Cyber Akademie

Januar 2018

Vertrauen und Orientierung geben (CAK/Marc Fliehe) Ob nun Softoder Hardware – immer wieder stehen Verbraucher vor der Frage: Welches Produkt kaufen? Vorbei die Zeit der “digitalen Sorglosigkeit” – so wie die funktionale Sicherheit des Produktes (Safety) längst als gegeben vorausgesetzt wird, sind auch die ITSicherheit (Security) und der Datenschutz (Privacy) Entscheidungskriterien beim Produktvergleich. Sichere Produkte sind ein Qualitätsmerkmal. Gegenüber dem Anspruch, die Digitalisierung abzusichern und damit neue Anwendungen und neue Megatrends nutzbar zu machen, wird oft ein zugrunde liegendes Vertrauenswürdigkeitsproblem in der Digitalisierung postuliert. Begründetes Vertrauen ist dabei nicht ausschließlich über Transparenz herzustellen: Der Anwender braucht bei der Produktwahl verlässliche Orientierung, die Werte schafft und Wertigkeit vermittelt. Das gilt schon längst für den Einsatz von Produkten in Hochsicherheitsbereichen, aber nicht nur: Immer neue Angriffe auf und durch IoT-Geräte zwingen politisch und gesellschaftlich zur Etablierung hoher Sicherheitsniveaus auch im Massenmarkt. Dabei wird die Sicherheit des Produktes über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg zu gewährleisten sein – und sollte schon vor dem Inverkehrbringen nachweisbar gegeben sein. Etablierte Verfahren zur Produktzerti-

fizierung, wie sie in unterschiedlichsten Branchen seit vielen Jahren üblich sind, vermitteln diese Orientierung und schaffen besagtes Vertrauen nachhaltig. Ein besonders vertrauensstiftendes Element ist in diesem Konzept das “Third-PartyPrinzip”. Dabei prüft nicht der Hersteller selbst, sondern ein unabhängiger Dritter das Produkt gegen entsprechende Standards. Der Dritte attestiert dem Hersteller mit der Ausstellung des Zertifikates also die Einhaltung definierter Sicherheitsniveaus. Auch die politisch oft diskutierten Gütesiegel können in der Vertrauensdiskussion einen Mehrwert leisten, wenn sie die definierte Aussagekraft behalten - wie es auch andere Prüfzeichen tun. Beispielhaft sei hier – ebenfalls aus dem Konsumermarkt bekannt – das GS-Zeichen genannt, von dem der Kunde einen umfassenden Sicherheitsanspruch im Bereich der funktionalen Sicherheit (Safety) erwartet. Eine Voraussetzung, um entsprechende Prüfzeichen auch konstruktiv diskutieren zu können, ist es allerdings, den Anspruch der absoluten Sicherheit im digitalen Raum aufzugeben. Was technisch-organisatorisch nicht zu leisten ist, wird auch ein Siegel nicht kompensieren können. Es geht vielmehr darum, unterschiedlich hohe Sicherheitsniveaus zu bewerten und Aussagen über erfüllte Kriterien eines Produktes zu treffen. Täglich neue Sicherheitsprobleme machen deutlich, dass wir vor großen Herausforderungen stehen. Mit Blick auf

Informationssicherheit durch Know-how Best Practice-Seminare 2018 IT-Sicherheitsbeauftragte(r) in der öffentlichen Verwaltung 05.02.2018, Berlin

Marc Fliehe ist Leiter der Stabsstelle IT-Security und Safety beim Verband der TÜV (VdTÜV) e. V.

zukünftige Trends, die die Digitalisierung hervorgebracht hat und weiterhin hervorbringt, werden alle Akteure gezwungen, jeden Tag im Sinne der Sicherheit besser zu werden. Dieses Bestreben, mehr Sicherheit zu schaffen, ist nicht neu – es ist die konsequente Umsetzung eines Bewusstseins, welches spätestens durch Edward Snowden geweckt wurde und heute durch Hackertrupps ausländischer Staaten und die digitalen Machenschaften der Organisierten Kriminalität aufrechterhalten wird. Zertifikate und andere Prüfzeichen helfen dabei, diese Anstrengungen auch sichtbar werden zu lassen und das daraus entstehende Vertrauen als Produkt von der Ladentheke bis ins Kinderzimmer zu transportieren.

IT-Sicherheit und Produktzertifizierung (CAk/Tobias Glemser) Die Ursache für IT-Sicherheitsvorfälle liegt häufig in mangelhaften Produkten. Bei der Entwicklung insbesondere von Endkundenprodukten werden oft selbst einfachste Sicherheitsmaßnahmen nicht umgesetzt. Darüber hinaus gibt es Spezialanwender, die einen besonders hohen Schutzbedarf haben. Über Zertifizierungen ist es grundsätzlich möglich, dass sowohl Endanwender, als auch die Spezialanwender Vertrauen in die Sicherheitseigenschaften eines Produktes fassen können. Mangelhafte Sicherheit In der jüngeren Vergangenheit entstanden große Botnetze durch die Übernahme tausender IoT-Geräte. Oft waren diese Geräte mit Standardpasswörtern steuerbar. Bei der Entwicklung war also eine der bekanntesten und einfachsten Forderungen, der Verzicht auf Standardpasswörter bzw. einen erzwungenen Wechsel, nicht umgesetzt worden. Mit diesen Botnetzen wurden großflächige Angriffe erfolgreich durchgeführt, die zu massiven Schäden führten. Ständig werden neue Schwachstellen in Produkten oder verwendeten Komponenten entdeckt. Daher ist es wichtig, Produkte auf einem aktuellen Stand zu halten. Inzwischen aktualisiert der Normalverbraucher im Regelfall seine Produkte, sofern diese eine entsprechende Meldung ausgeben. Problematisch wird es, wenn vom Hersteller keine Updates mehr zur Verfügung gestellt werden. So sind aktuell weltweit Millionen von Mobiltelefonen im Betrieb, für die es keine Aktualisierungen mehr gibt. Wie lange ein Gerät noch mit Updates vom Hersteller versorgt wird, ist für den Endanwender beim Kauf aktuell in den seltensten Fällen erkennbar. Allheilmittel Zertifizierung? Zertifizierungen sind ein komplexes Feld, da sich die Vorgaben je nach Zertifizierungsschema unterscheiden. Selbstverständlich kann auch im Rahmen einer Zertifizierung keine 100-prozentige Sicherheit gewährleis-

tet sein. Dieses Prinzip ist in der IT Sicherheit so alt wie bekannt. Interessanterweise wird jedoch bei zertifizierten Produkten von Kritikern an Zertifizierungen genau dies unterstellt: Dass Zertifizierung absolute Sicherheit gewährleisten sollte. Sofern dies nicht gelinge, sei die ganze Zertifizierung wertlos. Sofern ein anerkanntes und sinnvolles Schema genutzt wird, kann jedoch durchaus davon ausgegangen werden, dass die überprüften Sicherheitsmaßnahmen in einer deutlichen Tiefe überprüft wurden. Eine Alternative zur Zertifizierung ist stets die individuelle Prüfung durch den Käufer. Dies ist jedoch in der Praxis selten bis nie leistbar. Bessere Alternativen zur Zertifizierung werden auch durch die Kritiker nicht verlautbart. Möglichkeiten Der etablierte Standard für IT-Produktprüfungen sind die Common Criteria (ISO 15408). Meist werden Hochsicherheitsprodukte nach diesem Standard zertifiziert, da er in Anwendung, Umsetzung und Prüfung sehr aufwendig ist. Darüber hinaus gibt es sektorspezifische Standards, wie zum Beispiel die IEC 62443. Diese Normenreihe ermöglicht die Zertifizierung von Komponenten für Industriesteuerungsanlagen, den Betrieb dieser Anlagen und der Anlagen selbst. Die Norm wird mittlerweile auch in anderen Branchen, zum Beispiel in der Medizintechnik adaptiert. Es ist offensichtlich, dass es eine Lücke insbesondere im Bereich der Endkundenprodukte gibt. Auch für Bereiche, in denen es keinen sektorspezifischen Standards gibt, existiert diese Lücke. Im Moment können diese Produkte daher über “proprietäre” Prüfungen einen gewissen Stand an Sicherheit nachweisen. Meist erfolgt dies durch spezielle Sicherheitsdienstleister, die produktbezogene Penetrationstests durchführen und die Durchführung im Nachhinein attestieren. Dass dies auch schiefgehen kann, zeigte sich zuletzt beim “sicheren Anwaltspostfach”. Dieses wurde durch einen Dienstleister überprüft, wies dennoch deutliche Schwachstellen auf. Ob das NichtAuffinden der Schwachstellen durch mangelhafte Prüfungen oder ein zu geringes Budget bedingt ist, kann bei dieser Form von Prüfung nicht ohne Kenntnisse der

Zentrum für Informationssicherheit

Dem Phänomen „Innentäter“ auf der Spur 22.02.2018, Berlin Belastbare IT-Gutachten erstellen und bewerten 27.02.2018, Berlin IT-Risikomanagement – Identifikation, Bewertung und Bewältigung von Risiken 27.02.2018, Berlin IT-Notfallplanung – Vorausschauende Vorbereitung auf den IT-Notfall 28.02.2018, Berlin Personalrat und Datenschutz 01.03.2018, Stuttgart Mac-Forensik – Digitale Spuren auf Mac-Systemen 05.03.2018, Berlin Cyber Defence Simulation Training 06.03.2018, Berlin ISMS-Prozesse und ISMS-Betrieb 07.03.2018, Berlin Ausbildung zum Business Continuity Manager – Zertifikat 12.03.2018, Bonn Mobile Device Security – Risiken und Schutzmaßnahmen 12.03.2018, Düsseldorf

Weitere Informationen zu diesen und anderen Seminaren unter: www.cyber-akademie.de

NEUES aus IT- und Datenschutzrecht

der Cyber Akademie

Nutzung von unverschlüsseltem E-Mail-Verkehr

Tobias Glemser ist Geschäftsführer der Secuvera GmbH und Dozent der Cyber Akademie. Foto: CAk/privat

Projekte festgestellt werden. Dies ist eine prinzipbedingte Limitierung proprietärer Prüfungen. Ausblick Auf EU-Ebene wird aktuell der “EU Cybersecurity Act” entwickelt. Dabei soll die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) eine zentrale Rolle einnehmen und europäische Standards für Produktzertifizierungen harmonisieren. Eine Stoßrichtung hierbei ist es auch, Endkundenprodukte zertifizierbar zu machen. Beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) werden derzeit ein sogenanntes Gütesiegel und die BasisSicherheits-Zertifizierung vorbereitet. Wann genau diese Schemata bereitstehen, welche Anforderungen gestellt werden und wie diese Bestrebungen EU-weit harmonisiert werden können, steht aktuell noch nicht fest. Auch wenn Zertifizierungen kein Allheilmittel darstellen, ist der Bedarf nachweisbarer Sicherheit unabdingbar. In den meisten Branchen werden Zertifizierungen immer stärker nachgefragt. Die EU-Bestrebungen gehen hier sicher in die richtige Richtung. Bis dahin stellt sich für jeden Hersteller und Einkäufer die Frage, wie die Sicherheit in Produkten nachgewiesen beziehungsweise eingefordert werden kann. Am 25. April 2018 führt die Cyber Akademie das Seminar “IT-Sicherheit und Produktzertifizierung – was ist zu beachten?” in Berlin durch.

Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hat sich in seinem 8. Tätigkeitsbericht zum Thema unverschlüsselter E-Mail-Verkehr von Rechtsanwälten und Geheimnisträgern geäußert. Er kritisiert vor Hintergrund des § 203 StGB, dass unverschlüsselte E-Mail-Kommunikation ungeeignet sei. Der Schutz von Mandanten-Rechten und deren personenbezogenen Daten sei nicht gewährleistet.

Weiterhin erläutert der Datenschutzbeauftragte, dass unverschlüsselte E-Mail-Kommunikation dem Grundsatz der Weitergabekontrolle gem. Nr. 4 der Anlage zu § 9 BDSG widerspreche. Zudem wird in dem Bericht darauf hingewiesen, dass im Betreff etwaiger unverschlüsselter E-Mails keine personenbezogenen Daten der betroffenen Mandanten erscheinen dürften.

Herausgabe von Behörden-Telefonlisten Die Bestimmungen des Informationsgesetzes besagen, dass alle Mitarbeiter einer öffentlichen Behörde jederzeit fernmündlich erreichbar sein müssen. Auf Grundlage dieses Gesetzes wurde eine Behörde von einem Anwalt vor dem OVG Lüneburg auf Herausgabe von Telefonlisten mit persönlichen Durchwahlen der einzelnen Mitarbeiter verklagt. Die Behörde wehrte sich gegen die Klage mit der rechtmäßig anerkannten Begründung, dass der Schutz der personenbezogenen Daten der Mitarbeiter, die Funktionsfähigkeit und die ef-

fektive Aufgabenwahrnehmung durch die Herausgabe der Telefonliste beeinträchtigt werden würden. Weiterhin besitze jede öffentliche Behörde einen Telefondienst, welcher fernmündliche Nachrichten an den betroffenen Sachbearbeiter weitergebe. Das OVG Lüneburg entschied mit Urteil vom 28.03.2017, Az. 2 LC 4/15, zugunsten der öffentlichen Behörde mit folgendem Ergebnis: Die Funktionsfähigkeit und die effektive Aufgabeerfüllung staatlicher Einrichtungen werde durch die Offenlegung von Telefonlisten gefährdet.

Facebook – Datenerhebung aus Drittquellen Das Bundeskartellamt (BKartA) führt ein Verwaltungsverfahren gegen Facebook (FB) wg. des Vorwurfs der missbräuchlichen Erhebung und Sammlung von Nutzerdaten aus Drittquellen. In der Pressemitteilung des BKartA vom 19.12.2017 wird der Vorwurf wie folgt begründet: FB sei in Deutschland marktbeherrschend. Unternehmen und private Nutzer müssen, um soziale und geschäftliche Kontakte zu knüpfen, bei FB angemeldet sein und personenbezogene (pb) Daten preisgeben. Aufgrund der

marktbeherrschenden Position von FB geht das BKartA nicht von einer Freiwilligkeit der Einwilligung zur Verarbeitung von pb Daten aus. Weiterhin werden Daten auch außerhalb von FB aus Drittquellen erhoben und mit dem FB-Konto zusammengeführt. Über diese Datenerhebung werden das Unternehmen sowie der Nutzer nicht direkt informiert. Aufgrund der “Monopolstellung” und den datenschutzrechtlichen Verstöße wurde nunmehr das Verwaltungsverfahren eingeleitet.

Die neue Seminarbroschüre 2018 ist da. Mehr unter www.cyber-akademie.de.

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BEHÖRDEN SPIEGEL-KONGRESSE 2018

(Auszug)

Antworten auf die Fragen der Zeit finden 25./26. Januar

1. Februar

Hamburger Vergabetag Beim Hamburger Vergabetag diskutieren die Teilnehmenden mit namenhaften Richtern der Vergabesenate über aktuelle Rechtsfragen und einschlägige Spruchpraxis. Zudem erfahren sie, wie Einkaufsstrategien wirksam und zugleich rechtskonform umgesetzt werden können. Das Vorab-Programm für Neueinsteiger in das Vergaberecht, die insgesamt zwölf Workshops mit einem stark praxisorientierten Ansatz sowie der Abendempfang zum Erfahrungsaustausch zwischen Beschaffungsexperten runden den Hamburger Vergabetag weiter ab. > www.hamburger-vergabetag.de

Zukunftskongress “Bayern”

Januar Februar

6./7. Februar

20./21. März

Europäischer Polizeikongress

16./17. April

Digitaler Staat

März

Bürgermeisterkongress

Der Katastrophenschutzkongress fördert den aktiven Dialog zwischen Behörden und Experten aus dem Katastrophen- und Zivilschutz. Schon zum elften Mal ist der Kongress Treffpunkt für Teilnehmer aus mehr als 40 Nationen. Gemeinsam reflektieren sie politische Entwicklungen, vertiefen Kooperationen und schaffen Netzwerke. Dieses Jahr steht die neue EU-Richtlinie zum Katastrophenschutzverfahren im Mittelpunkt! > www.katastrophenschutzkongress.de

Zukunftskongress Soziale Infrastrukturen

Juni

Baden-Württemberg 4.0

Juli August

September

e-nrw-Kongress

Der Fachkongress Deutschlands für IT-und Cyber-Sicherheit bei Bund, Ländern und Kommunen. Bei der Public-IT-SecurityKongressmesse treffen sich jährlich die ITSicherheitsverantwortlichen der Verwaltungen und informieren und diskutieren über die neuesten Entwicklungen. Aussteller präsentieren ihre speziell auf die Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung zugeschnittenen Sicherheitslösungen. > www.public-it-security.de

Der Kongress zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung stellt die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik Europas in den Vordergrund. Sie ist die größte europäische Veranstaltung zu diesem Themenfokus. > www.euro-defence.eu

Die Landesregierung BadenWürttemberg hat mit der Umsetzung der Digitalisierungsstrategie digital@bw begonnen, die das Land zu einer digitalen Leitregion in Deutschland und Europa machen soll. Der Kongress “Baden-Württemberg 4.0” wird diesen Prozess fortan begleiten und zusätzliche Impulse setzen – natürlich insbesondere mit dem Fokus auf die öffentliche Verwaltung und die digitale Transformation in den Behörden des Landes und der Kommunen. > www.bw-4-0.de

8. November

PITS

Berliner Sicherheitskonferenz 2018

Als eine Reaktion auf den demografischen Wandel mit seinen zunehmenden regionalen Disparitäten und der drohenden Abkoppelung strukturschwacher Regionen und Stadtteile gilt es, die soziale Infrastruktur stärker in den Fokus zu nehmen. Der Zukunftskongress Soziale Infrastrukturen bietet Verwaltungen eine Diskussionsplattform zu den Kernthemen der Infrastrukturpolitik demografischer Wandel, Integration, Bildung, Engagement, Kinder- und Jugendpolitik. > www.kongress-soziale-infrastrukturen.de

3. Juli

10./11. September

27./28. November

Der Digitalisierungskongress für Staat und öffentliche Verwaltung wird im März 2018 in Berlin stattfinden. Automatisch und intelligent – Herausforderungen für die Vernetzung, Automatisierung, ChatBot, KI, Blockchain, OZG, Once Only – sind Themen des Kongresses. > www.digitaler-staat.org

6. Juni

Europäischer Katastrophenschutzkongress

April Mai

Zweitägiger Kongress zum Thema Risiken und Katastrophen in Deutschland für Bürgermeister, Landräte und Führungskräfte aus Städten, Gemeinden und Landkreisen. Das Programm des Kongresses wird zusammen mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gestaltet. > www.buergermeisterkongress.de

26./27. Juni

Der Europäische Polizeikongress ist die größte internationale Fachkonferenz für Innere Sicherheit in Europa. Er will den Dialog zwischen den Behörden fördern, den Teilnehmern ermöglichen, neue Kontakte aufzubauen, führt kritische Diskussionen über aktuelle Themen und informiert in der Ausstellung über neueste Technologien. Auf dem Kongress wird außerdem der Zukunftspreis Polizeiarbeit verliehen. > www.european-police.eu

Durch die Konzentration auf eine Vielzahl von Entscheidungsträgern auf kommunaler Ebene und der unmittelbaren Mitwirkung der Landesregierung ist beim Zukunftskongress “Bayern” gewährleistet, dass sich mitten in München die IT-Entscheider, Beschaffer und Multiplikatoren von Land und Kommunen treffen. > www.zukunftskongress.bayern

Oktober

November

Das zentrale Kongress-Ereignis im Umfeld von IT und IT-gestützter Verwaltungsmodernisierung in Nordrhein-Westfalen. Der Kongress “e-nrw” ist deshalb von zentraler Bedeutung, weil NRW mit rund 18 Millionen Einwohnern nicht nur das größte Bundesland ist, sondern nach der Kommunalreform mit über 400 Gebietskörperschaften auch über starke Kommunalverwaltungen verfügt. > www.e-nrw.info

4. Dezember

Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur

Dezember

Für Infrastrukturverantwortliche in Kommunen, Ländern und Bund ist dieser Kongress das entscheidende Event auf dem Feld neuer Kooperationsformen und Geschäftsmodelle – nicht nur bei Hochbau, Verkehr und Gesundheit. Infrastruktur heißt auch Informationstechnologie, öffentliche Dienstleistungen und Neuorganisation der Verwaltung. > www.oeffentliche-infrastruktur.de Fotos: BS/Danetzki, Dombrowsky, Giessen

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Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Januar 2018

Flughafen – Personalauswahl mit Sicherheitslücken KNAPP Dokumentenprüfung bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen ohne einheitlichen Standard

Erweiterter Teilnehmerkreis?

(BS/Marco Feldmann) Wer an deutschen Flughäfen arbeiten will, muss zuverlässig sein und in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Geben die vom potenziellen Mitarbeiter (BS/mfe) An der kommenden eingereichten Ausweisdokumente Anlass zu Bedenken oder weist sein polizeiliches Führungszeugnis bestimmte Einträge auf, erhält er keinen Ausweis zum Betreten der nicht-öffentli- Länderübergreifenden Krisenchen Bereiche. So weit die Theorie. In der Praxis kommt es aber offenbar eher darauf an, in welchem Bundesland der Verkehrsflughafen liegt, an dem der Jobinteressent tätig werden will. managementübung (LÜKEX), Denn: Jede Luftsicherheitsbehörde prüft die vorgelegten Dokumente in unterschiedlicher Tiefe. Außerdem kommen bei Weitem nicht in allen Bundesländern Dokumentenspezialisten bei der Kontrolle zum Einsatz. Des Weiteren setzen sich keineswegs alle zuständigen Behörden, die darüber hinaus den unterschiedlichsten Ressorts nachgeordnet sind, mit den jeweiligen, die Dokumente ausstellenden ausländischen Stellen oder zumindest deren Botschaften in Deutschland ins Benehmen.

Manchmal reicht eigene Bestätigung aus Teilweise verlassen sich die Prüfer sogar darauf, dass der Antragssteller selbst mit seiner Unterschrift versichert, dass alle Angaben wahrheitsgemäß gemacht wurden und die Kopie seines Personaldokumentes mit dem Original übereinstimmt. So wird zum Beispiel im Regierungspräsidium Stuttgart, der Luftsicherheitsbehörde für ganz Baden-Württemberg, verfahren. Damit ist dieses Vorgehen unter anderem in Bezug auf die Zuverlässigkeitsüberprüfungen für die Beschäftigten an den Verkehrsflughäfen in Stuttgart, Friedrichshafen, Karlsruhe/Baden-Baden und Stuttgart gängige Praxis. Und in Rheinland-Pfalz, wo der dem Wirtschaftsministerium nachgeordnete Landesbetrieb Mobilität als Luftsicherheitsbehörde fungiert, wird offen eingestanden, dass die Beschäftigten keine eigenständige Echtheitsprüfung der Dokumente vornehmen. Vielmehr bediene man sich grundsätzlich der Hilfe der Bundespolizei, heißt es. Ähnlich verfährt das Saarland, wo das

Soll ein Beschäftigter an einem deutschen Flughafen im nicht-öffentlichen Bereich arbeiten, muss er sich einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterziehen. Diese wird jedoch in den einzelnen Bundesländern – zumindest was die Prüfung vorgelegter Dokumente angeht – uneinheitlich durchgeführt. Foto: BS/Lukas Plewnia, CC BY-SA 2.0, flickr.com

Saarbrücker Wirtschaftsministerium selbst die Landesluftfahrtbehörde darstellt.

Fälschungen kaum zu identifizieren Aber selbst das schützt nicht vor dem Nicht-Erkennen von Fälschungen, weil nur speziell ausgebildete Experten der Bundespolizei und nicht jeder Streifenbeamte derartige Imitate erkennen könne, sagt ein Experte, der namentlich ungenannt bleiben will. Aus diesem Grunde verwundert es nicht, wenn der Präsident des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) und ehemalige Bundespolizist, Udo Hansen, sagt: “Das Verfahren zur Überprüfung der Zuverlässigkeit ist ein reines Papierverfahren, in dessen Rahmen die Mitarbeiter Fälschungen in der Regel gar nicht erkennen können, weil sie oftmals nur Kopien der zu kontrollierenden Dokumente erhalten.“ Positiv herausstechen könnte in diesem Zusammenhang allerdings möglicherweise die Gemeinsame Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg, die für die

Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld zuständig ist. Sofern dort Zweifel an der Echtheit eingereichter Dokumente bestehen, erfolgt eine Prüfung unter Einbeziehung von Spezialisten der Bundespolizei. Dies ist etwa der Fall bei Passdokumenten und Aufenthaltstiteln von Personen aus Ländern, in denen die deutschen Auslandsvertretungen die Legalisation von Urkunden ablehnen oder sofern Betroffene zwar deutsche Reisepässe besitzen, aber noch keine drei Jahre im Bundesgebiet leben.

Es geht auch strenger Bei Legalisationen bestätigen Mitarbeiter der diplomatischen Vertretung des betroffenen Staates in der Bundesrepublik die Echtheit der Unterschrift sowie des Siegels auf einer Urkunde und verifizieren die vom Unterzeichner über sich selbst angegebene Eigenschaft. Gleichwohl werden auch hier nur Verdachtsfälle genauer von Experten untersucht, weshalb selbst bei diesem Ansatz Fälschungen unerkannt bleiben können. Eine noch intensivere Prüfung nehmen die Mitarbeiter

der Landesdirektion Sachsen vor, die zum Geschäftsbereich des Dresdner Innenministeriums gehört. Im dortigen Zuverlässigkeitsüberprüfungsverfahren, das für die Flughäfen Dresden und Leipzig/Halle gilt, müssen Antragssteller Ausweisdokumente und gegebenenfalls auch Straffreiheitsbescheinigungen mit Apostille, einer speziellen Beglaubigungsform im internationalen Urkundenverkehr, sowie Übersetzung von in Deutschland beeidigten Dolmetschern vorlegen. Können Zweifel selbst dadurch nicht endgültig ausgeräumt werden, verlangen die Sachbearbeiter die Vorlage weiterführender Dokumente. Diese müssen dann über die Botschaft oder das Auswärtige Amt beschafft werden. Grundsätzlich erfolgen im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfungen übrigens Abfragen bei den Landeskriminal- und -verfassungsschutzämtern der Wohnorte der letzten zehn Jahre hinsichtlich eventuell vorliegender strafrechtlich relevanter Erkenntnisse. Zudem wird eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister ein-

geholt und bei Wohnorten im Ausland wird auch das Zollkriminalamt beteiligt. In Einzelfällen sind zum Beispiel auch der Bundesnachrichtendienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst involviert.

die im November stattfinden soll, werden eventuell erstmals auch die Bundeswehr sowie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) teilnehmen. Einen entsprechenden Prüfauftrag erteilte die Innenministerkonferenz (IMK) auf ihrer letzten Tagung in Leipzig an das Bundesinnenministerium (BMI). Dieses soll in Abstimmung mit dem LÜKEX-Lenkungsausschuss der Frage nachgehen, ob die Übung, deren Szenario weiterhin eine Gasmangellage bildet, um die Themenkomplexe “Kommunikationsfähigkeit bei Ausfall der Regelkommunikationswege” und “Einbindung der Kommunikationswege” erweitert werden könnte. Dies hätte dann eventuell eine erstmalige Einbindung BSI und des Kommandos Cyber- und Informationsraum der Streitkräfte zur Folge.

Vorschläge sind vorhanden

Trinationale Rüstungskooperation

Zum Teil von Polizeivollzugsbeamten geprüft werden die Zuverlässigkeitsüberprüfungsanträge in Hessen. Dort ist – deutschlandweit einmalig – mit dem Polizeipräsidium Frankfurt am Main eine Polizeidienststelle unmittelbar für die Kontrollen verantwortlich. Diese Diversität macht deutlich: Es braucht Reformen. Ein Bundesamt für Luftsicherheit, eine Anstalt öffentlichen Rechts, in der die beim Bund liegenden Luftsicherheitsaufgaben gebündelt werden, eine private Luftsicherheitsgesellschaft, an der der Bund die Mehrheit hält, oder schlicht eine Vereinfachung und bundesweit einheitliche Umsetzung des Luftsicherheitsgesetzes, sind die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen.

(BS/por) Am Rande des französisch-türkischen Gipfeltreffens Anfang Januar in Paris hat das Land am Bosporus ein trinationales Konsortium aus Eurosam, Aselsan und Roketsan mit einer Machbarkeitsstudie für ein Langstrecken-Luft- und Raketenabwehrsystem der türkischen Luftwaffe beauftragt. Das in Paris ansässige französischitalienische Konsortium Eurosam GIE ist ein Joint Venture der beiden in Frankreich beheimateten Konzerne Thales Group und MBDA S.A.S.; Aselsan und Roketsan sind türkische Unternehmen der wehrtechnischen Industrie mit jeweiligem Firmensitz in Ankara. Ziel ist offenkundig eine längerfristige trinationale Rüstungs- und Exportkooperation.

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Innere Sicherheit / Polizeitage

Seite 40

D

enn: Danach wurden praktisch alle Funktionen in der Polizei dem gehobenen Dienst zugeordnet und die zweigeteilte Laufbahn mit einem Studium als “Erstausbildung” in mehreren Polizeien beschlossen. In der Folge sind der Bund und fast alle Bundesländer auf den 1999 gestarteten Bologna-Zug aufgesprungen und bieten heute anerkannte Bachelor-Studiengänge für Berufsanfänger an. Mehrere Bundesländer haben bereits eigene Polizeihochschulen eingerichtet, einige diskutieren dies derzeit.

Polizeihochschulen profitieren nicht Können wir uns nun entspannt zurücklegen und mit Stolz und Gelassenheit in die Welt rufen: “Die Polizei ist fit für das 21. Jahrhundert!”? Es sind ehrgeizige Vorgaben der Politik, die derzeit die qualitative Weiterentwicklung bremsen oder gar gefährden. In Bund und Ländern wird von einer Verdopplung oder gar Verdreifachung der polizeilichen Berufsanfänger berichtet, um dem Bedarf in Zeiten “hoher abstrakter Gefährdung” durch den islamistischen Terrorismus gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass die erforderliche “Berufsfertigkeit” der Absolventen immer neue Studieninhalte verlangt. Dies kann nicht

Behörden Spiegel / Januar 2018

Bildung als Schlüssel für die Zukunft Bund und Länder müssen in die Polizeihochschulen investieren (BS/Friedel Durben) Das “Saarbrücker Gutachten” aus dem Jahre 1972 erhob in der Bundesrepublik Deutschland die wissenschaftliche Fundierung der Polizeiarbeit zum Leitbild. Die Ausbildung der Beamten des gehobenen Dienstes wurde in der Folge zunehmend an internen Fachhochschulen durchgeführt. Das “Kienbaum-Gutachten” von 1991 war ein weiterer Meilenstein für die Bildung der Polizei. kosten- und personalneutral geleistet werden. Obgleich Bildung das Zukunftsthema aller Parteien und Koalitionsverträge in der Republik ist, profitieren die Polizei- und Verwaltungshochschulen davon nicht. Sie sind von den Bildungs- und Forschungsinitiativen weitgehend abgeschnitten und haben keinen eigenständigen Zugang zu Ressourcen und Förderungen. Es braucht gerade jetzt eine neue Bildungsoffensive in allen Polizeien. Nur eine gut ausgebildete Polizei kann ihre Funktion als Konfliktmanager erfüllen, um öffentliche Sicherheit und gesellschaftlichen Frieden zu schützen. Bereits in der Charta von Rotterdam aus dem Jahre 1996 wurde der Polizei die Schlüsselrolle als “Wächter über Gleichbehandlung, Integration und Zusammenhalt in einer sich rasch verändernden Gesellschaft” zugeschrieben. Nur durch Bildung kann sich die Polizei an die wandelnde

der Polizei heraus, damit sie der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse gerecht werden Friedel Durben ist Direktor kann, ohne das der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz. Grundbedürfnis der Bürgerinnen Foto: BS/Hochschule der Polizei und Bürger nach Rheinland-Pfalz Sicherheit zu vernachlässigen. Gesellschaft anpassen und in Nur gut ausgebildete PolizeiZusammenarbeit mit ande- beamtinnen und -beamte komren Akteuren die objektive und munizieren auf Augenhöhe subjektive Sicherheit gewähr- mit anderen gesellschaftlichen leisten. Neben der weiteren Zu- Akteuren und erfahren Wertwanderung von Flüchtlingen schätzung. Eine vergleichende gilt es auch über “neue Mau- deutsch-französischen Studie ern” hinweg zu vermitteln, wie hat bestätigt, dass die gute langBundespräsident Frank-Walter jährige Ausbildung der deutSteinmeier sagte. schen Polizeien zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz und zu Intelligente Lösungen weniger Konflikten führt. Zweifel erforderlich an der Rekrutierung qualifizierNur eine gut ausgebildete Po- ter Bewerberinnen und Bewerlizei kann die begrenzten Res- ber sowie Zweifel an der Qualität sourcen effizient nutzen und polizeilicher Ausbildung – wie nachhaltig einsetzen. Wir brau- sie derzeit in Berlin aufgeworfen chen intelligente Lösungen aus werden – gefährden das hohe

Vertrauen der Bevölkerung in ihre Polizei. Nur gut ausgebildete Polizeibeamtinnen und -beamte sind gewappnet für herausfordernde Einsatz- und Ermittlungslagen. Wir brauchen belastbare fachliche, methodische, soziale und personale Schlüsselkompetenzen, um die vielfältigen und sich dynamisch verändernden Anforderungen im polizeilichen Kontroll- und Ermittlungsalltag meistern zu können. Unsere Expertise muss in der konkreten Einsatzsituation bis später vor Gericht überzeugen.

Vernetzung ist ein absolutes Muss Dazu brauchen wir Polizeihochschulen als Schaltstellen des Transfers polizeilichen Wissens in Aus- und Fortbildung. Wir brauchen Hochschulen, die vernetzt sind. Hochschulen, die selbst Orte der angewandten Forschung und Entwicklung sind. Hochschulen, die Begegnungsräume des Dialogs sind,

um die polizeiliche Arbeit immer wieder selbst und mit gesellschaftlichen Akteuren zu reflektieren und auf wissenschaftlicher Grundlage zu verbessern. Mit der erforderlichen Verstärkung der Polizeien darf die Qualität polizeilicher Bildungsarbeit weder abgesenkt noch geopfert werden. Die Qualität ihrer Bildungseinrichtungen und ihrer Bildungsarbeit sichern der Polizei auch zukünftig das Vertrauen ihrer Bürgerinnen und Bürger.

Nicht stehen bleiben Die Investition in Bildung hat sich für die Polizei in den vergangenen Jahren bereits gelohnt. Wir dürfen aber nicht stehen bleiben. Je höher die Bildung der Polizei ist, desto größer sind ihre geistigen Handlungsreserven. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, braucht Bildung in der Polizei eine starke Lobby. Die Polizeigewerkschaften wären gut beraten, das Thema Bildung als “Manifest 2025” wieder zu besetzen und trotz föderaler Unterschiede Bildungsausschüsse auf Bundesebene einzuberufen. Bildung sichert der Polizei Attraktivität und Expertenstatus. Bildung sichert der Polizei das hohe Vertrauen und die Wertschätzung in der Bevölkerung. Die Zeit ist günstig. Bildung ist in aller Munde.

Föderale Struktur als Hemmschuh

Anerkennung im Inland fehlt

Auf Münchner Polizeitag wird Informationsverbund Sicherheit gefordert

Beteiligung an internationalen Missionen bringt Polizisten kaum Vorteile

(BS/mfe) Deutschlands Polizeibehörden haben bei der grenzüberschreitenden Abfrage von DNA-Spuren oftmals noch erhebliche Probleme. Der “Prümer Vertrag”, auf dessen Grundlage dieser Informationsaustausch erfolgt, verlangt häufig umständliche und langwierige Rechtshilfeersuchen. Auch der föderale Staatsaufbau der Bundesrepublik erweist sich in diesem Zusammenhang teilweise als hinderlich.

(BS/mfe) Deutschland entsendet inzwischen weniger Polizisten in internationalen Missionen als in der Vergangenheit. Ein Grund dafür ist die mangelnde Unterstützung durch Behördenleitungen und Verantwortliche in Ministerien für derartige Verwendungen. Außerdem werde hierzulande der ausgezeichnete Ruf, den die deutsche Polizei im Ausland habe, kaum wertgeschätzt.

Zudem sei es erschreckend, wie viel Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) über einen Verdächtigen oder Täter aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht wissen dürften, kritisierte der bayerische Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Peter Schall, auf dem Münchner Polizeitag des Behörden Spiegel und seiner Organisation. Dort forderte er: “Sicherheit geht vor Datenschutz. Wir brauchen ein gesundes Verhältnis zum Datenschutz.” Des Weiteren konstatierte Schall: “Wir wollen keine Daten auf Vorrat haben, brauchen aber den Zugriff auf die erforderlichen Dateien, wenn das für die Strafverfolgung notwendig ist.” Und er verlangte: “Wir brauchen einen Informationsverbund Sicherheit.” Dieser sollte möglichst sogar europaweit existieren, meint der GdP-Landeschef. Bisher gelte in Sicherheitsfragen und in Bezug auf den Austausch von Informationen zwischen unterschiedlichen Behörden jedoch noch zu oft: “Die föderale Struktur Deutschlands ist ein Hemmschuh.”

Datenschutz kein Täterschutz Ähnlich äußerte sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er machte klar, dass der Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden verbessert werden müsse (siehe auch Behörden Spiegel Dezember 2017, Seite 51). Auch die Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, Eva Gottstein, meinte: “Viele Informationen, die nebeneinander herlaufen, helfen nichts.” Und Dr. Florian Herrmann von der CSU unterstützte Schall, als er unterstrich: “Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden.” Ebenfalls Zuspruch erhielt der GdP-Vorsitzende von der Grünen Katharina Schulze. Sie betonte: “Wir brauchen eine bessere Zusammenarbeit der Behörden und einen stärkeren

Will der Sicherheit Vorrang vor dem Datenschutz einräumen: der bayerische Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Peter Schall.

Der Präsident des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Burkhard Körner, wies auf die durch das informationelle Trennungsgebot aufgestellten Grenzen des Informationsaustausches hin. Zugleich unterstrich er aber auch, dass diese nicht in allen Phänomenbereichen gleich stark ausgeprägt seien. Fotos: BS/Feldmann

Informationsaustausch innerhalb der Europäischen Union.” Diesbezüglich wollte auch der Sozialdemokrat Prof. Dr. Peter Paul Gantzer nicht widersprechen.

Gemeinsame Dateien kaum wirksam Auf ein anderes Problem wies vor rund 170 Teilnehmern der Präsident des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Burkhard Körner, hin. Er erläuterte, dass eine Informationsweitergabe durch Nachrichtendienste an Polizeibehörden laut eines Urteils des

Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe nur zulässig sei, sofern die Polizei die jeweils zugrunde liegenden Daten selbst hätte erheben können. Außerdem müsse ein herausragendes öffentliches Interesse an dem Austausch bestehen. Dieses informationelle Trennungsgebot erlaube deshalb das Führen gemeinsamer Dateien von Nachrichtendiensten und Polizeien nur in sehr engen Grenzen. Dies sei ihrer Wirksamkeit nicht förderlich, räumte Körner ein.

Gute Zusammenarbeit gegen Terror Keinerlei negative Auswirkungen habe diese Form des Trennungsgebotes hingegen auf die effektive Kooperation zwischen Nachrichtendiensten und Polizeidienststellen im Kampf gegen Terrorismus und Organisierte Kriminalität (OK). Und auch in anderen Phänomenbereichen könne sein Amt die Informationen oft so aufbereiten, dass sie – trotz aller rechtlichen Beschränkungen – von der Polizei genutzt werden könnten. Sei dies in einzelnen Fällen einmal nicht möglich, könne die bayerische Polizei gleichwohl immer noch eine anlassunabhängige Kontrolle der verdächtigen Person durchführen, berichtete Körner. Sowohl für Polizeien als auch für Nachrichtendienste tätig ist die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS). Sie ist Dienstleister für die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz in den Bereichen Forschung und Entwicklung, wie ihr Präsident Wilfried Karl erklärte. Zugleich sagte er: “Wir sind keine neue Polizei und kein neuer Nachrichtendienst.” Ziel sei vielmehr, da ZITiS über keine eigenen operativen Befugnisse verfüge, die drei genannten Sicherheitsbehörden des Bundes zu unterstützen. Des Weiteren solle die Stelle als Bindeglied zu Forschern fungieren.

Darauf machte unter anderem der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Internationale Polizeimissionen (AG IPM), Dieter Wehe, aufmerksam. Auch Niels Zimmermann aus dem Bundesministerium des Innern (BMI) äußerte sich auf dem Berliner Polizeitag von Behörden Spiegel und Gewerkschaft der Polizei (GdP) ähnlich. Als weitere Gründe für das zurückgehende Engagement der Bundesrepublik in Missionen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union identifizierte Wehe fehlende politische Zielvorgaben, die Personalsituation bei allen deutschen Polizeien und ein verändertes Aufgabenprofil solcher Entsendungen. Inzwischen liege der Fokus nämlich weniger auf operativen Aufgaben als vielmehr auf Beratung, Unterstützung und Training lokaler Kräfte, so der ehemalige Inspekteur der nordrhein-westfälischen Polizei. Grundsätzlich hielt Wehe gleichwohl fest: “Die Beteiligung an internationalen Polizeimissionen ist eine Aufgabe der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland.”

Deutsche als Multiplikatoren gefragt Und André Hesse, Abteilungsleiter für internationale Angelegenheiten im Potsdamer Bundespolizeipräsidium, ergänzte: “Das polizeiliche Knowhow aus Deutschland ist ein Exportschlager. Die Bundespolizei ist weltweit als Fahndungspolizei etabliert.” Zudem unterstrich er: “Deutsche Polizisten sind weltweit gefragte Multiplikatoren und Botschafter der Rechtsstaatlichkeit.” Schließlich müssten sie Sicherheit in Staaten exportieren, in denen Gefahrenpotenziale drohten. Aber auch Hesse übte Kritik: “Ich wünsche mir, dass das Auslandsengagement stärker bei der Personalplanung im Inland berücksichtigt wird.” Auf eine große Schwierigkeit im Zusammenhang mit Aus-

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Internationale Polizeimissionen (AG IPM), Dieter Wehe, kritisierte, dass es hierzulande oftmals an Anerkennung für dienstliche Verwendungen im Ausland mangele. Foto: BS/Feldmann

landsverwendungen wies Achim Raupach vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen hin. Er betonte, dass solche Einsätze oft erschwert würden, weil die Abkömmlichkeit des jeweiligen Beamten im Inland nicht gegeben sei. Für die Zukunft prognostizierte er daher: “Wenn wir das nicht aufbrechen, bekommen wir ein Problem.” Und er bemängelte: “Ich würde mir wünschen, dass die Kollegen, die ins Ausland gehen, vorher in ihrer Heimatdienststelle verabschiedet werden.” Des Weiteren kritisierte Raupach, dass Ausschreibungen für Auslandsverwendungen die Polizisten häufig nicht ohne Weiteres erreichen würden und dass vom ersten Kontakt bis zur tatsächlichen Entsendung in eine internationale Mission durchschnittlich zwölf Monate vergingen.

Unbekannte Gefahren drohen Den Blick auf die tatsächliche Auslandsverwendung vor Ort warf Niels Zimmermann aus dem BMI. Er berichtete: “Deutsche Polizisten sind im Ausland oftmals Einzelkämpfer und Selbstversorger, weil sie nur selten in gesicherten Unterkünften leben.” Des Weiteren erläuterte

er: “Wir begegnen im Auslandseinsatz Gesundheitsgefahren, die wir aus Deutschland nicht kennen.” Roland Voss von der GdP wiederum meinte: “Wir sehen es als notwendig an, eine europäische Mitarbeitervertretung zu schaffen, die mindestens mit Konsultations- und Informationsrechten ausgestattet ist.” Zudem konstatierte er: “Die Grundlage für ein sicheres Europa sind wirkungsvolle Kontrollen an den EU-Außengrenzen. Diese sind aber derzeit noch löchriger als ein Schweizer Käse.” Nicht zuletzt deshalb müsse bei der europaweiten Inneren Sicherheit zwingend grenzüberschreitend kooperiert werden.

Für Politik lange kein Thema Dabei sei, auch um eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheitslage im Ausland zu erreichen, das polizeiliche Element enorm wichtig, betonte Winfried Nachtwei, ehemaliger Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen. Zugleich kritisierte er: “Internationale Polizeimissionen wurden von der Politik lange vernachlässigt.” Dass die Politik internationalen Polizeimissionen nicht immer die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet hat, wollte die SPDBundestagsabgeordnete Susanne Mittag nicht bestreiten. Das müsse sich aber ändern, weil die Zahl dieser Einsätze in den kommenden Jahren zunehmen werde. Hierauf müsse sich Deutschland rechtzeitig einstellen und “vor die Lage kommen”. Eine andere Forderung stellte Martina Renner, Abgeordnete der Linken-Fraktion im Deutschen Bundestag, auf. Sie verlangte, dass internationale Polizeimissionen unter Parlamentsvorbehalt stehen sollten. Und Karsten Hilse von der Alternative für Deutschland plädierte dafür, dass der Bund die Zuständigkeit für die Vor- und Nachbereitung von Auslandsverwendungen für Polizeibeamte übernehmen sollte.

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Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Januar 2018

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Fahndungs-App bringt zahlreiche Vorteile Kommentar

Anwendung soll Bundespolizisten im Streifendienst unterstützen (BS/Christian Senf/Michael Jokisch/Torsten Hauswald*) Die Bundespolizei steht vor der Herausforderung, die gegenwärtigen polizeilichen Prozesse mit den Möglichkeiten voll mobiler Endgeräte – Smartphones – zu verbinden, um einen ortsunabhängigen, anwenderfreundlichen und sicheren Zugriff auf die etablierten Datenquellen zu realisieren. Damit lassen sich deutliche Effizienzgewinne erzielen, wie die Entwicklung einer Smartphone-basierten Fahndungs-App verdeutlicht. Die Sach- und Personenfahndung ist einer der Kernprozesse der Bundespolizei. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Fahndungsabfragen stetig gewachsen. Zuletzt wurden im Jahr 2016 über 272 Millionen Abfragen an das hierfür genutzte Fachverfahren INPOL gestellt. In der bisher üblichen allgemeinpolizeilichen Fahndungsabfrage durch Kontroll- und Streifenbeamte werden zunächst manuell die Personalien der Person aufgenommen und mündlich an die Leitstelle übermittelt. Diese gibt die Informationen dann in das Fahndungssystem ein und kommuniziert das Ergebnis zurück. Doppelarbeit, Medienbrüche, Übertragungs- und Transkriptionsfehler sind unvermeidlich. Der Prozess ist langsam und bindet wertvolle personelle Ressourcen. Neben der manuellen Fahndungsabfrage setzt die Bundespolizei mobile beziehungsweise teilstationäre IT-Systeme ein. Diese sind jedoch aufgrund ihres Formfaktors für den täglichen mobilen Streifendienst ungeeignet.

Unterstützung für Streifenbeamte

Anwendung bietet zahlreiche Vorteile Bei der Dokumentenprüfung werden die auf den Ausweis oder Reisepass aufgedruckten Daten mit den elektronisch im Dokument hinterlegten Daten abgeglichen. Für den sicheren Betrieb der Fahndungs-App wurde eine umfangreiche Infrastruktur errichtet. Foto: BS/Bundespolizei

damit zur Identität der Person werden dadurch direkt vor Ort erkennbar. Durch elektronische Übernahme der Personendaten kann unmittelbar die Fahndungsabfrage durchgeführt werden. Nur im Trefferfall ist dann für Detailinformationen eine Kommunikation mit der Leitstelle notwendig. Die dafür notwendige Übertragung der Personendaten erfolgt direkt in das Fahndungssystem und liegt dann dort bereits vor.

Rückgriff auf biometrische Merkmale möglich Die Dokumentenprüfung basiert auf dem Abgleich der aufgedruckten Daten des Ausweises mit den elektronisch im Dokument hinterlegten Daten. Unter Nutzung der ebenfalls auf dem Smartphone befindlichen BioMiddle-Komponente kann darüber hinaus auch auf an gleicher Stelle elektronisch hinterlegte biometrische Merkmale zugegriffen werden. Moderne elektronische Ausweisdokumente wie der Personalausweis, der elektronische Reisepass sowie der elektronische Aufenthaltstitel sind dazu mit einem Chip ausgestattet. Um auf diesen technisch

Mit der von der Bundespolizei konzipierten Gesamtlösung werden mehrere Effizienzgewinne für einen polizeilichen Kernprozess unter Nutzung voll mobiler Endgeräte erzielt. So ist eine Validierung eines Anfangsverdachts durch elektronische Dokumentenprüfung sowie den Abgleich dort hinterlegter biometrischer Merkmale vor Ort möglich. Des Weiteren werden Medienbrüche, Eingabe-, Übertragungs- und Transkriptionsfehler vermieden. Und das in den Leitstellen eingesetzte Personal wird durch den Wegfall von Fahndungsanfragen ohne Ergebnistreffer entlastet. Wichtigster Aspekt bleibt aber, dass eine auf Standard-Smartphones basierende, preisgünstige, hochmobile und sichere Lösung für den Streifenbeamten geschaffen wurde, die mit neuen Möglichkeiten das Potenzial zu einer erhöhten Anzahl an Fahndungsanfragen und gegebenenfalls -treffern hat. Eine Vorstellung der Fahndungs-App ist zum Beispiel auf dem 21. Europäischen Polizeikongress des Behörden Spiegel am 6. und 7. Februar in Berlin vorgesehen. *Christian Senf ist Leiter der Stabsstelle IKT-Fachlichkeit im Bundespolizeipräsidium. Michael Jokisch ist dort Referent für IKT-Strategie und Sicherheitsmanagement und Torsten Hauswald Sachbearbeiter für Produktmanagement.

Hans-Jürgen Hohnen, Staatssekretär a. D.

(BS) Die alliierten Siegermächte gaben der deutschen Polizei nach 1945 drei wesentliche Vorgaben. Sie lauteten: Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten, keine zentrale Polizei und Primat der zivilen Führung. In einigen Bundesländern wurde zudem eine systematische “Ent-Polizeilichung” der inneren Verwaltung betrieben. So wurden unter anderem Bau- und Ordnungspolizei zu Bauämtern beziehungsweise Ordnungsbehörden. Über diese Vorgaben entstanden bis in die Gegenwart Landespolizeien mit über 260.000 Beschäftigten. Nach dem Grundgesetz liegen die allgemeinen Polizeikompetenzen in den Ländern. Der Bund ist nur mit einigen sonderpolizeilichen Kompetenzen, etwa zum Bundeskriminalamt oder zur Bundespolizei, ausgestattet. Eine spannende Entwicklung nahmen alle drei zentralen Vorgaben. Die organisatorische Trennung von Polizei und Diensten bedurfte – und bedarf weiterhin – Interpretationen und organisatorischer Anpassungen. Das gilt etwa im Bereich des Gemeinsamen TerrorabwehrZentrums und Datenbanken, um, vor dem Hintergrund zunehmender Bedeutung der “Intelligence”, Informations- und Erkenntnisdefizite möglichst auszuschließen. Eine zunehmende Zentralisierung der Poli-

zei erfolgte über eine systematische Verstärkung des früheren Bundesgrenzschutzes, der umgekehrt proportional zum Wegfall der Grenzkontrollen personell aufwuchs. Schließlich ließ der ehemalige Innenminister Otto Schily (SPD) mit der Bezeichnung Bundespolizei die an sich umfassend polizeilich zuständigen Länder in die Regionalliga absteigen.

“Die Länder sind gefordert, die ihnen obliegenden Kompetenzen mit Personalund Sachausstattung auszufüllen.”

Bedingt durch Sparvorgeben hat sich die Mehrheit der Länder gerne in diese Rolle begeben. Der Vorrang der zivilen Führung ist in Zeiten komplexer – auch taktisch-technischer Eingriffsmöglichkeiten der Polizei – in Veränderung begriffen. Jüngste Personalentscheidungen der Leitungsebenen einiger Länder deuten darauf hin, dass sowohl für die erfolgreiche Polizeiführung als auch zum Schutz der Grundrechte, um überhaupt die Eingriffsintensität mittels Hightech bemessen zu können,

Fachwissen erforderlich sein kann. Im Spannungsfeld zwischen regionaler Landes- und zentraler Polizei des Bundes wird ein wesentlicher Aspekt zu wenig betrachtet: Die tägliche Polizeiarbeit ist ein ständiger Ausgleich zwischen konkurrierenden Grundrechten. So verlangen die einen mehr Verkehrskontrollen, die anderen entsprechend weniger und lieber mehr Engagement gegen Wohnungseinbruch. Die Bürgerorientierung ist quasi institutionalisiert, zum Beispiel über Gemeinde- und Stadträte, andere örtliche Verwaltungen, Polizeibeiräte, Schulleiter, Verkehrsunternehmen, örtliche Bürgerinitiativen oder Demonstrationen. Das alles fehlt der zentralen Polizei. Sie ist in Gefahr, eine abgehobene, nur eigenen (Bundes-)Zielen verantwortliche Polizeiorganisation wie eine Guardia Civil oder die italienischen Carabinieri zu werden. Dass Verbrechensbekämpfung und Schutz der Bürgerschaft ständig den Bedrohungslagen anzupassen sind, bedeutet – auch unter dem Druck aktueller terroristischer Bedrohung – nicht, dass die Zentralisierung beim Bund allein hilft. Die Länder sind gefordert, die ihnen obliegenden Kompetenzen mit Personal- und Sachausstattung auszufüllen.

Anwenderforum

Zukunft des BOS-Digitalfunks Auf dem Weg zur mobilen Datenkommunikation

Anwenderforum im bcc Berlin Congress Center (parallel zum 21. Europäischen Polizeikongress)

7. Februar 2018 in Berlin

Themenschwerpunkte des Anwenderforums u. a.: >> Erneuerung und Werterhaltung der existierenden Digitalfunknetze >> Breitbandspektrum für dedizierte eigene Netze >> Nutzung kommerzieller Netze für die professionelle Datenkommunikation >> Optionen und Strategien für die Einführung der mobilen Datenkommunikation >> Bereits gewonnene praktische Erfahrungen >> Internationaler Vergleich >> Notwendige To-dos für das weitere Vorgehen

Foto: BS/Archiv

Als Basis für die FahndungsApp wurde ein sicheres polizeiliches Endgerät definiert und für den sicheren Betrieb eine umfangreiche Infrastruktur aufgebaut. Hierzu zählen unter anderem das zentrale MobileDevice-Managementsystem (MDM), die Einrichtung einer gesicherten Netzwerkverbindung (VPN) sowie die Schnittstelle zum Fahndungssystem selbst. Mit der für Android entwickelten Fahndungs-App und dieser Infrastruktur ist es nun möglich, den der Fahndung vorgelagerten Teilprozess der Identitätsfeststellung auf der Straße zu unterstützen. Der Beamte kann die maschinenlesbare Zeile (MRZ) des Dokuments mittels Smartphone-Kamera einscannen, den Chip des Dokuments auslesen und damit die Echtheit des Dokuments überprüfen. Eine Abweichung und damit ein erster Verdacht bezüglich der Echtheit des Dokuments und

zugreifen zu können, bedarf es eines Berechtigungsnachweises. Diesen Nachweis erhält die Fahndungs-App durch die Anbindung an die Public-KeyInfrastruktur der Bundespolizei (EAC-PKI), welche bereits für den Einsatz von stationären Ausweislesegeräten durch die Bundespolizei und einige Landespolizeien genutzt wird. Besonderes Augenmerk wurde bei der App-Entwicklung auf einfache Bedienbarkeit unter schwierigen Bedingungen gelegt. Wichtig waren dabei unter anderem klare und einfache Menüführung sowie die Möglichkeit zur Einhandbedienung.

Schilys Genitiv – der große Wandel der Polizei

Eine Veranstaltung des

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Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Januar 2018

Verfassungsschutz nicht zentralisieren

Spektrum vorausgesagt. Diese Zahl wurde nahezu erreicht.

Chef des Hamburger Landesamtes will Diskussionen beenden

Behörden Spiegel: Lagen diese Informationen der Polizei vor?

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B

ehörden Spiegel: Herr Voß, zu Jahresbeginn haben Sie den Vorsitz im Arbeitskreis vier der Innenministerkonferenz übernommen, der sich mit Verfassungsschutzthemen beschäftigt. Welche Punkte stehen auf Ihrer Agenda? Voß: Es gibt einige Punkte, die ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den Ländern angehen möchte. So ist es wichtig zu klären, wie die künftige Sicherheitsarchitektur zwischen Bund und Ländern gestaltet und die Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund verbessert werden kann. Außerdem gilt es zu diskutieren, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Zentralstellenfunktion künftig noch besser als bisher ausüben kann. Behörden Spiegel: Es gibt den Vorschlag, den Verfassungsschutz in Deutschland zu zentralisieren. Was halten Sie davon? Voß: Ich plädiere dafür, die Phantomdiskussion über eine Zentralisierung des Verfassungsschutzes zu beenden. Genauso gut könnte man darüber philosophieren, die Länderpolizeien aufzulösen. Aus Sicht der Länder ist eine reine organisatorische Zentralisierung fachlich nicht sinnvoll – denken Sie an die weiterhin notwendige regionale Kompetenz oder an die verfassungsrechtlichen Probleme einer parlamentarischen Kontrolle. Zudem bin ich der Überzeugung, dass eine Zentralisierung politisch nicht durchsetzbar wäre. Diese Ideen sollten endlich ad acta gelegt werden. Aber natürlich müssen wir darüber reden, wie wir uns innerhalb

(BS) Torsten Voß ist der neue Vorsitzende des Verfassungsschutz-Arbeitskreises in der Innenministerkonferenz (IMK). Im Gespräch mit dem Be- Voß: Wir haben unsere Erhörden Spiegel erläutert er seine Agenda und äußert sich eindeutig zu der Frage, ob der Verfassungsschutz in Deutschland zentralisiert werden kenntnisse im Rahmen der gesetzlichen Übermittlungssollte. Die Fragen stellten R. Uwe Proll und Marco Feldmann.

Behörden Spiegel: Welche weiteren Themen wollen Sie voranbringen? Voß: Ein weiteres Thema technischer Art ist die Überwachung der modernen Kommunikationsmittel, wenn sie von Extremisten genutzt werden. Die verschlüsselte Kommunikation, zum Beispiel bei WhatsApp, ist weiterhin eine große Herausforderung. Außerdem ist mir wichtig, die Bedeutsamkeit menschlicher Quellen zu unterstreichen. Wir können bei der Aufklärung extremistischer Szenen auf sie nicht verzichten. Ein konkretes Beispiel aus der Praxis sind rechtsextremistische Veranstaltungen, bei denen der Einsatz von Quellen aus meiner Sicht unerlässlich ist. Behörden Spiegel: Die Verfassungsschutzbehörden in den einzelnen Ländern unterscheiden sich erheblich. Wie kann dieses Ungleichgewicht ausgeglichen werden? Voß: Zahlreiche Behörden werden personell und materiell aufgestockt – das ist angesichts der Bedrohungslage gut und richtig. Zudem gilt es bei

Usbeken als treibende Kraft für Aufschwung Treibende Kraft für diesen rasanten Aufschwung sind vor allem die ausländischen Kämpfer aus Usbekistan, Tschetschenien oder dem übrigen Kaukasus. Sie verbanden sich insbesondere mit enttäuschten Ex-Taliban, eingesickerten Kriegern aus dem untergegangenen “syrakischen” Reich und Ex-Mohnbauern, denen die Eradikationsaktionen von Regierung und Allianzen die Existenzgrundlage entzogen. Alle zusammen erhoffen sich von der Daesh-Provinz “K” (das Emirat “Khorasan”) den Aufstieg in ein neues Kalifat. Besonders wichtig ist der Zugang kampferfahrener FTF, die auch für die Ausbildung der neuen (Kinder-) Bataillone gebraucht werden. Am 13. April 2017 versuchte das US-Militär, die DaeshFührung in Afghanistan mit einem einzigen Luftschlag zu vernichten, indem es dessen extensives Netz von Tunneln und Höhlen in Nanagarhar mit der größten nicht-nuklearen Bombe angriff, einer GBU-43 Massive Ordnance Air Blast-Bombe (MOAB), auch extrem euphemis-

Torsten Voß steht seit August 2014 an der Spitze des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz. Seit Jahresbeginn ist der ausgebildete Polizeibeamte auch Vorsitzender des Arbeitskreises vier der Innenministerkonferenz, der sich mit Verfassungsschutzthemen beschäftigt. Foto: BS/Feldmann

der bereits angesprochenen vernünftigen Ausgestaltung der Zentralstellenfunktion des Bundesamtes zu schauen, wer sinnvollerweise welche Aufgaben übernehmen kann. Bei operativen Maßnahmen, zum Beispiel Observationen, könnte das Bundesamt kleinere Länder stärker unterstützen. Kleinere Verfassungsschutzbehörden haben im Übrigen einen unschätzbaren Vorteil: Sie verfügen über die regionalen Spezialkenntnisse und haben den unmittelbaren Kontakt zu den übrigen Behörden vor Ort. Auf diese Kenntnisse können

Afghanistan kommt nicht zur Ruhe

D

er Daesh zeigt insbesondere im Norden Afghanistans militärische Präsenz, listet Freund und Feind säuberlich auf, eliminiert seine Feinde, übernimmt die soziale Kontrolle, errichtet seine eigene Verwaltung, erhebt Steuern und Gebühren und rekrutiert Männer und Kinder. Außerdem bündelt er dort auch die foreign terrorist fighters (FTF), die sich aus internationalen Kampfgebieten nach und nach in Afghanistan einfinden. Mit dieser schon aus Syrien, dem Irak, Libyen, Nigeria und der Sahara bekannten Strategie gelang es dem Daesh, seine Kampfkraft Ende 2017, innerhalb weniger Monate, wieder auf fast 3.000 Mann anwachsen zu lassen.

Voß: Wir haben vor dem G20Gipfel über bestimmte Gruppierungen und bestimmte VeranBehörden Spiegel: Was hal- staltungen informiert, die wir für ten Sie von Schwerpunktbildun- problematisch gehalten haben. gen bei einzelnen Verfassungs- Darunter waren der gewaltorientierte, marxistisch-leninistischutzbehörden? sche Rote Aufbau Hamburg, die Voß: Ich halte eine vernünfti- Interventionistische Linke und ge Aufgabenaufteilung für sehr die autonome Szene rund um die sinnvoll. So strebt das Bun- Rote Flora. Auch haben wir, was bundesdesamt für Verfassungsschutz bereits jetzt Verwaltungsver- weite Aufmerksamkeit erregte, einbarungen mit einzelnen Län- die Namen verantwortlicher dern an. Bestimmte Aufgaben, Linksextremisten genannt: Halil die eine enorme Kapazität er- Simsek, Emily Lacquer, Andreas fordern oder einen länderüber- Blechschmidt, Andreas Beuth. greifenden Charakter haben, Sie finden diese Einschätzungen sollten durchaus vom Bundes- auch heute noch offen zugänglich auf unseamt wahrge“Ich plädiere dafür, rer Homepage. nommen werden können. die Phantomdiskussion Außerdem haben wir schon Im Bereich der Spiona- über eine Zentralisierung im Vorfeld des geabwehr ge- des Verfassungsschutzes Gipfels deutlich gemacht, schieht das zu beenden.” dass die Überbereits – Spinachtungsonagefälle betreffen sehr häufig mehrere camps auch Anlaufpunkte für Länder und den Bund gleicher- militante Linksextremisten sein maßen. In den Bereichen der könnten. Genau so ist es zum Teil gekomCyber-Sicherheit, die den Verfassungsschutz betreffen, kann men. Als ein Camp in Hamburg ich mir ein federführend ver- verboten werden sollte, hat uns antwortliches Bundesamt gut ein Verwaltungsgericht recht gegeben – die weiteren Instanzen vorstellen. teilten unsere, im Nachhinein Behörden Spiegel: Ein großes richtige, Einschätzung leider Thema war und ist der G20- nicht. Ebenso präzise war unGipfel. Gab es in dessen Vor- sere Prognose hinsichtlich der feld ausreichend Hinweise des Zahl gewaltorientierter LinksNachrichtendienstes zum Ge- extremisten. Wir hatten bis zu 8.000 Personen aus diesem fährdungspotenzial? wir bei der Extremismusbekämpfung nicht verzichten.

des Verfassungsschutzverbundes effektiver unterstützen, einander aushelfen und bei bestimmten Aufgaben besser miteinander arbeiten können.

Land könnte neues Daesh-Kalifat “Khorasan” werden (BS/Uwe Kranz) Kaum ist die Botschaft verkündet, das Daesh-Kalifat an Euphrat und Tigris sei untergegangen, kommt neue Kunde über den Aufstieg des Daesh in Afghanistan. Lag die Zahl der Daesh-Kämpfer im April 2017 nur noch bei circa 600 (von einst 3.000), gelang es der Terrormiliz, sich wieder neu aufzustellen – und dies in einer beängstigend rapiden Weise.

Serie TERRORZIELE (TEIL 17) tisch die “Mutter aller Bomben” genannt. Dabei wurden nach unüberprüfbaren US-Militärberichten angeblich fast 100 Daesh-Kämpfer, darunter über ein Dutzend Anführer und nur zwei Zivilisten, getötet. Letztlich war das Ergebnis aber allenfalls ein suboptimaler militärischer PR-Schlag, denn es existieren weiterhin Hunderte solcher Tunnel-und-Höhlen-Komplexe, Tausende Daesh-Kämpfer und Hunderte neue Anführer.

Gezielte Tötung kaum erfolgreich Auch die gezielte Tötung der jeweiligen Emire abseits rechtsstaatlicher Strukturen und Mittel mittels US-Drohnen brachte letztlich im Ergebnis keine, und wenn, dann nur eine sehr kurzzeitige Verringerung des Terrorpotenzials: Der nächste Emir stand stets schon in der Warteschlange, bereit, als Märtyrer in den Tod zu gehen. 16 Jahre nach dem ersten Einsatz und nach mindestens 10.000 Drohnen-Exekutionen bleibt nur die ernüchternde Feststellung: Für die eigentliche Terrorbekämpfung half und hilft es weder, die Zahl der US-Drohnen exponentiell zu erhöhen, noch immer mehr Drohnenpiloten auszubilden oder den Einsatz global auszuweiten. Zwar helfen Drohnen, die Zahl der US-Bodentruppen relativ klein zu halten, aber in den Augen der Dschihadisten und des Taliban

sind sie allenfalls ein Zeichen westlicher Feigheit und dienen daher eher der terroristischen Eigenwerbung und der Rekrutierung.

Drohnen-Einsatz soll ausgeweitet werden Die neue US-“P.S.P.-Strategie” (Principles, Standards and Procedures) unter Präsident Donald Trump will neben einer Truppenausweitung um weitere 4.000 Mann unter anderem DrohnenExekutionen, die unter Obama nur gegen Anführer des Taliban und des Daesh zulässig gewesen waren, nunmehr gegen jeden dschihadistischen “Fußsoldaten” zulassen. Zudem sollen die Entscheidungsprozeduren verschlankt und der DrohnenEinsatz auch territorial ausgeweitet werden. Zwar soll der Einsatz nur dann zulässig sein, wenn nahezu unwahrscheinlich ist, dass Zivilisten Opfer werden, aber die Vergangenheit hat immer wieder bewiesen, dass trotz aller Vorsicht und technischer Präzision letztlich bei diesen Angriffen fast immer auch Zivilisten getötet oder verletzt wurden. Das wird in amtlichen Berichten zwar häufig verschwiegen oder kleingeredet, bringt den Terroristen aber immer auch Zulauf und Unterstützung aus der Bevölkerung. Diese Probleme werden mit der neuen Strategie vermutlich eher noch zunehmen.

Auch der afghanische Taliban wird stärker Der afghanische Taliban, eine deobandisch-islamistische Terrormiliz, die das islamische Emi-

afghanischen Drogenlabore des Taliban und desDer Terrorexperte des Besen speziell Lahörden Spiegel, Uwe Kranz, warnt davor, dass Afghager und Märkte, nistan wieder Heimat zahlinsbesondere in reicher gewaltbereiter, islaNord-Helmand, mistischer Gruppen werden unter Beschuss. könnte. Die Operation “Jagged Knive”, Foto: BS/Dombrowsky die im Rahmen der US-Mission rat Afghanistan errichten will, Operation Freedom Sentinel hat sich nach dem Tod von Mul- (OES) im Herbst zur Terrorbelah Akhtar Mansour Mitte 2017 kämpfung anlief, wird zumineine neue Führungsstruktur dest der Narko-Terrorfinanzieunter dem Befehl von Mawlawi rung von derzeit jährlich rund Hibatullah Akhundzada gege- 200 Millionen US-Dollar empben und ist signifikant erstarkt. findliche Einbußen bescheren. Die afghanische Regierung kon- Sie wird den Taliban dort treffen, trollierte im Herbst 2017 (mehr wo es ihm wehtut. oder weniger) nur noch etwa 56 Prozent aller 407 Distrikte und Taliban auch im Nato-Rahmen bekämpfen verlor damit erneut weitere 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es ist mehr als notwendig, 34 Prozent aller Distrikte unter- den Taliban zusätzlich auch im stehen inzwischen vollständig Nato-Rahmen mit der Resoludem Taliban, ein Anstieg um be- te-Support-Mission, in welcher achtliche sechs Prozent. Deutschland mit 980 Soldaten Rund 700.000 Afghanen wur- nach den USA und Italien den den vom Taliban alleine im ver- dritthöchsten Anteil der fast gangenen Jahr neu unterwor- 13.600 Soldaten aus 39 Staaten fen, insgesamt sind damit über stellt, noch intensiver bekämp3,7 Millionen Afghanen in der fen zu helfen. Die SicherheitslaGewalt islamistischer Terroris- ge in Afghanistan hat sich nach ten, mehr denn je seit 2001. einem aktuellen Bericht des Bundesamtes für Migration und USA seit November mit neuer Flüchtlinge (BAMF) deutlich verStrategie schlechtert. Nur wenn die örtlichen SicherSeit November 2017 verfolgen die USA eine relativ neue Stra- heitsdienste ihre Aufgaben auch tegie. Nach deutlicher Truppen- alleine voll inhaltlich und effekverstärkung, einem massiven tiv erfüllen können, gelingt es Einsatz Hunderter Analysten nämlich auch, den signifikant und mehreren Monaten Pla- anwachsenden Drogenanbau -schmuggel nung, nimmt die US-Luftwaffe beziehungsweise im Verbund mit afghanischen oder den steten Zustrom afKräften primär die 400 bis 500 ghanischer Flüchtlinge zu re-

vorschriften an die Polizei weitergegeben und haben gut mit den Kollegen zusammengearbeitet. Das fand dann auch in dem Umstand Ausdruck, dass im Vorfeld des Gipfels nur ein Lagebild erstellt wurde, und zwar von der Polizei, und darin flossen unsere Informationen ein.

Behörden Spiegel: Welche weiteren Erkenntnisse zum G20Gipfel haben Sie? Voß: Es hat sich gezeigt, dass bestimmte Aktionen während des Gipfels auch spontan und unabgesprochen stattgefunden haben. Es gab nicht nur konzertierte Aktionen, sondern einiges entstand auch aus der Dynamik der Situation heraus. Das macht es für die Sicherheitsbehörden im Vorfeld natürlich sehr schwer, dies vorauszuahnen. Des Weiteren wurden zahlreiche Straftaten mit großer Wahrscheinlichkeit von Extremisten aus dem Ausland, unter anderem aus Italien und Skandinavien, begangen, die einfach nur Randale in Hamburg machen wollten – ohne Rücksicht auf irgendeine wie auch immer geartete antikapitalistische oder kommunistische Begründung und, ganz wichtig: ohne Rücksicht auf die Vermittelbarkeit der Taten in der Öffentlichkeit. Die ungekürzte Fassung des Interviews finden Sie auf www.behoerdenspiegel.de; Suchbegriff: Phantomdiskussion.

duzieren, der sich innerhalb der vergangenen sechs Jahren verfünffacht hat. Die nach schweren Anschlägen von der Bundesregierung, genauer: dem Auswärtigen Amt im Juli 2017 zunächst zugesagte kurzfristige Neubewertung der Sicherheitslage steht jedoch immer noch aus. Gleichwohl wurde im Oktober 2017 offiziell vor Reisen nach Afghanistan gewarnt.

Al-Qaida wieder in terroristischer Weltöffentlichkeit aktiv Die “al-Qaida im indischen Subkontinent” (AQIS) wurde zwar schon 2014 von al-QaidaFührer Ayman al-Zawahiri gegründet, schien aber damals, zumindest in den Augen der meisten Analysten, nur ein Versuch gewesen zu sein, zumindest regional wieder an Bedeutung zu gewinnen. Die Dynamik des Eroberungsfeldzuges des Daesh in Syrien und dem Irak, die gewaltige Sogwirkung, die sein Kalifat entfaltete und die internationale Bedeutung, die der Daesh damals erzielte, marginalisierte die al-Qaida in der terroristischen Weltöffentlichkeit. Inzwischen hat die Zusammenführung der sunnitischen Terroristen aus Bangladesch, Myanmar, Indien, Afghanistan und Pakistan zu einer neuen Einheit, der AQIS, jedoch an Bedeutung gewonnen. DerAQIS-Anführer(Emir),Asim Umar, ehemals Chef der pakistanischen Tehrik-i-Taliban, pflegt einen besonders engen Schulterschluss mit den afghanischen Taliban. Im Juni 2017 wurde dazu sogar ein 20-seitiger Vertrag (“Code of Conduct”) veröffentlicht, die Treue-Eide erneuert und den gemeinsamen Kampf zur Verteidigung des Islamischen Emirates von Afghanistan als Hauptziel vereinbart. Das alles lässt für die kommenden Monate nichts Gutes erwarten.

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6. – 7. Februar 2018, bcc Berlin Congress Center Sicherheit besser vernetzen Information – Prävention – Repression Hauptprogramm Dienstag, 6. Februar 2018 07:30 Uhr Eröffnung der Ausstellung / Registrierung 08:45 Uhr Eröffnung des 21. Europäischen Polizeikongresses R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber des Behörden Spiegel Eröffnungsblock 09:00 Uhr Eröffnungsrede Dr. Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern 09:30 Uhr Herausforderungen und Lösungsansätze für die föderale Sicherheitsarchitektur Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes 10:00 Uhr Prof. Dr. Jürgen Stock, Generalsekretär von IKPO-Interpol 10:30 Uhr Andreas Kleinknecht, Geschäftsbereichsleiter Öffentliche Auftraggeber Deutschland, Mitglied der Geschäftsleitung, Microsoft Deutschland GmbH 11:30 Uhr Kaffeepause 11:45 Uhr Fachforum Block 1 13:15 Uhr Mittagspause 14:40 Uhr Vernetzten Missbrauch vernetzt verfolgen – Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Cyber Crime im Internet Grußwort: Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs Moderation: N.N. Teilnehmer: Cathrin Bauer-Bulst, stellvertretende Leiterin Cyber-Kriminalität, Generaldirektion Migration und Inneres, Europäische Kommission Prof. Dr. Dr. Klaus M. Beier, Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin Andrea Möhringer, Geschäftsführerin der World Childhood Foundation Steven Wilson, Leiter des European Cybercrime Centre, Europäisches Polizeiamt (Europol) 15:40 Uhr Christian Scherf, Country Manager Deutschland, Axon Public Safety Germany SE 16:00 Uhr Kaffeepause 16:15 Uhr Fachforum Block 2 17:45 Uhr Kaffeepause 18:10 Uhr Dr. Matthias Weber, Heckler & Koch GmbH 18:30 Uhr Rolle und Zukunft der Spezialeinheiten Moderation: Dieter J. Fox, ehemals GSG 9 der Bundespolizei Teilnehmer: Jean-Baptiste Dulion*, Leiter von RAID, Französiche Republik Jerome Fuchs, Kommandeur GSG 9 der Bundespolizei, Bundesrepublik Deutschland Bernhard Treibenreif, Direktor der Sondereinheit Einsatzkommando Cobra / Direktion für Spezialeinheiten (DSE), Republik Österreich 19:15 Uhr Ehrung der GSG 9 zum 45-jährigen Jubiläum 19:30 Uhr Buffet und Networking *Referent ist angefragt.

Mittwoch, 7. Februar 2018 07:30 Uhr Eröffnung der Ausstellung / Registrierung 08:45 Uhr Vernetzte Sicherheit in Zeiten vernetzter Gefahren - Risikokontrolle im 21. Jahrhundert Dr. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Bundesrepublik Deutschland 09:15 Uhr Georg Scharpenack, Geschäftsführer Ulbrichts Protection, Ulbrichts Witwe GmbH 09:35 Uhr GTAZ & Co.: Zusammenarbeit weiterentwickeln Moderation: Max-Peter Ratzel, Direktor Europol a. D. Teilnehmer: Maren Brandenburger, Präsidentin des Verfassungsschutzes Niedersachsen Burkard Dregger, MdA, Vorsitzender des PUA Anis Amri, CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin Wolfgang Kubicki, MdB, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag Dorothea Marx, MdL, Vorsitzende des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, SPD-Fraktion im Thüringer Landtag Dieter Schürmann, Landeskriminaldirektor, Ministerium des Innern, Nordrhein-Westfalen 10:30 Uhr Alles, was der Digitalfunk nicht kann – ein Jahr Polizeimessenger für Deutschland Andreas Noack, stashcat/heinekingmedia 10:50 Uhr Kaffeepause 11:20 Uhr Verleihung des Zukunftspreises Polizeiarbeit 2018 11:40 Uhr Diskussionsrunde der Landesinnenminister und -senatoren Moderation: R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber des Behörden Spiegel Teilnehmer: Joachim Herrmann, Bayerischer Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr Georg Maier*, Thüringer Minister für Inneres und Kommunales Boris Pistorius, Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport Herbert Reul, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 12:40 Uhr Akif Ekin, Präsident von Ekin Technology 13:00 Uhr Mittagspause 14:30 Uhr Fachforum Block 3 16:00 Uhr Kaffeepause 16:30 Uhr Die neue Topographie des Islamistischen Terrorismus Uwe G. Kranz, Behörden Spiegel-Terrorexperte 17:00 Uhr Zusammenfassung und Ausblick R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber des Behörden Spiegel Moderation: Brigadegeneral a. D. Reimar Scherz, Programm- und Herausgeberbeirat des Behörden Spiegel und Dieter Wehe, Inspekteur der Polizei Nordrhein-Westfalen a. D.

Aktuelle Programmänderungen finden Sie unter www.europaeischer-polizeikongress.de

Fachforen

Dienstag, 6. Februar 2018 Forum 1A Cyber-Kriminalität

Forum 2A Persönliche Schutzausstattung für die Polizei

Mittwoch, 7. Februar 2018 Forum 3A Internationale Polizeimissionen

Forum 1B Finanz- und Wirtschaftskriminalität

Forum 2B Cyber-Sicherheit: Prävention & Repression

Forum 3B Videoüberwachung

Forum 1C Europäischer Datenaustausch

Forum 2C Sicherheit von Großveranstaltungen und öffentlichen Räumen

Forum 3C Predictive Policing

Forum 1D Bewältigung von Demonstrationslagen Forum 1E Todesfalle Landstraße

(Fachforum in Kooperation mit der Deutschen Polizeigewerkschaft)

Forum 1F Fachforum DHPol – Studien der empirischen Polizeiforschung Forum 1G Sichere mobile Kommunikation Forum 1H Intelligente Videoanalyse – zukünftiges Instrument für die Polizei

Strategiepartner

(Fachforum in Kooperation mit der Gewerkschaft der Polizei)

Forum 2D Digitale Forensik

Forum 3E Digitale Polizeiarbeit – Smart Policing

Forum 2E Biometrie – Dreh- und Angelpunkt für Europas neue und interoperable Sicherheitsstruktur

Forum 3F Robuste Ausrüstung für Sicherheitskräfte

(Fachforum in Kooperation mit eu-LISA)

Forum 2F Informationsgeleitete Polizeiarbeit – Actionable Intelligence Forum 2G Netzwerk für Sicherheit – mobiles Arbeiten, Apps & Co Forum 2H Aspekte der Datenverabeitung bei den Polizeibehörden (Fachforum in Kooperation mit dem Bund Deutscher Kriminalbeamter) Mit Unterstützung von

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Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

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Behörden Spiegel / Januar 2018

Europa ist in Aktion

Nicht mehr nur eine Perspektive

EU-Kommissar Stylianides erläutert seine “rescEU”-Planungen

Programm GEMINUS visualiert Zeugenerinnerungen noch besser

(BS) Er ist seit November 2014 EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz: Christos Stylianides. (BS/Uwe Kinn) Phantombilder haben eine lange Tradition als Mittel für die Fahndung nach unbekannten TäIm Interview mit dem Behörden Spiegel berichtet der Zypriot über die ersten Reaktionen und die künftigen tern. Sie visualisieren die Erinnerung eines Zeugen und stellen in vielen Fällen den einzigen Ansatz zur ErmittPlanungen zur Umsetzung seiner Idee, EU-eigene Katastrophenschutzkapazitäten aufzubauen. Er glaubt, dass lung des Täters dar. Dabei wird jeweils nur eine Perspektive des Täters dargestellt, meist die Frontalansicht. rescEU bis 2021 komplett operationsfähig sein wird. Die Fragen stellten Marco Feldmann und Hartmut Bühl. Behörden Spiegel: Herr Kommissar, wie sind die ersten Reaktionen aus den Mitgliedsstaaten auf Ihren rescEU-Vorschlag? Stylianides: Die Mitgliedsstaaten haben überwiegend positiv reagiert. So haben beispielsweise der französische und der portugiesische Präsident, Macron und Santos, sofort ihre Unterstützung ausgesprochen. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Europa ist kein technokratisches Europa. Es ist ein Europa in Aktion: in der Lage zu sein, zusätzliches Hilfsmaterial zu liefern, um im Bedarfsfall seine Bürger und Bürgerinnen zu beschützen. Ich weiß, dass in den Bundesländern einige nicht so positiv auf den Vorschlag reagiert haben. Aus diesem Grund habe ich kürzlich mit einer Reihe von Innenministern in Deutschland gesprochen und ihnen den Vorschlag erläutert. Aber abgesehen von den Mitgliedsstaaten sollte ich noch erwähnen, dass die erste Reaktion des Europäischen Parlaments ebenfalls sehr positiv war. Behörden Spiegel: Wann rechnen Sie mit den ersten Anschaffungen beziehungsweise Leasingverträgen über neue Löschflugzeuge im Rahmen von rescEU? Stylianides: Ich hoffe, den Vorschlag so schnell wie möglich Realität werden zu lassen. Die Reserve von rescEU wird schrittweise aufgebaut, sodass wir über die ersten Anschaffungen innerhalb von zwölf Monaten nach Verabschiedung der Gesetzgebung verfügen können. Was die Löschflugzeuge betrifft, streben wir ein Leasing oder eine Anmietung der ersten Reservekapazitäten bis 2019 an. Behörden Spiegel: Wie sehen die Planungen zu rescEU ab 2021 aus? Stylianides: Wie ich gerade gesagt habe, bauen wir rescEU schrittweise aus. Wir gehen davon aus, dass rescEU bis 2021 vollständig operationsfähig sein und auch nach 2021 seinen Zweck erfüllen wird. Behörden Spiegel: Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Flüchtlingskrise hat sich erwiesen, dass der Union Civil Protection Mechanism (UCPM) nicht ausreicht. Sie haben daraufhin die Emergency Regulations for the Union erlassen, die finanzielle Mittel freigeben. Wie muss man das Zusammenspiel von UCPM-Mitgliedern und dem Regulierungsfonds sehen? Stylianides: Das Ausmaß der Migration, insbesondere entlang der Westbalkanroute vor einigen Jahren, war enorm. Anfangs konnten wir mit den Instrumenten, die ich verwalte, nur finanzielle humanitäre Hilfe für die Menschen außerhalb der EU leisten. Das war damals der gültige Rechtsrahmen. Also haben wir sehr intensiv mit dem Katastrophenschutzmechanismus und anderen EUMitteln, die innerhalb der EU eingesetzt werden können, gearbeitet, insbesondere in Ländern wie Griechenland. Der Katastrophenschutz hat dank der großzügigen Angebote der teilnehmenden Staaten dabei geholfen, eine beträchtliche Zahl von Hilfsmitteln zu mobilisieren. Dennoch war er nicht das ge-

“Es gab in der Vergangenheit keine medizinischen Notfallressourcen.”

Christos Stylianides ist EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz. Foto: BS/EU-Kommission

Stylianides: Der von der Kommission im vergangenen November angenommene Vorschlag ist unser umfassender Vorschlag, um den Europäischen Katastrophenschutzmechanismus auf kurz- und langfristige Zeit zu stärken.

Behörden Spiegel: Wie sind eignete Mittel für diese Art von Krise und besonders nicht auf die bisherigen Erfahrungen mit dem Europäischen Medizinilange Sicht. Damit den Flüchtlingen wirk- schen Korps? Wie viele Einsätsam geholfen werden konnte, ze hat es nach der Ebola-Krise mussten humanitären Organi- im Jahre 2015 bereits absolviert sationen mit ihrer jahrelangen und wie viele Mitglieder zählt es? Erfahrung in solchen HerausStylianides: Wir haben den Euforderungen umgehend Mittel zur Verfügung gestellt. Im März ropäischen Sanitätsdienst 2016 2016 haben wir eine Initiative ins Leben gerufen. Deutschland ins Leben gerufen, die Sofortnot- hat dabei eine Schlüsselrolle hilfe, die es uns zum ersten Mal gespielt. Seitdem wurde er drei Mal eingesetzt, überhaupt das letzte Mal erlaubte, in“Europa ist kein in Uganda, als nerhalb der technokratisches das BernhardEU humaniEuropa.” Nocht-Institut täre Hilfe zu für Tropenleisten. Die Sofortnothilfe existiert jetzt seit medizin in Hamburg die ugandrei Jahren und seitdem haben dischen Behörden mit einem wir über 440 Millionen Euro al- Europäischen Mobilen Labor lein an Griechenland zugewie- unterstützte, um den Ausbruch des tödlichen Marburg-Virus zu sen. stoppen. Das war ein großer Erfolg. Das Behörden Spiegel: Kann der EU-Katastrophenschutzmecha- Labor arbeitete Hand in Hand nismus andere Arten der finan- mit den lokalen Behörden, huziellen Unterstützung durch die manitären Partnern, der WHO Europäische Kommission ergän- und den US-amerikanischen Centers for Disease Control and zen? Prevention (CDC). Im vergangeStylianides: Natürlich kann nen Dezember habe ich noch Bernhard-Nocht-Institut der EU-Katastrophenschutzme- das chanismus andere Arten der fi- besucht, um dem Team zu seinanziellen Unterstützung durch ner ausgezeichneten Arbeit zu die Europäische Kommission er- gratulieren. Natürlich hat uns gänzen. Das geschieht häufig bei der Ausbruch des Ebola-Virus Naturkatastrophen außerhalb vor Augen geführt, wie wichtig der EU. Katastrophenschutz es ist, über einen soliden Inund humanitäre Hilfe sind er- terventionsrahmen zu verfügen. gänzende Werkzeuge, die eine Zu diesem Zeitpunkt haben wir umfassende Antwort auf Unglü- dann den Europäischen Sanicke ermöglichen. Wir stellen in tätsdienst aufgebaut. Der wurde der Kommission sicher, dass alle darüber hinaus in Angola und Beteiligten wie etwa die Teams der Demokratischen Republik des Katastrophenschutzes, un- Kongo gegen das Gelbfieber einsere in dem Bereich arbeitenden gesetzt. Experten für humanitäre Hilfe, Behörden Spiegel: Gibt es Partnerorganisationen und nationale Behörden so zusammen- derzeit einen echten öffentlichen arbeiten, dass die Unterstüt- Gesundheitsschutz im Rahmen zung auf wirksamste Art und der EU? Weise erfolgt. Stylianides: Es gab in der VerBehörden Spiegel: Und wie gangenheit keine medizinischen sieht es in Bezug auf den Freiwil- Notfallressourcen, insbesondere nicht für Infektionskrankheiligenpool aus? ten. Da haben wir immer noch Stylianides: Mit Blick auf den eine große Lücke, wie wir bei Freiwilligenpool müssen wir fest- der sehr begrenzten Reaktion stellen, dass in den vergangenen der EU auf den gegenwärtigen Jahren Klima- und andere Phä- Ausbruch von Diphtherie in den nomene eine starke Belastung Rohingya-Flüchtlingslagern in für die Ressourcen der Mitglieds- Bangladesch sehen konnten. Das zeigt, dass wir mit den Mitstaaten darstellen und folglich ihre Möglichkeiten, einander zu gliedsstaaten noch weiter daran helfen, einschränken. Sobald arbeiten müssen, einen echten ähnliche Katastrophen zur sel- öffentlichen Gesundheitsschutz ben Zeit zuschlagen, sind ein- aufzubauen. Derzeit leisten elf fach nicht genügend Kapazitä- Mitgliedsstaaten mit mediziniten bei den nationalen Behörden schen und logistischen Teams Einige der vorhanden, um ihren Nachbarn Unterstützung. helfen zu können. Dann stößt Teams werden gerade registriert auch das Freiwilligensystem an und zertifiziert und allmählich seine Grenzen. Daher sollte re- für ihren Einsatz in den komscEU als zusätzliche Sicherheit menden Monaten vorbereitet. zur Verfügung stehen, wenn MitDas ungekürzte Interview mit gliedsstaaten nicht mehr in der dem EU-Kommissar für humaLage sind, zu helfen. nitäre Hilfe und Krisenschutz, Behörden Spiegel: Planen Sie Christos Stylianides, lesen Sie bis 2020 noch Reformen des EU- auf www.behoerdenspiegel.de ; Katastrophenschutzverfahrens? Suchbegriff: Stylianides.

Die Beobachtungssituation eines Zeugen resultiert in vielen Fällen jedoch aus einer dynamischen Situation, bei der die betreffende Person aus einer Bewegung heraus aus wesentlich mehr als einer Perspektive beobachtet wurde. Eine solche Beobachtungsstation beinhaltet ein ganzes Bündel an täterrelevanten Informationen, das bei der Thematisierung ausschließlich einer Perspektive nur zum Teil genutzt wird. Wichtige Details sowie ein umfassender Gesamteindruck bleiben unter Umständen außen vor. Zudem führt eine umfassende Darstellung der gesuchten Person auch zu einer wesentlich höheren Chance, mögliche Wiedererkennungszeugen anzusprechen.

Datenbanken miteinander verbunden Diese Überlegungen wurden im Kontext jahrelanger Erfahrung in der Phantombildzeichnung beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz zur Entwicklung eines neuen Phantombildverfahrens berücksichtigt und führten zu GEMINUS, einer international patentierten Innovation zur Visualisierung von Zeugenerinnerung. GEMINUS besteht dabei aus einem System speziell miteinander verknüpfter Datenbanken, mit deren Hilfe die Frontalansicht, das Profil und das Halbprofil einer Person überein-stimmend als Phantombild erstellt werden können. Wenn der Zeuge nun mehr als eine Perspektive der gesuchten Person beobachtet hat, hat die Phantombilderstellung nicht nur eine Perspektive als Resultat, sondern bis zu fünf aufeinander abgestimmte Ansichten, je nach Beobachtungssituation.

Mehrperspektivisches Bild als Resultat Der Zeuge wählt in einem ersten Schritt die aus seiner Sicht ähnlichsten Gesichtsteile der

nächst als Modelliervorlage, mit der die Form des Kopfes auf das 3D-Modell übertragen werden kann. Danach werden dieselben Bilder als Projektionsvorlage genutzt. Hier wird die zweidimensionale Arbeit des Zeugen pixelgenau auf die 3DVorlage übertragen. Am Ende des Erstellungsprozesses steht ein 3D-Kopfmodell des Täters, das in einer Komplettdrehung mit Schwenk nach oben und unten als Film-Clip aufgenommen wird und auf der Fahndungsseite der Polizei präsentiert werden kann. Mit dem FortschrittsbalUwe Kinn ist Kriminalhauptken des Players kommissar und seit 1996 lässt sich das Phantombildzeichner beim Modell nun aus Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz. allen möglichen Perspektiven Fotos: BS/LKA RLP betrachten. Dadurch wird nicht sicht übertragen. Das Ergebnis nur der anfangs beschriebenen ist ein mehrperspektivisches dynamischen BeobachtungsPhantombild, das die gesuchte situation Rechnung getragen, Person in der Frontalen und in sondern auch ein Maximum an der Profilansicht zeigt. Dadurch Wiedererkennungszeugen anwurden wesentlich mehr Details gesprochen. dargestellt als nur in einer einzelnen Perspektive. Hat der Zeu- Verknüpfungen möglich ge hingegen die Person nur aus Mittlerweile konnte das Vereiner Perspektive sicher beob- fahren um die Erstellung von achten können, kann GEMINUS Ganzkörper-Avataren ergänzt selbstverständlich auch nur in werden, inklusive der PlatzieBezug auf diese Perspektive ein- rung in einem dreidimensionagesetzt werden. len Tatort. So kann erstmals die Visualisierung einer bestimmPixelgenaue Übertragung ten Person mit der relevanten möglich Tatortumgebung verknüpft Mit dieser mehrperspektivi- werden. GEMINUS eignet sich dabei schen Darstellung sind die Möglichkeiten der Darstellung aller- nicht nur für die Erstellung von dings keinesfalls ausgeschöpft. Phantombildern im klassischen Ein zweidimensionales, mehr- Sinne, sondern auch zur Reperspektivisches Phantombild konstruktion unbekannter Täeignet sich hervorragend für ter anhand von Videomaterial. eine Umsetzung in Form eines Mit diesem wird zuerst mithilfe komplett dreh- und schwenkba- von GEMINUS ein zweidimenren 3D-Modells, das die gesuch- sionales Konzept angefertigt, te Person in allen erdenklichen das dann anschließend mit der beschriebenen Methodik zu eiPerspektiven darstellen kann. Die zweidimensionalen Phan- nem dreidimensionalen Objekt tombilder dienen dabei zu- weiterverarbeitet werden kann. Person in einer ersten Ansicht, zum Beispiel der Frontalansicht, aus. Hat er eine Auswahl getroffen, werden die individuellen Merkmale und Anpassungswünsche zeichnerisch auf das Phantombild übertragen. Danach werden die Gesichtsteile der verknüpften Datenbank einer zweiten Ansicht, zum Beispiel dem Profil, geladen und die individuellen Änderungen der zuvor erstellten Ansicht mittels eines Rasters auf diese Profilan-

In der Praxis bewährt

GEMINUS erlaubt die Darstellung von Phantombildern als zweidimensionales Konzept (links) und eine dreidimensionale Umsetzung (Bildreihe rechts).

GEMINUS hat sich bereits jetzt in einigen Fällen bewährt. Insbesondere im Hinblick auf die großen Herausforderungen, etwa bei Terrorlagen, kann GEMINUS eine schnelle und effektive visuelle Antwort hinsichtlich der Identifizierung der Täter und der Darstellung tatrelevanter Situationen sein. Der Arbeitsablauf wurde so optimiert, dass dreidimensionale Darstellungen binnen 24 Stunden fertiggestellt werden können. Das Verfahren wird zurzeit derart weiterentwickelt, dass das Täterhandeln zukünftig in Form einer dreidimensionalen Animation thematisiert werden kann.

Ohne Strom geht es nicht Blackout kann zu großen Problemen in der Notfallinfrastruktur führen (BS/ab) “Wenn der Strom ausfällt, funktioniert nichts mehr, wie Verkehr, Gesundheits- sowie Wasserversorgung und Tankstellen”, beschreibt Christoph Unger, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), die Abhängigkeit der Gesellschaft vom Strom. Aber die Notfallinfrastruktur sei ebenfalls auf Strom angewiesen und dieser wiederum sei an die Treibstoffversorgung gekoppelt. Unger schränkt zwar ein: “Die Wahrscheinlichkeiten für einen alles lahmlegenden Blackout sind gering. Aber wenn er passiert, ist dies eine nationale Katastrophe.” Das Gesamtrisiko wiederum, dass die Anzahl der Stromausfälle zunehme, steige. Da Treibstoff der Schlüssel zur Lösung solcher Katastrophen sei, müsse die Versorgung mit eben diesem gewährleistet werden. Viele Polizeien, Feuerwehren und die Betreiber Kritischer

Infrastrukturen (KRITIS) besäßen zwar Notstromaggregate, aber müssten regelmäßig Treibstoff nachgeliefert bekommen. Dies dürfte kein Problem sein, denn Deutschland habe für 90 Tage Treibstoff, um nachliefern zu können. Jedoch habe sich bei den Analysen der deutschen Notfallinfrastruktur herausgestellt, dass die meisten Zulieferer-Tanklager bei einem Stromausfall komplett lahmgelegt seien, da ihre Pumpen elektrisch

betrieben werden. Des Weiteren brauche eine Stadt mit 500.000 Einwohnern rund 300.000 Liter Treibstoff pro Tag, um den notwendigen Betrieb in Krankenhäusern sowie bei Polizei und Feuerwehr aufrechtzuerhalten. Aktuell bestehe jedoch ein Verteilungsproblem, weshalb eine ausgeklügelte Logistik für den Transport des Treibstoffes zu den Einsatzorten ausgearbeitet werden müsse (mehr zur Stromversorgung siehe S.22).

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Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Januar 2018

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8:00 Uhr: Wie jeden Montag trifft sich der Kommandeur des ABCAbwKdoBw zur Vorbereitung der Telefonkonferenz mit den Einsatzkontingenten des ABC-Abwehrkommandos mit seinem Abteilungsleiter Einsatz. Der Kommandeur des ABC-Abwehrbataillons (ABCAbwBtl) 7, welches die Masse der Soldaten des Kommandos im Einsatz stellt, wird später über eine Konferenzschaltung eingebunden. Im Kosovo haben die zum abwehrenden Brandschutz eingesetzten Teile des ABCAbwBtl 7 die örtliche Feuerwehr in Prizren im Rahmen der Amtshilfe bei einem Brand in der Innenstadt unterstützt. Ansonsten war es ruhig und das Kontingent bereitet sich in Gänze auf die letzten Monate des Einsatzes vor. In Afghanistan hingegen, wo die ABC-Abwehrkräfte in Masar-e Scharif eingesetzt werden, stellt sich zurzeit die Überlegung, ob aufgrund wieder steigender Truppenpräsenz auch die zurzeit noch in schneller Verfügungsbereitschaft in Deutschland vorgehaltenen Kräfte zur Wasseraufbereitung und Dekontamination gegebenenfalls in Marsch gesetzt werden müssen. Hier erwartet der Kommandeur in den nächsten Wochen eine Entscheidung durch das Einsatzführungskommando. Der Abteilungsleiter hat positive Nachrichten aus dem Nord-Irak. Der ABC-Abwehroffizier der Ausbildungsmission in Erbil meldet, dass die vor einigen Monaten an der Schule für ABC-Abwehr und Gesetzliche Schutzaufgaben in Sonthofen ausgebildeten ABCAbwehrteams der Peschmerga in der Ausbildung und im Einsatz vor Ort zeigen, dass sie das Erlernte um- und einsetzen können. In den letzten Tagen ist es im Norden wieder vermehrt zum Einsatz von selbst produzierten ABC-Kampfmitteln gekommen. Durch ein präzises Warnsystem der eingesetzten alliierten Kräfte und den beherzten Einsatz der lokalen ABC-Abwehrkräfte ist aber kein Schaden an Leben und Gesundheit entstanden. Die ABC-Abwehrberater aus den weiteren Kontingenten der Bundeswehr vermelden eine ruhige Woche. Lediglich aus Mali wird es wohl in den nächsten Tagen eine Anfrage zusätzlicher temporärer Verstärkung der Kräfte zur Wasseraufbereitung und Tierseuchenprophylaxe geben, mit dem das Kommando aber schon gerechnet hat. 10:00 Uhr: Der Kommandeur des ABCAbwBtl 750, des zweiten Verbands des ABCAbw-KdoBw, trägt zum Sachstand der Aufstellung des multinationalen ABCAbwBtl für die NATO Response Force (NRF) im nächsten Jahr vor. Die Zertifizierung des NRF-Verbandes - unter Einbindung von Kräften, die durch das Cluster CBRN (Chemical, Bio-

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Aufgaben im multinationalen Umfeld Das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr (BS/Oberst i. G. Stephan Saalow*) Nach 43 Dienstjahren wird der Kommandeur des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr (ABCAbwKdoBw) in wenigen Monaten in den Ruhestand versetzt werden. Er wird an seinen Nachfolger ein kleines, aber feines, zukunftsorientiertes Kommando übergeben können, das zum ersten Mal alle qualifizierten ABC-Abwehrteile der Bundeswehr in sich vereint und seit Juli 2017 direkt dem Inspekteur der Streitkräftebasis (SKB) unterstellt ist. Damit gelingt es, für die Streitkräfte ABC-Abwehr “aus einer Hand” bereitzustellen und Erkenntnisse sowie Erfahrungen aus Einsätzen und Übungen, also aus der Truppe, unmittelbar im Kommando zu bewerten und direkt in Vorschriften, Ausbildung, aber auch Beschaffung einfließen zu lassen. Hierdurch hat sich der Eichelberg in Bruchsal, der Sitz des Kommandos, weltweit zu einem der Schlüsselorte im Bereich der ABC-Abwehr entwickelt. Die ABC-Abwehrkräfte an den drei Standorten Bruchsal, Höxter und Sonthofen sind mittlerweile national wie international anerkannte Spezialisten.

Das ABCAbwKdoBw ist seit Juli 2017 direkt dem Inspekteur SKB unterstellt: Oberst Henry Neumann (l.) meldet Generalleutnant Martin Schelleis (r.). Foto2: BS/Bundeswehr, Alpers

logical, Radiological, Nuclear) Protection des Framework Nations Concepts (FNC) generiert wurden - war komplex, aber erfolgreich. Neben dem ständigen Auftrag des Bataillons, die ABCAbwehrkräfte für nationale militärische Evakuierungsoperationen zu stellen, ist das Bataillon für das nächste Jahr vollständig und umfassend in Übungen und Stand-by gebunden. Der Kommandeur hebt hervor, dass zusätzliche Aufträge nur unter Reduzierung von Kräften und Mitteln bei den Maßnahmen höchster nationaler Priorität durchführbar sind. 11:00 Uhr: In seiner Rolle als Vorsitzender des Clusters CBRN Protection des FNC gilt es für Oberst Henry Neumann nun, mit dem tschechischen Leiter der Cluster Support Cell eine Abstimmung für die um 13.00 Uhr geplante Begrüßung des Lenkungsausschusses durchzuführen. Alle 13 Nationen haben sich angekündigt. Im Hinblick auf die geplante große Übung “Coronate Mask” zur Zertifizierung der Full Operational Capability (FOC) wird eine lebhafte positive Diskussion erwartet. Insbesondere die bereits im Joint CBRN Defence Centre of Excellence im tschechischen Vyscov aufgebaute hervorragende Arbeitsbeziehung mit der ABC-Abwehrgemeinschaft von NATO und EU hat sich bewährt und spiegelt sich in der signifikanten multinationalen Unterstützung des Clusters CBRN Protection wider. Hierbei sind

die Beziehungen zu den ABCAbwehrkräften der Tschechischen Republik und den Niederlanden besonders eng. 13:00 Uhr: Nach seinen einleitenden Worten im Rahmen des multinationalen Lenkungsausschusses beginnt eine lebhafte Diskussion über den weiteren Weg des Clusters CBRN Protection. Hier hat sich eine koordinierende Plattform ergeben, auf welcher die “ABCisten” der unterschiedlichen Nationen in den Feldern Ausbildung und Erziehung, Übungen sowie Einsätze und Integration zielgerichtet arbeiten können, um in diesen Bereichen eine erkannte Fähigkeitslücke der NATO zu schließen und einsatzbereite, interoperable Kräfte zur Verfügung stellen zu können. 15:00 Uhr: Den Kommandeur erreicht ein Anruf über die Anfrage alliierter Partner zur Unterstützung im Rahmen des Host Nation Supports. Die Forderung nach Schutz von Marschwegen und Räumen auf nationalem Territorium ist dem Kommandeur natürlich nicht fremd, war dies doch den ehemals acht ABC-Abwehrbataillonen vor deren Auflösung ins Lastenheft geschriebener Auftrag, der einen signifikanten Beitrag zum Schutz alliierter Kräfte darstellte. Ein Rückgriff auf die zwei weiteren nichtaktiven Bataillone, denen aber kein Material zur Verfügung steht, ist aus diesen Gründen wenig zweckmäßig. Aktuell sind die Kräfte und Mittel für Aufträge

im Rahmen von Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen vorgehalten. Sich seiner Rolle und der daraus resultierenden umfänglichen Verantwortung bewusst, muss Oberst Neumann aber unter Abwägung der Möglichkeiten und begrenzten Kapazitäten über eine Unterstützung entscheiden. Abhilfe wird, derartige Vorgänge betreffend, frühesten in ein paar Jahren geschaffen, wenn der strukturelle Aufwuchs eines weiteren voll ausgestatteten ABC-Abwehrbataillons erfolgt ist. 16:00 Uhr: Am Rande eines Empfangs des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr spricht der Kommandeur eines Landeskommandos den Kommandeur des ABCAbwKdoBw auf die Unterstützung seiner Kreis- und Bezirksverbindungskommandos bei Übungen, aber auch in der Realität an. Die einzigartigen Fähigkeiten des Kommandos, sowohl in der Detektion als auch in der Beseitigung von ABC-Kampfund Gefahrenstoffen, wären ein signifikanter Baustein in der Krisen- und Katastrophenvorsorge und letztlich auch -bewältigung und sollten im Rahmen der rechtlichen Rahmenbedingungen umfänglich eingebunden werden. Dazu wären Übungen, Absprachen und ein intensiver Austausch, auch mit den entsprechenden Behörden der Länder, zweckmäßig und notwendig. Vor dem Hintergrund der zwar grundsätzlich ähnlichen Herangehensweise

der Länder an Schadens- und andere Ereignisse dieser Art, gibt es zumindest ein gemeinsames Verständnis. Bekanntlich liegt aber der “Teufel im Detail” und somit führt die gewachsene föderale Struktur zu dann doch unterschiedlichsten Strukturen, Entscheidungsverfahren, Entscheidungsträgern und Herangehensweisen. Die vertiefte Zusammenarbeit auf Bundesebene, hier insbesondere mit dem Bundeskriminalamt, zeigt aber, dass die Fähigkeiten des ABCAbwKdoBw benötigt und im Rahmen der grundgesetzlichen Maßgaben eingepasst werden können und müssen. 19:00 Uhr: Auf dem Rückweg zum Flughafen – morgen werden bilaterale Fachgespräche ABC-Abwehr in Singapur durchgeführt – lässt der Kommandeur den Tag noch einmal Revue passieren und versucht, Lücken in der Auslastung seiner Verbände zu identifizieren. Das Telefon klingelt. Das letzte Gespräch dieses Tages führt er mit dem Kommandeur der Schule ABC-Abwehr und Gesetzliche Schutzaufgaben. Der Offizierlehrgang ist in seine letzte Phase getreten und die Lehr-

zug der ABC-Abwehrkräfte. Der Schulkommandeur betont nochmal ausdrücklich die herausragende Unterstützung durch Reservistendienst-Leistende der nichtaktiven ABCAbwBtl 906 in Höxter und 907 in Bruchsal als “Übungstruppe”. Die Notwendigkeit der Einbindung der Reserve gilt zweifelsfrei für das gesamte ABC-Abwehrkommando. Ansonsten meldet der Schulkommandeur die Auslastung aller Inspektionen in den Bereichen Brandschutz, Arbeitsschutz und Umweltschutz sowie die Ankunft seines mobilen Trainingsteams zur Ausbildung der tunesischen ABC-Abwehrkräfte in Bizerte. Epilog: Kräfte, Raum und Zeit. Diese alte, aber immer noch aktuelle militärische Abwägung treibt den Kommandeur um. Notwendige Entwicklungen, berechtigte Anfragen und zweckmäßige Unterstützungen müssen gegeneinander priorisiert werden. Aber auch die Fürsorge gegenüber seinem Personal, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, muss er berücksichtigen. So wird auch das Ansinnen des Kommandeurs des Landeskommandos abgelehnt werden müssen. Aufgrund der gegenwärtigen Strukturen müssen Aufträge verantwortungsvoll priorisiert werden. Mit den eingeleiteten Trendwenden in der Bundeswehr werden diese Herausforderungen angegangen. Damit schließt sich vielleicht der Kreis und erfüllt das persönliche Motto des Kommandeurs, das schon lange auch das Motto des ABCAbwKdoBw ist: “finis coronat opus” (das Ende krönt das Werk).

Deutsch-niederländische Ausbildungskooperation an der ABC-Abwehr-Schule in Sonthofen Foto1: BS/Bundeswehr, Lukaszewski

proben als Führer sind für fast alle Offiziere sehr positiv gelaufen. Auch die Offiziere, die mit abgeschlossenem Studium der Biologie, Chemie und Physik eingestellt worden sind, haben sich trotz – oder gerade wegen – ihres höheren Dienstgrades außerordentlich gut in das Team eingefügt und freuen sich auf die herausfordernden Tätigkeiten in den mobilen Laboren oder im Spezial-ABC-Abwehr-

Postskriptum: Der oben geschilderte Tagesablauf basiert auf wahren Begebenheiten, hat sich so aber nie zugetragen. Das Beispiel ist jedoch geeignet, um die Aufgaben und aktuellen Herausforderungen des ABCAbwKdoBw zu veranschaulichen. *Oberst i.G. Stephan Saalow ist stellv. Kommandeur und Chef des Stabes im ABCAbwKdoBw.

MELDUNG

Kritik des Bundesrechnungshofs

Foto: Bundeswehr

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Praxisseminare für die Bundeswehr Preisrecht und Preisprüfung bei Verteidigungsaufträgen 02.05.2018, Hamburg Die neue Beschaffungspraxis der Bundeswehr 16.05.2018, Hamburg www.fuehrungskraefte-forum.de

(BS/por) Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) habe wiederholt Zusagen nicht eingehalten. Dies hat der Bundesrechnungshof (BRH) in seinem Jahresbericht 2017 moniert, der Mitte Dezember veröffentlicht wurde. Entgegen den Zusagen des BMVg aus dem Jahr 2012 habe die Marine ihre Schiffe und Boote weiterhin “nicht wirtschaftlich” mit Kraftstoff versorgt. Auch bei der Aufbereitung von Kraftstoffen sowie beim Entsorgen anderer Flüssigkeiten habe sie “vermeidbare Mehrausgaben” hingenommen. Die Bundeswehr habe außerdem für mobile Satellitenempfangssysteme Transport- und Lagerbehälter beschafft und diese seit fünf Jahren “nicht wie vorgesehen genutzt”. Sie wer-

de die Behälter voraussichtlich auch künftig nicht zum Transport einsetzen. Der BRH verwies darauf, bereits mehrfach kritisiert zu haben, dass die Bundeswehr “Material ohne Bedarf” beschaffe. Bei der Wartung, Inspektion und Instandsetzung der Kampfflugzeuge “Tornado” und “Eurofighter” sowie des Kampfhubschraubers “Tiger” und des Transporthubschraubers NH90 arbeitet die Bundeswehr mit Privatunternehmen zusammen. Hier bemängelt der BRH, dass das BMVg nicht ermittelt habe, ob es den “erwarteten Nutzen” bringe und “wirtschaftlich” sei, wenn die Bundeswehr einige Luftfahrzeuge zusammen mit der wehrtechnischen Industrie instand hält. Solche Kooperationen bestehen seit

mehr als zehn Jahren. Die Bundeswehr habe ihre Soldaten in den Kooperationen “nicht gezielt eingesetzt” und deshalb die erforderlichen Fähigkeiten “nur eingeschränkt” aufbauen und erhalten können. Der BRH prüft nicht nur Ausgaben für Material, sondern auch für Personal. So kritisierte er, dass das BMVg zwar 2013 zugesagt habe, für Transparenz bei der Verschreibung von Physiotherapie zu sorgen und die Effizienz der eigenen physiotherapeutischen Einrichtungen zu erhöhen. “Wesentliche Schritte” habe der Sanitätsdienst aber erst unternommen, als der BRH die Angelegenheit 2016 erneut prüfte, d.h. die Organisation der physiotherapeutischen Versorgung sei “nur zögerlich verbessert” worden.

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Berliner Sicherheitskonferenz D

er wiedergewählte SPD-Abgeordnete Hellmich nutzte die günstige Gelegenheit, die sich ihm bei der BSC bot, und fragte die anwesenden Befehlshaber im “Future Forces Forum”, was sie denn “an Kräften für ihren Auftrag” bräuchten. Damit konnte der Bedarf an militärischen Fähigkeiten öffentlichkeitswirksam artikuliert werden. Der Inspekteur Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, betonte die Bedeutung der maritimen Interessen des vormaligen “Export-Weltmeisters” Deutschland, die vom Nordmeer und Nordatlantik bis zum Indo-Pazifik reichten. Mit Sorge beobachte er die Aktivitäten Russlands mit dessen Flugzeugträger und vor allen Dingen mit dessen U-BootFlotte. Nach wie vor laufe der Entwicklungs- und Beschaffungsprozess des Marinekampfschiffes (MKS) der Klasse 180 wie geplant. Außerdem sollen mit Norwegen zusammen neue U-Boote gebaut werden. “Die Deutsche Marine ist gut auf der Spur”, so Admiral Krause, “aber wir brauchen einen langen Atem.”

Bündnis- und Landesverteidigung Aus operationeller Sicht sei innerhalb der NATO eine gemeinsame Einschätzung vonnöten: Erstmals seit Ende des Kalten Krieges vor einem Vierteljahrhundert stehe wieder Landesund Bündnisverteidigung an erster Stelle, so Generalleutnant Karl Müllner, Inspekteur Luftwaffe. Auch wenn der damalige Ost-West-Konflikt nicht eins zu eins zurückgekehrt sei, so stehe doch militärische Abschreckung wieder im Fokus des Nordatlantischen Bündnisses. Dies sei sicherheitspolitisch ein ganz anderer Ansatz als bei den

Alle Bundeswehr-Inspekteure auf der BSC Welche militärischen Fähigkeiten werden gebraucht? (BS/Dr. Gerd Portugall) Wenn man sich schon wegen der immer noch ungeklärten Regierungsbildung nicht im Verteidigungsausschuss des 19. Deutschen Bundestages treffen könne, so sei das wenigstens auf der Berliner Sicherheitskonferenz (BSC) möglich, so Wolfgang Hellmich, MdB, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses in der 18. Legislaturperiode. Erstmals überhaupt auf einem Sicherheitskongress in Europa versammelten sich die Inspekteure aller sechs militärischen Organisationsbereiche der Bundeswehr auf Einladung des Veranstalters Behörden Spiegel in der Bundeshauptstadt.

Diskutierten über Anforderungen und Fähigkeiten (v.l.n.r.): MdB Wolfgang Hellmich, MBDA-CEO Thomas Gottschild, Vizeadmiral Andreas Krause, Generalleutnant Ludwig Leinhos, Generalleutnant Karl Müllner, Generalleutnant Martin Schelleis, Generaloberstabsarzt Dr. Michael Tempel und Generalleutnant Jörg Vollmer. Fotos: BS/Dombrowsky

Auslandseinsätzen zum Beispiel in Afghanistan oder Mali. Gerade wegen seiner Größe und Wirtschaftskraft würden große Erwartungen von den Partnern an Deutschland herangetragen. Mit Bedauern stellte General Müllner fest, dass am Konferenztag keines der 14 deutschen Transportflugzeuge vom Typ A400M einsatzbereit sei. Gleichwohl sehe er die Luftwaffe als “Mobilitätsdienstleister” für die anderen Teilstreitkräfte (TSK) – auch wenn das Heer wesentlich mehr Hubschrauber betreibe als seine TSK. Das Nachfolgemodell für den schweren Transporthubschrauber CH-53 solle auf jeden

Digitalisierung Generalleutnant Ludwig Leinhos, Inspekteur des jüngsten militärischen Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum (CIR), stellte bilanzierend fest: “Die fortschreitende Digitalisierung durchdringt die ganze Bundeswehr!” In diesem Zusammenhang mahnte General Leinhos “agilere Beschaffungsprozesse” in der Bundeswehr insgesamt an, aber erst recht auch in seinem Verantwortungsbereich. Dieser werde kon-

tinuierlich auf- und ausgebaut. Ziel sei eine gesamtstaatliche CIR-Sicherheitsarchitektur. Neben den Dimensionen Land, See und Luft müssten Streitkräfte mittlerweile auch den CyberRaum sichernd abdecken, so der Inspekteur CIR in Berlin. Allerdings stelle die letztgenannte Dimension einen “Sonderfall” dar, da die Bundeswehr in der digitalen Welt neben staatlichen auch vermehrt mit nicht-staatlichen Akteuren (Organisierte Kriminalität, Terrornetzwerke u. Ä.) konfrontiert sei, als dies für die “klassischen” Teilstreitkräfte Heer, Marine und Luftwaffe gelte. Diese Entwicklung stelle

Drehscheibe Deutschland Der Streitkräftebasis (SKB) obliege im Konfliktfall die Unterstützung der eigenen Kräfte im Kampfgebiet, aber auch unterhalb der Konfliktschwelle komme Deutschland als logistischer “Drehscheibe” eine besondere Bedeutung innerhalb der Atlantischen Allianz zu, so der Inspekteur SKB, Generalleutnant

Hochrangiges Militärforum

A

m anfälligsten für eine denkbare russische Aggression in Nordeuropa seien Schweden und Finnland, weil beide – anders als Norwegen und Dänemark – nicht Mitglied der NATO seien, so Admiral Helseth. Auf dem Ostseeraum und Skandinavien lag der regionale Schwerpunkt der letztjährigen BSC, was nicht zuletzt durch die Kongresspartnerschaft mit dem Königreich Schweden zum Ausdruck kam. Vor dem Hintergrund der durch Russland bedrohlich veränderten Sicherheitslage in Europa beschäftigte sich das hochkarätig besetzte Forum mit der Frage, wie Stabilität an der Nordflanke von NATO und EU aufrechterhalten werden kann. Generalmajor Karl Engelbrektson, Oberbefehlshaber des schwedischen Heeres, betonte, dass sein Heimatland und Finnland “die gleichen geostrategischen Interessen” hätten. Die existierende Weltordnung beru-

Fall “marktverfügbar” sein; man orientiere sich da insbesondere in Richtung USA.

auch für Russland eine Bedrohung dar, sagte General Leinhos. Dass der Cyber- und Informationsraum nicht nur für das neue Kommando CIR von Belang ist, betonte der Inspekteur Heer, Generalleutnant Jörg Vollmer: “Wir brauchen den überfälligen Einstieg in die Digitalisierung, d. h. Heer 4.0.” Was diesbezüglich bereits eingeleitet worden sei, müsse “schneller gehen” und “verstetigt werden”. Sehr zufrieden zeigte sich General Vollmer mit der Verlege-Geschwindigkeit des deutschen Anteils der rotierenden “NATO Battle Group” für Litauen. Nach nur einem halben Jahr Vorbereitung meldete das Bundeswehr-Bataillon vor Ort Einsatzbereitschaft. Grundsätzlich wünscht sich der Inspekteur Heer, dass von der Politik materiell das gehalten werde, was der im Weißbuch 2016 unter Punkt 5.2 aufgeführte “Auftrag der Bundeswehr” vorgebe, nämlich – zusammengefasst – im Wesentlichen Landes- und Bündnisverteidigung.

Stabilitätserhalt für die Nordflanke (BS/por) Russland habe gelogen bei der Annexion der Krim und beim Konflikt in der Ostukraine. Außerdem unterstütze die Staatsführung in Moskau den brutalen syrischen Diktator Assad, der chemische Kampfstoffe gegen die eigene Bevölkerung einsetze. Darauf verwies im “High-Level Military Forum” der Berliner Sicherheitskonferenz (BSC) 2017 Flaggkommandør (Flottillenadmiral) Hans Christian Helseth vom NATO Joint Warfare Centre in Stavanger. he auf “freiem Welthandel”. Wo dieser im Konfliktfall unterbrochen würde, spiele keine Rolle, so General Engelbrektson. Weniger klassische militärische Bedrohungen als vielmehr hybride Kampfformen würden eine “große Herausforderung” darstellen, ergänzte Generalleutnant Timo Kivinen, Befehlshaber des finnischen Verteidigungskommandos.

Deutsche Perspektive Hybride Kampfformen seien ein Grund, warum die Grenzen zwischen Krieg und Frieden immer löchriger würden, so Vizeadmiral Joachim Rühle, Stellvertreter des Generalinspekteurs der

Bundeswehr. Mittels “information warfare” versuche insbesondere Russland, die westlichen Gesellschaften in seinem Sinne zu beeinflussen. Mit Sorge beobachte er die Modernisierung und Umstrukturierung der russischen Streitkräfte. Gerade der Ostseeraum sei “strategisch bedeutsam”, sowohl für die Staatsführung in Moskau als auch für die europäischen Anrainerstaaten, so Admiral Rühle. Außerdem sei Skandinavien von “zentraler Bedeutung” für die Sicherheit des zivilen wie militärischen Seetransportes über den Nordatlantik, hob der niederländische Generalleutnant Jan Broeks hervor, Generaldirektor des

Internationalen Militärstabes im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Generalleutnant Ben Hodges, Kommandierender General der US-Landstreitkräfte in Europa, unterstrich, dass die Vereinigten Staaten gegenüber der Sicherheit des Alten Kontinents im Allgemeinen und gegenüber dem Ostseeraum im Besonderen “absolut verpflichtet” blieben. Dies habe sich in der Praxis zuletzt bei dem größten Manöver Schwedens seit dem Ende des Kalten Krieges – “Aurora (Morgenröte) 2017” – gezeigt, bei dem eine US-Einheit mit dem Taktischen Luftverteidigungssystem (TLVS) “Patriot” aus dem rheinland-pfälzischen

Baumholder nach Skandinavien verlegt wurde. In diesem Zusammenhang verwies Kongressprä-

BSC

Martin Schelleis. Dabei könnten Aufgaben im Rahmen des “Host Nation Support” durchaus auch von gewerblichen Anbietern übernommen werden. Das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr würde unterdessen “multinationalisiert”, unterstrich General Schelleis. Übergeordnetes Ziel stelle eine “stärkere Europäisierung” auch und gerade auf dem Gebiet der Logistik dar. Besonders dort ließen sich “größte Synergiepotenziale” orten. Die neue “Ständige Strukturierte Zusammenarbeit” (engl. PESCO) der EU und das Rahmennationen-Konzept der NATO erzeugten zusätzlichen “politischen Rückenwind”. Auch im Sanitätsdienst stünden die Zeichen auf mehr zivilmilitärische Zusammenarbeit (ZMZ) im Innern sowie auf mehr Multinationalität nach außen hin, so der zuständige Inspekteur, Generaloberstabsarzt Dr. Michael Tempel. Bereits jetzt sei der Sanitätsdienst der Bundeswehr “einer der größten und besten” innerhalb von NATO und EU. Als Vertreter der wehrtechnischen Industrie betonte Thomas Gottschild, CEO der MBDA Deutschland GmbH, nicht nur die ökonomische, sondern auch die sicherheitspolitische Bedeutung von nationalen Schlüsseltechnologien, wie sie beispielsweise in Such- und Sprengköpfen von Lenkflugkörpern existierten. Gerade im Bereich “Material” scheint es in den einzelnen Organisationsbereichen der Bundeswehr zu “knirschen”. Die Inspekteure zeigten sich jedoch – durch die Bank – zuversichtlich, ihre Anforderungen an den Mann bzw. die Frau zu bringen – und sei es durch die Nutzung von Gelegenheiten, wie sie z. B. die BSC bietet.

sident Jiří Šedivý, tschechischer NATO-Botschafter und ehemaliger Verteidigungsminister – der das internationale Militärforum moderierte –, darauf, dass auch der Panzerkreuzer im Hafen von Sankt Petersburg, der 1917 den Sturm auf das Winterpalais einleitete, “Aurora” hieß. Insgesamt bewertete er das Forum in Bezug auf die westlichen militärischen Fähigkeiten als “beruhigend”.

Berlin Security Conference

17 t h C o n g r e s s o n E u r o p e a n S e c u r i t y a n d D e f e n c e

SAVE THE DATE

Berliner Sicherheitskonferenz 2018/ 17. Kongress zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung

27. – 28. November 2018 Vienna House Andel’s Berlin Nähere Informationen unter

www.euro-defence.eu

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Verteidigung

Behörden Spiegel / Januar 2018

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ehörden Spiegel: Das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr führt den militärischen Teil in der zivil-militärischen Zusammenarbeit. Wie funktioniert die Kooperation mit Politik und Verwaltung auf Landesebene sowie mit den zivilen Blaulicht- und Hilfsorganisationen?

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Ein Blick zurück, ein Blick nach vorne Der Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben im Gespräch (BS/Dr. Gerd Portugall) Im Januar endet die Dienstzeit von Generalmajor Jürgen Knappe als Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben in Berlin, das er seit Juli 2015 innehatte. Er wechselt jetzt als Kommandeur in das Multinationale Kommando Operative Führung nach Ulm. Diesen Funktionswechsel nahm General Knappe zum Anlass, dem Behörden Spiegel Rede und Antwort zu stehen.

Bundeswehr bei subsidiären General Knappe: Vor rund Einsätzen im Rahmen der Kataszehn Jahren hat die Bundes- trophenhilfe einbringen? wehr auf Ebene der BundesGeneral Knappe: Die Bundesländer die Landeskommandos eingerichtet. Damit steht für wehr kann all das einbringen, die Landesregierungen ein fes- was verfügbar ist. Was das konter Ansprechpartner aufseiten kret ist, haben wir in den verder Bundeswehr bereit. Diese schiedensten Szenaren geübt Ansprechbarkeit hat sich nicht und auch bereits real umgesetzt: nur im täglichen Miteinander beim Hochwasser 2013 waren bewährt, sondern insbesonde- bis zu 20.000 Soldaten im Einre auch im Katastrophenfall. satz und in der Flüchtlingshilfe Immer dann, wenn unsere Un- in den Jahren 2015/2016 waren terstützungsleistungen gefragt es wiederum mehrere tausend waren, haben sich diese Bezie- Kräfte, die zudem über einen sehr langen hungen ausgesprochen gut ”Die Grundlagenarbeit Zeitraum gewabewährt. Das erfolgt durch den Stab bunden ren. Neben der gilt nicht nur für die Ver- des NationalenTerritoria- “Man-Power” leisten wir waltungsseite, len Befehlshabers.” auch materisondern geelle Unterstütnauso für die zivilen Blaulicht- und Hilfsor- zung: Wir haben Unterkünfte ganisationen auf allen Ebenen. gestellt, Verpflegung und TransDavon konnte ich mich auch per- portleistungen. Wir stellen unsönlich auf vielen Dienstreisen ser gesamtes Spektrum zur in den Bundesländern und in Verfügung – sofern es verfügbar Gesprächen vor Ort überzeugen. ist. Denn die Unterstützung der Bundeswehr ist immer eine subBehörden Spiegel: Nachfrage: sidiäre Aufgabe. Das bedeutet, Wie interoperabel sind die zivilen wir halten keine Kräfte und kein und militärischen Kommunikati- Material für die Unterstützungsleistungen vor. onsmittel?

Jahres (2018) eine Operationszentrale erhalten, die in einem 24/7-Dienst das territoriale Lagebild für die Bundeswehr erstellt und dieses dann dem Inspekteur der Streitkräftebasis in seiner Funktion als Nationaler Territorialer Befehlshaber zur Verfügung stellt.

Generalmajor Jürgen Knappe stellte sich zum Ende seiner Verwendung als Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben den Fragen des Behörden Spiegel. Foto: BS/KdoTA, Ismael Akbar

Behörden Spiegel: Ihr Kommando ist im Januar 2013 aufgestellt worden, d. h. rund ein Jahr vor Ausbruch der Krimkrise. Wie hat sich die veränderte Sicherheitslage in Osteuropa auf Ihr Kommando ausgewirkt?

General Knappe: Über den Host-Nation-Support (HNS), Szenar geübt. Ziel war es, die bereiche der Bundeswehr für für dessen Koordination mein Verfahren mit den sechs be- die Hilfeleistungen bereit und Kommando unterhalb des InStreitkräftebasis teiligten Bundesländern abzu- übergeben es gemäß der Maßga- spekteurs stimmen und zu überprüfen. be des Nationalen Territorialen ebenfalls zuständig ist. Die Die Übung hat gezeigt, dass wir Befehlshabers, des Inspekteurs Grundlagenarbeit erfolgt durch diese Abstimmung noch weiter der Streitkräftebasis, in meine den Stab des Nationalen Territorialen Befehlshabers; die intensivieren müssen. Es geht Koordinationsverantwortung. Das Personal meines Kom- Verantwortung für die Koordidarum, die Ansprechpartner zu kennen und eben auch Verfah- mandos fußt zu großen Teilen nation der Durchführung liegt ren und Kommunikationsmit- auf der Reserve. Die Struktur hier im Kommando Territoriale tel aufeinander abzustimmen. des Kommandos kann nur Aufgaben in enger ZusammenInzwischen wurde diese Übung dann durchhaltefähig agieren, arbeit mit dem Kommando Logistik und dem auch auf Länderebene übertra- wenn wir die gen und in Sachsen-Anhalt und territoriale Re“Für die Landesregierun- KF eo lmdmj äagnedro. Hessen durchgeführt; weitere serve aktiviegen steht ein fester An- Das heißt, wir ren, die ja für sollen folgen. Klar ist aber auch: Es gibt rote diese Aufgabe Behörden Spiegel: Wie stehen General Knappe: In der Übung sprechpartner aufseiten sorgen dafür, die anGETEX, in der wir den Einsatz Sie zu einem darüber hinausge- Linien. Grundsätzlich erfolgen eingeplant ist. der Bundeswehr bereit.” dass geforderten der Bundeswehr im Innern in henden Einsatz der Bundeswehr diese Einsätze nur auf Anfor- Das zeigt sich Unterstütderung des betroffenen Landes, insbesondere Teilen geübt haben, mussten im Innern? auf Basis einer politischen Ent- unterhalb meines Kommandos zungsleistungen erbracht werwir feststellen, dass wir im BeGeneral Knappe: Ich bin für scheidung und unter Führung und der Landeskommandos den. Das sind beispielsweise reich der Kommunikation Nachsteuerungsbedarf haben. Diese diese Frage eigentlich der fal- der Polizei und dem jeweils gel- auf der Ebene der Bezirke, der Unterkunft, Verpflegung, LoKreise und Städte. Dort sind die gistik und Transportsicherung Stabsrahmenübung hat gezeigt, sche Adressat. Das ist eine po- tenden Landespolizeirecht. Ansprechpartner Reservisten, für alliierte Streitkräfte, wenn dass wir in Ad-hoc-Situationen, litische Frage, die politisch zu Behörden Spiegel: Wie ist es die sich freiwillig für diese zivil- sie unser Land als Transitland wie beispielsweise im Katastro- entscheiden ist. Wir reden über phenfall, unsere Kommunika- den Grundgesetzartikel 35 Ab- um Personal und Material bei militärische Zusammenarbeit nutzen. Diese Anforderungen haben sich seit 2016 deutlich tionsbeziehungen noch weiter satz 2. Das heißt, der Einsatz den territorialen Aufgaben be- bereithalten. Was das Material angeht, wie- intensiviert. Allein 2017 verlegintensivieren müssen, um Lage- der Bundeswehr im Innern ist stellt und welche Rolle spielen derhole ich hier die Forderung te zwei Mal eine US-amerikanibilder zu erstellen und vor allem in engen Grenzen grundgesetz- dabei die Reservisten? nach verbesserten Kommuni- sche Brigade durch Deutschauch auszutauschen. Das ha- lich abgedeckt, wenn zum BeiGeneral Knappe: Die Struktur kationsmitteln. Das betrifft vor land nach Polen. ben wir aus der GETEX-Übung spiel das Szenar eines Terrorheraus gelernt; das ist eine der anschlages katastrophischen meines Kommandos ist darauf allem die Möglichkeiten der ErBehörden Spiegel: Sie sind gemeinsamen “lessons learned”. Ausmaßes zugrunde liegt. Bei ausgerichtet, diese subsidiären stellung und des Austausches der bereits erwähnten GETEX- Leistungen der Bundeswehr zu von Lagebildern. Eine Verbesse- 1977 in die Bundeswehr eingeBehörden Spiegel: Welches Stabsrahmenübung haben wir koordinieren. Personal und Ma- rung ist in Aussicht: Mein Kom- treten, d. h. vor 40 Jahren. Wenn Fähigkeiten-Portfolio kann die die Verfahren in einem solchen terial stellen die Organisations- mando wird im Laufe dieses Sie Ihre damaligen Eindrücke mit heute vergleichen: Wie stellt sich Ihnen die Bundeswehr heute im Vergleich zu vor 40 Jahren dar? Wie hat sich Ihrer Einschätzung nach seitdem auch das Beitrag zur Humanisierung des Krieges? Verhältnis zwischen Armee und (BS/por) Mitte Dezember hat das U.S. Marine Corps im Rahmen seines Programms “Autonomous Aerial Cargo” einen ferngelenkten Transport- Gesellschaft verändert?

Unbemannte militärische Systeme

Hubschrauber, einen umgebauten Bell UH-1H, getestet. Das Programm basiert auf negativen Kampferfahrungen in Afghanistan und im Irak. Sind solche unbemannten Systeme ein Schritt in Richtung Humanisierung militärischer Gewalt, weil sie eigenes Personal schonen? In der Praxis stellt sich nicht immer die eher grundsätzlichabstrakte Frage “ferngelenkte Plattform oder nicht?”. Vielmehr arbeitet die Industrie auch an automatisierten Teilfunktionen, welche die Besatzung von Fahrzeugen entlasten sollen. So experimentiert z. B. Airbus mit dem System “Eye for Autonomous Guidance and Landing Extension”. Dabei soll sich der Pilot eines Hubschraubers H225 “Super Puma” bei schlechter Sicht mittels eines neuartigen Avionics-Systems nicht mehr um Start, Anflug und Landung kümmern müssen. Die nächste Teststufe sieht die Fähigkeit zum automatisierten Anflug bei jeder Witterung vor.

Autonom oder automatisiert? Privatdozent Dr. Wolfgang Koch, Abteilungsleiter “Sensordaten- und Informationsfusion” am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie, schrieb dazu in einem Beitrag über Künstliche Intelligenz (KI) für den Behörden Spiegel (August 2017, S. 41): “Jedes KI-basierte System bleibt ein “Etwas”, wird kein “Jemand”. Daher sollte

man auch nicht von Autonomie sprechen, sondern von Automatisierung (…).” Der Begriff “Automatisierung” steht für einen vorher festgelegten, selbsttätigen Ablauf technischer Vorgänge, während “Autonomie” hingegen “Selbstbestimmung” bedeutet. Selbsttätigkeit (“Etwas”) ist offenkundig etwas anderes als Selbstbestimmung (“Jemand”). Aus einem dezidiert militärischen Blickwinkel heraus kritisierte Generalleutnant Jörg Vollmer, Inspekteur Heer, im November auf der Berliner Sicherheitskonferenz die öffentliche Diskussion hierzulande um autonome bzw. automatisierte Systeme. Dabei würde verkannt, dass es sich bei solchen Systemen erstens lediglich um “Hilfsmittel” handele und dass zweitens die grundsätzliche Einsatzentscheidung durch den jeweiligen militärischen Führer getroffen würde. Automatisierte Systeme bieten zunächst einmal den Vorteil, dass deren Bedienungspersonal sich nicht in der Kampfzone aufzuhalten braucht, sondern sich in sicherer Entfernung vom Kampfgeschehen befinden kann. Dies erscheint gerade für

westliche Demokratien sinnvoll, für die das sozialwissenschaftliche Theorem der “postheroischen Gesellschaft” postuliert, dass moderne Gesellschaften u. a. immer weniger bereit seien, bei militärischen Konflikten hohe eigene Opferzahlen in der kämpfenden Truppe zu akzeptieren. Auch zivile “Kollateralschäden” sollten möglichst vermieden werden. Es wäre jedoch eine gefährliche Illusion, glauben zu wollen, der Einsatz von automatisierten Plattformen käme nur für staatliche Hightech-Armeen in Betracht. So hatte die Terrormiliz des sog. “Islamischen Staates” (IS) in Syrien und im Irak den Gegenbeweis angetreten: Die selbsternannten “Gotteskrieger” setzten Drohnen ein, um erstens Ziele aufzuklären, zweitens Ziele mit abwerfbaren Sprengsätzen zu bekämpfen und drittens Selbstmordattentate mit behelfsmäßig gepanzerten Pickups für Propagandazwecke zu filmen. Interessanterweise wurden Drohnen selbst nicht als “fliegende Bomben” eingesetzt. Auch wenn nicht bekannt wurde, ob sich dabei Drohnen des IS und anderer Konfliktparteien

gegenseitig bekämpften, folgt daraus über kurz oder lang, dass automatisierte Waffensysteme mit einer Freund-FeindErkennung (engl. IFF) ausgerüstet werden – wie dies heute schon bei bemannten Luftfahrzeugen sowie zunehmend auch für Landfahrzeuge und Schiffe der Fall ist.

Beispiel Israel Angeblich soll Israel bei der Grenzsicherung automatisierte Systeme einsetzen: Sensoren würden Eindringlinge entdecken und diese automatisch, d. h. ohne “man in the loop”, bekämpfen. “Human” ist ein solches System nur für die eigene Seite. Da werden nämlich hierzulande Erinnerungen geweckt an Selbstschussanlagen an der “Staatsgrenze der DDR”. Im Unterschied zu letzterer sollen israelische Anlagen jedoch das gewaltsame Eindringen in das eigene Staatsgebiet verhindern. Humanisierung des Krieges ist letztlich eine “contradictio in adiecto”, da Gewaltanwendung – sei sie physisch, psychisch oder künftig auch digital – zum Wesen des militärischen Konflikts gehört.

General Knappe: Ich beginne mit dem letzten Punkt: Als ich in die Bundeswehr eintrat – freiwillig als Offizieranwärter –, war der Soldatenberuf gesellschaftlich nicht besonders hoch angesehen. Ich war in der Zeit des NATO-Doppelbeschlusses in einem Pershing-Verband eingesetzt, und die öffentliche Wahrnehmung unseres Dienstes war damals nicht sehr positiv. Das hat sich sehr gewandelt. Ich bin der Meinung, dass der Beruf des Soldaten heute in der Gesellschaft ein in höchstem Maße anerkannter und wertgeschätzter Beruf ist. Zu den Veränderungen der Bundeswehr: 1977 hatten wir eine Wehrpflichtarmee, sie war geprägt durch die Ost-WestKonfrontation, in der Deutschland zwischen zwei Blöcken stehend unmittelbar in eventuelle kriegerische Auseinandersetzungen involviert gewesen wäre. Es gab die Teilung Deutschlands und damit zwei deutsche Armeen auf deutschem Boden. Das haben wir glücklicherweise überwunden. Es gibt heute die Bundeswehr, die als “Armee der Einheit” in diesem Prozess wertvolle Arbeit geleistet hat und die heute in Einsätzen ist – auch das hatten wir damals nicht. Behörden Spiegel: Ganz zum Schluss: Welchen Aspekt aus Ihrem Verantwortungsbereich wollen Sie gegenüber unserer Leserschaft ferner ansprechen, der bisher noch gar nicht genannt wurde? General Knappe: Das Kommando Territoriale Aufgaben wird in 2018 fünf Jahre alt. Mit diesem Kommando wurde ein Kompetenzbereich geschaffen – territoriale Aufgaben, zivilmilitärische Zusammenarbeit, Host-Nation-Support – der als solcher von der zivilen Verwaltung und den Blaulichtorganisationen wahrgenommen wird. In diesem Kompetenzbereich hat sich das Kommando Territoriale Aufgaben durchweg bewährt. Das hat nichts mit mir als Kommandeur oder meinem Vorgänger zu tun. Dass unsere Kompetenz wertgeschätzt und auch gerne in Anspruch genommen wird, hat vielmehr mit der kontinuierlichen Arbeit zu tun und vor allem mit den Angehörigen des Kommandos und seines nachgeordneten Bereichs – und darauf dürfen die Soldatinnen und Soldaten und zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Recht stolz sein.

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or über 30 Jahrhunderten hatte China längst nicht die geografischen Ausmaße von heute. Während der Shang-Dynastie (1600 bis 1046 v. Chr.) erstreckte sich der Einfluss in seiner stärksten Phase über die Gebiete am mittleren und unteren Lauf des Gelben Flusses, bis in das Gebiet der heutigen Provinz Liaoning hinein und bis zum Mittellauf des Jangtsekiangs. Sie wurde abgelöst durch die Zhou-Dynastie (Chou-Dynastie, nach der China seinen Namen erhalten hat). In dieser Zeit entstand im Staat Zheng durch den Minister Zichan der Legalismus. Der Minister wollte gesellschaftliche Abläufe mit einem geschriebenen Recht festlegen. Harte Sanktionen erwarteten denjenigen, der dagegen verstieß. Die Furcht vor diesen Strafen sollte zur Einhaltung der Regeln und Gesetze führen. Dem setzte der Philosoph, Lehrer und zwischenzeitliche Beamte und Justizminister eine gegensätzliche Denkweise entgegen. “Will man Gehorsam durch Gesetze und Ordnung durch Strafe, dann wird sich das Volk den Gesetzen und Strafen zu entziehen versuchen und alle Skrupel verlieren. Wird hingegen nach sittlichen Grundsätzen regiert und die Ordnung durch Beachtung der Riten und der gewohnten Formen des Umgangs erreicht, so hat das Volk nicht nur Skrupel, sondern es wird auch aus Überzeugung folgen” (II,3). Damit wollte er eine Antwort auf den Untergang der Zhou-Dynastie geben, die von 1045 bis 221 v. Chr. China regierte. Denn diese war in seinen Augen die vornehmste und kultivierteste, der er folgen wollte (III, 14).

Menschlichkeit im Mittelpunkt

Behörden Spiegel / Januar 2018

Neue Edle für den Staat Grundsätze des Beamtentums aus dem alten China mit Bestand (BS/Jörn Fieseler) “Wenn ein Beamter nur daran denkt, seinen Posten zu behalten und sich die damit verbundenen Einkünfte zu sichern, so ist das eine Schande.” So soll gemäß dem Buch Lun-yu (deutsch: Gespräche), Kapitel XIV,1, der Meister auf die Frage seines Schülers Yuan Si geantwortet haben, als dieser ihn fragte, was unter Schande zu verstehen sei. Der Meister? Das ist kein Geringerer als der im sechsten Jahrhundert vor Christus geborene Konfuzius, dessen Lehren und Ansichten über den Edlen als Staatsdiener über zwei Jahrtausende zur festen Ausbildung der chinesischen Beamten gehörten. Überholt sind sie aber noch lange nicht.

so legte er sein Amt auch nieder: “Eine hohe Stellung bekleiden und keinen Großmut zeigen, die Vorschriften des Rituals (zur Ahnenverehrung¸ Anmerkung der Redaktion) ohne Ehrfurcht ausführen, den Bräuchen bei Begräbnis und Trauer ohne inneren Schmerz nachkommen – wie soll ich das mit ansehen?” (III, 26). Deshalb begleitete er nach einem Putsch den früheren Fürsten auf dem Weg ins Exil, und das nur, weil in seinen Augen der Putsch gegen die Riten verstieß und er den Putschisten nicht dienen wollte.

Konfuzius im Spiegel der Zeit

Seine Lehren beherrschten über zwei Jahrtausende die Ausbildung für den chinesischen Staatsdienst: Konfuzius.

16 Jahren – in den Staatsdienst im Teilstaat Lu (der heutigen Region Shandong) eintrat, in dem er 551 v. Chr. geboren wurde.

Sohn eines armen Beamten Kong Fuzi oder Kungste, wie Konfuzius im Reich der Mitte genannt bzw. geschrieben wurde (wobei Kong “der Lehrende” bedeutet), bevor sein Name von den Jesuiten zu Konfuzius lateinisiert wurde, entstammte dem niederen Adel, der einen Großteil der Beamten stellte. Allerdings war seine Familie durch Generationen andauernde Fehden verarmt, wie Volker Zotz (Philosoph und Religionswissenschaftler) berichtet. Er war das zehnte Kind seines 70-jährigen Vaters, aber der einzige Sohn. Doch schon früh stand er in der Pflicht, nach dem Tod von Vater und Mutter die Familie zu ernähren. So arbeitete er zuerst als Schreiber, anschließend als Aufseher über die Getreidespeicher und Weidegründe. Über diese Lebenszeit hat er selbst gesagt: Ich hatte eine harte Jugend. Deshalb musste ich viele gewöhnliche Dinge lernen, die nicht der Bewunderung wert sind” (IX, 6).

Zentrales Anliegen des Konfuzius ist die Ethik eines verantwortlichen, konsequenten und von Menschlichkeit bestimmten Lebens. Diese Menschlichkeit wurde wiederum durch klassische Literatur vermittelt. Einerseits durch die Riten, andererseits durch die Lieder. Letztere würden anregen, den Blick schärfen, den Gemeinschaftssinn stärken und seien hilfreich bei Kummer und Unzufriedenheit. Zudem würden sie das Nächstliegende, die Pflicht gegenüber dem Vater, ebenso wie das Fernerliegende, die Pflicht gegenüber dem Herrscher, lehren. Und letztlich brächten sie demjenigen, der sich mit ihnen auseinandersetze, Kenntnisse über die Flora Ernüchterung im Staatsdienst und Fauna nahe (XVII, 19). Doch der aktive Staatsdienst Und die Riten: Sie enthielten soll für den jungen Beamten eine konkrete Anweisungen für rech- Ernüchterung gewesen sein. tes Verhalten, sei es Etikette, Das Reich der Zhou-Dynastie Zeremoniell, soll sich schon Ethik, Anzu diesem “Dienst du dem stand, MoZeitpunkt im Herrscher, so denke in ral oder auch Niedergang gegenüber erster Linie daran, deine befunden haden VerstorArbeit gewissenhaft aus- ben, bis es benen, derer letztlich 221 zuführen. Erst in zweiter v. Chr. von in Ahnentempeln gedacht Linie kommt der Lohn.” der Qin-Dywurden. Für nastie abgeKonfuzius löst wurde. waren sie bewährte Leitlinien, Insbesondere die Ohnmacht welche die Vorfahren über Jahr- der Beamten gegenüber dem tausende verbessert und verfein- sozialen Verfall war ihm ein ert hätten. “Die Lieder erheben Dorn im Auge beziehungsweise den Menschen. Die Riten geben deren gering ausgeprägte Geihm Halt. Die Musik macht ihn meinwohlorientierung: “Dienst vollkommen” (VIII, 8). Diesen du dem Herrscher, so denke in Leitlinien räumte er einen hohen erster Linie daran, deine Arbeit Stellenwert ein und beachtete sie gewissenhaft auszuführen. Erst auf Strengste. “Wenn er bei Au- in zweiter Linie kommt der Lohn” dienzen am Hofe mit zweitran- (XV,38), forderte Konfuzius. gigen Amtsträgern sprach, Was damals Auswahlkritehatte er einen ungezwungenen rium werden sollte, ist heute Ton. Im Gespräch mit höher- Ausdruck der Motivation junger en Amtsträgern verhielt er sich Menschen, in den Staatsdienst besonders höflich. In Anwesen- zu gehen. Sei es auf kommunalheit des Herrschers war er voll er Ebene oder in einem LandesEhrfurcht und angemessener oder Bundesministerium. Würde” (X,2), heißt es über den Dem Niedergang setzte KonBeamten, der bereits früh – mit fuzius, der als Privatgelehrter

mit seinen Schülern durch die Lande zog, nicht nur die Menschlichkeit, die ein jeder zu beachten hatte, sondern auch das Idealbild eines Beamten – Edlen wie er sie nennt – für die damalige Zeit entgegen. Statt der aristokratischen Abstammung sollte die Bildung als Maßstab für einen Beamtenposten herangezogen werden (XI, 1). Überhaupt galten ihm Standesunterschiede in dieser Hinsicht überhaupt nichts, vielmehr solle Bildung allen zur Verfügung stehen (XV, 39). Zudem verweigerte er auch niemandem die Unterweisung, “sofern er nur etwas, und war es noch so wenig, mitbrachte” (VII, 7).

Die eigenen Fähigkeiten verbessern Insgesamt umfasste sein Unterricht sechs Disziplinen. Neben den Riten und den Liedern war es für einen Beamten/Edlen unerlässlich, Lesen und Schreiben sowie Rechnen zu können. Darüber hinaus sollten sich die Schüler im Bogenschießen und im Wagenlenken üben. Im Gebrauch der Schusswaffe sah Konfuzius jedoch nicht die Beherrschung der Kriegskunst oder das Besiegen des Gegners. Der Schüler sollte nicht das Ziel verfolgen, den anderen zu übertreffen. Für ihn standen die Charakterbildung und das Erlangen von Fertigkeiten und Kenntnissen im Fokus und deren Verbesserung. “Beim Bogenschießen kommt es nicht darauf an, die Zielscheibe zu durchbohren denn die Kräfte der Menschen sind ungleich. So hielt man es in alten Zeiten” (III, 16). Für den Edlen schickte sich ein Wettstreit im Bogenschießen nur, wenn er sich vor Beginn und nach Beendigung vor dem Gegner verbeugte und man anschließend miteinander Wein trank (III, 7). Ebenso verhielt es sich mit dem Wagenlenken. Das Führen des Fahrzeugs sollte ebenfalls den Charakter festigen und Ausdruck des richtigen Verhaltens sein. So wird über Konfuzius selbst berichtet: “Wollte er auf den Wagen steigen, so stand er zunächst gerade und aufrecht, die Zügel in der Hand. Erst dann stieg er auf. Auf dem Wagen stehend, blickte er sich um, redete nicht hastig und zeigte nicht mit den Fingern” (X, 26). Den Beamten nach Konfuzius zeichnete generell aus, dass sich “um die Ausübung eines Amtes

nur kümmere, wer dafür kompetent ist” (VIII, 14). Und es sich auch zutraut (V, 6). Bis dahin galt das Wort des Meisters für die Ausbildung: “Höre viel, halte dich zurück, wenn dir Zweifel kommen, und wähle im Übrigen deine Worte mit Bedacht, dann wird es wenig Tadel geben. Sieh viel, vermeide, was gefährlich ist, und handle im Übrigen umsichtig und bedacht, dann wirst du wenig zu bereuen haben. Wer beim Reden wenig Anlass zum Tadel gibt und im Handeln wenig Anlass zur Reue hat, der kann bestimmt ein öffentliches Amt erhalten” (II, 18).

Anfang der hergebrachten Grundsätze Wer jedoch Beamter war, der sollte seinem Herrscher in treuer Ergebenheit dienen, sagte Konfuzius und legte damit einen der heute noch gültigen hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums fest, die Treuepflicht (III, 19). Dass diese sich in den von der französischen Revolution geprägten Grundsätzen widerspiegelt, könnte auf Voltaire zurückgehen, der ein großer Verfechter des Konfuzianismus gewesen sein soll.

Wechsel zwischen Wanderjahren und Ämtern Entsprechend seiner Lehre ließen sich Mängel im Staat nur abstellen, indem man sich auf die Werte des Altertums besinne. Daher unternahm er im Alter von über 30 Jahren mit seinen Schülern eine Reise in die Hauptstadt Luoyang, um dort nach Zeugnissen des Altertums zu suchen und sie als Handlungsanleitungen für die Gegen-

Ob seine Karriere noch weitere Stationen beinhaltet, ist nicht bekannt. Am Ende seines Lebens soll der Meister seine Werke niedergeschrieben haben, bevor er 479 v. Chr. verstarb. Auch wenn seine Lehre die Jahrhunderte überdauerte – bis zum Ende der chinesischen Monarchie 1911 war sie fester Bestandteil der Beamtenausbildung –, auf die Werke und Aufzeichnungen trifft dies nicht zu. Während der Qin-Dynastie (221 bis 206 v. Chr.) wurde die Lehre verboten und sämtliche Schriften sollten verbrannt werden. Nur wenige Fragmente überdauerten diese Zeit. Folglich ist die Gestalt Foto: BS/3dman eu, pixabay des Konfizius eine überlieferte, ebenso die Lun-yu, die aus nicht wart zu verstehen. Dabei ging es zusammenhängenden Passaihm nicht darum, fertige Ant- gen bestehen. Dennoch zeichworten auf alle Lebenslagen zu net sich in China seit den 80erfinden, sondern durch knappe Jahren wieder eine Zuwendung Antworten zum Ergründen und zum und Verbreitung des KonErfahren anzuregen. Konfuzius fuzianismus ab. Nach einem selbst hat sich auch nicht als Jahrhundert des Abstands und jemand verstanden, der nur um der Kritik sei der Konfuzianisder Vergangenheit willen an der mus wieder im Erwachen beVergangenheit festhält. “Wer Al- griffen, so Zotz. Und in Europa? Konfuzius tes bewahrt und zugleich neues Wissen und neue Erfahrungen setzt auf die inspirierende Auszu gewinnen vermag, der kann strahlung des Vorbilds. Das muss nicht den Menschen immer in der Lehrer und “Um die Ausübung eines V e r g a n g e n Vorbild sein” Amtes kümmere sich nur, heit und der (II, 11). Ob der Be- wer dafür kompetent ist.” G e s c h i c h t e g e s u c h t such erfolgrewerden. Dass ich war, ist nicht dokumentiert. Nur, dass der Beamte vorbildlich handeln er von dort in seine Heimat zu- sollte, versteht sich eigentlich rückkehrte, wo er seine Schule von selbst. Schlechte Schlagetablierte, die großen Zulauf ge- zeilen und Bilder, wie feiernde Berliner Polizisten während habt haben soll. Was die Einhaltung seiner des G20-Gipfels in Hamburg, Lehre betrifft, so legte Konfuzius gehören nicht dazu. Dadurch sehr strenge Maßstäbe an sich werden die gelebten Vorbilder selbst. “Betraue mich einer mit zahlreicher Beamten und Tarifder Regierung, wäre nach einem beschäftigten, männlich wie Jahr der Erfolg zu sehen, nach weiblich, geschmälert. Auf der drei Jahren wäre alles geordnet” anderen Seite geht es aber auch (XIII, 10). Immer wieder über- um Respekt. Vor den eigenen nahm er ein öffentliches Amt. Eltern, Nachbarn, Frauen und So soll er um 500 v. Chr. im den Staatsdienern. In diesem Teilstaat Lu maßgebende Ämter Zusammenhang täte es vielen bekleidet haben. Darunter den in der Gesellschaft gut, sich mit Posten als Vorsteher (Bürger- den Lehren des Konfuzius ausmeister, Anmerkung der Redak- einanderzusetzen und das eition), der Stadt Zhongdu. Dort gene Handeln zu hinterfragen. soll sein Verhalten so inspirierend für die Bevölkerung gewesen Alle Zitate stammen aus “Konfuzius: sein, dass er Aufseher sämtlich- Gespräche (Lun-yu)”, erschienen 1982 er staatlichen Arbeiten wurde im Reclam Verlag, in der Jubiläumsausund schließlich sogar das Amt gabe “150 Jahre Universalbibliothek des Justizministers übernahm. 2017.” Die jeweiligen Fundstellen sind Doch waren die Tätigkeiten nie in Klammern angegeben. von langer Dauer, wie Zotz berDie Angaben von Volker Zotz basierichtet. Denn wenn in dem Staat en auf seinem Buch “Der Konfuzianisgegen die Riten verstoßen wurde, mus”, Marixverlag, 2015.

Wesentlicher Bestandteil der Lehre: Das Befolgen der Riten, zu denen auch das Gedenken an die Verstorbenen und besonders an Konfuzius in Ahnentempeln gehörte, wie hier im Konfuzius-Tempel in Harbin, Heilongjiang. Foto: BS/©aphotostory, Fotolia.com

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