Behörden Spiegel Juni 2018

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VI / 34. Jg / 23. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / Juni 2018

www.behoerdenspiegel.de

Das “Kölner Tragfähigkeitskonzept”

Vorschlag der Kommission ungeeignet

“Irgendwas mit Büchern”

Gabriele C. Klug über zukünftige Finanzierungsspielräume in Köln ������������� Seite 15

Peter Beuth über die europäische Solidarität bei Waldbränden �������������������. Seite 42

Elisabeth Koller über ihre Arbeit in einer interkulturellen Familienbibliothek ........ Seite 47

Gesetz überarbeiten (BS/mfe) Der Deutsche Landkreistag und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) verlangen zusammen mit dem BREKO und dem BUGLAS eine Reform des DigiNetz-Gesetzes. Dieses behindere in seiner jetzigen Fassung, die erst Ende 2016 in Kraft getreten war, den Glasfaserausbau in Deutschland. Ursprünglich sollten Synergien genutzt und Glasfaserleitungen verlegt werden, wenn Straßen im Zuge von Sanierungsarbeiten oder bei der Verlegung anderer Infrastrukturleitungen geöffnet werden. In der Praxis stelle sich jedoch oft das Problem des sogenannten Überbaus oder Doppelausbaus, wenn Gebiete erstmals mit Glasfaser erschlossen und dafür öffentliche Mittel genutzt würden. Dann werde das Öffnen der Straße dazu genutzt, Glasfaserleitungen kostengünstig mitzuverlegen. Das unterlaufe das Geschäftsmodell des ausbauenden Glasfaser-Netzbetreibers, so die Verbandskritik.

Neues Mandat gefordert (BS/mfe) Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verlangt, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex künftig auch in Drittstaaten tätig werden soll. Dies allerdings nur, wenn die jeweilige Regierung zustimme. Dafür müsse zunächst jedoch erst das Frontex-Mandat angepasst werden. Von dem Einsatz, der vor allem in Nordafrika stattfinden soll, verspricht sich der Wiener Regierungschef weniger Überfahrten über das Mittelmeer in Richtung Europa. Zudem plädiert Kurz dafür, dass die Frontex-Kräfte illegale Migranten an den EU-Außengrenzen anhalten, versorgen und dann möglichst in ihr Herkunfts- oder zumindest in das jeweilige Transitland zurückschicken sollen.

Mehr Transparenz bitte Ist die Zweckbindung von Finanzmitteln im Bundeshaushalt die Lösung? (BS/Jörn Fieseler) Mehr als 3.000 Seiten umfasst der Haushaltsentwurf des Bundes in diesem Jahr. Da kann jemand schon mal leicht den Überblick verlieren. Nicht unbedingt bei der Frage, wo die Ausgaben Deutschlands an die EU verortet sind. Doch was ist zum Beispiel mit den Ausgaben aller Ressorts für die IT-Ausstattung? Und wie hoch ist eigentlich die Stromrechnung des Bundes? Ist der Haushalt aufgrund seiner Komplexität vielleicht intransparent? Ließe sich mehr Übersicht herstellen, wenn mehr Einnahmen und Ausgaben zweckgebunden wären? 341 Mrd. Euro umfasst das Budget für 2018 an Einnahmen und Ausgaben. Davon sind 43 Prozent, über 146 Mrd. Euro, zweckgebunden, beispielweise als Zuweisung an Länder (19,3 Mrd. Euro) und Gemeinden (3,8 Mrd. Euro) oder die Sozialversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit (zusammen über 120 Mrd. Euro). Alle Einnahmen können zur Deckung aller Ausgaben herangezogen werden. Es gilt das Kostendeckungsprinzip. Mit zwei Ausnahmen: Zum einen unterliegt ein Teil der früheren Mineralölsteuer (heute Energiesteuer) laut Art. 1 Straßenbaufinanzierungsgesetz einer Zweckbindung zugunsten des Straßenbaus. Aber: Jedes Jahr wird diese Zweckbindung mit dem Haushaltsgesetz auf den gesamten Bereich der verkehrspolitischen Investitionen im Etat des Bundesverkehrsministeriums (siehe dazu Seite 5) erweitert, wie der Bund der Steuerzahler und das Bundesfinanzministerium bestätigen. Die zweite Ausnahme betrifft die Einnahmen aus der Maut. Diese fließen ebenfalls in den Verkehrsetat und sind, nach Abzug einiger Mittel für den Betrieb des Mautsystems, “für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für die Bundesfernstraßen zu verwenden”, wie es in § 11

wird, ist lediglich eine politische Begründung. So ist es auch mit der Erhöhung der Tabaksteuer zur Finanzierung eines Sicherheitspaketes aus der Schröder-Zeit, die in den geflügelten Worten “Rauchen für die Sicherheit” gipfelte. So war es auch schon mit der Sektsteuer, die, ursprünglich für den Aufbau der Marine im deutschen Kaiserreich eingeführt wurde, aber immer noch existiert und trotzdem nicht in den Verteidigungsetat fließt. Ebenso laufen nicht mehr alle Einnahmen aus dem Soli in die neuen Bundesländer. Die Motive

Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG) heißt. Aktuell sind dies rund fünf Mrd. Euro Einnahmen, von denen über 3,8 Mrd. Euro in den Bau und Erhalt der Bundesfernstraßen investiert werden. Anders der Solidaritätszuschlag (kurz Soli). Obwohl für den Aufbau Ost vorgesehen, ist er kein Beitrag im eigentlichen Sinne, sondern eine sogenannte Ergänzungsabgabe, die in den Gesamthaush a l t fließt. Die Angabe, wofür das Geld verwendet

Sie ist das Sinnbild für die Transparenz politischen Handels: die Reichstagskuppel. Doch bei der stets reich gefüllten Schatulle namens Bundeshaushalt gibt es hinsichtlich der Übersichtlichkeit aller Einnahmen und Ausgaben noch Verbesserungspotenzial. Illustration: BS/Dach unter Verwendung von © svort, Fotolia.com und Rilke, CC BY SA 2.0, flickr.com

sind damit austauschbar. Die Steuern bleiben. Letztlich stimmen die Abgeordneten über die Verausgabung von Steuereinnahmen ab – und das ist auch gut so. Schließlich ist die Entscheidung über den Haushalt die “Königsdisziplin” des Parlaments, der Ausdruck der Demokratie, quasi der althergebrachte Grundsatz der parlamentarischen Arbeit. Und über diese Arbeit entscheidet der eigentliche Souverän, das Volk, in regelmäßigen Wahlen. Übrigens: Die Ausgaben für Informationstechnik sind, abgesehen vom Verteidigungsetat (Einzelplan 14), unter dem Haushaltstitel “F 812 02” zu finden. Dieser taucht 89 Mal im Haushaltsentwurf auf. Insgesamt sind rund 495 Mio. Euro hierfür vorgesehen. Für das Verteidigungsministerium als Behörde, ohne die Bundeswehr, kommen weitere 1,5 Mio. Euro hinzu. Allerdings fehlen Angaben zu den privatwirtschaftlich organisierten Institutionen wie bspw. der BImA. Die Stromkosten lassen sich hingegen nicht beziffern. Sie sind Bestandteil der Bewirtschaftungskosten der Gebäude. Transparenz sieht anders aus. Wie wäre es deshalb zum Beispiel mit einem Bundeshaushalts-Wiki, wo mit konkreten Stichworten oder Wortkombinationen genau solche Ausgaben gesucht werden können?

Kommentar

Föderal oder katastrophal

(BS) Der Föderalismus ist ein Grundpfeiler der Bundesrepublik und bleibt mit einer durch das Grundgesetz fixierten Existenz elementar Teil des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Dass er allerdings generell ein Segen sei, behaupten nicht mal diejenigen, die ihn wie eine Monstranz vor sich hertragen. Verän(BS/wim) Hinter dem klang- derungen im Gewicht zwischen Bund und Ländern sind ein ständiger Prozess, mitunter mit fiskalischer Hilfe.

Brandenburg nutzt “Line6Plus”

vollen Namen findet sich ein länderübergreifender Kooperationsverbund. Dieser nutzt einen vom Land Sachsen-Anhalt entwickelten Dienst als Basis für das Bürgerportal, auf dem ebenso Unternehmen Informationen erhalten. Staatssekretärin Katrin Lange unterschrieb die Beitrittserklärung und betonte: “Mit Linie6Plus haben wir uns für eine schnell anwendbare Lösung entschieden. Das ist nicht nur effizient, sondern setzt auch ein Zeichen für die dringend notwendige länderübergreifende Zusammenarbeit.” Aktuell sind Sachsen-Anhalt, Thüringen, Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und nun Brandenburg Mitglieder des Verbundes. Wobei der Vertrag mit Ersterem geschlossen wird.

Aktuell versucht der Bund an mehreren “Fronten”, sein Gewicht im föderalen System zu seinen Gunsten zu verschieben. Mit Blick auf Bundesmittel zur Finanzierung einzelner Schulen haben die Länder zugestimmt. Was das nach Jahren bedeutet, wird sich erst langsam zeigen, ob nämlich der Bund über diese “Förderung” Einfluss auf die Bildungsinhalte und ihre Vermittlungsform gewinnt. Neben “Schule” gehört zu den föderalen Juwelen “Polizei”. Doch hier hat es längst Verschiebungen gegeben, für die die Länder die Verantwortung selber tragen. Mehr als 12.000 Polizeidienststellen wurden dort abgeschafft, die Bundespolizei in den letzten Jahrzehnten von 20.000 auf 40.000 “Mann-Stärke” angeho-

ben. Das Klagen der Länder über das Drängen des Bundes nach mehr nationaler Kompetenz ist also wohlfeil. So wurde erst in den letzten Monaten die Diskussion um die Zentralisierung des Verfassungsschutzes geführt. Umso wichtiger für ein einheitliches Bild der Strafverfolgung wäre ein Musterpolizeigesetz, in dem im Wesentlichen die Länder zusammen mit dem Bund festlegen, welche Mittel für die Polizei erlaubt sind. Am Beispiel der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zeigt sich aktuell, dass politische Farbenspiele nicht zu einer einheitlichen Polizeigesetzrealität führen werden. In einem Bundesland wird das Telefon eines Terrorverdächtigen abgehört, in einem anderen nicht. Das

ist nicht föderal, das ist katastrophal. Mehr Vernunft und Verstand stehen derzeit häufig dem gegenüber, was manche als föderal bezeichnen, nämlich es einfach anders zu machen als die anderen und insbesondere der Nachbar. Ein weiterer Fall – der überfällige neue Glücksspielstaatsvertrag: Die Länder präsentieren sich uneinheitlich. Bis 2020 muss der Neue von allen unterschrieben sein. Danach sieht es im Moment nicht aus. Nun hört man den Ruf nach dem Bund, er soll beim Politikfeld Glücksspiel übernehmen oder zumindest vorweggehen. Wieder klagen die Länder, aber ihre Uneinigkeit ist häufig Grund einer Verschiebung zum Zentralismus. R. Uwe Proll

Umsetzung der EU-DSGVO


Inhalt

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Behörden Spiegel / Juni 2018

Idyllische Arbeitsbedingungen am See beim Sonnenuntergang sind für manch einen das Nonplusultra. Der Öffentliche Dienst macht beim flexiblen und modernen – digitalen – Arbeiten schon einiges möglich, doch nicht überall ist die Situation so anheimelnd. Bei der Besoldung, bei befristeten Arbeitsverträgen oder bei der auskömmlichen Personalausstattung gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Foto: BS/© Gerhard Wanzenböck, Fotolia.com

Arbeit und Personal Testen und Abwarten

Vom Bürger unbemerkt?

Alles eine Frage der Anerkennung

Langzeitarbeitskonten in Bund und Ländern ........... Seite 3

Papierlose Ratsarbeit als erster Schritt zur stärkeren Demokratie ........................................ Seite 14

Hilfsorganisationsangehörige noch nicht überall mit Feuerwehrleuten gleichgestellt.......................... Seite 37

Diskussion über Attraktivität des Berliner Öffentlichen Dienstes ..............................Seite 4

Balanceakt des Verwaltungsbeamten 4.0

Selbst- und Fremdeinschätzung im Vergleich

Zwischen verschulter und visionärer Ausbildung ..... Seite 18

Zur Bedeutung erworbener Kompetenzen ehemaliger Offiziere................................................. Seite 46

Steine werfen im Glashaus

Ausbau vertagt?

Scholz-Kritik am gelben Riesen hat Beigeschmack .. Seite 6

Vorerst keine neuen Stellen für das BSI ................. Seite 36

“Einer Hauptstadt nicht würdig”

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Miteinander reden Drei Digitalisierungskongresse im nächsten Halbjahr (BS/har/gg) Modernisierungsprozesse leben vom Erfahrungsaustausch. Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung von Land und Kommunen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ist im Sommer bzw. Herbst Gegenstand zweier Kongresse, die der Behörden Spiegel in enger Kooperation mit der jeweiligen Landesregierung durchführt. Zudem wird sich die Public IT-Security – kurz PITS – erneut intensiv mit den vielfältigen Herausforderungen der IT-Sicherheit beschäftigen. Die Digitalisierungsstrategie “digital@bw” steht im Zentrum des Kongresses “Baden-Württemberg 4.0”, den der Behörden Spiegel am 3. Juli 2018 in Kooperation mit der Stabsstelle für Digitalisierung im Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration in Stuttgart veranstaltet. Rund ein Jahr nach Verabschiedung der Strategie wird auf dem Kongress ein erstes Zwischenfazit des bislang Erreichten gezogen. Die zahlreichen Aktivitäten beim Land und in den Kommunen – von Smart City bis hin zur IT-Konsolidierung – werden intensiv diskutiert. Ein ebenso umfängliches Informationsangebot bietet am 8. November 2018 die Veranstaltung “e-nrw” in Neuss, die sich insbesondere auf die Umsetzung der Verwaltung 4.0 bei Land und Kommunen im bevölkerungsreichsten Bundesland konzentriert. Hier wird es u. a. spannend sein zu sehen, welche Impulse das im Zuge der schwarz-gelben Regierungsbildung im vergangenen Jahr geschaffene Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie bislang setzen konnte bzw. zukünftig noch setzen möchte. Grundlage aller Digitalisierungsbemühungen ist die Gewährleistung der IT-Sicherheit. Mit “der PITS” hat der Behörden Spiegel diesem wichtigen The-

ma 2009 erstmals einen eigenen zweitägigen Kongress gewidmet. Am 10. und 11. September 2018 im Adlon in Berlin werden somit nicht nur erneut hochkarätige Experten die zahlreichen Facetten der IT-Sicherheit erörtern, sondern es darf anlässlich der zehnten Austragung auch ein wenig gefeiert werden. Alle Kongresse bieten den Teilnehmern auch abseits des Programms ausgiebig Gelegenheit zum Networking und gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Weitere Informationen zu den Veranstaltungen stehen auf der jeweiligen Kongress-Homepage zur Verfügung: www.bw-4-0.de , www.e-nrw.info , www.public-it-security.de .

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Stadt Köln Foto 2: BS/HMdIS Foto 3: BS/Katarina Heidrich Beilagenhinweis In Teilauflagen des Behörden Spiegel finden Sie im Juni Beilagen der PKV, der Technische Akademie Wuppertal und der Hochschule für angewandte Wissenschaften. Für unsere Leser in Baden-Württemberg gibt es eine Beilage zum Kongress Baden-Württemberg 4.0. Und der Gesamtauflage des Behörden Spiegel liegt in diesem Monat Informationsmaterial über den Kongress Zukunft Dienstrecht bei.

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juni 2018

Testen und Abwarten

KNAPP Vorerst keine Ausschreibung

Langzeitarbeitskonten in Bund und Ländern (BS/Jörn Fieseler) Zur Flexibilisierung der Arbeitszeit sieht der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) bzw. der Tarifvertrag der Länder (TV-L) in § 10 die Einrichtung von Langzeitarbeitskonten vor. Doch was für die Tarifbeschäftigten vertraglich geregelt ist, muss für die Beamten von Bund und Ländern gesetzlich normiert sein. Im Bund gibt es dazu ein ressortweites Pilotprojekt. Doch nicht alle Ministerien beteiligen sich. Und auch in den Ländern fallen die Regelungen sehr unterschiedlich aus. Zumindest in Nordrhein-Westfalen soll sich dies demnächst ändern. Im bevölkerungsreichsten Bundesland hat die Landesregierung im Koalitionsvertrag eine umfassende Dienstrechtsreform angekündigt. In diesem Zusammenhang sollen Lebensarbeitszeitkonten für den gesamten Öffentlichen Dienst und insbesondere mit Blick auf den Polizeibereich geschaffen werden. “Dies soll die Attraktivität und Flexibilität des öffentlichen Dienstes steigern sowie die Personalverfügbarkeit sicherstellen”, heißt es aus dem Innenministerium. Finanzminister Lutz Lienenkämper erläuterte das Vorhaben im Haushaltsausschuss. Derzeit werde die Lage analysiert und mit allen Beteiligten gesprochen. Am Ende soll ein gemeinsamer Vorschlag erarbeitet werden, der die Aspekte Finanzierbarkeit, Attraktivitätssteigerung, Praktikabilität und Rationalität aufgreife. Dabei “gibt es aber weder eine Vorgabe, dass dies viel Geld kosten mussten, noch die Vorgabe, dass es kein Geld kosten darf”, sagte Lienenkämper gegenüber den Abgeordneten im Ausschuss.

Freude bei Gewerkschaften Die Arbeitnehmervertretungen sind darüber sehr erfreut. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht in der Einführung eines Langzeitarbeitskontos eine Möglichkeit, mit der stark belastete Polizisten vorübergehend eine längere Auszeit nehmen könnten. Auch Roland Staude, Vorsitzender des DBB Beamtenbunds und Tarifunion NRW, begrüßt die Ankündigung, drängt jedoch auf eine rasche Umsetzung. Bereits 2016 habe es im Rahmen des Dienstrechtsmodernisierungsgesetzes der rot-grünen Vorgängerregierung ein Pilotprojekt gegeben, mit dem die Einführung von Lebensarbeitszeit- bzw. Langzeit-

Wer wünscht sich das nicht, Zeit für Entspannung und Entschleunigung über den regulären Urlaubsanspruch hinaus. Ein Mittel, um dies zu ermöglichen, sind Langzeitarbeitskonten. Aber die sind in Bund und Ländern nicht überall etabliert. Foto: BS/© Reddogs, Fotolia.com

arbeitskonten in repräsentativen Behörden beschlossen wurde. “Derzeit werden in NRW die Rahmenbedingungen und Eckpunkte für Langzeitkonten erarbeitet und diskutiert, eine endgültige Abstimmung steht noch aus”, so ein Sprecher des Innenministeriums. Angedacht sei ein freiwilliges, auf Antrag basierendes Kontenmodell, welches ausschließlich in Zeit geführt wird. Diskutiert werde noch über die Zeitanteile, die angespart werden könnten sowie die Frage, ob vor Beginn des Ruhestandes ein Freizeitausgleich nur in Teilzeit zulässig sein soll.

Kaum vorhanden Damit wäre NRW das vierte Bundesland, das überhaupt ein Langzeitkonto für Beamtinnen und Beamte anbietet. Wenn es nicht vom Saarland überholt wird. Denn auch in dem kleinsten Flächenstaat haben sich die Regierungsparteien auf die Einführung zur weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeitgestaltung verständigt und wollen ein Lebensarbeitszeitkonto einrichten. Zu den drei Ländern, die bereits Regelungen erlassen

haben, gehören Bayern, Hessen und Thüringen. Letzteres stellt einen Sonderfall dar. Zwar sieht die Thüringer Arbeitszeitverordnung ein Langzeitarbeitskonto vor, jedoch hat nach Auskunft des Innenministeriums noch kein Ressort von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. In Hessen wiederum ist zum 31. Juli 2017 die Arbeitszeit von 42 auf 41 Stunden pro Woche verkürzt worden. Seit dem 1. August 2017 ist es darüber hinaus möglich, eine Stunde pro Woche auf einem Konto gutschreiben zu lassen. Sofern die Beamten regelmäßig 41 Stunden pro Woche arbeiten und sie entsprechend besoldet werden. Die Freistellung kann allerdings nur unmittelbar vor dem Ruhestand oder vor einer dienstrechtlichen Freistellung genommen werden.

Nur für Teilzeitbeschäftigte Anders in Bayern. Dort ist der Zeitraum, um Stunden anzusparen und vom Konto zu entnehmen, auf zehn Jahre begrenzt. Am Ende dieser Zeit muss ein vollständiger Abbau stehen. In Niedersachsen wiederum gilt die Möglichkeit nur für Kommunal-

beamte. Allerdings müssen die jeweiligen Kommunen diese per Dienstvereinbarung noch umsetzen. Darüber hinaus existieren auch in Berlin und MecklenburgVorpommern LangzeitkontoRegelungen. Allerdings nur für Teilzeitbeschäftigte, die in diesem Rahmen mehr arbeiten können, um später die Arbeitszeit bei gleichem Gehalt zu reduzieren. In Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein gibt es derzeit kein Langzeitarbeitskonto.

Geteilte Ansicht im Bund Auf Bundesebene existiert seit 2011 ein Projekt zur Erprobung von Langzeitarbeitskonten. Ursprünglich wurde dieses im Familienministerium (BMFSFJ) und im Arbeitsministerium (BMAS) pilotiert. Ende 2014 wurde das Projekt auf alle Ministerien ausgeweitet und die Probezeit bis Ende 2020 verlängert. Dem schlossen sich das Verteidigungsministerium, das Auswärtige Amt, das Verkehrs- sowie das Gesundheitsministerium an. Demgegenüber hat sich das Landwirtschaftsministerium

gegen dieses Instrument ausgesprochen, da die Attraktivität eingeschränkt sei. Zum einen dadurch, dass am Ende bestehende Mehrstunden nicht auf das Gleitzeitkonto überführt werden könnten, zum anderen, weil für Beschäftige über 60 eine Entnahme im Blockmodell nicht möglich sei. Auch im Umweltressort gibt es kein Langzeitarbeitskonto im engeren Sinne. Statt dessen werden “Kurz-Sabbaticals” von bis zu vier Monaten, bestehend aus Urlauben und Überstundenabbau, angeboten. Das Wirtschaftsministerium und das Ressort für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wollen erst die Ergebnisse der vorgesehenen Evaluation des Projektes abwarten. Im Bildungsministerium und im Justizministerium werden derzeit vielfältige Instrumente zur Flexibilisierung der Arbeitszeitgestaltung überprüft. Aus dem Innen-, und dem Finanz-ressort lagen bis Redaktionsschluss keine Antworten vor. Auch der DBB Beamtenbund und Tarifunion sieht die Langzeitkonten differenziert: “Sie ermöglichen grundsätzlich ein flexib­ les Arbeitszeitmanagement und schaffen für die Beschäftigten mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei längerfristigen persönlichen Planungen”, sagt Friedhelm Schäfer, Zweiter Vorsitzender und Fachvorstand Beamtenpolitik. Allerdings dürfe das Angebot eines Langzeitkontos nicht dazu führen, dass der Dienstherr Mehrarbeit und die Nichtinanspruchnahme von über den Mindesturlaub hinausgehenden Erholungsurlaub bewusst fördere, um so einen bestehenden Personalfehlbestand kurzfristig zu schließen.

(BS/jf) Im Bund ist noch keine Entscheidung getroffen worden, den Rahmenvertrag über die Beförderung von Bundesbeamten zwischen Berlin und Bonn neu auszuschreiben. Derzeit nutzen die Beschäftigten der Bundesverwaltung bei Flugreisen die regulären Verbindungen zwischen Düsseldorf, Köln/ Bonn und Berlin. Dabei könne der Bund von Großkunden- und Firmentarifen der noch aktiven Fluggesellschaft profitieren. Im BMVi als zuständigem Ministerium prüfe man noch die gegenwärtige Marktlage und -entwicklung sowie deren Auswirkungen auf den Dienstverkehr. Diese sind im sogenannten Teilungskostenbericht bereits aufgelistet. So haben sich die Ausgaben für Dienstreisen um 13,2 Prozent auf über 5,3 Mio. Euro erhöht (siehe Behörden Spiegel, Mai-Ausgabe 2018, Seite 5).

Fazit der “Operation Abendsonne” (BS/jf) Am 17. Oktober 2017 hatte der damalige Bundesminister für besondere Aufgaben, Peter Altmaier, an alle Bundesminister einen Brief geschrieben und darin auf die bisherige Staatspraxis hingewiesen, sich bei kabinettsrelevanten Beförderungen ab A 15 zurückzuhalten. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung hervorgeht (Drucksache 19/2137), haben sich die Minister auch daran gehalten. Nach dem Brief sind lediglich 19 Beförderungen in fünf Ressorts, darunter das Landwirtschaftsministerium (BMEL), durchgeführt wurden. Allerdings wurden von Mai bis Ende Oktober noch 94 Beamte und Tarifbeschäftigte in allen Ressorts außer dem BMEL kabinettsrelevant befördert. Sämtliche Verfahren gehen auf Regelbeurteilungen, frühzeitige Kabinettsbeschlüsse oder auf Verzögerungen durch Rechtschutzverfahren zurück.

Zukunft Führung Themen und Referenten, u. a.:

Neue (Führungs-)Kraft in der Behörde entfalten

► Der Bürgermeister als Führungskraft Peter Wirtz, Bürgermeister der Stadt Königswinter ► „Morgen ist heute schon gestern“: Herausforderungen für Führungskräfte in der modernen Arbeitswelt Jörg Schönenberg, fachlicher Leiter des Kongresses ► Führen unter erschwerten Bedingungen Stefan Scholer, Leitung Aus- und Fortbildung, Landeshauptstadt München ► Frauen in Führungspositionen Beate van Kempen, Leiterin Produktmanagement Verbundlösungen, LVR ► Transaktionsanalyse in der Führung Klaus Holetz, Transaktionsanalytiker und Organisationsentwickler ► Führen in der Digitalisierung Martina Dierks, Juristin, Leiterin der Zentralen Vergabestelle im Kreis Soest ► Führungsaufgabe Gesundheit: Besser gesund arbeiten Barbara Schade, Diplom-Psychologin ► Psychologische Deeskalation – gelassen und sicher umgehen mit schwierigen Mitarbeitern Ilona Vogel, Ausbilderin und Führungskraft im Öffentlichen Dienst

5. – 6. Juli 2018 Königswinter bei Bonn

Eine Veranstaltungsreihe des

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ► Suchwort „Zukunft Führung“


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Öffentlicher Dienst

Behörden Spiegel / Juni 2018

“Einer Hauptstadt nicht würdig” Diskussion über Attraktivität des Berliner Öffentlichen Dienstes (BS/Jörn Fieseler) Schon 1949 galt das Verhältnis zwischen dem Deutschen Beamtenbund Berlin zur örtlichen SPD als gespannt und äußerte sich manchmal in Handgreiflichkeiten. So weit geht es heute nicht mehr. Trotzdem wurde auf dem diesjährigen Gewerkschaftstag des Landesverbandes der Beamtenorganisation deutlich, dass der Zwist sich bis in die Gegenwart fortsetzt. Etwa bei der Besoldung. “In den vergangenen Monaten hat der Senat die Besoldung alle paar Wochen nachgebessert, aber warum immer nur in halben Schritten?”, fragte der wiedergewählte Berliner Landesvorsitzende Frank Becker. Zwar sei es positiv, dass der Senat inzwischen auch den Bund in den Besoldungsvergleich einrechne, dessen Mittelwert noch immer als Richtwert für das eigene Beamtensalär gelte, es sei aber nicht nachvollziehbar, warum Anpassungen noch immer nicht zum 1. Januar eines Jahres erfolgten, sondern erst zum 1. August. Dieses Datum gehe noch auf die Zeit zurück, als in Berlin eigene Tarifverhandlungen geführt worden seien (siehe dazu Behörden Spiegel, Mai 2018, S. 4), deren Ergebnisse zum 1. August in Kraft getreten seien. Folglich sei es auch richtig gewesen, die Besoldung zu diesem Zeitpunkt anzuheben. Seitdem die Hauptstadt aber wieder Mitglied in der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) sei, erfolgten die Tariferhöhungen zum Jahresbeginn. Daran müsse die Besoldung angepasst werden. Noch deutlicher wurde der ­DBB-­Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach: Sieben Woche müsse man in Berlin auf einen Termin zur Kfz-Anmeldung warten, vier Wochen für die Ummeldung, wobei für Letzteres nur zwei Wochen gesetzlich festgeschrieben seien.

Fordert die Angleichung der Besoldung zum 1. Januar: Der bei einer Enthaltung einstimmig wiedergewählte Landesvorsitzende des DBB Berlin, Frank Becker. Foto: BS/ Friedhelm Windmüller

“Das ist kein Zustand für die Hauptstadt Deutschlands. Das ist ihrer nicht würdig”, unterstrich Silberbach. Deshalb forderte er einerseits in Richtung Abgeordnetenhaus, mehr zu unternehmen, und andererseits in Richtung Senat: “Überdenken Sie die Entscheidung, den Besoldungsdurchschnitt von Bund und Ländern erst im Jahr 2021 zu erreichen und nicht schon früher.” “Die vergangenen Sparjahre waren bitter nötig, um wieder handlungsfähig zu werden”, entgegnet Innensenator Andreas Geisel. Die Zeit sei zwar vorüber, jetzt habe die Stadt allerdings Wachstumsschmerzen. Neben

dem Aufholen des Besoldungsrückstandes müsse die Senatsund Bezirksverwaltung an die kontinuierlich steigende Einwohnerzahl angepasst werden und mehr Personal einstellen. In den letzten beiden Jahren waren es jeweils über 7.500 neue Mitarbeiter. Zugleich sei der Senat in vielen Punkten unterwegs. “Wahr ist aber auch, dass Vertrauen verloren gegangen ist. Das gewinnt man nur durch Taten zurück”, so Geisel. Und zugleich fordert er hinsichtlich der Attraktivität des Berliner Öffentlichen Dienstes: “Ziehen Sie bitte erst am Ende der Legislatur ein Fazit.” Unterstützung erhielt er von seiner Parteikollegin Franziska

Becker, Sprecherin für Personal und Verwaltung der SPD. Es gebe ein personalpolitisches Aktionsprogramm im Senat. Bei der Umsetzung gebe es allerdings Probleme in Engpassbereichen, etwa bei Bauingenieuren, Ärzten oder Erziehern. Und Carola Bluhm von der Linken ergänzt: “Es hat viel mit Wertschätzung zu tun, dafür haben wir die Grundlagen geschaffen, um gemeinsam darüber zu streiten.” Nicht nur über Besoldung und die Größe des Personalkörpers, sondern auch über die Ausstattung der Büros. Marode Sozialräume, undichte Fenster in Büroeinheiten und der desolate Zustand der Schießstände der Polizei seien nur einige Beispiele. “Es ist Ausdruck einer fehlenden Wertschätzung, wenn der Senat bei der Besoldung eine Verfassungsbeschwerde billigend in Kauf nimmt”, erwiderte die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses Cornelia Seibeld (CDU). Dazu gehöre auch, dass Anerkennung selbstverständlich sein müsse. Wenn aber Feuerwehr und Polizei Mahnwachen abhielten, dann habe der Dienstherr seine Hausaufgaben nicht gemacht. Auch in Hamburg hat der dortige Landesverband seinen Gewerkschaftstag abgehalten. Ebenfalls einstimmig wurde der bisherige Landesvorsitzende Rudolf Klüver im Amt bestätigt.

Verwaltungsprozesse grundlegend überdenken Wissensmanagement als Ansatz einer digitalen Transformation (BS/Dr. Bernd Jason) Nachdem Industrie 4.0 lange Zeit die Digitalisierungsinitiativen in der Wirtschaft prägte, rückt der Fokus der neuen ­Bundesregierung, aber auch der Bundesländer in der öffentlichen Verwaltung, auf eine Übersetzung der Digitalisierung in die Verwaltung.­ Mit Verwaltung 4.0 stellt sich die Verwaltung aber viel umfassenderen Aufgabenstellungen und Herausforderungen. Wie die Erfahrungen in der Wirtschaft und Verwaltung zeigen, kann ein strategischer Wissensmanagementansatz bei der digitalen Transformation z. B. bei der Integration neuer Arbeitsweisen außerordentlich hilfreich sein. Verwaltung 4.0 bedeutet insbesondere eine grundlegende Sanierung und Verwaltungs­kultur. Das Tempo der Entwicklung zur Verwaltung 4.0 wird immer wieder als “zu langsam” kritisiert, gerade durch die internationalen Vergleiche mit Vorreitern wie Dänemark, Estland oder Norwegen. Dieses gefühlt langsame Tempo ist aber einerseits eine typisch deutsche Eigenschaft, denn Änderungen gelingen hierzulande meist nur nach langen Diskussionen, die durch Gründlichkeit und Detailblick geprägt sind. Andererseits bestehen große Herausforderungen, die das Digitalisierungstempo drosseln.

Langsamer, aber robuster

Von der Wissensbilanz bis zur Maßnahmenumsetzung Das Seminar “Wissensmanagement für die öffentliche Verwaltung” am 17.–18. September 2018 in Berlin bietet den Teilnehmer/-innen einen Ansatz zur Entwicklung und Einführung von Maßnahmen, die auf den Füßen der gesamten Organisation steht. Im ersten Schritt liefert ein Audit bzw. eine Wissensbilanz

Umfassende Expertise

Inhaltlich gestaltet wird das Seminar durch Experten wie Ulrich Zuber von der Organisationsund Digitalisierungsberatung des Bundesverwaltungsamts, der sich langjährig mit der digitalen Transformation von Verwaltungsorganisationen beschäftigt und auch in diesem Kontext das “SocialOfficeNet” entwickelte, welches die Arbeitswelt und Kollaboration einer modernen

Verwaltung durch ein “Wissensmanagement mit System” unterstützt. Diese Lösung unterstützt den Übergang ausgehend von einer Hierarchie über eine Netzwerk-geprägte Arbeitswelt zu einem Communitymanagement mit fluiden Prozessen. IT-Tools im Wissensmanagement werden daneben von Dr. Philipp Bitzer vorgestellt. Er ist Geschäftsführer bei der smarTransfer GmbH, die sich auf die Nutzung von versteckten Wissensressourcen in Organisationen mittels semantischer künstlicher Intelligenz spezialisiert hat. Sven Wuscher, langjähriger Wissensmanagementexperte bei der Fraunhofer Gesellschaft und heute Mitarbeiter der Coreen R&D GmbH, stellt bewährte Audittools wie den WissensbilanzSchnelltest vor und erläutert den Analyse- und Ergebnisprozess bis hin zur Umsetzung von konkreten analogen und digitalen Maßnahmen.

Foto: ©freshidea, fotolia.com

Die intensive Auseinandersetzung mit strukturellen Veränderungen und auch Widerständen in einer lange Zeit analogen und von der Schriftform geprägten Verwaltung ist auch zunächst positiv zu sehen. Denn die Beschlüsse werden am Ende der Reformdiskussionen auf einer tragfähigen Mehrheit beruhen, was zu robusten, ganzheitlichen Lösungen führt, die langfristig funktionieren und nicht nur auf neuen Technologien basieren. Die angesprochenen Herausforderungen haben z. B. einen Schwerpunkt in den Aspekten der IT-Sicherheit und des Datenschutzes. Letzteres erfährt seit dem 25. Mai 2018 durch die Anwendung der neuen EUDatenschutzverordnung in Deutschland eine extreme Verschärfung, was die technischen Möglichkeiten im Umgang mit persönlichen Daten nochmals weiter einengt. In der IT-Sicherheit revolutionieren aktuell neue Blockchain-Technologien, verbunden mit Internet-of-Thingsbzw. Chip-Anwendungen bestehende Prozesswelten. Allerdings

tiefgreifende Erkenntnisse bzgl. der Möglichkeiten Dr. Bernd Janson ist Unternehmens- und Politikberaund Kapazitäten ter bei Wissen zu Wirtschaft der jeweiligen (WzuW) und leitet das SemiOrganisation. nar “Wissensmanagement in Beispielsweise der öffentlichen Verwaltung”. zeigen Wissenslandkarten auf, in Foto: BS/VDV welchen Themen ausreichend Experten und Mitarstehen der breiten Anwendung u. beiter zur Verfügung stehen und a. noch mangelnde Skalierbarkeit wo Handlungsbedarf angesichts aufgrund hoher Erfordernis von des tatsächlichen und zu erwarRechnerkapazitäten entgegen. teten Arbeitsvolumens besteht. Die Analyseergebnisse sind Nicht zuletzt sorgt die Verwaltung selbst mit ihren primär hierar- nachfolgend mit den bestehenden chisch aufgebauten Strukturen bzw. zu entwickelnden Zielen der Organisation zu spiegeln, um eifür lange Entscheidungswege. Aus diesen Gründen geht aktu- nen Handlungsbedarf abzuleiten ell vielen Entscheidern die Digi- und geeignete analoge wie digitale talisierung bestehender Prozesse Maßnahmen zur Unterstützung im Rahmen von Verwaltung 4.0 aller Mitarbeiter/-innen zu entnicht weit genug: Sie fordernd, wickeln. Analoge Methoden wie dass Prozesse grundlegend über- Lessons learnt, Debriefing, Comdacht werden. Das Paradigma munity Building können durch der Prozessmanagements muss digitale Wissensmanagementdemnach mit der grundlegenden tools wie Portallösungen bzw. Modernisierung der Verwaltungs- Kommunikationsplattformen kultur verknüpft werden. Für oder Verzeichnisdienste unterdiesen ganzheitlichen Ansatz, stützt werden, um mit deren Hilfe der auf der Ebene der gesamten zum Beispiel das entstandene Organisation ansetzt, stellt ein Wissen nachhaltig und transstrategisches Wissensmanage- parent zu speichern und zur ment eine geeignete Unterstüt- Verfügung zu stellen. zung dar.

Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltung Der Schlüssel für nachhaltigen Erfolg

17. - 18. September 2018 in Berlin

www.fuehrungskraefte-forum.de


Bund

Behörden Spiegel / Juni 2018

Zwischen Wunschdenken und Verwirklichung? Verkehrsinvestitionen zur Verbesserung der Infrastruktur

Langfristige Investitionen Auch in den kommenden Jahren soll weiter investiert werden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat vor Kurzem nochmals die Schlagkraft des “Sofortprogramms Saubere Luft” bestätigt und dass die Elektromobilität stark gefördert werde. Rund eine Milliarde Euro stehen bis 2020 dafür zur Verfügung. Die reicht jedoch für maximal 1.333 E-Busse, welche dann knapp 76.500 Diesel-Bussen gegenüberstehen. Die Kritik, dass es ein Tropfen auf den heißen Stein sei, werde beherzigt. Deshalb hat die Bundesregierung vor, das Programm fortzuschreiben. Denn dieses dient nicht nur der Elektrisierung der Bus-Flotten, sondern muss verschiedene Teilaspekte eines “sauberen” Verkehrs abdecken. Dazu gehören unter anderem die Digitalisierung des Verkehrs, die Elektrifizierung von Taxen, Mietwagen und Carsharing-Angeboten sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur und des ÖPNV. Planungsunsicherheit besteht bei der Lärmsanierung an

J

eder, der schon einmal versucht hat, aus einem Ministerium einen Referentenentwurf in die Hand zu bekommen, wird in diese Klage einstimmen. Die Verwaltung hat naturgemäß wenig Interesse daran, dass Referentenentwürfe an die Öffentlichkeit gelangen, denn erfahrungsgemäß werden sie dann schnell zerredet. Wer also nicht über die entsprechenden Kontakte verfügt, erfährt erst im Nachhinein, was in der Ministerialbürokratie angedacht wurde. Dies ist vor allem deshalb ärgerlich, weil oftmals schon in den allerersten Textentwürfen Weichen gestellt werden, die sich im späteren Gesetzgebungsverfahren nur schwer noch umlegen lassen.

Über 600 Dokumente pro Tag Trotz dieser Schwierigkeiten sind Lobbyisten jedoch keineswegs hilflos. Vieles ist schließlich öffentlich zugänglich. Man muss allerdings in der Lage sein, das Wichtige schnell und einfach aus der Flut der öffentlich zugänglichen Informationen herauszufiltern. Wie groß die Informationsflut ist, zeigen die folgenden Zahlen, die von der Datenbank Polit-X ermittelt wurden: So wurden im Laufe des Jahres 2017 fast 166.000 öffentlich zugängliche Dokumente aus Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundestagsfraktionen, Bundes-

MELDUNGEN

Neuorganisation im BMI dauert an

(BS/Adrian Bednarski/Katarina Heidrich) Der Bundeshaushaltsplan 2018 sieht eine Erhöhung der Verkehrsinvestitionen um 1,4 Milliarden Euro gegenüber 2017 auf rund 14,2 Milliarden Euro vor. Damit weist der Einzelplan Zwölf den größten Investitionsteil im Vergleich zu allen anderen Ressorts auf. Nicht nur wegen der Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung. Auch in den nächsten Jahren soll weiter investiert werden, doch über die Höhe scheiden sich die Geister. Der vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVi) beigesteuerte Einzelplan im Gesamthaushaltsplan ist mit einem Anteil von aktuell knapp acht Prozent der viertgrößte Einzelplan. Bezüglich der vorgesehenen Investitionen, sogar der größte. Rund ein Viertel seines Etats soll in den Ausbau und Erhalt von Straßen, Schienen, Wasserwegen und der digitalen Infrastruktur fließen. Diese Gelder werden 2018 bereitgestellt: 54 Millionen Euro fließen in die Förderung von “Maßnahmen zur Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme”. Mit 28 Millionen Euro wird die Umsetzung der “Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren” unterstützt. 27 Millionen Euro werden in “Digitale Innovationen” investiert. Des Weiteren fördert die Regierung die großen Themen wie Big Data und intelligente Verkehrsinfrastruktur.

Seite 5

(BS/stb) Im um die Bereiche Heimat und Bau erweiterten Bundesinnenministerium (BMI) dauert die Neuorganisation noch an. Die neue Abteilung Heimat ist dem im März ernannten Staatssekretär Dr. Markus Kerber zugeordnet. Sie wird zum Teil Referate des früheren Stabes GZ (Gesellschaftlicher Zusammenhalt) übernehmen, die sich u. a. mit der Integration von Zuwanderern und dem Dialog mit den Kirchen befassen. Auch der frühere Stab AM (Aussiedlerpolitik; Nationale Minderheiten) geht im Bereich Heimat auf. Dazu kommen neue Referate für Themenbereiche wie gleichwertige Lebensverhältnisse und regionale und kulturelle

Identität. Zusätzliche Stellen für den Bereich kommen aus einem Sofortprogramm Personal, das der kurzfristig beschlossene Regierungsentwurf zum Haushalt 2018 vorsieht (mehr zum Personalhaushalt im Innenressort auf Seite 36). Der Bereich Bau soll planmäßig in Gänze aus dem Bundesumweltministerium übertragen werden. Die Abwicklung des Stellenübergangs im Einzelnen werde derzeit aber noch verhandelt, wie das BMI mitteilt. Der Bereich war mit den entsprechenden Stellen bereits zu Beginn der letzten Legislatur verschoben worden – damals vom Bundesverkehrsministerium zum BMU.

Reaktion: neue Staatssekretärin im BMWi

2018 sollen 14,2 Mrd. Euro in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden. Mehrere Projekte werden damit angegangen, auch das Sofortprogramm “Saubere Luft 2017–2020” zur Reduzierung der Schadstoffe. Foto: BS/Margot Kessler, pixelio.de

Schienenwegen. Bis Ende 2016 konnten mit Mitteln des Lärmsanierungsprogramms rund 43 Prozent der als sanierungswürdig eingestuften Streckenabschnitte lärmsaniert werden. Aufgrund der Absenkung der Auslösewerte muss nun eine Neuberechnung des Bedarfs durchgeführt werden. Die DB Netz AG rechnet im Laufe des Jahres mit Ergebnissen.

Rolle der Nutzerfinanzierung Nachdem das “Verkehrssicherheitsprogramm 2011” 2020 auslaufen wird, ist ein Anschlussprogramm geplant. Die Verkehrstoten sollen bis 2020 um 40 Prozent reduziert werden. Hierfür wurden bereits 395 Millionen Euro in den Aus- und Umbau der Bundesfernstraßen gesteckt sowie 56 Millionen Euro in die Verkehrsaufklärung. Neben öffentlichen Mitteln sind für die Stärkung der Verkehrsinfrastruktur ebenfalls Beiträge der Nutzer von Bedeutung. In diesem Zusammenhang spielt der Vergleich mit dem Mautbetreiber Toll Collect eine Rolle. Nach einem 14-jährigen Rechtsstreit mit den Hauptgesellschaftern

des Unternehmens, Daimler Financial Services sowie der Deutschen Telekom, erhält der Bund einmalige 3,2 Milliarden Euro. Es ging in diesem Zusammenhang um entgangene Lkw-Mauteinnahmen (siehe Behörden Spiegel, Mai 2018, Seite 7). Die Lkw-Maut selbst hat dem Bund Einnahmen von ungefähr 4,7 Milliarden Euro im Jahr 2017 eingebracht, die zweckgebunden wiedereingesetzt werden. Davon werden rund 3,8 Milliarden Euro für die Substanzerhaltung des Bestandsnetzes im Jahr 2018 aufgewendet, so der aktuelle Bundeshaushaltsplan. 1,5 Milliarden Euro werden für den Neuausbau beziehungsweise die Erweiterung der Bundesfernstraßen genutzt und rund 645 Millionen Euro sollen der Brücken­ ertüchtigung zugute kommen. Fehlbeträge werden durch die voraussichtlichen Mehreinnahmen von rund zwei Milliarden Euro durch die Ausweitung der Maut auf die Bundestraßen kompensiert.

Rund 400 neue Stellen Für die Umsetzung des Mautkontrolldienstes (MKD) des

Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) werden im Zusammenhang mit der Ausweitung 92 neue Dienstposten eingerichtet. Mit der geplanten Pkw-Maut im Bundesautobahnnetz werden im BAG 315 Stellen neu geschaffen. Dafür sind jährlich Haushaltsmittel in Höhe von circa 18,3 Millionen Euro erforderlich. Die notwendigen Ausgaben werden erstmals 2018 haushaltswirksam, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Vor dem Hintergrund der verstärkten Investitionen, die für 2018 geplant sind, macht die langfristigere Finanzplanung bis 2022 allerdings deutlich: die schwarze Null steht an oberster Stelle. “Dass Bundesfinanzminister Scholz die Investitionen 2021 und 2022 deutlich sinken lassen will, bedarf einer Korrektur. Zumal wir mit dem im Koalitionsvertrag verabredeten Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz mehr Dynamik bei den Investitionen erreichen wollen”, bemängelt Eckhardt Rehberg, MdB und Sprecher der CDU-Landesgruppen.

(BS/mfe) Nach der heftigen Kritik in Richtung Bundesinnen-, Bundeswirtschafts- und Bundesverkehrsministerium, die Staatssekretärsposten ausschließlich mit Männern zu besetzen, hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier nun eine Frau berufen. Claudia Dörr-Voß wirdneue beamtete Staatssekretärin. Die 57-jährige Juristin ist zuständig für die Leitungs- und Planungsabteilung, die zentrale Verwaltungsabteilung und die Europapolitik. Dörr-Voß begann nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften in Passau und Bochum sowie einer wissenschaftlichen Tätigkeit und dem juristischen Referendariat 1989 als Referentin und stellvertretende Leiterin des Referats für

Claudia Dörr-Voß (57, r.) ist neue beamtete Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium. Sie wurde von Ressortchef Peter Altmaier (CDU) ernannt. Foto: BS/BMWi, Susanne Eriksson

Netzwerken und Hilfsmittel nutzen Informationsbeschaffung im politischen Berlin (BS/Dr. Thomas Freund/ Marc Schütz*) Es gibt eine Reihe von Berufen in Berlin, zu deren Berufsbild es gehört, sich schnell und möglichst präzise Informationen über das politische Leben der Hauptstadt zu verschaffen. Dazu zählen Politiker und ihre Mitarbeiter sowie die Bediensteten in den Verwaltungen. Informiert sein müssen auch die zahlreichen Lobbyisten und Verbands- und Unternehmensvertreter sowie Wissenschaftler, Journalisten und Pressesprecher. Aber: Vor allem professionelle Interessenvertreter beklagen sich oft darüber, dass sie nur unter Schwierigkeiten frühzeitig an die für sie wirklich relevanten Informationen kommen. parteien und Bundesgerichten herausgegeben. Hinzu kommen noch 46.000 Dokumente aus den Ländern und 9.500 aus der EU. Zusammen sind dies mehr als 221.000 Dokumente im Jahr oder mehr als 600 pro Tag. Neben diesen Dokumenten müssen noch Nachrichten und Stellungnahmen von Unternehmen, Verbänden, Agenturen und Gewerkschaften sowie Nachrichten aus der Wissenschaft verfolgt werden. Außerdem ist die Presse zu beobachten, sowohl die elektronischen wie die gedruckten Medien. Schließlich müssen Lobbyisten personenbezogene Informationen sammeln und sich einen Überblick über die politischen Entscheider, ihre Lebensläufe, ihre Auffassungen und ihre Mitarbeiter verschaffen. Um nun an die gesuchten Informationen zu kommen, ist für Interessenvertreter zweierlei nötig. Erstens: der Aufbau von persönlichen Netzwerken. Und zweitens: die konsequente Nutzung technischer Hilfsmittel.

Das politische Berlin lebt in Netzwerken, und Lobbyisten leben von Netzwerken. Sie muss man sich oft über Jahre hinweg erarbeiten, denn sie beruhen auf Austausch und Vertrauen. Es gibt Netzwerke, in denen muss man Mitglied sein. Beispiele dafür sind der Wirtschaftspolitische Club Berlin, das “Netzwerk Public Affairs” oder der “Runde Tisch Tourismus”. Einige sind von Journalisten organisiert, andere von der Politik, manche von den Interessenvertretern selbst. Beispiele für journalistische Netzwerke sind das Netzwerk “Gelbe Karte”, die “Provinz”, in der sich die Korrespondenten regionaler Blätter treffen, oder der Kreis der Büroleiter von ARD und ZDF. Weiterhin gibt es wirtschaftsnahe Netzwerke, organisiert durch die Verbände, sowie Netzwerke der Public Affairs Branche selbst, wie zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung. Oftmals bilden sich solche Netzwerke in ganz privatem Rahmen. Schätzungen gehen von min-

destens rund 80 Netzwerken in Berlin aus. Auch die Politik pflegt ihre Netzwerke. Bekannt sind der “Parlamentskreis Mittelstand” der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der “Seeheimer Kreis” oder das “Netzwerk”, beide von der SPD.

Gezielte Informationsbeschaffung Das Geflecht zwischen Politik, Lobbyismus, Journalismus sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wird in der Öffentlichkeit zunehmend mit Misstrauen beobachtet. Zwar ist unumstritten, dass in einer demokratischen Gesellschaft jedermann das Recht hat, seine Interessen zu vertreten und dazu Vereinigungen zu bilden. Es gibt jedoch gesellschaftliche Gruppen, die keine oder nur eine schwache Lobby haben. Andere wiederum haben eine so starke Lobby, dass sie jede Reformbemühung erschweren oder gar behindern können. Kritisiert wird auch, dass die Grenzlinien zwischen legitimer Interessenvertretung und fragwürdigem Lobbyismus

Exportfinanzierung und -kreditversicherung im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). 1994 wechselte sie für ein Jahr ins Referat “Multilaterale Aspekte der Beziehungen zu den mittel- und osteuropäischen Staaten”. Danach ging Dörr-Voß bis 1998 als Bereichsleiterin für Handelspolitik, transatlantische Beziehungen sowie Beziehungen zu Lateinamerika, Asien und Mittel- und Osteuropa in die Wirtschaftsabteilung der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der Europäischen Union. Von 1998 bis 2001 leitete sie das Handelspolitikreferat, anschließend die Unterabteilung Europapolitik. 2006 übernahm Dörr-Voß den Posten der Abteilungsleiterin für Europapolitik.

immer häufiger verwischen. Neben dem Ausbau von Netzwerken ist die Nutzung technischer Hilfsmittel das wirksamste Mittel, um gezielt Informationen zu beschaffen. Vier dieser technischen Hilfsmittel sind unabdingbar. Es sind dies die Dienste zur Medienbeobachtung, die Termindienste, die Kontaktdatenbanken sowie die Datenbanken für das Politikmonitoring. Besonders wichtig zur Bewältigung der Informationsflut ist das Politikmonitoring. Neben der täglichen Lieferung neuer politischer Dokumente und deren Einordnung in aktuelle Gesetzgebungsvorgänge bieten diese Dienste mittlerweile auch weitergehende Analyse- und Auswertungsmöglichkeiten. So können sie diejenigen Abgeordneten identifizieren, die auch tatsächlich zu einem Thema arbeiten und dies nicht nur angeben. Diese “StakeholderAnalysen” basieren somit nicht auf subjektiver Anschauung oder persönlicher Bewertung, sondern auf der aktuellen objektiven

Arbeit einzelner Abgeordneter oder ganzer Fraktionen. Die Ergebnisse dieser Analysen können dazu genutzt werden, die eigenen politischen Netzwerke zu prüfen. Die Auswertung politischer Dokumente erlaubt es außerdem, historische Entwicklungen mit aktuellen Vorhaben zu verknüpfen, um politische Trends zu prognostizieren. Ein solches Frühwarnsystem kann negative Entwicklungen frühzeitig sichtbar machen oder die eigenen Erfolgsaussichten realistisch einschätzen helfen. Die Bundesebene muss dabei ebenso in den Blick genommen werden wie die Landesebene, schließlich reden die Länder bei der Gesetzgebung im Bundesrat mit. *Dr. Thomas Freund und Marc Schütz sind freiberufliche Politikberater in Berlin.

Mehr zum Thema Die Grundlagen der klassischen und der digitalen Public-AffairsArbeit in Berlin werden in einem Seminar des Behörden Spiegel am 25. Oktober 2018 in Berlin thematisiert. Weiter Informationen unter: www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort “Informationsbeschaffung”


Bund / Länder

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Behörden Spiegel / Juni 2018

Objektives und subjektives Gefühl verbessern

Steine werfen im Glashaus

Interne Sicherheitsberater für den Öffentlichen Dienst!?

Scholz-Kritik am gelben Riesen hat Beigeschmack

(BS/Ronald Mikkeleitis*) Die Zahl der Übergriffe auf Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes nimmt immer mehr zu und die Angriffe selbst werden immer brutaler. Ein geeignetes Gegenmittel könnte – neben vielen anderen Möglichkeiten – die Einführung interner Sicherheitsberater sein. Dadurch könnten sowohl das objektive als auch das subjektiv empfundene Sicherheitsempfinden deutlich erhöht werden. Außerdem wäre es möglich, den Dienst wieder mit möglichst angstfreien Mitarbeitern zu gewährleisten.

(BS/Adrian Bednarski) Mit Regelmäßigkeit kommt das Thema auf: Aktuell sind es die befristeten Arbeitsverträge bei der Deutschen Post. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat öffentlich Stellung bezogen und die Einstellungspraxis des Unternehmens als “nicht in Ordnung” kritisiert. Was nicht gesagt wurde: Der Öffentliche Dienst selbst geht hinsichtlich der Befristungen nicht mit gutem Beispiel voran.

Zunächst einmal muss der Ist-Zustand der Sicherheit der Mitarbeiter entsprechend evaluiert werden. Hier bietet sich die Durchführung einer entsprechenden Fragebogenaktion an. Die Ergebnisse sind danach entsprechend auszuwerten, zu kommunizieren und entsprechende Handlungshinweise sind zu erarbeiten. Weiterhin sind durch den Sicherheitsberater interne Fortbildungsveranstaltungen durchzuführen mit dem Inhalt gefahrenminimierender Strategien. Darüber hinaus führt der Sicherheitsberater an zentralem Ort Mitarbeitersprechstunden durch, um auch ganz individuell eine Beratung anbieten zu können. Sind Beschäftigte Opfer von Gewaltübergriffen geworden, so kann der Sicherheitsberater auf Wunsch des Betroffenen mit ihm eine gemeinsame Auswertung des Vorfalls vornehmen und gemeinsam erarbeiten, wie man sich zukünftig noch effektiver dagegen schützen kann. Dies

wirkt meist sehr entlastend für die Betroffenen, da sie den Vorfall im geschützten Raum aus rein sicherheitstechnischen Erwägungen nochmals aufarbeiten können. Eine weitere Aufgabe ist die Beratung der Opfer bei anfallenden Strafanträgen. Auch hier zeigt die Praxis, dass viele Mitarbeiter über keine oder nur unzureichende Grundkenntnisse im Strafrecht sowie der Strafprozessordnung verfügen und ihnen unterschiedliche Sachverhalte wie etwa Offizial- und Antragsdelikte nicht klar sind.

Manchmal helfen einfachste Maßnahmen Der Sicherheitsberater soll auch Verbindungsstelle zu den örtlichen Polizeidienststellen sein, um eventuell vorhandene Hemmschwellen bei den Mitarbeitern der Verwaltungen zu überwinden und vertrauensvoll mit der Polizei in diesen Belangen zusammenzuarbeiten. Auch der Kontakt zu Opferverbänden und dem psychologischem Dienst

ist eine sinnvolle Aufgabe des Sicherheitsberaters. Letztlich kommt noch die Aufgabe hinzu, auch die äußeren Umstände zu begutachten und Verbesserungsvorschläge zu machen. So kann zum Beispiel allein schon durch die Umgestaltung eines Warteraumes viel Aggression bei den Wartenden verhindert werden. Wenn die Sicherheitslage der Mitarbeiter dadurch nicht nur objektiv besser wird, sondern diese das auch subjektiv so empfinden, wird sich das Wohlfühlgefühl auf der Arbeit deutlich steigern und auch zu einem Rückgang angstbedingter Reaktionen und Erkrankungen führen. Eine Evaluierung nach circa sechs Monaten ist zu empfehlen, um danach abschließend zu entscheiden, wie hoch der Bedarf nach einem internen Sicherheitsberater in der jeweiligen Verwaltungseinheit tatsächlich ist. *Ronald Mikkeleitis ist leitender Mitarbeiter im Bezirksamt Mitte von Berlin.

Die Entfristung von Arbeitsverträgen ist an den Krankenstand gekoppelt. Die Mitarbeiter dürfen, innerhalb von zwei Jahren, nicht öfter als sechs Mal krank gewesen sein oder nicht 20 Krankheitstage überschreiten. Die Post begründet dies mit dem hohen Zustellungsdruck und möchte damit der dafür notwendigen Personalsituation gerecht werden. Seitens der Politik hagelte es Kritik. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/ CSU, Peter Weiß, bemängelte das Vorgehen eines so großen Unternehmens als “unwürdig”. Wohingegen seitens der GrünenBundestagsfraktion nun auch die Regierung angegriffen wird. Stellvertretend für diese äußerte sich Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte: “Handfeste arbeitspolitische Skandale bei der Deutschen Post gab es bereits zuhauf. Es ist erschütternd, dass es erneut einen so heftigen Skandal gebraucht hat, bis die Bundesregierung endlich beginnt, ihre unverantwortliche Lethargie abzulegen.”

Verkehrte Welt

Bremst die Bürokratiebremse wirklich? Spitzenverbände fordern Nachbesserungen (BS/Adrian Bednarski) Die Wirtschaft ist 2017 um 1,9 Mrd. Euro Bürokratiekosten entlastet worden. Dies geht aus der aktuellen Unterrichtung der Bundesregierung (Unterrichtung 19/2160) hervor. Grund ist das sogenannte “One-in-one-out”-Prinzip als Bürokratiebremse. Seitens deutscher Verbände wird jedoch die fehlende Transparenz kritisiert und noch mehr Einsparpotenzial gesehen. Die Bürokratiebremse besagt, dass für jede finanzielle Mehrbelastung durch ein Gesetz oder eine neue Regelung eine Entlastung stattfinden muss. Seit 2015 wurden insgesamt 158 Vorhaben von der Bundesregierung beschlossen, die unter die Bürokratiebremse fallen. 86 Vorhaben ließen den laufenden Erfüllungsaufwand auf ungefähr 1,9 Milliarden Euro ansteigen. Hiervon macht eine Milliarde Euro der Mindestlohn aus, welcher jedoch nicht kompensiert werden muss und nicht eingerechnet wird. Mit 72 Vorhaben, die um 2,78 Milliarden Euro entlasteten, wurden nahezu 1,9 Milliarden Euro im laufenden Erfüllungsaufwand eingespart. Würde der Mindestlohn mit seiner einen Milliarde Belastung eingerechnet, beliefe sich die Entlastung lediglich auf rund 900 Mio. Euro. Im Jahr 2017 haben sich 24 Vorhaben mit 196 Millionen Euro belastend ausgewirkt. Aber 19 Vorhaben mit 501 Millionen Euro entlasteten dafür die Wirtschaft.

Positiver Ansatz, aber… Die Spitzenverbände stehen dem Grundgedanken der Bürokratiekostenbremse vielfach positiv gegenüber, sehen jedoch Optimierungsbedarf. So äußerte sich Beate Preuschoff, Sprecherin des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH): “Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind die wachsende Regelungsdichte und hohe Komplexität von Gesetzen ein Problem.” Häufig seien die Betriebe überfordert.

Die Krux mit der Bürokratiebremse offenbart sich, wenn national daran gearbeitet wird, dass Bürokratiekosten eingespart werden, aber durch EU-Vorhaben wiederum die Bürokratiekosten steigen. Foto: BS/l-vista, pixelio.de

Die Überforderung entstünde deshalb, weil partiell entlastet werde, aber die Gesamtbelastung steige. “Mitursächlich hierfür ist, dass Gesetze häufig nach kurzer Zeit, wie beispielsweise im Steuerrecht, wieder geändert werden”, erläutert Preuschoff. Es zeigt sich ein Zwiespalt in der Bürokratiekostenbremse. Auch wenn durch ein Gesetz in einem Bereich Mehrbelastungen entstehen, so sieht das “One-inone-out”-Prinzip nur vor, dass eine Entlastung stattfindet. Diese muss jedoch nicht in der gleichen Branche geschehen. Auch Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA), sieht in der “One-in-one-out”-Regel den “richtigen” Weg. “Aber EGovernment und E-Verwaltung sowie eine Stärkung des Normenkontrollrates sind, neben dem Abbau von bürokratischen Pflichten, weitere Handlungs-

MELDUNG

Rostock erhält Fördermittel (BS/mfe) In der Hansestadt Rostock sollen stark frequentierte und potenziell für Anschläge anfällige öffentliche Bereiche in Zukunft baulich besser abgesichert werden. Vorgesehen sind neben festen technischen Sperren an Zufahrten zu Fußgängerzonen auch

in den Boden absenkbare Sicherheitspoller. Dadurch sollen Attacken mithilfe von Fahrzeugen, insbesondere Lkws, verhindert werden. Das Schweriner Innenministerium unterstützt diese Schutzmaßnahmen mit Fördermitteln in Höhe von rund 162.000 Euro.

felder, die Unternehmen und Bürger gleichermaßen entlasten würden. Zudem muss der Übergang in eine digitale Wirtschaft mit einer digitalen Verwaltung einhergehen.”

EU grätscht rein Ähnlich wie beim ZDH fällt auch das Fazit des Deutschen Industrie und Handelskammertags (DIHK) aus: “Die Erfolge der Bürokratiebremse lassen sich kaum in Zahlen ablesen. Die Unternehmen berichten allerdings im Gegensatz dazu, dass ihre Belastungen eher zu- und nicht abnehmen”, sagt der stellv. Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Das Ziel, für jede neue Regelung eine alte abzuschaffen, sei generell richtig. Schuld sei die europäische Ebene. “Die Eins-zu-eins-Umsetzung von Europarecht sowie der in diesem Zeitraum einmalig anfallende Umsetzungsaufwand in Höhe von 600 Millionen Euro werden von der Bürokratiebremse nicht abgebildet”, ist sich Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), mit Dercks einig. Jedoch stieg durch die Umsetzung von EU-Vorgaben der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft. 2017 hat dieser um circa eine Milliarde Euro zugenommen. Dementsprechend sehen alle Verbände Nachbesserungsbedarf, auch um die Bilanz “realistischer” abzubilden.

Der Bund hält indirekt über die Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW) rund 20,6 Prozent der Anteile an der Deutschen Post AG. Deshalb werde er sich zunächst im Austausch mit dem Vorstand der Post einen Überblick über die vom ihm geplanten Kriterien für die Entfristung von Arbeitsverträgen verschaffen, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium (BMF). Dabei gehe der Bund davon aus, dass auch dem Unternehmen an einer sozial gerechten Beschäftigungspolitik gelegen sei. “Der Bund als Anteilseigner privatrechtlich organsierter Unternehmen sieht sich einer sozial gerechten Beschäftigungspolitik seiner Beteiligungen verpflichtet”, ließ ein Sprecher vom BMF verlautbaren. Dabei könnten Scholz und seine Ministerkollegen einen Blick in ihre eigenen Häuser und nachgeordneten Behörden werfen. Denn ihre Vorbildfunktion ist fragwürdig und die Kritik entwickelt einen bitteren Beigeschmack. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind im Öffentlichen Dienst durchschnittlich 7,1 Prozent der

“Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.” Auch im Öffentlichen Dienst wird weiterhin viel mit sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen operiert. Foto: BS/nikinix, pixelio.de

Angestellten befristet. Je nach Gebietskörperschaft variiert die Quote. In den Kommunen lag diese bei 8,2 Prozent, bei den Ländern bei 12,3 Prozent und beim Bund bei 11,3 Prozent. Zudem habe sich die sachgrundlose Befristung im Zeitraum von 2004 bis 2013 von 17,5 Prozent auf 35,7 Prozent erhöht, was einer Verdopplung entspricht. Hierbei wurden die Befristungen in den wissenschaftlichen Einrichtungen außen vorgelassen, welche zwischen 50 bis 90 Prozent schwanken.

Altbekanntes Nichtstun? “Die sachgrundlose Befristung aufzugeben, ist eine Frage des Wollens”, kritisierte Hartwig Schmidt-Königsberg, Bundesvorsitzender des Verbandes der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden e. V. im DBB (VBOB), bereits im Interview mit dem Behörden Spiegel in der Mai-Ausgabe 2017 auf Seite 5. In Ministerien würden sachgrundlose Befristungen kaum eine Rolle spielen. Das Bundesumweltministerium habe sich bspw. eine Selbstverpflichtung zum Abbau gegeben: “Aber das Problem liegt in den Geschäftsbereichsbehörden.” Er verweist exemplarisch auf die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die 2017 rund 1.000 sachgrundlose Befristungen für Daueraufgaben im operativen Bereich innehatte. Damit würden sich die Behörden selbst schaden, denn: “Die jungen Leute sind sehr gut vernetzt und schauen bei der Jobsuche ebenso auf gute Übernahmebedingungen. Wer die besseren Be-

18 Prozent sind nicht genug

dingungen aufweist, bekommt letztlich die bessere Qualität.”

Erste Initiativen dagegen Dabei zeigt die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen, dass es gleichwohl anders funktioniert. Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen hat in seiner Personalzuständigkeit dem Senat einen Antrag überreicht, um die Befristungspraxis einzudämmen. Er äußert sich kritisch zu der bisherigen Praxis: “Befristungen wurden in der Vergangenheit mitunter als verlängerte Probezeiten missbraucht. Für die Beschäftigten bedeutete das große Unsicherheit. Auch der Arbeitgeber verpasst damit eine wichtige Chance, Verbindlichkeit zu schaffen und Beschäftigte an sich zu binden. Ihnen eine verlässliche Perspektive zu bieten, wird erheblich zur Attraktivität des Arbeitgebers Berlin beitragen.” Grundsätzlich sollen mit dem Antrag die Arbeitsverträge unbefristet oder Sachgrundbefristet erfolgen, wobei trotzdem noch Ausnahmen eingeräumt werden. Dazu zählen u. a. Trainee-Programme oder haushaltrechtliche Situationen, z. B. wenn Personalbedarf besteht, aber noch keine Stelle hierfür geschaffen wurde. Der Senat hat den Antrag dem Rat der Bürgermeister zur Stellungnahme überreicht, die ihn dann wieder zurück in den Senat zur Verabschiedung geben. Laut der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen werde der Antrag unverändert bleiben. Danach werde der Antrag mittels Rundschreiben ins Verwaltungshandeln umgesetzt.

MELDUNG

Verhandlungen für Studentische Hilfskräfte laufen noch Nahverkehrsticket (BS/jf) Im Streit um die Bezahlung von Studentischen Hilfskräften an den gefordert Berliner Universitäten konnte auch in der achten Verhandlungsrunde (BS/jf) Brandenburgs Beamte kein Ergebnis erzielt werden. Beide Seiten ringen um die Angleichung und Angestellte sollen wie in Hessen kostenlos den Nahdes Tarifvertrages (TV Stud) an den Tarifvertrag der Länder (TV-L). “In dieser Verhandlungsrunde hat sich gezeigt, wo das eigentliche Problem liegt. Die Hochschulen betrachten ihre rund 8.000 studentischen Mitarbeiter als Arbeitnehmer zweiter Klasse und wollen sie auch so behandeln”, wettert Tom Erdmann, Vorsitzender und Verhandlungsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin. Für seine Gewerkschaft werde es keine Einigung geben, bis die studentischen Beschäftigten in der Lohnentwicklung mit den hauptberuflichen Mitarbeitern gleichgestellt werden. Diese Forderungen halten die Arbeitgeber für nicht finanzierbar. “Unsere Angebote können sich wirklich sehen lassen. Wir haben das vorgelegt, was leistbar ist”, entgegnet Claudia Pfeiffer, Geschäftsführerin der Kommunalen Arbeitgeberverei-

nigung Berlin (KAV Berlin) und Verhandlungsführerin aufseiten der Arbeitgeber. Mehr sei einfach nicht drin. Im letzten Angebot legten die Arbeitgeber eine Erhöhung des Stundenlohns um insgesamt 18,76 Prozent vor. In diesem Jahr sollen die Entgelte von 10.98 Euro auf 12,13 Euro steigen, im nächsten Jahr zum 1. Januar auf 12,30 Euro und zum 1. Oktober auf 12,50 Euro. Für 2021 ist ein Stundenlohn von 12,68 Euro vorgesehen, für 2022 von 12,86 Euro und für 2023 eine Erhöhung auf 13,04 Euro. Außerdem soll der Erholungsurlaub von 25 auf 30 Tage angehoben, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von sechs auf zehn Wochen erhöht werden. “Allein die letzten beiden Punkte erhöhen das Gesamtvolumen des Angebots um 2,3 Prozent”, so Pfeiffer.

verkehr nutzen können. Eine entsprechende Forderung nach einem Nachverkehrsticket (Personennah- und Regionalverkehr) für alle Bediensteten des Landes hat der DBB Beamtenbund und Tarifunion Brandenburg auf seiner Hauptvorstandssitzung beschlossen. Der DBB-Landesvorsitzende Ralf Roggenbruck will das Thema beim sommerlichen Spitzengespräch mit Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Finanzminister Christian Görke (Die Linke) auf die Agenda setzen und so die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes in Brandenburg erhöhen. Beide Ministerien wollten auf Nachfrage des Behörden Spiegel zu diesem Vorschlag vorerst nicht Stellung nehmen. “Man will miteinander reden, nicht übereinander”, teilten beide Häuser unisono mit.


Finanzen

Behörden Spiegel / Juni 2018

L

aut Abgabenordnung werden Steuernachforderungen und Steuererstattungen verzinst. Dabei gilt ein Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat, also sechs Prozent pro Jahr. Diese Regelung besteht bereits seit mehr als 50 Jahren. Im August letzten Jahres hatte das Finanzgericht Münster eine Musterklage gegen die sechsProzent-Zinsregelung bei Steuerforderungen abgewiesen, aber Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Der hohe Zinssatz für verspätete Steuerzahlungen war dem Finanzgericht Münster zufolge auch in einer Niedrigzinsphase rechtens. Der Städte- und Gemeindebund begrüßte damals die Entscheidung. “Die sechsProzent-Zinsregelung hat sich über Jahrzehnte in der Steuerverwaltung praktisch bewährt und zudem einen Beitrag geleistet, dass Steuern zügig abgeführt werden”, sagte Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des DStGB. Allerdings führe sie für die kommunalen Haushalte mitunter zu großen Belastungen, so Landsberg weiter. Ein Ehepaar aus dem nordrhein-westfälischen Witten hatte damals ein Musterverfahren mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler (BdSt) geführt, in dem geprüft werden sollte, ob der seit mehr als 50 Jahren geltende Zinssatz von sechs Prozent pro Jahr für Steuererstattungen und Steuernachzahlungen noch gerechtfertigt ist. Die Kläger forderten, dass der Zinssatz zwischen den Soll- und Habenzinsen liegen solle und sich “um die drei Prozent, keinesfalls aber über vier Prozent pro Jahr bewegen” dürfte. In der lange anhaltenden Niedrigzinsphase wird die sechsProzent-Zinsregelung immer häufiger kritisiert. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) fordert, den Zinssatz auf 0,25 Prozent pro Monat bzw. drei Prozent pro Jahr zu halbieren. “Sechs Prozent Zinsen gibt es nur noch beim Finanzamt”, sagt

Zinsen müssen angepasst werden Bundesfinanzhof zweifelt an Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen (BS/lkm) Wer Steuern nachzahlt, muss zusätzlich Zinsen von sechs Prozent pro Jahr zahlen. Das ist laut Bundesfinanzhof (BFH) zu viel. Das Gericht zweifelt angesichts der dauerhaft niedrigen Zinsen an der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes. Wenn die Zinsen am Markt niedrig sind, müsse der Staat mitziehen, so die Richter. Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung nahm der Staat dem BFH zufolge mehr als zwei Mrd. Euro an Nachzahlungszinsen ein. BdSt-Präsident Reiner Holznagel. “Nicht selten zahlen die Steuerzahler nach einer Betriebsprüfung mehr Zinsen als Steuern – das kann nicht angehen.” Das Finanzgericht Münster wies in seiner Begründung darauf hin, dass der Zinssatz aufgrund der Vereinfachung für die Steuerverwaltung auch in Hochzinsphasen nie verändert worden sei. Der Bundesfinanzhof vertrat in seiner Entscheidung jedoch die Auffassung, dass aufgrund der auf moderner Datenverarbeitungstechnik gestützten Automation in der Steuerverwaltung Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der Zinshöhe nicht entgegenstünden. Dem Bundesfinanzhof zufolge bestehen zudem schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Zinshöhe. Die in den Augen des BFH “realitätsferne Bemessung” des Zinssatzes, verletze den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreite den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt habe. Für die Höhe des Zinssatzes fehle es zudem an einer Begründung. Der Sinn und Zweck der Verzinsungspflicht bestehe darin, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhalte, dass er während der Dauer der Nichtentrichtung über eine Geldsumme verfügen könne. Dieses Ziel sei wegen des strukturellen Niedrigzinsniveaus im typischen

Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung nahm der Staat mehr als zwei Mrd. Euro an Nachzahlungszinsen ein. Auf der anderen Seite muss auch der Staat Nachzahlungszinsen auf Steuern zahlen. Hier treffen vor allem die Kommunen bei Gewerbesteuerrückzahlungen die anfallenden Nachzahlungszinsen hart. Foto: BS/Markus Hein, pixelio.de

Fall für den Streitzeitraum nicht erreichbar. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirke in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung.

Keine Notwendigkeit Hessens Finanzminister Thomas Schäfer schlug bereits vor zwei Jahren in einem Brief an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und die Finanzminister der Länder u. a. vor, zukünftig unterschiedliche Zinssätze für Nachzahlungen und Erstattungen zu erheben und diese künftig an den Marktzins zu koppeln. Er begründete diesen Schritt damit, dass man den Fiskus mit einer Bank vergleichen könne: Bekommt der Bürger Geld vom Staat erstattet, legt er sein Geld also fiktiv beim Staat an, sollte sich der Zinssatz am Niveau von Einlagezinsen orientieren. Derzeit tendieren diese gegen

NRW beschließt West-Spiel-Privatisierung Künftig verstärkte staatliche Aufsicht (BS/lkm) Seit vielen Jahren schon sind die landeseigenen Spielbanken in NRW ein Sorgenkind der Regierung. Das Land hat daher nun den Verkauf seiner Spielbank angestoßen, um weitere Verluste zu vermeiden. Anfang Mai hat das Landeskabinett den Grundstein für die Privatisierung der seit Jahren defizitären West Spiel GmbH gelegt. Der Verkauf soll über ein EU-weites Bieterverfahren erfolgen. Die West Spiel-Gruppe betreibt landesweit vier Spielcasinos in Aachen, Bad Oeynhausen, Dortmund und Duisburg. Alleinige Gesellschafterin der WestSpielGruppe ist die NRW.Bank. “Die Umbrüche im Glücksspielbereich werfen die Frage auf, ob eine Förderbank Casinos betreiben muss. Aus unserer Sicht müssen weder eine Förderbank noch der Staat am Roulettetisch sitzen”, so Lutz Lienenkämper (CDU), Minister der Finanzen. 2016 machten die Spielbanken in Nordrhein-Westfalen unterm Strich ein Minus von 2,9 Mio. Euro. Gründe seien neben den deutlich sinkenden Besucherzahlen auch der im Raum stehende Verdacht der Verschwendung von öffentlichen Geldern. So sollen sich die Führungskräfte seit Jahren Gruppenreisen nach Las Vegas gegönnt haben. Diesem Minus standen abgeführte Spielbankabgaben an die Staatskasse von 39,7 Mio. Euro gegenüber. Die Einnahmen, die an die Stiftung Wohlfahrtspflege gehen, sollen auch bei einer Privatisierung erhalten bleiben, kündigte die Landesregierung an. Lienenkämper verwies darauf, dass bereits sechs Länder Casinos erfolgreich in privater Eigentümerschaft betreiben würden: “Es ist nicht entscheidend, ob eine Spielbank in öffentlicher oder privater Hand ist.Entschei-

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Die Privatisierung des Unternehmens ist NRW-Finanzminister Lutz Lienenkämper zufolge “im Sinne des Landes, aber auch im Sinne von West Spiel”. Foto: BS/obs, Westdeutsche Spielbanken GmbH & Co.KG, Stephan Glagla, West Spiel

dend ist, dass die Aufsicht über den Spielbetrieb engmaschig und wirksam ist.” Oberstes Ziel der Landesregierung sei es daher, die staatliche Aufsicht zu verstärken, beispielsweise durch intensivierte Präsenzkontrollen. “Das Casinospiel in NordrheinWestfalen wird künftig in der gleichen Qualität und mit dem bestmöglichen Spielerschutz stattfinden, nur in anderer Trägerschaft”, betonte der Minister.

Nicht der erste Rettungsversuch Um die Verluste der West Spiel GmbH zu reduzieren, verkaufte das Land bereits 2014 für 120 Mio. Euro zwei Werke des Künstlers Andy Warhol. Der Verkauf war sehr umstritten. Lienenkäm-

per versicherte daher, dass die wertvolle Kunstsammlung der Westspiel GmbH im Falle einer Privatisierung nicht veräußert werde. Stattdessen sollen die Exponate der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bereits vor zwei Jahren forderte die Opposition im Landtag den Verkauf der Casino-Tochter: Das höchst fragwürdige Finanzgebaren bei West Spiel würde sich sofort ändern, wenn ein privater Eigentümer und nicht mehr der Steuerzahler für die Verschwendungssucht aufkommen müsse, meinte FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel. Doch der damalige NRWFinanzminister Walter-Borjans (SPD) schloss damals einen Verkauf aus: “Privatisierung ist keine Option”, so Borjans.

Null. Schuldet der Bürger dem Finanzamt aber Geld, das er zurückzahlen muss, dann sollten sich seine Nachzahlungszinsen an Zinsen für Kredite orientieren. Bei Bund und Ländern sah man jedoch keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, den Zins zu ändern. Schäfers Vorschlag verlief sich damit im Sand. “Die Politik hat hier zu lange tatenlos zugeguckt”, kritisierte Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer. Da auf seine Initiative, die er vor mehr als zwei Jahren angestoßen hatte, seitens des Bundes und der Länder dazu immer noch nichts passiert sei, bereite er nun eine Gesetzesin-

itiative vor, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. Auch der Bundesfinanzhof kritisierte die Untätigkeit des Staates. Zwar habe der Gesetzgeber das Problem erkannt, “aber gleichwohl bis heute nichts getan hat, obwohl er vergleichbare Zinsregelungen in der Abgabenordnung und im Handelsgesetzbuch dahingehend geändert hat”. Unterm Strich ist die öffentliche Hand scheinbar auch Gewinner dieser Zinsregelung. So hat eine Anfrage der Grünen beim Bundesfinanzministerium ergeben, dass der Saldo aus Nachzahlungs- und Erstattungszinsen in den vergangenen Jahren stets positiv war. 2013 nahmen Bund, Länder und Gemeinden knapp 1,3 Milliarden Euro ein. 2016 waren es mit 670 Millionen Euro deutlich weniger Einnahmen, aber dennoch eine hohe positive Summe. Doch der erste Blick trügt. In den Daten des Bundesfinanzministeriums sind nicht die Zinsen für die Gewerbesteuer enthalten. Und die kommen viele Gemeinden teuer zu stehen.

Hohe Belastungen durch Gewerbesteuerrückzahlungen “Kommunen können von der sechs-Prozent-Zinsregelung finanziell hart getroffen werden”, warnt daher auch der Städteund Gemeindebund. Wenn vor

allem Gewerbesteuerzahlungen beklagt würden und dies zu einer Rückzahlungspflicht der Gemeinden an das Unternehmen führe, könne es rasch zu millionenschweren Verlusten im kommunalen Haushalt kommen. “Wir haben immer wieder den Eindruck, dass Unternehmen geradezu versuchen, hohe Steuerzahlungen an die Gemeinden vorzunehmen, um diese nach Einspruchs- und Klageverfahren mit sechs Prozent Zinsen wieder erstattet zu bekommen”, so Landsberg. Vor allem die Vollverzinsung über den gesamten Zeitraum eines Rechtsverfahrens, das sich über viele Jahre hinziehen kann, führe zu immensen Belastungen für die kommunalen Haushalte. Die gerade in dieser Niedrigzinsphase die Steuermittel auch nicht ertragreich anlegen könnten. “Im Gegenteil, bei kommunalen Anlagen droht sogar ein negativer Strafzins”, so der DStGB. Auch der Bund musste mit dem Gerichtsurteil zur Brennelementesteuer eine hohe Zinszahlung an die Energieversorger leisten. Für den Zeitraum von 2011 bis 2016 müssen rund 6,3 Milliarden Euro zurückgezahlt werden, zusätzlich der üppigen Erstattungszinsen. Sollte der Gesetzgeber das Thema angehen, müsste dieses Problem dringend gelöst werden, fordert der Kommunalverband. Zudem sollten die Landesfinanzverwaltungen verpflichtet werden, die Gemeinden über steuerliche Einspruchsverfahren mit einer größeren Summe unter Wahrung des Steuergeheimnisses zu informieren, damit sich die betroffenen Gemeinden auf etwaige Rückzahlungspflichten einstellen können.

Neue Besteuerung für die Digitalwirtschaft Jahreskonferenz der Finanzminister (BS/lkm) Die Finanzminister der Länder haben die Besteuerung der digitalen Wirtschaft und den Umsatzsteuerbetrug beim Onlinehandel in den Mittelpunkt ihrer Jahrestagung am 25. Mai 2018 in Goslar gestellt. Die Unternehmensbesteuerung knüpft bisher an Betriebsstätten als Orte der Wertschöpfung an, in denen Produkte wie Autos oder Maschinen erzeugt werden. Bei der Besteuerung von Unternehmen mit rein digitalen Geschäftsmodellen stößt dies an Grenzen. Diese Unternehmen erbringen Dienstleistungen im Internet, ohne selbst in Deutschland ansässig zu sein und ohne dass sich exakt bestimmen ließe, an welchem Ort bei ihren OnlineDiensten die eigentliche Wertschöpfung stattfindet. “Bei digitalen Geschäftsmodellen ist eine faire und angemessene Besteuerung nicht nur wichtig, um die Einnahmen für die öffentlichen Haushalte zu sichern. Es geht vor allem um Steuergerechtigkeit und gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Internet-Unternehmen und der herkömmlichen Wirtschaft, für die ein gemeinsamer Rechtsrahmen geschaffen werden muss”, sagte der sächsische Finanzminister Dr. Matthias Haß. Der Steuergesetzgeber müsse sich diesen Herausforderungen stellen. Neben dem Anliegen, die Gewinne von Internet-Unternehmen dort zu besteuern, wo sie erwirtschaftet werden, haben die Länderfinanzminister auch die Frage der steuerlichen Behandlung der kommerziellen Verwertung von Nutzerdaten erörtert.

Umsatzsteuerbetrug beim Onlinehandel Die Finanzminister der Länder haben Ende Mai auch Haftungsregelungen für Betreiber von elektronischen Marktplätzen, wie Amazon, beschlossen. Hier kommt es zu erheblichen Steuerausfällen in dreistelliger Millionenhöhe, da einige Händler aus Drittstaaten ihre Um-

Beim Onlinehandel kommt es zu Steuerausfällen in dreistelliger Millionenhöhe, da einige Händler aus Drittstaaten ihre Umsätze nicht ordnungsgemäß in Deutschland versteuern. Mit einem Gesetzesentwurf wollen Bund und Länder dem einen Riegel vorschieben. Foto: BS/Thorben Wengert, pixelio.de

sätze nicht ordnungsgemäß in Deutschland versteuern. Um diese betrügerischen Handlungen einzudämmen, haben Bund und Länder gemeinsam einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Haftungsregelung für nicht entrichtete Umsatzsteuer erarbeitet. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Betreiber von elektronischen Marktplätzen für die nicht entrichtete Umsatzsteuer auf Lieferungen haften, die Händler über die jeweilige Onlineplattform ausführen. Betreiber von Onlineplattformen haften, wenn Händler ihnen keine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts über die steuerliche Registrierung vorlegen. Außerdem haften Betreiber des elektronischen Marktplatzes, wenn sie nicht registrierte oder steuerunehrliche Händler weiter auf dem elektronischen Marktplatz gewähren lassen. Das Gesetz soll bereits zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Ab dem 1. Januar 2021 soll dem möglichen Umsatzsteuerbetrug beim Onlinehandel zudem dadurch begegnet werden, dass

die Betreiber von elektronischen Marktplätzen über eine bloße Haftung hinaus in die Pflicht genommen werden. Wenn Unternehmen aus Staaten außerhalb der Europäischen Union Waren innerhalb der Europäischen Union an Verbraucher liefern, gilt dann: Die Mehrwertsteuer wird grundsätzlich von den Onlineplattformbetreibern und nicht mehr von den Anbietern erhoben. Ziel des Gesetzes sei es, dass sich auch ausländische Onlinehändler in Deutschland steuerlich registrieren lassen. “Die neue Regelung nimmt die Betreiber der Plattformen in die Pflicht. Das ist auch der wichtigste Hebel. Denn es ist schon erstaunlich zu sehen, dass bisher Marktplatzbetreiber den Händlern ein “Rund-umsorglos-Paket” von der Lagerung über die Verpackung bis hin zur Lieferung der Waren angeboten haben, die Information zur Umsatzsteuerpflicht aber für nicht erwähnenswert hielten”, kommentierte Berlins Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen den Gesetzentwurf.


Zahlen und Fakten

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Behörden Spiegel / Juni 2018

Staatliches Lotto in Zahlen (BS/lkm)1955 zog die damals zwöl˜ ährige ElviGesamtspieleinsatz ra Hahn als erste “Lottofee” die allererste Zahl der 2016 2017 deutschen Lottogeschichte – es war die 13. Trotz dieser Unglückszahl ° orierte das Geschä˛ . Lotto garantierte dem Staat über Jahrzehnte milliardenschwere Einnahmen. Doch 2006 kam die Wende. Die Umsätze brachen ein und haben sich seitdem nie vollständig erholt. Gründe sieht die Branche u. a. in der aktuGelder für Fördermittel ellen Glücksspielregulierung und den ° orierenden und Länder Gewinne Lotteriesteuer Schwarzlotterien. 3,5 Mrd. Euro 1,2 Mrd. Euro 1,6 Mrd. Euro (49 %)

(16,7 %)

-3,6 %

Betriebskosten und Provisionen für Annahmestellen

0,8 Mrd. Euro

(22 %)

(12 %)

Umsätze der staatlichen Lotteriegesellschaften Nach Schätzungen soll der deutsche Lotte-

riemarkt bis 2019 um lediglich 0,8 Prozent

Spieleinsätze in Millionen Euro

8.000

7.051

7.900

expandieren, während für andere europäische

2009–2011 untersagte der GlüStV den Internetvertrieb

Länder zweistellige Wachstumsraten prognostiziert werden.

7.000 6.979

6.791 2006 staatliches Sportwettenmonopol gekippt

6.000

Marktanteil am regulierten Markt

2006 2007

2008

Spieler in der Bevölkerung

15,1 %

35,5 %

6.500 2009

2010

6.414 2011

Seit 2012 ist der Vertrieb über das Internet wieder zulässig 2012 Start Eurojackpot

2012

2013

Vertriebsstellen

2014 2015

2016

2017

Arbeitsplätze

ca. 23.000

ca. 88.000

35,5 %

Spieleinsätze der Gesellschaften im Deutschen Lotto- und Totoblock Im Jahr 2015 spielten rund 24 Millionen Lottospieler für durchschnittlich

durchschnittlicher

311 Euro pro Jahr. Statistisch liegt das durchschnittliche Verlustrisiko bei 50 % und damit 155 Euro pro Jahr.

Einsatz pro Spieler im Jahr

durchschnittlicher

Verlust pro Spieler im Jahr 155 Euro

311 Euro

pro Jahr

pro Jahr

Schwarzlotterien sind Wetten auf den Ausgang der ZiehunWerbeausgaben für „schwarze

Schwarzlotterien bedrohen Lotto Werbevolumen der 16 staatlichen

WERBUNG

Landeslotteriegesellschaften: 78 Mio. Euro (2017)

Wetten auf Lotterienʺ: 79 Mio. Euro (2017)

WERBUNG

Die Schwarzlotterien machen trotz Verbot

mehr Werbung als die 16 staatlichen Lottogesellschaften zusammen.

Quellen: Deutscher Lotto- und Totoblock (DLTB), Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder, Werbestatistik Nielsen Media Research, Global Betting and Gaming Consultants Illustrationen: BS/Liesegang, unter Verwendung von ©vasilyrosca, fotolia.com; ©Sid10, fotolia.com; ©fotomek, fotolia.com; Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.

gen der staatlichen Lotterien und täuschen die Teilnahme am Original LOTTO vor. Die Angebote

bilden dabei oft 1:1 das staatli-

che Lottoangebot ab und wirken auf diese Weise für den deut-

schen Verbraucher vertraut und legitim.

Schwarzlotterien sind nach deutschem Glücksspielrecht nicht

erlaubnisfähig und stellen unerlaubtes Glücksspiel dar.


Vergaberecht

Behörden Spiegel / Juni 2018

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Rahmenvereinbarung soll Umsetzung gewährleisten und Vielfalt sichern (BS/Jörn Fieseler) 1, 5 Mio. Wohnungen will die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode schaffen, um die Wohnungsmärkte vor allem in den Ballungszentren zu entlasten. Ein ambitioniertes Ziel, das nur erreicht werden kann, wenn standardisiert bzw. seriell gebaut wird. Deshalb hat der Bundesverband “Die Wohnungswirtschaft” als Vergabestelle eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, um die Umsetzung zu ermöglichen. Aber leidet dann nicht die architektonische Vielfalt oder Qualität? Kommt es zu Einheitsbauten landauf, landab? Was heißt das für die Individualität von Stadtteilen? “Ohne serielles Bauen werden wir die Entspannung auf den Wohnungsmärkten nicht erreichen”, prophezeit Dr. Heiko Stiepelmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie. Um das Gesamtziel der Bundesregierung umzusetzen, müssten jährlich 375.000 Wohnungen gebaut werden. Doch schon 2017 lagen die Fertigungsergebnisse mit 285.000 Wohnungen hinter den Erwartungen von Politik und Baugewerbe zurück. “Wenn die Neubaulücke noch in dieser Legislaturperiode geschlossen werden soll, dann müssen wir dem industriellen Bauen von Wohnungen eine neue Chance geben”, schlussfolgert Stiepelmann.

Planungsphase ist entscheidend Hinsichtlich der Qualität müsse aus Sicht der Kommunen der Standard, insbesondere im Hinblick auf die Baukultur, gewahrt werden, unterstreicht Norbert Portz, Beigeordneter im Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB). “Hier kann die Durchführung vereinfachter und zeitlich schneller Wettbewerbsverfahren dazu führen, dass durch serielle Bauweisen nicht nur kostengünstig, sondern auch architektonisch hochwertig gebaut wird.” Daher sollten schon frühzeitig in der Planung, entweder durch Planungswettbewerbe oder aber in der Ausschreibung, entsprechende gestalterische Qualitätsstandards vorgegeben werden, rät der Beigeordnete. “Die Einhaltung der baukulturellen Qualität beim seriellen und modularen Bauen muss daher gleichermaßen von den Kommunen, der Wohnungswirtschaft, den Architekten und Ingenieuren sowie auch den Bauunternehmen als maßgebliches Ausschreibungskriterium berücksichtigt

1,5 Mio. Wohnungen sollen bis 2021 gebaut werden. Das geht nur mittels Standardisierung und seriellem bzw. modularem Bauen. Entsprechend wird sich das Bild von Stadtteilen verändern. Damit es nicht zu gesichtslosen Einheitsbauten kommt, sind besondere Ansprüche an die Qualität zu stellen. Dem ist nun Genüge getan worden. Foto: BS/© Calado, Fotolia.com

werden und insbesondere bei der äußeren Gestaltung als auch bei der Materialauswahl zum Tragen kommen.” So könne gewährleistet werden, dass serielles und standardisiertes Bauen durch innovative Partnerschaften von Planern und Bauausführenden die notwendige Baukultur und architektonische Qualität schaffe und nicht zu uniformen Großsiedlungen führe. Diesbezüglich herrscht Einigkeit zwischen der Bauwirtschaft, der Bundesarchitektenkammer (BAK) und den Vertretern der Auftraggeberseite. Dies zeigt sich auch im kürzlich abgeschlossenen Rahmenvertrag des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) im Schulterschluss mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), der Deutschen Bauindustrie und der BAK. “Ich bin überzeugt davon, dass mit diesem Ausschreibungsverfahren ein neues Kapitel der seriellen und modularen Bauweisen aufgeschlagen wurde. Heute wird der Grundstein dafür gelegt, dem seriellen und modularen Bauen in Deutschland neuen Auftrieb zu verleihen”, sagt Bau-

qanuun-aktuell Urheber und andere Verdächtige von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Gelegentlich fragt man sich, wer der Urheber dieser oder jener Gesetzesidee sei. Zeigte der Bundestag, vor allem die Regierungsfraktionen, in früheren Legislaturperioden ein größeres Engagement im Verfassen von Gesetzentwürfen, räumt er zunehmend das Feld für die Exekutive. In der 18. Legislaturperiode gingen 87,9 Prozent der verabschiedeten Gesetzentwürfe auf Regierungsvorlagen zurück. Bedenkt man dann noch, dass – je nach Thema – der Anteil der Gesetzesvorhaben, die europarechtlich determiniert sind, fast vergleichbar hoch ist, wird klar, dass die Frage nach der Ursprungsidee ihre Berechtigung hat. Für das Rechtsgebiet Integrität und Compliance darf man feststellen, dass vor allem die Judikative bereits des Öfteren wesentliche Impulse gesetzt hat. Die §§ 299a, 299b StGB wären ohne ein maßgebliches Urteil des BGH von 2012 nicht verabschiedet worden. Der gegenwärtige Regelungsdruck aus der EU zum Thema externes Whistleblowing greift eine Entscheidung des EGMR von 2011 auf, in der dieser der Bundesrepublik aufgegeben hatte, etwas zu unternehmen. Passiert ist seitdem nur wenig,

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

das dürfte sich bald ändern. Die Prüfungen der Rechnungshöfe zeigen ebenfalls ihre Wirkung, wenn auch häufiger auf der untergesetzlichen Regelungsebene. Verwaltungsvorschriften zum Sponsoring oder zur Beschäftigung Externer in Bundesbehörden wären ohne sie nicht geschrieben worden. Und wer hat die Gerichte und Rechnungshöfe inspiriert? Wache Bürger, NGOs, Interessenvertreter, Lobbyisten, Medien und auch die Oppositionsfraktionen. Umwege erweitern insoweit die Ortskenntnis und zeigen, dass die Frage der Urheberschaft eines Gesetzes in einer Demokratie eher ein Mysterium bleibt.

Staatssekretär Gunther Adler aus dem BMI.

Gleichrangige Kriterien: Qualität und Preis Insgesamt neun Unternehmen haben am Ende den Zuschlag für ihre Wohnungskonzepte erhalten. Ursprünglich hatten sich 50 auf die Teilnahme an dem Verhandlungsverfahren beworben, 15 davon kamen in die engere Wahl. Maßgeblich für den Zuschlag war eine hälftige Wertung von Qualität und Innovation sowie Angebotspreis, Lieferfähigkeit, Instandsetzungsund Wartungsaufwand. In beiden Kriterien konnten maximal 100 Punkte erreicht werden, wobei hinsichtlich der Qualität zwischen städtebaulicher und architektonischer Qualität (30 Prozent), funktionalen Ansprüchen (ebenfalls 30 Prozent), ökologischen sowie technologischen Aspekten (jeweils 20 Prozent) unterschieden wurde. Trotzdem hatte man in der Bundesarchitektenkammer im Vorfeld Bedenken, sich an dieser Ausschreibung zu beteiligen. Aber: “Das Ergebnis dieses Verfahrens zeigt, dass anspruchsvolle Architektur und serielles Bauen sich nicht zwingend ausschließen”, betont BAK-Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann. Ohne die Mitwirkung von Architekten wäre dies sicher nicht der Fall”, ist sie sich sicher. Überhaupt dürfe serielles Bauen ausschließlich erfolgen, wenn Architekten daran beteiligt seien. “Wir sehen in der Design-andBuild-Ausschreibung einen wich-

tigen Schritt in Richtung einer vertieften partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Architekten und Baufirmen”, ergänzt Marcus Becker, Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB). In seinem Verband sei man überzeugt, dass gerade beim seriellen Wohnungsbau – insbesondere beim Einsatz von Wohnmodulen – frühzeitig auch die Baukompetenz in die Planung eingebracht werden müsse. Nun müssten sich die entwickelten Vorschläge in der Anwendung und Umsetzung bewähren, so Ettinger-Brinckmann. Dabei bestehe die Herausforderung vor allem in der Einfügung in die städtebauliche Umgebung. Durch die Einbeziehung der Architekten und der hohen gestalterischen Qualität seien die Voraussetzungen dafür gegeben.

Serielles Bauen nicht die einzige Lösung Der Rahmenvertrag markiert aber nicht das Ende der Diskussionen. “Jetzt muss die Politik dafür sorgen, dass neben ausreichend bezahlbaren Grundstücken bundesweit gültige Typengenehmigungen geschaffen werden”, fordert der Präsident des GdW Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Axel Gedaschko. Ähnlich sieht dies der DStGBBeigeordnete Portz: “Das serielle Bauen ist ein Instrument im Instrumentenkasten zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Hierzu gehören weiter die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus, die Aktivierung der Baulandmobilisierung sowie auch die Kostensenkung und der Abbau überflüssiger Standards im Wohnungsbau.” Zu Letzterem müssten die Regelungen des Bauordnungs- und das Baunebenrechts, die Bauordnungen der Länder wie auch die kommunalen Satzungen durchforstet werden, ergänzt Stiepelmann. Außerdem gilt es, bestehende Lücken in begehrten Stadtlagen zu schließen, um den Flächenverbrauch nicht zu steigern. Ein Anliegen, das besonders der BAK und ihrer Präsidentin am Herzen liegt. Dazu gehöre auch das Einfügen kleinteiliger Wohnungen in den urbanen Raum.

Vergaberecht und Vergabemanagement Praxisseminare im September 2018

Vergaberecht für Auftragnehmer und Bieter 13.09.2018, Hamburg

20 wichtigste Entscheidungen im Vergaberecht 14.09.2018, München

Vergaberecht für Anfänger 18.09.2018, Berlin

Vergaben im ÖPNV für Aufgabenträger 18.09.2018, Bonn

Vergabeverfahren und Vertragsgestaltung in agilen IT-Projekten 19.09.2018, Berlin

Vergabe und Gestaltung von Wartungsverträgen 19.09.2018, Berlin

Beschaffung von Postdienstleistungen 20.09.2018, Bonn

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen

Zentrale Vergabestelle: aufbauen – organisieren – gestalten – leiten 26.09.2018 - 27.09.2018, Bonn

Neue EVB-IT Dienstleistung – was ist jetzt zu tun? 27.09.2018, Berlin

Vergabe von Dienstleistungskonzessionen 27.09.2018, Berlin

Detaillierte Information und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

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Qualitätsverluste durch serielles Bauen?


Diplomaten Spiegel

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erlin ist seine erste Diplomatenstelle und ihm Ehre und Verpflichtung. “Der Botschafter ist die Stimme seines Landes. Und gleichzeitig ein aufmerk­ samer Zuhörer im Gastland, der sich für enge Beziehungen und ein wachsendes Verständnis zwischen den Menschen einsetzt, um die Kommunikation kümmert und so die Beziehung zwischen zwei Ländern fördern”, sagt Scheich Al Thani.

Behörden Spiegel / Juni 2018

Für eine bedeutende Rolle Ein Gespräch mit Katars Botschafter Scheich Saoud bin Abdulrahman Al Thani in Berlin (BS/ps) Der Staat Katar liegt an der Ostküste der arabischen Halbinsel und ragt wie ein Sporn in den Persischen Golf. Die Halbinsel ist mit 11.627 km2 etwas kleiner als Schleswig Holstein, was das BIP betrifft jedoch mitnichten. Bei knapp zweieinhalb Millionen Einwohnern des Emirats sind das ansehnliche 127.659 US Dollar für jeden von ihnen jährlich. An Nord- und Ostsee dagegen nur etwas mehr als die Hälfte pro erwerbstätigem Nordlicht. Botschafter Katars in Deutschland ist seit März letzten Jahres Scheich Saoud bin Abdulrahman Al Thani. Der 48-Jährige studiert in den 90er-Jahren Elektrotechnik an der “State University New Mexiko” und Sportmanagement in Lyon. Von 2004 an ist Al Thani in Sachen Sport in leitender Position national und weltweit unterwegs.

Für eine glückliche Zukunft

Gute Beziehungen erleichtern das “Brücken bauen” “Die Bundesrepublik ist eine große Kulturnation, die weltweit Wirtschaft, Politik, Kultur und Humanität mitgestaltet. Natürlich habe ich durch meine derzeitige Position viel Erfahrung sammeln können und möchte die Beziehungen unserer Ländern wachsen lassen. Das erreichen wir, indem wir uns kulturell annähern, Brücken bauen und unsere Zusammenarbeitet stetig erweitern. Es bieten sich immense Möglichkeiten, die von Katar und der Bundesrepublik gemeinsam genutzt werden und unsere Völker, unsere Wirtschaft und Kultur in fruchtbarer Weise näher zusammenbringen können.” Da trifft es sich gut, dass die bilateralen Beziehungen seit über 40 Jahren traditionell sehr gut sind. Katar ist für Deutschland nicht nur ein Schlüsselpartner im Mittleren Osten, auch die ökonomischen Verbindungen sind eng. Eine steigende Anzahl Deutscher leben und arbeiten dort. Derzeit haben 64 deutsche Unternehmen, wie etwa die Allianz, Audi, BMW, Deutsche Bank, Siemens und Thyssen Krupp, Niederlassungen in der Hauptstadt Doha. Insgesamt gibt es mehr als 200 Firmen, die in der Erbmonarchie arbeiten. “Umgekehrt”, so Scheich Al Thani, “haben wir beachtliche Investitionen in deutsche Unternehmen getätigt. In der Mena-Region (“Middle East & North Africa”), sind wir mit über 25 Milliarden Dollar der größte Investor in der Bundesrepublik.”

Unabhängige, selbstbewusste Außenpolitik Weniger “groß” sind dagegen zurzeit die diplomatischen Beziehungen zu Ägypten, Bahrain, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Anfang Juni 2017 brechen die bislang ziemlich besten Freunde diese

Der Botschafter des Staates Katar in Deutschland: H. E. Scheich Saoud bin Abdulrahman Al Thani im Garten der Botschaft

Botschafters Rezept

Für zwei Milliarden Fußballfans ist Doha mit einem nur vierstündigen Flug erreichbar. “Man könnte sagen, dass es an der Zeit ist, die Weltmeisterschaft im Mittleren Osten auszutragen. Mit einer wahrhaft internationalen Atmosphäre, kombiniert mit der berühmten arabischen Gastlichkeit, wird das Turnier es möglich machen, Mauern zu überwinden, Freundschaften zu schließen und Verständnis über alle Kulturen hinweg zu schaffen. Zuletzt ist es auch sehr wichtig, an die junge Generation zu denken, denen wir Hoffnung auf eine glückliche Zukunft geben wollen.” Und noch etwas liegt Botschafter Scheich Al Thani am Herzen, nämlich dass hierzulande mehr über seine Heimat bekannt wird. “Beispielsweise über die touristischen Möglichkeiten, unsere Kultur sowie mehr Berichte über Katar als stabilen Marktplatz für Handel, Logistik und Wertschöpfung. Auch wenn es ein kleines Land ist, so hat es doch durch seine geografische Lage viel anzubieten. Ferner hoffe ich, dass Deutschland seine Führungsrolle in der globalen Wirtschaft wie auch in der Bildung behält und wünsche mir, dass unsere beiden Länder ihre großartige Beziehung weiterführen werden.”

HÄHNCHEN KABSA AUF REIS Zutaten: 1 kg Hühnerfleisch in Stücken, 50 ml Sonnenblumenöl, 2 mittelgroße Zwiebeln, 1 Dose Tomatenmark, 2 geschälte, in Stücke geschnittene Tomaten, 4 Knoblauchzehen, fein gehackt, 2 gewürfelte Möhren, Abrieb einer unbehandelten Orangenschale, 4 Gewürznelken, 4 Körner Kardamom, 3 Stangen Zimt, Salz, Pfeffer, 500 g Reis, 50 g Mandeln, 50 g Rosinen, 50 g Pinienkerne, 700 ml Wasser.

hung.” Katar verfolgt daher kontinuierlich eine unabhängige und selbstbewusste Außenpolitik. Ziel ist es trotz allem, den Einfluss

Zubereitung: Die gehackten Zwiebeln im Öl anschwitzen, Hähnchenfleisch, Tomatenmark, Tomaten, Knoblauch dazugeben und ca. 5 Min. dünsten. 700 ml Wasser über das Hähnchen gießen. Die gewürfelten Möhren, etwas geriebene Orangenschale, Kardamom, Zimt, Nelke, Salz und Pfeffer hinzufügen und bei mittlerer Temperatur ca. 20-25 Min. kochen, bis das Hähnchen gar ist, aus der Brühe nehmen

die Gesellschaft befähigen, ihre Errungenschaften zu bewahren und einen hohen Lebensstandard, auch für künftige Genera-

und warmstellen. Dann den Reis im Topf mit der Brühe auf mittlerer Stufe ca. 35-40 Min. kochen lassen, bis er die Flüssigkeit aufgenommen hat und fertig ist. Die Mandeln und Pinienkerne in Olivenöl goldbraun rösten. Auf einer großen Platte den Reis anrichten, das Hähnchen rundherum oder über den Reis legen. Mit Mandeln, Rosinen und Pinienkernen garnieren.

werden. “The National Vision” ist ein ambitioniertes Programm, das nicht kurzfristig umgesetzt wird. Es bedarf dazu vieler kleiner Schritte”, erläutert der Botschafter.

Sportliche Traditionen, transportables Stadion

Wie aus 1.000 und einer Nacht: Das Botschaftsgebäude Katars in Berlin ist im orientalischen Stil und aus Granit ­erbaut. Fotos: BS/Uli Klose

mit der Begründung ab, Doha unterstütze den Terrorismus, und verhängen eine Blockade zu Land, zu Wasser und zur Luft. “Obwohl diese bedauerlicherweise andauert, konnten wir die weitere Entwicklung vorantreiben und unsere Wirtschaft und Unabhängigkeit stärken. Die Lösung aus der Krise und die Rückkehr zur früheren Zusammenarbeit basieren auf beiderseitigem Res­ pekt der Souveränität und dem Aufbau einer ebenbürtigen Bezie-

“In Katar sehen wir in der Weltmeisterschaft aber auch nicht einfach ein schlichtes Fußballturnier. Vielmehr ermöglicht die Veranstaltung es den Menschen, sich zu treffen und gemeinsam die größte Sportveranstaltung der Welt auf arabischem Boden zu feiern. Meine Regierung ist der festen Überzeugung, dass dieses zur Entwicklung des Landes und der ganzen Region beiträgt.”

in der arabischen Welt sowie die Unabhängigkeit und Stabilität des Landes zu gewährleisten. So beschließt die Regierung schon 2008 die “Qatar National Vision 2030”, “um es zu einem der modernsten Staaten der Erde zu entwickeln”.

Nachhaltig und menschlich “Dieses Zukunftsbild besteht aus vier Säulen für die menschliche, soziale, ökonomische und ökologische Entwicklung und soll

tionen, zu sichern. Das alles hat hohen moralischen Standards gerecht zu werden und so eine bedeutende Rolle in der globalen Gemeinschaft zu spielen.” “Um diesen Anspruch zu erfüllen, setzt der Staat Katar in der Wirtschaft auf die Prinzipien von Wettbewerb und Vielfalt. Und alle diese Vorhaben werden durch den Umweltschutz verbunden, mit dem das Wirtschaftswachstum als auch die soziale Entwicklung in Einklang gebracht

Gut Ding will Weile haben. Doch manche – meist eine höhere “Güteklasse” anstrebend – dauern gerne etwas länger, wie etwa die Fußball-WM. 2008 beschließt die FIFA in Tokio, dies über die WMVergabe 2018 und 2022 gleichzeitig zu tun. Und die Winner sind: Russland und Katar. Letzteres mag vielleicht noch nicht überall als Fußballnation gelten und genügend Stadien haben, in denen es dann - aufgrund der Nähe des Landes zum Persischen Golf - zu schwül und zu heiß wäre, um dort zu kicken. “Ich möchte Sie kurz korrigieren”, lächelt Saoud Al Thani nachsichtig, “tatsächlich gibt es eine Sport- und sogar eine fußballerische Tradition bei uns. Denken Sie nur an die ­“FIFA World Youth Championship” 1981 in Australien, wo wir nach Deutschland den zweiten Platz belegten. Des Weiteren sind in Katar bereits viele Großveranstaltungen ausgerichtet worden. Darunter vier Weltmeisterschaften verschiedener Sportarten und nächstes Jahr kommt die Leichtathletik-Weltmeisterschaft dazu, das drittgrößte Sportevent der Welt.” “Was die Stadien betrifft, haben wir große Fortschritte gemacht. Das “Khalifa International Stadion” von 1976 wurde aufwendig renoviert. Vier weitere werden in

den kommenden zwei Jahren eröffnet. Darunter ist auch das “Al Bayt Stadion” in Al Khor. Der Name ist angelehnt an “bayt al sha‘ar”, das traditionelle Nomadenzelt der Stämme am Golf. Genau wie ein Zelt wird auch das Stadion transportabel sein und steht damit symbolisch für innovative, grüne Architektur und Nachhaltigkeit.”

Kein schlichtes Fußballturnier “Was das Wetter betrifft, können wir Sie beruhigen, da November und Dezember bei uns beste Bedingungen für das Turnier bieten: Die Weltmeisterschaft wird vom 21. November bis 18. Dezember ausgetragen. Die Temperaturen liegen dann zwischen 15 und 24 Grad. Nicht nur die beste Zeit, den Mittleren Osten zu besuchen, sondern auch um die Spiele zu zelebrieren.”

Schmücken den Empfangssaal: Lampen, deren Sockel von heimatlichen Künstlern angefertigt wurden.

Kamel und Computer Dem ist nichts mehr hinzufügen, außer vielleicht noch kurz zu berichten, wie sehr in Katar doch Tradition und Moderne einhergehen: Kamel und Computer. Bei Kamelrennen, dem Nationalsport, ist der Einsatz von Kinderjockeys verboten. Die Rute sollen dafür mehr und mehr noch leichtere Roboter-Jockeys schwingen. Sie sind über GPS mit den Kamelbesitzern verbunden, die so per Joystick ihre Tiere antreiben können. Deren Höchstgeschwindigkeit liegt dabei bei bis zu 60 Stundenkilometern...

Besonderer Hingucker: Eine Fotogalerie, die dokumentiert, wessen Hände Scheich Al Thani schon geschüttelt hat.


-2710*

Justiziariat; Geheimschutz; Personalausgaben; Vergabestelle MinR‘in Christina Laun -3070 RD‘in Anne-Katrin Pfeiffer -3142

Referat Z 14

Organisation und Organisationsentwicklung MinR‘in Dr. Annette van Edig -3026 MinR‘in Julia Wegner -3028

Referat Z 13

Personal Ausland, Personalentwicklung, Aus- und Fortbildung MinR‘in Susanne Schraa -3820

Referat Z 12

Allgemeine Personalangelegenheiten Michael Plesch -3002

Referat Z 11

Haushalts-, Kassenund Rechnungswesen MinR‘in Constanze Neher -3030

Protokoll MinR‘in Lucia de Carlo -2830

Referat Z 25

Sprachendienst MinR Frank Sohler -3168

Referat Z 24

PG-MIT** (Gruppenleitung) RD‘in Birgit Wendling -3607

IT-Entwicklung und IT-Organisation RD Dr. Michael Schloms -3390

Referat Z 23

Informations- und Kommunikationstechnik RD Ulrich Kaltenbach -3350

Referat Z 22

Außenrevision MinR‘in Monika Westphal -3090

Referat Z 21

Innerer Dienst RD Klaus Terhag -3050

Referat Z 20

Zentrale Dienste; Außenrevision; IT-­ Beauftragter; Umwelt­managementvertreter MinDirig Ulrich van Bebber -3000 / -2000*

Haushalt; Personal;­ Organisation; Justiziariat MinDirig Dr. Uwe Schmidt -3900 / -2900*

Referat Z 10

Unterabteilung Z 2

Unterabteilung Z 1

Referat 112

Digitalisierung in der EZ NN

Referat 102

KfW, DEG – Gremien und FZ-Instrumente RD Lars Nieder -3560

Evaluierung und Ressortforschung DEval, DIE MinR‘in Michaela Zintl -3120

Referat 105

Referat Z 35

Compliance, Zuwendungsrecht, Beteiligungsführung NN

Verfahren der FZ und TZ -3890 NN

Referat 104

GIZ – Steuerung, Gremien und TZInstrumente MinR‘in Julia Kaiser -3040

Medien, Kultur, Kreativwirtschaft, Sport RD‘in Friederike Kärcher -2263*

Referat 115

Nachhaltige Lieferketten, Nachhaltigkeitsstandards RD‘in Anosha Wahidi -2665*

Referat 114

Sonderinitiative Ausbildung und Beschäftigung NN

Referat 113

Handelspolitik MinR‘in Daniela Zehentner-Capell -2040*

Planung und Finanzmanagement der bilateralen EZ NN

Referat 103

Referat 111

Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, Nachhaltige Wirtschaftspolitik MinR‘in Anja Wagner -2060* RD Dr. Michael -2424* Wimmer

Referat 110

Wirtschaft; Handel; Beschäftigung; Digitalisierung NN

Unterabteilung 11

Referat 101

Grundsatzfragen der bilateralen Zusammenarbeit, Schwellenländer MinR‘in Dr. Gabriele Geier -3540

Referat 100

Grundsatzfragen der bilateralen Ent­ wicklungszusammen­ arbeit MinDirig‘in Dr. Ariane Hildebrandt -3190

Unterabteilung 10

Entwicklungspolitische Bildungsarbeit Dr. Iris-Angela Müller -2980*

Referat Z 34

Länder, Kommunen MinR‘in Dr. Doris Witteler-Stiepelmann -2860*

Referat Z 33

Bürgerschaftliches Engagement, weltwärts, Engagement Global RD‘in Annette Chammas -3830

Referat Z 32

Kirchen, Politische Stiftungen, Sozialstrukturförderung, Grundsätze Religion und Entwicklung MinR Michael Fiebig -4670

Referat Z 31

Grundsatzfragen der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, private Träger MinR Dr. Andreas Foerster -3310

Referat Z 30

Zivilgesellschaft NN

Unterabteilung Z 3

-2036*

Persönliche Referentin RD‘in Dr. Tania Fabricius -3413 / -2413*

Datenschutzbeauftragter Ulrich Geringer

Staatssekretär Martin Jäger -2412*

Foto: BS/©SA 3.0 DE

Minister Dr. Gerd Müller

Westafrika II MinR‘in Birgit Pickel -3630

Referat 203

Sahel, Westafrika I MinR Ronald Meyer -3665

Referat 202

Nordafrika, Mittelmeerpolitik MinR‘in Bettina Horstmann -3970

Referat 201

Afrikapolitische Grundsätze und Initiativen NN

Referat 200

Afrika MinR Dr. Stefan Oswald -3600/-2600*

Unterabteilung 20

Beauftragte für UNICEF Dr. Ulla Mikota

Rückkehr, Reintegration RD Dr. Bernhard Braune -2250*

Ansprechperson für Korruptionsprävention RD‘in Dr. Nicole Maldonado Pyschny APKorruptionspraevention@bmz.bund.de 3851

Südamerika, Brasilien MinR Christoph Rauh -3588

Referat 304

Regionale Entwicklungspolitik, Mittelamerika, Karibik, Mexiko MinR‘in Ulrike Metzger -3580/-2230*

Frieden und Sicherheit, Katastrophenrisikomanagement MinR Dr. Thomas Helfen -2110*

Referat 224

Referat 303

Südost- und Osteuropa, Südkaukasus MinR Dirk Schattschneider -2890*

Referat 302

Naher Osten II MinR‘in Christine Toetzke -3150/-2880*

Referat 301

Naher Osten I, Grundsatzfragen der Zusammenarbeit mit dem Nahen Osten und MENA MinR Klaus Krämer -3490

Referat 300

Nahost /MENA; Südost- und Osteuropa; Lateinamerika; Beauftragte für Nahost/MENA; Südost- und Osteuropa; Lateinamerika MinDirig‘in Dr. Christiane Bögemann-­Hagedorn -4400

Unterabteilung 30

Indien, Südasien MinR Dr. Wolfram Klein -3470

Referat 313

Afghanistan, Pakistan RD Dr. Henning Plate -2421*

Referat 312

China, Zentralasien, Ostasien, Laos und Kambodscha MinR‘in Katrin Oellers -3505 MinR Klaus Supp -2030*

Referat 311

Grundsatzfragen der Zusammenarbeit mit Asien, Südostasien, Indonesien Jutta Kranz-Plote -3460

Referat 310

Asien; Asienbeauftragte MinDirig‘in Gisela Hammerschmidt -3110

Unterabteilung 31

-3660

Klimafinanzierung MinR‘in Kordula Mehlhart -3213

Referat 414

Klimapolitik MinR Philipp Knill -3745

Referat 413

Wasser, Stadtentwicklung, Mobilität MinR Franz-Birger Marré -3783

Referat 412

Energie, Infrastruktur, Rohstoffe MinR Dr. Sören Dengg -3180 Tom Pätz -3971

Referat 411

Umwelt, nachhaltige Ressourcennutzung, Biodiversität, Meeresschutz MinR‘in Ulrike Haupt -3520

Referat 410

Umwelt; Energie und Infrastruktur MinDirig‘in Dr. Tania Rödiger-Vorwerk -3210

Unterabteilung 41

Vereinte Nationen MinR Dr. Sebastian Paust -3640

Unterabteilung 504

Regionale Entwicklungsbanken, IFAD RD‘in Sigrid SchenkDornbusch -5560*

Unterabteilung 503

Weltbankgruppe, IWF, Entschuldung MinR Bernd Gruschinski -5510*

Unterabteilung 502

EU-Entwicklungs­ politik und Außenhandeln MinR‘in Marita Steinke -4440

Unterabteilung 501

Grundsatzfragen der EU NN

Unterabteilung 500

Europäische Union und multilaterale Entwicklungspolitik NN

Unterabteilung 50

EU-Beauftragter MinDirig Dr. Rolf Steltemeier

Wirksamkeit und Transparenz, Qualitätsstandards MinR Uwe Gehlen -3880 MinR‘in Dorothea Groth -3880

Unterabteilung 513

Entwicklungsfinan­ zierung, Geberpartnerschaften MinR Stephan Ohme -5543* MinR‘in Katharina Peter -5536*

Unterabteilung 512

OECD/DAC, ODAStatistik MinR‘in Kerstin Faehrmann -2180*

Unterabteilung 511

Grundsatzfragen der multilateralen Entwicklungspolitik, G7/G20 MinR Dr. Roger Fischer -2530*

Unterabteilung 510

Globale Prozesse; Entwicklungsfinanzierung MinR Dr. Roger Fischer (kommissarisch) -3250/-2466*

Unterabteilung 51

-2090*

Abteilung 5 Internationale Entwicklungspolitik MinDirig Dominik Ziller -3700 / -5500*

Kooperationsstelle Deutsch-Griechische Versammlung RD Dr. Josef Karl -3323 / -2323*

Referat 404

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Gesundheit, BevölkeMöglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App rungspolitik, Soziale Sicherung zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle AusMinR Heiko Warnken gaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store -3530 und Amazon Appstore.

Bildung MinR Roland Lindenthal

Referat 403

Menschenrechte, Gleichberechtigung, Inklusion MinR‘in Dr. Heike Kuhn -3730 MinR‘in Annette Seidel -3710

Referat 402

Sektorale und thematische Grundsätze, Governance, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit MinR Daniel Kempken -3680

Referat 401

Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, Reduzierung von Armut und Ungleichheit RD Gottfried von Gemmingen-Guttenberg -3436

Referat 400

Demokratie; Menschenrechte; Gleichberechtigung; Soziale Entwicklung MinDirig Hans-Peter Baur -3100

Unterabteilung 40

Beauftragter für nachhaltige Entwicklungsziele MinDirig Dr. Ingolf Dietrich -3750 Beauftragter für Klimapolitik und Klimafinanzierung MinR Frank Fass-Metz -3736

Abteilung 4 Globale Zukunftsaufgaben MinDir‘in Ingrid-Gabriela Hoven -3400 / -2400*

Parlamentarischer Staatssekretär Norbert Barthle -2322*

poststelle@bmz.bund.de www.bmz.de

Tel.: +49 (0) 30 18 535-0 Fax: +49 (0) 30 18 535-2501

Dienstsitz Berlin Europahaus Stresemannstraße 94 10963 Berlin

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Stand: Juni 2018

Tel.: +49 (0) 228 99 535-0 Fax: +49 (0) 228 99 535-3500

Dienstsitz Bonn Dahlmannstraße 4 53113 Bonn

Persönlicher Referent RD Dr. Josef Karl -3323 / -2323*

Abteilung 3 Naher Osten; Asien; Lateinamerika; Südost- und Osteuropa MinDir‘in Prof. Dr. Claudia Warning -3800 / -2800*

Wirksamkeit und Transparenz NN

Interne Revision RD‘in Dr. Bettina Kellersmann -3629

Legende Aufgaben werden in Bonn wahrgenommen Aufgaben werden in Berlin wahrgenommen Aufgaben werden in Bonn und Berlin wahrgenommen * Durchwahlnummer Dienstsitz Berlin ** Projektgruppe Modernisierung der IT-Systeme der bilateralen EZ

Referat 223

Krisenbewältigung, Übergangshilfe, Wieder­aufbau, Infra­struktur im Krisenkontext MinR‘in Christiane Hieronymus -3790

Referat 222

Fluchtursachen mindern, Beschäftigungs­ offensive Nahost RD‘in Dr. Silvia Morgenroth -2780*

Referat 221

Grundsatzfragen Flucht und Migration MinR‘in Ilse Hahn -2930* RD‘in Gundula WeitzHuthmann -2961*

Referat 220

Flucht und Migration; Krisenprävention und -bewältigung; Beauftragte für Flüchtlingspolitik MinR‘in Dr. Elke Löbel -3532

Unterabteilung 22

Merve Kilic Jugend- und Auszubildendenvertretung JAV@bmz.bund.de -3216

Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Karl-Heinz Schott Karl-Heinz.Schott@bmz.bund.de -3616

Karl-Heinz Schott -3616/-3617

Südliches Afrika, Südafrika MinR Alois Schneider -3590

Referat 213

Ostafrika MinR Niels Breyer -3722

Referat 212

Zentralafrika NN

Referat 211

Zusammenarbeit mit panafrikanischen Partnern MinR Yiannis Neophytou -3650

Referat 210

Persönlicher AfrikaBeauftragter der BK‘in; Afrikabeauftragter des BMZ Günter Nooke -2050

Unterabteilung 21

-3420

Abteilung 2 Marshallplan mit Afrika; Flucht und Migration MinR Dr. Stefan Oswald -3600 / -2600*

Personalrat, Vorsitzender Personalrat@bmz.bund.de

Ländliche Entwicklung, Landrechte, Wald, Tierhaltung NN

Referat 122

Internationale Agrarpolitik, Landwirtschaft, Innovation NN

Referat 121

Ernährungssicherung, Grundlagen der Welternährung, Fischerei MinR‘in Dr. Heike Henn -3267

Referat 120

Ernährung; Ländliche Entwicklung; Natürliche Ressourcen; Beauftragter für die Sonderinitiative EINEWELT ohne Hunger MinDirig Dr. Stefan Schmitz -3735

Unterabteilung 12

-2863* -2470* -2407*

Stab Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen MinR Stephan Bethe RD‘in Dr. Julia Lehmann RD‘in Dr. Veronika Ulbert

Gleichstellungsbeauftragte RD‘in Birgit Gerhardus

-3016

Abteilung 1 Grundsatzfragen; Wirtschaft; Handel; ländliche Entwicklung MinDir Gunther Beger -3200 / -2200

Abteilung Z Zentralabteilung; Zivilgesellschaft; Kirchen MinDirig Dr. Bernhard Felmberg (kommissarisch) -2300*

Persönlicher Referent RR Lars Becker -3333 / -2333*

-2310*

Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth -2332*

-2810* -2812*

Referat L 5 Parlament und Kabinett, Verfahren und Koordinierung RD‘in Anna Gohl RD‘in Dr. Heike Litzinger

Referat L 3 Reden und Texte Holger Ehmke MinR‘in Karen Pfundt

-2080* -2570*

Referat L 4 Presse, digitale Kommunikation, Medien RD Dr. Olaf Deutschbein -2453*

Referat L 2 Politische Analyse und Planung NN

Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit Markus Grübel -2681*

-3314 / -2314*

Dialog Wertegeleitete Entwicklungspolitik MinR Dr. Wolfram Stierle -2910*

Referat L 1 Ministerbüro MinR Andreas Kottwitz

Leitungsstab MinR Michael Krake

Persönliche Referentin Sandra Groß

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Behörden Spiegel / Juni 2018

Personelles Seite 11


Gesundheit

Seite 12

Behörden Spiegel / Juni 2018

Heute für morgen vorsorgen

Was man vom Fußball lernen kann

Hessen: Beamtenversorgung im Haushalt durch Rücklagen abfedern

Wer Personalverantwortung hat, muss sein Team hinter sich scharen

(BS/jf) Die Pensionslasten, die auf Hessen künftig zukommen, sind gewaltig. Deshalb will das Land mit dem (BS/Ilona Vogel*) “Geht raus und spielt Fußball” – diesen legendären Satz, den Franz Beckenbauer der deutAlterssparbuch die zukünftige Pensionsauszahlung für seine Ruheständler gewährleisten. Dazu soll das schen Nationalmannschaft kurz vor dem Gewinn des WM-Titels 1990 mit auf den Weg gab, wird man bei der Sparbuch noch sicherer werden, wie Finanzminister Dr. Thomas Schäfer erklärt. Weltmeisterschaft 2018 definitiv von keinem Trainer mehr hören. “Geht an euren Schreibtisch und macht eure Arbeit” fällt hingegen in der Wirtschaft sowie in öffentlichen Verwaltungen noch heute leider immer wieder. Doch das muss nicht sein. Und so soll es auch nicht sein. Die verpflichtenden Einzahlungen sollen somit von 127 auf 167 Millionen Euro jährlich gesteigert werden. Des Weiteren werden diese Einzahlungen Jahr für Jahr um zwei Prozent gesteigert. Zusätzliche freiwillige Einzahlungen sollen auch weiterhin zum Ende eines Haushaltsjahres vorgenommen werden. Aber: Erst wenn das Sparbuch so gefüllt ist, dass es zehn Prozent aller künftigen Lasten abdeckt. Dieser Fall tritt voraussichtlich 2030 ein. Eine zukünftige Versorgung der Beamtinnen und Beamten Hessens aus öffentlichen Mitteln, ohne dass eine Kapitaldeckung erforderlich ist, ist anzustreben. Doch kann sie immer nur als Ergänzung fungieren. “Mit dem Alterssparbuch Hessen gehen wir die wichtige Aufgabe an, die heute bereits bekannten Zukunftslasten nicht der Zukunft zu überlassen. Wir

Das Land Hessen will durch Einzahlungen auf das Alterssparbuch die zukünftige Beamtenversorgung sichern. Foto: BS/Marco Verch, CC BY 2.0, flickr.com

machen das konsequent und mit Nachdruck. Abbuchungen vom Alterssparbuch Hessen müssen daher jeweils durch ein Gesetz erwirkt werden”, verkündet Schäfer und betont: “Wichtig ist mir, dass wir nun auch verpflichtend machen, was wir bereits seit Jahren freiwillig verfolgen: Das Geld

auf dem Alterssparbuch Hessen muss nachhaltig angelegt werden. Neben einer angemessenen Rendite müssen daher auch ökologische und soziale Belange berücksichtigt werden.” Offen ist allerdings, wie groß dabei der Einfluss auf das Sondervermögen des Landes ist.

MELDUNGEN

Teichmann folgt auf Engelke (BS/jf) Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) als Zusatzversorgungseinrichtung für den Öffentlichen Dienst hat einen neuen Verwaltungsratsvorsitzenden. Dr. Helmut Teichmann, seit März 2018 Staatssekretär im Bundes Ministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), bildet mit der alternierenden Vorsitzenden Gabriele Gröschl-Bahr das neue

Führungsduo des Gremiums. Teichmann löst seinen Staatssekretärskollegen aus dem BMI, Hans-Georg Engelke, als Vorsitzenden ab. Er wird künftig die Arbeitgeberseite im Verwaltungsrat der VBL vertreten, während Gröschl-Bahr, Mitglied des VerdiVorstands, weiterhin die Arbeitnehmerseite repräsentiert. Der gebürtige Westfale hatte zuvor im Innenministerium verschiedene Leitungspositionen inne. “Mit Dr. Teichmann haben wir eine erfahrene Führungspersönlichkeit für unseren Verwaltungsrat gewinnen können. Wir freuen uns auf die gemeinsame Zusam-

Gutes Gespür

Neuer Verwaltungsratsvorsitzender der VBL: Dr. Helmut Teichmann

Foto: BS/BMI

menarbeit“, sagte Richard Peters, Präsident und Vorsitzender des Vorstands der VBL. Zugleich bedankte sich der VBL-Präsident bei Engelke für die “hervorragende Zusammenarbeit”.

Sozialwerk mit über 252.000 Föderern (BS/jf) Die Stiftung Bahn Sozialwerk (SBW) als betriebliche Sozialeinrichtung der Deutschen Bahn wurde zum 31. Dezember 2017 von 252.775 Menschen gefördert. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung (Drucksache 19/2026) auf eine Anfrage der FDP zum Bundesei-

Ein Fußball-Trainer hat heute weit mehr zu leisten als nur die Mannschaft aufzustellen. Er muss sie motivieren, aufkommende Konflikte ansprechen und lösen und das Team immer wieder auf neue Aufgaben und Zielsetzungen einschwören können. Wie wichtig und vor allem wie groß der Einfluss des Trainers auf den Erfolg der Mannschaft ist, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Und dass der Erfolg ausbleibt, wenn ein Trainer seine Führungsaufgaben nicht ausreichend ausfüllt oder ausfüllen kann, ebenfalls. Das hat zuletzt das DFB-Pokalfinale zwischen Frankfurt und Bayern München eindrucksvoll gezeigt. EintrachtTrainer Niko Kovac bereitete seine Mannschaft taktisch hervorragend vor und sprach nach dem Spiel vom “Kollektiv”, das die Partie gewonnen habe. Und den in Finalspielen so routinierten Bayern fehlte der letzte Einsatzwille, auch mal einen Schritt mehr zu gehen als benötigt, um das Ruder noch herumreißen zu können.

senbahnvermögen (BEV) hervor. Letzteres unterstützt das SBW jährlich mit einem Zuschuss. Im vergangenen Jahr lag dieser bei etwas über 1,233 Mio. Euro. 1997, im Gründungsjahr der SBW, betrug der Zuschuss umgerechnet mehr als 2,252 Mio. Euro.

Gleiches gilt für Führungskräfte: Mitarbeiter in unmittelbarer Personalverantwortung müssen ein gutes Gespür für ihr Team haben. Sie müssen ihre Mannschaft motivieren, Konflikte frühzeitig erkennen, den Mut haben, sie anzusprechen und sie anschließend konstruktiv lösen können. Dazu gehört auch das souveräne Moderieren persönlicher Angriffe, denen sich eine Führungskraft manchmal ausgesetzt sieht. Im Öffentlichen Dienst müssen Führungskräfte darüber hinaus auch über Methoden und Ins­ trumente verfügen, mit denen sie die gesteckten Ziele am besten erreichen können, auch wenn finanzielle Anreize nur begrenzt vorhanden sind. In der Wirtschaft stehen den Führungskräften oft ganz andere finanzielle Mittel zur Verfügung. Doch letztlich ist es nicht das Geld, sondern es sind die persönlichen Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeitern, die dazu beitragen, ob Führung gelingt. Wertschätzung, der Mut, Konflikte anzugehen, die Zeit

effektiv einzuteilen und Aufgaben delegieren zu können – ganz wichtige Faktoren für den Erfolg. Egal ob in Verwaltung oder Wirtschaft.

Gegen Unzufriedenheit und Krankenstand Denn gelingt es den Führungskräften nicht, die Angestellten gut anzuleiten, dann steigt zwangsläufig die Unzufriedenheit im Team. Ein hoher Krankenstand, Burnout-Erkrankungen und schlechtere Zielerreichung sind ebenso vorprogrammiert wie interne Streitigkeiten und Missgunst. Von einem “Team” kann da schnell nicht mehr die Rede sein. Doch wie schaffe ich es als Beamter mit Personalverantwortung, meine Mannschaft hinter mich zu scharen? Das Wichtigste: Jeder Mitarbeiter ist sehr individuell. Der eine benötigt mehr Anleitung als der andere. Mancher Angestellte blüht auf, wenn er viele Freiheiten genießt. Ein anderer wünscht sich hingegen klare Strukturen. Hier gilt als bedeutendste Führungsaufgabe: Gute Beziehung zu Mitarbeitern aufzubauen. Regelmäßige Mitarbeitergespräche, Vertrauen und eine wertschätzende Grundhaltung sind hier das A und O. Und mit einem Werkzeugkasten an Methoden-

Mehr zum Thema Auf dem Führungskräfte-Forum “Zukunft Führung” des Behörden Spiegel am 5. und 6. Juli 2018 in Königswinter erläutert die Autorin, wie Personalverantwortliche “gelassen und sicher mit schwierigen Mitarbeitern umgehen”. Darüber hinaus erläutert sie vom 17.–19. September 2018 in Berlin, wie Mitarbeitergespräche effizient und nachhaltig geführt werden. Mehr unter www.fuehrungs kraefte-forum.de, Suchwort “Zukunft Führung” oder “Mitarbeitergespräche”.

kompetenzen und ausgeprägten Soft-Skills lässt sich jede Gruppe zu einem erfolgreichen Team formen. Wie Führung gut gelingen kann, zeigt sich in der Stadtverwaltung Mittenwalde in Brandenburg: 40 Kilometer südlich von Berlin ist es Bürgermeisterin Maja Buße wichtig, dass alle Führungskräfte eigenständig ihr Team führen, ihre Mitarbeiter motivieren und so eine wertschätzende Kultur im Haus entsteht, die dazu führt, dass man gerne bei der Stadtverwaltung Mittenwalde arbeitet. So gehen Buße und ihr Team die Herausforderung der Zukunft an, Mitarbeiter zu halten und zu gewinnen. Deshalb bucht sie regelmäßige Inhouse-Seminare für ihre Führungskräfte: erfolgreiches Führen, Kommunikation und Konflikte, Selbstmanagement und Arbeitsorganisation, Umgang mit “schwierigen” Mitarbeitern und Kunden. Nach außen zeigt sich die Stadt Mittenwalde so als “Verwaltung der Zukunft”.

Drei entscheidende Faktoren Fazit: Führung ist letztlich überall gleich – egal ob auf dem Fußballplatz, in der freien Wirtschaft oder in der öffentlichen Verwaltung. Mein Tipp: Finden Sie Ihren eigenen Persönlichkeits- und Führungsstil heraus, erkennen Sie, welche Führung Ihr Team gerade braucht – und richten Sie dann Ihr Führungsverhalten konsequent danach aus. Nur so gelingt eine authentische und glaubwürdige Führung, und nur so schaffen Sie es, eine erfolgreiche und durchsetzungsfähige Führungskraft zu werden. Wertschätzung, Mut und Konsequenz sind dabei die entscheidenden Schlüssel zum Erfolg. “Geht an euren Schreibtisch und macht eure Arbeit” reicht schon lange nicht mehr aus, um die gesteckten Ziele zu erreichen und ein motiviertes und bereitwilliges Team hinter sich zu wissen. *Ilona Vogel, ehemalige Haupt-, Personal- und Ordnungsamtsleiterin einer Kommune ,ist Trainerin und Coach für “Soziale Kompetenzen” im Öffentlichen Dienst.

Zukunft Personalentwicklung Schlüsselfaktor eines erfolgreichen Öffentlichen Dienstes

5. – 6. September 2018, Maritim Hotel, Bonn

Themen und Referenten u.a.: Die strategische Personalentwicklung spielt im Öffentlichen Dienst eine immer wichtigere Rolle. Wie kann die Personalseite diese Entwicklung nicht nur begleiten, sondern aktiv mitgestalten? Die Antwort: Durch den Übergang von einer verwaltenden Personalwirtschaft zu einem strategischen und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigenden Personalmanagement. Der Behörden Spiegel widmet dieser Entwicklung die Tagung „Zukunft Personalentwicklung“, die aktuelle Trends und Herausforderungen vorstellt und zu Diskussionen mit namhaften Referentinnen und Referenten aus dem Personalbereich einlädt.

► Aktuelle Trends der Personalentwicklung – Lehren für den Öffentlichen Dienst? Dr. Walter Jochmann, Geschäftsführer, Kienbaum Consultants ► Unternehmenskultur erkennen, entwickeln, verändern: Schlüsselfaktor für Personalentwicklung Prof. Sonja Anja Sackmann, Ph.D., Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie, Universität der Bundeswehr ► Der „Kampf“ um die besten Talente – interne und externe Kommunikation zur Bewerber- und Nachwuchsgewinnung Prof. Dr. Stefan Jarolimek, Deutsche Hochschule der Polizei ► Coaching im Öffentlichen Dienst? Erfahrungen aus der Berufspraxis Prof. Dr. Peter Weber, Fachhochschule der Diakonie ► Personalmanagement in der Praxis: Personalplanung und -gewinnung, Personaleinsatz und -betreuung, Personalentwicklung sowie Nachfolgeregelung und Wissenstransfer Dolores Burkert, Amtsleiterin, Stadt Köln

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ► Suchwort „Zukunft Personalentwicklung“

Eine Veranstaltungsreihe des


Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juni 2018

Alea iacta est – aber kaum etwas ist besser Auch wenn Abschiebungen leichter werden, fühlen sich Kommunen weiterhin allein gelassen

KNAPP Fraueninsel mit Lichtgeschwindigkeit

(BS/Marco Feldmann) Am Gefühl zahlreicher kommunaler Verantwortlicher, mit den Problemen bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber allein auf weiter Flur zu stehen, hat sich seit Beginn der Flüchtlingskrise kaum etwas geändert. Viele wünschen sich mehr Unterstützung von Bund und Ländern. Aber sie scheinen nicht gehört zu werden. (BS/ab) Die zweitgrößte der drei Möglicherweise müssen sie sich künftig nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sogar noch öfter um die Abschiebung von Gefährdern kümmern. Denn: Die obersten deutschen Richter in Karlsruhe nahmen die Verfassungsbeschwerde eines hierzulande derart eingestuften Tunesiers nicht zur Entscheidung an. Folglich darf dieser nun auch dann in sein Heimatland abgeschoben werden, wenn ihm dort die Verhängung der Todesstrafe droht. Eine solche Maßnahme verstoße dann nicht gegen das Grundgesetz, wenn eine Vollstreckung der Exekution ausgeschlossen sei. Zudem müsse gewährleistet sein, dass der Betroffene die rechtliche und faktische Möglichkeit habe, die sich aus dem Verzicht auf die Vollstreckung einer Todesstrafe ergebende faktische lebenslange Freiheitsstrafe überprüfen zu lassen. Es müsse zumindest eine Chance auf Wiedererlangung der Freiheit bestehen.

Nur wenige Rückführungen gefährlicher Personen Von entscheidender Bedeutung ist nun, inwiefern die Kommunen von dieser erweiterten Möglichkeit zur Durchführung von Abschiebungen Gebrauch machen werden. Schließlich sind sie es, die die Rückführungen vollziehbar ausreisepflichtiger Menschen maßgeblich vorzubereiten haben. Im vergangenen Jahr wurden 23.966 Personen abgeschoben. Darunter befanden sich allerdings nur 60 Gefährder. Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) gehen aktuell jedoch von rund 760 solcher Personen im Bundesgebiet aus. Gefragt ist jetzt ein konsequentes Vorgehen der Gemeinden. Denn: Ob mit den geplanten “Anker”-Zentren schnelle Abhil-

die rückzuführende Person entweder nicht in ihrer Unterkunft angetroffen werde, sich zu renitent verhalte oder Piloten die Mitnahme verweigerten. Letzteres geschah in den ersten drei Monaten dieses Jahres 75 Mal. Insgesamt wurden von Januar bis März Berichten zufolge 5.548 Menschen abgeschoben. Bei 4.752 Personen blieb es beim Versuch. Walter sagt voraus: “Geht die Abbruchquote bei Rückführungen nach dem Karlsruher Urteil tatsächlich deutlich zurück, wird es bei der Gewährleistung von Abschiebungen durch die Bundespolizei Probleme geben.” Rechtlich sind die Würfel vorerst gefallen. Gefährder können – rein juristisch betrachtet – in Zukunft sehr wahrscheinlich leichter abgeschoben werden. Jetzt kommt es auf die Verantwortlichen auf der kommunalen Ebene an, diesen neuen Handlungsspielraum auch tatsächlich auszunutzen. Sie jedoch verlangen mehr Hilfe von Bund und Ländern. Foto: BS/Gisela Peter, pixelio.de

fe durch den Bund geschaffen werden kann, ist offen. Ernst G. Walter, Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, kritisiert. “Es ist nicht vorstellbar, dass in diesen Zentren bis zu 1.500 Personen verschiedener ethnischer Herkunft friedlich zusammenleben werden.” Zudem betont er: “Die Anker-Zentren wären überflüssig, wenn der Bundespolizei an den Grenzen zu sicheren Drittstaaten endlich wieder Zurückweisungen erlaubt würden.” Bisher verhindere dies noch eine mündlich erteilte Anweisung des ehemaligen Bundesinnenministers Dr. Thomas de Maizière (CDU).

Geltendes Recht anwenden Walter jedenfalls verlangt: “Wir müssen wieder zur konsequenten Anwendung des geltenden Rechts zurückkehren.” Ähnlich äußert sich der Beigeordnete

des Deutschen Landkreistages (DLT), Dr. Kay Ruge. Er meint, dass es in dem nun von Karlsruhe geklärten Verfahren aus kommunaler Sicht zumindest schwer vermittelbar sei, dass sich die verschiedenen Rechtsschutzwege über zwei Jahre hingezogen hätten.

Abbruchquote zu hoch Polizeigewerkschafter Walter ergänzt, dass mit der Rückkehr zum konsequenten Gesetzesvollzug auch eine deutliche Erhöhung der Anzahl an Abschiebehaftplätzen einhergehen müsse. Diese seien in der Vergangenheit zu stark abgebaut und die entsprechenden Einrichtungen teilweise sogar geschlossen worden. Und er sieht noch ein viel grundsätzlicheres Problem: Momentan fände noch rund die Hälfte aller angekündigten Abschiebungen nicht statt, weil

Gemeinden zögerlich Diesbezüglich kann möglicherweise aber “Entwarnung” gegeben werden. So heißt es aus der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt, dass Abschiebungen von Gefährdern bislang nicht vorgenommen worden seien und vorerst auch nicht anstünden. Aus Weimar, wo im vergangenen Jahr ein Gefährder abgeschoben wurde, verlautet, dass dort die Konsequenzen der Karlsruher Entscheidung für die diese Personengruppe betreffende Abschiebepraxis derzeit noch nicht eingeschätzt werden könnten. Gleichwohl werde die Ausländerbehörde auch weiterhin Ausweisungsbescheide erlassen und die betroffenen Drittstaatsangehörigen zur Abschiebung anmelden, wenn von ihnen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Relativ kühl fällt die Reaktion aus Dortmund aus. Von dort ist zu vernehmen, dass die Ausländerbehörde den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zur Kenntnis genommen habe. Dessen Bewertung und even-

tuelle rechtliche Anpassungen oblägen im Ausländerwesen jedoch dem Bundesgesetzgeber. Ähnlich zurückhaltende Worte kommen aus Ingolstadt. Für die dortige Ausländerbehörde sei der Karlsruher Beschluss “kaum relevant”. Und auch Kiels amtierender Ordnungsdezernent Gerwin Stöcken (SPD) sagt: “Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Abschiebepraxis in Kiel.” DLT-Vertreter Ruge betont, dass es die Landkreise für zielführender hielten, wenn insbesondere in Fällen von Gefährdern jeweils ein gebündeltes Verfahren über oberste Landesbehörden mit lediglich einer Rechtschutzinstanz stattfände. Außerdem betonte er: “Es bedarf einer generalisierenden Festlegung, ob in bestimmte, grundsätzlich sichere Herkunfts- und Drittstaaten abgeschoben werden kann oder nicht.”

Debatte in Ländern Auch auf politischer Ebene ist derzeit vieles in der Diskussion. Während Bayern ein eigenes Landesamt für Asyl aufbauen will, überlegen die Verantwortlichen in Hessen, die Zuständigkeit für Abschiebungen komplett auf die Regierungspräsidien zu übertragen. Ob eine solche Zentralisierung tatsächlich Abhilfe schafft, bleibt offen. Am Gefühl des Alleingelassenwerdens wird sich jedenfalls so schnell wohl nichts ändern. Das zeigt sich prototypisch im brandenburgischen Frankfurt an der Oder. Dort hatte die Stadtverwaltung lange Zeit Amtshilfe vom Land erhalten. Inzwischen hat dieses die Organisation und Durchführung von Abschiebungen aber gänzlich den Kommunen überlassen.

Inseln im bayerischen Chiemsee erhält eine Glasfaserinfrastruktur. Der Förderbescheid in Höhe von circa 223.000 Euro wurde vom Freistaat Bayern überbracht. Der Ausbau wird jedoch anspruchsvoll: “Die Erschließung der Inselhaushalte mit einem Kabel durch den größten See in Bayern ist einzigartig und eine besondere Herausforderung”, betonte Finanz- und Heimatminister Albert Füracker. Grundsätzlich gehe der Ausbau in ganz Bayern gut voran. 98 Prozent aller Kommunen seien in das bayerische Förderverfahren eingestiegen. Die 300 Einwohner der Insel werden damit sogar schneller als so manch größere Städte, wo noch nicht alles mit Glasfaser erschlossen wurde.

Wünsche für Bad Godesberg (BS/ab) Um den Stadtbezirk Bad Godesberg in Bonn zu reformieren, konnten die Bürger online ihre Wünsche und Anregungen für konkrete Handlungsbedarfe einbringen. Hierfür stellte die Stadt ein Bürgerportal (www. bonn-macht-mit.de) zur Verfügung, auf dem auch weitere Beteiligungsverfahren laufen und Interaktionen möglich sind. Die Teilnehmer kommentierten 696-mal, gaben 619 Bewertungen ab und verfassten 556 Beiträge. Über 5.000 Webseitenbesuche konnten verzeichnet werden. Nach der Auswertung durch ein externes Planungsbüro soll am 12. Juli 2018 eine zweite “Leitbildkonferenz” stattfinden, um einen ersten Entwurf zu präsentieren. In der vorangegangenen ersten Veranstaltung sei deutlich geworden, dass der Stadtteil neben städtebaulichen auch imagefördernde Aspekte benötige.

www.oeffentliche-infrastruktur.de

13. Bundeskongress

Öffentliche Infrastruktur 2018

Infrastruktur mit Zukunft – effizient, nachhaltig, digital 4. D 4 Dezember b 2018 2018, H Hotel t l Adl Adlon B Berlin li

» Bauen 4.0 – effizient, nachhaltig, digital

» Flächendeckende Infrastrukturen für Mobilität

» Bildungsinfrastruktur und Schulsanierung – Leistungsphase 0, Wirtschaftlichkeit, Entwicklung

» HOAI - Reicht das Grundleistungsbild noch aus?

» Smart Village » Entwicklung von Maut und Bundesinfrastrukturgesellschaft » Infrastruktur und Budget

Themenpartner

» Bundesverkehrswegeplan 2030 – Masterplan für die Verkehrsinfrastruktur? » Kommunikationsinfrastruktur – Glasfasernetze und Mobilfunkstandard 5G

Eine Veranstaltung des

Fotos: © j mel, fotolia.com

Themen auf dem Kongress u.a.


Kommunalpolitik

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D

er Umsetzung des Projek­ tes ist ein einstimmiger Beschluss in der Ratssitzung im Dezember 2017 vorausge­ gangen, der eine Änderung der Geschäftsordnung mit sich zog. Die Ratsmitglieder verwenden nun ihre privaten Laptops und Tablets, auf denen eine spezielle App installiert wurde. Sollte dies finanziell für ein Ratsmitglied nicht möglich sein, kann es bei der Meckenheimer Verwaltung einen Zuschuss beantragen. Mit dieser Umstellung auf die App erweitert die Verwaltung ihr Ra­ tsinformationssystem, heißt es aus der Stadtverwaltung.

Vom Bürger unbemerkt? Papierlose Ratsarbeit als erster Schritt zur stärkeren Demokratie

Behörden Spiegel / Juni 2018

und damit der Demokratie soll mit der effizienteren und digitalen Kommunikation stattfinden – so der Tenor vieler Akteure.

Die nächste Stufe!

(BS/Adrian Bednarski) Im nordrhein-westfälischen Meckenheim üben die 38 Ratsmitglieder ihre Funktion nun digital aus, um ressourceneffizienter “Es gab leider bisher keine An­ zu arbeiten. Ein Trend, der von den kommunalen Spitzenverbänden begrüßt wird, aber gleichwohl auch zur Vorsicht hinsichtlich der IT-Sicherheit fragen seitens der Bürger, die aufruft. Dabei könnte die Digitalisierung die Transparenz und vor allem die Debattenkultur verbessern. Ergebnisse von den Ausschuss­

beratungen zu veröffentlichen. Genauso nutzen die Bürger das Angebot des Bürgerinformati­ onsportals leider nur im gerin­ gen Umfang”, heißt es aus dem Landkreis Mansfeld-Südharz. In Göttingen wiederum werde das Angebot “rege” genutzt, was sich anhand der hohen Klickzahlen erkennen ließe. Stärkung des Ehrenamtes Aber vielleicht muss das Ange­ bot einfach ausgeweitet werden. Helmut Dedy, Hauptgeschäfts­ Der DStGB geht nämlich in sei­ führer des Deutschen Städte­ nen Ideen einen Schritt weiter: tages (DST), sieht dies positiv: “Die nächste Stufe, über die dis­ “Die Informationsbereitstellung wird für die Gremien, also auch kutiert werden muss, ist, wie die die Ratsmitglieder, einfacher. Alle Sitzungen live gestreamt werden Vorgänge der Ratsarbeit lassen können – natürlich alles im recht­ sich so schnell, anschaulich und lichen Rahmen”, so Handschuh. medienbruchfrei abwickeln.” Da­ Auch die Ratsarbeit wird zunehmend digitaler, sodass eines Tages die Handnotizen auch digital vorliegen. Dies soll die Transparenz und damit schließlich die Dies werde in Österreich prak­ mit würden die Sitzungsdienste Akzeptanz der Bürger für die politischen Entscheidungen erhöhen und schlussendlich die Demokratie stärken. tiziert und dort zeige sich, dass effizient organisierbar und Bear­ Foto: BS/Open Knowledge Foundation/Hansgeorg Schöner, CC BY 2.0, flickr.com sich die Debattenkultur verän­ Foto: BS/pressmaster_fotolia dert habe. “Die Menschen disku­ beitungsstände jederzeit nach­ vollziehbar. wird von 45 Prozent der Land­ “Wir haben weniger Bedenken, bereits ihre Ratsarbeit digita­ Stadt. Mittlerweile sei die Stadt tieren wieder sachlicher und vor Auch der Deutsche Landkreis­ kreise als besondere Herausfor­ denn die Zukunft ist nun mal lisiert haben, möchten andere in der zweiten Ratsgenera­tion allem für die Bürger werden die tag (DLT) befürwortet die digitale derung gesehen, der Einsatz von digital”, äußert sich Alexander jetzt durchstarten. und weiterhin sehr zufrieden. Argumentationen nachvollzieh­ Umstellung. Denn sie erleichtere Erpressungssoftware bzw. DOS- Handschuh vom Deutschen Städ­ Auch im Landkreis Mansfeld- barer. Dadurch können Entschei­ Südharz wurde das System be­ dungen anders wahrgenommen die Vereinbarkeit von Beruf mit (Denial of Service)-Angriffen von te- und Gemeindebund optimis­ Zwischen Planung... der ehrenamtlichen, kommuna­ 42 Prozent der Landkreise”, so Dr. tisch. Wichtig sei eine adäquate “Für die Kosten­e insparung reits 2013 auf digital umgestellt, werden”, erläutert er die Vorteile len Tätigkeit. Markus Mempel vom DLT. Allen Ausstattung sowie Infrastruk­ möchten wir nun eine entspre­ indem in einem Pilotprojekt ein des Livestreams. Landkreisen seien die Bedrohun­ tur. Dies impliziere regelmäßige chende App für die Ratsarbeit Teil der Mitglieder des Kreistages Nichtsdestotrotz darf dabei eine Zwischen den Stühlen gen bewusst, weshalb 54 Prozent Software-Wartungen, wenn die entwickeln, denn bisher wer­ mit Tablets ausgerüstet wurde. Tatsache nicht außer Acht gelas­ Eine entscheidende Frage ist bereits eigene Sicherheitsstrate­ Geräte von den Verwaltungen zur den die Unterlagen noch aus­ “Nun hat die Kreisverwaltung sen werden: “Bei der digitalen jedoch: Wie steht es um die Si­ gien zum Datensicherheitsma­ Verfügung gestellt würden. “Auch gedruckt, auch wenn wir ein ­alle rechtlichen Voraussetzungen Ratsarbeit ist es unabdingbar, cherheit, wenn alle online sind? nagement entwickelt hätten und wenn Sicherheit großgeschrieben Arbeitsmedium sowie ein Rats­ ­geschaffen, um die Kommuni­ datenschutzrechtliche Fragen zu Denn Ratsunterlagen beinhalten die anderen nachziehen möchten. wird, so ist die Grundgefahr allge­ informationssystem besitzen”, kation aller Kreistagsmitglieder­ beachten und Datensicherheit zu auch empfindliche, nicht immer Auch schützten die Kommu­ genwärtig”, ergänzt er. Ob die Sit­ so Gabi Priem, Sprecherin der nach der Neuwahl 2019 auf elek­ gewährleisten. Der Umgang mit für die Öffentlichkeit gedachte nen und Landkreise ihre nicht- zungsunterlagen mitsamt Mappe Stadt Duisburg, über deren zu­ tronischen Weg umzustellen, in­ persönlichen Daten, Geschäfts­ Daten. Durch Datenlecks kön­ öffentlichen Vorlagen teils mittels in einem unachtsamen Moment künftigen Weg. Aber es brauche dem alle ein Tablet erhalten”, geheimnissen, Urheberrechten nen Projekte scheitern, ohne eine (zweistufiger) Passwörter oder gestohlen würden oder das Tab­ noch die notwendigen politischen bestätigt Uwe Gajowski aus der muss sich nach den rechtlichen sachliche Auseinandersetzung Firewalls, teils sicherten sie die let geklaut werde, ändere nichts Beschlüsse und den Finanzie­ Landkreis­verwaltung den ersten Vorgaben richten. Zudem muss Zugänge der Ratsinformations­ daran, dass es passieren könne. rungsrahmen für die Entwick­ Erfolg. Dann würden kaum noch geklärt sein, wie mit Urheber­ damit geführt zu haben. Aber auch das Gefahrenbe­ systeme durch HTTPS-Verschlüs­ “Die Kommunen und die Rats­ lung der App sowie die etwaige Papier­vorlagen mehr zur Ver­ rechten, Niederschriften oder wusstsein findet sich bereits in selung ab. Zusätzlich würden mitglieder bleiben in der Pflicht, Anschaffung der Endgeräte zur fügung gestellt. Ausgenommen Tonaufzeichnungen verfahren den kommunalen Ebenen wieder. die Endgeräte gesichert. Jedoch damit verantwortungsbewusst Nutzung. Es bewegt sich einiges seien nur umfangreiche Vor­lagen wird”, betont Dedy. “53 Prozent sehen Angriffe mit muss den Menschen bewusst umzugehen und Vorkehrungen und ein Digitalisierungstrend wie der Haushaltsplan. Die digi­ Gleichwohl ist dies keineswegs Schadsoftware als größte He­ sein, dass jedes System – analog zu treffen”, betont Handschuh. zeichnet sich hinsichtlich der talen Hilfsmittel und das Ratsin­ ein “Angstgegner”: “Die nutzen­ rausforderungen. Datendiebstahl oder digital – angreifbar ist. Während einige Kommunen politischen Arbeit ab. Obwohl formationssystem ermöglichten den Mitglieder wurden hinsicht­ keine validen Zahlen, wie viele es, Informationen bis zum Jahr lich der IT-Sicherheit schriftlich Städte und Gemeinden ihre Rats­ 2007 abzurufen, wodurch es belehrt”, erläutert G ­ ajowski. Er arbeit digitalisiert haben, bisher schneller und effizienter werde. fährt fort, dass die Sicherheit im veröffentlicht wurden. “Durch die eingesparten Papier­ Rahmen der neuen EU-DSGVO massen und trotz der Anschaf­ angepasst worden sei. “Die zur … und Zwischenergebnissen fung sowie Abschreibung der Verfügung gestellten Tablets wer­ E-Rechnung: eine Frage der Organisation Ein Blick in die Praxis kann die Tablets werden jährlich 10.000 den zentral durch den IT-Service (BS/Adrian Bednarski) Der Landkreis Gießen hat festgestellt, dass es sinnvoll sei, zuerst ein Doku­menten- ersten Benefits aufzeigen. Die Euro eingespart”, sagt Gajowski der Kreisverwaltung (SophosManagement-System, dann das papierlose Anordnungswesen, dann die E-Rechnung einzuführen und Stadt Göttingen war einer der über die Ressourceneffizienz. In Konsole) administriert. Sie lassen schlussendlich die E-Akte. Andreas Mezker von der Stabstelle Controlling des Landkreises begründete dies Vorreiter. Seit 2011 setzt sie ihre der Stadt Göttingen seien dies sich bei Diebstahl per Fernzugriff damit, dass “teilweise Kompatibilitätsprobleme entstanden, bei jenen, die zuerst die E-Akte besaßen und Ratsarbeit mittels Tablets digital sogar 25.000 Euro jährlich und abschalten, wobei die gespeicher­ dann schließlich die E-Rechnung implementieren wollten”. Mittels veröffentlichter Handreichungen sollen die um. “Die Erfahrungen waren von in Meckenheim sollen dies 13.000 ten Daten unwiederbringlich ge­ Verwaltungen nun dabei unterstützt werden. Beginn an sehr positiv”, resümiert Euro pro Jahr sein. löscht werden”, schließt er seine Eine Stärkung der Transparenz Erläuterungen ab. Dominik Kimyon, Sprecher der Wie es anders geht, zeigt Ham­ eingehen wird”, gab Mahncke Rechnung notwendig sind, sollten burg. Henning Mahncke von einen Blick in die Zukunft. Er im Team verteilt sein”, so Schütz. der Finanzbehörde der Hanse­ merkte an, dass viele Menschen Außerdem solle vorausgeplant MELDUNGEN stadt erläutert die Praxis: “Die nach anfänglicher Skepsis von werden, was mit den Mitarbeitern E-Rechnung ist nur ein kleines der E-Rechnung überzeugt seien. geschehe, die danach für Finan­ Integration digital erleichtert Puzzleteil im Gesamtgefüge. Sie “Und ob das Format X-Rechnung zen nicht mehr benötigt würden. (BS/ab) Stuttgart hat die für die Praxis ist zudem, dass kann in Kooperation mit den kommt kurz rein, wird überprüft oder ZUGFeRD 2.0 ist, bleibt Die Führungsebene müsse nicht ­Online-Plattform “JobKraftwerk Geflüchtete, Ehrenamtliche und zuständigen Jobcenter-Mitarbei­ und dann beginnt die eigentli­ hierbei nicht wesentlich. Für die hinter den Mitarbeitern stehen, – Integrationsmanagement” im­ Sozialarbeiter auf Augenhöhe tern abgestimmt werden, um die che Arbeit.” Verglichen mit dem IT ist dies eine Kleinigkeit. Sie sondern zielgerichtet vorangehen plementiert, mit der Geflüchtete sind und immer den gleichen Wohnungs- und Arbeitssuche analogen Verfahren würden die müssen alles organisatorisch und sich um solche “wichtigen” leichter integriert werden sol­ Informationsstand haben.” zu erleichtern. Die Plattform bietet hierbei E-Rechnungen direkt zur Verifi­ und prozessorientiert überprü­ Herausforderungen kümmern. len. Mehrere Themen werden Damit die Kommunen Unter­ darauf abgebildet. Dazu gehö­ Bedienungsfreundlichkeit. Zum zierung gehen, nachdem sie aus­ fen und durchdenken”, so der stützung bei der E-Rechnung ren Partizipations- und Wohn­ einen kann die Webseite in un­ gelesen worden seien, und Stati­ Hamburger. Trotzdem offenbart die E-Rech­ erfahren, haben der Deutsche möglichkeiten, gesundheitliche terschiedlichen Sprachen dar­ onen wie das Bekleben mit einem Barcode sowie das Sortieren und nung für einige Unternehmen Landkreistag (DLT; www.land­ Anliegen und Arbeit. Vor allem gestellt werden, zum anderen Scannen würden ausgelassen. ihre Tücken. “Jene, die uns nur kreistag.de) sowie die Arbeits­ der Informationsfluss und die helfen Übersetzungsinstrumen­ zwei- bis dreimal jährlich eine gemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltungsprozesse würden te, die Lebensläufe ins Deutsche Mitarbeiter sinnvoll einsetzen zukommen lassen, besitzen nicht Verwaltung e. V. (AWV; www. damit effizienter. zu übersetzen. Werner Wölfle, Bürgermeister Durch das freiwillige Angeben Einer der wenigen Schritte, die die notwendige Routine”, erläu­ awv-net.de) Handreichungen für noch manuell erfolgt, sei die Kon­ tert Mahncke. Deshalb sei der die Einführung der E-Rechnung für Soziales und gesellschaftliche bestimmter Daten können soge­ Um die Integration von Geflüchteten Integration der Landeshaupt­ nannte Integrationsmanager den zu vereinfachen, hat die Stadt Stutttrolle der Sortierung, weil es viele Web-Service eingebaut worden, veröffentlicht. stadt, ist optimistisch: “Der In­ 7.000 in der Stadt ansässigen gart eine neue Online-Plattform ins Abteilungen in Hamburg gebe. um es jenen zu erleichtern, die tegrationsprozess wird damit für Geflüchteten helfen, indem sie Leben gerufen, welche die Verwal“Jedoch haben wir fast keine Rechnungen elektronisch zukom­ alle Beteiligten bedeutend einfa­ auf dieser Basis einen Integra­ tungsarbeit erleichtern soll. Fehlerquoten mehr und können men zu lassen. “Grundsätzlich cher. Eine große Erleichterung tionsplan ausarbeiten. Dieser nun sukzessive die Menschen geht jede E-Rechnung bei uns Foto: BS/Tim Reckmann, pixelio.de für andere Tätigkeiten nutzen, schnellerer und sicherer ein als anstatt sie stumpf einen Knopf die Papierform”, so sein Gesamt­ drücken zu lassen”, beschreibt er fazit. IT-Grundschutz-Profil veröffentlicht die Prozesse. Der Grund liege in der lernenden OCR-Software, die Zwei Drittel für die Organi(BS/stb) Zum Einstieg in den für eine passgenaue Anwendung geprüft. Mit dem 40-seitigen sation immer besser werde. Außerdem Aufbau eines Informationsma­ der relevanten Grundschutz- Dokument soll eine möglichst zeigt sich bei der E-Rechnung, nagements in Kommunalverwal­ Bausteine vorsieht. Das kom­ selbsterklärende Einstiegshilfe “Zwei Drittel der Zeit, um die Edass sie die Effizienz steigert und Rechnung einzuführen, werden tungen steht ein kommunales munale IT-Grundschutz-Profil in den IT-Grundschutz geboten für die Rechnungsabsender ein­ für das Organisieren benötigt”, IT-Grundschutz-Profil für die ist durch eine Arbeitsgruppe werden. Zusätzliche Kommentare betont Giso Schütz, Vize-Präsi­ Basisabsicherung bereit. Dabei von Praktikern aus der kom­ weisen auf die im kommunalen facher ist: handelt es sich um das erste munalen Verwaltung und mit Umfeld entscheidenden Aspekte “2015 haben wir in Hamburg dent des Bundesverwaltungs­ knapp 355 E-Rechnungen er­ amtes (BVA) a. D. Entscheidend Henning Mahncke von der Finanz- der sogenannten Branchenpro­ Unterstützung durch die kom­ hin. Gemeinsam mit weiteren Do­ halten, für 2018 prognostizieren sei, dass die Mitarbeiter geschult behörde Hamburg erläutert, wie die file, die der modernisierte IT- munalen Spitzenverbände erar­ kumenten zur IT-Sicherheit kann wir 90.000 und 2019 rechnen würden. “Nicht jeder muss alles E-Rechnung in der Hansestadt im- Grundschutz des Bundesamts beitet worden. Das BSI hat den das kommunale IT-Grundschutzwir damit, dass knapp die Hälfte wissen, aber alle Informationen, plementiert wurde und zeigt auf, wie für Sicherheit in der Informati­ Prozess begleitet und das Profil Profil unter down.it-sibe-forum. der Rechnungen elektronisch die für die Umsetzung der E- diese sich entwickelt. Foto: BS/AWV e. V. onstechnik (BSI) als Schablonen im Hinblick auf seine Struktur de heruntergeladen werden.

Hilfe per Handreichung


Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / Juni 2018

I

m Pilotprojekt “Leistungsfähige Infrastruktur generationengerecht finanziert – am Beispiel der Stadt Köln” wurde bis 2040 allein für sechs (bedeutsame) Bereiche der Daseinsvorsorge, die schwerpunktmäßig untersucht wurden, ein benötigtes Investitionsvolumen von 16 Mrd. Euro geschätzt und so der hohe Finanz- und Handlungsbedarf für die langfristige Entwicklung der Stadt erstmals konkretisiert. Die Stadt Köln hatte hierfür gemeinsam mit den Stadtwerken Köln das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) und das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut an der Universität zu Köln (FiFo) beauftragt, ein modellbasiertes und fortschreibungsfähiges Instrumentarium unter Ausschöpfung der vermögensbezogenen doppischen Daten sowie unter Berücksichtigung der Grundsätze der Risikotragfähigkeit zu entwickeln. Zugleich sollte die Methodik auf andere Städte/Gebietskörperschaften übertragbar sein. Gefragt war zunächst die Schätzung der erforderlichen Finanzbedarfe für eine angemessene Infrastruktur. Das Difu hat das Modell entwickelt, auf dessen Grundlage eine qualifizierte quantitative und qualitative Schätzung abgegeben wurde. Fachliche Strategien über Art und Qualität der Bedarfe an Anlagen wurden berücksichtigt. Die Schätzung beschränkt sich nicht auf die durch den Kernhaushalt finanzierten Bereiche der Infrastruktur – in den arbeitsteilig angelegten Konzernstrukturen der Städte müssen die Infrastrukturbereiche als solche abgrenzbar sein und jenseits der formaljuristischen Gestalt bedarfsgerecht funktionieren und finanziert werden. Daher wurde die Arbeitsteiligkeit im “Konzern Stadt Köln” – der Stadt mit ihren Beteiligungen – zugrunde gelegt. Eine weitere Spezifizierung erfolgte nach den investiven Nachhol-, Ersatz- und Erweiterungsbedarfen. Es ist geboten, auch die finanziellen Risiken stärker in den Blick zu nehmen, ihre Struktur

Das “Kölner Tragfähigkeitskonzept” Ein Instrument für nachhaltige Finanzen im Konzern Stadt (BS/Gabriele C. Klug*) Köln steht wie Städte weltweit vor bleibenden Herausforderungen. Klimawandel, Demografie wie auch die Digitalisierung sind hierunter drei prägende Entwicklungen, die generationenübergreifend Wirkung entfalten werden. Alle Bereiche der öffentlich verantworteten Daseinsvorsorge sind auf unterschiedliche Weise hiervon betroffen – ob Mobilität, Verwaltung, Wohnen oder Bildung, um nur einige zu nennen. Insbesondere die Infrastrukturen bedürfen teils einer ökologisch motivierten Neuausrichtung, die über eine bloße Modernisierung hinausgeht und entsprechend aktiv von den städtischen Institutionen gestaltet werden muss. zu verstehen und die wahrscheinlichen Ausmaße mit transparenten Methoden zu schätzen – eine Grundlage für eine Diskussion darüber zu schaffen, wie die Daseinsvorsorge auch in Zeiten knapper Finanzen nicht nur aufrechterhalten, sondern umso mehr strategisch gestaltet werden kann. Die Stadt Köln richtet die städtischen Finanzen verstärkt an der vermögensbezogenen Tragfähigkeit aus. Sie verfolgt seit einigen Jahren ein freiwilliges Haushaltssanierungskonzept: mit dem Ziel, ab 2023 die “grüne Null” – den Haushaltsausgleich und sukzessiven Vermögensaufbau – zu erreichen. Das vom FiFo entwickelte “Kölner Tragfähigkeitskonzept” ermöglicht als wesentliches Ergebnis des Projekts, die finanziellen Gestaltungsspielräume des “Konzerns Stadt Köln” unter Berücksichtigung aller vergangenheits(Stichwort: “Sanierungsstau”), gegenwarts- und zukunftsbezogenen Lasten mit Blick auf 2040 modellbasiert zu schätzen. Das nun abgeschlossene Projekt kommt zu dem Schluss, dass die Finanzen der Stadt Köln langfristig nicht tragfähig sind. Die jährliche Tragfähigkeitslücke beträgt derzeit geschätzte 463,5 Mio. Euro. Das bedeutet, dass die Erträge der Stadt Köln um diesen Betrag höher oder ihre Aufwendungen um diesen Betrag niedriger liegen müssten (bzw. eine Kombination aus beidem) damit sie für den Erhalt ihres realen Eigenkapitals bis ins Jahr 2040 und die Beteiligungen für denselben Zeitraum ein angemessenes Vermögensportfolio sicherstellen können. Bezogen auf die

Aufwendungen im Haushalt der Stadt beträgt diese Lücke damit etwa zehn Prozent. Das Tragfähigkeitskonzept ist jedoch nicht auf die Ausweisung des finanziellen Volumens beschränkt. Es untergliedert die Tragfähigkeitslücke in Teillücken, vermittelt hierdurch ein Verständnis über die Struktur und Herkunft der finanziellen Zukunftsherausforderungen. Schon die hohe Wachstumslücke der Stadt (48 Mio. Euro), die auf den meist ungünstigen ökonomischen Entwicklungspfad Kölns im letzten Jahrzehnt hinweist, untermauert die Notwendigkeit langfristiger Strategien in diesem Bereich, um die Stadt auch zukünftig finanziell unabhängig zu halten. Das systematische Schließen der investiven Lücken von rund 14 Prozent (65 Mio. Euro) dürfte selbst ein Hebel sein, die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig zu korrigieren. Die größte finanzielle Belastung der Konzernfinanzen bildet die Konnexitätslücke. Sie trägt bis zu 30 Prozent (138 Mio. Euro) bei. Köln muss derzeit Lasten tragen, die unter anderem aus bundesdeterminierten Sozialleistungen (SGB, Geflüchtete, Integration) stammen, die nur unzureichend durch Mittel an die Kommunen unterlegt werden. Die transparente und noch weiterzuentwickelnde Berechnung bietet künftig eine Grundlage, mit Bund und Land in einen Diskurs über die Zukunft der gemeinsamen Finanzbeziehungen zu treten. Während sich weitere Teillücken unter anderem durch die erheblichen Bestandsschulden der Stadt (23 Prozent), die Verpflichtungen aus der Altersversorgung

Kommunale Schuldenstände Integrierte Berechnung durch die amtliche Statistik (BS/Johanna Barasofsky*) Die amtliche Statistik beobachtet seit geraumer Zeit eine Fragmentierung der öffentlichen Haushalte: Öffentliche Aufgaben werden zunehmend von kommunalen Kernhaushalten an ausgelagerte Einheiten weitergegeben. Dies wirkt sich auch auf statistische Kenngrößen (wie die Höhe der kommunalen Schulden) aus – sie sind nicht mehr vergleichbar. Um diesem Problem zu begegnen, berechnet das Statistische Bundesamt (Destatis) neben seinen Standardveröffentlichungen integrierte kommunale Schuldenstände. Diese enthalten neben den Schulden der Kernhaushalte auch die Schulden der mit Kommunen verbundenen öffentlichen Einheiten. Angesichts äußerst komplexer Strukturen mit zahlreichen Verschachtelungen und Rückbezügen werden die Schulden über eine Auswertung der Stimmrechte mittelbarer und unmittelbarer kommunaler Beteiligungen zugeordnet. In Extremfällen werden Eignerketten mit 17 Zwischenstufen berücksichtigt. Üblicherweise beziehen statistische Auswertungen allenfalls bestimmte Rechtsformen der kommunalen Einheiten außerhalb des Sektors Staat in die Schuldenberechnung ein. Im Gegensatz dazu ist die neue integrierte Rechnung kommunaler Schuldenstände eine fast vollständige Betrachtung der kommunalen Verbindlichkeiten. Alle Einheiten unter öffentlicher Kontrolle mit Sitz in Deutschland werden einbezogen. Nur Beteiligungen an Einheiten unter nicht-öffentlicher Kontrolle sowie mit Sitz im Ausland bleiben unberücksichtigt. Öffentlich bestimmte Einheiten lassen sich je nach ihrer Zuge-

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hörigkeit zum Staatssektor in Extrahaushalte und sonstige öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen unterteilen. Extrahaushalte sind staatliche Einheiten, die überwiegend öffentlich finanziert werden, oder Hilfsbetriebe des Staates, die ihre Umsätze in hohem Maß aus der Geschäftstätigkeit mit staatlichen Einheiten generieren. Ein Extrahaushalt kann ein kommunaler Schulzweckverband oder ein Kulturzentrum sein. Sonstige öffentliche Fonds, Einrichtungen und Unternehmen sind dagegen nicht-staatliche Einheiten, die ihre Produktionskosten überwiegend durch eigene Umsätze oder Gebühren decken. Hierzu zählen beispielsweise kommunale Abfall­ entsorgungsgesellschaften, Verkehrsbetriebe oder Stadtwerke. In der Mai-Ausgabe des Behörden Spiegel hatte die Stadt Siegburg dezidiert den Einbezug auch der privatrechtlichen öffentlich bestimmten Einheiten in die Betrachtung der kommunalen Gesamtverschuldung verlangt. Das Verfahren der integrierten Schulden erfüllt diese Anforderung. Nach dieser Berechnung hatte Siegburg zum 31.12.2016 eine Pro-Kopf-Verschuldung von 11.340 Euro. Über den RheinSieg-Kreis, dem Siegburg angehört, kamen weitere 457 Euro pro Kopf hinzu. Damit bleibt Siegburg

auch nach Berücksichtigung aller ihrer Einheiten unter öffentlicher Kontrolle die am stärksten verschuldete Kommune in Nordrhein-Westfalen. Die Ergebnisse der anteiligen Modellrechnung für den interkommunalen Vergleich auf Einzelgemeindeebene können auf der Website des Statistischen Bundesamts heruntergeladen werden: https://www.destatis.de/ DE/Publikationen/Thematisch/ FinanzenSteuern/OeffentlicheHaushalte/Schulden/Integrier teSchulden5713201169004.pdf. *Johanna Barasofsky ist Referentin im Statistischen Bundesamt.

(elf Prozent) und die erwartete demografische Entwicklung (15 Prozent) begründen, leisten die Beteiligungsunternehmen einen Beitrag zur Tragfähigkeit in Höhe von drei Prozent. Besonderen Wert für eine strategisch angelegte Finanzausrichtung der Stadt entfaltet das Instrumentarium durch seine Szenariofähigkeit. Sie wird erlauben, auch umfassende geplante Maßnahmen und ihre langfristigen Effekte finanziell darzustellen. In einem gemeinsamen Dialog mit Politik, Verwaltung und Experten können so auch Wirkungszusammenhänge etwa bedeutender Infrastrukturvorhaben dargelegt und dabei auch indirekte Wirkungen und Zweitrundeneffekte miteinbezogen werden. Solche Wirkungszusammenhänge müssen gemein-

sam identifiziert, bewertet und operationalisiert werden. Zwar bringen Szenarien auch Mühen mit sich. Doch werden Entscheidungen so frühzeitig fach- und konzernübergreifend angelegt, langfristig beurteilt und finanziell untermauert. Der erfolgreiche Abschluss der Pilotphase erlaubt zudem Weiterentwicklungen des Modells. Das Modell kann als Grundlage für eine Tragfähigkeitsberichterstattung genutzt werden, die regelmäßig über die Entwicklung der Nachhaltigkeit der Finanzen im Konzern Stadt Köln informiert. Nicht nur Änderungen etwa weltwirtschaftlicher oder technologischer Rahmenbedingungen, sondern auch politisch eingebrachte Tragfähigkeitsänderungen können dort separat dargestellt werden.

Nachhaltige Lösungs- und Gestaltungsansätze sind mit Blick auf die Herausforderungen umso mehr gefragt, um auch nachfolgenden Generationen die Möglichkeit zu bieten, ihre Lebensstile zu entwickeln. Während eine strategische Stadtentwicklung die sich ergebenden vielschichtigen Fragestellungen verfolgt und die Lebensstile und Bedürfnisse der Stadtbevölkerung generationenübergreifend integriert, kann die kommunale Finanzverantwortung mit den Möglichkeiten des “Kölner Tragfähigkeitskonzepts” einen Rahmen für eine kontinuierliche, generationengerechte und robuste Umsetzung einbringen.Ziel ist es, die kommunale Selbstverwaltung als konstitutives Element der Finanzordnung in der Bundesrepublik und als wichtige Säule jeder bürgernahen Daseinsvorsorge langfristig zu sichern. Abschlussbericht und Management Summary des Projekts sind auf der Webseite der Stadt Köln, www.stadt-koeln.de , unter “Politik & Verwaltung”, “Stadtfinanzen” bei den Publikationen abzurufen. *Gabriele C. Klug ist Kämmerin in Köln.


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Personelles

Behรถrden Spiegel / Juni 2018


Behรถrden Spiegel / Juni 2018

Personelles

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Personelles / Kommunalpolitik

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Balanceakt des Verwaltungsbeamten 4.0

“Bauhöfe”

Wirtschaftlichkeit von Bauhöfen

Zwischen verschulter und visionärer Ausbildung (BS/Adrian Bednarski) Agil, mobil und digital – das sind die drei zentralen Anforderungen an die heutige Arbeitswelt, an die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Schließlich gilt es nicht nur die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zu meistern, sondern auch Prozesse zu verändern, Silos aufzubrechen und ressortübergreifend zu denken. Dabei soll die Resilienz nicht zu kurz kommen. Doch wird die Ausbildung an den Fachhochschulen, speziell im nicht-technischen Dienst, diesen Anforderungen gerecht? “Im Studiengang der “Allgemeinen Verwaltung” ist bei uns die Verwaltungsinformatik seit den 90er-Jahren implementiert”, erläutert Prof. Dr. Detlef Rätz von der Hochschule und Fortbildungszentrum Meißen. Die Lehrinhalte würden regelmäßig an den aktuellen Stand der technologischen Umsetzung in der sächsischen Landes- und Kommunalverwaltung angepasst. Die Modulbeschreibungen seien diesbezüglich generisch gestaltet worden.

Aktualität im Lehrplan

Praxis. Des Weiteren können Daten­bankmanagementsysteme sowie Software für die Personalverwaltung bis zur Gestaltung elektronischer Beteiligungsverfahren erlernt werden.

Die Qual der Wahl Aber auch prozessorientiertes Arbeiten, Querdenken und Stressbewältigung finden sich in den Lehrinhalten der Fachhochschulen wieder, erläutert Menzel und mahnt zugleich: “Entscheidend für die Stressbewältigung ist die Ursache. Es darf keine Symptombehandlung erfolgen. Wenn der Stress durch suboptimale Arbeitsprozesse entsteht oder weil Person und Stelle nicht zusammenpassen, dann müsste anders reagiert, ggf. auch umstrukturiert und nicht das Personal an schlechte Bedingungen angepasst werden.”

Alles in allem unternehmen die Fachhochschulen viel, um dem agilen, mobilen und digitalen Auszubildenden das nötige Rüstzeug mitzugeben. “Aufgrund der wissenschaftlichen Lehr­freiheit und im Curriculum nicht zu eng gesetzter Vorgaben, können aktuelle Themenstellungen in der curricular geregelten Lehre berücksichtigt werden”, bestätigt Prof. Dr. Bernhard Frevel. Die Ausgestaltung bleibt jedoch den einzelnen Hochschulen überlassen. Selbst eine Standardisierung der Studiengänge durch die Anforderungen der Akkreditierung wirkt dem nicht entgegen. “Die groben Ziele eines Studiengangs werden auf die Studieninhalte heruntergebrochen und für einzelne Lehrveranstaltungen konkretisiert”, so Menzel. Nur “wesentliche” Änderungen am Studienprogramm könnten zum Verlust der

Ähnlich ist der Stand im Pflichtmodul E-Government an der Fachhochschule (FH) für öffent­ liche Verwaltung NRW. “Hier werden die Aspekte aus einem eher theoretischen Blickwinkel thematisiert sowie die Vor- und Nachteile, Anforderungen an die Verwaltungsarbeit und die rechtliche Dimension analysiert”, erklärt Prof. Dr. Bernhard Frevel, Sprecher des Fachbereiches Allgemeine Verwaltung/Rentenversicherung der FH. In diesem Themenbereich werde besonders auf aktuelle Entwicklungen Bezug genommen. “Das Department Public Management an der HAW Hamburg hat beispielsweise in den letzten Jahren Wahlpflichtseminare zur Wie alles im Leben ist auch die passende Ausbildung der zukünftigen MitarGestaltung barrierefreier Websei- beiter eine Frage der Balance. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de ten oder zum VerwaltungshanGenerell bieten die Fachhoch- Akkreditierung führen. Würde deln in Netzwerken eingeführt, um auf derzeitige Entwicklungen schulen Spielräume für die Auf- jedoch mehr standardisiert bzw. zu reagieren”, ergänzt Prof. Dr. nahme aktueller Themen in den verschult werden, würde dies zuBirgit Menzel von der Hochschule Wahlpflichtbereich, der in vie- gleich die Fachhochschulen einfür angewandte Wissenschaft le Studiengänge integriert ist. schränken, kurzfristig auf aktuHamburg (HAW Hamburg). Jedoch variieren die Möglich- elle Entwicklungen zu reagieren. “Partiell werden in diesem Rah- keiten. Während der Anteil von Eine Frage bleibt dennoch offen: men aktuelle Tools in der Ausbil- Wahlpflichtseminaren bei einigen Wenn die Studenten bereits seit dung verwendet”, fügt Rätz hinzu. Fachhochschulen beispielswei- einiger Zeit an die neuen AnforDazu zählen unter anderem die se 20 Leistungspunkte (LP) von derungen angepasst ausgebildet Abwicklung der elektronischen 180 für den Bachelor ausmacht, werden, können diese dann den Kommunikation, einschließlich kann er beispielsweise bei ande- digitalen Wandel beschleunigen? der Verwendung von Verschlüs- ren anteilig bei 40 LP von 180 selungsverfahren und elektroni- liegen. Damit müssen mehrere schen Signaturen. Seminare belegt werden.

Digitale Arbeitsmittel

Feuer und Wasser der Lehre

Die Fachhochschule des Saarlandes stellt den Studierenden sogar Tablets zur Verfügung, damit diese mobil arbeiten können. Zudem verfügen viele FHs über eine digitale Plattform, über die Dozenten und Studierende kommunizieren und auf denen Lerninhalte eingestellt werden. Auch die Einbeziehung von digitalen Medien in die Lehrgestaltung für Recherchen oder unterschiedliche Präsentationsformen sind mittlerweile im Alltag der Hochschulen gängige

Anders in den Praxisphasen. An allen Fachhochschulen für den Öffentlichen Dienst sind diese genormt. “In mehreren, mitunter monatelangen Praxiseinsätzen erfahren die Studierenden, was den Arbeitsalltag auszeichnet. Von mobilem Arbeiten bis hin zur Resilienz sehen sie, wie diese Themen in der beruflichen Praxis verankert sind, welche Probleme und Chancen bestehen”, ergänzt Frank Simon, Sprecher der Hochschule des Bundes für die öffentliche Verwaltung.

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) ist Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Zu ihren Aufgaben gehören neben der Projektträgerschaft Information, Beratung und Öffentlichkeitsarbeit zur Entwicklung und zum Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Wir suchen zum 01.09.2018 eine/n

Betriebswirtin / Betriebswirt Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen werden schriftlich oder per E-Mail bis zum 22.06.2018 unter Angabe der Stellennummer 03/2018 erbeten an die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., Hofplatz 1, 18276 Gülzow, f.fust@fnr.de Weitere Informationen zur FNR finden Sie unter www.fnr.de

Behörden Spiegel / Juni 2018

von Dr. Ulrich Keilmann

Bauhöfe sind für das kommunale Leben ein wertvoller Faktor. Gerade deswegen sind sie regelmäßig auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu beleuchten und die oft selbst gesetzten Standards zu hinterfragen. Wir überprüften sechs wesentliche Bereiche:

Personal Zwei Drittel des Gesamtaufwands der Bauhöfe fallen für Personal an. Dabei war eine Kommune gleich mehrfach auffällig: Sie zahlte sämtliche Bauhofmitarbeiter über den üblichen Tarifen, leistete sich parallel einen vergleichsweise sehr hohen Personalstand und ließ die Mitarbeiter des Bauhofs – um sie schließlich sinnvoll auszulasten – in Eigenleistung selbst Hochbauarbeiten ausführen. So wurde unter anderem von dem Bauhofpersonal ein Dorfgemeinschaftshaus miterrichtet. Ein Dorfgemeinschaftshaus ist eine freiwillige Leistung und verursacht nach Fertigstellung seinerseits wieder Folgekosten. Die sinnvolle Auslastung des Personals macht Sinn. Wird sie aber zum Selbstzweck, ist sie zu hinterfragen.

Bauhoffläche Sie spielt sprichwörtlich eine grundlegende Rolle: Für die Standorte der Bauhöfe wurde ein Überhang von rund 30 Prozent der vorhandenen Bauhofflächen festgestellt. Dazu kommt, dass oft zu große Flächen zusätzlich auch noch beheizt werden. Allein eine der geprüften Kommunen könnte nur bei den Heizkosten ihres Bauhofs fast 8.000 Euro pro Jahr einsparen.

Wirtschaftlichkeitsberechnungen Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind zwar vorgeschrieben, aber eher unbeliebt. Zwei der geprüften Körperschaften führ-

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

ten gar keine Berechnungen über die Wirtschaftlichkeit von Finanzierungsvarianten durch. Eine Kommune hatte zwar die Wirtschaftlichkeit zwischen Kauf und Leasing eines Lkw untersucht. Allerdings enthielt die Kaufvariante sowohl die Abschreibung für das Fahrzeug als auch die Tilgung. Der Kaufpreis floss so zweimal in die Kostenberechnung ein. Nach unseren kursorischen Berechnungen erwies sich die Kaufvariante für den Lkw gegenüber dem Leasing als insgesamt um rund 36.000 Euro wirtschaftlicher.

Ausschreibungen Auch Ausschreibungen können helfen, wirtschaftlich zu arbeiten. Eine Gemeinde schrieb Grünpflegeleistungen sowohl mit pflegeleichten Rasenflächen als auch mit kleinteiligem Straßenbegleitgrün aus. Damit steuerte die Gemeinde der Erfahrung entgegen, dass die Vergabe kleinteiliger Flächen nur zu hohen Stückpreisen oder gar nicht möglich war, während für die Vergabe großer Grünflächen regelmäßig eine gute Angebotslage bestand. Durch diese Ausschreibungsvariante fanden sich für alle Lose mehrere Anbieter. Das PreisLeistungsverhältnis und die Pflegequalität waren auf allen Flächen gut.

Interkommunale Zusammenarbeit Interkommunale Zusammenarbeit kann insbesondere ge-

nutzt werden, um Einkaufskonditionen durch Erhöhung des Beschaffungsvolumens zu verbessern, die Vorhaltung von Spezial-Know-how zu ermöglichen und Fahrzeuge und Maschinen besser auszulasten. Eine klassische Option ist die interkommunale Nutzung von (Spezial-)Fahrzeugen, um eine erhöhte Auslastung sicherzustellen. So wurden beispielsweise Straßenkehrmaschinen von mehreren Kommunen gemeinsam genutzt.

Fuhrpark Insgesamt ist die angemessene Fuhrparkausstattung immer ein Dauerthema. Selbstverständlich benötigt der Bauhof einen gut eingerichteten Fuhrpark, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Sind aber deutlich mehr (Spezial-)Fahrzeuge im Bestand als Mitarbeiter, stellt sich durchaus die Frage, ob die Fahrzeuge überhaupt sinnvoll ausgelastet werden können.

Zwischen Berechnung und Vorab-Entscheidung Wir ermittelten einen Median von 1,1 Fahrzeugen je Vollzeit­ äquivalent. Neben der bereits angesprochenen interkommunalen Zusammenarbeit kommt auch in Betracht, von vornherein ein Fahrzeugmodell zu wählen, das sich auf die speziellen, saisonalen Anforderungen erweitern und umrüsten lässt. So können einige (Spezial-) Fahrzeuge mit entsprechenden Anbauten auch ganzjährig eingesetzt werden. Schließlich könnten die benötigten Maschinen oder Fahrzeuge für die konkreten Arbeiten auch geliehen werden. Lesen Sie mehr zum Thema “Bauhof” im Kommunalbericht 2017, Hessischer Landtag, Drucksache 19/5336 vom 28. November 2017, S. 148 ff.

MELDUNG

Dienst-Smartphones zur privaten Nutzung

Werden Sie Teil unserer Gemeinschaft und bereichern Sie uns als

(BS/jf) In Berlin hat die Kommunale Arbeitgebervereinigung (KAV Berlin) für die Tarifverhandlungen im Nahverkehr ein Angebot vorgelegt. Neben einer

Entgelterhöhung von zwei Prozent sollen alle Mitarbeiter ein Smartphone vom Arbeitgeber erhalten, was auch für die private Nutzung freigegeben wird.

Leiter (m/w) des Rechnungsprüfungsamtes Besoldungsgruppe A 16 BayBesG Es handelt sich um eine Vollzeitstelle. Die Besetzung der Stelle mit reduzierter Arbeitszeit ist möglich. Die Leitungsaufgaben müssen hierbei unter Berücksichtigung dienstlicher Belange und der Bedürfnisse des Stelleninhabers (m/w) individuell vereinbart werden, auch geteilte Leitung ist möglich. Einsatzbereich: Rechnungsprüfungsamt Stellen-ID: 23-SG3020 Ihre Aufgaben: Das Rechnungsprüfungsamt ist im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages weisungsunabhängig zuständig für die Prüfung der gesamten Wirtschaftsführung der Stadt Nürnberg, des Kommunalunternehmens Klinikum Nürnberg und der städtischen Eigenbetriebe im Hinblick auf Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Darüber hinaus führt es Kassen- und Sonderprüfungen sowie die Prüfung von Vergaben durch und ist die zentrale Anlaufstelle für Korruptionsprävention bei der Stadt Nürnberg. Das Rechnungsprüfungsamt steht den genannten Bereichen grundsätzlich auch helfend und unterstützend zur Seite, gegebenenfalls bei Projekten auch begleitend. Als Leiter (m/w) des Rechnungsprüfungsamtes sind Sie federführend für die Prüfungsplanung sowie für die Ressourcensteuerung und Personalführung verantwortlich. Weiterhin vertreten Sie das Rechnungsprüfungsamt in entsprechenden Gremien auf Bundes- und Landesebene. Ihr Profil: Es können nur Beamtinnen und Beamte ab der BGr. A 15 mit der Befähigung für die vierte Qualifikationsebene der Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen mit einer mindestens fünfjährigen, einschlägigen Berufserfahrung berücksichtigt werden. Daneben erwarten wir eine engagierte Persönlichkeit mit qualifizierten betriebs- / finanzwirtschaftlichen Kenntnissen sowie vertieften Kenntnissen der kommunalen Rechnungsprüfung, die die Dienststelle innovativ und kreativ weiterentwickelt. Mehrjährige Führungserfahrung sowie ausgeprägte Führungskompetenz setzen wir ebenso voraus wie eine hohe Belastbarkeit, Eigeninitiative und das richtige Einfühlungsvermögen für die Belange der Dienststellen. Kontakt: Herr Gottschalk, Tel.: 0911 / 231-2676 Fachliche Informationen: Frau Schüßler, Tel.: 0911 / 231-5003 Bewerbungsfrist: 15.06.2018 Bitte senden Sie Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen unter Angabe der Stellen-ID an die Stadt Nürnberg, Personalamt, Fünferplatz 2, 90403 Nürnberg. Bitte verwenden Sie nur Kopien, eine Rücksendung der Unterlagen kann nicht erfolgen. Die Informationen im Stellenmarkt unter karriere.nuernberg.de sind Bestandteil dieser Stellenausschreibung.

Chancengleichheit ist die Grundlage unserer Personalarbeit karriere.nuernberg.de

Im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Stelle als

Sachbearbeiter (m/w) der Allgemeinen Verwaltung im Referat „Hochschul- und Klinikbau“ der Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt zu besetzen. Wir bieten Ihnen eine Besoldung bis zur Besoldungsgruppe A 12 SHBesO sowie eine interessante und abwechslungsreiche Tätigkeit. Bewerbungsschluss ist der 23.06.2018. Den ausführlichen Text der Stellenausschreibung finden Sie unter www.schleswig-holstein.de (Service / Stellenmarkt / Öffentliche Ausschreibung). Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein, Brunswiker Str. 16-22, 24105 Kiel


Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

Behörden Spiegel / Juni 2018

Seite 19

Teureres Trinkwasser?

Gas geben in der Energiewende

Arzneimittelrückstände im Abwasser stellen Wasserwirtschaft vor Probleme

Die Rolle von Erdgas und “grünem Gas” im Klimaschutz

(BS/Katarina Heidrich) Nordrhein-Westfalen als bevölkerungsreichstes Bundesland Deutschlands mit dem Ruhrgebiet als größtem Ballungsraum ist besonders stark betroffen von der Verschiebung der Altersstruktur infolge des demografischen Wandels. Die Folge: Der Medikamentenverbrauch steigt und immer mehr Arzneimittel gelangen ins Abwasser. Letztlich zum Schaden aller, wie das Umweltbundesamt warnt. Kommunen müssen sich darauf einstellen. Während die Wasserwirtschaft eine Abkehr von “End-of-Pipe”-Maßnahmen fordert, arbeitet die Politik schon seit 2016 an einer Spurenstoffstrategie.

(BS/Katarina Heidrich) Die Erreichung der Klimaziele kann nur gelingen, wenn innerhalb der Energiewirtschaft eine Wende vollzogen wird. Gas soll dabei zukünftig die wichtigste Rolle spielen – natürlich wenn es nach der Gaswirtschaft geht. Vor allem vor dem Hintergrund einer Sektorkopplung. Ob aber auf Erdgas oder “grünes Gas” gesetzt werden sollte, bleibt offen. Nicht zuletzt wegen Nord Stream 2.

Die Initiative “Essen macht’s klar – Weniger Medikamente im Abwasser” ist ein Forschungsprojekt, das vom nordrhein-westfälischen Landesumweltministerium gefördert und von den beiden Wasserwirtschaftsverbänden Emschergenossenschaft und Ruhrverband gemeinsam mit der Stadt Essen und dem Projektbüro “Grüne Hauptstadt – Essen 2017” umgesetzt wird. Im Sinne einer Stärkung des Verursacherund Vorsorgeprinzips setzt das Projekt auf Sensibilisierung der Bevölkerung sowie der Ärzte und Apotheker. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Medikamenten soll das Ziel sein. Der Ruhrverband hat darüber hinaus eine eigene großtechnische Versuchskläranlage in Schwerte errichtet. Dort kann das Abwasser für eine Anschlussgröße von 25.000 Einwohnern weitergehend mit Ozon oder Aktivkohle behandelt werden. Konventionelle Kläranlagen nach dem Stand der Technik entfernen die Spurenstoffe nur in geringem Umfang beziehungsweise gar nicht aus dem Abwasser. “In mehreren Vorhaben zur Forschung und Entwicklung, aktuell gemeinsam mit der Uni DuisburgEssen mit Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), wird die vierte Reinigungsstufe für Untersuchungszwecke betrieben”, berichtet Britta Balt vom Ruhrverband.

Vierte Reinigungsstufe In öffentlichen Kläranlagen werden jährlich insgesamt etwa 10,07 Milliarden Kubikmeter Abwasser in drei Reinigungsschritten behandelt. Davon rund 0,1 Prozent rein mechanisch (erste Stufe), 1,9 Prozent biologisch ohne gezielte Entfernung von Nährstoffen (zweite Stufe) und circa 98 Prozent biologisch mit gezielter Nährstoffentfernung (dritte Stufe). Die sogenannte vierte Reinigungsstufe in der Abwasserbehandlung soll Abhilfe bei der Beseitigung von Spurenstoffen schaffen. Der Einsatz von Ozon oder Aktivkohle habe allerdings Schwächen, wie der Direktor des Instituts für Wasserchemie an der Technischen Universität Dresden, Prof. Dr. Eckhard Worch, zu bedenken gibt. Bei der Zugabe von Ozon etwa warnt er vor unerwünschten Nebenwirkungen, da andere Verbindungen entstünden, deren Gefahrenpotenzial noch unerforscht sei. “Man kann mit beiden Verfahren einen Teil des Pro­ blems lösen. Aber es gibt im Moment noch keinen Königsweg für diese vierte Reinigungsstufe”, so Worch. Eine andere Möglichkeit sei eine enzymatische Elimination von Antibiotika mithilfe von Bäckerhefe. Die Wasserchemiker der TU Dresden haben dies in einem Projekt des Bundesforschungsministeriums getestet. Die Ergebnisse seien erfolgsversprechend, so der Institutsdirektor. Allerdings ist noch offen, ob eine Anschlussfinanzierung des Projekts genehmigt wird. Auch ein am Fraunhofer IKTS entwickeltes, neues elektrochemisches Aufbereitungsmodul soll Abhilfe schaffen und die Schadstoffe vollständig entfernen. Allerdings seien die verwendeten Materialien noch zu teuer, weshalb das Forschungsinstitut alternative Techniken erprobt.

Warum die Sorge? Aus Sicht des Ruhrverbands sei zwar keine echte Bedrohungslage erkennbar, “allerdings ist

Der demografische Wandel lässt den Medikamentenverbrauch und damit dessen Rückstände im Abwasser ansteigen. Die Folge könnten erhöhte Trinkwasserpreise sein. Foto: BS/Regina Kaute, pixelio.de

und bleibt natürlich das Thema Medikamentenrückstände beziehungsweise Spurenstoffe allgemein schwierig, weil eine Risikodiskussion in Politik und Gesellschaft bisher noch nicht abschließend geführt wurde”, erläutert Balt. Auch seitens des Bundesumweltministeriums (BMU) heißt es: “Nur bei wenigen der Stoffe sind belastbare Informationen verfügbar, ob und inwiefern diese für die aquatischen Ökosysteme und den Menschen schädlich sind. Für den Großteil der verfügbaren und verwendeten Substanzen liegen hierzu keine Informationen vor. Auch für die Trinkwassergewinnung können Spurenstoffe eine Herausforderung darstellen, wenn Sie über die Oberflächengewässer in das Grundwasser gelangen oder wenn Trinkwasser aus Oberflächengewässern gewonnen wird. Ein Risiko für die menschliche Gesundheit besteht nach bisherigem Wissensstand jedoch nicht.”

Rückstände im Trinkwasser Obwohl die Rückstände bislang auch in den Kläranlagen nicht vollständig entfernt werden können, taucht das Thema in der Trinkwasserverordnung nicht auf. Die Gewässerschutz- und Abfallbeauftragte im Ingenieurbüro für Wasserqualität Dose aus dem bayerischen Stötten am Auerberg, Dipl.-Ing. Sonja Dose, erläutert: “Medikamentenrückstände spielen aktuell bei Probenahmen so gut wie keine Rolle. Sie sind nicht Bestandteil der Trinkwasserverordnung und die Kosten der Analytik sind ziemlich teuer und deutlich teurer als alle Analysekosten gemäß Trinkwasserverordnung.” Das Umweltbundesamt (UBA) macht indes auf Antibiotika-Resistenzen aufmerksam, die “ein schwerwiegendes Problem des öffentlichen Gesundheitswesens” seien. “Bislang wurden etwa 150 verschiedene Arzneimittel-Wirkstoffe in der Umwelt, vor allem in Gewässern, nachgewiesen. Auch im Trinkwasser gibt es vereinzelt Spuren von Arzneimitteln. In der Umwelt wurden bereits mehrfach multiresistente Mikroorganismen nachgewiesen: so zum Beispiel in Fließgewässern unterhalb von Kläranlagen-Abläufen, die oft besonders hohen Antibiotika-Konzentrationen ausgesetzt sind”, heißt es aus dem UBA. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) schreibt lediglich vor, dass die enthaltenen Schadstoffe so weit reduziert werden müssen, wie der Stand der Technik es ermöglicht.

Zu kurz gegriffen Balt weist weiter auf den Kostenpunkt der Trinkwasserpreise hin: “Berücksichtigt werden müssten bei einer solchen Diskussion auch mögliche Probleme, wie zum Beispiel höhere Kosten,

steigender Energieverbrauch, Transformationsprodukte, die sich aus einer weitergehenden Einführung der vierten Reinigungsstufe ergeben würden.” Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) moniert, dass “Endof-Pipe”-Maßnahmen wie die vierte Reinigungsstufe in den Kläranlagen nicht ausreichten und zudem auch durch andere Stoffe wie Nitrat die Anforderungen an die Abwasserbehandlung stiegen. “Es könnten erhebliche Mehrkosten auf die Verbraucher zukommen: Trinkwasser könnte in einigen Regionen um bis zu 62 Prozent teurer werden. Denn die zunehmende Verschmutzung des Grundwassers erfordert eine immer kostenintensivere Trinkwasseraufbereitung”, prognostiziert der Verband. “Die Überalterung der Gesellschaft und der steigende Pro-KopfVerbrauch an Medikamenten führen zu einem Anstieg des Arzneimittelverbrauchs um bis zu 70 Prozent bis 2045. Hier bedarf es einer ganzheitlichen Strategie vom Hersteller über die Apotheken und Ärzte bis hin zum Verbraucher, um die Einträge von Medikamentenrückständen in die Gewässer nachhaltig zu vermindern. Eine nachträgliche “Reparatur” im Wasserwerk oder in der Kläranlage stärkt weder das Verursacherprinzip noch löst es das eigentliche Problem”, so Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser.

Spurenstoffstrategie gefordert Dass die Arzneimittelrückstände in Gewässern noch nicht bedrohlich sind, aber zumindest langfristig auf der politischen Agenda stehen müssen, ist dort zumindest angekommen. “Die Auswirkungen der Spurenstoffe auf die Gewässerökologie und auf die menschliche Gesundheit können wir heute noch nicht umfänglich abschätzen. Aus diesem Grund erarbeiten wir zurzeit eine Spurenstoffstrategie”, so Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Diese begann in der ersten Phase Ende 2016 mit einem Stakeholder-Dialog. Die Teilnehmer haben 14 Handlungsempfehlungen erarbeitet, welche im Juni 2017 in Form eines Policy Papers publiziert wurden. Im Februar 2018 fand die Auftaktveranstaltung zur zweiten Phase des Dialogs in Berlin statt. Dabei wurden ausgehend von einem Stakeholder-Forum vier Arbeitsgruppen gebildet, die aufbauend auf den Empfehlungen des Policy Papers bis voraussichtlich März 2019 konkrete Maßnahmen erarbeiten, um die Gewässerbelastung durch Spurenstoffe zu reduzieren. Ergänzend wird im November 2018 ein Symposium zu Finanzierungsfragen stattfinden, wie es aus dem BMU heißt.

Die Gaswirtschaft stellt einen Stützpfeiler der Systemtransformation innerhalb der Energiewende dar, ist sich der Leiter des Berliner Büros des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), Dr. Volker Bartsch, sicher. Systemeffizienz setze zum einen auf Energieeffizienz, was für Strom spreche, und zum anderen auf Flexibilität, was für Gas spreche. Deshalb müssten beide Infrastrukturen in einer Systemtransformation miteinander verbunden werden, denn “eine Infrastruktur allein wird nicht zukunftsfähig sein”, so Bartsch im Rahmen der Berliner Energietage 2018. Eine solche Transformation gelinge durch drei Wechsel. Zunächst den “Fuel-Switch”, also die Ablösung von Kohle beziehungsweise Erdöl durch Gase als Energieträger. Zum Beispiel könne durch die Ablösung von Diesel durch Wasserstoff im motorisierten Individualverkehr eine CO2-Einsparung von 25 Prozent erfolgen, erläutert Bartsch. Die batteriebasierte Elektro-Mobilität wiederum verbrauche selbst CO2intensiven Strom. Darüber hinaus spiele der “Content-Switch” eine wichtige Rolle. Dieser bedeute die Steigerung des Anteils von “grünem”, also erneuerbarem Biogas im Vergleich zum fossilen Erdgas. Im dritten Schritt, dem “Modal-Switch”, solle dann die sektorenübergreifende Verbindung der Infrastrukturen erfolgen. Allerdings: “Es bedarf Netze und Speicher” für eine erfolgreiche Transformation, mahnt Bartsch an.

Wohin entwickelt sich die Gaswelt? Auch Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des Wasserstoff- und Brennstoff-Verbands (DWV), betont die Vorteile des Wasserstoffs in der Energiewirtschaft und dem Verkehr. Ziel seiner Arbeit sei es, den politischen Akteuren diesen Nutzen näherzubringen. “Die Klimaziele 2050 sind nur auf Basis von Elektromobilität erreichbar. Für 75 Prozent der E-Mobilität wird Wasserstoff zum wesentlichen Energieträger”, prognostiziert Diwald. Besonders “grüner Wasserstoff”, also Wasserstoff aus Elektrolyse mit Strom aus Erneuerbaren Energien, könne zu sofortiger nachhaltiger CO2-Senkung beitragen. Es sei “Wahnsinn”, eine Infrastruktur wie Power-to Hydrogen nicht zu nutzen, kritisiert das Vorstandmitglied von Hydrogen Europe.

Gas soll in der Energiewende eine bedeutende Rolle spielen. Ob die Forderung nur heiße Luft bleibt, ist abzuwarten. Foto: BS/ Dirk Maus, pixelio.de

Nach Einschätzung des Vorstands Infrastruktur und Technik der Verbundnetz Gas AG, Hans-Joachim Polk, wird die Gaswelt 2025 vergleichbar mit heute sein. Obwohl der Erdgasverbrauch im Strom- und Verkehrssektor leicht steigen werde, werde noch ein relativ geringes Niveau bei der Erdgasmobilität herrschen. Die Gaswelt 2050 aber werde schon anders aussehen, so Polk. Je nach Szenario wird der Erdgasverbrauch dann um circa 50 Prozent im Vergleich zu heute gesunken sein. Aber: es finde eine Kompensation durch erneuerbare Gase statt, ist sich der Vorstand sicher. Darauf müsse sich die Energiewirtschaft einstellen.

Gewährleistung der Versorgungssicherheit Prof. Dr. Hans-Martin Henning vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hebt ebenfalls die Sektorkopplung hervor, die im Regenerative-EnergienModell “REMod” untersucht wird. Das Modell dient zur Simulation und Optimierung der Entwicklung nationaler Energiesysteme. Hennings Fazit: “Erdgas spielt in allen betrachteten Entwicklungen eine zentrale Rolle. Im Zuge des Umbaus der Energieversorgung steigt seine Bedeutung

sogar gegenüber heute.” Aber auch großskalige Wasserstofferzeugung werde immer Teil der Lösung sein, so Henning. Um die Versorgungssicherheit in Europa zu gewährleisten, sollen ab 2020 pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas über die Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland transportiert werden. Im März 2018 reichte der Naturschutzbund Deutschland (NABU) Klage gegen die Genehmigung zum Bau der Gaspipeline aufgrund von Umweltauswirkungen und Verfahrensfehlern ein. In Dänemark trat am 1. Januar 2018 ein Gesetz in Kraft, das den Bau der Pipeline in dänischen Territorialgewässern verbieten kann. Auf europäischer Ebene wird derzeit über den Rechtsrahmen verhandelt. Obgleich diese Fragen ungeklärt sind, sieht die Bundesregierung der Pipeline als “zusätzliche Versorgungsroute” positiv entgegen. Die Ergebnisse von verschiedenen Analysen und Prognosen zur zukünftigen Erdgasnachfrage in Deutschland mache sie sich allerdings “grundsätzlich nicht zu eigen, nimmt jedoch zur Kenntnis, dass sie zu teils unterschiedlichen Ergebnissen kommen”, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Kommunale Infrastrukur / Neue Mobilität

Seite 20

Behörden Spiegel / Juni 2018

Die Zukunft steht vor der Tür

Nächstes Jahr geht es richtig los

Kommunen machen sich startklar für die “Neue Mobilität”

Die Elektromobilität kommt mit Schwung auf uns zu

(BS/wim) Jahrelang galten elektromobile Verkehrskonzepte als Zukunftsmusik. Zwar begannen die Hersteller (BS/Michael Schramek) Bundeskanzlerin Merkel hat das Ziel, eine Million E-Kfz bis 2020 auf deutschen Straso langsam damit, Elektroautos in ihre Portfolios aufzunehmen, diese Fahrzeuge kamen aber nie wirklich über ßen zu haben, zu Recht infrage gestellt. Es komplett aufzugeben, war jedoch etwas voreilig, eine Verschiebung den Status von Randphänomenen hinaus. In den nächsten zwei Jahren soll sich dies nun endgültig ändernen, um ein bis zwei Jahre hätte vollkommen ausgereicht, denn dann wird die Zielmarke sicher erreicht werden. mit fleißiger Mithilfe der deutschen Kommunen werden nämlich tausende E-Autos auf die Straßen kommen. In der Debatte um die Energiewende nehmen moderne Mobilitätskonzepte eine zentrale Rolle ein. Um die Klimaziele auch nur annähernd erreichen zu können, muss der Verkehrssektor in ein klimagerechtes Konstrukt umgewandelt werden. Das Problem an der Sache ist jedoch, dass diese Entwicklung, anders als bei der Energiewende, beim Verkehr noch ganz am Anfang steht. Die Treibhausemissionen wachsen auch heute noch, sodass die Umstellung nicht nur nötig ist, sondern immer dringender wird. Aus diesem Grund macht die Politik bei öffentlicher Verwaltung wie auch bei den Mobilitätsunternehmen Druck. Und dieser zeigt langsam Wirkung: Laut Michael Schramek, Vorsitzender des Vorstandes im Netzwerk intelligente Mobilität e. V. und fachlicher Leiter des Fachkongresses “Neue Mobilität”, den der Behörden Spiegel zusammen mit der Energieagentur RheinlandPfalz Anfang Mai in Mainz durchgeführt hat, werden im Jahr 2024 bereits 80 Prozent aller öffentlich angeschafften Dienstfahrzeuge mit Hybridantrieb durch die Kommunen fahren. Gleichzeitig planen auch die Hersteller für die Zukunft. So will VW seine E-Autos zu den Preisen von Dieselfahrzeugen anbieten und Mercedes plant, ab 2020 den Smart nur noch elektrisch zu verkaufen: “In kleinen Fahrzeug-

Die elektromobile Zukunft steht unmittelbar bevor – das war der Grundtenor auf dem Kongress “Neue Mobilität” Anfang Mai in Mainz. Am Rande der Tagung konnten die Teilnehmer auch einige aktuelle Elektroautos in Augenschein nehmen und selbst fahren. Foto: BS/Tobi Giessen

klassen wird es bald nur noch elektrische Autos geben”, ist sich Schramek sicher. Wichtig sei nun allerdings, auch dafür zu sorgen, dass zum einen eine ordentliche Infrastruktur geschaffen werde und zum anderen der Strom für die Fahrzeuge möglichst aus Erneuerbaren Energiequellen gewonnen werde. Damit Elektroautos auch attraktiv für kommunale, gewerbliche und private Käufer sind, müssen Kommunen und Politik Anreize schaffen. In Mainz versucht man es beispielsweise mit einem “klugen Mix der Verkehrssysteme mit einem Umweltbezug”, erklärt die Umweltdezernentin der Stadt, Katrin Eder. Im Förderprogramm “Saubere Luft” des Bundes hat

die Stadt den Masterplan “M³ Green City 2018” eingereicht. Dieses Nahverkehrskonzept soll die Mobilität in der Stadt weg vom Individualverkehr und hin zu einem sauberen, öffentlich geprägten Verkehr wandeln. So werden derzeit alle Haltestellen der Stadt barrierefrei umgebaut, Parkplätze werden zu Stadtplätzen, Fußwege werden verbreitert und der ÖPNV wird angepasst. Dazu sollen Anreize geschaffen werden, das Fahrrad zu benutzen, und durch angepasste Parkleitsysteme wird der Individualverkehr möglichst aus dem Stadtzentrum ferngehalten. Mit dem Plan will Mainz vorweggehen und zum Beispiel für weitere Kommunen werden.

E-Mobilität ist kein Problem! Landkreis möchte den Bürgern Test-Autos anbieten

Woher dieser Optimismus? Wenn man aufmerksam verfolgt, was sich in der Automobilindustrie alles tut, erkennt man, dass der Durchbruch der Elektromobilität unmittelbar bevorsteht. Die Reichweiten neuer Fahrzeugmodelle von realistischen 300 km sind längst für viele Anwendungen vollkommen alltagstauglich, und in den nächsten zwei Jahren werden nochmals 100 km hinzukommen. In den Vollkosten sind die Stromer bei Jahresfahrleistungen von 20.000 km schon jetzt nicht mehr teurer als die Verbrenner, dies ergeben Auswertungen der Daten aus dem ADAC-Vollkostenrechner. Und wenn im nächsten Jahr die Preise der Elektro-Pkws auf das Niveau von Dieselfahrzeugen sinken, so wie es den Ankündigungen von VW, Audi und Tesla zu entnehmen ist, dann werden sie auch bei geringen Jahresfahrleistungen wirtschaftlicher sein als die fossil angetriebenen Modelle. Auch ist es nur schwer vorstellbar, dass der Smart, der laut Ankündigung von Daimler spätestens ab 2020 nur noch mit Elektromotor zu haben sein wird, mit einer deutlichen Preissteigerung daherkommt. Insgesamt wird es im Kleinwagensegment wegen der mittlerweile in den geringen Verkaufspreisen nicht mehr zu realisierenden Abgasreinigung zu einem sehr schnellen Aussterben der konventionellen Antriebsarten kommen, wozu auch die neue Konkurrenz des e.Go, des Uniti und anderer kleinen Stromer beiträgt. Die deutschen Hersteller haben die in den letzten Jahren

Halbierung der Steuer auf den geldwerten Vorteil bei Dienstwagen fördern will. Jede Spontanumfrage bei Veranstaltungen in den letzten Wochen ergab das gleiche Bild: Kein DienstwagenbeFoto: BS/Tobi Giessen rechtigter wird zur Schau getragene Elektro- auf einem konventionellen Diesel Zurückhaltung nicht ungenutzt bestehen, wenn er bei Wahl eines verstreichen lassen, sondern für Hybridmodells nur noch halb so die Entwicklung ausgereifter viel Steuern bezahlen muss. Das Stromer genutzt. Der Audi e- bedeutet, dass bereits drei bis tron, der noch in diesem Jahr vier Jahre nach Anpassung des zu einem Preis auf den Markt Einkommensteuergesetzes wekommt, der nur ca. zehn Prozent gen der üblichen Leasingdauern über dem eines vergleichbaren kaum noch ein normaler Diesel Verbrenners liegt, zeugt genauso in den Dienstwagenflotten zu davon wie die induktive Lade- finden sein wird. Die Zeiten, in denen staatliche technik des BMW-Hybriden 530e iPerformance, die ebenfalls noch Stellen und Initiativen für das 2018 nur ca. 1.000 Euro mehr Elektroauto werben mussten, kosten wird als eine herkömm- sind definitiv vorbei. Das übernehmen jetzt diejenigen, die nach liche Wallbox. milliardenschweren InvestitiDer Flotten-Diesel stirbt aus onen nun wirklich Geld damit Die von VW und Audi veröffent- verdienen wollen und müssen, lichten Zahlen sprechen eine kla- also die Automobilindustrie. re Sprache. VW hat für 50 Mrd. Staatliches Handeln und FörEuro Batteriezellen ausgeschrie- derung muss sich jetzt darauf ben und schon fast komplett konzentrieren, die passenden unter Vertrag. Damit kann man Rahmenbedingungen für den ca. sieben Mio. vollelektrische Markthochlauf zu schaffen und oder 28 Mio. Hybrid-Fahrzeuge gleichzeitig sicherzustellen, dass bauen. Audi hat angekündigt, der Umstieg auf Elektroantrieb im Jahr 2025 800.000 Voll- oder nicht am Ende zu noch mehr Teilzeitstromer zu bauen: Das Autoverkehr führt. Eine unbesind 43 Prozent der aktuell pro fristete Halbierung der Steuer auf Dienstwagen beispielsweiJahr abgesetzten Fahrzeuge. Im Koalitionsvertrag ist gleich se hätte genau diese Wirkung, an zwei Stellen zu lesen, dass die ebenso das bessere Gewissen, Bundesregierung den Absatz von mit einem sauberen Antrieb unElektrofahrzeugen durch eine terwegs zu sein. Michael Schramek ist Geschäftsführender Gesellschafter bei Eco Libro und Vorsitzender des Vorstandes im Netzwerk intelligente Mobilität e. V. Zudem war er fachlicher Leiter des diesjährigen Kongresses “Neue Mobilität” am 9. Mai in Mainz.

(BS/ab) Der Landkreis Wolfenbüttel im Osten Niedersachsens ist nicht nur wegen der Schachtanlage Asse bekannt. Er zählt auch zu den größten Auspendler-Kreisen der Republik. 13.000 bis 14.000 Menschen pendeln jeden Tag in die nahegelegenen Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg. Die Wohnsituation ist geprägt von Eigenheimen und Garagen mit meistens zwei Autos. Trotzdem sieht die Kreisverwaltung darin Stickoxidbelastete Städte schöpfen alle Mittel aus – auch Fahrverbote kein Hindernis für die Elektromobilität. Ganz Im Gegenteil: “E-Mobilität ist definitiv kein Zukunftsthema im ländlichen Raum, sondern jetzt umsetzbar.” (BS/Adrian Bednarski) Die Hamburger Politik hat nun zum drastischsten Mittel gegen die anhaltende Schadstoffbelastung ihrer Stadt gegriffen: Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Auch andere Städte sehen darin die Lösung zur deutlichen Reduzierung. Während weitere Kommunen entweder die Automobilindustrie in die Deshalb hat der Landkreis auf Pflicht nehmen möchten oder auf bessere Rahmenbedingungen pochen. der Basis einer Analyse ein E-

“Game over”, Diesel!

Mobilitätskonzept entwickelt und kooperiert mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft Ostfalia. “Ein entscheidender Punkt ist die Tatsache, dass die Menschen täglich eine mittlere Wegstrecke von circa 40 Kilometern zurücklegen”, erläutert Prof. Dr. Thomas Cerbe von der Ostfalia. Dies sei eine Wegstrecke, welche die modernen Akkus der heutigen E-Auto-Generation ohne Weiteres schafften. “Im Sommer reichen die Akkuladungen für 100 bis 200 Kilometer und im Winter 80 bis 150 Kilometer”, erläutert der Wissenschaftler. Somit seien die allermeisten Pendler- und Einkaufsstrecken oder das Abholen von der Schule abgedeckt.

Alles eine Frage der Einstellung? Trotzdem machen sich die Menschen Gedanken über die Lademöglichkeiten, wobei auch hier der ländliche Raum einen Vorteil besitzt. “Die meisten Autos im Landkreis Wolfenbüttel stehen nachts mehrere Stunden auf dem eigenen Grund und Boden. Damit kann das Fahrzeug per SchukoSteckdose oder Wallbox aufgeladen werden”, fuhr er fort. Ein kompletter Ladevorgang dauere fünf bis zehn Stunden, abhängig von Akkugröße und Ladeleistung. Über Nacht sei somit ausreichend Zeit, um den Akku aufzuladen. Außerdem verringere sich dementsprechend die Ladezeit, wenn der Bedarf gering ausfalle. Trotzdem werden 15 Lademöglichkeiten in dem Landkreis aufgestellt. Die Stromversorgung soll dabei möglichst aus Erneu-

Die Unterzeichnenden des Eckpunktepapiers zur Förderung der Elektro-Mobilität auf dem Wolfenbütteler Marktplatz (v.l.n.r.): Professor Dr. Joachim Landrath (CEMO, Ostfalia), Regina Bollmeier (Samtgemeinde Elm-Asse), Petra EickmannRiedel (Samtgemeinde Sickte), Professor Dr. Thomas M. Cerbe (CEMO, Ostfalia, im E-Auto), Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink, Landrätin Christiana Steinbrügge, Michael Petrick (Gemeinde Schladen-Werla), Stefan Thiele (Gemeinde Cremlingen), Marc Lohmann (Samtgemeinde Oderwald) und Birgit Simons (Samtgemeinde Baddeckenstedt) Foto: BS/Landkreis Wolfenbüttel

erbaren Energien erfolgen. “Es ist eine Kopfsache. Damit fühlen sich die Menschen für den Notfall gewappnet”, unterstreicht Sven Volkers, Amtsleiter für Bauen und Planen im Landkreis Wolfenbüttel.

Mit Volldampf voraus Um grundsätzlich für das Thema E-Mobilität zu begeistern, würden Informationsveranstaltungen abgehalten und vor allem die Bürger an das Steuer gelassen. “Wir möchten jedem Bürger die Möglichkeit bieten, ein E-Auto für eine Woche zu leihen und es auszutesten. Denn dann können diese feststellen: Ein EAuto ist für den täglichen Bedarf ausgelegt und keiner braucht Bedenken zu haben”, erläuterte der Amtsleiter.

Neben der Sensibilisierung der Bürger für die E-Mobilität sollen Elektrofahrräder gefördert werden. Deshalb ist der Ausbau des Fahrradnetzes sowie sicherer Abstellmöglichkeiten geplant. Letztere müssen ebenerdig sein, denn die E-Fahrräder wiegen mehr als die herkömmlichen. Dadurch soll der Umstieg auf das Fahrrad gefördert werden, welches für die Arbeitswege – die im bundesweiten Mittel zehn Kilometer betragen – ausreicht. Um den Umstieg auf E-Mobilität zu fördern, werden Gespräche mit Unternehmen, Arbeitgebern und Wohngesellschaften geführt, inwieweit diese Ladepunkte bereitstellen oder ein E-Bike-Pendeln der Mitarbeitenden unterstützen können. Es ist geplant, dass die Ziele 2019 erreicht werden.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts war für Hamburg ausschlaggebend. Das Inkrafttreten des Verbots für zwei Streckenabschnitte (Max-Brauer-Allee sowie Stresemannstraße) in der Hansestadt verzögerte sich, weil die Verwaltung die Begründung des Gerichts auswerten musste. Nach deren Entscheidung seien Dieselfahrverbote als letztes Mittel in Städten zur Luftreinhaltung legitim. Aber die Einführung müsse verhältnismäßig sein und brauche einen zeitlichen Vorlauf. Auch in Hannover könnte somit die letzte Hürde gefallen sein. “Um kurzfristig die Einhaltung der Grenzwerte an allen Stellen in Hannover zu erreichen, sind Maßnahmen erforderlich, die Dieselfahrzeuge einzuschränken”, heißt es seitens der Stadtverwaltung. Dies werde jedoch in Gesprächen mit dem Land Niedersachsen geprüft. Sollten Fahrverbote folgen, so werde das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigt. Die Hannoversche Politik hat den Schadstoffen bereits 2007 mittels eines Luftqualitätsplans den Kampf angesagt. Im Zuge dessen wurden eine Umweltzone, die Optimierung der Lichtsignalanlagen für einen besseren Verkehrsfluss sowie die Anschaffung von emissionsarmen Fahrzeugen durch die Verwaltung und die öffentlichen Verkehrsunternehmen festgeschrieben. “Es zeigt sich, dass diese Maßnahmen deutliche Erfolge bewirkt haben und mittelsowie langfristig weiter spürbare

Verbesserungen der Luftqualität folgen werden”, so Dennis Dix von der Stadt Hannover.

Der Autoindustrie im Nacken Die Bundeshauptstadt hat zudem Tempo-30-Zonen eingerichtet. In der Schildhornstraße (Berlin-Steglitz) wurden mittels einer Tempo-30-Anordnung die Stickoxid-Belastung (NO2) um 15 Prozent sowie der Feinstaubanteil um 30 Prozent reduziert. Dies solle ebenso auf einem Streckenabschnitt auf der Leipziger Straße (Berlin-Mitte) folgen. Die Anordnung lasse eine Reduktion des NO2 um zehn Prozent erwarten. Es sind jedoch nur kurzfristige Instrumente zum Nachjustieren. “Die wirksamste Maßnahme zur Reduzierung der NO2-Werte ist die Hardware-Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit HarnstoffKatalysatoren”, sagt Dorothee Winden aus der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK). Hierbei verweist sie auf die Tests des ADACs Württemberg, nach denen der Ausstoß von Schadstoffen an Euro-5-Dieselfahrzeugen bis zu 70 Prozent innerorts und bis zu 90 Prozent außerorts verringert würde. “Deshalb setzt sich die Senatsverwaltung für Umwelt seit Langem dafür ein, dass die Automobilfirmen die Kosten für die Nachrüstung für jene Fahrzeuge übernehmen, die mit Abschaltvorrichtungen manipuliert wurden”, so Winden. Langfristig will die Hauptstadt mit ihrem Mobilitätsgesetz, das derzeit im parlamentarischen Verfahren ist,

Akzente setzen. Damit sollen der ÖPNV sowie die Radinfrastruktur ausgebaut werden. Zusätzlich sollen die Bus-Flotten auf Elektro­betrieb umgestellt werden. Die Planungen diesbezüglich seien im Gange.

Preiswerter ÖPNV, aber… Neben den Städten ist das Bundesumweltministerium (BMU) als zuständige Behörde an der Einhaltung der Schadstoffobergrenzen interessiert. Für Jochen Flasbarth, Staatssekretär aus dem BMU, ist die Stärkung des ÖPNV essenziell: “Wir brauchen mehr, besseren und preiswerten ÖPNV, mit mehr Straßenbahnen und vor allem auch mit elektrischen Bussen. Das BMU fördert deshalb die Anschaffung von EBussen mit 80 Prozent der Differenzkosten zu herkömmlichen Bussen.” Zudem werde die Bundesregierung für einen modernen kommunalen Verkehr die Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes von derzeit 330 Mio. Euro bis 2021 auf eine Mrd. Euro jährlich erhöhen. Finanzielle Mittel werden alleine nicht reichen, meint man in Aachen. Obwohl in der ebenso aktiv agierenden Stadt die Schadstoffe in der Luft tendenziell sinken. “Dennoch ist die Stadt Aachen zur Stabilisierung dieses Trends auf die zugesagte Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine umwelt- und gesundheitsorientierte Mobilitätspolitik von Bund und Land angewiesen”, so Harald Beckers, Sprecher der westlichsten Stadt Deutschlands.



Kommunale Infrastruktur / Mobilität

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Behörden Spiegel / Juni 2018

Der ÖPNV der Zukunft

Chancen der Elektromobilität auf dem Land

Elektrische und autonome Angebote brauchen neue Infrastrukturen

Auch die ländlichen Räume müssen ihre CO2- und Schadstoffemissionen reduzieren

(BS/Wim Orth) In Berlin ist es die 204, in Köln die 133, und München die 100. Seit einiger Zeit schon gibt es in vielen deutschen Großstädten vereinzelte Linien im Öffentlichen Nahverkehr, die testweise mit E-Bussen befahren werden. In den kommenden Jahren sollen aus solchen vereinzelten Testprojekten mehr und mehr Linien im Regelbetrieb werden.

(BS/Florian Strunk*) Häufig herrscht die Meinung, der Umstieg auf ein Elektrofahrzeug eigne sich nur in der Stadt mit ihren kurzen Wegstrecken. Die Reichweiten der Elektrofahrzeuge würden den Anforderungen auf dem Land und den dort vorherrschenden topografischen Bedingungen nicht gerecht. Dabei gibt es für die Elektromobilität im ländlichen Raum entscheidende Vorteile.

“Wir reden bei diesen Entwicklungen nicht mehr von der Zukunft, das Ganze geht bald richtig los”, erklärte Michael Schramek, der Vorstandsvorsitzende des Netzwerks Intelligente Mobilität beim Fachkongress Neue Mobilität, der Anfang Mai in Mainz stattfand. Und das wird in Zukunft auch notwendig sein, denn der Gesetzgeber hat sich hohe Ziele gesteckt, die mit Verbrennern kaum einzuhalten sind. Im Gegenteil, sollen die Emissionsziele für das Jahr 2030 eingehalten werden, dürften ab dem Jahr 2024 keine Verbrenner mehr zugelassen werden, rechnet Marcel Corneille, Geschäftsführer der EMCEL GmbH, vor: “Theoretisch müssen auch die Emissionen von Luftund Schiffsverkehr runtergehen. Da dies in der Realität deutlich schwerer umzusetzen ist, wird der Straßenverkehr dies mit abfedern müssen.” Im Grunde spricht also fast alles für E-Mobilität in öffentlichen Fuhrparks. Durch E-Busse wird der ÖPNV für Mitfahrer und Anwohner leiser, die Busse ruckeln durch das veränderte Getriebe weniger und selbst die Werkstatt ist viel sauberer.

Dazu kommt, dass es in Stadt und Garage nicht mehr nach Abgasen stinkt. Einziger Haken ist und bleibt die Infrastruktur. Dort werden in Zukunft massive Investitionen nötig sein, erklärt Dr. Ute Jasper, Rechtsanwältin in der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek: “Das Thema muss als Gesamtsystem angesehen werden. Man kann nicht mehr einfach Busse kaufen, sondern muss auch Infrastruktur, Arbeitnehmer und so weiter mitdenken.” Dabei stehen verschiedene Systeme zur Auswahl, die alle individuelle Vor- und Nachteile mit sich bringen. So können Akkus beispielsweise über Nacht mit wenig Strom geladen werden oder per Induktion oder Oberleitung mit hoher Stromspannung in wenigen Minuten. Als dritte Option gibt es alternativ die Brennstoffzelle auf dem Dach der Busse. Bei der Umstellung auf elek­ trische Flotten gibt es einzelne Leuchtturmprojekte wie beispielsweise Wiesbaden, wo die gesamte Flotte von 220 Bussen ausgetauscht und auf Stromantrieb umgestellt wird. Corneille

Sollen die Klimaziele bis 2030 wirklich eingehalten werden, dürften ab 2024 keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr neu zugelassen werden, erklärte Marcel Corneille, Geschäftsführer der EMCEL GmbH, auf dem Kongress “Neue Mobilität” in Mainz. Foto: BS/Gießen

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iese Situation ist dem Mobilitätsmarkt bewusst, was zur Überlegung von effizienteren Lösungen führt. Der Katalysator hierfür lautet Flexibilität für mobile Menschen. Durch die sinnvolle und ganzheitliche Verknüpfung verschiedener –vorzugsweise öffentliche – Verkehrsmittel über einen digitalen Vertriebskanal soll dem Reisenden ein kundenfreundliches und umweltbewusstes Mobilitätsangebot unterbreitet werden. Auch wenn dieser Ansatz offensichtlich und unkompliziert erscheint, sind doch einige Herausforderungen auf dem Weg zu inter- bzw. multimodalen Buchungsketten zu meistern. Allein die Zentralisierung verschiedener Mobilitätsanbieter auf einer Plattform und die Klärung der Haftung sowie Risiken (Ausfall und Nichtzahlung des Reisenden) der Teilnehmer an dieser Plattform wie auch der Plattformbetreiber stellen eine nicht zu unterschätzende Aufgabe dar. Inwieweit bereits diese Herausforderungen bestehen, zeigt ein Blick in die Realität.

Ein Beispiel aus der Rhein-Main-Region Bei intermodalen Lösungen fällt auf, dass ein Gros an Förderprojekten, die vom Deutschen Staat mit der Förderrichtlinie “Digitale Vernetzung im Öffentlichen Personenverkehr” unterstützt werden, in verschiedensten Regionen Deutschlands angelaufen sind. Ziel des Bundes ist, “mehrere öffentliche und private Mobilitätsplattformen mit entsprechenden Applikationen, die auf qualitativ hochwertige Informationen verschiedener Mobilitätsangebote zugreifen können”, zur Verfügung

kritisiert den Prozess in Deutschland, der im Gegensatz zu anderen Ländern “aus zu vielen langwierigen Phasen wie Planung, Pilotphase, dem Ausbau des Systems und schließlich der vollständigen, jedoch schrittweisen Neubeschaffung” bestehe. Lobend erwähnte er dennoch, dass aktuell rund 50 deutsche Städte dabei zu sein, Strategien auszuarbeiten – Gesamtumstellungen wie in Wiesbaden bleiben aber die Ausnahme.

“On Demand” statt fester Fahrplan Der Bus der längerfristigen Zukunft fährt aber nicht nur elek­ tronisch, sondern autonom und vor allem ohne festen Fahrplan. “Intermodale Angebote werden tageszeitunabhängige Punktzu-Punkt-Beförderung über eine Beförderungskette möglich machen”, ist sich Dr. Jan Deuster, Rechtsanwalt bei CBH Rechtanwälte, sicher. Es gehe nicht mehr nur um einen Ausbau der Buslinien, sondern ÖPNV müsse so attraktiv werden, dass sich der Verzicht auf den privaten Pkw lohne. Dazu brauche es integrierte Beförderungsketten mit einem verständlichen, bezahlbaren Tarifsystem, in dem direktere, aber gleichzeitig kleinere Busse das Herzstück bildete. Da die aktuelle Rechtsdefinition von ÖPNV allerdings nicht ausreichend für Intermodalität sei, müsse das Personenbeförderungsgesetz dringend modernisiert werden. So sind weder On-DemandDienste noch Car Sharing oder Fahrradangebote vom aktuellen Recht abgedeckt. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag aber bereits angekündigt, das Gesetz auf die heutige Entwicklung anzupassen.

Geringe Reichweiten der Elektrofahrzeuge und das fehlende Netz an öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur werden oft als Hindernisse der Elektromobilität genannt. Elektrofahrzeuge der aktuellen Generation sind jedoch mit Batterien ausgestattet, die Reichweiten von 200–300 Kilometern ermöglichen. Dabei ist es nachrangig, ob wir uns in urbanen oder ländlichen Gebieten bewegen. Für den Einsatz im kommunalen und gewerblichen Fuhrpark sind Elektrofahrzeuge in den meisten Fällen eine ideale Lösung, wie es auch schon Flottenbetreiber vielerorts unter Beweis stellen. Beim Nachladen des Akkus müssen wir unsere Gewohnheiten verändern. Während wir von den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren gewohnt sind, zu tanken, wenn es sein muss, wird man bei Elektroautos eine ständige Routine des Aufladens entwickeln. Die Autos werden geladen, wenn das Fahrzeug steht und die Möglichkeit dafür gegeben ist – und das jeden Tag. Hier besitzt der ländliche Raum einen großen Vorteil gegenüber den sogenannten “Laternenparkern” im (inner-)städtischen Bereich. Die Möglichkeiten, das Elektroauto aufzuladen, werden auf dem Land in der Garage, im Carport oder am Stellplatz im privaten Bereich geschaffen. Zudem werden Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter Ladeinfrastruktur installieren. Das Laden des Elektroautos passiert innerhalb alltäglicher Routinen. Es entsteht – bei den oben genannten Reichweiten – nur selten die Situation, dass die Akkuladung zur Neige geht. Dennoch benötigt natürlich auch der ländliche Raum ein flächendeckendes Netz an öffent-

Auch auf dem Land, wie hier im Kreis Altenkirchen im Westerwald, müssen die alten Verbrennungsmotoren neuen und sauberen Elektroantrieben weichen. Foto: BS/Energieagentur Rheinland-Pfalz

Aspekt der Ladeinfrastruktur in der Kommune und beauftragte die Erstellung einer Bedarfsanalyse; die Kreisverwaltung in Neuwied analysiert gemeinsam mit den Stadtwerken die Umstellung ihres Fuhrparks auf alternative Antriebe; der Landkreis AlzeyWorms wählt gar einen ganzheitlichen Ansatz bei der Untersuchung. Die Erstellung der Elektromobilitätskonzepte Mobilitätskonzepte kann über für Kommunen die Förderrichtlinie ElektromoBundesländer wie Rheinland- bilität des BundesverkehrsmiPfalz sind in ihrer Struktur ge- nisteriums mit bis zu 80 Prozent prägt durch ländliche Räume. bezuschusst werden. Was kann eine Kommune leisten Immer mehr Kommunen beschäftigen sich mit dem Thema und wie geht sie am sinnvollsten Elektromobilität. Sie nutzen die vor? Im Programm “Kommunal Möglichkeit und lassen Elek­ elektrisch” der Energieagentur tromobilitätskonzepte erstellen. Rheinland-Pfalz stehen mehrere Solche Konzepte können ganz Kommunen mit ihren gesamverschiedene Schwerpunkte ha- melten Erfahrungen als Paten ben: So betrachtet man beispiels- mit Rat und Tat zur Seite und weise derzeit in Montabaur den sind gerne bereit, interessierten rheinland-pfälzischen Kommunen bei ihrem Weg in Richtung Elektromobilität zu helfen. Florian Strunk ist Projektleiter Elektromobilität im ländlichen Raum bei der Weitere InformaEnergieagentur Rheinlandtionen unter www. Pfalz. energieagentur. rlp.de/mobilitae­ tswende licher Ladeinfrastruktur. Hier spielen die Schnelllader für Besucher und für die Transitstrecken eine wichtige Rolle, sollte die Akkureichweite doch knapp werden. Kommunen sollten hier Impulse geben und gemeinsam mit den Energieversorgungsunternehmen und Netzbetreibern die Aufgabe angehen.

Inter- und multimodale Mobilitäts-Apps Wie öffentliche Auftraggeber damit umgehen können (BS/Anna Theine*) Über ein Smartphone lassen sich diverse und oft regionsspezifische Mobilitäts-Apps nutzen. Dabei ist die Auswahl groß – für jedes einzelne Transportmittel gibt es die geeignete App. Damit ist die Mobilitätsbranche in Deutschland an einem Punkt angelangt, an dem die Digitalisierung zwar Einzug gehalten hat, die Vernetzung der verschiedenen Angebote jedoch noch in den Kinderschuhen steckt. zu stellen (www.digitalvernetztmobil.de). Wie sieht jedoch die konkrete Umsetzung aus? An einem Förderprojekt wird die Situation deutlich: Mit der Entwicklung einer anbieterneutralen, interoperablen und regionalen Kooperationsund Mobilitätsplattform (ReKoMo) bauen verschiedene beteiligte Projektpartner eine Verbindung komplementärer Mobilitätsangebote mit dem ÖPV-Angebot auf (www.rekomo-plattform.de). Das Fundament bildet eine mandantenfähige Mobilitätsplattform, die eine Integration des Angebots lokaler Mobilitätsanbieter erlaubt. Der Reisende soll mit dieser Lösung eine Buchung verschiedener Transportmittel in einer Reisekette mit einer einmaligen Registrierung auf der Mobilitätsplattform vornehmen können. Verschiedenste Mobilitätsanbieter werden an diese Plattform angeschlossen. Der Reisende soll vor allem das Gefühl haben, eine Lösung aus einer Hand zu bekommen. Aber nicht nur die Anzeige, welche Reisemittel innerhalb einer Strecke genutzt werden können, soll auf der Plattform einsehbar sein, sondern auch die Auswahl einer intermodalen Reiseroute inklusive Zahlung. Mit der Möglichkeit der Hinterlegung einer favorisierten Zahlart werden alle in Anspruch genommenen Mobi-

litätsleistungen in einem Paket bezahlt. Um bei der Diversität an in Anspruch genommene Leistungen nicht die Übersicht zu verlieren, sollen dem Kunden all seine Transaktionen in einer Ansicht angezeigt werden. Das erste Ergebnis wird im Herbst bei Projektende erwartet. Ein wesentlicher Punkt, der bei den verschiedenen Projekten – auch bei ReKoMo – immer wieder präsent wird, ist die Anforderung, eine schlanke Zahlungsabwicklung und ein mandantenfähiges Clearing für alle Mobilitätsanbieter für eine intermodale Buchung zu realisieren.

Leistung rund ums Zahlen Oftmals ordnen Auftraggeber und teilnehmende Mobilitätsanbieter die zu erbringenden Leistungen eines Zahlungsabwicklers sehr spät im Projekt und inhaltlich erst am Ende einer Buchungskette ein. Vielen ist dabei nicht bewusst, dass es bei der Zahlungsabwicklung nicht nur um die Bereitstellung von Zahlarten wie Kreditkarte, SEPA-Lastschrift, unter anderem in Form eines Payment Gateways inklusive der Transaktionsrealisierung, geht. Ein wesentlicher Teil besteht auch darin, Services anzubieten, die eine sichere Transaktionsabwicklung für alle Teilnehmer ermöglichen. Gerade auch bei intermodalen Buchungsketten sollte der Zah-

lungsdienstleister bereits bei der Registrierung eines Reisenden auf dem Portal technisch eingebunden werden. Es ist essenziell, um die Zahlungswahrscheinlichkeit eines Reisenden im Voraus einschätzen zu können, um Zahlungsausfälle zu vermeiden. Über verschiedene Mechanismen wie Bonitätsprüfung und Betrugsprävention, die über das Zahlsystem vorgenommen werden, gelingt dies in Form von Regelmechanismen. Ein flexibles Fraud-Prevention-Management ist wichtig, um kontinuierlich die Risikomanagementprozesse an die aktuellen Marktverhältnisse anzupassen.

Der entscheidende Service Sehr gute Zahlungsinstitute unterstützen intermodale Plattformanbieter auch bei der rechtlichen Konformität, Haftungsfragen und Compliance-Fragen. Ein weiterer guter Service ist die Risikoübernahme. Sollte beispielsweise bei der Buchung des Reisenden ein Zahlungsausfall auftreten, erhalten die Mobilitätsanbieter bei der Risikoübernahme dennoch eine 100-prozentige Ausschüttung. Diese Leistung ist jedoch nur bei wenigen Payment-ServiceProvidern vorhanden, nicht zuletzt deshalb, da eine Lizenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorliegen muss.

Genauso wichtig wie eine sichere Zahlungsabwicklung sind auch die nachgelagerten Prozesse eines Zahlungsdienstleisters, wenn z. B. ein Ausfall generiert wurde. Hierzu zählt ein agiles Forderungsmanagement, das automatisiert Mahnläufe auslöst und im Bedarfsfall auf das Inkasso-Management zurückgreift. Einen weiteren Service, der bei intermodalen Plattformen mit diversen Mobilitätsanbietern maßgeblich ist, stellt die Clearingfunktionalität zur Ausschüttung der Umsätze und die separate Rechnungsstellung dar. Die Ausschüttungen sollten dabei mandantenindividuell vorgenommen werden können. Für einen umfassenden Payment-Service gilt es, einen guten Zahlungsabwickler mit einem leistungsstarken Angebot, abgestimmt auf den Mobilitätsmarkt, einzubinden. Ein langjähriger Akteur und Anbieter dieses Service-Pakets ist die LogPay Financial Services GmbH. Sie hat in verschiedenen Mobilitätsprojekten ihre Leistungen unter Beweis gestellt und Erfahrung in den Dos und Don’ts bei PaymentServices gesammelt.

Ein paar Tipps Die Erfahrungen der LogPay zeigen, dass folgende Punkte bei der Umsetzung von inter- wie auch multimodalen Buchungsketten für Auftraggeber wesentlich sind:

Dos  Beteiligung aller Partner / Dienstleister von Anfang an  Entwicklung eines technischen Leitbildes mit allen Schnittstellen  Entwicklung einer Vertragsstruktur zusammen mit dem qualifizierten Zahlungsdienstleister (BaFin, PCI DSS Zertifikat etc.)  Einbindung Zahlungsdienstleister für den Fokus “Kunde” (Menüschritte inklusive Betrugsprävention, Auswahl Zahlungsweisen und Forderungsmanagement)

Don’ts  Auswahl der Partner / Dienstleister ohne Branchenerfahrung  Unterschätzen der Komplexität bei der Schnittstellenanbindung  Fehlendes gemeinsames Vertragsmodell und Leitbild  Nichtausreichendes Qualitätsmanagement insbesondere bei der Datenverarbeitung (sensible Kundendaten und Trennung von Zahldaten) Auch wenn die Zahlungsabwicklung unkompliziert wirkt, erfordert ein inter- wie multimodaler Ansatz mit verschiedenen Akteuren eine weitreichendere Payment-Service-Systemarchitektur, die über die Transaktionsabwicklung hinausgeht. Der Betrieb beschäftigt sich mit voran-, parallel- und nachgeschalteten Zahlungsprozessen, um im Zeitalter der Digitalisierung immer auf neustem Stand zu sein. *Anna Theine ist im Partnermanagment der LogPay Mobility Services GmbH tätig.



Kommunale Ordnung

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artin Stadelmaier, Leiter des Berliner Büros des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB), überraschte auf dem Podium mit einer gänzlich konträren Einschätzung zur Glücksspielregulierung. Die Glückspielregulierung habe sich als rechtlich außerordentlich stabil erwiesen, befand der Lottovertreter. Die Rechtsprechung habe gezeigt, dass nicht nur ein Online-Verbot rechtmäßig, sondern auch die ursprünglich geplante Begrenzung der Sportwettenkonzessionen auf 20 in einer Experimentierphase richtig sei. Bund und Länder wären von allen guten Geistern verlassen, wenn sie die in den letzten Jahren gewonnene Stabilität aufgeben würden. “Die Gerichtsurteile sollten als das genommen werden, was sie sind: wichtige Beiträge zur Befriedung und einer guten Glücksspielregulierung”, so Stadelmaier.

Die derzeitige Glücksspielregulierung sei nicht nur politisch, sondern auch juristisch gescheitert, konstatierte Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Rechtsex­ perte an der Universität Augsburg.

Unter den Diskutanten fand diese Einschätzung nur wenig Zustimmung. “Aktuell befinden wir uns bei der Glücksspielregulierung in einem rechtlichen Schwebezustand”, befand Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Institutes for Competition Economics. Auch Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Rechtsexperte an der Universität Augsburg, widersprach vehement. Die derzeitige Glücksspielregulierung sei nicht nur politisch, sondern auch juristisch gescheitert. Dies zeigt sich laut Kirchhof in der erheblichen rechtlichen Unsicherheit. Pro Monat würden ca. zehn Gerichtsentscheidungen in diesem Bereich gefällt.

Regulierung statt Verbote “Wir erreichen unsere Regulierungsziele nicht mit Verboten”, mahnte Kirchhof. Man solle in Deutschland den Online-Markt regulieren, anstatt ihn zu verbieten. “Wir brauchen eine große Reform und eine kraftvolle

Behörden Spiegel / Juni 2018

Regulierungs-Dilemma beim Glücksspiel Experten diskutieren Lösungsansätze (BS/Lora Köstler-Messaoudi/Katarina Heidrich) “Steuergerechtigkeit – Fehlanzeige; Transparenz – Fehlanzeige. Die aktuelle Glücksspielregulierung ist ein Gemurkse, ein herrenloses Durcheinander”, beschrieb Martin Gerster (SPD), Mitglied des Haushaltsausschusses im Bundestag, Mitte Mai auf dem Bundeskongress zum Glücksspielwesen die aktuelle Situation auf dem Glücksspielmarkt. Der Behörden Spiegel veranstaltete in Berlin bereits zum dritten Mal die alljährliche Fachkonferenz, bei der es um die Frage ging, wie die bis 2021 notwendige neue Regulierung zwischen den zerstrittenen Ländern erreicht werden kann. Aufsichtsfunktion in diesem Bereich”, forderte der Jurist. Letzteres könne in Form einer Bundesbehörde umgesetzt werden. Auch Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages, sieht den Staat bei der Glücksspielregulierung im Zugzwang: “Es kann nicht sein, dass wir unregulierte Teile eines Marktes haben und in Folge dessen dort auch keinen Verbraucherschutz durchsetzen können. Der Staat hat hier einen Schutzauftrag!” Das Scheitern des 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrages solle als “Chance der Zeit” genutzt werden und zukünftig durch eine Liberalisierung des Marktes die Regulierung aller Bereiche des Glücksspiels möglich gemacht werden, forderte Sensburg. Ein Verbot von Online-Poker sei zudem in der Praxis mit einigen Schwierigkeiten verbunden, meint Haucap, da Online-Poker bereits in anderen EU-Ländern zulässig sei. “Man kann hier zwar Geoblocking einsetzten, aber es gibt immer Wege, das zu umgehen. Vor allem die pathologischen Spieler werden davor nicht zurückschrecken. Höchstens die unproblematischen Spieler halten wir damit auf”, so der Ökonom. Besser sei es, den Markt zu öffnen und damit auch nicht mehr lange auf sich warten zu lassen, machte Dr. Jan Kleibrink, Senior Economist beim Handelsblatt Research Institute, deutlich. “Wenn sich der Online-Markt vollständig etabliert hat, ist er weg, dann kann man ihn nicht mehr regulieren”, so Kleibrink.

Wer soll‘s richten – Bund oder Länder? Stadelmaier sieht derzeit unter den Ländern aber keine Mehrheit für eine Öffnung des Marktes für Online-Angebote. Die Vorstellung einiger Diskutanten, der Bund käme hier zu einer besseren Lösung als die Länder, wies er zudem als Illusion von der Hand: “Sehen Sie sich nur die Bundeswehr an.” Auch der Bundestagsabgeordnete Sens-

Da die Länder es nicht schaffen wür­ den, den Glücksspielmarkt zu regulie­ ren, sieht Martin Gerster (SPD), Mit­ glied des Haushaltsausschusses im Bundestag, den Bund in der Pflicht, sich einzuschalten.

burg sieht den Bund nicht in der Rolle des Machers. Man wolle den Ländern keine Kompetenzen wegnehmen, aber mit in der Diskussion bleiben und den Ländern “zaghaft Druck machen”. Deutlicher wurde hier Martin Gerster: “Die Länder kriegen das nicht auf die Reihe. Ich sehe hier den Bund in der Pflicht, sich einzuschalten.” Er sei zu diesem Thema bereits interfraktionell mit einigen Kollegen im Gespräch. In einem nächsten Schritt wolle man auch mit dem Bundesfinanz- und dem Bundesinnenministerium dazu in Kontakt treten, um das Thema auf Entscheiderebene zu bringen.

Umsetzungsdefizite und Anwendungsprobleme Doch nicht nur Bund und Länder bereitet die Glücksspielregulierung Kopfzerbrechen. In den Kommunen, die die aktuellen Regelungen anwenden müssen, herrscht große Rechtsunsicherheit. Viele Ordnungsämter sehen sich vor allem aufgrund der Durchführung der Abstandsregelung für Spielhallen mit vielen Klagen seitens der Betreiber konfrontiert. Das Fazit zur einjährigen Erfahrung mit dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) seitens der Kommunen: Es gibt erheblichen rechtlichen Handlungsbedarf. Ein Vorschlag ist die Einrichtung einer zentralen Fachbehörde auf Landesebene. “Das Gesetz ist meiner Ansicht

nach nicht händelbar”, lautet das Resümee zum ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag vom Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Langenfeld, Christian Benzrath. Seiner Meinung nach besteht ein erhebliches Vollzugsdefizit in diesem Bereich. “Das Gesetz ist einem ständigen Wandel und Veränderungen unterlegen”, so der städtische Rechtsdirektor. Dies führe zu Überforderung bei den Kommunen, die vor Erlassen und Einzelfall-Rechtsprechung kapitulierten. Besonders die unterschiedlichen Regelungen würden zu einer flächendeckenden Rechtsunsicherheit führen. Die Ausgestaltung der Abstandsregelung etwa sei der Verwaltungspraxis überlassen. Es fehle an Verbindlichkeit, moniert Benzrath. In Langenfeld, wo es sechs Spielhallen gebe, habe sich nach Änderungen am Abstandsgebot das Problem gestellt, dass drei von ihnen zu dicht beieinander gestanden hätten. Die Stadt habe daraufhin,

gegen Widerstand der Betreiber, zwei von ihnen schließen lassen müssen. Auch andere Kommunen mit bereits bestehenden Angeboten seien dadurch vor Herausforderungen gestellt worden. Sie sollten anhand qualitativer Kriterien Auswahlentscheidungen treffen. “Aber welche Kriterien sollen das sein?”, fragt Benzrath. Im Landkreis Oder-Spree etwa gelte die Abstandsregel nach dem Prinzip “Tür-zu-Tür”, ändere sich die gesetzliche Vorgabe, greife die kommunale Regelung nicht mehr.

Markt stünden unseriösen Anbietern, teilweise mit Verbindungen in die Organisierte Kriminalität, gegenüber, bemängelt Benzrath. Es dürfe konsistenter und bundesweit einheitlicher Regelungen, fordert der Ordnungsamt-Leiter. Einzelkompetenzen müssten verschiedenen Rechtsgebieten neu zugeordnet werden, etwa einem bundesrechtlichen Gewerberecht oder einem landesrechtlichen Spielhallenrecht. Damit könne man der derzeitigen Situation entgegenwirken, dass sich Kommunen aus Rat- oder Kapazitätslosigkeit in Härtefallregelungen und Duldungsszenarien flüchteten. Auch könnten sie finanziell entlastet werden, da sie zurzeit hohe Beraterkosten in Kauf nähmen, weil sie sich die Umsetzung nicht zutrauten, so Benzrath.

Zentralisierung des Vollzugs Hinzu kommt die Problematik von Schein-Gastronomiebetrieben mit Spielautomatenangebot, wie sie etwa in Berlin weit verbreitet sind. Hier kommen die Gewerbeämter mit der Aufsicht und Kontrolle nicht hinterher. Seriöse Betreiber aus mittelständischen und großen Unternehmen aus dem europäischen

Der Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Langenfeld, Christian Benzrath, zeigte die kommunalen Anwendungs­ probleme des Glücksspielstaatsver­ trags auf. Fotos: BS/Dombrowsky

Alkoholkonsumverbot rechtswidrig Duisburger Stadtverwaltung verliert vor Verwaltungsgericht (BS/mfe) Das in einem bestimmten Bereich der Duisburger Innenstadt geltende Verbot, alkoholische Ge­trän­ke zu trinken oder diese für den Konsum mit sich zu führen, ist rechtswidrig. Das Düsseldorfer Verwaltungs­ gericht urteilte, dass die für den Erlass einer entsprechenden Regelung notwendige abstrakte Gefahr für­ das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht vorliege. Denn: Der Alkoholkonsum außerhalb von Gaststätten sei nur die mittelbare Ursache für die eventuell eintretende Schädigung Dritter, etwa durch Angriffe oder Lärm. Darüber hinaus träten die schädlichen Konsequenzen des Alkoholtrinkens nicht bei jedem Konsumenten zutage. Zudem habe die Duisburger Stadtverwaltung nur relativ wenige Vorfälle im Zusammenhang mit negativen Folgen des Alkoholkonsums vor Gericht nachweisen können. Und: Die Untersagung sei nicht verhältnismäßig, da störendes Verhalten in Verbindung mit dem Verzehr alkoholischer Getränke schon aufgrund einer anderen Regelung der ordnungsbehörd-

lichen Verordnung bußgeldbewehrt und untersagt sei. Eigentlich sollte das Duisburger Verbot, das im Mai letzten Jahres vom Rat beschlossen worden war, noch mindestens bis Ende Juni 2021 gelten. Gegen das erstinstanzliche Urteil kann noch Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt werden. Alkoholkonsumverbote sind immer wieder Gegenstand von Gerichtsurteilen. So wurden in der Vergangenheit unter anderem entsprechende städtische Verfügungen in Magdeburg, Freiburg, Berlin und Erfurt von der Justiz gekippt. Zur Begründung wurde auch damals bereits angeführt,

dass die Untersagungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht standhielten.

Das von der Duisburger Stadtverwal­ tung (im Foto der städtische Innen­ hafen) erlassene Alkoholkonsumver­ bot ist rechtswidrig. Das entschied kürzlich das Verwaltungsgericht Düssel­dorf. Foto: BS/Dieter Schütz, pixelio.de


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juni 2018

Eines für alle

KNAPP Hessen baut digitale Steuerfahndung aus

Komfort und Sicherheit im Servicekonten-Dschungel (BS/stb) Der Portalverbund für Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen wird den gewünschten Erfolg nur bringen können, wenn die Inanspruchnahme von Leistungen durchgängig digital und mit dem von anderen Online-Diensten gewohnten Komfort abläuft. Dazu gehört auch, dass Nutzer einen allgemeingültigen Zugang, also eine SingleSign-on-Lösung zum digitalen Staat bekommen, um sich nicht an jeder virtuellen Behörden- oder Landesgrenze neu registrieren bzw. anmelden zu müssen. Auch eine Einbindung von privatwirtschaftlichen Anmeldediensten wird erwogen. Ein zentrales Konto für den digitalen Staat wird es jedenfalls nicht geben, wie schon länger feststeht. Begründet wird das damit, dass langjährige Investitionen der Länder in schon bestehende Lösungen geschützt werden müssten. So, wie das Online-Bürgerportal den Zugang zur Landschaft der Verwaltungsdienstleistungen eröffnet, wird es auch eine Verbundlösung für die Servicekontenlandschaft geben. Und die ist vielgestaltig: Während einige Länder wie Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen (NRW) je eigene Lösungen eingerichtet haben, gibt es auch gemeinschaftliche Ansätze. So ist das schon 2003 zuerst in Hamburg umgesetzte “GovernmentGateway” auch Basis für die Servicekonten von Schleswig-Holstein, SachsenAnhalt und Berlin. Hessen hat mit Bayern eine Kooperation zur Nutzung von dessen Bürgerservice-Basisdiensten geschlossen. “Die Länder beschäftigen sich derzeit intensiv mit der Etablierung von eigenen Servicekonten”, fasst Hartje Bruns von der Governikus GmbH zusammen. “Bis Ende des Jahres wollen auch alle fertig sein.” An einer bundesweit einheitlichen Lösung für die Interoperabilität der Servicekonten wird nun gearbeitet. Nachdem im letzten Jahr anhand eines technischen Prototyps zwischen Bayern und NRW gezeigt wurde, dass kontenübergreifende Diensterbringung für Bürger funktioniert, hat der IT-Planungsrat Bayern beauftragt, eine entsprechende Lösung zu entwickeln. Mit NRW und Hamburg wird der Prototyp um die Interoperabilität von Organisationskonten und Postkörben erweitert. Nach Abnahme durch den IT-Planungsrat soll im

Single Sign-on im E-Government: Mit nur einem Konto sollen Nutzer bald auf alle digitalen Verwaltungsdienstleistungen von Bund, Ländern und Kommunen zugreifen können. Eine Integration von sektorübergreifenden Identifizierungsmitteln ist nicht ausgeschlossen. Foto: BS/©oatawa, Fotolia.com

Sommer 2019 die Pilotierung der konkreten bundesweiten SingleSign-on-Lösung starten. Zuvor wird das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Technische Richtlinie erstellen. Darin wird unter anderem die Verschlüsselung bei der Übertragung von Daten zwischen den Servicekonten konkret geregelt. Auch die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern werden ein Auge auf die Umsetzung haben. Klar ist bereits, dass der Nutzer vor dem Übergang seiner personenbezogenen Daten von der Vertrauenszone seines Servicekonto-Anbieters in die Vertrauenszone eines anderen sein explizites Einverständnis geben muss. So weit, so gut. Allerdings ist es mit der Einrichtung einer Schnittstelle zur Verknüpfung der 17 Servicekonten von Bund und Ländern noch nicht getan. Im Zuge der eIDAS-Verordnung

kommen Verpflichtungen auf die Behörden zu, elektronische Identitätslösungen (eID) der anderen Mitgliedsstaaten für hiesige digitale Verwaltungsdienstleistungen zu akzeptieren. Bis 2020 könnte das schon für bis zu 12 ausländische eIDs gelten. Auch dafür müssen entsprechende Schnittstellen zu den Servicekonten geschaffen werden (zum Aufbau der entsprechenden Basis-Infrastruktur siehe auch Behörden Spiegel, März 2018, S. 37).

Sektorenübergreifendes Single Sign-on Ein Ziel der eIDAS-Verordnung ist es auch, einen europäischen Binnenmarkt für Anbieter von Identitätslösungen fördern. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) bietet zusätzlich einen Anreiz, Dienste zu schaffen, die Transparenz und Sicherheit bei der Identifizierung und Authentifizierung in den Fokus rücken

(mehr zur Rolle digitaler Identitäten auf Seite 36). Entsprechende privatwirtschaftliche Plattformen formieren sich bereits in vielen EU-Staaten. Dabei steht auch die Idee im Raum, diese zur Kontoeinrichtung oder Anmeldung beim E-Government zuzulassen. Das Ergebnis wäre eine sektorenübergreifende Single-Sign-onLösung: Ähnlich, wie man sich bereits heute mittels Facebook-, Google- oder Apple-Konto bei Online-Diensten Dritter registrieren und anmelden kann, wäre eine einheitliche Lösung für E-Government, Bankgeschäfte, E-Mail und weitere Dienste denkbar – im Einklang mit europäischem Datenschutzrecht und den Sicherheitsanforderungen laut eIDAS-Verordnung. Dazu sagt Hartje Bruns: “Die Anbindung von privatwirtschaftlichen Identitätslösungen für die Nutzung von digitalen Verwaltungsdiensten ist langfristig ein vielversprechender Weg.” Der Vorteil liegt auf der Hand. Auch wenn dem Nutzer bald mit einem Länder-Servicekonto die gesamte Verwaltungsdienstelandschaft offensteht, werden gerade Bürger nach wie vor eher selten davon Gebrauch machen. Die Hürde für die Einrichtung bleibt also hoch. Funktioniert der Zugang ins E-Government dagegen mit einem Dienst, der auch in anderen Kontexten regelmäßig genutzt wird, geht der Einstieg leichter von der Hand. Voraussetzung ist, dass die Lösungsanbieter sich an die verbindliche Technische Richtlinie des BSI halten. Dann ist eine Kooperation im Einzelfall zu prüfen, wie es aus dem Bundesinnenministerium (BMI) heißt. Dabei habe man marktneutral zu agieren. Derzeit bringen sich verschiedene deutsche Anbieter in Stellung.

Die Login-Allianz aus RTL, ProSiebenSat.1 und United Internet (Web.de, GMX) will ihre netID als europäischen Industriestandard etablieren. Das Vertrauensnetzwerk Yes, das mit den Sparkassen kooperiert, will eine Anmeldung bei Drittanbietern mittels des Online-BankingKontos ermöglichen. Die Identitätsplattform verimi spricht die öffentliche Verwaltung direkt als Zielgruppe an. Dahinter stehen die Gesellschafter Allianz, Axel Springer, Core, Daimler, Deutsche Bank mit der Postbank, Deutsche Telekom, Giesecke+Devrient, Here Technologies und Lufthansa. An Bord ist außerdem die Bundesdruckerei, die für die Einbindung der deutschen eID-Lösung (Online-Ausweisfunktion) sorgt. Das Unternehmen erklärt, die Plattform wäre von vornherein unter Berücksichtigung der DSGVO-Vorgaben und mit hohem Anspruch an die Sicherheit der zugrundeliegenden IT-Architektur aufgebaut worden. Für den Nutzer wolle man die informationelle Selbstbestimmung bequem machen, sagt der CTO Holger Friedrich. Die Implementierung eines “verimi-Buttons” in die Servicekonten von Bund und Ländern sei grundsätzlich machbar, versichert Friedrich. “Wir stehen hier nicht vor einer technischen, sondern eher vor einer Akzeptanzherausforderung.” Dass die Chancen zumindest nicht schlecht stehen, deutet der CFO Torsten Sonntag an. “Wir sind sowohl mit Ländern als auch mit dem Bund in Gesprächen – mit einigen Ländern bereits sehr weit. Wir sind zuversichtlich, dass wir schon bis Ende des Jahres ein Leuchtturmprojekt präsentieren können.”

(BS/lkm) Hessen will in den kommenden Jahren im Bereich der Steuerfahndung die Stellen in der IT-Forensik und der Netzadministration auf 50 verdoppeln und über zwei Millionen Euro für schnellere Netzwerkrechner und leistungsstarke forensische Software investieren. Die Verdopplung der Dienstposten soll innerhalb der kommenden drei Jahre erfolgen. Dadurch erhöht sich die Zahl der Stellen insgesamt auf über 300.

Düsseldorfs neue Fast Lane für Bürgerservices (BS/wim) Im Dienstleistungszentrum des Düsseldorfer Bürgeramtes wurde Mitte Mai das erste Serviceterminal in Betrieb genommen. An dieser Station können die Düsseldorfer Bürger Leistungen wie zum Beispiel das Online-Führungszeugnis, die Online-Rentenauskunft oder die Online-Punkteabfrage beim Kraftfahrtbundesamt mit ihrem Personalausweis im Scheckkartenformat direkt am Terminal in Anspruch nehmen, ohne auf einen Sachbearbeiter warten zu müssen.

Online-Bürgerportal soll im Herbst starten (BS/wim) Im Oktober soll laut der Staatsministerin für Digitales im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär, das im Koalitionsvertrag angekündigte digitale Bürgerportal in seine erste Ausrollphase starten. Das Portal soll zuerst in den vier Bundesländern Bayern, Berlin, Hamburg und Hessen starten. Über das Bürgerportal sollen die Einwohner der vier teilnehmenden Länder zu Beginn online Kfz anmelden, ihren Wohnsitz ummelden sowie Eltern- und Kindergeld beantragen können. In der Folge soll es auch weitere Angebote geben.

03. Juli 2018 in Stuttgart

Baden-Württemberg 4.0 Die Digitalisierung von Kommunen, Land und Verwaltung aktiv gestalten Im Juli 2017 hat die Landesregierung Baden-Württemberg die Digitalisierungsstrategie „digital@bw“ verabschiedet, um die Chancen der Digitalisierung für das Land zu nutzen und es so zu einer Leitregion des Digitalen Wandels in Deutschland und Europa zu machen. Ein Jahr nach der Verabschiedung der Strategie bietet der Kongress eine gute Gelegenheit, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen, aber auch um – im intensiven gegenseitigen Austausch – die nächsten Schritte der Digitalisierung bei Kommunen und Land sowie deren Verwaltungen in den Blick zu nehmen. Programmpartner:

Eine Veranstaltung des

Dr. Christine Brockmann

Stefan Krebs

Geschäftsführerin der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH

Chief Information Officer (CIO) und Chief Digital Officer (CDO) der Landesregierung Baden-Württemberg

››› www.bw-4-0.de ‹‹‹

#bw40

Digitalakademie Baden-Württemberg

in Zusammenarbeit mit


Informationstechnologie

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B

ehörden Spiegel: Frau Bundesministerin Dr. Schramböck, Sie sind seit Januar dieses Jahres Ministerin des neu eingerichteten Ressorts Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Welches Signal geht von der Schaffung dieses Ministeriums aus?

Behörden Spiegel / Juni 2018

Viel Erfahrung und Expertise Interview mit Österreichs neuer Digitalisierungsministerin

(BS) Im Nachbarland Österreich ist das Thema Digitalisierung in der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz an den Kabinettstisch herangerückt. Mit Dr. Margarete Schramböck (ÖVP) sitzt hier nun seit Anfang des Jahres die erste Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Die erfahrene ITK-Managerin und politische Quereinsteigerin stand Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt am Rande Schramböck: Es ist zunächst der GovTech.Pioneers in Wien (siehe untenstehenden Beitrag) für ein kurzes Interview zur Verfügung.

ein starkes Committment, die Bedeutung der Umsetzung der es von Vorteil, dass in meinem digitalen Transformation noch Haus auch die Zuständigkeit für weiter in den Vordergrund zu die Wirtschaft liegt. Ich glau­ rücken. In der Ausübung meines be, gerade diese Kombination Amtes kommt mir dabei zugute, der Aufgabenfelder ist ein noch dass ich 22 Jahre in IT und Te­ stärkeres Signal, als nur Digita­ lekom gearbeitet habe, sodass lisierung zu machen. ich auch das Vertrauen bekom­ Behörden Spiegel: Wie organimen habe, dieses Thema gut be­ setzen zu können. Die digitale sieren Sie in Fragen der digitalen Transformation lässt sich nur Transformation die Zusammenarin enger Zusammenarbeit aller beit mit den anderen Ressorts? Ressorts erfolgreich gestalten, weil die Digitalisierung in alle Le­ Schramböck: Hierbei spielen bensbereiche hineinreicht. Mein die Chief Digital Officers (CDOs) Ministerium hat daher eine sehr eine zentrale Rolle, die es seit ein paar Wochen in allen Ressorts starke Schnittstellenfunktion. Natürlich ist das Ziel, dass es gibt. Unter der Leitung des CDO irgendwann ein Digitalisierungs­ des Bundes, der in meinem Mi­ ministerium nicht mehr brau­ nisterium angesiedelt ist, finden chen wird. Wir reden ja nicht hier regelmäßige Treffen statt, von einem “digitalen Leben” und um alle Digitalisierungsvorha­ einem “analogen Leben”. Die jun­ ben untereinander abzustimmen. ge Generation heute kennt diesen Dabei geht es sowohl um nach innen gerichte­ Unterschied gar nicht, den te Themen, die “Es ging uns bei der Menschen mei­ insbesondere Schaffung des strukturelle ner Generation, die nicht mit Digitalisierungsministeri- und organisa­ torische Fra­ Computern ums nicht darum, gestellungen aufgewachsen Budgets einzusammeln berühren, als sind, vielleicht bisweilen noch und zu zentralisieren.” auch um die machen. Projekte, die Unsere Aufga­ auf den Markt be ist es, alle Bürgerinnen und – also Bürgerinnen und Bürger Bürgern bei diesem Transformati­ sowie Unternehmen – ausgerich­ onsprozess zu unterstützen, etwa tet sind. Aus den einzelnen Projekten was Bildung oder den Aufbau di­ gitaler Kompetenzen betrifft. Wir jedes Ministeriums für die jewei­ wollen dabei Ängste nehmen und lige Zielgruppe wird dann eine durchaus auch ethische Themen Gesamtstrategie entwickelt, aus ansprechen. Andererseits geht welcher wiederum die einzelnen es aber natürlich auch um die Teilumsetzungen abgeleitet wer­ praktische Umsetzung digitaler den. Die Budgets dafür bleiben Innovationen wie Blockchain oder in den Ressorts. Es ging uns bei Künstliche Intelligenz. Hier ist der Schaffung des Digitalisie­

“In der heutigen Produktentwicklung geht es nicht um die Wasserfallmethode, sondern um Rapid Prototyping.”

Vor ihrer Zeit als Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort war Dr. Margarete Schramböck über zwanzig Jahre in verschiedenen Führungspositionen in IT- und Telekommunikationsunternehmen tätig, zuletzt an der Spitze der Telekom Austria.

Foto: BS/BMDW, Christian Lendl

rungsministeriums nicht darum, Budgets einzusammeln und zu zentralisieren. Vielmehr ist es wichtig, dass die bedeutenden Projekte in den einzelnen Res­ sorts identifiziert und dort ent­ sprechend budgetiert werden. Das Digitalisierungsministerium hat hier eher eine Koordinie­ rungsfunktion, um ein kluges Zusammenspiel zwischen zen­ tralen Projekten zu ermöglichen, wie etwa bei der neuen Plattform österreich.gv.at, die noch diesen Monat als Prototyp an den Start gehen wird. Behörden Spiegel: Mit einem Prototypen an den Markt zu gehen, ist im Behördenbereich – sicherlich auch in Österreich – bislang höchst ungewöhnlich. Welche Überlegung steckt dahinter?

Digitalisierung im Norden

Schramböck: Time-to-Market heißt hier die Devise. Ich glaube, wenn man die Bevölkerung ent­ sprechend einbindet und – nicht zuletzt auch mithilfe der Medien – für die richtige Erwartungshal­ tung sorgt, ist es möglich, neue Angebote auch im öffentlichen Bereich möglichst schnell an den Markt zu bringen. Wir haben bereits während des Entwick­ lungsprozesses Bürgerinnen und Bürger eingeladen, uns Feedback zu geben und haben dieses in die weitere Entwicklung einfließen lassen. Entsprechend wollen wir diesen Kanal auch bei der zu­

künftigen Weiterentwicklung von österreich.gv.at nutzen. Die alte Methode, im stillen Kämmerlein alles zu entwickeln und dann damit an den Markt zu gehen, funktioniert ohnedies nicht mehr. In der heutigen Pro­ duktentwicklung geht es nicht um die Wasserfallmethode, son­ dern um Rapid Prototyping. So habe ich in den Unternehmen, für die ich in der Vergangenheit tätig war, Produkte eingeführt und jetzt machen wir es im öf­ fentlichen Bereich. Behörden Spiegel: Schnelligkeit in Entwicklung und Marktzugang sind auch für Start-ups wichtige Kriterien. Wie wollen Sie dies in Österreich zukünftig weiter verbessern? Schramböck: Wir sind hier im engen Dialog und haben vor Kur­ zem Startups zu einem Arbeits­

frühstück eingeladen. Hier haben wir in einem Workshop gemein­ sam Maßnahmen erarbeitet, um die Bedingungen für Start-ups am Wirtschaftsstandort Österreich weiter zu verbessern. Interes­ santerweise ist es nicht mehr so, dass Start-ups komplett andere Rahmenbedingungen verlangen als klassische Unternehmen. Was die Start-ups uns aber ganz klar signalisiert haben ist, dass es hierzulande ausreichend För­ dermittel gibt. Daher wünschen sie sich nicht mehr Geld, sondern einen schnel­ leren Zugang zum Markt und zu Forschungs- und Förderstruk­ turen, sozusagen eine Fast La­ ne. Deren Umsetzung erwarte ich nun auch von unserer For­ schungsförderungsgesellschaft, um nicht nur einen schnelleren Zugang, sondern auch einfachere Abläufe und den Zugang zu La­ bors zu gewährleisten. Es muss uns gelingen, ein Ökosystem zwi­ schen größeren Leitbetrieben und Start-ups zu schaffen und diese auf Plattformen zusammenzu­ bringen. Die Entwicklung der Start-upSzene in Berlin ist hierbei ein Vorbild für uns. Von der dortigen Dynamik konnte ich mir auf ei­ ner meiner ersten Reisen im Amt selbst ein Bild machen.

“Junge Wilde” auf der GovTech

(BS/gg) Welchen Beitrag können Start-ups bei der Verwaltungsdigitalisierung leisten und wie kann man die Kooperation Start-up-Verwaltung zukünftig verbessern? Dies waren zentrale Fragestellungen der GovTech Pioneers in Wien. Neben einem kontrollierten “Aufeinanderprallen” von Vertretern aus Start-up-Unternehmen mit Entscheidern aus der öffentlichen Verwaltung war der Event auch von zahlreichen Pitches geprägt, in denen die Start-ups im Rahmen eines Wettbewerbs für ihre Lösungen und Konzepte warben. Die Jury erklärte am Ende Fleksy zum Sieger, ein spanisches Start-up, welches sichere Kommunikationslösungen für die öffentliche Verwaltung anbietet. Foto: BS/Pioneers, Leopold Fuchs

Hamburg und Schleswig-Holstein kooperieren (BS/wim) Die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein vertiefen ihre Zusammenarbeit bei der Digitalisierung. Das wurde Ende Mai in einer gemeinsamen, länderübergreifenden Kabinettssitzung im Hamburger Rathaus beschlossen. Die erweiterte Kooperation soll sich auf die Bereiche der digitalen Verwaltung, der digitalen Bildung sowie des Managements von Daten und IT-Plattformen erstrecken. Ein konkretes Beispiel für die zu­ künftige und langfristige Zusam­ menarbeit ist ein “interoperables Servicekonto”, welches gemein­ sam entwickelt und betrieben werden soll. Mit diesem wollen die beiden Länder “einen attrak­ tiven Zugang zu digitalen Verwal­ tungsdienstleistungen schaffen”. Das Portal soll dabei helfen, digitale Dienste für Bürger und Unternehmen übersichtlich und gebündelt zur Verfügung zu stel­ len. Daniel Günther, der Minis­ terpräsident Schleswig-Holsteins, sieht in der digitalen Verwaltung “eine Riesenchance für alle. Dabei macht es nur Sinn, über Landes­ grenzen zusammenzuarbeiten. So können wir gewährleisten, dass wir auch gemeinsam bür­ gerfreundliche und effiziente Lösungen und Angebote entwi­

ckeln. “Auch Peter Tschentscher, der Erste Bürgermeister der Han­ sestadt, sieht es als essenziell an, dass digitale Angebote “für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen selbsterklärend sind. Daher werden wir in einer Entwicklungspartnerschaft die Sicht der Nutzer in den Vorder­ grund stellen.” Neben dem gemeinsamen Ser­ viceportal sollen im Sinne einer generellen Prozessoptimierung viele digitale Systeme zusam­ mengeführt werden. So wollen die Länder beim Thema Digitale Bildung eng zusammenarbei­ ten und dabei auch überprü­ fen, inwieweit eine gemeinsame Schulverwaltungssoftware sowie eine gemeinsame E-LearningPlattform für die Lehrkräfte ent­ wickelt und im Alltag eingesetzt

werden können. Neben der Bil­ dung soll auch in vielen weiteren Bereichen untersucht werden, wie standardisierte Datenfor­ mate und gemeinsam betriebe­ ne IT-Plattformen dabei helfen können, die Digitalisierung zu­ sammen erfolgreich zu gestalten. So beabsichtigen Hamburg und Schleswig-Holstein, noch im Jahr 2018 eine Kooperationsvereinba­ rung für die Entwicklung einer gemeinsamen Planungsplattform zu erarbeiten, um Planungspro­ zesse effizienter zu machen. Mit einer solchen Plattform könnten nach Angaben der Länder bei­ spielsweise grenzübergreifende Beteiligungsverfahren vereinfacht werden, bei denen regelmäßig die Einbeziehung der Gemeinden aus dem jeweils anderen Bundesland notwendig ist.

Blaupause für zukünftige Kooperation Intensive Zusammenarbeit bei der Einführung der E-Rechnung (BS/gg) Ein besonderes Augenmerk des E-Rechnungs-Gipfels Mitte Mai in Bonn lag in diesem Jahr auf dem Bund, der für den Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung bis zum 27. November 2018 die E-Rechnung einführen wird. Die weiteren Bundesbehörden folgen zwölf Monate später. Für die Einreichung der elek­ tronischen Rechnungen baut der Bund derzeit an einem zentralen E-Rechnungsportal. Dessen Test­ phase sei bereits abgeschlossen, berichtete Dr. Stefan Werres, Pro­ jektleiter E-Rechnung im Bun­ desinnenministerium (BMI). Im Juni/Juli solle nun die Pi­ lotphase mit ausgewählten Be­ hörden beginnen. Beim Aufbau des Portals werde das gemeinsam mit Bremen erarbeitete Archi­ tekturkonzept umgesetzt, wie Fred Kellermann erklärte, der als Projektleiter im Bundesfinanz­ ministerium (BMF) gemeinsam mit Werres die E-Rechnung im Bund vorantreibt. Das E-Rechnungsportal soll dann zukünftig in das gegen­ wärtig ebenfalls im Aufbau be­ findliche Verwaltungsportal des Bundes integriert werden. Dem Rechnungssender sollen dabei mehrere Kanäle zur Verfügung stehen. Neben der Weberfassung und der De-Mail soll auch die Sendung per E-Mail möglich sein, perspektivisch auch die Verwendung eines Webservices auf der Grundlage von PEPPOL. Hinsichtlich Letzterem habe der IT-Planungsrat einen Test-Auf­ trag an den Bund und Bremen erteilt. Dies sind auch die beiden ursprünglichen Federführer im

Steuerungsprojekt E-Rechnung des Bund-Länder-Gremiums. Mit der Einbindung der E-Mail gehe man seitens des Bundes über den Wortlaut der Rechtsver­ ordnung aus dem vergangenen September hinaus, so Werres. Um eine rechtssichere Grundlage für den Umgang mit E-Mails als Rechnungszugang zu gewährleis­ ten, aber auch um die Behand­ lung von hybriden Formaten wie ZUGFeRD zu regeln, sollen da­ her, zusätzlich zur Verordnung, auch noch Nutzungsbedingungen erarbeitet werden, erklärte der BMI-Projektleiter weiter.

Eine Lösung für alle? Das Portal ist mandantenfähig und soll nicht nur die Plattform der unmittelbaren Bundesver­ waltung sein, sondern auch ein Angebot an weitere Bundesbehör­ den, dieses zu nutzen – sogar kos­ tenfrei. Dabei soll es aber nicht bleiben: “Wir führen gegenwärtig Gespräche mit Bundesländern, aber auch mit privatrechtlichen Institutionen”, so Werres. Er lud alle Behörden bei Bund, Ländern und Kommunen ein, das entste­ hende Portal zukünftig gemein­ schaftlich zu nutzen. “Das Portal steht auch allen anderen offen”, unterstrich Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundes­

innenministerium und Beauf­ tragter der Bundesregierung für Informationstechnik. Für ihn markiert die Einführung der ERechnung den Lückenschluss bei der Digitalisierung des gesamten Prozesses von der Bedarfsermitt­ lung bis hin zur Bezahlung. Die verpflichtende Einreichung aller Rechnungen als E-Rechnungen ab November 2020 leiste einen wichtigen Beitrag zur Digitali­ sierung der Haushaltsprozesse durch die Etablierung von me­ dienbruchfreien, automatisierten Verfahren. Mit “XRechnung” ste­ he zudem ein kostenloser Stan­ dard zur Verfügung, der bei der KoSIT (Koordinierungsstelle für IT-Standards) in Bremen abge­ rufen werden könne. Ohnehin dankte Vitt den Bremern (“Land der ersten Stunde”), aber auch den weiteren Kooperations­ partnern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen für deren Engagement im Rahmen des Steuerungsprojektes. Aber auch mit Blick nach Europa und die Tatsache, dass die Einführung der E-Rechnung auf eine ent­ sprechende EU-Richtlinie aus dem Jahre 2014 zurückgeht (2014/55/EU), stellte er fest: “Die E-Rechnung ist ein gutes Beispiel für die grenzüberschrei­ tende Digitalisierung.”


CeBIT

Behörden Spiegel / Juni 2018

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Fit für die Gigabit-Gesellschaft

Digital Administration

Gute Voraussetzungen für das digitale Deutschland

Neue Tools, Konzepte und Technologien für Behörden

(BS/Andreas Scheuer) Deutschland ist eine der stärksten und innovativsten Volkswirtschaften der Welt. Seit (BS/gg) Auf der CEBIT in Hannover wird es im Zuge der Neuausrichtung der Veranstaltung in diesem Jahr jeher punktet unser Land mit zwei absoluten Erfolgsfaktoren: Innovation und Infrastruktur. erstmals einen Bereich Digital Administration geben, bei dem sich in Halle 14 (aber auch in Halle 15) alles um E-Government-Lösungen, Praxisbeispiele und smarte Technologien für Städte oder Regionen drehen wird, G e s c h ä f t s m o - flankiert von einer d!talk-Bühne, wo Konferenzen und Diskussionsrunden stattfinden. Mit der Digitalisierung stehen wir

jetzt an einem entscheidenden Punkt. Sie hat das Potenzial, alles Bisherige auf den Kopf zu stellen. Dabei ist nichts gesetzt: Wer heute eine erfolgreiche Industrienation ist, wird nicht automatisch morgen eine erfolgreiche Digitalnation sein. Deutschland hat immer wieder bewiesen, dass es Herausforderungen meistern kann. Unsere Geschichte zeigt, dass wir es stets geschafft haben, besser und lebenswerter aus schwierigen Phasen hervorzugehen. Industrialisierung, Elektrifizierung und Automatisierung haben uns beispielsweise in der Vergangenheit auf die Probe gestellt – und stärker gemacht. Jetzt geht es darum, die Digitalisierung zu unserem Vorteil zu nutzen. Die Ausgangslage dafür ist gut. Mit unserer Spitzenposition bei Infrastruktur und Innovation haben wir einen Startvorteil, den wir klug ausspielen müssen. Wenn wir konsequent digitalisieren, legen wir den Grundstein für Wachstum und Wohlstand im 21. Jahrhundert. Drei Megatrends treiben wir deshalb schon heute aktiv voran:

Glasfaser Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, bis 2025 eine gigabitfähige, konvergente Infrastruktur flächendeckend in Deutschland zu errichten – inklusive dem dynamischen Aufbau von 5G, dem Echtzeitinternet. Dafür reformieren wir das bestehende Bundesprogramm für den Breitbandausbau und nehmen bis zu zwölf Milliarden Euro in die Hand. Alle Regionen in Deutschland sollen mit Glasfaser die modernste Technologie bekommen, die es gibt. Das ist Voraussetzung für alle

delle entwerfen. Wir wollen diese Gründerdynamik Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer sieht in Deutschland Deutschland auf einem guweiter beschleuten Weg, auch im digitalen nigen und ein Zeitalter bei Innovation und exzellentes GeInfrastruktur ganz vorne mitschäftsumfeld für zuspielen. Mobilitäts-StartFoto: BS/BMVI ups schaffen. Wir haben dafür mit dem mFUND eiInnovationen der Zukunft: vom nen Förderfonds in Höhe von Internet der Dinge über Smart 150 Millionen Euro ins Leben Cities und intelligente Dörfer gerufen und stellen mit der bis zum automatisierten und ­mCLOUD Millionen an Mobilitäts-, Geo- und Wetterdaten offen vernetzten Fahren. zur Verfügung. Außerdem hat Mobilität 4.0 das BMVI mit dem Data-Run den Die Digitalisierung ist die größ- ersten Regierungs-Hackathon te Mobilitätsrevolution seit der veranstaltet. Ich bin überzeugt: Mit dieser Erfindung des Automobils. Aus der Verbindung von digital und umfassenden Zukunftsoffensive mobil entstehen völlig neue machen wir Deutschland fit für Möglichkeiten, Verkehr sicher, die Gigabit-Gesellschaft und besauber, effizient, barrierefrei haupten unsere Innovationsfühund bezahlbar zu machen. Das rerschaft im digitalen Zeitalter. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fördert deshalb technologieoffen die ganze Bandbreite der Mobilität 4.0: Wir digitalisieren mit dem elektronischen Ticket den ÖPNV; wir treiben mit mehreren Testfeldern das automatisierte und vernetzte Fahren im Stadtverkehr und auf der Autobahn voran; wir vernetzen Ampeln und Parkplätze; wir wollen WLAN in allen Zügen und erhöhen die Kapazität der Eisenbahn mit dem European Train Control System (ETCS); und wir elektrifizieren Bus, Bahn und Auto.

Start-ups Innovationstreiber sind nicht mehr nur die großen Konzerne, sondern immer mehr auch Pioniere und Start-ups, die mit frischen Ideen neue Produkte und

Data Analytics für Behörden Disy stellt auf der CEBIT zahlreiche Lösungen vor (BS/Dr. Wassilios Kazakos) Die Datenanalysen in Sicherheitsbehörden, das Berichtswesen in Fachbehörden der Umweltverwaltung, des Verbraucherschutzes und der Landwirtschaft oder die Datenintegration bei großen Infrastruktur- und Verkehrsprojekten scheitern meist nicht an mangelnden Daten, sondern an einfachen Möglichkeiten, diese auszuwerten. Disy zeigt auf der CEBIT, wie sich durch räumliche Datenanalysen Zusammenhänge herstellen, darstellen und verstehen lassen. Vor allem für Bundes- und Landesbehörden hat das eine große Bedeutung. Sie müssen beispielsweise bei der Aufklärung von Straftaten, dem automatisierten Reporting von täglichen Lagebildern und der Erstellung von Datenportalen, dem Interessensausgleich im Spannungsfeld von Landwirtschaft und Umweltschutz oder auch bei Fragen des Umgebungslärms oder der Lebensmittelüberwachung zunehmend räumlich denken und handeln. Die Lösungen basieren auf dem von Disy entwickelten Produkt Cadenza, der Plattform für Datenanalyse, Reporting und GIS, die mit dem Qualitätssiegel Software Made in Germany ausgezeichnet ist. Ein wesentlicher Anteil der Lösungen besteht immer auch im Datenmanagement, welches sich für Auswertung und Analyse anders ausprägt. In diesem

Dr. Wassilios Kazakos ist Leiter Marketing bei der Disy Informationssysteme GmbH. Foto: BS/Disy

Zusammenhang wird auch das ETL-Werkzeug Talend im Zusammenspiel mit dem von Disy entwickelten Plug-in “GeoSpatial Integration für Talend” vorgestellt. Durch die Disy-Erweiterung lassen sich mit Talend zugleich Sach- und Geodaten verarbeiten. Als Gold-Partner und Value Added Reseller der Firma Talend stellt Disy auch das Portfolio und Lösungen rund um die “Talend Data Management Platform” vor.

Disy auf der CEBIT Die Disy Informationssysteme GmbH ist auf der CEBIT in Halle 14 am Stand J59 im Themenschwerpunkt E-Government zu finden. Termine können telefonisch unter +49 (0)721 16006-000 oder per E-Mail an kontakt@disy.net vereinbart werden. www.disy.net/cebit

MACH errichtet auf der CEBIT Camps zu den Schwerpunkten “E-Verwaltung”, “E-Personal” und “E-Finanzen”, in denen eine digitale “Gipfeltour” geplant werden kann. Im Camp “Zukunftstechnologien” erfahren die Besucher, welchen Mehrwert Technologien wie Augmented Reality, Künstliche Intelligenz oder Blockchain liefern. Highlights sind Showcases zum Augmented Reality-Einsatz bei der E-Akte und der Künstlichen Intelligenz für die Belegerfassung (14, H58). Materna hat für die CEBIT u. a. einen Blockchain-Showcase mit einer Feinstaub-Landkarte angekündigt. Bürger können die Daten privater Luftmess-Stationen per App bereitstellen und erhalten dafür Citizen Blockchain Tokens, die in einem kommunalen Onlineshop einlösbar sind. Zudem stellt Materna in Hannover den gemeinsam mit publicplan

entwickelten Chatbot GovBot vor (15, G54). Als erste Kommune in Deutschland setzt Ludwigsburg einen sprechenden Serviceroboter ein, der auf dem Stand von BadenWürttemberg International anzutreffen ist (14, H08). Die digitale Helferin namens L2B2 begrüßt in ihrem “Arbeitsalltag” im Eingangsbereich des Bürgerbüros und begleitet die Besucher selbstständig über die Flure zu den jeweiligen Abteilungen. Wie Kommunen mit einem komplett digitalisierten Prozess ihre Haushaltsplanung vereinfachen können, präsentiert DATEV. Dabei werden alle relevanten Daten von dezentralen Stellen über eine einfache, intuitiv bedienbare Oberfläche erfasst. Die Informationen stehen anschließend sofort zur Verfügung und lassen sich per Klick in die zentrale Planung übernehmen. (15, G20).

Die Gesellschaft für kommunale Digitalisierung (GFKD) zeigt auf der CEBIT mit “kommune.digital”, wo die größten Potenziale für die Verwaltung liegen und welche Best-Practice-Beispiele es bereits gibt (14, L35). Das Begleitprogramm ist unter www. kommune.digital.de abrufbar. Der Niedersächsische Städteund Gemeindebund und der Deutsche Städte- und Gemeindebund laden am 12. Juni im Rahmen des innovatorsclubs Niedersachsen auf die d!talk-Bühne ein. Angekündigt sind u. a. Vorträge von Staatssekretär Klaus Vitt, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, und Stefan Muhle, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung. Am 14. Juni findet dann dort der 12. Kommunaltag des Landes Schleswig-Holstein statt.


Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Juni 2018

NKR fordert mehr Einsatz gegen Bürokratie

Digitaler Drahtseilakt

Bericht der Regierung birgt aber Potenzial

Keine Schnellschüsse bei der Digitalsteuer

(BS/wim) Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) sieht im Jahresbericht der Bundesregierung “Bessere Rechtsetzung 2017: Die Bürokratiebremse wirkt” eine gute Grundlage für den Fortgang einer Vereinfachung von Verwaltungsvorgängen. Dennoch gebe es aber auch noch einigen Optimierungsbedarf beim verstärkten Vorgehen gegen die Bürokratie. Das erklärte der Vorsitzende des NKR, Dr. Johannes Ludewig, Mitte Mai: “Wichtig ist nun, dass die neue Bundesregierung an diese Entwicklung anknüpft und weitere Maßnahmen angeht, um Kosten zu reduzieren. Die bestehenden Instrumente müssen geschärft und wirksamer werden.”

(BS/lkm/wim) Eine mögliche Besteuerung digitaler Unternehmen steht auf der Agenda der EU-Kommission aktuell ganz oben, eine gemeinsame Linie gibt es bisher aber noch nicht. Da das aktuell geltende Recht der Unternehmensbesteuerung bisher an die jeweiligen Betriebsstätten als Orte der Wertschöpfung anknüpft, in denen Produkte wie Autos oder Maschinen hergestellt werden, stößt es bei der Besteuerung von Unternehmen mit rein digitalen Geschäftsmodellen schnell an seine Grenzen.

Die im Jahresbericht bilanzierte Entwicklung des Erfüllungsaufwandes, also die Entwicklung der Folgekosten von Gesetzen, gestaltet sich aus Sicht des Kontrollrates teilweise sehr positiv. So führe beispielsweise die “Onein-one-out”-Regel dazu, dass die Unternehmen im Jahr 2017 bei den laufenden Kosten aus nationalem Recht per Saldo um ungefähr 305 Millionen Euro entlastet werden konnten. Der einmalige Erfüllungsaufwand für Unternehmen sei mit rund 612 Millionen Euro jedoch extrem hoch. Ein zusätzlicher Kostenfaktor sei die Umsetzung von EU-Richtlinien. Dort sei der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft im Jahr 2017 um rund eine Milliarde Euro gestiegen – tatsächlich und per Saldo wurde die Wirtschaft laut NKR demnach um etwa 700 Millionen Euro zusätzlich belastet. Dies erklärt Ludewig auch damit, dass im EU-Recht teilweise andere Regeln gelten: “Da das umgesetzte EU-Recht von der “Onein-one-out”-Regel ausgenommen ist, ist das Bild unvollständig. Spürbare Begrenzung kann nur gelingen, wenn diese Ausnahme abgeschafft wird, denn für Unternehmen ist der Verursacher einer neuen Regelung im Vergleich zu den Kosten zweitrangig.” Positiv bewertet der NKR hingegen, dass die 2015 gestartete Lebenslagenbefragung fortgeführt und erweitert wurde. “Die Lebenslagenbefragung ist eine sehr gute Ergänzung zu der systematischen Kostendarstellung

bei gesetzlichen Regelungen. Es müssen jedoch auch konkrete Maßnahmen ergriffen werden, um Verbesserungen und Vereinfachungen für die Betroffenen anzustoßen”, so Ludewig. Die Erkenntnisse aus der Befragung müssten auch in die konkrete Planung und Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und den darin enthaltenen Portalverbund einfließen. Ludewig nennt dabei E-Government-Maßnahmen als einen wesentlichen Schlüssel, um neben der Reduzierung des Aufwands auch die Zufriedenheit mit Verwaltungsleistungen zu steigern. Dazu müssten Bund, Länder und Kommunen anfangen, an einem Strang zu ziehen.

Bilanz insgesamt vorzeigbar Das Verfahren zur Kostentransparenz von EU-Regelungen, das sogenannte EU-ex-ante-Verfahren, wird im Jahresbericht der Regierung zwar als wirksam eingestuft, aus Sicht des Nationalen Normenkontrollrates muss das Verfahren aber noch weiterentwickelt werden: “Es reicht nicht, dass die Bundesregierung sich intern Gedanken zu den Folgekosten von neuen EU-Regelungen macht. Anders als bisher müssen auch die Betroffenen, also Unternehmen und Verbände, mit einbezogen werden. Nur wenn das Verfahren transparent ist, kommt ausreichend Druck ins System”, erklärt Ludewig. Am Ende müsse zudem auch der Bundestag über die Ergebnisse informiert werden.

Schließlich sieht der NKR auch Verbesserungspotenzial beim systematischen Evaluationsverfahren der Regierung. Der bisher geltende Beschluss beinhalte im Grunde nur die Kriterien, wann eine Evaluation von Gesetzen verpflichtend sei. Entscheidend sei aber nicht nur das Wann, sondern vor allem auch das Wie einer solchen Analyse. So sieht Ludewig die Notwenigkeit, im Vorfeld konkrete Ziele für die Prüfung festzulegen und für diese Ziele individuelle Prüfkriterien zu erstellen. Zudem müssten die für dieses Procedere notwendigen Daten unbedingt vorhanden sein. Nur wenn all diese Punkte beachtet würden, könne das Evaluationsverfahren seine gewünschte Wirkung entfalten. Insgesamt sehen Ludewig und der NKR die Bilanz der Bundesregierung trotz aller Kritik aber als durchaus vorzeigbar an. Auch im Hinblick auf die noch junge Legislaturperiode gebe es bereits erste Hinweise auf eine Weiterführung vieler Vorhaben. Der NKR fordert daher, dass diese in den kommenden Monaten zu einem schlüssigen und anspruchsvollen “Gesamtkonzept Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung” für die kommenden Jahre weiterentwickelt werden. Die Stellungnahme des NKR kann auf dessen Webseite www. normenkontrollrat.bund.de aufgerufen werden. Der Jahresbericht der Bundesregierung findet sich unter www.bundesregierung.de .

Diese Unternehmen, wie beispielsweise die Marktriesen Google oder Facebook, erbringen Dienstleistungen im Internet, ohne selbst in Deutschland ansässig zu sein und ohne dass sich exakt bestimmen ließe, an welchem Ort bei ihren OnlineDiensten die eigentliche Wertschöpfung stattfindet. Für den Finanzminister Sachsens, Dr. Matthias Haß, ist bei diesen neuen Geschäftsmodellen “eine faire und angemessene Besteuerung nicht nur wichtig, um die Einnahmen für die öffentlichen Haushalte zu sichern. Es geht vor allem um Steuergerechtigkeit und gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Internet-Unternehmen und der herkömmlichen Wirtschaft, für die ein gemeinsamer Rechtsrahmen geschaffen werden muss.” Dies erklärte Haß auf der Jahrestagung der Finanzminister der Länder Ende Mai in Goslar, wo die Besteuerung der digitalen Wirtschaft das Hauptthema war.

Merkel und Steinmeier fordern Fairness Neben den Finanzministern hatten sich in den letzten Wochen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Thema geäußert. Steinmeier erklärte, dass die “monopolhafte Konzentration von Daten und Macht” ihm Sorge bereite: Die “neuen Digitalgiganten verbuchen riesige Gewinne und zahlen dafür relativ wenig Steuern, erst recht nicht in Europa”, erklärte er bei der Einweihung des LudwigErhard-Zentrums Ende Mai in Fürth. Um den digitalen Markt fair zu gestalten, machte sich der Präsident für eine “Ethik der Digitalisierung” stark, “um die Digitalisierung der Gesellschaft und unser westlich-liberales Demokratiemodell kompatibel zu halten”. Trotz der Notwendigkeit für Anpassungen des bestehenden Systems stellte Steinmeier aber klar, dass das Thema von Deutschland auf der internationalen Ebene aktiv mitgestaltet werden müsse: “Wer sich zurückzieht, anstatt gemeinsam mit anderen für Standards und Regelsetzung zu werben, der verliert an Kontrolle und Einfluss. Denn dann bestimmten andere die Regeln des Welthandels, die Standards bei der Elektromobi-

Die europäische Politik will Digitalkonzerne effizienter besteuern. Der Bitkom unterstützt das Vorhaben grundsätzlich, warnt allerdings vor Schnellschüssen, die zu Doppelbesteuerungen oder internationalen Streitigkeiten führen könnten.

lität oder die Grenzen der Privatsphäre.” In dieselbe Kerbe schlug auch die Bundeskanzlerin, die sich Ende Mai in Berlin für eine Steuerreform aussprach, um die Verarbeitung von Daten in das aktuelle Recht einzugliedern und so fairere Bedingungen am digitalen Markt zu schaffen.

Bitkom warnt vor Schnellschuss-Lösung Während man eine faire Besteuerung aller Unternehmen in der analogen und digitalen Welt grundsätzlich begrüßt, mahnt der Digitalverband Bitkom angesichts der EU-Pläne einer kurzfristig einzuführenden Sondersteuer für Digitalunternehmen allerdings zu mehr Ruhe. So appelliert der hauseigene Steuerexperte Thomas Kriesel an die Politik, “den Zeitdruck auf die EU-Kommission zu senken. Eine unüberlegte HauruckAktion wird neue internationale Tendenzen zur Doppelbesteuerung auslösen.” Da es viele der zur Debatte stehenden Geschäftsmodelle bereits seit fast zwei Jahrzehnten gebe, solle man jetzt nicht plötzlich hektisch werden. Das Ziel müsse stattdessen eine Lösung sein, die langfristig tragbar und auf OECD-Ebene abgestimmt sei. Im Rahmen der Wirtschaftsorganisation werde derzeit eine Analyse durchgeführt, wie sich die Digitalisierung auf die internationale Steuerpraxis auswirke und wie man diesen Effekten begegnen könne. Kriesel rät dazu, diese Erhebung abzuwarten, denn für “eine exportorientierte Nation wie Deutschland könnte ein über-

Foto: BS/Sébastien Betrand, cc by 2.0, flickr.com

eiltes Vorpreschen schnell zu Steuermindereinnahmen führen, wenn Staaten außerhalb Europas ähnliche Regelungen treffen”.

Rechtliche Zweifel bleiben Der aktuelle Plan der EU-Kommission sieht laut Bitkom vor, die neue Digitalsteuer als ein bis fünf Prozent auf den Umsatzanteil zu erheben, “den ein Unternehmen mit der Verarbeitung und Monetarisierung seiner Nutzerdaten oder mit der Vermittlung von Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen seinen Nutzern erwirtschaftet”. Damit nur große Unternehmen von der Steuer betroffen sind, wird die Steuer erst bei einem globalen Jahresumsatz von 750 Millionen Euro erhoben. Zusätzlich müssen jene Einnahmen nochmals bei mindestens 50 Millionen Euro liegen, die sich aus den digitalen und steuerrechtlich relevanten Diensten ergeben, die innerhalb der EU erbracht wurden. Der Bitkom warnt bei dem aktuellen Konzept vor einer Reihe von rechtlichen Problemstellungen. So sei beispielsweise eine Doppelbesteuerung vorprogrammiert, da sich die zu besteuernde Leistung weder klar der Umsatzsteuer noch der Ertragssteuer zuordnen lasse. Zudem sei das Argument für eine Besteuerung obsolet geworden, nachdem es um einen Ausgleich gehe, da die US-Unternehmen durch Begünstigungen im dortigen Steuerrecht einen Wettbewerbsvorteil erhielten. Diese Begünstigungen waren in der zu Jahresbeginn implementierten Steuerreform jedoch aufgehoben worden.

Zukunftsstrategie des krz-Verbandes Gemeinsam auf dem Weg zur Kommune 4.0 (BS/Wim Orth) Im Zuge der aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen ist ein digitaler Wandel in der öffentlichen Verwaltung unabdingbar, um von der Gegenwart nicht abgehängt zu werden. Die Digitalisierung sollte dabei jedoch als Chance für die Verwaltung betrachtet werden. Um die Potenziale dieser Entwicklung sinnvoll zu nutzen, stellt das Kommunale Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe (krz) seine Digitalisierungsstrategie 2020 mit vielen Lösungen zum Thema digitale Verwaltung auf der CEBIT in Hannover vor. Um eine Produktpalette zu entwickeln, die auf die speziellen Anforderungen von Kommunen abgestimmt ist, untersucht das krz systematisch den Digitalisierungsgrad von acht Referenzkommunen. Wichtig sei bei der Digitalisierung vor allem, dass die Verwaltungsprozesse nicht einfach aus der analogen Welt übernommen würden, sondern neu gedacht und entwickelt werden. Mithilfe von externen Experten erarbeitet der IT-Dienstleister zusammen mit den Mitgliedern des Zweckverbandes gemeinsame Ziele und Handlungsempfehlungen für die Digitalisierung der kommunalen Verwaltungen. Das neue Projekt soll mit einer systematischen Bestandsaufnahme der kommunalen Digitalisie-

rung aus der Perspektive von innen sowie von außen beginnen. In die Analyse der Daten auf Basis von Referenzgrößen anderer Kommunen wird die Expertise aus vorherigen systematisierten Erhebungen eingebracht und gleichzeitig werden die örtlichen Besonderheiten berücksichtigt. Einflussfaktoren für die Bewertung sind beispielweise Gesetzesanforderungen, Zielsetzungen in der Verwaltung, Kundenbedürfnisse vor Ort sowie technische und politische Rahmenbedingungen. Ist die Bestandsaufnahme abgeschlossen, werden aus den gesammelten Ergebnissen sowohl individuelle als auch kollektive Handlungsempfehlungen erarbeitet. Besonders wichtig ist dem krz dabei, eine sinnvoll ge-

staltete digitale Kommunikation der Verwaltung mit den lokalen Bürgern und Unternehmen in einen medienbruchfreien Ablauf zu integrieren, der die Prozesse in den Kommunen vereinfacht und so Bürger, Unternehmen und Verwaltungsmitarbeiter entlastet. Das Kommunale Rechenzen­ trum Minden-Ravensberg/Lippe präsentiert seine neue Digitalisierungsstrategie auf dem Stand des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NordrheinWestfalen (Halle 14/ Stand 44). Zusammen mit den Kommunen des Zweckverbandes wird dort der Weg zu einem sicheren und modernen E-Government vorgestellt.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juni 2018

Engpässe verhindern

Z

u den wachsenden Anforderungen an Behörden und das Gesundheitswesen zählt vor allem der Zwiespalt zwischen dem wachsenden Spardruck auf der einen Seite sowie den Ansprüchen der Bürger – umfassendere Leistungen ohne lange Wartezeiten – auf der anderen. Das erfordert zukunftsweisende Ansätze und vor allem eine umfassende Digitalisierung. Vor dem Hintergrund der E-GovernmentGesetze in Bund und Ländern sollen alle Verwaltungsprozesse unter Beachtung existierender Sicherheits- und Datenschutzbestimmungen digitalisiert und automatisiert werden. Doch damit steht der öffentliche Sektor vor einer wahrhaft herkulischen Aufgabe: Der Studie Zukunftspanel Staat & Verwaltung 2017 zufolge sehen 58 Prozent der 350 befragten Behördenleiter die Digitalisierung als die größte He­ rausforderung der nächsten fünf Jahre an. Nicht nur der öffentliche Verwaltungsapparat zieht seinen Nutzen aus der digitalen Transformation, sondern auch das Gesundheitswesen. Hier profitiert besonders der Patient. Patientendaten werden vernetzt und schneller ausgetauscht als früher. Dabei macht, insbesondere im Hinblick auf die DSGVO, der verantwortungsbewusste Umgang mit Daten in den kommenden Jahren den entscheidenden Unterschied. An Technologien wie künstlicher Intelligenz und Big Data führt auch im Gesundheitswesen kein Weg vorbei. Doch nur diejenigen Organisationen, die sie auch verantwortungsvoll einsetzen, werden auf Dauer im Wettbewerb Erfolg haben.

Verschlankung von Prozessen im Gesundheitswesen Gerade im Gesundheitswesen sind die internen Abläufe oft unnötig aufgeblasen. Durch derar-

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Process Mining sorgt für mehr Effizienz im öffentlichen Sektor (BS/Bastian Nominacher*) Die Digitalisierung, strukturelle Veränderungen und der demografische Wandel beeinflussen alle Bereiche des öffentlichen Sektors, vom Gesundheitswesen bis hin zur Verwaltung. Die Rahmenbedingungen für diesen Wandel schafft die Bundesregierung mit ihrer digitalen Agenda. Das erklärte Ziel ist, Deutschland zu einem zukunftsweisenden Land zu machen und Bürgern zeitgemäße Services zu bieten. Ein Werkzeug, das bei diesem ambitionierten Ziel unterstützen kann, ist die Big-Data-Technologie Process Mining von Celonis, die Prozesse in Echtzeit auswertet und automatisierte Handlungsempfehlungen zur Prozessverbesserung gibt. tige Ineffizienzen wird nicht nur die Komplexität von Prozessen künstlich erhöht, zusätzlich steigen dadurch Personal- und Verwaltungskosten. Hier kann die Process-Mining-Technologie von Celonis Abhilfe schaffen: Sie visualisiert und analysiert Prozessabläufe mithilfe digitaler Spuren. Durch das Zusammenfügen verschiedener Prozessschritte werden die aktuellen Ist-Prozesse dargestellt und den Ideal-Prozessen gegenübergestellt. So erhalten Organisationen einen Echtzeit-Einblick in ihre Abläufe und können Schwachstellen ausfindig machen. Sind diese Engpässe erst erkannt, können daraus Maßnahmen zur Optimierung der betroffenen Prozesse abgeleitet werden. Um den Anwender hierbei zu unterstützen, liefert die Technologie konkrete Handlungsempfehlungen frei Haus. Sind die Prozesse schließlich optimiert, bedeutet dies nicht nur eine Kosteneinsparung für die Organisation, sondern auch besseren Service für Bürger.

Process Mining im Operationssaal Der OP als kostenintensivster Funktionsbereich eines Krankenhauses entscheidet oft darüber, ob eine Klinik wirtschaftlich arbeitet oder nicht. Leerlauf ist hier ebenso ein Kostenfresser wie Überstunden. Entsprechend wichtig ist es für jedes Klinikum, die Belegung der OPs zu optimieren. Eine perfekte Abstim-

Durch Process Mining erhalten Organisationen einen Echtzeit-Einblick in ihre Abläufe und können Schwachstellen ausfindig machen. Foto: BS/Celonis

mung von OP-Team und Patiententransportdienst ist der Schlüssel für Effizienz und einen reibungslosen Prozessablauf. Die uhb Consulting AG, Partner von Celonis und spezialisiert auf das Gesundheitswesen, kennt sich hiermit aus und hat Process Mining beispielsweise bei einem Klinikum erfolgreich implementiert. Das Soll-Szenario sieht hier vor, dass das OP-Team den jeweils nächsten Patienten 20 Minuten vor dem Abschluss der aktuellen Operation anfordert, damit er rechtzeitig an der Schleuse ist. Der Transportdienst ist nach der Anforderung des Patienten dafür verantwortlich, dass er über die Schleuse in die Holding-Area gebracht wird, wo die Patienten für ihre jeweilige Operation vor-

bereitet werden. Dennoch kam es im OP regelmäßig zu Verzögerungen, da der nächste Patient nicht rechtzeitig vor Ort war. Mit Process Mining konnten die Abläufe transparent gemacht und die Gründe für die Verzögerungen identifiziert werden. Dabei galt es vor allem herauszufinden, ob das OP-Team den nächsten Patienten zu spät abgerufen hat oder ob der Transportdienst durch mangelnde Leistung für die Verspätungen verantwortlich war. Zur Optimierung der Prozesse mussten zunächst die vorhandenen Daten analysiert und in Relation zueinander gesetzt werden. Die Daten stammten aus dem Krankenhausinformationssystem und der vom Transportdienst genutzten Logistiklösung, die im

Celonis Pathfinder als Prozess dargestellt und analysiert wurden. Die Analyse ergab: Sowohl das OP-Team als auch der Transportdienst waren für die Verspätungen verantwortlich. Funktionierte das Abrufverhalten des OP-Teams am Vormittag meist reibungslos, nahm die Zuverlässigkeit im Laufe des Nachmittags rapide ab. Beim Transportdienst stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter mittwochs und freitags deutlich langsamer als an den übrigen Tagen arbeiteten, an diesen Tagen lag eine deutlich höhere Arbeitsbelastung je Mitarbeiter vor. Im Ergebnis wurden die OP-Teams am Nachmittag verstärkt, der Personalplan des Transportdienstes umgestellt und eine kontinuierliche Erfolgskontrolle eingeführt.

Datenanalysen – die Zukunft des öffentlichen Sektors Nicht nur Krankenhäuser profitieren von der Digitalisierung, auch bei der öffentlichen Verwaltung sind effiziente Prozesse aufgrund knapper Budgets und Personalmangel von enormer Bedeutung. Oft sind es interne Prozesse, die über Process Mining verbessert werden und positive Auswirkungen erzeugen. Ein Beispiel ist das IT-ServiceManagement (ITSM). Kunden aus dem öffentlichen Sektor konnten über Process Mining die Dauer der Lösung von IT-Problemen um bis zu knapp fünf Stunden senken. In einem Fall reduzierte sich

der Anteil an sehr langdauernden Tickets sogar von rund elf auf 1,6 Prozent. Mit der schnelleren Lösung von IT-Problemen haben die Mitarbeiter mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben – und können Bürgern einen besseren Service zur Verfügung stellen. Die Erkenntnis, dass Big Data die Grundlage der Digitalisierung und effizienter Prozesse sein muss, scheint sich durchgesetzt zu haben: Laut der jedes Jahr von KPMG erhobenen Studie “Mit Daten Werte schaffen” aus dem Jahr 2017 bezeichnen 78 Prozent der befragten Entscheider aus dem öffentlichen Sektor Datenanalysen als entscheidenden Baustein für die eigene Arbeit. Dennoch liegt hier noch ein weiter Weg vor uns. Besonders große Organisationen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern sind hier Vorreiter, da 57 Prozent von ihnen bereits auf den Einsatz von Big-Data-Lösungen vertrauen. Innerhalb der kommenden 12 Monate planen weitere 30 Prozent den Einsatz derartiger Lösungen. Auffällig ist jedoch, dass lediglich 51 Prozent der Befragten angeben, einen konkreten Mehrwert aus diesen Analysen zu ziehen und dabei Erfolge zu erzielen. Hier schafft Process Mining Abhilfe: Die Analyse der vorhandenen Daten und die anschließende Prozessoptimierung funktionieren umso besser, je mehr Daten digital erfasst werden. Dank der intuitiven Bedienung ist kein spezielles Fachwissen vonnöten. Auch die Optimierung der Prozesse läuft meist über wenige Korrekturen an den einzelnen Prozessen ab, ohne dass eine komplette Umstrukturierung nötig wäre oder ein Prozess neu aufgesetzt werden müsste. Damit steht einem zeitgemäßen Service für Bürger nichts mehr im Weg. *Bastian Nominacher ist Co-CEO und Mitgründer von Celonis.


Zukunftskongress Staat & Verwaltung

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Behörden Spiegel / Juni 2018

Die besten Projekte gesucht

Low-Code-Plattformen

Finalisten des 17. “eGovernment-Wettbewerbs”

Schlüssel zur Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung

(BS/gg) Die Finalistentage des 17. eGovernment-Wettbewerbs Mitte Mai in Berlin standen ganz im Zeichen innovativer Verwaltungsservices. Insgesamt 15 Bewerber kämpften um die Auszeichnung für die besten Projekte zur Verwaltungsmodernisierung. Das Spektrum der eingegangenen Projekte reichte in diesem Jahr von Konzeptionen zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes über die Realisierung konkreter E-GovernmentAnwendungen für Bürger bis hin zur Erleichterung elektronischer Dienste für Unternehmen.

(BS/Karsten Noack*) Für die Entwicklung maßgeschneiderter Fachverfahren in Bundes- und Landesbehörden galt es lange als Königsweg, nur auf Java und Open Source und auf das V-Modell XT bzw. auf mehr oder weniger agile Standardvorgehensmodelle zu setzen. Mit dieser Art der Konsolidierung glaubte man, Kosten zu sparen und zugleich eine standardisierte hohe Qualität in der Softwareentwicklung zu erreichen. Tatsächlich erreicht hat man damit aber oftmals weder das eine noch das andere. Inzwischen öffnen sich deshalb immer mehr Bundes- und Landesbehörden für modernere Alternativen.

Organisiert wird der eGovernment-Wettbewerb von den Unternehmen BearingPoint und Cisco. In diesem Jahr gaben insgesamt 59 Institutionen aus dem deutschsprachigen Raum eine Bewerbung ab. Die hohe Zahl der eingereichten Ideen im Bereich Kooperationen zeigt, dass in vielen Organisationen die Chancen für eine schnellere Digitalisierung

durch intensive Zusammenarbeit genutzt werden. Eine Jury aus Experten aus den Bereichen Verwaltungswissenschaften, IT, Gesellschaftsentwicklung und Medien entscheidet nun darüber, welche der nominierten Vorschläge prämiert werden. Die Preisverleihung erfolgt auf dem Zukunftskongress “Staat und Verwaltung” am 19. Juni 2018 in Berlin.

DIE FINALISTEN IM ÜBERBLICK: Kategorie: BESTE KONZEPTION ZUR UMSETZUNG DES ONLINEZUGANGSGESETZES • “EKONA mit der Schnittstelle für Nutzerkonten KOLIBRI”, Bayerisches Landesamt für Steuern • “Zentrale Rechnungseingangsplattformen, Bund-Bremen-Kooperation E-Rechnung”, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, das Bundesministerium der Finanzen und Die Senatorin für Finanzen, Freie Hansestadt Bremen • “50x1101 – Nutzerzentrierte Standardprozesse für Baden-Württemberg”, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg Kategorie: BESTES DIGITALISIERUNGSPROJEKT • “Sprachbiometrisches Assistenzsystem”, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge • “Elektronische Gründung”, Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (Österreich) • “Gründerplattform”, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Kategorie: BESTES MODERNISIERUNGSPROJEKT • “Gewinnung, Einarbeitung und Bindung von mehr als 260 neuen Mitarbeiter/-innen seit 2016”, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik • “Konzeption und Durchführung einer landesweiten Nachwuchskräfte-Werbekampagne für den Arbeitgeber Land Schleswig-Holstein”, Staatskanzlei Schleswig-Holstein • “KLAR (KaisersLauternAnalyseRecherche)”, Stadt Kaiserslautern Kategorie: BESTES KOOPERATIONSPROJEKT • “Wasser-DE: Kooperatives Informationsmanagement in der Wasserwirtschaft”, Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) • “IT-Verfahren Online Sicherheitsprüfung (OSiP)”, Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen • “eUmzugCH”, Schweizerische Informatikkonferenz / eOperations Schweiz

Kategorie: BESTES INFRASTRUKTURPROJEKT • “Virtual und Augmented Reality im Hamburger Hafen”, Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg • “Kundenportal der bayerischen Handwerkskammern”, Handwerkskammer für München und Oberbayern • “Verkehrssicherheitsscreening Baden-Württemberg”, Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg

Paradigmenwechsel in der Software-Entwicklung Der US-amerikanische Analyst Forrester Research sieht Low-Code-Plattformen als eine der Schlüsseltechnologien für die künftige Digitalisierung aller Geschäftsprozesse an und prognostiziert bereits für 2020 ein Marktvolumen für derartige Produkte von mehr als 15 Milliarden Dollar jährlich. LowCode steht dafür, Fachanwendungen mit einem absoluten Minimum an individueller Programmierung zu entwickeln. Die Anwendungssoftware wird aus vorgefertigten, standardisierten Funktionalitäten interaktiv am Bildschirm “zusammenge-

klickt”. Der Low-Code-Ansatz umfasst dabei alle Ebenen der Softwareentwicklung: Datenbasis, Anwendungslogik und Oberflächendesign – und nicht nur den interaktiven Teil der Anwendung, sondern auch Outputund Schnittstellengenerierung. Bei einigen Produkten ist sogar eine vollständige Integration von Kartendarstellungen und GISFunktionalitäten enthalten. Falls dann doch mal etwas individuell programmiert werden muss, setzen Low-Code-Plattformen auf niedrigschwelligen Programmcode, der bei Bedarf auch für Nicht-Informatiker lesbar und verständlich ist. Grundsätzlich eignet sich der Ansatz sowohl für die Fachabteilungen, die sich kleine Anwendungen einfach mal selbst zusammenbauen wollen, als auch für ganz normale IT-Projekte, wie sie typischerweise von den ITAbteilungen mit Unterstützung externer Dienstleister umgesetzt werden. Da Fachverfahrenslösungen fast immer individuell zugeschnitten sind, mit zu geringen Budgets entwickelt werden müssen und zudem flexibel an sich ändernde Bedingungen anpassbar sein sollen, sind LowCode-Technologien fast überall eine sinnvolle Alternative.

Low-Code-Lösungen in der öffentlichen Verwaltung

Berliner Firma Scopeland kann in diesem Bereich auf hunderte erfolgreich mit Low-Code umgesetzte Projekte verweisen. Die Einsparungen, die sich daraus für die öffentliche Hand ergeben haben, dürften mindestens in einem gut zweistelligen Millionenbereich liegen. Bereits heute erreichen Anbieter wie Outsystems, Mendix und salesforce.com in den USA eine beachtliche Marktdurchdringung mit Cloud-basierten Low-CodeLösungen. Es ist anzunehmen, dass sich nahezu jedes große Unternehmen und jede große Behörde in der nächsten Zeit eine Low-Code-Strategie zulegen muss. Für den öffentlichen Bereich geht es dabei darum, auf die richtigen Produkte zu setzen, wie etwa SCOPELAND, die in Deutschland führende Plattform, die auch finalen Java- oder .netCode generieren kann und für den Einsatz in sicherheitsrelevanten On-Premise-Szenarien ausgelegt ist. Scopeland Technology wird vom 18. bis 20. Juni 2018 beim Zukunftskongress “Staat & Verwaltung” in Berlin zum Thema “Low-Code-Plattformen als Schlüssel zur Digitalisierung von Fachverfahren” inklusive LiveDemo referieren und mit einem Stand vertreten sein.

In Bundes- und Landesbehörden haben Low-Code-Methoden längst Einzug gehalten. Allein die

*Karsten Noack ist Geschäftsführer der Scopeland Technology GmbH.

(BS/gg) Vom 18. bis 20 Juni 2018 findet im Berliner Congress Center (bcc) der diesjährige Zukunftskongress Staat & Verwaltung statt. Im Zentrum des Kongresses steht die Herausforderung, die technologischen, organisatorischen und strukturellen Aufgaben der Digitalisierung von Staat und Verwaltung zu bewältigen.

geben, um die Inhalte danach in kleineren Sessions vertieft zu behandeln. Einer der Hauptredner im Hauptprogramm ist Horst Seehofer, Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat. Er hat, ebenso wie in der Vergangenheit sein Amtsvorgänger Dr. Thomas de Maizière, die Schirmherrschaft der Veranstaltung übernommen.

Mehr Interaktion gewollt

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or diesem Hintergrund diskutieren Führungspersönlichkeiten und Fachexperten aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft die Chancen der digitalen Revolution und erarbeiten gemeinsam innovative Lösungsansätze und konkrete Handlungsempfehlungen für eine moderne digitale Verwaltung von morgen. Neben den klassischen Kernformaten, wie den Plenen, Zukunftsforen & -werkstätten, Dialogveranstaltungen und

Eine solche Alternative sind sogenannte Low-Code-Plattformen, mit denen es im Vergleich zur klassischen Softwareentwicklung gelingt, Projektkosten und Projektlaufzeit typischer IT-Projekte auf einen Bruchteil zu reduzieren – einige Hersteller sprechen sogar von einem “Faktor 10”. Und nicht nur das: Softwarelösungen, die auf Low-Code basieren, ermöglichen ein bislang nicht gekanntes Maß an Flexibilität im agilen Entwicklungsprozess und in der späteren Pflege. Zudem ist es möglich, IT-affine Fachanwender besser, idealerweise mit “Design Thinking”-Methoden, in den Entwicklungsprozess einzubinden, was dazu beiträgt, dass weniger am realen Bedarf vorbei entwickelt wird.

Zukunftskongress Staat & Verwaltung in Berlin

Best-Practice-Dialogen, wollen die Veranstalter mit Barcamps, Lightning-Talks, Fishbowl-Diskussionen, World-Cafés und dem 360-Grad-Format in diesem Jahr auch deutlich mehr interaktive Formate anbieten.

Als Auftaktevent im Vorfeld des Kongresses diente Anfang Juni ein in Zusammenarbeit mit Microsoft veranstaltetes Barcamp “neueVerwaltung U30”, das der Frage nachging, wie sich junge Bürger, Familien, Unternehmens-

gründer sowie Nachwuchskräfte den Staat und die Verwaltung der Zukunft vorstellen. Ein weiteres neues Format sind die 360-Grad-Veranstaltungen. In diesem Format sollen zwei Sonderthemen behandelt werden:

das Digitalisierungsprogramm der neuen Bundesregierung sowie die Herausforderungen der künstlichen Intelligenz, Robotik und Automatisierung. Zu den beiden Themen soll es eine generelle Einführungsveranstaltung

Weitere Informationen zum Kongress unter www.zukunftskon gress.info



Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Juni 2018

Viele Fragen, wenige Antworten

Der Bremer eHaushalt

Diskussion über Einsatz Künstlicher Intelligenz

Elektronische Haushaltsdarstellung und -analytik

(BS/Adrian Bednarski) Künstliche Intelligenz (KI) wird einerseits positiv gesehen, um Prozesse zu optimieren und Menschen zu entlasten. Andererseits denken viele Menschen dabei an den Aufstand der Maschinen, wie in vielen Science-Fiction-Filmen skizziert, sowie an Berufe, die wegfallen könnten. Welche Fragen müssen noch beantwortet werden?

(BS/gg) Der Bremer Beirat für “Innovative Verwaltungsentwicklung” hat sich in seiner jüngsten Sitzung mit dem Schwerpunktvorhaben “Einführung der elektronischen Haushaltsdarstellung und -analytik (eHaushalt)” beschäftigt. Denn die Einführung eines webbasierten Managementinformationssystems für die Bremer Verwaltung kann die strategische, wirkungsorientierte Steuerung der öffentlichen Leistungen in den Verwaltungen deutlich steigern.

Einige erhoffen sich von der Künstlichen Intelligenz, dass sie der “bessere Mensch” wird, und zwar dahingehend, dass sie objektiver und effektiver die Entscheidungen fällt. Dass dies schwieriger ist als gedacht, zeigt sich an der Vorstufe der KI – den einprogrammierten Algorithmen. In Zeiten von Hassreden und Fake-News müssen die Betreiber von Sozialen Plattformen durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz dagegen vorgehen und durchleuchten die Beiträge mittels Algorithmen. Aber: “Es geht jedoch um sehr komplexe Strafttatbestände und auch die Widerspruchsrechte sind nicht vorhanden”, merkt Julia Krüger, Politikwissenschaftlerin und Autorin auf Netzpolitik, an. Die Algorithmen als “toxisch” und somit löschpflichtig einzustufen sei nicht immer nachvollziehbar und sinnvoll. Teilweise würden auch NGOs, die über den syrischen Bürgerkrieg mittels Videos informieren möchten, gesperrt. Auch sei nicht geregelt, wie mit den Daten, die auf dem Kommunikations- und Nutzungsverhalten der Menschen basieren und Aussagen über Charakteristika ermöglichen, umgegangen werde. Kann auf dieser unsicheren Basis die KI aufbauen? “Wir müssen uns entscheiden, in welchen Bereichen wir KI ausgrenzen wollen und unter welchen Bedingungen

Thomas Langkabel, Nationaler Technologie-Officer von Microsoft Deutschland, spricht auf der Veranstaltung der D21-Initiative über “Data und Politics Vol. 2” über Künstliche Intelligenz und die Rahmenbedingungen, die zeitnah abgesteckt werden müssen. BS/Foto: BS/Marco Jentsch, schnittstelle-berlin

wir sie zulassen möchten”, betonte Thomas Langkabel, Nationaler Technologie-Officer von Microsoft Deutschland, auf der Veranstaltung “Data & Politics” der Initiative D21. Dabei stünden wir “unter enormen Konflikten”, weil Weltansichten aufeinanderprallten. Dementsprechend müssten die Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sich bewusst machen, was national, europäisch und international reguliert gehöre.

Noch in den Kinderschuhen Die KI von morgen müsse fair sein, indem sie alle Menschen gleichbehandle. Aber auch die Erschaffer und Betreiber ebensolcher Systeme müssten in die Verantwortung gezogen werden. Herbei, so Langkabel, könnten

die Mechanismen aus anderen Bereichen wie der Medizin übertragen werden, um Betreiber zu kontrollieren. Die Basis der KI sind Daten, aus denen sie lernt. “Dies braucht Vertrauen und das schaffen wir nur, indem wir personenbezogene Daten schützen”, fuhr Langkabel fort. Die vielfach geforderte Offenlegung der Quellcodes zur besseren Nachvollziehbarkeit und Kontrollmöglichkeit ist, seiner Ansicht nach in diesem Kontext wenig sinnvoll, da sich die Algorithmen zu schnell verändern würden. “Deshalb sollten wir mehr die Maschine-Learning-Modelle dahinter erklären”, so der Nationale Technologie-Officer. Aber es zeigt sich, dass auf viele Fragen noch keine Antworten vorhanden sind.

Auch nach der erfolgreichen Beendigung des Konsolidierungskurses werden in Bremen die sachgemäße Verteilung der vorhandenen finanziellen Mittel und die kontinuierliche Steuerung über Wirkungsorientierung und aussagekräftiges Controlling weiterhin von zentraler Bedeutung sein. Der Masterplan “Zukunftsorientierte Verwaltung” für die Freie Hansestadt Bremen sieht im Entwicklungsfeld 1 “Integrierte Gesamtsteuerung und öffentliche Unternehmen” neben der Erarbeitung eines Rahmens der Struktur- und Landesentwicklung für die folgenden 10-15 Jahre durch die Kommission “Zukunft Bremen” als weiteres zentrales Vorhaben die Weiterentwicklung des Finanzcontrollings hin zu einem wirkungsorientierten Controlling und die Automatisierung des Berichtswesens vor.

Wirkungsorientiertes Controlling – Automatisierung des Berichtswesens Zielsetzung des Modernisierungsprojekts eHaushalt ist der Aufbau eines einheitlichen technischen Systems zur elek­ tronischen Haushaltsdarstellung und -analyse, das den Führungskräften für die Steuerung des Haushalts alle entscheidungsre-

levanten Informationen aktuell, transparent und übersichtlich darstellt. Hierdurch sollen die Führungskräfte einen ständig aktuellen Überblick über die im Haushalt abgebildeten Zielsetzungen, Maßnahmen und Kennzahlen sowie verbesserte wirkungsorientierte Steuerungsinstrumente erhalten. Mit dem Bremer eHaushalt werden auch themenspezifische Auswertungen möglich sein sowie Wirkungszusammenhänge besser abgebildet und differenziert betrachtet werden können. Durch die Digitalisierung des Haushalts wird die wirkungsorientierte Steuerung in Bremen auf eine neue Stufe gestellt.

Erste Entwicklungsschritte bis Jahresende In der ersten Stufe werden bis Ende 2018 das Haushaltscontrolling und die wirkungsorientierte Steuerung eingerichtet. Mit dem eHaushalt werden die Vorgaben der Landeshaushaltsordnung an geeignete Informations- und Steuerungsinstrumente weiter vorangetrieben. Erstmals werden hiermit auch Wirkungszusammenhänge plan- und überprüfbar gemacht werden, die bisher nur schwer aufgezeigt werden konnten. Der eHaushalt liefert zukünftig zeitnah Informationen darüber, in welchem Maße die von Senat und Bürgerschaft angestrebten Ziele erreicht werden. Er unterstützt unterjährige

Entscheidungsprozesse durch eine effiziente, transparente und zeitnahe Bereitstellung von Steuerungsinformationen. Er macht die Analyse von Wirkungszusammenhängen zwischen Ressourceneinsatz und Zielerreichung auf Basis von Fach-, Personal-, und Finanzzielen bedarfs- und adressatengerecht möglich. Auf Dashboards können zukünftig individuell die wichtigsten Kennzahlen tabellarisch und grafisch aufbereitet darstellt werden. In weiteren Stufen sollen im Bremer eHaushalt u. a. die Finanzplanung, das Investitionscontrolling, das IT-Controlling sowie das Beteiligungscontrolling ergänzt werden. Das im strategischen Entwicklungsfeld “Integrierte Gesamtsteuerung” geplante Projekt wird gemeinsam mit dem Partner hfp Informationssysteme GmbH, einem Spezialisten für Managementinformations- und Business-Intelligence-Systeme für Gebietskörperschaften und für Steuerungssysteme der öffentlichen Verwaltung, aufgebaut. Der laufende Betrieb des eHaushalts erfolgt beim norddeutschen ITDienstleister Dataport, der auch die IT der bremischen Verwaltung betreibt. Nähere Informationen zum Einführungsprojekt eHaushalt finden sich unter https://www. finanzen.bremen.de/haushalt/ ehaushalt-62048 .

Schulz folgt auf Kammer Neuer Co-Vorsitzender des NEGZ (BS) Im Rahmen der ordentlichen Mitgliederversammlung des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums e. V. (NEGZ) in Berlin wurde Dr. Sönke E. Schulz im Mai einstimmig zum neuen Co-Vorsitzenden des NEGZ gewählt und bildet nun mit Prof. Dr. Helmut Krcmar, TU München, die Doppelspitze des NEGZ. Dr. Sönke E. Schulz ist geschäfts- de zu legen. Schulz wiederum führendes Vorstandsmitglied dankte Kammer dafür, ISPRAT des Schleswig-Holsteinischen und NEGZ zum gefragten AnLandkreistages. Zuvor war sprechpartner von Politik und er Geschäftsführer des Kieler Verwaltung gemacht zu haben. Lorenz-von-Stein-Instituts für Daran gelte es anzuknüpfen und Verwaltungswissenschaften und die großen Fußstapfen auszufülBerater bei der ÖPP Deutschland len, die Kammer hinterlasse. Er AG (Partnerschaften Deutsch- wolle mit seiner Erfahrung aus land) in Berlin. Wissenschaft, Wirtschaft, VerMatthias Kammer, Direktor waltung und Politik zum Erfolg des Deutschen Instituts für des NEGZ beitragen und etwas Vertrauen und Sicherheit im “frischen Wind” in den Verein Internet (DIVSI), war seit 2008 bringen. Vorsitzender des Forschungsnetzwerks ISPRAT, das seit 2016 als Nationales E-Government Kompetenzzentrum e. V. (NEGZ) weitergeführt wird. In einem Statement zu seinem Rücktritt erklärte er, es sei an der Zeit, den Staffelstab weiterzugeben Dr. Sönke E. Schulz (links) trat im NEGZ die Nachfolge und in jüngere Hän- von Matthias Kammer an. Fotos: BS/NEGZ e. V.

IT als Treiber der Verwaltungsmodernisierung: Der Newsletter E-Government, Informationstechnologie und Politik des Behörden Spiegel

Anmeldung: www.behoerdenspiegel.de newsletter@behoerdenspiegel.de


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juni 2018

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Ersetzendes Scannen DVZ erfüllt hohe BSI-Standards

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

Das Comeback …

… des Datenschutzes

(BS/Roland Dathe*) Sicherlich haben auch Sie in den letzten Wochen unzählige Mails und Nachrichten wegen der Datenschutzgrundverordnung, kurz DSGVO, erhalten. Diese sorgt für ein einheitliches europaweites Datenschutzrecht. Die Verordnung ist in ihrer Tragweite weltweit ohne Vergleich und zielt darauf ab, die Rechte der einzelnen Bürger/innen an ihren Daten zu stärken. Das dürfte ganz nach dem Geschmack eines Großteils der deutschen Bevölkerung sein. Diese gilt im internationalen Vergleich schon lange als besonders penibel, was den Umgang mit ihren Daten angeht. Lange belächelte man beispielsweise in den USA diese deutschen Bedenken. Der D21-DigitalIndex 2017/2018 fragte die Einstellungen der Menschen in Deutschland zum Umgang mit persönlichen Daten ab und zeigte: Gerade einmal zwölf Prozent fänden es in Ordnung, Anbietern im Tausch für einen Service persönliche Daten zu überlassen. Drei Viertel der Befragten lehnen ebenfalls ab, dass Unternehmen ihr Nutzerverhalten analysieren, um individuelle Tarife auf dieser Basis anzubieten – obwohl dies zu deutlichen Kostenersparnissen führen könnte. Menschen in anderen Ländern gehen wesentlich freizügiger mit ihren Daten um, teilen mehr persönliche Inhalte und sind stärker dazu bereit, sich auswerten zu lassen. Dass nicht immer alle

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r o f . Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW, wird als Eröffnungsredner den Kongressteilnehmern am 8. November 2018 persönlich zur Digitalisierungsoffensive der Landesregierung und sicher auch zum aktuellen Stand der mit 91 Mio. Euro angekündigten Modellförderung für Kommunen und Regionen berichten. Die inhaltliche Programmplanung – zum siebten Mal in der Verantwortung von IVM² und zu Jahresbeginn begonnen – ist bereits so weit

88%

Die meisten Deutschen achten penibel auf ihre Daten. 88 Prozent verneinen die Frage, ob sie persönliche Daten im Tausch gegen einen Service geben möchten. Unternehmen oder Anbieter verantwortungsvoll mit den Daten und technischen Möglichkeiten der Auswertung umgingen, bzw. die Kontrolle darüber gewährleisten konnte, bewies jüngst etwa der Datenskandal um Cambridge Analytica. Der Fall zeigte der breiten Öffentlichkeit, dass mit der Auswertung persönlicher Daten eben nicht nur zielgerichtete und auf finanziellen Profit angelegte Werbung möglich ist. Man kann sie auch zur politischen Einflussnahme einsetzen und damit beispielsweise in Wahlkämpfe eingreifen. Gerade die Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz, gepaart mit immensen Datenmengen, erlauben immer zielgenauere Auswertungen

und Rückschlüsse auf Einzelpersonen. Da scheint eine gewisse Skepsis gegenüber der Weitergabe von Daten auch rückblickend gar nicht so verkehrt zu sein. Die DSGVO ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, um den Privatpersonen wieder mehr Rechte zu geben. Sie sorgt bereits jetzt bei Nutzer/innen und Unternehmen für eine notwendige und ernsthafte Sensibilisierung im Umgang mit dem Thema. Womöglich dient die Verordnung sogar über die EU hinaus als Vorbild für den Start in eine neue Ära des Datenschutzes. *Roland Dathe ist Pressereferent bei der Initiative D21.

(BS/Bettina Deuil*) Durch die Zertifizierung einer Scan-Lösung nach BSI TR-03138 zur Digitalisierung von Eingangspost und Bestandsakten gemäß der Technischen Richtlinie Ersetzendes Scannen (RESISCAN) wird der IT-Dienstleister von Mecklenburg-Vorpommern zu einem Vorreiter für die öffentliche Verwaltung. Die Akten- und Geschäftsordnungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sehen heute neben der papierbasierten auch eine elektronische Aktenführung und Aufbewahrung vor. Zur Umsetzung der Einführung der sogenannten E-Akte gehört aber ebenfalls, sich darüber Gedanken zu machen, wie papiergebundene Dokumente in die E-Akte gebracht werden können. Bei der Auswahl eines geeigneten Dienstleisters ist darauf zu achten, dass dieser den Schutz der Daten und Dokumente gewährleisten kann und über eine entsprechende Zertifizierung verfügt. Mit der im April 2018 erfolgten Zertifizierung einer Scan-Lösung zur Digitalisierung von Eingangspost und Bestandsakten nach BSI TR-03138 erfüllt die DVZ Datenverarbeitungszentrum Mecklenburg-Vorpommern GmbH als einer der ersten Anbieter die hohen Anforderungen der im letzten Jahr aktualisierten technischen Richtlinie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Durch eine aufwendige, definierte Konformitätsprüfung hat der IT-Dienstleister des Landes M-V den dokumentierten Nachweis erbracht, dass die im Haus etablierten Prozesse und Systeme für das ersetzende Scannen den in der TR-03138 aufgestellten technischen und organisatorischen Anforderungen im jeweils gewählten Modul voll entsprechen. “Unsere Scan-Lösung ist für verschiedenste Kundengruppen geeignet. So haben wir gemein-

Als einer der ersten Anbieter erhielt das DVZ im April für seine Scan-Lösung zur Digitalisierung von Eingangspost und Bestandsakten die BSI-Zertifizierung nach TR-03138. Grafik: BS/©Rawf8, Fotolia.com

sam mit dem Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege M-V als Pilotbehörde das Zertifizierungsverfahren durchgeführt”, erklärt DVZ-Service-Manager Mirko Meitzner.

Schutzbedarf auf Kundenanforderungen abgestimmt Als Ergebnis einer initial durchzuführenden fachlichen Schutzbedarfsbestimmung mit der Pilotbehörde erfolgte die Ausrichtung der DVZ-Scan-Lösung auf einen hohen Schutzbedarf in Bezug auf die in der technischen Richtlinie klassifizierten Grundwerte “Vertraulichkeit” und “Integrität” sowie einen normalen Schutzbedarf für den Grundwert “Verfügbarkeit”. Durch die Verwendung einer geeigneten Hard- und Softwarelösung und das Aufsetzen eines gesicherten Verfahrens inklusive Dokumentation werden die Anforderungen für eine Beweiswerterhaltung des Scanguts erfüllt und zugleich

Land, Kommunen, Regionen, IT-Dienstleister

nachvollziehbare Prozesse etabliert.

Prozesse ganzheitlich abbilden Ein großer Mehrwert entsteht dann, wenn neben der elektronischen Aktenführung auch die Einführung der digitalen Vorgangsbearbeitung erfolgt und damit die Verwaltungsprozesse selbst elektronisch gestaltet werden können. Ziel ist es, Medienbrüche nach Möglichkeit gänzlich zu vermeiden und einen digitalen Prozess von der Entstehung bis zur Archivierung zu etablieren. Hier bietet die DVZ M-V GmbH ihren Kunden eine breite Palette an maßgeschneiderten Lösungen. Weitere Informationen hierzu unter www.dvz-mv.de *Bettina Deuil ist im Marketing der DVZ Datenverarbeitungszentrum Mecklenburg-Vorpommern GmbH tätig.

(BS/Wilfried Kruse*) Erneut wird in diesem Jahr der Kongress “e-nrw” in der Stadthalle in Neuss zahlreiche Teilnehmer zum neuen “Digital HUB” ins Rheinland führen; im letzten Jahr waren es deutlich mehr als 500 Gäste und Partner, die Programm, Austauschmöglichkeiten und die komfortable, große neue Location, Top-Service inklusive, durchgängig mit hohem Lob ausstatteten.

“E-nrw” bietet dazu hervorragende Möglichkeiten und “Wissenstankstellen”, um die eigene Digitalisierungsstrategie zu beleuchten, sich auszutauschen und im Ergebnis innovativ zu befruchten.

fortgeschritten und mit dem CIOCIO Hartmut Beuß diskutiert, dass das Gesamtprogramm in Kürze auf der Kongress-Website erscheinen wird. Inhaltlich wird der Kongress weiter und konsequent die aktuellen digitalen “4.0-Themen” abbilden und damit auch in

*Wilfried Kruse, Geschäftsführender Gesellschafter IVM², ist fachlicher Leiter und Moderator des Verwaltungskongresses “enrw”, den der Behörden Spiegel am 8. November in Neuss veranstaltet. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.e-nrw.info

Kooperative Modellakteure und innovative Treiber

Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen 8. November 2018 Düsseldorf / Neuss

diesem Jahr wichtige Impulse liefern, um in NRW die Digitalisierung in Land und Kommunen, u. a. auch mit besonderem Bezug auf das Modellkommunen- und -regionen-Programm der Landesregierung mit seinem dann im November aktuellen Stand, weiter voranzubringen.

Das E-Government-Gesetz NRW und die von der Landesregierung im Koalitionsvertrag vom Sommer 2017 angekündigte Digitalisierungsoffensive setzen dazu ambitionierte Ziele und Fixpunkte, die nicht nur das Land, sondern jede Kommune in NRW offensiv angehen müssen.


Wirtschaftsspionage

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IT-Sicherheit ist eine Kernaufgabe des Staates”, so Beuth zur Eröffnung der Veranstaltung des hessischen Innenministeriums, die der Behörden Spiegel als Medienpartner unterstützte. Dazu gehöre es auch, dafür zu sorgen, dass überall dasselbe hohe Schutzniveau herrsche. “Wir können es uns nicht leisten, dass unterschiedlich viel in die IT-Sicherheit investiert wird”, sagte der Innenminister mit Blick auf die Länder. Diese adressierte auch der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm. Das BSI sieht er als das zentrale Kompetenzzentrum für die ITSicherheit in Deutschland – Doppelstrukturen sollten unbedingt vermieden werden. “Es muss einen geben, der den Hut aufhat und auf den alle anderen zugreifen können”, so Schönbohm. Mit den Ländern wolle man intensiv zusammenarbeiten, unter anderem beim Austausch von Informationen zur Sicherheitslage. “Wir haben ein großes Interesse daran, dass starke Länder noch stärker werden”, versicherte der BSI-Präsident. Hessen ist eines der Länder, das mit dem BSI bereits eine engere Kooperation vereinbart hat. Mit der Agenda Cybersicherheit@Hessen habe man wichtige Maßnahmen schon früh

Behörden Spiegel / Juni 2018

Kernaufgabe IT-Sicherheit Hessen sagt Cyber-Kriminalität und -Spionage den Kampf an (BS/stb) Die Investitionen in digitale Technologien steigen weltweit immer rasanter. “Aber sind wir bereit, auch mehr in IT-Sicherheit zu investieren?”, fragt Hessens Innenminister Peter Beuth. Während zwar alle von den Vorteilen der Digitalisierung profitierten, dürfe man die berechtigten Sorgen von Bürgern und Unternehmen nicht außer Acht lassen. Um das Vertrauen in die Digitalisierung nicht zu verspielen, sei der Staat gefragt. Wie Hessen der Herausforderung begegnet, war zentrales Thema auf dem 3. Cybersicherheitsgipfel des Landes in Wiesbaden. selbständig eingeleitet, erklärte Innenminister Beuth. Vor allem sei die Informationssicherheit in den Landesbehörden verbessert worden. Auch die Kommunen habe man berücksichtig: “Beratungs- und Unterstützungsangebote im Rahmen des Kommunalen Dienstleistungszentrums Cybersicherheit erfreuen sich seit Beginn großer Beliebtheit.” Etwa die Hälfte der Kommunen habe bereits auf die kostenlosen Angebote zurückgegriffen, freute sich Beuth.

den Wirtschaftsstandort haben, sind Angriffe realistisch”, so Kaspar. Attraktiv für Spione seien aber auch Entscheidungsprozesse mit Beteiligung der Landesverwaltung, wenn viel Geld im Spiel sei wie bei PublicPrivate-Partnership-Vorhaben. Kaspar mahnte dazu, beim ewigen “Katz-und-Maus-Spiel” mit Cyber-Kriminellen noch stärker als bisher auf Synergieeffekte zu setzen, da Personal, Know-how und technische Ausstattung im notwendigen Umfang in Zukunft kaum noch individuell vorgehalten werden könnten.

Verwaltung als Angriffsziel Ein wichtiger Schwerpunkt der Hessischen Cyber-Sicherheitsagenda ist der Kampf gegen CyberKriminalität und Wirtschaftsspionage. Auf den Druck, den kriminelle oder auch staatliche Täter auf die öffentliche Verwaltung ausüben, machte der Technische Direktor der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung, Thomas Kaspar, aufmerksam.

3. Cybersicherheitsgipfel Hessen: Im gut besuchten Wiesbadener RheinMain Congress Center hob der hessische Innenminister Peter Beuth die Verantwortung des Staates für die IT-Sicherheit hervor. Foto: BS/Markus Wiegand, HMdIS

Neben einer zunehmenden Zahl alltäglicher “Schrotschuss-Attacken” mit Millionen Varianten von Schadsoftware müsse die Verwaltung auch mit gezielten

und professionellen Angriffen rechnen. “Insbesondere in Bereichen, wo politische Vorarbeiten oder Beschlüsse erfolgen, die maßgeblich Einfluss auf

Kampf gegen Cyber Crime und Spionage Diese Einsicht liegt auch dem derzeit laufenden Aufbau des Hessen Competence Center für Cybersecurity – kurz Hessen3C – zugrunde. Damit sollen die Sicherheitsbehörden des Landes stärker vernetzt und technisch ausgestattet werden. Der hessi-

sche Co-CIO (Co-Chief Information Officer) Roland Jabkowski brachte das Vorhaben so auf den Punkt: “Im Hessen3C werden Cyber-Sicherheitsspezialisten aus Polizei, allgemeiner Verwaltung und Verfassungsschutz zusammenarbeiten und wir werden dort IT-Lösungen, die nur mit hochspezialisierten Mitarbeitern vollständig genutzt werden können, als Dienstleistung organisationsübergreifend bereitstellen. Kurz: Wir wollen die vorhandenen Fachleute optimal einsetzen.”

“Smarte Polizei” gebraucht Die Möglichkeiten des Netzes werden auch von Tätern in anderen Deliktbereichen immer stärker genutzt, wie wiederum Innenminister Beuth zu bedenken gab. Gebraucht werde daher eine “smarte Polizei”, die mit großen Datenmengen umgehen und geeignete Prognosen stellen könne. “Es kann nicht sein, dass die Polizei die nötigen Puzzlestücke, um ein Attentat zu verhindern, in ihren Datentöpfen hat, diese aber nicht schnell und effektiv zusammenführen kann”, betonte Beuth. “Deshalb haben wir der hessischen Polizei eine Analyseplattform beschafft, die eine effizientere Bekämpfung des islamistischen Terrorismus durch Datenmatching ermöglicht.”

Verwaltung im Visier der Nachrichtendienste

Gericht billigt Datenzugriff

Wirtschaftsspionage verlagert sich ins Netz

Klage gegen Bundesnachrichtendienst abgewiesen

(BS/stb) Auch wenn ausländische Nachrichtendienste nach wie vor auf persönliche Kontakte und Unterwanderung von Organisationen setzen, ver- (BS/stb) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Klage gegen die Überlagert sich auch Wirtschaftsspionage ähnlich wie Organisierte Kriminalität zunehmend ins Netz. Neben hochprofessionellen Cyber-Angriffen werden wachungspraxis des Bundesnachrichtendienstes (BND) am InternetknoUnternehmen, Behörden und andere Organisationen verstärkt mit Kontaktaufnahmen über fingierte Profile in Sozialen Netzwerken konfrontiert. ten De-CIX abgewiesen. Die Betreiber erwägen nun den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Zur Beschaffung von Knowhow oder Informationen über wirtschaftspolitische Entscheidungsprozesse greifen Nachrichtendienste immer häufiger auf Angriffe gegen IT-Systeme zurück. Als besonders aktiv in diesem Bereich gilt die Volksrepublik China, die erklärtermaßen das politische Ziel verfolgt, bis spätestens 2050 Weltmarktführer in allen technologischen Schlüsselbranchen zu werden. Der dafür nötige WissensTransfer wird teils durch den Ankauf von Hightech-Firmen, aber auch über gezielte CyberSpionage umgesetzt, heißt es im baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2017. Auch russische Geheimdienste greifen immer

häufiger zu diesem Instrument, um Know-how für die Stärkung der angeschlagenen Wirtschaft des Landes zu gewinnen. Der Präsident des sächsischen Landesamts für Verfassungsschutz, Gordian Meyer-Plath, sagte dem Behörden Spiegel: “Auch 2017 wurden Spionageaktivitäten im Freistaat Sachsen festgestellt. Von zentraler Bedeutung war erneut die staatlich gelenkte Spionage, also die nachrichtendienstlich organisierte Beschaffung von Informationen. Ziel der Wirtschaftsspionage sind die hier ansässigen Hochschulen, innovativen Unternehmen und Forschungszentren.” Im Verfassungsschutzbericht des Landes heißt es, das sächsische Verwaltungsnetz sei seit

Jahren mit steigender Tendenz Ziel von Cyber-Angriffen, “bei denen ein nachrichtendienstlicher Hintergrund nicht auszuschließen ist und die Anlass zu größter Wachsamkeit geben”.

Kontakt über Soziale Medien Die Verlagerung von Spionagetätigkeiten ins Netz betrifft aber nicht nur elektronische Angriffe. Auch für die Gewinnung von Informanten aus Verwaltung und Wirtschaft bieten sich digitale Optionen. Dazu Meyer-Plath: “Im Berichtsjahr erregten Versuche chinesischer Nachrichtendienste, über Karriereplattformen zu Beamten des Freistaates Sachsen Kontakt aufzunehmen, besondere Aufmerksamkeit.” Auch Mitarbeiter von Unternehmen

und Hochschulen sowie Politiker sind von dieser Praxis betroffen, warnen die deutschen Verfassungsschutzbehörden übereinstimmend. Dazu werden beispielsweise auf dem Karriereportal LinkedIn fingierte Profile von Beratern oder Headhuntern erstellt. Auf einen ersten unverfänglichen fachlichen Austausch folgt die Bitte um eine großzügig vergütete Probearbeit. Das erste persönliche Zusammentreffen mit den Geheimdienstlern erfolgt dann offen oder verdeckt im Rahmen einer Einladung nach China. Im Laufe der “Geschäftsbeziehung” werden weitere bezahlte Berichte mit immer sensibleren Informationen über Themengebiete angefordert, in denen die Zielperson Expertise hat.

Der nach Angaben des Betreibers weltgrößte Internetknoten DeCIX in Frankfurt am Main wird seit Jahren vom BND angezapft. Der Nachrichtendienst lässt sich Daten anlasslos zur weitergehenden Analyse ausleiten (strategische Fernmeldeüberwachung). Das umfasse auch rein inländische Verkehre, für deren Auswertung keine gesetzliche Grundlage bestehe, so die Einschätzung des Knoten-Betreibers. Erstmals wurde die Überwachungspraxis des BND in Frankfurt im Rahmen des NSAUntersuchungsausschusses bekannt. Dabei stand auch eine mögliche Weiterleitung von Daten an den US-Dienst im Raum. Das Bundeverwaltungsgericht

in Leipzig wies die Klage nun ab. In der Urteilsbegründung heißt es, der Betreiber könne grundsätzlich per Anordnung des Bundesinnenministeriums (BMI) verpflichtet werden, bei der strategischen Fernmeldeüberwachung durch den BND mitzuwirken. Die Verantwortung für die Wahrung der Rechte von Bürgern und Unternehmen trage die G10-Kommission des Bundestages. Außerdem könne sich der Betreiber des Internetknotens als Vermittler von Telekommunikation nicht auf das Fernmeldegeheimnis berufen. Nach der Niederlage will der De-CIX-Betreiber den Fall nun dem Bundesverfassungsgericht vorlegen.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Juni 2018

B

ehörden Spiegel: Herr Prof. Schneider, vor welchen Herausforderungen steht der Freistaat Sachsen bei der IT-Sicherheit? Wie schätzen Sie die Situation insbesondere in den Kommunen ein?

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Sensibilisierung von großer Bedeutung Sächsisches Innenministerium mit zahlreichen Maßnahmen gegen Innentäter

(BS) Innentäter stellen auch für die IT-Sicherheit im Öffentlichen Dienst eine erhebliche Bedrohung dar. Um Schäden zu vermeiden, komme es darauf an, Gefahren möglichst frühzeitig zu erkennen, meint der Staatssekretär im Dresdner Innenministerium, Prof. Günther Schneider, im BeSchneider: Die sächsischen hörden Spiegel-Interview. Außerdem müsse die Awareness der Beschäftigten für diese Thematik erhöht werden. Die Fragen stellten Benjamin Kommunen sind ein integraler Stiebel und Marco Feldmann.

Bestandteil der IT-Sicherheitsorganisation des Freistaats. Unser sächsisches E-Government-Gesetz verpflichtet die Kommunen schon heute zu bestimmten Maßnahmen im Bereich der Informationssicherheit. Mit dem neuen sächsischen Informationssicherheitsgesetz werden die Träger der Selbstverwaltung in Zukunft noch weitreichender zur Aufrechterhaltung eines angemessenen Sicherheitsniveaus angehalten. Abseits der gesetzlichen Regelungen bietet der Freistaat Sachsen den Verwaltungsmitarbeitern der Kommunen beispielsweise Sensibilisierungsveranstaltungen an, so etwa die Reihe “Die Hacker kommen”.

Behörden Spiegel: Ein großes Thema bei der IT-Sicherheit sind Innentäter. Was unternimmt Ihr Ministerium, um diese Gefahr für die Verwaltung in Sachsen zu minimieren? Schneider: Speziell für die Erkennung von Innentätern, aber

auch im Fall von durch Hacker übernommene Rechensysteme, hat das sächsische Innenministerium zusammen mit der Technischen Universität Dresden “HoneySens” entwickelt. Es ist gewissermaßen ein “Frühwarnsystem”, das beim Versuch eines unerlaubten Zugriffs auf einen Computer Alarm schlägt.

“Die Gründung von eigenen Behörden für die IT-Sicherheit nach dem Muster des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik in den Ländern sehe ich als nicht zielführend an.”

Behörden Spiegel: Was tun Sie noch?

Prof. Günther Schneider ist seit Dezember letzten Jahres Staatssekretär im sächsischen Staatsministerium des Innern. Foto: BS/Sächsisches

Schneider: Einen wichtigen Punkt sehe ich neben der technischen Sicherung allerdings auch in der Sensibilisierung der Mitarbeiter und letztlich auch im konsequenten Controlling zu grundsätzlichen Fragen der IT-Sicherheit. Dazu haben wir die Veranstaltungsreihe “Die Hacker kommen” aufgelegt. Seit 2012 konnten wir bisher so rund 10.000 Mitarbeiter der Landesund Kommunalverwaltungen schulen. Ein neues E-LearningProgramm zur IT-Sicherheit

steht seit Kurzem ebenfalls für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung. Es wurde in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden entwickelt. Behörden Spiegel: Welche Schritte unternimmt das Dresdner Innenministerium, um die Verwaltungsnetze in seinem nachgeordneten Bereich abzusichern?

Einheitlicher Datenschutz in der EU Europäischer Datenschutzausschuss nimmt Arbeit auf (BS/stb) Pünktlich zur Geltung der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat der neue Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) seine erste Plenarsitzung in Brüssel abgehalten. Zentrale Aufgabe ist es, unter dem neuen einheitlichen Datenschutzregime auch zu einer gemeinsamen Linie in der praktischen Umsetzung und bei der Sanktionierung zu kommen. Soziale Plattformen wollen die Datenschützer früh ins Visier nehmen. Der EDSA löst die bisherige Artikel-29-Datenschutzgruppe ab und setzt sich ebenso aus Vertretern der Datenschutzaufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten sowie dem europäischen Datenschutzbeauftragen zusammen. Ständige Vertreterin für Deutschland ist die Bundesdatenschutzbeauftragte, Andrea Voßhoff. Ein Stellvertreter aus den Reihen der Landesdatenschutzbehörden wird noch durch den Bundesrat gewählt. Den Vorsitz hat die österreichische Datenschutzbeauftragte Andrea Jelinek übernommen. Zur Auftaktsitzung sagte sie : “Entscheidend ist, dass wir unsere Kräfte als EDSA vereinen, um ein

hohes und einheitliches Datenschutzniveau für den Einzelnen zu sichern, wo auch immer in der EU er ansässig ist.” Der EDSA soll ergänzend zu den Tätigkeiten der nationalen Datenschutzbehörden die Anwendung der DSGVO sicherstellen und überwachen. Der Europäischen Kommission soll er in Datenschutzfragen beratend zur Seite stehen. Für die Praxis soll das Gremium Leitlinien und Empfehlungen bereitstellen. Eine wichtige Neuerung im Vergleich zur Artikel-29-Datenschutzgruppe besteht darin, dass der EDSA bei grenzüberschreitenden oder Grundsatzfragen berührenden Streitigkeiten durch sog. Kohärenzverfahren verbindliche Be-

schlüsse fassen kann. So soll verhindert werden, dass die gemeinsamen Regeln in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich streng ausgelegt werden. Einer der ersten Fälle, denen sich der Ausschuss widmen will, ist die Datenweitergabe von WhatsApp an den Mutterkonzern Facebook. Diese Praxis ist durch den zuständigen hamburgischen Datenschutzbeauftragten Prof. Johannes Caspar schon 2016 verboten worden. Nachdem Facebook im folgenden Rechtsstreit bereits zweimal vor Gericht unterlag, hat das Unternehmen die Datenübertragung nun explizit in die Nutzungsbedingungen von WhatsApp integriert.

Staatsministerium des Innern

Schneider: Die stetig steigende Bedrohung durch Hackerangriffe erfordert auch eine permanente Weiterentwicklung unserer ITSchutzmaßnahmen, und zwar vor allem in sicherheitsrelevanten Bereichen. Dem müssen

wir gerade im Hinblick auf den fortschreitenden Ausbau von E-Government-Angeboten für die Bürger und die Wirtschaft gerecht werden. Die Schutzmaßnahmen für das sächsische Verwaltungsnetz SVN, also unser Behördennetz, werden daher ständig an sich ändernde Bedrohungslagen angepasst. So sind die zentralen Schutzsysteme im neuen SVN 2.0 wieder deutlich verstärkt worden, um den immer ausgefeilter werdenden Angriffen aus dem Internet entgegentreten zu können. Behörden Spiegel: Was halten Sie davon, neben dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auch entsprechende Behörden in den Ländern zu gründen? Ist ein solcher Schritt in Sachsen geplant?

Schneider: Die Gründung von eigenen Behörden für die IT-Sicherheit nach dem Muster des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik in den Ländern sehe ich als nicht zielführend an. Ein faktischer Grund ist dabei der schon jetzt deutlich spürbare Mangel an ITFachkräften allgemein und an Fachkräften der IT-Sicherheit im Speziellen. Nachdem der Bund mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eine sehr leistungsfähige Behörde etabliert hat, ist es aus meiner Sicht besser, die Zusammenarbeit des Freistaats Sachsen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik weiter auszubauen. Die Bereitschaft dazu besteht im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und es laufen hierzu gerade die entsprechenden Gespräche. Am 14. Juni hält Prof. Dr. Günther Schneider die Eröffnungsrede auf dem IT-Sicherheitstag Sachsen, den der Behörden Spiegel gemeinsam mit dem Sächsischen Innenministerium durchführt. Weitere Informationen unter: www.sicherheitstag-sachsen.de

BSI-IT-Grundschutz mit DocSetMinder Strukturierter Übergang von BSI 100-x zu BSI 200-x (BS/Krzysztof Paschke*) Positive Erfahrungen aus einer Vielzahl von Migrationsprojekten und sehr gutes Feedback von Sicherheitsexperten diverser Organisationen bescheinigen die praxisnahe und innovative Umsetzung des modernisierten IT-Grundschutzes im DocSetMinder. Die hohe Akzeptanz des GSTool-Nachfolgers ist vor allem der innovativen Umsetzung der BSI-Standards 2002/-3, der Option eines Parallelbetriebes für den Übergang der BSI-Standards 1002/-3 zu 200-2/-3 sowie dem niedrigen Software-Lizenzpreis zu verdanken. Einen wesentlichen Beitrag an der Entwicklung haben neben dem Softwareentwicklungsteam der GRC Partner GmbH mehrere zertifizierte IT-Grundschutz-Experten aus diversen Organisationen geleistet. DocSetMinder setzt mit dem Modul “IT-Grundschutz” konsequent alle Anforderungen und die Methodik des modernisierten ITGrundschutzes um. Durchdachte Softwarefunktionen unterstützen

die Anwender aktiv in jeder Phase des Sicherheitsprozesses, von der Planung über die Umsetzung bis hin zum Audit. Die GS-Kataloge können neben dem GS-Kompendium verwendet werden. Durch die konfigurierbare Auswahl der Umsetzungsmethoden (Basis-, Kern- und Standard-Absicherung) und des Schutzniveaus (Basis-, Standardanforderung

und erhöhter Schutzbedarf) eignet sich DocSetMinder für den Einsatz in Behörden jeder Größe. Die Effizienz der Software zeigt sich insbesondere bei der gleichzeitigen Umsetzung der BSI-Standards 200-2/-3, der EU-DSGVO und des BSI-Standards 1004 durch die gemeinsame Durchführung der Strukturanalyse, Risikoanalyse und Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen. DocSetMinder bietet somit eine hervorragende Grundlage, um Behörden nicht nur sicher, sondern auch “Ready for Audit” zu machen. *Krzysztof Paschke ist Geschäftsführer der GRC Partner GmbH.

PITS 2018

Der Fachkongress Deutschlands für IT- und Cybersicherheit bei Staat und Verwaltung

Sicherheit und Risiko

Technologie-Partner:

Strategien für eine erfolgreiche Digitalisierung Key Note und Eröffnung der PITS 2018 Prof. Dr. Helge Braun Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben

10.–11. September 2018, Hotel Adlon, 10117 Berlin Foto: © Jakub Jirsak, Fotolia.com

Weitere Referenten u.a.: Prof. Dr. Andreas Pinkwart Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

Eine Veranstaltung des

Security-Partner „Mobile Sicherheit“

Klaus Vitt Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern

Themenpartner


IT-Sicherheit

Seite 36

Behörden Spiegel / Juni 2018

Zentrale Säule Vertrauen

N

icht nur im E-Government, sondern überall, wo wir als Personen oder Institutionen digital in Erscheinung treten, sei es daher wichtig, durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen sichere Vo­ raussetzungen zu schaffen, wie der ehemalige Staatsekretär im sächsischen Justizministerium Prof. Wilfried Bernhardt betonte. “Vertrauen ist die zentrale Säule”, sagte er auf einem Parlamentarischen Abend des Behörden Spiegel in Berlin mit Bezug auf die Einrichtung einer sicheren Servicekonten-Landschaft für den bevorstehenden Portalverbund des Bundes und der Länder (mehr dazu auf Seite 25). Im besonderen Fokus stehen digitale Identitäten derzeit auch wegen der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). In dem Zusammenhang werde derzeit viel grundlose Panik, nicht zuletzt wegen der deutlich ausgeweiteten Sanktionsmöglichkeiten, geschürt, so Saskia Esken (SPD). “Wir können davon ausgehen, dass unsere Aufsichtsbehörden ihre neuen Befugnisse mit viel Augenmaß umsetzen werden”, beruhigte die Bundestagsabgeordnete, die unter anderem Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda ist. Man dürfe aber nicht

Digitale Identitäten von Bürgern und Staat schützen (BS/stb) Digitale Identitäten sind entscheidende Knotenpunkte für Interaktionen wie Geschäftsvorgänge, für Informationsaustausch sowie für Diskurse in Foren oder auf Sozialen Plattformen. Ihre Integrität ist entscheidend für das Vertrauen im digitalen Raum. Das betrifft nicht nur Nutzerkonten von Privatpersonen, sondern auch die Art und Weise wie Gruppen, Organisationen oder ganze Staaten digital in Erscheinung treten. Das Problem: Digitale Identitäten sind angreifbar. Risiken reichen vom unberechtigten Zugriff über Missbrauch von Informationen bis hin zum Identitätsdiebstahl. übersehen, dass Datenschutz im Zusammenhang mit digitalen Identitäten deutsche Verbraucher besonders beschäftige. “Die Herangehensweise “Digital First, Bedenken Second” ist daher nicht angebracht.” Ohne Datensicherheit gehe es allerdings nicht, so Esken weiter. IT-Sicherheit und Datenschutz müssten zu einer Selbstverständlichkeit werden, statt nur als lästige Pflicht zu gelten. “Gemeinsam sind sie geeignet”, betonte die Abgeordnete, “sich zu einem Alleinstellungsmerkmal, einem echten Wettbewerbsvorteil zu entwickeln.”

Trotz des dichten Programms bot der Parlamentarische Abend im Adlon reichlich Gelegenheit für intensiven Austausch über aktuelle Themen in den Bereichen Datenschutz, IT-Sicherheit und Cyber-Politik.

Daten haben”, so Väth.In Zukunft

eines Staates. Dabei betrachtet

diese Datenhoheit zu überlassen, denn Vertrauen sei eine Voraussetzung für erfolgreiche digitale Transformation. In Norwegen sei es gelungen, dass die Bürger dem Staat ihre sensiblen Daten anvertrauten, so Väth weiter. Dort würden bereits rund 300 Verwaltungsdienstleistungen online angeboten. In Deutschland seien Vorbehalte noch stärker ausgeprägt. Angesichts der fast 16-mal größeren Bevölkerungszahl und der föderalen Struktur sei die Verwaltungsdigitalisierung hierzulande aber auch eine besondere Herausforderung, wie Väth einräumte. Auf die Frage, wie sich Vertrauen herstellen ließe, wenn die Bürger die technischen Grundlagen von digitalen Dienstleistungen, Plattformen und Identitäten nicht einmal überschauen könnten, antwortete Väth: “Wenn wir es so einrichten, dass der Bürger immer sieht, welche Daten er im konkreten Fall übermittelt, so ist das schon ein guter Anfang.” Vertrauen ist auch ein zentraler Aspekt der digitalen Identität

einen die Aktivitäten der Bun- unbemerkte Unterwanderung desrepublik im Hinblick auf die und Manipulation der Außeninternationale Cyber-Politik. Zen- darstellung der Bundesrespublik tral sei hier die Schaffung einer könnte enorme politische und gemeinsamen Vertrauensbasis wirtschaftliche Folgen haben. Den notwendigen Schutz zu zur Zusammenarbeit mit anderen Staaten, wie Sven Egyedy gewährleisten, sei keine triviale ausführte. Andererseits würde Aufgabe, so Egyedy. Schließlich aber auch das Verhalten in den habe das AA es mit einer weit einschlägigen digitalen Kommu- verteilten Netzstruktur zwischen nikationskanälen wie Twitter die seinen zahlreichen AuslandsIdentität eines Staates prägen. vertretungen zu tun – zum Teil “Es findet immer mehr öffentliche in Ländern, in denen schon die Kommunikation, auf immer mehr kontinuierliche Stromversorgung verschiedenen eine HerausforKanälen statt”, derung darstel“IT-Sicherheit muss da le. Derzeit baut so der Chief Technology Of- geleistet werden, wo die das Auswärtige ficer (CTO) des Amt seine KomKompetenzen liegen.” petenzen zur AA. Man müsse sich unbedingt Dr. Bernd Eßer, CISO BWI GmbH Informationsdie Frage stelsicherheit aus len, welche daund bündelt von man wirklich nutzen wolle, sie in einem “IT-Lagezentrum um sich als Staat im digitalen Ausland”. Raum zu präsentieren. Egyedy Wie der Schutz digitaler Idenstellte klar: “Die Darstellung der titäten staatlicher Organe auf digitalen Identität sollte zielge- praktischer Ebene aussehen richtet und bewusst geschehen muss, darüber informierte Dr. – und nicht nach dem Gießkan- Bernd Eßer. Als Chief Information Security Officer (CISO) der nenprinzip.”

Auch die Identität des Staa-

Hoheit über die Daten gefordert müsse es gelingen, den Nutzern das Auswärtige Amt (AA) zum tes ist Risiken ausgesetzt. Eine

Hier knüpfte Michael Väth, Senior Vice President EMEA bei ForgeRock, an. “Die DSGVO ist definitiv kein Big Bang”, räumte er mit Blick auf den langwierigen Umsetzungsprozess bei Unternehmen und der öffentlichen Hand ein. Allerdings würden sich

“Digitale Identiäten müssen im Zentrum jedes Transformationsvorhabens stehen.” Michael Väth, Senior Vice President EMEA, ForgeRock Chancen für ganz neue Services bieten, “bei denen Vertrauen und Zuverlässigkeit ins Zentrum des Handelns rücken”. Derzeit wüssten die wenigsten Verbraucher, wer welche Daten über sie zu welchem Zwecken speichert – geschweige denn welche digitalen Identitäten im Sinne von Nutzerkonten von ihnen überhaupt existierten. “Die Mehrheit möchte aber Kontrolle über die eigenen

Sprach sich dafür aus, Nutzern digitaler Angebote die Hoheit über ihre Daten zu überlassen: Senior Vice President EMEA bei ForgeRock, Michael Väth. Fotos: BS/Stiebel

Vernetzung der Welt und Opfer stehen oft nicht in einem linearen Zusammenhang. Angreifer sind schwer bis gar nicht mehr zu lokalisieren. Und was heißt eigentlich “Täter” oder “Angreifer”? Staatlich geförderte Organisationen weltweit sind die größten Spieler im “Cyber War” und investieren Milliarden in die Entwicklung hochmoderner Cyber-Angriffstechnologien! Wohin letztlich gestohlene Daten gehen, wird oft nicht geklärt. Der Schutz der IT Systeme ist

Vorerst keine neuen Stellen für das BSI damit eine grundlegende Anaber auch eine große Herausforderung! Der IT-Leiter von heute ist nicht nur für die Einsatzfähigkeit der IT-Systeme verantwortlich, sondern er ist vor allem und im besonderen Sicherheitschef! Fünf vor Zwölf war gestern! Er muss jetzt handeln, denn die traditionellen IT-Sicherheitsstrategien reichen bei Weitem nicht mehr aus! Ihr Jan Lindner

. Oktober ,, Hannover Congress g Centrum (HCC) ( )

Cyber-Sicherheitstag Niedersachsen

Die Veranstaltung:

2018 wird beim Cyber Sicherheitstag Niedersachsen die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft im Fokus stehen. Denn die aktuelle Bedrohungslage, von Hack bis Verschlüsselungstrojaner in Personalbüros zeigt, das Cyber-Sicherheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und es gilt, alle Beteiligten nachhaltig zu vernetzen, um gemeinsam für Staat, Kommune und Wirtschaft eine höhere Resilienz im digitalen Zeitalter zu erreichen. Eine gemeinsame Veranstaltung von und

Digitale Identitäten sind auch Thema auf der Identity Live Berlin am 12. und 13. Juni.

Ausbau vertagt?

von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security

Die Zukunft hat begonnen. In keinem Zeitalter zuvor erlebte eine Generation auch nur annähernd so viele technologische “Wunder” wie heute. ScienceFiction von einst ist in vielen Fällen zu Science-Fakten von heute geworden und neue Entwicklungen werfen ihre Schatten schon deutlich sichtbar voraus. Doch wie schon immer bringen auch heute die neuen Möglichkeiten neue Gefahren mit sich. Die global vernetzte Welt wird angreifbarer! Täter

BWI liegt die IT-Sicherheit des zentralen IT-Dienstleisters der Bundeswehr in seiner Verantwortung. In Zukunft soll die BWI nicht nur Kunden aus anderen Bundesressorts dazugewinnen, sondern auch mehr “grüne” – das heißt militärische – IT für die Streitkräfte betreiben. Damit wird der Dienstleister auch als Angriffsziel immer interessanter. Anders als ein IT-Sicherheitsbeauftragter hat Eßer als CISO mehr Kompetenzen, vor allem aber auch Einfluss auf Mittel und Personal. Letzteres organisiere er in zwei Hauptabteilungen mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen und Arbeitsweisen. Während ein Team auf flächendeckenden Schutz vor bekannten Angriffen durch präventive Maßnahmen spezialisiert sei, kümmere sich das andere Team um Erkennung und Reaktion auf Kampagnen professioneller Cyber-Krimineller oder Wirtschaftsspione, die auch bisher unbekannte Sicherheitslücken ausnutzten. In der zweiten Abteilung sei weniger Sorgfalt, sondern vor allem Schnelligkeit gefordert, so Eßer. “Wir haben es hier mit einem hochdynamischen Thema zu tun”, fuhr Eßer fort. “Wir kämpfen gegen Menschen, die viel Zeit, Geld und kreative Energie aufbringen, um in allen Dimensionen nach Schwachstellen zu suchen.” Wann und wo die Angreifer als nächstes zuschlagen, weiß keiner in der schnellen Eingreiftruppe. Das beste Training für die aktive Cyber-Abwehr sind daher Übungsangriffe durch ein sog. Red Team. Für die BWI wird diese Aufgabe von echten Profis wahrgenommen: Offensive CyberKräfte der Bundeswehr halten die Abwehr der BWI mit Angriffen auf Trab und trainieren so zwischen ihren Einsätzen auch die eigenen Fähigkeiten. Dazu Eßer: “Jeder Admin bei uns weiß, dass das Red Team ständig auf der Lauer liegt und jederzeit angreifen kann.”

www.sicherheitstag-niedersachsen.de

(BS/stb) Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU, CSU und SPD auf Maßnahmen zur Stärkung der IT-Sicherheit und insbesondere auf einen Ausbau des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) festgelegt. Trotzdem ist laut dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2018 kein Stellenausbau vorgesehen. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Laut Haushaltsentwurf für das Bundesinnenministerium (Epl 06) wird es 2018 keine neuen Stellen für das BSI geben. Wie für 2017 sind 841,5 Planstellen vorgesehen, davon 723,5 für Beamte.Dabei sieht der Koalitionsvertrag neue bzw. umfangreichere Aufgaben für die Behörde vor. So soll das BSI künftig für den Verbraucherschutz im Bereich der Informationstechnologie zuständig sein. Außerdem sollen Unterstützungs- und Beratungsangebote für Bund, Länder, Bürger und Organisationen weiter ausgebaut werden. Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen soll das BSI noch mehr unter die Arme greifen können. Dazu kommen die zahlreichen weiteren Verantwortungsbereiche des BSI, die im Zuge der Digitalisierung und nationaler sowie internationaler Regulierung wachsenden Aufwand mit sich bringen. “Die Aufgabenstellungen des BSI als nationale Cyber-Sicherheitsbehörde sind sehr umfangreich und anspruchsvoll”, betont Prof. Norbert Pohlmann, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands IT-Sicherheit (TeleTrusT) gegenüber dem Behörden Spiegel. Dazu gehörten die zeitnahe Umsetzung des IT-Sicherheitsgesetzes mit geplanten Erweiterungen, IT-Sicherheit im Rahmen der

Datenschutzgrundverordnung, beim autonomen Fahren sowie IoT-Sicherheit und Hardwaresicherheit. Im Ausbleiben einer personellen Stärkung des BSI sieht der TeleTrusT einen Widerspruch zur politischen Agenda der Großen Koalition, die auf fortschreitende Digitalisierung setze. Diese müsse mit ausreichenden IT-Sicherheitsmaßnahmen als notwendige Kehrseite begleitet werden. Der Verband fordert daher das Bundesinnenministerium auf, einen deutlicheren Schwerpunkt auf die IT-Sicherheit zu legen. Das BSI solle um mindestens 200 Stellen erweitert werden.

Nachtrag nicht ausgeschlossen Dabei hat es im Vorfeld durchaus konkrete Pläne zu einem Stellenzuwachs gegeben, wie ITSicherheitsexperten berichten. So habe das BSI einen Bedarf von bis zu 800 Stellen für die Jahre 2018 und 2019 angemeldet. Eigentlich hätte man sich dann auf zumindest zwei Mal 250 neue Stellen geeinigt. Das BMI kommentierte diese Zahlen auf Anfrage nicht, teilte aber mit, dass im Regierungsentwurf zum Haushalt 2018 aus Zeitgründen zunächst nur ein Sofortprogramm Personal umgesetzt worden sei. Die Bundesregierung stimme sich noch über weitere neue Stellen

ab. Diese könnten noch in das laufende parlamentarische Verfahren eingebracht werden. So war aus dem BMI zu hören, dass versucht würde, auch dem BSI Stellen in geringem Umfang aus dem sog. 7.500er Sicherheitspaket zukommen zu lassen.

Hohe Besetzungsquote erreicht Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen, scheint die Behörde trotz des häufig thematisierten Mangels an IT-Fachkräften bisher jedenfalls nicht zu haben. Schon 2017 gab es einen Zuschlag von 180 Planstellen. Aktuell liege die Besetzungsquote bei 95 Prozent, heißt es aus dem BSI. Jüngst wählten IT-Absolventen die Cyber-Sicherheitsbehörde im Trendence-Barometer zum beliebtesten IT-Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst und immerhin auf Platz 14 aller IT-Arbeitgeber in Deutschland. So viel Erfolg haben nicht alle, die IT-Experten suchen. So konnte die im letzten Jahr neu gegründete Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) bisher nur 21 ihrer jetzt 140 Planstellen besetzen. Eigentlich wollte das BMI schon Ende 2017 120 Mitarbeiter in der Forschungs- und Entwicklungseinrichtung für die Sicherheitsbehörden beschäftigen. Bis 2022 sollten es 400 sein.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juni 2018

Alles eine Frage der Anerkennung

KNAPP General Veit verabschiedet

Hilfsorganisationsangehörige noch nicht überall mit Feuerwehrleuten gleichgestellt

(BS/Marco Feldmann) Wieder einmal zeigt sich praktisch, dass Katastrophenschutz in der föderal organisierten Bundesrepublik eine Aufgabe der Bundesländer ist. Und das nicht un- (BS/por) Der militärische Vizebedingt zum Vorteil der ehrenamtlichen Kräfte der Hilfsorganisationen. Denn: Bei Weitem nicht überall hierzulande und in allen Einsatzlagen verfügen sie über die gleichen Ansprüche präsident des Koblenzer Bunund Rechte wie Angehörige der Feuerwehren oder der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW). desamtes für Ausrüstung, InSo existiert etwa in SchleswigHolstein für ehrenamtlich Tätige der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, die weder Feuerwehrdienstleistende noch Helfer des THW sind, zwar ein Freistellungsanspruch unter Lohnfortzahlung für Einsätze im Katastrophenfall. Unterhalb dieser Schwelle, etwa bei Großschadenslagen oder einem Massenanfall von Verletzten, gilt dies momentan jedoch noch nicht. Das Kieler Innenministerium prüft derzeit aber entsprechende legislative Aktivitäten. Noch schlechter sieht es für Ehrenamtliche des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), des Arbeiter-Samariter-Bundes, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, Johanniter-Unfall-Hilfe sowie des Malteser Hilfsdienstes und deren private Arbeitgeber in Bremen aus. Letzteren ist dort auf Antrag nur im Einsatzfall für die gesamte Ausfallzeit das weitergewährte Arbeitsentgelt einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit sowie zur betrieblichen Altersversorgung zu erstatten. Für alle übrigen Freistellungsfälle, zum Beispiel aufgrund von Übungen oder Lehrgängen, gilt diese Pflicht nur bei einem Ausfall von über 120 Minuten täglich oder von mehr als sieben Stunden innerhalb von 14 Tagen.

Schwerin verzichtet auf Unterscheidung Fast identisch ist die Situation in Mecklenburg-Vorpommern. Im Schweriner Innenministerium wird hinsichtlich der Freistellung von Arbeits- und Dienstableistungsverpflichtungen jedoch – obwohl sich die einschlägigen gesetzlichen Normen für freiwillige Feuerwehrleute und ehrenamtlich in Hilfsorganisationen Aktive durchaus unterscheiden

fortzahlungsanspruch. Darüber hinaus existiert seit April letzten Jahres ein entsprechendes Recht für alle Unterstützungskräfte in sogenannten Schnelleinsatzgruppen. Die Regelung greift sogar unterhalb der Katastrophenschwelle und eines Massenanfalls von Verletzten.

Thüringen will präzisieren

Eine völlige Gleichberechtigung von freiwilligen Feuerwehrleuten und ehrenamtlich in den Hilfsorganisationen Tätigen ist kein Hexenwerk. Ein solches Gleichgewicht ist vielmehr eine Frage der politischen Prioritätensetzung.

– die Ansicht vertreten, dass der Dienst im Katastrophenschutz die Gesamtheit aller Aktivitäten der Helfer beinhalte. Aus diesem Grunde gebe es hier in der Praxis keine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Gruppen.

Lage in Berlin besonders diffizil Sehr wohl unterschieden wird in der Bundeshauptstadt Berlin. Dort sind die Ehrenamtler der fünf anerkannten Hilfsorganisationen zum einen im Katas­ trophenfall den Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr gleichgestellt. Unterhalb dieser Schwelle kommt es auf den Kontext des Tätigwerdens an. Zur Abwehr von Gefahren durch Brände, Explosionen oder Unfälle kann die Feuerwehr die Kräfte der im Katastrophenschutz tätigen Hilfsorganisationen auch außerhalb des Katastrophenfalls zur Unterstützung heranziehen. Dann sind sie den Angehörigen der

Illustration:BS/Susan Wedemeyer; Foto: © Teteline, Fotolia.com

Freiwilligen Feuerwehren weitestgehend gleichgestellt und haben etwa einen gesetzlich fixierten Freistellungsanspruch gegenüber ihrem Arbeitgeber. Im Rahmen des Sanitätsdienstes bei öffentlichen Veranstaltungen wiederum existiert ein solches Recht nicht. Eine Gleichstellung sei hier auch nicht beabsichtigt, weil keine öffentliche Aufgabe wahrgenommen werde und ausschließlich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Veranstalter und der jeweiligen Hilfsorganisation bestehe, heißt es aus der Senatsverwaltung für Inneres. Ebenfalls leer gehen ehrenamtliche Helfer etwa des DRK im Hinblick auf Lohnfortzahlungsansprüche aus, wenn sie sich im Krankentransport oder im Betreuungsdienst engagieren. Begründung: Dabei handele es sich um Tätigkeiten der Hilfsorganisationen zur Erfüllung eigener, satzungsgemäßer Aufgaben. Strikter sind die Bestimmungen in Hamburg. In

der Hansestadt wird ohne Zögern eingeräumt, dass eine Gleichstellung der beiden Personengruppen nicht vorliege. Begründet wird dies mit dem Umstand, dass die Freiwilligen Feuerwehren städtische Organisationseinheiten seien, deren Angehörige hoheitliche Aufgaben wahrnähmen und in einem Sonderrechtsverhältnis zur Stadt stünden. Die privat organisierten Hilfsorganisationen hingegen seien kein Teil der Behörden, weshalb ein Vergleich schlicht nicht möglich sei.

Lob für Bayern Deutlich vorteilhafter für die Ehrenamtlichen in den Hilfsorganisationen gestaltet sich die Situation in Bayern. Die Regelungen im Freistaat hatte zuletzt auch die DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt ausdrücklich gelobt. Ihnen zufolge besteht bereits seit 2013 auch im Rettungsdienst für diese Personengruppe ein gesetzlicher Freistellungs- und Lohn-

Auch in Thüringen sind die ehrenamtlichen Kräfte der Hilfsorganisationen ihren Kollegen von den Freiwilligen Feuerwehren sowohl im Katastrophenschutz als auch im Rahmen der allgemeinen Hilfe gleichgestellt. Dieser Umstand soll nach den Plänen der Erfurter Regierungsfraktionen im Zuge des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes sowie des Rettungsdienstgesetzes nochmals präzisiert und verdeutlicht werden. Die positiven Beispiele zeigen, dass eine absolute Gleichstellung der beiden Personengruppen durchaus möglich ist. Entscheidend ist offenbar, für wie anerkennungs- und unterstützungswürdig die jeweiligen Landesregierungen das Engagement der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Hilfsorganisationen halten. Wo noch nicht geschehen, wird in den kommenden Jahren hier wohl ein Umdenken hin zu mehr Wohlwollen stattfinden müssen. Denn wie berichtete Hasselfeldt kürzlich: Die Zahl der ehrenamtlichen DRK-Helfer sei 2017 im Vergleich zum Vorjahr um rund 11.000 auf insgesamt fast 426.000 gestiegen. Das sei der höchste Stand seit mehr als 15 Jahren. “Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist in der Bevölkerung sehr groß”, schrieb Hasselfeldt der Politik ins Stammbuch.

formationstechnik und Nutzung (BAAINBw), Generalmajor Klaus Veit, ist Ende Mai nach 44 Dienstjahren in der Bundeswehr durch Präsidentin Gabriele Korb in den Ruhestand verabschiedet worden. Der diplomierte Ingenieur für Elektrotechnik der Bundeswehr-Universität in München hatte diesen Dienstposten seit Oktober 2012 inne. Damit war er zugleich Beauftragter für Angelegenheiten des militärischen Personals und für Reservisten des Beschaffungsamtes. Zuvor war General Veit sieben Jahre lang Vizepräsident des Koblenzer IT-Amtes der Bundeswehr (IT-AmtBw) gewesen. Neben dem deutschen Generalstabslehrgang in Hamburg hatte er auch den italienischen in Civitavecchia absolviert.

Völlig neue Lage (BS/mfe) Die Sicherheitssituation hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Das sieht auch Sachsens Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller (CDU) so. Er betonte auf dem Dresdner Polizeitag, den der Behörden Spiegel zusammen mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) veranstaltet: “Wir haben eine völlig neue Lage, die bei der Polizei durchschlägt.” So gebe es vermehrt Gewaltexzesse gegen Polizisten und Bedrohungen der Beamten in deren Privatleben, kritisierte der Ressortchef. Zudem machte er deutlich, dass jeder Angriff auf Vollzugsbeamte eine Attacke auf die Gesellschaft sei. Denn: “Polizisten sind nicht der Mülleimer der Nation.” Und: “Ohne Sicherheit ist alles andere nichts.” Vielmehr handele es sich dabei um ein hohes Gut, das tagtäglich geschützt werden müsse. Geschehe dies nicht, werde es für die Polizei schwierig, ausreichend Nachwuchskräfte zu rekrutieren.

www.polizeitage.de

Veranstaltungsübersicht

POLIZEITAGE 2018

Updates zu Themen und Termin en: www.polize itage.de

4. September 2018 // Hannover: Bürgernah, robust, digital: Niedersachsens Polizei auf dem Weg in die Zukunft

9. Oktober 2018 // Berlin: Gewalt gegen Polizisten

5. Dezember 2018 // München: Sicherheitsarchitektur im Föderalismus

Weitere Informationen unter www.polizeitage.de Eine Veranstaltung des Behörden Spiegel und der Gewerkschaft der Polizei (GdP)


Innere Sicherheit

Seite 38

Behörden Spiegel / Juni 2018

Mehr Rauschgiftdelikte festgestellt

Bundesverfassungsschutz warnt

Menge des konfiszierten Kokains hat sich vervierfacht

Behördenleiter Maaßen geht von aktiver hybrider Bedrohungslage aus

(BS/Marco Feldmann) Bereits im siebten Jahr in Folge ist 2017 die Anzahl der Rauschgiftdelikte in der Bundes­ republik angestiegen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) ­330.580 Taten registriert, ein Plus von 9,2 Prozent gegenüber 2016. Die meisten Fälle (198.782 Straftaten) gab es im Cannabis-Bereich. Dies entspricht einem Zuwachs von 11,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das vom Bundeskriminalamt (BKA) erstellte “Bundeslagebild Rauschgift­kriminalität” deutlich macht.

(BS/Marco Feldmann) Deutschland scheint im Fadenkreuz hybrider Bedrohungen zu stehen. Darauf lassen Äußerungen des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Dr. Hans-Georg Maaßen, ­schließen. Er geht diesbezüglich von einer sehr aktiven Lage aus, machte zugleich aber auch deutlich, dass die Bundesrepublik diesen Gefahren nicht schutzlos ausgeliefert sei.

Dieses zeigt zudem, dass die Zahl der Kokaindelikte im Jahresvergleich um rund 18 Prozent anwuchs und sich die Sicherstellungsmenge vervierfachte. Da­ rüber hinaus wurden mit 6.238 Taten 2017 fast 19 Prozent mehr Amphetamin-Handelsdelikte aktenkundig als im Jahr zuvor. Bei Ecstasy nahm die Zahl der festgestellten Handelsdelikte um mehr als 13 Prozent zu. Und die Zahl der Tatverdächtigen wuchs um 7,1 Prozent auf 263.255. Davon waren etwa 88 Prozent Männer und circa ein Viertel nichtdeutscher Herkunft. Die Anzahl der hierzulande festgestellten illegalen Rauschgiftlabore blieb hingegen im Jahresvergleich nahezu gleich. Wurden 2016 noch 15 derartige Produktionsstätten ausgehoben, waren es im vergangenen Jahr 14. Ein deutlicher Anstieg um etwa 24 Prozent war

wiederum bei den Rauschgiftdelikten im Kontext mit dem Tatmittel Internet zu verzeichnen. Laut PKS gab es davon 2017 2.541 Fälle, während es im Jahr davor noch “nur” 2.048 waren. Gleichzeitig räumen die Experten des BKA hierzu ein, dass von einem großen Dunkelfeld auszugehen sein dürfte. Berücksichtigt werden müssen darüber hinaus die Ungenauigkeiten der PKS. Im Lagebild heißt es jedenfalls: “Der Handel mit Rauschgift im Internet hat sich mittlerweile als fester Vertriebsweg für Drogen in Deutschland etabliert.”

Weniger Drogentote

Derweil nahm die Zahl der Drogentoten in Deutschland im letzten Jahr verglichen mit 2016 um etwa fünf Prozent auf 1.272 ab. Das ist der erste Rückgang seit vier Jahren. Hierzu erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler: “Rauschgiftkriminalität ist nach wie vor eine sehr ernste He­ rausforderung für unseren Rechtsstaat. Die Einnahmen bieIn Deutschland wurde im vergangenen Jahr vier Mal ten vielen weiteso viel Kokain (Foto) sichergestellt wie 2016. Das geht ren kriminellen aus dem “Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität” des Bereichen erst Bundes­kriminalamtes (BKA) hervor. die Grundlage, Foto: BS/Zoll

sind Quelle für Leid und Ausbeutung.” Im Fokus behalten müsse man auch den Handel über das Internet und das Darknet. Und Mortler stellte klar: “Aber auch beim Thema Cannabis müssen wir achtsam bleiben, eine Legalisierung wäre das falsche Signal.” BKA-Präsident Holger Münch warnte: “Drogenhandel ist ein lukratives, internationales Geschäft – auch für die Organisierte Kriminalität. Wachsende Anbauflächen und finanzkräftige Absatzmärkte mit hohen Gewinnmargen in Deutschland und Europa treiben den Rauschgifthandel an.”

Weiterhin lukrativer Markt Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Dietmar Schilff, schließlich sagte: “Es spricht für die engagierte und professionelle Arbeit der Ermittler, dass im Vergleich zum Vorjahr neun Prozent mehr Straftaten in diesem Bereich festgestellt worden sind.” Als besorgniserregend bezeichnete er jedoch den Umstand, dass Deutschland nach wie vor einen lukrativen Markt für Rauschgiftkriminelle darstelle. Angesichts der Verlagerung des Drogenhandels in schwer zu durchsuchende Bereiche des Internets sei es dringend erforderlich, qualifizierte IT-Spezialisten bei der Polizei einsetzen zu können, sagte Schilff.

Um dagegen jedoch effektiv vorgehen zu können, brauche es ein vernetztes Sicherheitssystem. Dieses sei unter anderem durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst und der Bundeswehr sowie durch einen regen europaweiten Austausch gekennzeichnet. Des Weiteren müsse in Zukunft intensiver präventiv gegen Desinformationskampagnen vorgegangen und die Öffentlichkeit stärker für hybride Bedrohungen sensibilisiert werden, verlangte Maaßen. Dies gelte sowohl im realen als auch im Cyber-Raum. Denn: “Cyber-Angriffe sind zum Standardhandwerk zahlreicher Nachrichtendienste geworden.” Dies werde deutlich, wenn man die Zunahme von Fake News und sogenannten Advanced-PersistentThreat-Angriffen bedenke.

Will mehr Kooperation zwischen den Nachrichtendiensten: MI-5-Generaldirektor Andrew Parker.

Allgemein hielt Maaßen fest: “­ Hybride Bedrohungen zielen auf erkannte Schwachstellen eines Staates oder eines Bündnisses – und zwar ohne den Stolper-

draht auszulösen, der direkte Gegenwehr aktivieren würde.” Damit setzten sie gerade offene Gesellschaften unter Druck. Wenn hybriden Bedrohungen in der Realwelt und im Cyber-Raum wirkungsvoll entgegengetreten werden solle, müssten sich die Verantwortlichen einen ganzheitlichen Blick aneignen.

Kooperation muss verstärkt werden Ebenfalls für eine enge Kooperation gegen hybride Bedrohungen plädierte der EU-Kommissar für die Sicherheitsunion, Sir Julian King. Die Zusammenarbeit müsse dabei sowohl zwischen Staat und privatem Sektor einerseits und andererseits zwischen den unterschiedlichen Nationen intensiviert werden. Außerdem verlangte der Brite, dass die Strafverfolgung mit den Entwicklungen im Bereich der Cyber-Sicherheit Schritt halten und dass die Investitionen in die Cyber-Sicherheitsforschung erhöht werden müssten. Zustimmung für seine Forderung nach mehr Zusammenarbeit erhielt King vom Generaldirektor des britischen Inlandsnachrichtendienstes MI 5, Andrew Parker, und vom Beigeordneten Generalsekretär der NATO, Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven. Letzterer machte klar: “Für die Allianz steht das Thema hybride Bedrohungen ganz oben auf der Agenda.” Da sich die Instrumente der entsprechenden Kriegsführung

immer weiterentwickelten, müsse die NATO heute in der Lage sein, sich neben militärischen auch gegen hybride Bedrohungen zu wehren. Damit dies gelinge, baue das Nordatlantikbündnis seine Fähigkeiten zur entsprechenden Lageanalyse kontinuierlich aus. Von Loringhoven verlangte: “Der Preis für hybride Bedrohungen muss steigen.” Hier hatte er insbesondere Russland, China und

Kündigte Weiterentwicklungen in der NATO an: Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven. Fotos: BS/BfV

den Iran im Blick. Und von den Regierungen der Mitgliedsstaaten forderte er, dass deren Nachrichtendienste ihre Erkenntnisse schnellstmöglich mit der NATO teilen sollten. Für sein Bündnis kündigte der Beigeordnete Generalsekretär an: “Die NATO wird spezielle CyberDefence-Teams aufstellen.” Dies sei notwendig, weil der CyberRaum mittlerweile als Domäne der Kriegsführung anerkannt sei und eine Attacke aus dem digitalen Raum, genauso wie eine analoge, inzwischen ebenfalls den Bündnisfall auslösen könne.

Bis zu 2,5 Millionen Nutzer erwartet

Piloten als “last line of defence”

BOS-Digitalfunknetz mit extrem hoher Verfügbarkeit

Flugzeugführer sind an Bord für Gewährleistung der Luftsicherheit verantwortlich

(BS/mfe) Das Digitalfunknetz der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) ist nahezu immer verfügbar. Im letzten Jahr habe die entsprechende Quote bei 99,98 Prozent gelegen. Darauf machte der Präsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS), Andreas Gegenfurtner, aufmerksam.

(BS/mfe) Im Ernstfall sind Piloten an Bord von Flugzeugen diejenigen, die als letzte für Sicherheit und Ordnung sorgen müssen. Und das, während sie eigentlich damit beschäftigt sein sollten, Crew und Passagiere sicher ans Ziel der Reise zu bringen. Aus diesem Grunde haben sie ein großes Eigeninteresse an einem hohen Niveau an Luftsicherheit.

Zurzeit habe das Netz, dessen Zuverlässigkeit kein kommerzieller Anbieter erreiche, rund 800.000 Nutzer. Im Endausbau rechnet er mit zwei bis 2,5 Millionen Nutzern. Zudem kündigte Gegenfurtner an, dass seine Bundesanstalt bis Mitte 2021 das gesamte Netz auf IP anheben wolle. Ab 2023 sei sogar LTE in der Fläche (Release 16) geplant. Bisher arbeite man in Release elf. Momentan wird noch auf den TETRA-Standard gesetzt. So seien beim G20-Gipfel in Hamburg rund 24.000 Digitalfunkgeräte im Einsatz gewesen. 20.000 davon hätten sich auf nur drei Basisstationen verteilt, erklärte Eva-Maria Eckmann. Außerdem berichtete die Leiterin der Autorisierten Stelle für den Digitalfunk in der Hansestadt, dass während des Großereignisses ein Echtzeitmonitoring zur Rufgruppenüberwachung stattgefunden habe.

Warteschlangenbetrieb während G20-Gipfel Bereits im Vorfeld sei die Zahl dieser Gruppen auf 128 beschränkt worden, so Eckmann auf der Critical Communications World (CCW), die in diesem Jahr

Rechnet mit Wachstum: Andreas ­Gegenfurtner. Foto: BS/Feldmann

ihr 20-jähriges Jubiläum feierte und in Berlin stattfand. Zwar habe es während des Treffens der Staats- und Regierungschefs, bei dem “polizeimäßig ganz Deutschland in den Stiefeln” gestanden habe, Warteschlangenbetrieb im Funkverkehr zwischen den unterschiedlichen Einsatzkräften der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) gegeben. Die Verzögerung habe jedoch niemals mehr als zwei Sekunden betragen. Dies war gleichwohl nicht das einzige Problem während des Großeinsatzes. So musste die Autorisierte Stelle Hamburg darüber hinaus 50 eingeschleppte, nicht geplante Rufgruppen aus dem Netz entfernen. Und es sei zu Fällen unerlaubter GPS-Nutzung gekommen, meinte Eckmann.

Auf Unterstützung angewiesen Aufgrund der zunehmenden Zahl an Großlagen sowie der höheren Quantität und Qualität von Daten werden BOS künftig wohl nicht auf technische Unterstützung durch Künstliche Intelligenz verzichten können. Davon zeigte sich jedenfalls Paul Steinberg, Chief Technology Officer bei Motorola Solutions, überzeugt. Hier seien Lösungsansätze unter anderem aus den Bereichen Sprachanalyse, Stimmenkontrolle und Predictive Analytics erforderlich. Ebenso brauche es intelligente Videotechnik, ein effektives Unfall- und ein wirkungsvolles LTE-Prioritätenmanagement. Hier ist die West Yorkshire Police schon weit. Ihr Leiter Ian Williams berichtete, dass mehrere seiner Beamten eine Art elek­ tronisches Taschenbuch mit sich

führten. Damit könnten mithilfe von Applikationen verschiedene polizeiliche Sachverhalte erfasst werden. Möglich seien etwa die komplett papierlose Dokumentation von Festnahmen und Verkehrsunfällen sowie die digitale Erstellung von Vermisstenanzeigen.

Neue Masten Unterdessen wurde bekannt, dass es in Brandenburg künftig bis zu 32 neue Masten für den Mobilfunk und insbesondere für den BOS-Digitalfunk geben wird. Aber auch Mobilfunknetzbetreiber können die Infrastruktur mitnutzen. Das sieht eine Vereinbarung zwischen der Potsdamer Landesregierung und den drei Unternehmen Deutsche Telekom, Telefónica Deutschland und Vodafone vor. Aufseiten der Exekutive unterzeichneten Wirtschaftsminister Albrecht Gerber und die Staatssekretärin im Innenministerium, Katrin Lange (beide SPD), das Papier. Ziel ist es, die Mobilfunkversorgung in allen Teilen des Landes zu verbessern. Lange erklärte dazu: “Wir schlagen mehrere Fliegen mit einer Klappe: Einerseits bauen wir den Digitalfunk für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben aus, andererseits sorgen wir in Kooperation mit privaten Firmen für ein besseres Mobilfunknetz in Brandenburg.” Bisher würden von den 139 Basisstationen für den BOS-Digitalfunk in der Mark schon 14 von Telekommunikationsunternehmen mitgenutzt, so die Staatssekretärin weiter. Das Potsdamer Wirtschaftsministerium wird eine Koordinierungsstelle für das Projekt einrichten.

Schließlich hänge ihr Beruf davon ab, dass die Sicherheit in der Luft gewährleistet sei. Deshalb meint Björn Reimer, Vorstandsmitglied bei der Vereinigung Cockpit (VC): “Bei der Luftsicherheit sitzen wir alle im gleichen Boot. Im Eskalationsfall sind die Piloten die “last line of defence”.” Und das, obwohl es eigentlich ein aus mehreren Schichten bestehendes Sicherheitsnetz gebe. Die äußerste Schicht bestehe dabei aus Maßnahmen außerhalb des Flughafens, etwa in Form von Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Die darauffolgende Schicht fange mit dem Betreten des Flugplatzes an. Aschließend gebe es die Kontrolle durch den Luftsicherheitsassistenten, woran sich die Überwachung im Sicherheitsbereich, etwa während des Boardings, anschließe. Im Flugzeug selbst finde dann eine Beobachtung der Passagiere durch die Besatzung statt, so Reimer.

Gewerkschaft kontert Vorwurf der Bundespolizei Das gilt grundsätzlich auch für rückzuführende beziehungsweise auf dem Luftweg abzuschiebende Personen. Davon gibt es laut dem Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums, Dr. Dieter Romann, rund 23.000 Vorgänge pro Jahr. Er kritisierte jedoch, dass derzeit noch zu viele der Abschiebungen per Flugzeug am Veto der Piloten scheiterten. Diesen Vorwurf wollte VC-Vertreter Reimer so nicht stehen lassen. Er berichtete, dass im vergangenen Jahr rund 200 Rückführungen aus diesem Grunde nicht stattgefunden hätten. In den vergangenen 36 Monaten seien etwa 1,2 Prozent aller Abschie-

bungen über den Luftweg deshalb nicht zustandegekommen. Zudem machte er deutlich, dass die Ablehnungsquote bei Rückführungen durch die Flugzeugführer 2017 im Vergleich zum Vorjahr um ein Viertel gesunken sei. Reimer wies des Weiteren darauf hin, dass Vetos allein aus Sicherheitsgründen eingelegt würden. Bevor es dazu komme, gebe es immer ein persönliches Gespräch zwischen dem Piloten, dem Chef der Kabinenbesatzung, der rückzuführenden Person sowie der begleitenden Sicherheitsbeamten.

Bedenken müssen genau begründet werden

vorab zu vermeiden, müsse der Informationsaustausch in der Luftsicherheit unbedingt verbessert werden. Auch müssten alle Akteure einbezogen werden. Dazu gehörten auch die Flugzeugführer. Schließlich gelte: “Piloten wollen mitreden und mitgestalten.”

Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Interessen Auch Andreas Jung, Präsident der Bundespolizeidirektion am größten deutschen Verkehrsflughafen in Frankfurt am Main, sieht die Luftsicherheit im Spannungsfeld zahlreicher Interessen. Dazu gehörten unter anderem das Bedürfnis nach Sicherheit, die Kontrollqualität, die Zufriedenheit der Passagiere, die Wirtschaftlichkeit des Betriebes, das Wachstum des Passagier- und Frachtaufkommens sowie die Wartezeitprävention. Insbesondere im Hinblick auf Letztere konstatierte er: “Auch die Bundespolizei hat kein Interesse an Wartezeiten.” Zugleich gab Jung jedoch auch zu: “Niemand hat den Luftsicherheitszauberstab.”

Das bestätigt auch sein Kollege Arik Zipser von der VC-Arbeitsgemeinschaft Security. Außerdem betont er, dass Sicherheitsbedenken und Probleme möglichst konkret benannt werden müssten, um eine Beförderungsverweigerung zu begründen. Denn: Eigentlich habe jeder Passagier zunächst einmal einen Anspruch auf Transport. Deshalb sei – vor allem vor Rückführungen – der Dialog zwischen allen Akteuren derart wichtig. Ähnlich äußert sich diesbezüglich ­Reimer. Er meint: “Wir Piloten sind für die Sicherheit an Bord verantwortlich und von Lücken in der Absicherungskette unmittelbar betroffen.” Um diese mög- Für die Sicherheit an Bord von Flugzeugen sind zuallererst lichst zu schlie- die Piloten verantwortlich. Foto: BS/Nicky Boogaard, CC BY 2.0, flickr.com ßen oder bereits


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Juni 2018

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eine Brüder aus gleicher Ehe, Abdullah und Omar, wandten sich von ihrem Vater ab und leben in Saudi-Arabien unter strenger Beobachtung. Ein weiterer Sohn aus dieser ersten Ehe, Mohammad, lebt in Afghanistan als einer der dortigen Al-Qaida-Anführer. Von drei Söhnen aus den anderen Ehen verabschiedete sich Osama bin Laden im November 2001 in den Bergen von Jalalabad besonders. Er schenkte jedem von ihnen eine misbha, Gebetsketten, welche die 99 Namen von Allah in klassischem Arabisch symbolisieren und mahnte sie, fest im Glauben zu sein und für den Dschihad zu kämpfen. Die künftige Entwicklung dieser drei Söhne könnte unterschiedlicher nicht verlaufen sein: Bakr, geboren von bin Ladens zweiter Ehefrau Khadija Sharif, wendete sich später öffentlich von der Terrororganisation und der Mission seines Vaters ab, seine Mutter ließ sich von bin Laden scheiden. Khalid, geboren von bin Ladens vierter Ehefrau Siham Sabar, war ständiger Begleiter seines Vaters und in dessen Versteck im pakistanischen Abbottabad als Hausmeister tätig und für den engsten Personenschutz zuständig. Der jüngste Sohn, Hamza Osama, ein Einzelkind, geboren von bin Ladens bevorzugter dritter Ehefrau Khairia Sabar, einer saudischen Kinderpsychologin, war unstreitig schon früh auserkoren, die Nachfolge seines Vaters einzunehmen. Er war gerade mal sieben Jahre alt, als sein Vater nach Afghanistan zog, um dort seine Terrororgani-

B

ehörden Spiegel: Frequentis ist führend im Bereich der Integrierten Leitstellen. Welche Vorteile bieten diese gegenüber herkömmlichen Leitstellen?

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Die Ära ist noch nicht zu Ende Terrororganisation Al-Qaida weiterhin sehr aktiv (BS/Uwe Kranz) Schon vor Jahren glaubten viele, die Terror-Ära von Al-Qaida sei mit dem Tode Osama bin Ladens beendet. Sie irrten sich. V ­ ier Frauen und viele Söhne und Töchter hatte Osama bin Laden: Saad, geboren von seiner ersten Ehefrau Najawa Ghanem, soll für mehrere Anschläge in Tunesien, Marokko und Saudi-Arabien verantwortlich gewesen sein und wurde 2009 Opfer einer US-Drohne. das Gebäude frei sprengen und erkämpfen. Wie jedoch Osama bin Laden, seine jüngste Ehefrau, sein Sohn Warnt davor, Al-Qaida zu unterschätzen: Uwe Kranz, Khalid, sein KuTerrorexperte des Behörden rier Maulawi Abd Spiegel. Foto: BS/Dombrowsky al-Kahliq Jan, der Geronimo schon vor Jahren auf die Spur des Terrorissation aufzubauen. Anfang Mai ten brachte, dessen Frau und 2011 vollzog sich der letzte Akt sein Leibwächter auf dem Geländes Geronimo-Projekts, mit dem de getötet wurden, darüber wird Osama bin Laden seit Jahren höchst widersprüchlich berichtet. gejagt wurde. Der damalige USDie pakistanische Polizei fand Präsident ­Barack Obama befahl nach dem Abzug der US-Soldaten die Operation “Neptune‘s Spear”, zwei (oder drei) Witwen bin Ladie Erstürmung des gesicherten dens und 14 (oder 18) Kinder im Anwesens bin Ladens in Abbotta- Alter zwischen zwei und zwölf bad durch eine Spezialeinheit der Jahren gefesselt. Auch diese DarArmee. Zwei M-60-Black-Hawk- stellungen sind widersprüchlich. Hubschrauber, mit Tarnkappentechnik ausgestattet, sollten auf “Safe houses im Iran” dem Dach des Hauptgebäudes 9/11 brachte auch einen Wechund im Innenhof des großflächi- sel in der pakistanischen Politik, gen Anwesens landen. eine Hinwendung zu den VereiDer Rest ist inzwischen Ge- nigten Staaten von Amerika, und schichte: Einer der Hubschrau- erhöhte damit die Bedrohung für ber kollidierte nach technischen Al-Qaida, speziell für die FamiProblemen bei einer Notlandung lie bin Ladens. Osama befahl im Anwesen mit der 3,50 Meter ihr daher, weiter in den Iran zu hohen Außenmauer, der ande- fliehen, wo die Terrororganisare landete außerplan­mäßig vor tion mehrere sogenannte “safe dem Anwesen. Die Elite-Soldaten houses” führte. Seine eigentliche mussten sich jeweils ihre Wege in Erziehung erfuhr Hamza Osama

bin Laden in Teheran. Auch seine erste Militärausbildung durchlief er dort. Allerdings wurde er vom iranischen Geheimdienst ständig beobachtet und lebte eher unter Haftbedingungen denn wie ein Flüchtling oder gar ein freier Bürger. Schriftstücke zeigen, wie sehr sich Hamza Osama bin Laden nach seinem Vater und nach dem Kampf in Afghanistan sehnte. Sein Vater gab im Laufe der Jahre nur zögerlich nach und ließ ihn zunächst nach Waziristan ziehen, wo er ab 2005 eine intensivere militärische Ausbildung erfuhr und erste Einsätze absolvierte.

Weitere Ausbildung übernimmt Stellvertreter Anfang 2011 aber wollte Osama bin Laden seinen Sohn endlich in Abbottabad haben und befahl ihm, auf weiten Umwegen anzureisen, statt über den direkten, aber gefährlicheren Weg über den Khyber-Pass. Nur noch rund 40 Kilometer und wenige Tage trennten Hamza bin Laden im April 2011 von seinem Vater. Er wartete nur noch auf schlechteres Wetter, um der Luftüberwachung oder einer Drohnen-Exekution zu entgehen. Das rettete ihm das Leben. Nach der Tötung Osama bin Ladens übernahm der ägyptische Arzt Aymann al-

Zawahiri, der bisherige Stellvertreter Osama bin Ladens, die Führung der Terrororganisation. Gleiches galt für die Fürsorge und die weitere, insbesondere strategische, Ausbildung Hamza Osama bin Ladens. Fast zeitgleich begann in Syrien der Bürgerkrieg, im Irak und in Syrien emanzipierten sich die Al-Qaida-Ableger, mutierten zum Daesh oder zur Jabhatal-Nusra-Front, die seit Januar 2017 Hay‘at Tahrir al-Sham (HTS) heißt. Al-Qaida verlor jedoch nicht nur in dieser Region zunehmend an Einfluss. Der Daesh expandierte erfolgreich weltweit. Dadurch wurden die Al-Qaida-Verbündeten mehr und mehr verdrängt oder es entstanden bedrohliche Rivalen oder gar Feinde der Al-Qaida. Aus der Ferne versuchte al-Zawahiri ausgleichend auf die rivalisierenden Terrorgruppen einzuwirken – zumeist ergebnislos, zuweilen wirkte er gar regelrecht hilflos. 2015 betrat Hamza Osama bin Laden die Weltbühne des Terrors. Als Kronprinz des Terrors forderte er seine Anhänger in einer seiner ersten Twitter-Botschaften dazu auf, den Heiligen Krieg von Kabul, Gaza und Bagdad nach Washington, London, Paris, Tel Aviv und in die Länder anderer US-Alliierter zu verlegen. Welt-

Erleichterte Kommunikation

weit sollten Terroranschläge als Lone-Wolf-Attacken gegen die jüdisch-amerikanischen Inte­ ressen verübt werden. Im Mai 2017 verlangte er von seinen Anhängern das Begehen weiterer Anschläge. Im September letzten Jahres trat Hamza Osama bin Laden dann in einer Audiobotschaft erstmals als Scheich Hamza Osama bin Laden auf und forderte Beistand für die islamische Terrorbewegung in Syrien. Den Daesh erwähnte er mit keiner Silbe. Auch vermied er sorgfältig jegliche Anspielung auf Rivalitäten im sunnitischen Lager des islamischen Terrors.

Serie TERRORZIELE (TEIL 23) Dagegen betonte er immer wieder die magische Formel: Jihadi Unity, die Einheit des Dschihad im Kampf gegen Kreuzritter, Juden, Abtrünnige, Ungläubige und alle anderen Feinde des Islams. Inzwischen ruft er auch zum Kampf gegen das saudische Königshaus auf. Das erklärte Ziel Hamza Osama bin Ladens ist die Vereinigung aller islamistischen Terroristen. Die komplette Al-QaidaFührungsebene wünscht sich ihn auch als neuen Anführer. Dem Kronprinzen könnte es tatsächlich gelingen, die Terrororganisation wieder zu vereinen, neu zu strukturieren und in eine noch gewalttätigere Zukunft zu transformieren. Vielleicht schafft er es sogar, Teile des zerfallenden Daesh zu integrieren – weltweit ein Worst-Case-Szenario.

Haslacher: Ja, das ist richtig. Wir sind im Bereich der Inte­ grierten Leitstellen vor allem in Deutschland sehr aktiv. Integrierte Leitstellen eignen sich deutlich besser, wenn es da­ rum geht, Großschadenslagen zu bewältigen. Durch sie können verschiedene Kommunikationskanäle von unterschiedlichen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) gemeinsam genutzt werden. Das erleichtert die Kommunikation enorm und hilft beim Kreieren gemeinsamer Lagebilder. Dadurch können Einsatzkräfte rascher als bisher aktiv werden.

(BS) Insbesondere bei Großschadenslagen, wie etwa einem Massenanfall von Verletzten (MANV), kommt es entscheidend darauf an, dass alle Kräfte der beteiligten Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) schnell und effektiv Informationen untereinander austauschen und miteinander kommunizieren können. Hier sind Integrierte Leitstellen hilfreich. Welche Vorteile sie bieten und wie sein Unternehmen im BOSBereich aufgestellt ist, darüber sprach der Behörden Spiegel mit dem neuen CEO der Frequentis AG, Norbert Haslacher. Die Fragen stellten R. Uwe Proll und Marco Feldmann.

bestens gerüstet. Es ist ein wichtiges Zusatzfeature in der Arbeit der Leitzentralen, das primär dazu dient, bei Verkehrsunfällen Leben retten zu können und die Rettungskette maßgeblich zu verkürzen. Die ersten E-Calls über ein Frequentis-System wurden bereits Ende März in der Leitstelle der Berufsfeuerwehr Krefeld erfolgreich bewältigt.

Behörden Spiegel: Mit welchen Technologien möchte Frequentis künftig in den Markt gehen?

Behörden Spiegel: Was sind Ihre Ziele als neuer CEO von Frequentis?

Behörden Spiegel: Welche Lösungen bietet Ihr Unternehmen hier an?

Haslacher: In Deutschland liefern wir unseren Kunden sowohl einzelne Leitstellenelemente als auch komplette Leitstellen. Wir können beide Wünsche bedienen. Komplette Leitstellen liefern wir vor allem an unsere Kunden im Bereich der Feuerwehren und des Rettungsdienstes. Frequentis tritt als Generalunternehmer auf und übernimmt die Verantwortung für die Lieferung der verschiedenen Gewerke wie Einsatzleitsystem, Funk-/DrahtAbfragesystem, Möblierung, Video-/Medientechnik usw.

Haslacher: Wir bleiben in jedem Fall im sicherheitskritischen Bereich tätig. Das ist die DNA unserer Firma. Wir sind davon überzeugt, dass das, was wir tun, Leben rettet. Aus diesem Grunde wollen wir den sicherheitskritischen Bereich auch keinesfalls verlassen. Vielmehr ist es wichtig, dass sich die Innovationskraft von Frequentis darin zeigt, dass wir neue Technologien für diesen sicherheitskritischen Bereich vermarkten. Da geht es insbesondere um Lösungen zur vernetzten Sicherheit sowie zur behördenübergreifenden Zusammenarbeit bei Großschadenslagen. Hier müssen mithilfe neuer Technologie Videoaufnahmen und Aktivitäten in Sozialen Medien in Zukunft noch stärker eingebunden werden. Denn: Daten werden für Einsatzkräfte immer wichtiger. Und: Mit neuer Technik kann man Lagen viel besser als bisher analysieren. Ebenso von großer Bedeutung sind Breitbandanwendungen. Mit ihnen werden eine bessere Unterstützung der Einsatzkräfte vor Ort sowie qualitativ hochwertigere Lageeinschätzungen in der Leitstelle aufgrund verbesserten Datenaustausches möglich.

Haslacher: Wir haben schon heute eine starke Stellung am globalen Markt. Diese möchte ich – zusammen mit meinem Team – weiter ausbauen. Es gibt noch einige Länder, die noch nicht von Frequentis gefärbt wurden. Die wollen wir in Zukunft auch zu unseren Kunden machen. Ich bin mir sicher, dass das mit unserem exzellenten Portfolio für den sicherheitskritischen Bereich und eine sehr starke Niederlassungsstruktur gelingen wird.

Haslacher: Frequentis bietet hier vor allem die Kommunikations- und Kollaborationsplattform 3020 LifeX an, die insbesondere auf Großprojekte beziehungsweise landesweite Rollouts ausgerichtet ist. Mit ihr ist eine organisationsübergreifende, sicherheitskritische Einsatzkommunikation möglich. Das gilt sowohl für stationäre als auch für mobile BOS-Leitstellen und die Betreiber Kritischer Infrastrukturen (KRITIS). Mithilfe von 3020 LifeX können auch Anbieter sicherheitskritischer Warnsysteme eingebunden werden. Ferner adressieren wir mit dem Produkt ASGARD die individuellen Integrationsanforderungen im Bereich Feuerwehrund Rettungsleitstellen sowie für Flughäfen und Industrie. Mit unserem lokalen Integrationsteam haben wir in den letzten Jahren erfolgreich zahlreiche Integrierte Leitstellen ausgerollt. Behörden Spiegel: Liefern Sie an Ihre BOS-Kunden komplette Leitstellen oder einzelne Elemente?

Frequentis bietet Plattform zum behördenübergreifenden Informationsaustausch

merken wir immer wieder, auch wenn die Konsolidierung weiter voranschreitet und es immer öfter kooperative Leitstellen gibt. Generell kann man sagen, dass Frequentis in Deutschland einen Marktanteil von etwa 30 Prozent an ausgerollten Leitstellen hält.

Norbert Haslacher ist neuer CEO der Frequentis AG. Foto: BS/Frequentis AG

Behörden Spiegel: Wie hoch ist der Frequentis-Marktanteil bei polizeilichen und bei nichtpolizeilichen BOS in Deutschland? Haslacher: Im nicht-polizeilichen Bereich gibt es in Deutschland etwa 250 Leitstellen, die wir ausgestattet beziehungsweise aufgebaut haben. Bei den deutschen Polizeibehörden sind es circa 150 Leitstellen, die in der Regel etwas größer sind als jene bei Feuerwehren und Rettungsdiensten. Bei den Polizeibehörden gibt es viele große, vernetzte Systeme. Der nicht-polizeiliche Markt hingegen ist deutlich fragmentierter. Das

Behörden Spiegel: Welche ­ edeutung hat für Frequentis B der österreichische Heimatmarkt? Haslacher: Da Frequentis ein österreichisches Unternehmen ist, ist der Heimatmarkt für uns natürlich sehr wichtig. Gleichwohl merken wir aber auch, dass dieser Markt von der Größe her beschränkt ist. Deshalb sind wir bereits sehr früh auch nach Deutschland gegangen. Behörden Spiegel: Seit wann ist Frequentis bereits in Deutschland aktiv? Haslacher: Frequentis ist seit 1985 in Form einer eigenen ­N iederlassung im deutschen Markt aktiv. 1992 wurde dann die Frequentis Deutschland GmbH gegründet. Mit ihr sind wir in all unseren Geschäftsfeldern tätig. Zu unseren Kunden hierzulande gehören unter anderem die Deutsche Flugsicherung, die Bundeswehr und die Deutsche Bahn. Zudem stellt Frequentis im Bereich Public Safety landesweite Netze beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen bereit. Im Maritim-Bereich zählen wir u. a. das Maritime Sicherheitszentrum Cuxhaven zu unseren Kunden. Die deutschen Referenzen sind im Übrigen im

internationalen Umfeld enorm wichtig für uns. Behörden Spiegel: Welchen Stellenwert hat der deutsche Markt denn für Frequentis? Haslacher: Die deutsche Niederlassung ist die größte und umsatzstärkste FrequentisTochtergesellschaft, die wir haben. Behörden Spiegel: Wie sieht es international aus? Haslacher: International betrachtet hat der europäische Markt einen Anteil von rund 60 Prozent am Gesamtumsatz, gefolgt von Amerika und Asien mit jeweils 15 Prozent Anteil. Ein Zukunftsmarkt für uns ist Australien. 2017 war für uns im Auftragseingang ein sehr erfolgreiches Jahr. Hier konnten wir einen Wert von insgesamt 288 Millionen Euro erzielen. Das ist ein Plus von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Betriebsleistung stieg um knapp neun Prozent auf 275 Millionen Euro. Derzeit haben wir rund 1.700 Mitarbeiter, wovon etwa 950 im Wiener Firmensitz arbeiten. Da­ rüber hinaus haben wir ­gemerkt, dass die Dezentralisierung unserer Liefereinheiten in den einzelnen Ländern eindeutig ein Erfolgsfaktor war. Aus diesem Grunde haben wir in den vergangenen Jahren international stark expandiert und neue Niederlassungen gegründet. Die nächste entsteht im Juni in Abu Dhabi. Dadurch wollen wir den Mittleren Osten noch besser bedienen können.

Behörden Spiegel: Welche Lösungen bietet Frequentis im Bereich E-Call an? Haslacher: Verpflichtend ist der Einbau seit dem 31. März dieses Jahres. Die Frequentis-Systeme sind für den Einsatz von E-Call

Behörden Spiegel: Diebstahl, Wirtschaftsspionage und Knowhow-Abfluss sind große Gefahren. Wie schützt sich Frequentis in außereuropäischen Märkten, etwa in Nordamerika oder China, davor? Haslacher: Wir sind seit mehr als 20 Jahren in China aktiv und dort mittlerweile Marktführer für Sprachvermittlungssysteme der Flugsicherung. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Kunden gerade im sicherheitskritischen Bereich so sensibel sind, keine Kopien, sondern nur das Original zu erwerben. Selbstverständlich ist uns bewusst, dass man eine Technologie nie zu 100 Prozent schützen kann. Gleichwohl haben wir meines Erachtens gezeigt, dass Frequentis ein Lieferant ist, der im sicherheitskritischen Bereich entsprechende Qualität liefert, über eine ausgezeichnete Reputation am Markt verfügt und die Qualität seiner Produkte hochhält.


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

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Doch keine gemeinsame Ausbildung?

MELDUNGEN

Umsetzung innerhalb der ostdeutschen Sicherheitskooperation hakt

Einbruchschutzprogramm wird fortgesetzt

(BS/Marco Feldmann) Groß waren die Erwartungen an die Mitglieder der Länderarbeitsgruppe (LAG) im Rahmen der Sicherheitskooperation zwischen Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Ihre Mitglieder sollten die Bedarfe und Möglichkeiten einer länderübergreifenden Aus- und Fortbildung von Kriminalpolizisten identifizieren (siehe Behörden Spiegel, Dezember 2017, Seite 51). Doch offenbar gibt es Probleme bei der Umsetzung des Projektes. In Sachsen-Anhalt etwa hat die Fachhochschule der Polizei in Zusammenarbeit mit den Behörden und Einrichtungen der Landespolizei gerade einen neuen Modulkatalog erarbeitet, der zum 1. September in Kraft treten wird. Damit werde eine erweiterte individuelle Schwerpunkt set zung in den Lehrinhalten im Bachelor-Studium dahingehend ermöglicht, eine noch stärkere schutz- und kriminalpolizeiliche Spezialisierung zu erreichen, heißt es aus dem Magdeburger Innenministerium. Die Modifizierung des Modulkatalogs sei allein eine Entscheidung des Landes und habe keine Auswirkungen auf die polizeilichen Studiengänge der an deren Länder der Sicherheitskooperation. Damit sei kein Austritt Sachsen-Anhalts aus der Sicherheitskooperation verbunden.

Analysephase läuft noch

nalpolizisten nach dem zweiten Semester an der Hochschule für Wirtschaft und Recht getrennt voneinander unterrichtet werden, beibehalten möchte. Vonseiten der Sicherheitskooperation heißt es offi ziell, dass man sich hinsichtlich der Aus- und Fortbildung der Kriminalpolizisten derzeit noch in der Analysephase befi nde. In verschiedenen Arbeitsgruppen würden derzeit bestehende Studien und Analysen zu dem Thema ausgewertet. Zudem werde ermittelt, welche Bildungsangebote es derzeit gebe und wo sich die Länder sinnvoll ergänzen könnten. Bis spätestens Ende Oktober müssen aber konkrete Entscheidungen getroffen werden. Dann nämlich muss Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) dem Innenausschuss des Potsdamer Landtages zu dem Projekt berichten.

An einheitlichen Standards führt kein Weg vorbei Von mit den Vorgängen vertrau-

ten Personen ist jedoch anderes zu vernehmen. Sie gehen davon aus, dass sich das Bundesland, das derzeit den Vorsitz in der Innenministerkonferenz (IMK) innehat, wahrscheinlich nicht mehr an dem Projekt der Sicherheitskooperation beteiligt. Besser sieht es anscheinend in Sachsen aus. Dort stehen die Verantwortlichen dem Vorhaben weiterhin offen gegenüber. Zu hören ist darüber hinaus, dass Berlin nach jetzigem Stand sein bisheriges Modell, bei dem angehende Schutz- und Krimi-

Für den Brandenburger Landesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Riccardo Nemitz, jedenfalls ist der Fall klar: “Die Standards für die Kriminalpolizei müssen deutschlandweit einheitlich sein.” Dies gelte sowohl für die Aus- als auch für die Weiterbildung. Denn: “Die Anforderungen an polizeiliche Arbeit steigen stetig. Wahrzunehmen ist eine zunehmende Entgrenzung kriminalgeografischer Räume.” Globale Entwicklungen wirkten bis auf die lokale Ebene. Und

der märkische BDK-Landeschef kritisiert: “Die Einheitsausbildung, wie diese in Brandenburg von Anfang an praktiziert wird, führt zu schlechter qualifizierten Kriminalbeamten. Grundsätzlich ist es problematisch, dass der Umfang an erforderlichem Spezialwissen so hoch ist, dass eine Einheitsausbildung oberflächlich bleiben muss.” Eine nicht unerhebliche Anzahl der von der Polizei als aufgeklärt registrierten Strafverfahren werde von den Staatsanwaltschaften eingestellt, weil nach ihrer Bewertung die Beweise für eine Überführung des Beschuldigten vor Gericht nicht ausreichten. Ursächlich dafür sei nach der Bewertung von Generalstaatsanwaltschaft und Leitenden Oberstaatsanwälten die Qualität polizeilicher Arbeit auch infolge der Einheitsausbildung der Beamten, bemängelt Nemitz.

“Kriminalpolizist ist kein Anlernberuf” Darüber hinaus gibt er zu bedenken: “Die im Studium aufgelaufenen Defizite können nicht angemessen durch spätere Fortbildung oder Weitergabe des Wissens während der Tätigkeit durch ältere Kollegen erfolgen, zumal diejenigen, die noch über eine gediegene kriminalistische Ausbildung verfügen, derweil zusehends in den Ruhestand gehen.” Insofern arbeite alleine schon die Zeit gegen den dringend erforderlichen Wissenstransfer. Zumal Nemitz konstatiert: “Kriminalpolizist ist kein Anlernberuf.”

MELDUNG

zialeinheit erleichtert und das Abwerben von Beamten durch andere Eliteeinheiten der Polizeien von Bund und Ländern erschwert werden. Innenminister Schröter sagte: “Nicht allein die Zeit des Personalabbaus bei der Polizei ist vorbei. Brandenburg braucht nicht weniger, sondern mehr Polizei.” Es gehe zudem darum, die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Polizisten in der Mark schrittweise weiter zu verbessern. In diesem Zusammenhang müsse auch über Geld gesprochen werden. Der Ressortchef betonte: “Die Erhö-

hung der Erschwerniszulage auf monatlich 300 Euro ist unabweisbar, um in der Konkurrenz mit dem Bund und anderen Ländern zu bestehen.” Damit werde die Attraktivität des Polizeidienstes erhöht. Schröter unterstrich in Potsdam: “Jeder zusätzliche Euro für unsere Polizisten ist gut ausgegebenes Geld. Beim SEK gilt das besonders.” Brandenburg werde damit künftig zusammen mit den Landesregierungen in Bremen, Hessen und NordrheinWestfalen die höchste SEK-Zulage der Bundesländer zahlen, so der Sozialdemokrat.

Niedersachsen setzt auf NIMes Anwendung unabhängig von Betriebssystem und anderen Apps (BS/Jessica Narten*) Zukünftig wird die Polizei in Niedersachsen über den Messenger NIMes kommunizieren. NIMes basiert auf der Technologie des Messengers stashcat® und ist unabhängig vom jeweiligen Betriebssystem und sonstigen Apps. Über die App können Bilder, Texte und Videonachrichten jederzeit in einem geschlossenen Benutzerkreis versendet werden. Stashcat® beinhaltet einen datenschutzkonformen Messenger mit Dateiablage für Unternehmen und Behörden. Die Kommunikation über Smartphone, Web- und Desktop-Anwendung ist Ende-zu-Endeverschlüsselt und kann auch auf eigenen Servern betrieben werden. Stashcat® ist nicht an die Telefonnummer, sondern an die behördeneigene Benutzerverwaltung angeschlossen. Dadurch wird das interne Adressbuch auch für stashcat® genutzt.

Neben Konversationen können auch Themenchannels erstellt werden. Das integrierte MDM ermöglicht die Verwendung auch auf privaten Smartphones.

unter anderem der Einbau und die Nachrüstung von Fensterund Terassentürelementen sowie die Installation von Alarmanlagen und Bewegungsmeldern. Anträge können bei der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) eingereicht werden. Die Maßnahmen selbst müssen noch in diesem Jahr durchgeführt und die Verwendungsnachweise bis spätestens De zember bei der IB.SH eingereicht werden. Anderenfalls ist keine staatliche Unterstützung möglich. Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) sagte zu der Neuauflage

des Programms: “Die Zahlen der Wohnungs- und Hauseinbrüche sind in den vergangenen Monaten kontinuierlich und deutlich gesunken.” Ein Grund dafür sei die umfassende und erfolgreiche Arbeit der Polizei in diesem Bereich gewesen. Entscheidend sei aber auch die Eigensicherung der Häuser und Wohnungen durch ihre Besitzer gewesen. “Mit unserem neuen Einbruchschutzprogramm stellen wir sicher, dass diese positive Entwicklung weiter fortgesetzt werden kann”, so der Kieler Ressortchef.

Neuer Einsatzrekord für Hamburger Feuerwehr (BS/mfe) Die Hamburger Feuerwehr musste im vergangenen Jahr zu insgesamt 288.514 Einsätzen ausrücken. Das ist ein neuer Höchststand, nachdem es 2016 noch 286.464 Alarmierungen gewesen waren. Pro Tag rückten die Einsatzkräfte 2017 durchschnittlich 791-mal aus. Im letzten Jahr wurden in der Hansestadt 11.178 Brandalarme, 23.535 technische Hilfeleistungen und 253.081 Rettungsdiensteinsätze gezählt. Sie wurden von insgesamt 3.039 Beschäftigten der Berufsfeuerwehr, darunter

2.751 im feuerwehrtechnischen Dienst, und 2.630 freiwilligen Feuerwehrleuten bewältigt. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sagte zu der Bilanz: “Erneut verzeichnet die Hamburger Feuerwehr – wie schon in den vergangenen Jahren – steigende Einsatzzahlen. Treiber dieser Entwicklung waren 2017 vor allem die drei heftigen Stürme im Spätsommer und Herbst.” Allein für diese besonderen Einsatzlagen seien die Kräfte zu mehr als 3.000 Hilfeleistun-

gen ausgerückt. Darüber hinaus kündigte der Ressortchef an: “Um für die Aufgaben auch in Zukunft gut gerüstet zu sein, wird der Personalstamm weiter deutlich aufgestockt. In den kommenden Jahren wird die Feuerwehr Hamburg deutlich weiterwachsen.” Mit der Einführung der dualen Ausbildung zum Berufsfeuerwehrmann schaffe die Hansestadt Hamburg erstmals eine direkte Einstiegsmöglichkeit für Schulabgänger in den Feuerwehrberuf, so der Sozialdemokrat weiter.

Rotes Kreuz hilft im Kongo (BS/mfe) Nach dem Ausbruch des Ebola-Virus in der Demokratischen Republik Kongo hilft das Rote Kreuz (DRK) direkt vor Ort. Mitarbeiter und Freiwillige des lokalen Roten Kreuzes sind in den Gemeinden unterwegs, um Verdachtsfälle zu identifizieren, zu überwachen und Haushalte, in denen Verdachtsfälle aufgetreten sind, zu desinfizieren. Bislang wurden in dem afrikanischen

Land 28 Ebola-Infektionen bestätigt. Einen Fall davon gab es in einer Stadt mit mehr als einer Million Einwohnern. Damit ist das Virus im Kongo auch erstmals in einer Großstadt aufgetreten. Darüber hinaus wurden landesweit bislang 51 Verdachtsfälle gezählt und 27 Menschen sind schon an Symptomen gestorben, die mit Ebola einhergehen. Dazu zählen unter

anderem Fieber sowie innere und äußere Blutungen. Christof Johnen, Leiter für internationale Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz, warnt: “Das Risiko, dass sich die Infektionskrankheit im Land und in den Nachbarstaaten ausbreitet, ist gegeben.” Es sei daher wichtig, die gemeindebasierte Überwachung weiter zu stärken, so Johnen.

Wiederinbetriebnahme ausgeschlossen

Höhere Zulage für Brandenburger SEK-Beamte (BS/mfe) Die Kräfte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) bei der Brandenburger Polizei erhalten ab Anfang kommenden Jahres eine höhere Erschwerniszulage. Sie steigt von bisher 225 Euro im Monat auf 300 Euro je Beamten. Darauf einigten sich der märkische Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und der brandenburgische Finanzminister Christian Görke (Linke). Mithilfe der angehobenen Zahlung sollen die gestiegenen Belastungen für die Polizisten besser berücksichtigt, die Nachwuchsgewinnung für die Spe-

(BS/mfe) Die schleswig-holsteinische Landesregierung stellt in diesem Jahr nochmals eine Million Euro zur Förderung von Maßnahmen zum Einbruchschutz bereit. Die Investitionskosten müssen pro Antrag jeweils mindestens 1.000 Euro betragen. Zuschüsse werden in Höhe von 15 Prozent der Investitionskosten und insgesamt maximal bis zu 1.500 Euro für dasselbe Wohnobjekt gewährt. Folglich werden höchstens 10.000 Euro an Investitionskosten pro selbstbewohnter Immobilie bezuschusst. Unterstützt werden

Behörden Spiegel / Juni 2018

Weitere Informationen unter: www.stashcat.com. *Jessica Narten ist im Marketing von heinekingmedia tätig.

Beispielkommunikation der Polizei über den Messenger NIMes. Foto: BS/heinekingmedia GmbH

Schutzräume in Deutschland werden nicht mehr gewartet (BS/mfe) Auch wenn derzeit noch 967 öffentliche Schutzräume der Zivilschutzbindung unterliegen, sind sie alle nicht mehr kurzfristig einsatzfähig. Grund hierfür ist die komplett eingestellte Instandhaltung dieser Räumlichkeiten. Sie wiederum findet nicht mehr statt, weil bisher von komplett anderen Bedrohungsszenarien als zu Zeiten des Kalten Krieges ausgegangen wurde. So nimmt die Bundesregierung im Konzept Zivile Verteidigung an, dass in Anbetracht von Ereignissen mit kurzer oder fehlender Vorwarnzeit die flächendeckende Bereitstellung öffentlicher Schutzräume nur sehr eingeschränkt geeignet wäre, eine ausreichende Schutzwirkung für die Bevölkerung zu entfalten. Hinzu komme, dass sich die Räumlichkeiten nur in den westlichen Bundesländern befänden und sehr ungleich verteilt seien. So gibt es nach Zahlen des Bundesamtes für Bevöl kerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) etwa in Baden-Württemberg noch 325 öffentliche Schutzräume, die noch der Zivilschutzbindung unterliegen. In Bayern sind es 287 und in Niedersachsen 148. In Schleswig-Holstein wiederum sind es nur noch 18, in Rheinland-Pfalz zwölf. In Berlin sind laut Senatsverwaltung für Inneres und Sport von ursprünglich 16 öffentlichen Schutzräumen noch drei für den Zivilschutz gewidmet. Berücksichtigt werden muss laut Bundesinnenministerium (BMI) auch, dass es sich bei den meisten Schutzräumen um Mehrzweckanlagen handele, deren normale zivile Nutzung zum Beispiel als Tiefgarage oder UBahnstation zur Aktivierung des Schutzraumes eingestellt werden müsste. Dies hätte erhebliche Folgen für die zivile Verkehrsinfrastruktur. Daher wird dieser

In der Schweiz gibt es in mehr als 330.000 Schutzräume (Foto) rund 8,7 Millionen Plätze für den Ernstfall. Foto: BS/Kecko, CC BY 2.0, flickr.com

Schritt vonseiten des Ministeriums als unrealistisch angesehen. Auch in der österreichischen Hauptstadt Wien gesteht die Kommunalverwaltung aus Sicht des Krisenmanagements Schutzräumen wegen des sicherheitspolitischen Paradigmenwechsels keine we sentliche Bedeutung mehr zu.

In Bauordnung nicht mehr vorgesehen In der neuen Bauordnung der Metropole sei daher die Verpflichtung zum Bau von Schutzräumen nicht mehr vorgesehen, heißt es aus der Verwaltung. Auch gebe es keine Planungen für einen Neubau oder den Erhalt von Schutzräumen, weshalb hierfür auch keine finanziellen Mittel vorgesehen seien. Auch wolle man die Schutzräume, die sich in jenen Wiener Flaktürmen und Bunkern befänden, welche

im kommunalen Besitz seien, nicht reaktivieren. Ganz anders gestaltet sich die Situation in der Schweiz. Dort existieren in circa 332.000 Schutzräumen rund 8,7 Millionen Plätze. Landesweit beträgt die Abdeckung 106 Prozent. Nur sechs Kantone können den Bedarf laut Christoph Flury, stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS), nicht vollumfänglich abdecken. Dabei handele es sich insbesondere um städtische Regionen, wie etwa die Kantone Genf und Basel-Stadt. Grundsätzlich besteht in der Eidgenossenschaft bei jedem Neubau eines Wohnhauses für die Eigentümerschaft eine gesetzlich fixierte Schutzraumbaupflicht. Wird kein Schutzraum erstellt, zum Beispiel weil die Schutzquote bereits komplett erfüllt ist, muss der Bauherr eine Ausgleichsabgabe entrichten.


14. Europäischer Katastrophenschutzkongress “Katastrophenschutzarchitektur in Europa”

26. – 27. Juni 2018, Vienna House Andel’s Berlin

DEBATTE 1. TAG: Zukünftige Herausforderungen und Mechanismen der EU-Sicherheitsarchitektur Moderatorin: Adina-Ioana Valean*, MdEP, Vorsitzende des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), Europäisches Parlament Referenten: Henriette Geiger, Direktorinder Generaldirektion für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (DG DEVCO), Europäische Kommission Franz-Josef Hammerl, Abteilungsleiter Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Dr. Johannes Richert, Stv. d. Generalsekretärs, Bereichsleiter Nationale Hilfsgesellschaft / Int. Zusammenarbeit, Deutsches Rotes Kreuz, Generalsekretariat Saltanat Tashmatova*, Direktorin für Internationale Beziehungen, International Civil Defence Organisation (ICDO) DEBATTE 1. TAG: Konzeption zivile Verteidigung: Stand und Umsetzung Moderator: Lutz Diwell, Vorstandsvorsitzender Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit Referenten: Generalmajor Carsten Breuer, Kommandeur Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr Albrecht Broemme, Präsident Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) Jörg M. Haas, Stv. Bundes-K-Beauftragter, Deutsches Rotes Kreuz, Generalsekretariat Andrea Lindholz, Vorsitzende des Ausschusses für Inneres und Heimat, Deutscher Bundestag Dr. Herbert Trimbach, Abteilungsleiter Ministerium des Innern und für Kommunales, Brandenburg, Vorsitzender des Arbeitskreises V Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen, Katastrophenschutz sowie zivile Verteidigung der IMK Christoph Unger, Präsident Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) *Referenten angefragt

Fachforen, u. a.: » Urbane Sicherheit – Safe City » Renaissance chemischer Kampfstoffe » Ehrenamt: Herausforderungen und Chancen

» Einsatz von Drohnen im Bevölkerungsschutz » Schutz Kritischer Infrastrukturen: IT-Verkehr & Co. » Bewältigung besonderer Lagen

Referenten, u. a.:

Christos Stylianides Kommissar für Humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, Europäische Kommission

Veranstalter

Christoph Unger Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)

Andrea Lindholz Vorsitzende des Ausschusses für Inneres und Heimat, Deutscher Bundestag

Christoph Flury Stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz BABS, Schweiz

Fotos: Dombrowsky; Mutzberg / BBK; Tobias Koch

www.katastrophenschutzkongress.de

Programm-Highlights, u. a.:


Katastrophenschutz

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S

ie muss schließlich sicherstellen, dass Hilfe im Katastrophenfall schnellstmöglich dorthin gelangt, wo sie benötigt wird. Insofern ist es durchaus lobenswert, dass die EU-Kommission helfen möchte, obwohl sie für den Katastrophenschutz nicht zuständig ist. Leider ist aber der Vorschlag der EU nicht geeignet, um den Katastrophenschutz in Europa nachhaltig zu stärken. Ich fürchte vielmehr, dass die Pläne der EU-Kommission dort, wo der Katastrophenschutz bereits gut funktioniert, sogar zu einer Verschlechterung führen würden. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass EU-eigene Katastrophenschutzeinheiten geschaffen werden sollen. Zudem möchte die EU künftig die Kontrolle und Überwachung der Krisenmanagementplanung der Mitgliedsstaaten übernehmen. Beides würde einen zentralistischen Überbau und umständliche Parallelstrukturen zu unserem bestehenden und in Deutschland gut funktionierenden Katastrophenschutzsystem schaffen. Die Vorschläge der Kommission lassen leider die guten Erfahrungen außer Acht, die wir gerade in Deutschland mit einer dezentral organisierten Gefahrenabwehr unter regionaler und kommunaler Verantwortung gemacht haben.

Behörden Spiegel / Juni 2018

Vorschlag der Kommission ungeeignet Europäische Solidarität statt Brüsseler Parallelstrukturen (BS/Peter Beuth) Im Sommer letzten Jahres wurde Europa erneut Zeuge von Waldbränden im Mittelmeerraum mit katastrophalen Folgen. In Portugal starben zahlreiche Menschen, viele wurden zum Teil schwer verletzt und etliche mussten ihr Zuhause den Flammen opfern. Das überaus Tragische daran ist, dass die notwendige Hilfe oft viel zu lange auf sich warten ließ. Es ist daher nur richtig, dass sich in der Folge die Politik Gedanken macht, wie eine solche Tragödie künftig verhindert werden kann. schutz einbringen. Allein das Land Hessen hat im Rahmen der Ausstattungsoffensive seit dem Jahr 2008 weit über 50 Millionen Euro in den Katastrophenschutz investiert. Seien es Hochwasserlagen oder Hilfestellungen bei der Versorgung von Flüchtlingen, der hessische Katas­trophenschutz konnte schon oft beweisen, dass er gut aufgestellt und sämtlichen Lagen gewachsen ist. Das bewährte Prinzip unseres Hilfeleistungssystems ist es, die Gefahrenabwehr vor Ort zu organisieren und im Bedarfsfall aufwuchsfähig zu gestalten. Einige der Gründe, warum dieses System so gut funktioniert: Die Einsatzkräfte sind schnell am Einsatzort und kennen die Besonderheiten von Land und Leuten. Sie identifizieren sich stark mit ihrer Arbeit, mit der sie dazu beitragen, ihr eigenes Lebensumfeld zu schützen und zu bewahren. Sie haben die Möglichkeit, häufig am Objekt zu üben und sind so optimal für mögliche Schadenseintritte in ihrer Region ausgerüstet und ausgebildet.

regionaler Einheiten fördern. Die EU könnte einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie dieses bewährte Schutzkonzept ihrerseits propagiert und den Austausch zwischen Regionen mit unterschiedlichen Erfahrungen fördert. Patenschaften von Feuerwehren oder Hospitanzen von Fachkräften könnten dazu dienen, einen Wissenstransfer zu organisieren oder Kenntnisse über Gefahrenabwehrstrukturen zu vertiefen. Im Falle großer europäischer Katastrophenlagen kann die EU helfen, indem sie eine koordinierende und unterstützende Funktion einnimmt. In der Vergangenheit wurde bereits bewiesen, dass die europäische Solidarität unter den Ländern bei größeren Katastrophenschutzlagen funktioniert. Auch die Helferinnen und Helfer des hessischen Katastrophenschutzes und der Feuerwehren haben dabei ihre Hilfe angeboten und mitgeholfen. Seien es Hochwasserlagen in Sachsen, SachsenAnhalt und Niedersachsen oder Stromausfälle im Münsterland oder in Slowenien, stets waren hessische Feuerwehrleute und Katastrophenschützer zur Stelle und haben – zusammen mit anderen – mit angepackt. Europäische Solidarität im wohlverstandenen Sinne ist auch Hilfe zur Selbsthilfe, die den Austausch und die Stärkung der Regionen zum Ziel haben sollte.

meintlichen Lö- organisiert ist. Die Sachnähe und sungsvorschläge vor allem die tägliche Erfahrung der Kommission der Feuerwehren und Katastrowürden einen Ka- phenschützer in den Ländern ist Peter Beuth ist hessischer tastrophenschutz der Grund dafür, warum es keine Minister des Innern und für fern der Notlagen Bundeszuständigkeit gibt und Sport sowie Vorsitzender des etablieren. Das dies auch nicht sinnvoll wäre. CDU-Bundesfachausschusses Fatale darüber Eine Zentralorganisation, die Innenpolitik. Foto: BS/HMdIS hinaus ist, dass 365 Tage im Jahr auf einen Eindadurch womög- satz warten muss, der groß genug lich auch noch ist, um ihre Zuständigkeit überAnreize geschaf- haupt erst begründen zu können, Dass dieser Leitgedanke erfolg- fen werden, sich in den Mitglieds- wird niemals die Professionalität reich ist, wird im Bereich des staaten erst gar nicht mehr um unserer dezentralen OrganisatiBrand- und Katastrophenschut- einen flächendeckenden Katas- onen erreichen, die täglich Einzes besonders deutlich. Gerade trophenschutz zu bemühen. Die satzlagen zu bewältigen haben. hier gilt: Je schneller die Feuer- Folgen wären katastrophal: Dort, Führung und Verantwortung wehr vor Ort ist, desto kleiner wo heute ein flächendeckender werden und müssen auch in der Brand und desto leichter Schutz vorherrscht, würde er Zukunft selbstverständlich bei ist er zu bekämpfen. Gerade die durch Parallelstrukturen und den Ländern bleiben. Waldbrände im letzten Jahr in umständliches KrisenmanagePortugal haben einmal mehr ge- ment weit weg von den Krisen Regionen stärken zeigt, welche schrecklichen Di- verwässert. Dort, wo heute manAnstatt die Dinge zentral regeln mensionen solche Katastrophen gelnde Schutzvorkehrungen ge- zu wollen, sollte daher erst recht erreichen können, wenn Feuer- troffen wurden, würde womöglich die EU-Kommission vielmehr die wehren nicht schnell genug am künftig noch weniger investiert Regionen stärken. Die EU kann Schadensort einsatzbereit sind. werden. aus den guten Erfahrungen mit In den AusführungsbestimmunDas ist im Übrigen auch der dem dezentralen Katastrophengen zum Europäischen Vertrag Grund, warum der Katastrophen- schutz in Deutschland schöpist deshalb wohlwissend der EU schutz in Deutschland dezentral fen und die Stärkung derartiger Flächendeckendes Netz in im Katastrophenschutz ledigDeutschland lich eine beratende und unterstützende Funktion zugewiesen Nur ein flächendeckender worden. Das Subsidiaritätsgebot Schutz vor Ort garantiert im Dezentrale Strukturen müssen erhalten bleiben untersagt es ihr, Aufgaben der Schadensfall eine schnelle und effektive Hilfe für die BürgeEffektiver Schutz der Bürge- Mitgliedsstaaten zu übernehmen Psychosoziale Versorgung von Beschäftigten unbedingt erforderlich rinnen und Bürger. Deutsch- rinnen und Bürger muss dort oder diese zu ersetzen. land verfügt im Bund und in vorgehalten werden, wo er im Den Vorschlägen der EU man- (BS/Isa Julgalad/Reinhard Voigt*) Einsatzkräfte wie Polizeibeamte, Feuerwehrmitarbeiter, Rettungssanitäter den Ländern über ein solches Schadensfall auch benötigt wird. gelt es auch an Sachkenntnis und Notärzte, auch Strafvollzugsbeamte, haben in ihrem Berufsalltag ein Gegenüber, das sie entweder braucht flächendeckendes Netz gut auf- Dies ist nur durch dezentrale und Erfahrung. Ein zentralisier- oder aber fordert. Im Arbeitseinsatz wird die Frustrationstoleranz genauso gefordert wie Engagement, Handgestellter Einheiten, in die der Strukturen zu gewährleisten. ter Katastrophenschutz ist nicht lungseifer, Durchhaltevermögen, Kommunikationsfähigkeit, Wachsamkeit. Bund den Zivilschutz, die Länder Wir folgen daher dem Grundsatz: schneller vor Ort und er kennt ihren Katastrophenschutz und Was vor Ort am besten gelöst sich auch nicht mit den lokalen Die Anpassung des Schlaf-Wach- Bedingungen schlicht und er- der fachlichen Kompetenz, der die Brandschutzförderung so- werden kann, soll auch vor Ort Gegebenheiten besser aus. Das Rhythmus und der Essenszeiten greifend nicht möglich ist. Eine angemessenen Reaktionsfähigwie die Kommunen ihren Brand- gelöst werden (Subsidiarität). Gegenteil wäre der Fall. Die ver- erfolgt automatisch. Die Konzen- erfolgreiche Selbstwirksamkeit keit und körperlichen sowie tration beim Arbeiten wird darauf wirkt als Bewältigungsressource psychischen Belastbarkeit bei ausgerichtet, aufgabenrelevante in jenen Momenten, in denen das anderen aufkommen zu lassen. Informationen zu fokussieren Ereignis gut ausgeht. Die fehlen- Eine Einsatzkraft, die in einer und Unwesentliches auszublen- de Selbstwirksamkeit enttäuscht Nachsorgerunde schweigt, möchden. Einsatzkräfte möchten funk- die Handlungserwartung und das te vielleicht, dass alles bleibt wie tionieren. Im Funktionsmodus “Ich-Ideal” einer starken, situati- es ist. Sie möchte die aktuelle Fast 500 Einsätze mit direktem Bezug zum G20-Gipfel erhalten sie zugleich eine emo- onsführenden Einsatzkraft. Die Wertschätzung, die sie seitens (BS/mfe) Während des G20-Gipfels in Hamburg (lesen Sie dazu auch den Artikel auf Seite 38) hatte die Feu- tionale Distanz zum Einsatzge- Nichterfüllung des Berufsver- Vorgesetzen oder Kollegen beerwehr der Hansestadt 478 Einsätze zu bewältigen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Treffen schehen. Das schützt in vielen ständnisses wird als Niederlage kommt, erhalten. Menschen der Staats- und Regierungschefs standen. Die meisten davon, exakt 305, entfielen auf den Rettungsdienst. Einsätzen wie eine transparente gesehen. teilen die Annahme, dass bei Gleichzeitig habe es während des Großereignisses keine Attacken von Demonstranten auf Rettungskräfte Rüstung. Belastende Ereignisse Das Glas der Belastbarkeit ist körperlichen Erkrankungen eine gegeben. Das berichtete Fabian Gluck von der Hamburger Feuerwehr. werden somit als bewältigbar mit einem großen oder zahlrei- Versorgung vollständige Heilung erlebt. Emotionale Distanzierung chen kleineren Ereignissen zum bewirkt. Bei psychischen Erkranund das Grundvertrauen in die Überlaufen zu bringen. Es kommt kungen besteht eine hartnäckige Des Weiteren erläuterte der Sacheigene Stärke gehören oft zur im Rahmen des Dienstes von Befürchtung: “Das geht nicht gebietsleiter für den öffentlichen Identität einer Einsatzkraft dazu. Einsatzkräften zur Anhäufung weg.” Ein Nachsorgebedarf beRettungsdienst, dass es im Zuge Das vermittelt Sicherheit, um subtraumatischer und trauma- steht unbestritten. Ein Geflecht der Einsätze während des Gipdiesen Beruf ausüben zu können. tischer Erlebnisse. Dabei müs- äußerst rationaler und nachvollfels nur vier Bedrohungslagen Große Ereignisse wie etwa die sen es nicht immer eindeutige ziehbarer Gründe kann zum Zugegeben habe. Diese hätten nur tödliche Schussabgabe, sind in- Fälle sein, die ein Gefühl von rückbleiben und Schweigen bei Kräfte des Brandschutzes betroffen. Ungeachtet dessen habe eine zwischen als traumatisierendes Hilflosigkeit oder Versagen aus- gruppenbezogenen Einsatznachgemeinsame Einheit von Polizei Ereignis akzeptiert. Nach einem lösen. Oft sind es auch weniger bereitungsmaßnahmen führen. und Feuerwehr zum eventuell Es bedarf einer situationsansolchen Ereignis können trauma- spektakuläre Erlebnisse. Zum erforderlich werdenden Eindrintische Symptome in sinnvollen Beispiel wenn Polizisten zu einem gemessenen psychosozialen gen in und Bergen von sondergeZusammenhang gesetzt, erkannt Einsatz wegen häuslicher Gewalt Versorgung inklusive Vier-Auschützten Fahrzeugen existiert, und akzeptiert werden. Im besten gerufen werden. Zwar können gen-Gesprächen, bevor sich aus so Gluck. Darüber hinaus habe Fall erfolgt eine Nachbetreuung sie den Täter für einige Zeit aus temporären Belastungssymptodie Feuerwehr der Hansestadt im über zuständige Stellen, wie etwa der Wohnung verweisen, doch ist men Erkrankungen entwickeln. Psychologen, Psychiater, die So- meistens absehbar, dass dieser Es besteht die Chance, zahlreiche Vorfeld des Treffens ihr Konzept zialberatung oder Polizeipfarrer zurückkehrt und die übrigen Fa- Mitarbeiter gesund zu erhalten. zur Bewältigung eines Massenmilienmitglieder gefährdet. Oder Es sind auch die kleinen Aspekte, anfalls an Verletzten (MANV) Während des G20-Gipfels musste die Feuerwehr Hamburgs insgesamt rund 500 innerhalb der Organisation. Schlafprobleme, auftretende wenn bei einem Mordfall keine winzige Momente der Erschroüberarbeitet. So hätten sowohl Einsätze bewältigen, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Großereignis Hilfeleistungsfahrzeuge als auch standen. Foto: BS/magicpe, pixelio.de Bilder von Einsätzen oder getrig- ausreichenden Beweise gefun- ckenheit, Überraschung, dem gerte Erinnerungen treten aber den werden und die Ermittler Ausgeliefertseins gegenüber der Rettungswagen ergänzende Ausstattung erhalten und die Hilfs- nisieren und an die gestiegene sche Verwundetenversorgung auch nach Einsatzlagen auf, bei erahnen, für diesen Toten wird Situation, nicht ausreichend helorganisationen seien intensiver Bedrohungslage sowie die nach und Medizin. Das erste Konzept denen man diese nicht erwarten es keine Gerechtigkeit geben. fen zu können, Schaden nicht eingebunden worden. Die Anforderungen der Berufs- begrenzen können, Mitgefühl Terroranschlägen auftretenden hierzu habe es erst 1996 gege- würde. In der straffen Taktung kriegsähnlichen Verletzungsbil- ben, erläuterte der Mediziner. des Einsatzalltags können diese rolle, das aufrechtzuerhaltende oder Ähnlichkeit mit den BeDIN-Norm unzureichend der anzupassen. Die entspre- Außerdem beschrieb Lechner drei Symptome normalisiert, ignoriert Außenbild für zivile Betroffene troffenen und den Angehörigen Des Weiteren seien die Ret- chende DIN-Norm sei unzurei- Phasen der taktischen Medizin. oder verdrängt werden. Befrag- und eben gleichzeitig das Selbst- zu verspüren. Sie sind ebenfalls tungsmittelvorhaltung sowie die chend, meint Sascha Reglin von Diese seien die Versorgung un- te Einsatzkräfte äußern, dass bild einer Einsatzkraft lassen Menschen, welche vom Ereignis Personalstärke erhöht worden der Berliner Feuerwehr. So soll- ter direkter Täterwirkung und es zwischen den Einsätzen zum wenig Raum für die Akzeptanz überrascht werden. und die Maßnahmen hinsichtlich ten auf den Fahrzeugen künftig Bedrohung, die Versorgung in Glück wenig Zeit gäbe, darü- posttraumatischer Symptome. *Isa Julgalad ist Psychologin mit der psycho-sozialen Notfallver- unter anderem Nasal- und Wen- unmittelbarer Nähe der Gefahr ber nachzudenken. Auch in der Teilweise werden sie normalisorgung seien ausgeweitet wor- deltubusse sowie Thoraxpflaster und die Versorgung während Freizeit bemühen sie sich, den siert, ohne Unterstützung bei klinischem und organisationspsyden. Auch habe die Hamburger verfügbar sein. Ebenso brauche des Transports, also im sicheren Dienst nicht mit nach Hause der Verarbeitung aufzusuchen. chologischem Hintergrundwissen. Feuerwehr den Großeinsatz nicht es spezielle Druckverbände für Bereich. zu nehmen. Die zunehmenden Einige Einsatzkräfte verdrängen Reinhard Voigt war Polizeipfarrer. alleine bewältigen müssen, lobte schwere Blutungen und TourGrundsätzlich unterstrich Lech- Alarmierungen beinhalten jedoch sie bewusst, suchen vermehrt Zum Thema “Traumatisierten Gluck auf der Fachmesse RETT- niquets. Reglin forderte: “Wir ner: “Militärische Erfahrungen zunehmend mehrere Einsätze intensivere Einsätze, beschäfmobil in Fulda. Unterstützung brauchen dringend eine Kon- und Algorithmen bilden die mit nennenswerten Eindrücken, tigen sich mit Glücksspiel oder und belasteten BOS-Einsatzhabe es aus Berlin, Hannover sensfindung und eine Fachemp- Grundlage der taktischen Me- selbst wenn sie subtraumatisch betäuben sich mit Alkohol. An- kräften begegnen” findet am 25. und Nordrhein-Westfalen gege- fehlung für die Ausstattung der dizin.” Sie sei ein Instrument zur sind, und Situationskonstella- dere können sie abspalten und Oktober 2018 in Berlin ein FühRettungswagen.” Bewältigung besonderer Lagen tionen, in denen die Ausübung nähern sich damit der inneren rungskräfte Forum statt. Weiteben. Dr. Raimund Lechner vom und hänge in den Details von der Berufsrolle des Helfens und Taubheit an. Nach einem Erleben re Informationen unter: www. Aus der Bundeshauptstadt kam die Forderung, die Ausstattung Bundeswehrkrankenhaus Ulm der jeweiligen taktischen Situ- Schützens und eigene, angestreb- traumatischer Symptome besteht fuehrungskraefte-forum.de; Suchte Handlungen durch äußere das Bedürfnis, keine Zweifel an begriff: “Einsatzkräfte” der Rettungswagen zu moder- wiederum erläuterte die takti- ation ab.

Einsatzkräfte im Spannungsfeld

Hamburger Feuerwehr stark gefordert


Wehrtechnik / Drohnen

Behörden Spiegel / Juni 2018

Ihre “Einsatz-Feuertaufe” hat die deutsche “Heron1” in Afghanistan erlebt. Schon länger hatte die Bundeswehr-Führung eine große Aufklärungsdrohne für ihr ISAF-Kontingent im Rahmen der NATO-Stabilisierungsmission am Hindukusch gefordert. Schließlich standen im Jahr 2009 zwei Modelle zur Auswahl: die “Heron” von IAI und die RQ-1 “Predator” des US-Herstellers General Atomics. Das “Rennen” im Rahmen einer sog. “beschleunigten Einsatzbeschaffung” machte schließlich das IAI-Produkt, das bei der Bundeswehr die Bezeichnung “Heron 1” erhielt. Schließlich wurden drei Exemplare der unbewaffneten israelischen Aufklärungsdrohne ab 2010 von einem Konsortium, bestehend aus IAI und Rheinmetall, geleast. Bereits seit Ende des Jahres zuvor erfolgt die rund zehnwöchige Ausbildung des ausschließlich militärischen Bedienungspersonals aus Deutschland in Israel. Betrieb und Wartung erfolgen in Afghanistan durch Mitarbeiter von Airbus. Erstmals setzte die Bundeswehr Aufklärungsdrohnen außerhalb Deutschlands auf dem Balkan ein: Das unbemannte Artillerieaufklärungssystem CL-289, ab 1990 in Dienst gestellt, wurde zuerst im Rahmen der NATOSchutztruppe SFOR in Bosnien und Herzegowina verwendet. Damit war die Bundeswehr eine der ersten Armeen der Welt, die mit einem unbemannten Luftaufklärungssystem ausgestattet wurden. In den Jahren 1998 und 1999 kam dieses deutschkanadische Modell der Firmen Dornier und Canadair auch im Kosovo zum Einsatz. Im Jahr 2000 flog die Bundeswehr die neu entwickelte MALE-Drohne des Heeres vom Typ LUNA im Rahmen der NATO-geführten KFOR-Mission und über dem benachbarten Mazedonien. Diese “Luftgestützte Unbemannte

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Beständig im Einsatz

im Originalmaßstab erstmals öffentlich gezeigt. Verfügbar soll die künftige Euro-Drohne frühestens Mitte des kommenden Jahrzehnts sein.

Unbemannte Luftfahrzeuge der Bundeswehr (BS/Dr. Gerd Portugall) Jüngstes Einsatzgebiet für deutsche Aufklärungsdrohnen ist das westafrikanische Mali. Im Rahmen der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA waren im Herbst 2016 insgesamt drei unbemannte Luftfahrzeuge (engl. UAS für “Unmanned Aerial Systems”) der Bundeswehr vom Typ “Heron 1” nach Gao im Westen des Sahel-Staates verlegt worden. Die allwetterfähige “Heron” ist eine sog. MALE-Drohne (“Medium Altitude Long-Endurance”) des israelischen Herstellers IAI (Israel Aerospace Industries Ltd.). Im Juli 2016 hatten das Koblenzer Beschaffungsamt (BAAINBw) sowie die Airbus Defence and Space GmbH einen entsprechenden Leasing-Vertrag geschlossen. scheidung hatte der unterlegene Mitbewerber General Atomics Beschwerde eingelegt. Im Mai des vergangenen Jahres wies das Oberlandesgericht Düsseldorf diese Beschwerde jedoch ab.

Die Euro-MALE-Drohne

Die Koalitionäre sollen sich nun doch als Überbrückungslösung für die Beschaffung der “Heron TP” entschieden haben, bis eine gemeinsame europäische MALE-Drohnen zu einem späteren Zeitpunkt marktverfügbar ist. Foto: BS/Portugall

Nahaufklärungsausstattung” (LUNA) ist ein Produkt der EMT Ingenieurgesellschaft mbH.

Die “Heron 1” Die “Heron 1” dient als sog. “begleitendes System”: Das ferngesteuerte Luftfahrzeug mit einer Spannweite von immerhin 16 Metern bei einem maximalen Startgewicht von 1,2 Tonnen kann z. B. vor Konvois fliegen und Gefahren frühzeitig erkennen. Mit einer Reichweite von über 1.000 Kilometern kann sie – je nach Konfiguration – über 30 Stunden nonstop in der Luft bleiben. Durch einen überlappenden Einsatz von mindestens zwei ferngelenkten Fluggeräten dieses Typs und zwei Bodenstationen, von denen aus die militärischen Luftfahrzeugführer den Flug durchführen, wird eine dauerhafte Überwachung eines

Einsatzraumes von bis zu 72 Stunden sichergestellt.

Die “Heron TP” Als mittelfristige Übergangslösung hat sich die Bundeswehr für ein leistungsfähigeres System als die “Heron 1” ausgesprochen. Ein weiteres Auswahlkriterium sollte die Bewaffnungsfähigkeit sein. Schon lange hat die militärische Führung der deutschen Streitkräfte die Beschaffung von sog. “Kampf-Drohnen” zum Schutz der eigenen Kräfte gefordert. Im Koalitionsvertrag vom März dieses Jahres steht dazu: “Als Übergangslösung wird die Drohne “Heron TP” geleast. (...) Vor einer zukünftigen Beschaffung von bewaffnungsfertigen (!) Drohnen sind die konzeptionellen Grundlagen für ihren Einsatz zu schaffen.” Der nun offenkundig erzielte Kompromiss zwischen Union und SPD sieht vor, das größere IAI-

Produkt zu beschaffen, dessen Bewaffnungsfähigkeit (inklusive Ausbildung und Munition) aber noch nicht zu beauftragen. Gegen die ursprüngliche Auswahlent-

Im aktuellen Koalitionsvertrag steht auch: “Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Euro-Drohne weiterführen.” Längerfristig soll nämlich das Projekt eines gemeinsam zu entwickelnden und zu beschaffenden unbemannten MALESystems realisiert werden. Auf der diesjährigen Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin wurde ein gemeinsames Modell von Airbus, Dassault Aviation und Leonardo

Ausblick Ab 2020 sollen LUNA und KZO (Kleinfluggerät für Zielortung) der Bundeswehr von der LUNA NG (“Next Generation”), ebenfalls von EMT, ersetzt werden. Die Planungen der deutschen Luftwaffenführung zeigen zwar, dass die Anzahl – und damit auch die Bedeutung – von Drohnen weiter zunehmen wird. Gleichzeitig betonen die Herren aber, dass man nie vollständig auf bemannte Systeme würde verzichten können. Die Luftfahrtindustrie arbeitet dabei u. a. an alternativen Optionen, d. h. an Luftfahrzeugen, die je nach Lage und Auftrag wahlweise bemannt oder unbemannt geflogen werden können. Die US-Streitkräfte haben den Hubschrauber “K-Max” von Lockheed Martin in Afghanistan bereits sowohl bemannt als auch ferngesteuert eingesetzt. Auch haben sie von Kampfflugzeugen aus testweise ganze DrohnenSchwärme ausgesetzt.

MELDUNG

Beschaffungsvertrag geschlossen (BS/mfe) Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) mit Sitz in Koblenz hat einen Vertrag über die Beschaffung und logistische Versorgung sowie Instandhaltung eines unbemannten Luftfahrzeugs zur luftgestützten optischen beziehungsweise optronischen Auf­klärung im taktischen Nahbereich geschlossen. Hauptauftragnehmer ist die ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH. Von dem System versprechen

sich die Verantwortlichen die Sicherstellung der Fähigkeit zur unabhängigen taktischen Aufklärung sowie zur Lagebildfortschreibung für hochmobile Kräfte im maritimen Umfeld. Das Vertragswerk umfasst die Beschaffung, Zulassung und die Gesamtbetreuung von drei Systemen “Puma” AE II mit je zwei Luftfahrzeugen. Die Unbemannten Luftfahrzeuge wiegen weniger als sieben Kilogramm, verfügen über eine Einsatzdauer von etwa drei Stunden und eine

Reichweite von circa 20 Kilometern. Des Weiteren können sie aus der Hand gestartet und auf Wasser gelandet werden.

Die “Puma AE” II sind sehr leicht. Foto: BS/AeroVironment

Berliner Polizei setzt auf zwei Drohnen

Einsatzmittel im städtischen Gebiet

Auch Kollegen in Bayern nutzen u nbemannte Luftfahrzeuge

Wie können UAVs eine effiziente und sichere Ergänzung sein?

(BS/mfe) Unbemannte Luftfahrzeuge können für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) einen deutlichen Mehrwert bei der Erfüllung ihrer Einsatzziele haben. Aus diesem Grunde setzen Polizeien und Feuerwehren hierzulande immer öfter auf diese Drohnen. So auch in der Bundeshauptstadt und dem Freistaat Bayern.

(BS/Robert Holder*) Dieser Fragestellung widmet sich seit 2015 ein Team von Airbus. Das Resultat dieser Überlegungen konnte erfolgreich dem Landeskriminalamt Bayern im Rahmen einer Leistungsschau im Juli 2017 vorgestellt werden. Dort wurde der Prototyp des elf Meter langen und bis zu 60 Stundenkilometer schnellen, autonomen Luftschiffs “Altair” präsentiert, welches primär für den sicherheitskritischen, städtischen Einsatz entwickelt wurde.

Bei der Berliner Polizei sind zwei entsprechende Systeme im Einsatz. Genutzt werden sie laut Thomas Kuntzagk vom Kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamtes zum Anfertigen von Aufnahmen nach Verkehrsunfällen sowie an Tat- und Ereignisorten. “Ebenso verwenden wir die Systeme zur Dokumentation von Zu- und Abgängen, zur Verfolgung von Umweltdelikten sowie für Vermessungsarbeiten zur Erstellung von Lageplänen.” Im vergangenen Jahr seien die unbemannten Luftfahrzeuge stadtweit an 140 Örtlichkeiten

Mehrere Polizeibehörden in Deutschland, darunter jene in Berlin und Bayern, nutzen mittlerweile unbemannte Luftfahrzeuge. Foto: BS/Feldmann

für polizeiliche Nutzungen geflogen. Die jeweiligen Flugzeiten seien dabei mit rund 20 bis 30 Minuten noch recht kurz gewesen, räumt Kuntzagk ein. Dies habe vor allem an dem hohen Stromverbrauch und den Akkus gelegen, die sich schnell entleert hätten. Die Hauptstadt-Polizei setzt im Übrigen schon seit Längerem auf Drohnen. Schon 2009 wurde laut Kuntzagk das erste

System angeschafft. Dieses habe über eine einfache Kamera mit einer Auflösung von zehn Megapixeln verfügt und sei vor allem für Überblicksaufnahmen genutzt worden. 2015 sei dann ein neues, zusätzliches Gerät mit einer hochwertigeren Kamera erworben worden. Aus den damit aufgenommenen Bildern könnten sogar dreidimensionale Modelle erstellt werden, die für Vermessungen von Nutzen seien.

Derzeit Pilotversuch in Bayern Auch in Bayern greift die Polizei seit 2015 auf Drohnen zurück. Sie wurden teilweise bereits beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau vorgehalten. Zudem verwendet das Landeskriminalamt die Systeme unter anderem zur Ortung von Handysignalen bei der Suche nach Vermissten. Und die Spezialkräfte nutzen eine Drohne mit installierter Kameratechnik. Darüber hinaus läuft derzeit ein Pilotversuch mit weiteren Multicoptern. In dessen Rahmen können – wahrscheinlich noch bis Anfang nächsten Jahres – alle Polizeidienststellen im Freistaat bei Bedarf Drohnen anfordern. Die Erprobung kostet rund 75.000 Euro. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte dazu: “Unsere neuen Drohnen werden die taktischen Möglichkeiten der Polizei weiter verbessern.” Einen Mehrwert sieht der Ressortchef etwa bei Gefahren- und Schadenslagen sowie bei der Tatortarbeit und

der Verkehrsunfallaufnahme. Dies gelte insbesondere, sofern der Polizeihubschrauber witterungsbedingt nicht zur Verfügung stehe. Eine Nutzung bei Demonstrationen und anderen Versammlungslagen sei aufgrund der strengen rechtlichen Rahmenbedingungen zunächst aber nicht geplant.

Eigene Arbeitsgruppe eingerichtet Die drei neuen Drohnen mit hochauflösenden Kameras sind bei der Bereitschaftspolizei in Nürnberg, beim Polizeipräsidium Oberbayern Nord am Flughafen Erding und bei den Spezialeinheiten Südbayern in München stationiert. Insgesamt verfügt die Landespolizei laut dem CSU-Politiker damit über sechs unbemannte Luftfahrzeuge. Koordiniert wird ihr Einsatz von der extra eingerichteten Arbeitsgruppe “Multicopter”. Diese steht unter der Leitung von Polizeidirektor Thomas Vieweg, Chef der Polizeiinspektion Spezialeinheiten Südbayern. Um die in der Pilotphase gesammelten Erfahrungen effektiv auswerten zu können, wird laut Herrmann jeder Einsatz der Polizeidrohnen dokumentiert und analysiert. “Dabei prüfen unsere Experten insbesondere, ob der Einsatzzweck für das Fluggerät geeignet war, das gewünschte Einsatzziel erreicht wurde und welche Optimierungsmöglichkeiten bestehen”, schloss der Minister.

“Altair” bietet eine für andere Drohnen unerreichte passive Sicherheit, welche Überflüge von Städten und Menschenmengen ermöglicht. Helium sorgt hierbei für den Auftrieb und ein resultierendes Gewicht von nur 1.000 Gramm bei einem Volumen von 30 Kubikmetern. Damit ist “Altair” leicht genug, um im Fehlerfall langsam und kontrolliert zu Boden zu kommen. Die hohe Sichtbarkeit in der Luft ermöglicht es zudem bemannten Flugzeugen, “Altair” aus Entfernungen von über drei Kilometern zuverlässig zu erkennen und Kollisionen zu vermeiden. Ergänzend wurde ebenfalls die psychologische Wirkung von UAVs auf die Bevölkerung berücksichtigt: Der elektrische Antrieb und die geringe benötigte Leistung führen bereits ab einer Entfernung von 50 Metern zu einem geräuschlosen Flug, was Irritationen am Boden vermeidet und zudem eine attraktive Lösung für Nachtflüge darstellt. Zudem kann “Altair” weithin sichtbar als polizeiliches Einsatzmittel gekennzeichnet werden, was für Transparenz und Präsenzwirkung sorgt. Im Gegensatz zu teils martialisch anmutenden Drohnen haftet Luftschiffen ein sehr positives und freundliches Image an, welches das Potenzial für eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung hat. Auf dieser Basis kann “Altair” ein breites Spektrum an polizeili-

chen Aufgaben unterstützen und eine Ergänzung zu bestehenden Fähigkeiten von Helikoptern und Fahrzeugen bieten. Mit einem Einsatzradius von fünf Kilometern und Flugzeiten über drei Stunden ermöglicht “Altair” eine flächendeckende Überwachung städtischen Gebiets in Höhen von 100 bis 300 Metern. Es können Sensoren und Aktoren mit einen Gesamtgewicht von fünf Kilogramm integriert werden, welche sich binnen weniger Minuten austauschen lassen. Eine Überwachungskamera mit Detektionsreichweiten von drei Kilometern und fortschrittlichen Bildauswerteverfahren unterstützt die automatische Verfolgung wie Erkennung von Objekten und Personen im optischen sowie thermalen Spektrum. Ein Lautsprecher und Suchlicht ermöglichen die Interaktion mit Personen am Boden über große

Das autonome Luftschiff “Altair”

Reichweiten. Dabei lassen sich mehrere “Altair”-Systeme kostengünstig kombinieren, um die Abdeckung und Einsatzmöglichkeiten weiter zu erhöhen. “Altair” bietet eine kostengünstige und flexible Möglichkeit, die polizeiliche Präsenz und das urbane Lagebewusstsein zu erhöhen, ohne ein zusätzliches Risiko eingehen zu müssen. Airbus übernimmt hierbei den Flugbetrieb und die polizeilichen Kräfte können sich exklusiv auf die Bedienung der Nutzlasten konzentrieren. Kontakt für weitere Informationen und eine Demonstration von “Altair”: Robert Holder (robert. holder@airbus.com). *Robert Holder ist Project Leader ALtAIR TCBB – Future Applications bei der Airbus Defence and Space GmbH.

Foto: BS/Airbus


Wehrtechnik

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ehörden Spiegel: Militärische Beschaffungsprojekte werden seit jeher kontrovers diskutiert – zunehmend auch unter rechtlichen Aspekten. Von einer “Verrechtlichung der Rüstungsbeschaffung” ist die Rede, seitdem 2015 das große Vergabeverfahren Mehrzweckkampfschiff 180 gestartet wurde. Sehen Sie diese Debatte kritisch?

Behörden Spiegel / Juni 2018

Profigeschäft Rüstungsbeschaffung Verfahrensrechtliche und Praktikabilitätsgesichtspunkte (BS/por) Die Inhalte des aktuellen Koalitionsvertrages sind politisch und medial vor- und rückwärts dekliniert worden. Wie steht es jedoch um die rechtliche Auslegung – gerade auch bei der Rüstungsbeschaffung? Dazu äußerte sich Fachanwalt Dr. Robert Glawe, Juniorpartner der Rechtsanwaltssozietät Oppenhoff & Partner, gegenüber dem Behörden Spiegel.

Dr. Glawe: Nein. Ministerin von der Leyen hat bereits zu Beginn ihrer ersten Amtszeit deutlich gemacht, dass die Bundesregierung das elementare Prinzip unserer Wirtschaftsordnung – den gleichberechtigten Wettbewerb – auch im Wehrbereich konsequent angewendet wissen will. Das ist seither der bestimmende Maßstab in allen Beschaffungsprojekten. Die Anwendung vergaberechtlicher Vorschriften ist der deutlichste Ausdruck davon.

Behörden Spiegel: Was beabsichtigt der Koalitionsvertrag im Einzelnen? Dr. Glawe: Der Koalitionsvertrag enthält zwei auffallend detailreiche Ansätze, um von wettbewerblichen Vergaben frei zu werden: Im Hinblick auf Auslandseinsätze soll § 12 der Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) – d. h. die nicht-wettbewerbliche Auftragsvergabe – einen größeren Stellenwert erhalten. In Bezug auf die definierten Schlüsseltechnologien sucht man die Vermeidung von Vergabeverfahren über eine Ausnahmeregelung aus dem EUVertrag. Behörden Spiegel: Sehen Sie in der Hervorhebung dieser Ausnahmeregelungen eine Antwort auf die “Verrechtlichung” der Rüstungsbeschaffung? Dr. Glawe: Der vermeintlichen “Verrechtlichung” mit noch komplizierterem Recht zu begegnen, halte ich für keine gute Idee. Mit der konsequenten Durchführung wettbewerblicher Vergabeverfahren wendet der Auftraggeber ein Rechtsregime an, das spätestens seit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2009/81/EG geltendes nationales Recht ist. Damit vollzieht sich auf dem Gebiet der Rüstungsbeschaffung eine Entwicklung, die im zivilen Beschaffungswesen bereits vor einem Vierteljahrhundert Einzug gehalten hat. Behörden Spiegel: Sie kommentieren den im Koalitionsvertrag benannten § 12 VSVgV in einem führenden Kommentar zum Vergaberecht. Weshalb sehen Sie dessen Anwendung kritisch? Dr. Glawe: Das nicht-wettbewerbliche Verhandlungsverfahren – landläufig “Direktvergabe” genannt – ist als absoluter Ausnahmefall konzipiert. Es erfolgt außerhalb jeglichen Wettbewerbs und läuft damit unserer Vorstellung von marktwirtschaftlicher Ordnung diametral zuwider. Gleichwohl kann es gerade bei

Behörden Spiegel: Dadurch wird der Ausschreibungsaufwand für den Auftraggeber nicht gerade geringer. Dr. Glawe: Der Aufwand wird für keine Seite geringer, erst recht nicht bei Ausnahmeverfahren. Die Rüstungsbeschaffung wird Profigeschäft, miese Vertragsstandards wird niemand mehr akzeptieren. Der Beschaffungsbereich der Bundeswehr hatte ja in den Jahren 2014/15 enorm an Fahrt aufgenommen. Ich kann niemandem raten, noch unpräpariert nach Koblenz zu reisen – und weiter an den Weihnachtsmann zu glauben, dem man “nicht in die Hand beißt”.

Behörden Spiegel: Der neue Koalitionsvertrag lässt allerdings etwas anderes vermuten, wenn er davon spricht, “zum Erhalt nationaler Souveränität” vergaberechtliche Spielräume konsequenter zu nutzen. Dr. Glawe: Das ist kein Widerspruch. Unser Wettbewerbs- und Vergaberecht ist eine sehr vielfältige Materie, die oft nur auf überbordende Formalia in den Vergabeverfahren reduziert wird. Dabei bietet es viel kreativen Freiraum, um den fairen Wettbewerb unter Berücksichtigung angemessener Kosten zu ermöglichen. Das Ausloten von Spielräumen – also die Definition des RegelAusnahme-Verhältnisses – ist der Schlüssel dazu.

schiedlichen Industriestrukturen zu berücksichtigen. In Deutschland ist die Wehrindustrie privatwirtschaftlich organisiert. Dieses Alleinstellungsmerkmal darf und muss in der Eignungsprüfung von Vergabeverfahren berücksichtigt werden.

Behörden Spiegel: Mit diesem Bonmot spielen Sie auf die einst verbreitete Furcht an, die Bundeswehr als Hauptkunden durch Verfahrensrügen nachhaltig zu verärgern. Wird die prozessuale Auseinandersetzung vor der Vergabekammer nun zum Regelfall?

Vier Mehrzweckkampfschiffe 180 mit einem geschätzten Volumen zwischen 3,5 und vier Milliarden Euro sollen ab 2023 für die Bundeswehr beschafft werden. Grafik: BS/BAAINBw

Dr. Robert Glawe ist Juniorpartner im neu eröffneten Hamburger Büro der Rechtsanwaltssozietät Oppenhoff & Partner und Reserve­offizier in der Panzertruppe. Er berät als Fachanwalt für Vergabe­recht vornehmlich bei sensitiven Beschaffungen im Sicherheits- und Verteidigungs bereich. Foto: BS/Dr. Glawe

Auslandsbezug durchaus solche Fälle geben – siehe die Entscheidung des OLG Düsseldorf zur “Heron”-Drohne. Eine krasse Ausnahme durch einen Koalitionsvertrag quasi zur Regel zu erheben, verkehrt jedoch den Normzweck ins Gegenteil. Behörden Spiegel: Was steckt dahinter, solche Ausnahmevorschriften derart prominent im Koalitionsvertrag hervorzuheben? Dr. Glawe: Eine Verzweiflungstat – nachdem man ja jüngst mehrmals ein Fiasko bei Großprojekten erleben musste! Doch es führen nicht die (übrigens sehr knappen) Mindestfristen des Vergaberechts zu den langwierigen Prozessen, sondern das strukturelle Unvermögen, die geforderte Leistung treffend zu beschreiben. Behörden Spiegel: Fehlen dem Auftraggeber die Ressourcen, um rascher und rechtssicherer beschaffen zu können? Dr. Glawe: Die Ressourcen werden sicher nicht größer werden, deshalb kommt es auf den richtigen Einsatz an. Wir leisten uns z. B. mit der “25-Mio.-Vorlage” einen arbeitsaufwendigen und völlig überzogenen Entscheidungsvorbehalt des Haushaltsausschusses, der schlicht verfassungswidrig ist. Solches Sich-selbst-Verwalten bindet nicht nur enorme Ressourcen, sondern schafft auch eine unzeitgemäße Mentalität von Rückversicherung und Risikoaversion. Dafür steht sinnbildlich der “horizontale Mitzeichnungskamm”. Die Rüstungsbeschaffung erfolgt immerhin zur Auftragserfüllung der Soldaten – die das Gesetz

ja auf Tapferkeit verpflichtet. Diese Tugend sollte den gesamten Wehrbereich prägen! Behörden Spiegel: An welcher Stelle ist rechtlich eine Beschleunigung bei Großprojekten möglich?

Dr. Glawe: Die Industrie muss ihr Know-how stärker in der Vorbereitungsphase von Vergaben einbringen. Der Auftraggeber muss ihr das auch ermöglichen, etwa durch angemessenen IP-Schutz und durch die Einbindung von Projektanten. Die “Projektantenproblematik” ist seit der Vergabereform 2016 entschärft und mit einfachen Mitteln zu bewältigen. Ein Wettbewerb bereits auf der konzeptionellen Stufe kann daher zum Schlüssel für schnelle und rechtssichere Beschaffung werden – mit externen Planern. Vielleicht braucht es eine Entflechtung für neutrale Planungsleistungen. Die Zukunft wird ohnehin kooperativen Initiativen von Auftraggeber- und Industrieseite gehören. Dass der neue CPM die “Innovationspartnerschaft” als Verfahrensart enthält, lässt ja progressive Vordenker unter den Autoren erkennen. Behörden Spiegel: Jüngsten Presseberichten zufolge haben Berater der nun ausgeschiedenen Staatssekretärin Suder empfohlen, eine bundeseigene “BwServices GmbH” für die Beschaffung von Großprojekten einzurichten. Die “komplexen Regeln des Beschaffungswesens” sollen durch ein “Gesetz zur vorübergehenden Erleichterung der Rüstungsbeschaffung zeitweise außer Kraft gesetzt” werden. Ist das rechtlich möglich? Dr. Glawe: Auch ein Parlamentsgesetz kann die eingangs skizzierten Bedingungen der EURichtlinien nicht aufheben. Das wäre auch gar nicht nötig: BwEigengesellschaften bestehen ja bereits im Fuhrpark-, Instandsetzungs- und Bekleidungsbereich. Gleichwohl müsste eine bun-

deseigene “BwServices GmbH” als öffentlicher Auftraggeber ebenfalls das Vergaberecht anwenden. Der Vorteil läge in der stark verkürzten “Hühnerleiter” der Behördenhierarchie – wenn die GmbH unmittelbar an den Rüstungsdirektor im BMVg berichten würde. Behörden Spiegel: Welche Entwicklung befürchten Sie bei der vermehrten Anwendung der Direktvergabe? Dr. Glawe: Neues Material wird deswegen nicht früher kommen, sondern später. Nicht berücksichtigte Unternehmen müssen nun zwangsläufig den Rechtsweg in Anspruch nehmen, sonst haben sie auf Jahre hinaus schlicht keine Möglichkeit zur Marktteilnahme. Und bei den großvolumigen Einzelaufträgen, die etwa bei der Digitalisierung der Streitkräfte oder in der Dimension Luft bevorstehen, wird es sich kein Unternehmen leisten können, der Direktvergabe an einen Wettbewerber klaglos zuzusehen. Nachprüfungsverfahren müssten zum Regelfall werden – eine verheerende Entwicklung!

Behörden Spiegel: Als Rechtsanwalt sollte Sie diese Entwicklung doch zuversichtlich stimmen? Dr. Glawe: Niemand sucht den Rechtsstreit als Selbstzweck. Das Recht ist in einer dienenden Rolle – und hat hier einzig die Aufgabe, dem Staat eine wirtschaftliche Beschaffung sowie den Unternehmen gleichberechtigt den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu ­ermöglichen. Behörden Spiegel: Stichwort “Gleichberechtigung”: Andere EUStaaten berufen sich häufiger auf nationale Sicherheitsinteressen, namentlich auf Art. 346 des Lissabon-Vertrags … Dr. Glawe: … und werden dafür permanent vom EuGH auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt! Der EuGH wird nicht müde, die Mitgliedsstaaten bei Umgehungen des Binnenmarktes empfindlich zu strafen – zuvorderst Italien und Frankreich, jüngst Österreich. Rechtssicherheit stelle ich mir anders vor. Zur Gleichberechtigung der potenziellen Bieter im EU-Wirtschaftsraum zählt übrigens auch, die unter-

Dr. Glawe: Hoffentlich nicht! Zum einen fehlt es dort an einer tiefen Branchenkenntnis. Langlaufende Aufträge im engen Rüstungsmarkt mit ihren immensen technologischen und logistischen Anforderungen sind eben nicht der hoch kompetitive Dienstleistungsmarkt. Das erfordert eine besondere Sensibilität, auch unter den streitentscheidenden Juristen. Mir schwebt für die Zukunft ein außergerichtlicher Streitschlichtungsmechanismus für die Rüstungsbeschaffung vor, der einen Bieterkonflikt nicht eskalieren lässt. Für diese Idee suche ich noch Verbündete, doch in meiner Generation nehme ich weniger Vorbehalte wahr. Juristische Expertise wird in zukünftigen Beschaffungsverfahren stärker eine vorbereitende und moderierende Rolle einnehmen – weniger eine final entscheidende.

Mehr zum Thema Dr. Robert Glawe gibt zusammen mit Prof. Dr. Heiko Höfler am 12. September 2018 in Düsseldorf das Seminar “Die neue Beschaffungspraxis der Bundeswehr. Rechtsfallen der Rüstungsbeschaffung”. Mehr Informationen unter www.fuehrungskraefte-forum.de


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Juni 2018

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Neues aus der Wehrtechnik USA modernisieren und erweitern Drohnen-Flotte

Auftrag aus Rumänien

General Atomics

Raytheon

(BS) Nach der Außerdienststellung der MQ-1 “Predator A” modernisiert und erweitert die U.S. Air Force ihre Flotte der MQ-9A “Predator B” des Herstellers General Atomics Aeronautical Systems (GA-ASI). Im Frühjahr wurden die letzten der insgesamt 268 “Predator A” nach über 23 Jahren im Einsatz offiziell außer Dienst gestellt. Sie war das erste MALE UAS (Medium-Altitude LongEndurance Unmanned Aerial System) weltweit. Seit 2006 betreibt die US-Luftwaffe die größere und leistungsfähigere MQ-9A “Predator B”. Im Rahmen eines groß angelegten Modernisierungsauftrages werden 122 unbemannte Flugzeuge des Typs MQ-9A “Block 1” auf den “Block 5”-Standard umgerüstet. Kern der Weiterentwicklung sind Verbesserungen bei der Stromerzeugung, der Kommunikation und den Datenübertragungsraten.

Optional lassen sich die Flügel der MQ-9B “SkyGuardian” am MQ-9A “Predator B” nachrüsten. Dies ermöglicht eine Erhöhung der Flugdauer von 27 auf 42 Stunden. Gleichzeitig erweitert die U.S. Air Force ihre “Predator-B”-Flotte: Die Auslieferung der zusätzlichen Systeme im Gesamtwert von 296 Millionen US-Dollar soll bis 2021 erfolgen.

Eine MQ-9A “Predator B Block 5” der US-LuftMehr Informationen unter­ waffe www.ga.com Foto: BS/Portugall

(BS) Das US-Heer wird der Raytheon Company im Rahmen des “Foreign Military Sales”-Programms einen Auftrag über 395,8 Millionen US-Dollar für die Produktion des Luftverteidigungssystems “Patriot” erteilen, das für den NATO-Partner Rumänien bestimmt ist. Letzterer wird das System dann direkt vom Pentagon erwerben. “Wir haben bereits mehr als 220 “Patriot”-Feuereinheiten gebaut. Die Produktionsrisiken, wie sie bei unvollständig entwickelten Systemen auftreten, treffen also nicht auf “Patriot” zu”, sagte Tom Laliberty, Vice President von Integrated Air and Missile Defense bei Raytheon Integrated Defense Systems. “Derzeit arbeiten wir an der Einbindung der rumänischen Industrie in unsere globale Lieferkette.” Unterdessen ist die Notifizierung des US-Kongresses über einen möglichen Verkauf von “Patriot”

an das formal neutrale Schweden abgeschlossen. Anfang Mai gab die Behörde für Verteidigungsmaterial (FMV) in Stockholm den Erhalt des entsprechenden Angebots für das Luftverteidigungssystem bekannt. Bisher nutzen bereits fünf europäische Staaten “Patriot”. Mehr Informationen ­unter ­www.raytheon. com

SpaceDataHighway

Neue Sicherheitskonzepte für Cloud und Web

Airbus Defence and Space

Rohde & Schwarz Cybersecurity

(BS) Der “SpaceDataHighway” hat als weltweit erstes weltraumgestütztes Gegenstück zu terrestrischen Glasfasernetzen die Rekordmarke von 10.000 Laserverbindungen erreicht. Die Zuverlässigkeit des auf moderner Lasertechnologie basierenden Systems liegt derzeit bei 99,8 Prozent. In den ersten anderthalb Jahren seines Regelbetriebs wurden über diese Verbindungen mehr als 500 Terabyte Daten heruntergeladen. Der “SpaceDataHighway” ist eine Öffentlich Private Partnerschaft (ÖPP) zwischen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) sowie Airbus Defence and Space als Eigentümer und Betreiber des Systems. Die Laserterminals wurden von der Tesat-Spacecom GmbH & Co.KG sowie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR Raumfahrtmanagement) entwickelt.

Die System-Satelliten schalten sich über Laser auf andere Satelliten auf, die tausende von Kilometern unter ihnen aus niedrigeren Erdumlaufbahnen die Erde scan- Schematische Darstellung der nen, und sammeln Funktionsweise des SpaceDataderen Daten. Die Highways enormen DatenGrafik: BS/Airbus Defence and Space mengen werden in Fast-Echtzeit mit einer Geschwindigkeit von 1,8 Gigabit in der Sekunde an die Erde übermittelt. Mehr Informationen unter www.airbus.com

(BS) Die Rohde & Schwarz Cybersecurity GmbH wird auf der CEBIT Mitte Juni u. a. die CloudSecurity-Lösung “R&S Trusted Gate” präsentieren. Sie setzt auf eine neue Art der Absicherung von Daten in der Cloud mittels “datenzentrischer Sicherheit”. Dafür kommen neuartige Technologien zum Einsatz, die Verschlüsselung, Virtualisierung und Fragmentierung der Daten in einer ganzheitlichen Lösung verbinden. “R&S Trusted Gate” unterstützt bei der Umsetzung der Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) beim Umgang mit personenbezogenen Daten und lässt sich problemlos in bereits bestehende CloudUmgebungen, Microsoft SharePoint oder Office 365 einbinden. Das Unternehmen aus München wird auch die neue Generation seiner “R&S Web Application

Das Luftverteidigungssystem “Patriot” Foto: BS/Portugall

Firewall” vorstellen. Diese Anwendung beinhaltet nicht nur Standardfunktionalitäten herkömmlicher Lösungen, sondern erweitert sie um das “Vulnerability Scanning”, “Virtual Patching” und “Web Access”-Management für webbasierte Anwendungen – wie z. B. von SAP, E-Mail-Anwendungen wie Outlook Web Access oder CRM-Anwendungen. Neuartig ist dabei die “Workflow”-Technologie, mit der die Sicherheitseinstellungen der “R&S Web Application Firewall” visualisiert und administriert werden können. Mit dem “R&S Cloud Protector” bietet Rohde & Schwarz Cybersecurity zudem eine SaaS-Version dieser Firewall an. Sie lässt sich von überall aus bedienen. Mehr Informationen unter cybersecurity.rohdeschwarz.com

Differenziertes Bild Empirische Studie zur Perzeption von Wehrtechnik (BS/Dr. Gerd Portugall) “Wehrtechnik ist für die Menschen in Deutschland ein Thema, weil Landesverteidigung ohne sie nicht gewährleistet werden kann.” Gleichwohl sei diese Wahrnehmung auch “von Ambivalenz geprägt”. Dieser Befund ist nachzulesen im Forschungsbericht “Perzeption von Wehrtechnik und Rüstung­ in der Bundesrepublik Deutschland” der Universität der Bundeswehr in München. Durchgeführt hat die Studie Dr. Franz Beitzinger, Vertretungsprofessor für Unternehmenskommunikation. exporte aufzuklären”. Außerdem sei “den herrschenden moralischen Vorurteilen entgegenzuwirken”, so der Sozialwissenschaftler Beitzinger.

Ziel der Studie Erklärtes Ziel der Studie war es, zu verdeutlichen, “welchen sozialen, sicherheitspolitischen und ökonomischen Beitrag” die Verteidigungswirtschaft für die Gesellschaft leiste. Gleichzeitig appellierte Prof. Beitzinger an Politik und Industrie, über Rüstungshandel und Rüstungsexport “vorbehaltlos” aufzuklären. Eine so entstehende Branchenidentität mit Rückhalt aus der ­Politik müsse in die Branche hinein und in die Öffentlichkeit hinaus den “gesamtgesellschaftlichen Wertbeitrag der Verteidigungswirtschaft” thematisieren. Zudem sei anzunehmen, dass “nur ein unverkrampfter Umgang” mit dem Themenkomplex dessen erfolgreiche Handhabung ermögliche. Dies gelte für den nationalen Kontext ohnehin, aber auch zunehmend für den europäischen Zusammenhang, so der Autor. Der Forschungsbericht beansprucht, “zahlreiche Anknüpfungspunkte zur Repositionierung sowohl des Selbstverständnisses als auch der Darstellungsintentionen der Verteidigungswirtschaft in Deutschland” offengelegt zu haben. Dabei sei ausdrücklich die politische Ebene mit einbezogen worden. Diese gebe zwar bindende Notwendigkeiten vor, biete aber auch zahlreiche Möglichkeiten.

Daraus ließen sich abschließend Orientierungsempfehlungen ableiten.

Foto: Bundeswehr

“Sicherheit ist den Menschen ein hohes Gut.” Gerade die Landesverteidigung sei den Bürgern “sehr wichtig”. Dabei sähen sie “insbesondere die politische Ebene in der Pflicht”, den aktuellen, teils dramatischen Ausrüstungsmängeln der Bundeswehr entgegenzuwirken, so der Hochschullehrer. In dem 76-seitigen Forschungsbericht steht aber auch: “Faszination für Wehrtechnik hat (...) ein schlechtes Image. So wird in einem hohen Maße eine solche Faszination auch mit Kriegsbegeisterung und Kriegsverherr­ lichung assoziiert.” Noch schlechter sei das messbare Image von Waffenausfuhren. Die Bevölkerung bewerte Rüstungsexporte sehr kritisch, weil eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Deutschland “als Nebenfolge von Rüstungsexporten in bestimmte Regionen” befürchtet werde. Neben solch rationalen Argumenten dürften auch emotionale zum Tragen kommen, da Waffenlieferungen an autoritäre oder totalitäre Staaten als moralisch verwerflich angesehen werden. In diesem Zusammenhang sei an das immer wieder wahrzunehmende emotionale Schlagwort vom “Geschäft mit dem Tod” erinnert. Allerdings sehe die Verteidigungswirtschaft, das habe die Studie gezeigt, ihre eigene Lage kritischer, als sie sich eigentlich darstelle. Empfohlene Konsequenz: Es gelte, “über das Thema Rüstungshandel bzw. Rüstungs-

Zur Orientierung des Dialogs So wird u. a. betont, dass die ­Verteidigungswirtschaft in Deutschland eine “langfristige Entwicklungsperspektive im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit der Bundeswehr” wünsche bzw. benötige. Außerdem mache “die wirtschaftliche Abhängigkeit von politischen Entscheidungen” die kommunikative Unterstützung durch die Amtsseite bzw. den Bedarfsträger erforderlich. Schließlich lähme die “auf allen Seiten vorhandene Frucht vor den Medien” diese Kommunikation. Als “Gegenmittel wird u. a. empfohlen: “Influencing the Influencer”, d. h. “mutig auch mit Kritikern diskutieren” und Präsenz zeigen; Authentizität bewahren und glaubwürdig sein, d. h. “keine PR zum Aufhübschen” betreiben. Beauftragt hatte die Studie die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e. V. (DWT). Deren Mitglieds- und Partnerunternehmen waren dafür ebenso befragt worden wie ein repräsentativer Querschnitt der Wohnbevölkerung in Deutschland. Als Vorstudie waren qualitative Experteninterviews geführt worden. Der Forschungsbericht ist nachzulesen auf der Homepage der DWT unter: https://www.dwtsgw.de/aktuelles-infos/informationen/

Praxisseminare Sicherheit und Verteidigung Die neue Beschaffungspraxis der Bundeswehr 12.09.2018, Düsseldorf Preisrecht und Preisprüfung bei Verteidigungsaufträgen 20.09.2018, Berlin Belasteten und traumatisierten BOS-Einsatzkräften begegnen 25.10.2018, Berlin Vergabe verteidigungs- und sicherheitsspezifischer Aufträge 26.11.2018, Berlin

www.fuehrungskraefte-forum.de


Verteidigung

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F

ast die Hälfte der Offiziere sucht nach ihrer militärischen Laufbahn nicht die Herausforderung der Privatwirtschaft, sondern des Öffentlichen Dienstes oder des gemeinnützigen Sektors. In ihren zivilen Karrieren sind die ehemaligen Offiziere dann aber sehr erfolgreich. Hinsichtlich der harten Karrierefaktoren (Einkommen, Hierarchie) haben sie im Durchschnitt die zivilen Akademiker nach sieben zivilen Berufsjahren deutlich hinter sich gelassen. Auch in Bezug auf die weichen Karrierefaktoren (Einfluss, Kompetenz- und Statusempfinden) erleben die ehemaligen Offiziere ihre Berufslaufbahn in Gänze als positiv. Diese Einschätzung ist über die letzten 15 Jahre stabil, die Karriereverläufe werden heute genauso eingeschätzt wie in der Untersuchung von Marr von 2002. Hinsichtlich der Arbeitgeberseite kann festgestellt werden, dass speziell größere Unternehmen der Privatwirtschaft ehemalige Offiziere beschäftigen. Hier wird offensichtlich ein bestimmtes Profil gesucht, das die Offiziere bieten. Obwohl die zivilen Qualifikationen im Vordergrund stehen, haben die Unternehmen doch sehr deutliche Vorstellungen in Bezug auf weitere, militärische Kompetenzen der ehemaligen Offiziere. Die Arbeitgeber der Privatwirtschaft suchen hoch qualifizierte Führungskräfte, die sich aber zuerst einmal auf Fachstellen bewähren müssen.

Wirkungen von Kompetenzen Um die Wirkung von Kompetenzen auf die Karrieren vergleichen zu können, wurden die ehemaligen Offiziere hinsichtlich ihrer Selbsteinschätzung (“Wie sehen Sie sich selbst?”) und hinsichtlich der vermuteten Fremdeinschätzung (“Wie werden Sie von potenziellen Arbeitgebern gesehen?”)

S

chließlich werden all diese Themen ohnehin breit in den Bündnisorganen, in den Regierungen der Mitgliedsstaaten, den nationalen Legislativen, den Medien sowie einer interessierten Öffentlichkeit diskutiert. Ist die Parlamentarische Versammlung der NATO ein überholtes Relikt aus Zeiten des Kalten Krieges? Oder hat sie auch im 21. Jahrhundert ihre Existenzberechtigung? Der kollektive militärische Beistandspakt der Westeuropäischen Union (WEU) von 1954 besaß ebenfalls eine Parlamentarische Versammlung. Auf dem Kölner EU-Gipfel von 1999 war jedoch beschlossen worden, die für das Krisenmanagement notwendigen Funktionen des WEU in die “Gemeinsame Sicherheitsund Verteidigungspolitik” ­(GSVP) der Europäischen Union zu überführen. Der WEU – und mit ihm dessen Parlamentariergremium – wurde 2011 offiziell aufgelöst. Könnte dies zum Präzedenzfall für die Abgeordnetenversammlung der NATO werden?

Hintergründe Die Parlamentarische Versammlung der NATO mit Sitz in Brüssel begleitet seit 1955 die Arbeit der ebenfalls dort ansässigen Atlantischen Allianz mit dem Ziel, sich über Sicherheitsprobleme von gemeinsamem Interesse auszutauschen. Sie setzt sich aus insgesamt 266 Delegierten aus den 29 Bündnisstaaten zusammen. Hinzu kommen Delegierte aus zwölf assoziierten Staaten (u. a. aus Schweden und der Ukraine), Delegierte aus vier Partnerstaaten aus dem Mittelmeerraum (darunter aus Algerien und Jordanien) sowie eine Delegation des Europäischen Parlaments. Die Versammlung finanziert sich aus Beiträgen der Mitgliedsparlamente.

Behörden Spiegel / Juni 2018

Selbst- und Fremdeinschätzung Zur Bedeutung erworbener Kompetenzen ehemaliger Offiziere (BS/Prof. Dr. Martin Elbe*) Vor Kurzem erschien der Forschungsbericht 115 des Forschungsbereichs Militärsoziologie am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw). Hier wird in Anlehnung an die Untersuchung von Prof. Dr. Rainer Marr aus 2002 (“Kaderschmiede Bundeswehr? Vom Offizier zum Manager”) erneut analysiert, wie die Karrieren ehemaliger Zeitoffiziere verlaufen und wie erfolgreich diese sind. Neben der Befragung von 1.028 ehemaligen Offizieren durch das ZMSBw fand diesmal auch eine Befragung von 1.051 Arbeitgebern durch die Ipsos GmbH statt. [KVP], Controlling, Balanced Scorecard) zur Veränderung des Selbstbildes beigetragen hat. Alle anderen Kompetenzen werden auf niedrigerem Niveau als vor 15 Jahren verortet. Die vermutete Fremdzuschreibung der Kompetenzen bezieht sich somit auf ein Stereotyp-Muster an Sekundärtugenden, das die ehemaligen Offiziere nicht mehr erfüllen möchten. Auch die befragten Unternehmensvertreter wurden mit der gleichen Skala um ihre Einschätzung der Kompetenzen der ehemaligen Offiziere gebeten. Die Grafik (s. links) zeigt die verschiedenen Perspektiven (Selbsteinschätzung, wahrgenommene Fremdeinschätzung und tatsächliche Fremdeinschätzung) heute im Vergleich.

Vermutete und tatsächliche Zuschreibungen

Kompetenzvergleich ehemaliger Offiziere 2017 als Selbst- und Fremdeinschätzung: Datenbasis ist die Karriereanalyse 2017. Verglichen werden die Mittelwerte zweier unterschiedlicher Datensätze bezüglich der gleichen Merkmale mit vergleichbaren Fragestellungen. Die Merkmalsausprägungen verlaufen von 1 (sehr gering ausgeprägt) bis 5 (sehr hoch ausgeprägt). Die Mittelwertdifferenzen zwischen Selbsteinschätzung und tatsächlicher Fremdeinschätzung sind im Uhrzeigersinn abnehmend sortiert. Grafik: BS/ZMSBw

befragt. Vergleicht man die fremd zugeschriebenen Kompetenzen mit den Werten der Untersuchung von Prof. Marr, dann fällt auf, dass diese beinahe identisch sind. Die Mittelwerte aller abgefragten Kompetenzen und Eigenschaften stimmen überein, nur beim Aspekt Menschenkenntnis hat sich der Mittelwert um einen

Skalenpunkt verschlechtert. Die von den ehemaligen Offizieren unterstellten Stereotype bei potenziellen Arbeitgebern sind also in den vergangenen 15 Jahren stabil geblieben. Anders sieht das bei den selbst zugeschriebenen Kompetenzen aus. Hier haben sich die meisten Mittelwerte deutlich verschlech-

tert. Gleich geblieben sind die Aspekte “technisches Verständnis” und “Kreativität”, verbessert hat sich die selbst zugeschriebene Kompetenz im Bereich des “wirtschaftlichen Denkens” – hier kann vermutet werden, dass die zunehmende Ökonomisierung in den Streitkräften (z. B. kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Es ist festzustellen, dass es heute zwischen den von den ehemaligen Offizieren vermuteten Fremdzuschreibungen hinsichtlich vorhandener Kompetenzen und den von den Arbeitgebern tatsächlich zugeschriebenen Kompetenzen nur geringe Unterschiede gibt. Allerdings gibt es deutliche Abweichungen zwischen den selbst zugeschriebenen Kompetenzen der ehemaligen Offiziere, die diese in der Bundeswehrzeit erworben haben wollen, und den Fremdeinschätzungen der Arbeitgeber. Die Arbeitgeber schätzen die ehemaligen Offiziere in allen Aspekten deutlich kom-

Kontroverse Themen in Warschau Parlamentarische Versammlung der NATO noch zeitgemäß? (BS/Dr. Gerd Portugall) Im Fokus der Frühjahrstagung der Parlamentarischen Versammlung des Nordatlantischen Bündnisses (NATO), die Ende Mai in Warschau getagt hat, standen u. a. Beratungen zum Umgang mit hybriden Bedrohungen, zur Rolle Russlands bei der Einflussnahme auf Wahlen und Referenden innerhalb der Allianz, zur Lage in Afghanistan sowie zu den Herausforderungen der Energiesicherheit. In diesem Zusammenhang sei die kritische Frage erlaubt, ob solche Gremien überhaupt noch zeitgemäß sind?

NATO-Parlamentarier besuchen Teile der “1st Cavalry Division” des US-amerikanischen Heeres, die im Rahmen der US-Operation “Atlantic Resolve” zur Unterstützung der “European Reassurance Initiative” (ERI) im estnischen Tapa stationiert sind. Foto: BS/U.S. Army Europe, Daniel Cole

Leiter der diesjährigen Delegation des Deutschen Bundestages in Warschau war der CDUAbgeordnete Dr. Karl A. Lamers, Stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses und von 2010 bis 2012 Präsident der Parlamentarischen Versammlung der NATO. Die stellvertretende deutsche Delegationsleiterin und Generalberichterstatterin des Versammlungsausschusses für die zivile Dimension der Sicherheit, die SPD-Abgeordnete Ulla Schmidt, hatte den OnlineDiensten des Bundestages vor ihrer Abreise in die polnische Hauptstadt ein Interview zum

Thema “Sitzung des Parlamentariergremiums” gegeben. Auf die Frage, ob die NATOVersammlung beim nächsten, für Mitte Juli geplanten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel “mitbestimmen” könne oder ob deren Abgeordnete lediglich “Zaungäste” seien, antwortete die Sozialdemokratin, die stellvertretendes Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages ist, wie folgt: “Grundsätzlich hat unsere Versammlung weniger die Aufgabe, NATO-Gipfeln Vorgaben zu machen, als vielmehr in den Parlamenten und bei der Bevöl-

kerung der Mitgliedsländer für die Politik der Allianz zu werben und den Austausch zwischen Volksvertretern der verschiedenen NATO-Staaten zu fördern.” Die turnusmäßige Herbsttagung der Versammlung soll dann in Kanada stattfinden.

Grundsätzliches Innenpolitisch führt hierzulande kein Weg mehr am Parlamentsbeteiligungsgesetz vom Dezember 2004 vorbei, das die Vorgaben des einschlägigen Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 1994 umgesetzt hat. Zwar “hat sich Deutschland

– in Fragen von Militäreinsätzen traditionell zurückhaltend – seit der Wiedervereinigung stets eher aus Bündnisräson denn aus eigenen politischen Antrieben an internationalen Friedensmissionen beteiligt”, so Dr. Sven Bernhard Gareis, Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster. Unter anderem auch deswegen fanden sich bisher immer ausreichende Mehrheiten im obersten Legislativorgan der Bundesrepublik für entsprechende Mandate. Als jüngstes Beispiel für ein solches “uneigennütziges” Engagement sei die deutsche Beteiligung an der MINUSMAStabilisierungsmission der Vereinten Nationen und an der EUAusbildungsmission (EUTM) im westafrikanischen Mali genannt. Dort verfolgt die Bundesrepublik keine genuin nationalen Sicherheitsinteressen. Vielmehr erfolgt der deutsche Militäreinsatz aus Solidarität mit Frankreich nach den schweren Terroranschlägen vom November 2015 in Paris. Ähnlich verhält es sich mit dem Engagement der Bundeswehr in Afghanistan im Rahmen der NATO. Auslöser der “uneingeschränkten Solidarität”, so der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), waren die dramatischen Anschläge vom 11. September 2001 in den USA. Ohnehin fordern die Sicherheitspartner dies- und jenseits des Atlantiks seit geraumer Zeit von der Bundesrepublik, mehr militärische Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Die Spit-

petenter ein als diese sich selbst. Die größten Differenzen finden sich wiederum im Bereich der Offizier-typischen Sekundärtugenden. Offensichtlich vermuten die Arbeitgeber, dass Offiziere im Zuge der militärischen Sozialisation Kompetenzen erworben haben, die aber dem Selbstbild der ehemaligen Offiziere kaum mehr entsprechen. Die Wahrnehmung der Arbeitgeber ist zwar als Einschätzung relevant, die Karrieren der befragten Offiziere sprechen aber für deren rasche und erfolgreiche Integration in den zivilen Arbeitsmarkt. Es scheint sich hier eher um ein Stereotyp zu handeln, das Auskunft darüber gibt, inwiefern zivile Arbeitgeber versuchen, eine Abgrenzung zu militärisch erworbener Kompetenz zu konstruieren. Mit diesen Vorstellungen werden die Arbeitgeber der Realität militärischer Führungskräfteausbildung aber nur bedingt gerecht. Die ehemaligen Offiziere möchten genau diese Stereotypisierung als Zuschreibung vermeiden und werten sie darum ab. Sie sind sich ihrer Kompetenzen bewusst, können aber nur begrenzt abschätzen, ob sie diese in der Form wie erwartet in der Privatwirtschaft zeigen können. Vertiefende Forschungsberichte können auf den Internetseiten der beiden Befragungsinstitutionen abgerufen werden. Im Herbst erscheint in der Reihe “Potsdamer Schriften” des ZMSBw ein umfassender Forschungsband zu dem Thema. *Prof. Dr. Martin Elbe ist Mitarbeiter des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Seine Arbeitsgebiete liegen im Bereich der Sozialpsychologie (Arbeit und Personal, Organisationsforschung, Gesundheit und Sport) und der Militärsoziologie.

zen der Exekutive hierzulande (Bundespräsident, Kanzlerin und Verteidigungsministerin) haben wiederholt öffentliche Absichtserklärungen dazu abgegeben. In jedem Einzelfall muss aber auch die Legislative zustimmen. Schließlich gilt die Bundeswehr seit 1994 höchstrichterlich und seit 2004 gesetzlich als “Parlamentsarmee”. Daher müsse Deutschland “dauerhaft einen schwierigen Balanceakt zwischen außenpolitischen Anforderungen und innenpolitischer Zurückhaltung meistern”, so Prof. Gareis weiter.

Fazit Für wichtige Entscheidungen innerhalb der Atlantischen Allianz gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass der NATO-Rat – dem die Vertreter der jeweiligen Regierungen angehören – übereinkommen würde, die Parlamentarische Versammlung aufzulösen. Noch unwahrscheinlicher wäre der Fall, dass die parlamentarischen Mitglieder der Versammlung beschließen würden, sich selbst abzuschaffen. Unabhängig von politischen Wahrscheinlichkeiten macht es – in Ergänzung zu den Ausführungen der Abgeordneten und Berichterstatterin Ulla Schmidt – einfach Sinn, dass in der Organisation der Atlantischen Allianz nicht nur die nationalen Exekutiven vertreten sind, sondern auch deren Gewaltenteilungs-Counterparts aus den Legislativen. Auf einem so sensiblen Politikfeld wie der Sicherheitspolitik, wo es letztlich um nichts Geringeres als die Frage nach Krieg und Frieden geht, kann deren Legitimationsbasis nicht breit genug sein. Lediglich formalistische Fragen der Legalität reichen für solch eine elementare Problemstellung nicht aus.


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Behörden Spiegel / Juni 2018

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in warmer Frühlingsmorgen am Kottbusser Tor, Menschen hetzen zur U-Bahn, andere schlendern an den zahlreichen türkischen Obst-und Gemüseläden vorbei, Hunde kläffen, im Hintergrund eine Polizeisirene. Drei etwa zwölfjährige Mädchen laufen zielgerichtet auf das Gebäude der Mittelpunktbibliothek Adalbertstraße zu und zeigen sich enttäuscht ob der noch verschlossenen Türen. “Lass uns nachher wiederkommen”, sagt eins von ihnen und sie ziehen ihrer Wege. Kurze Zeit später öffnet Elisabeth Koller die Tür. In der Bibliothek ist es noch sehr ruhig, was sich aber in spätestens zwei Stunden ändern wird, wie Koller mitteilt: “Bei uns geht es eher laut zu.” Auch sie selbst wirkt mit ihren 26 Jahren und der lockeren, fröhlichen Art ganz und gar nicht wie das Klischee der angejahrten Bibliothekarin, die zischend durch die Gänge schleicht und zur Ruhe ermahnt.

“Irgendwas mit Büchern” Eine Bibliothek und ihre Bibliothekarin abseits vom gängigen Klischee

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im Studiengang gewesen. Auf die Frage nach dem Geschlechterverhältnis lacht sie und antwortet: “Sehr viel mehr Frauen, es waren so zehn bis 15 Männer. Es ist schon ein Frauenberuf. Also zumindest das geläufige Bild stellt es so dar.”

(BS/Katarina Heidrich) Mitten im Herzen Berlins, nahe des als Drogenumschlagplatz verschrienen Kottbusser Tors, versteckt sich ein eher unscheinbares dreistöckiges Gebäude aus den sechziger Jahren. Würde nicht ein dreisprachiger Schriftzug im Fenster des Baus auf die Wilhelm-Liebknecht/ Namik-Kemal-Bibliothek hinweisen, man käme nicht auf die Idee, hier im berüchtigten sozialen Brennpunkt Kreuzbergs einen Ort der Entspannung und der Begegnung zu finden. Möglicherweise ist dies aber genau der richtige Platz für die interkulturelle Familienbibliothek, in der die junge Bibliothek im Wandel Kinderbibliothekarin und Koordinatorin für Angebote für Geflüchtete, Elisabeth Koller, täglich ihrer abwechslungsreichen Arbeit nachgeht. “Es ist generell so, dass sich der

Ort Bibliothek wandelt”, erklärt Als interkulturelle Familienbib- die engagierte Bibliothekarin. liothek verfügt die Einrichtung Im Vergleich zu anderen Biblioüber einen großen fremdspra- theken seien die Ausleihquoten chigen Bestand. Hier finden sich zwar nicht sehr hoch, dafür Medien zum Deutschlernen und gebe es hohe Besucherzahlen zur Sprachförderung, finanzi- und Personen, “die den Ort Bibliothek einfach ert aus einem als Lern- und speziellen Etat, für den die rei“Ich muss noch 40 Jahre Begegnungs­ Im Dienste der Gesellschaft se- und sprachort nutzen. arbeiten, aber jetzt begeisterte Und die ihn Auch dass sie diese Arbeit einBibliothekarin gerade ist das genau das so natürlich mal im öffentlichen Sektor auszuständig ist. mitverändern.” führen wird, hat sich schon früh Richtige für mich.” Des Weiteren Das reine Auabgezeichnet. In ihrer Freizeit sleihgeschäft hat Koller Zeltlager und Miniswerden Meditranten-Gruppen geleitet. Messenkoffer zur Verfügung gestellt, reiche einfach nicht mehr. “Die die aus dem Berliner Masterplan Bibliothek ist ja auch einer der diener stehen im sogenannten für Integration und Sicherheit wenigen Orte, die man einfach liturgischen Dienst, was im Alt­ “Als Kind habe ich finanziert wurden. aufsuchen kann, ohne etwas griechischen so viel wie “öffent­ wahnsinnig viel gelesen” Diese können durch Flücht- konsumieren oder Geld ausgeben licher Dienst” bedeutet. In der lingsunterkünfte, Sprachcafés, zu müssen”, betont Koller. Die gebürtige Stuttgarterin, die Mittelpunktbibliothek kann sie Hier wird ein kostenloser Willkommensklassen und Ehren­ Kindheit und Jugend in einer nun seit Februar 2016 beides amtliche ausgeliehen werden. Aufent­haltsort geboten und viele kleinen Gemeinde im “Schwaben- miteinander verbinden: die Liebe Ebenfalls gibt es die Möglich- Kinder und Jugendliche, die naländle” verbrachte, ist in der zu Büchern und den Umgang keit individueller Dauerleihga- chmittags kämen, würden gar dreizehn Mann starken Biblio­ mit jungen Menschen. Einen ben verschiedener Materialien nichts ausleihen. Sie nutzten die thek für die Sachbücher und typi­schen Arbeitsalltag kennt an Wohngemeinschaften mit PCs und den Ort, um Freunde Audiovisuellen Medien inner­ sie dabei so gut wie nicht. Mal halb der Kinderbuch-Abteilung ist sie an der Theke tätig, gibt unbegleiteten minderjährigen zu treffen oder Hausaufgaben zuständig. In ihrer eigenen Kind- Auskünfte, mal systematisiert Geflüchteten. Darüber hinaus be- zu machen. Es wird eine kosheit liegt auch ihr beruflicher sie Bücher nach der berlinweit treut Koller ein niedrigschwelliges tenfreie HausaufgabenbetreuWerdegang begründet. Als Toch- geltenden Systematik für BiblioAngebot für geflüchtete Kinder ung angeboten, durchgeführt ter einer Buchhändlerin habe theken (SfB) um, mal betreut sie auf dem Tempelhofer Feld in Ber- größtenteils von Studierenden sie schon sehr früh gewusst, in Schulklassen oder Kita-Gruppen. lin. Einmal in der Woche treffen auf Honorarbasis. Es kämen welche Richtung es später gehen sich hier durchschnittlich 15 auch oft Obdachlose, die um den Die öffentliche Bibliothek hat solle, obwohl die Mutter nicht insgesamt drei Kooperations­ Kinder, die in den Containersied- PC zu nutzen oder einen Kaffee lungen leben, zum gemeinsamen zu trinken. Aber Konflikte oder immer einverstanden war mit schulen, die Angebote wie “Kinder Leseclub. das Erteilen von Hausverboten den frühzeitigen Auswüchsen. werden WortStark” gerne annehgebe es selten. “Die Bibliothek “Als ich noch wirklich klein war, men. Hier kommen Kinder-Grupist schon ein geschützter Ort wollte ich Autorin werden”, lacht pen im Alter von fünf bis neun Kinderbibliothekarin Elisabeth Koller an der Theke im Eingangsbereich der Offen und kommunikativ sie und fährt fort: “Ich wollte Jahren ein halbes Schuljahr lang Wilhelm-Liebknecht-/Namik-Kemal-Bibliothek in Berlin Friedrichshain-KreuzDer Austausch mit anderen für viele”, sagt die junge Frau. Bücher schreiben. Als Kind habe alle zwei Wochen zusammen, um berg. Fotos: BS/Heidrich Menschen ist ihrer Meinung nach Ganz im Kontrast zu der Umgeich auch schon wahnsinnig viel mithilfe von Spielen, Liedern und grundlegend für den gesamten bung rund um das Kottbusser gelesen. Normalerweise ermun- dem Ertasten, Benennen und die 26-Jährige. Wie viele andere ausstirbt. Ich persönlich finde Tätigkeitsbereich einer Biblio- Tor draußen vor der Tür. tern die Eltern ihre Kinder, mal Einordnen von Gegenständen Bibliotheken auch, stellt sich die es angenehmer, so zu lesen und thekarin. Wer Interesse an dieein Buch in die Hand zu nehmen. zu wechselnden Themengebiet- Mittelpunktbibliothek dem Trend ich glaube, vielen geht es eben- sem Berufsbild hat, sollte neben Für Leitung zu jung en ihren Wortschatz zu hin zur Digitalisierung. So lassen so. Auch die Schallplatte zum der Leidenschaft für Gedrucktes Elisabeth Koller fühlt sich sichterweitern. “Viele Kinder, sich über die “onleihe” 35.000 Beispiel hat jetzt ein Revival.” in gleichem Maße Freude am lich wohl in diesem Umfeld. die herkommen, haben deutsch- und fremdsprachige E-Book-Reader seien auch prak- Umgang mit anderen mitbringen, Während ihres siebensemes­ einen Sprachförderbe- E-Books und mehr als 5.500 tisch, z. B. im Urlaub oder für sagt Koller. “Denn dieses Bild trigen Studiums hat sie bereits darf”, erklärt die Kinder- Hörbücher entleihen. ältere Menschen, die darauf die vom verstaubten Bibliothekar, ein Praxissemester in Berlin abFür das deutschlandweit erste Schriftgröße verändern könn­ der in seinem Kämmerlein sitzt, solviert. Damals in einer anderen bibliothekarin. Über so einen langen Zeitraum Filmstreaming-Angebot öffent­ ten, aber eine wirkliche Konkur- trifft zumindest in der öffentli- Bibliothek im Bezirk Friedrichschen Biblio- hain-Kreuzberg. “Die hat mir so baue sich auch zwang- licher Bibliotheken wurden renz seien sie thek überhaupt gut gefallen, dass ich dann im släufig eine Verbindung die Berliner Öffentlichen Bib- nicht, findet die “Es ist schon ein Fraun i c h t z u ” , Endeffekt auch wieder hier gezu den Kindern auf, sie liotheken mit dem Innovation- Bibliothekarin, sei manchmal fast trau- spreis Berlin Brandenburg 2017 die auch privat enberuf. Zumindest das klärt sie auf. landet bin”, freut sie sich. Ihre rig, wenn das Projekt ausgezeichnet. Dieses Angebot ihrem Beruf das Bi­ ehemalige Chefin habe sie darauf geläufige Bild stellt es Dass bliothekswesen hingewiesen, dass im Bezirk Stelwieder ende. wird stetig ausgeweitet und frönt. so dar.” Sie empfiehlt allgemein aber len ausgeschrieben würden. Nun durch weitere ergänzt. Wie etAuf dem Weg zur i m m e r n o c h ist sie in Berlin angekommen und wa einen Musikstreaming-Di- und verleiht digitalen Bibliothek oft mit Abge- tut ihren Dienst zum Wohle der enst oder eine Plattform mit gerne Bücher Aber die nächsten ste- zahl­reichen digitalen Zeitungen aus einem ihrer drei prallgefüll- schiedenheit in Verbindung ge- Menschen in der Stadt. Kürzlich sei die Leitung der hen dann schon auf und Magazinen in verschiede- ten Ikea-“Billy”-Regale an Freun- bracht wird, musste sie während dem Plan. Wie etwa nen Sprachen. Ebenfalls bietet de. Auf die Frage, ob die Tochter ihres Studiums des Bibliotheks- Wilhelm-Liebknecht-/Namik-KeBibliothekseinführun- die Mittelpunktbibliothek, wie aus einer Buchhändlerfamilie und Informationsmanagements mal-Bibliothek ausgeschrieben gen mit der App “Action alle Öffentlichen Bibliotheken selbst auch Bücher online kaufe, an der Hochschule der Medien gewesen. Die Bibliothekarin, Auch Comic-Klassiker wie “Asterix und Obelix” Bound”. Hier bekommen in Berlin, Online-Enzyklopädien, antwortet sie entrüstet: “Nein, in Stuttgart (HdM) von 2011 bis die nach Entgeltgruppe 9 TV-L finden sich in der interkulturellen Familienbi­ die Kinder Tablets aus- Online-Sprachkurse und digitale auf gar keinen Fall! Der Online- 2015 am eigenen Leibe erfahren. bezahlt wird, hätte sich auch bliothek in mehreren Sprachen: hier arabisch. gehändigt, mit denen Angebote zum interaktiven Ler- Buch­handel macht vieles kaputt. Ihr Studiengang war abseits des darauf bewerben können, wollte sie Schnitzeljagd-artig nen. Vieles sei noch neu, aber Und durch die Buchpreisbindung restlichen Campus angesiedelt. aber nicht. “Ich fühle mich noch Bei mir war es umgekehrt. Meine Aufgaben in der Bibliothek er- die E-Books würden verstärkt bei neuen Büchern ist es nicht “Wir hatten keinen Campus, wir zu jung dafür. Ich will mit 26 mal billiger. Außerdem lasse ich hatten einen Grünstreifen neben noch keine Bibliothek leiten.” Mutter musste mir sagen: Jetzt ledigen müssen. Zum Beispiel nachgefragt, schließt Koller. einer vierspurigen Straße” er- Vor allem aber mache ihr die mich gerne beraten.” geh doch mal raus!”, erinnert ein bestimmtes Buch finden oder QR-Codes entschlüsseln, “Buch stirbt nicht aus” sie sich. innert sie sich. Der Titel ihrer Arbeit mit den Kindern so viel Das gedruckte Buch sieht sie Multi-Kulti-Bibliothek Dass sie “irgendwas mit um Fragen zu beantworten. Der Bachelor-Arbeit “Interkulturelle Spaß, dass reine Verwaltungs­ Mit Rat und Tat erfüllt sie auch Sprachförderung für Kinder bis arbeit jetzt noch nicht infrage Büchern” machen wollte, war al- Umgang mit digitalen Angeboten dennoch nicht in ernsthafter Geso schnell klar. Die Entscheidung komme bei den Besuchern und fahr. “Ich kann mir nicht vor­ ihre zweite Tätigkeit als Koordina- drei Jahre in Öffentlichen Bi­ komme. Sie überlegt und sagt: musste nur noch zwischen Bu- Besucherinnen gut an, erzählt stellen, dass das normale Buch torin für Angebote für Geflüchtete. bliotheken” zeigt, dass das Bi­ “Vielleicht in einer kleinen Bi­ bliothekswesen weg vom reinen bliothek mit so drei Mitarbeitern chhändlerin, Verlagsar­beit und Entleihort heutzutage vielfälti­ irgendwann mal. Ich meine, ich Bibliothekarin gefällt werden. gere Aufgabenfelder umfasst. muss noch 40 Jahre arbeiten, Zwei Praktika im Rahmen der Insgesamt seien es circa 80 Kom- aber jetzt gerade ist das genau Berufsorientierung am Gymnamilitonen und Kommilitoninnen das Richtige für mich.” sium und die Kenntnis von Bueine von fünf Einrichtungen der Stadtbibliothek chhandlungen durch die Mutter (BS) Die Mittelpunktbibliothek des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. öffneten Koller dann die Augen: Friedrichshain-Kreuzberg wurde im April 1964 als Die Bibliothek verzeichnet rund 60.000 Bücher, Hauptstelle des ehemaligen Arbeiterbezirks Kreuz“Zwischen Bibliothek und VerZeitschriften, Zeitungen und Medien wie CDs und berg eröffnet. Im Jahr 1976 erhielt sie den Namen lag konnte ich mich nicht ent­ Wilhelm-Liebknecht-Bibliothek, aus Anlass des 150. DVDs, teils in deutscher sowie türkischer und arascheiden, also habe ich beides bischer Sprache. Sprachkurse, der Sonderbestand Geburtstags des Gründervaters der Sozialdemokragemacht.” Die Arbeit in einem “MultiKulti” – Medien zur Verbesserung des intertischen Partei Deutschlands (SPD). Mit der Fusion Sachbücherverlag sei zwar spander Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg wurde aus kulturellen Zusammenlebens – Hausaufgabenhilfe, nend gewesen, aber der Marke­ der Hauptstelle die Mittelpunktbibliothek des fusio- ein Jugendlernzentrum sowie zahlreiche Projekte ting-Prozess im Hintergrund, das nierten Bezirks. 2011 wurde die ehemalige türkische zur Kinder- und Erwachsenenbildung runden das Aushandeln von Verträgen und Angebot ab. Bibliothek aus dem Haus Bethanien mitsamt der die Auseinandersetzung mit teils Die Bibliothek gehört zum Verbund der Öffentlidortigen Buch- und Medienbestände integriert und schwierigen Autoren seien nichts chen Bibliotheken Berlins (VÖBB) und ist im Interso erhielt die Einrichtung den Zusatz “interkultufür sie gewesen. “Es gibt dann net zu finden unter: www.berlin.de/stadtbi relle Familienbibliothek”. Ebenso wurde der Name dieses Produkt Buch und das bliothek-friedrichshain-kreuzberg/bibliotheken/ um den des türkischen Dichters und Schriftstellers muss verkauft werden. Außermittelpunktbibliothek-adalbertstrasse. Namik Kemal erweitert. Heute ist die Bibliothek dem ist es schwer, dort Fuß zu Nur ein kleiner Ausschnitt der Mittelpunktbibliothek, die insgesamt über rund fassen, wenn man wie ich eher 60.000 Medieneinheiten verfügt. auf Kinderbücher festgelegt ist”, bedauert die Literaturliebhaberin. Die Arbeit in einer Bibliothek sei hingegen leidenschaftlicher: “Man hat sehr viel mit Menschen zu tun und gerade die Arbeit mit den Kindern macht mir viel Spaß.”

Wilhelm-Liebknecht-/Namik-Kemal-Bibliothek



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