Behörden Spiegel November 2018

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. XI / 34. Jg / 45. Woche

Berlin und Bonn / November 2018

G 1805

www.behoerdenspiegel.de

Höchste Zeit

Ausdruck der Haltung

Wie in Stein gemeißelt

Karoline Linnert zur anstehenden Reform der Grundsteuer...........................................Seite 7

Henriette Reker über den Mythos der Unregierbarkeit ����������������������������������������� Seite 15

Peter Füssenich zur Kölner Dombauhütte...............................................Seite 51

Schreiben Sie uns! (BS/jf) Ob neuer Staatssekretär, Abteilungs- oder Referatsleiter, Personalrat oder neuer Datenschutzbeauftragter – teilen Sie uns Ihren Wechsel im Öffentlichen Dienst, Ihre neue Funktion und vor allem den Zeitpunkt des Wechsels auf www.behoerden spiegel.de in der Kategorie Personen mit. Klicken Sie dazu auf die Meldung “Personal wechsel melden” und Sie gelangen direkt zu unserem Formular. Ein paar wenige Angaben, ein Foto hochladen und absenden. Nach kurzer Eingangsprüfung veröffentlichen wir Ihren Beitrag auf unserer Homepage.

Frontex-Ausbau ­strecken? (BS/mfe) Die personelle Aufstockung der Europäischen Grenzund Küstenwache Frontex auf eine ständige Reserve von 10.000 Grenzschützern könnte bis 2020 möglicherweise noch nicht abgeschlossen sein. Darauf deutet die Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Benjamin Strasser (FDP) hin. Dort heißt es, ein solcher Aufwuchs bis zu diesem Jahr erscheine “ambitioniert”. Zu erwägen sei, den Ausbau “über einen längeren Zeitraum zu strecken”. Dies habe die Europäische Kommission in der mehrjährigen Finanzplanung ursprünglich auch so vorgesehen. Die konkrete deutsche Position befinde sich allerdings noch in der Abstimmung und hänge auch von der Erörterung in den zuständigen EU-Gremien ab. Für einen Frontex-Ausbau und erweiterte Kompetenzen hatte sich auch schon der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz ausgesprochen. Die Alpenrepu­blik hat derzeit den EU-Ratsvorsitz inne.

Funkloch-App ­optimiert (BS/wim) In einer neuen Version der App “Breitbandmessung” können Bürger die Netzgeschwindigkeit an ihrem Standort messen und nun auch melden. Mit der neuen Funktion sollen konkrete Daten erhoben werden, um die Netzanbieter zur flächendeckenden Netzverfügbarkeit zu ermahnen. So kann der Nutzer nach dem Öffnen der App die Abfrage der Netzqualität am Standort starten. Ab diesem Moment erfasst die Anwendung laut Bundesnetzagentur in regelmäßigen Abständen von maximal 50 Metern, ob eine Netzabdeckung vorhanden ist. Befindet sich der Nutzer in einem Funkloch, werden die Daten solange gespeichert, bis wieder eine Verbindung besteht. Auf Basis der erhobenen Daten wird die Bundesnetzagentur einen jährlichen Report zur Netzabdeckung erarbeiten. Die App namens “Breitbandmessung” ist für iPhones und Androidgeräte verfügbar.

Raus aufs Land Behördenverlagerung als strukturpolitisches Instrument (BS/Guido Gehrt) Mitte Oktober sorgten Berichte über den Entwurf eines Zwischenberichts der Kohlekommission, der u. a. eine mögliche Verlagerung des Bundesverwaltungsamtes sowie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik aus Köln bzw. Bonn in die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen ins Spiel brachte, kurzfristig für Aufregung, insbesondere unter den Betroffenen. Auch wenn dieser Vorschlag schnell vom Tisch war und über das Entwurfsstadium hinaus keinen Bestand hatte, so ist der Ansatz, Behördenverlagerungen als Instrument der Strukturpolitik zu nutzen, durchaus nicht ungewöhnlich. Der Freistaat Bayern betreibt unter der Überschrift “Heimatstrategie” bereits seit einigen Jahren im größeren Umfang die Verlagerung von Behörden. Aber auch in anderen Ländern laufen entsprechende Projekte, insbesondere vor dem Hintergrund einer Stärkung des ländlichen Raumes. Durch den Zuzug der Behörden resp. der Behördenmitarbeiter sollen an den jeweiligen Standorten sichere Arbeitsplätze entstehen, die Wirtschaft angelockt und insgesamt die Infrastruktur gestärkt werden.

Beschäftigten als auch für die Behörden erleichtern sollen. Auch die neue Bayerische Staatsregierung von CSU und Freien Wählern (FW) wird die Heimatstrategie fortsetzen, so steht es im Koalitionsvertrag des Regierungsgespanns. Ob die Behördenverlagerung unter dem FW-Vorsitzenden und neuen Staatsminister Hubert Aiwanger, der als Vize-Ministerpräsident zukünftig das Ressort Wirtschaft, Energie und Landesentwicklung führen wird, ggf. noch stärker vorangetrieben wird, lässt sich derzeit noch nicht beurteilen. Doch gehört die Stärkung des ländlichen Raumes zweifellos zum Wesenskern seiner Partei.

Bayern verlagern breit in die Fläche In Bayern erfolgte im Jahre 2015 nach eigener Aussage der Staatsregierung “der Startschuss der größten Regionalisierung von Behörden und staatlichen Einrichtungen der letzten Jahrzehnte”. Das dortige Konzept “Regionalisierung von Verwaltung”, für das federführend das bisherige Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat verantwortlich zeichnete, sieht die Verlagerung von über 50 Behörden und staatlichen Einrichtungen mit 3.155 Personen (2.225 Beschäftigten und 930 Studierenden) in alle sieben Regierungsbezirke des Freistaats vor. Dabei wurden als neue Behördenstandorte Regionen “mit besonderem Handlungsbedarf”

Gleichwertige Lebens- und Arbeitsverhältnisse Abzuwarten bleibt auch, ob und inwieweit die Ende September eingesetzte Kommission “Gleichwertige Lebensverhältnisse” der Mit der Regionalisierung der Verwaltung durch die Verlagerung von zahlreichen Behörden in die Fläche will die Politik Bundesregierung das Instrument insbesondere einen Beitrag zur Stärkung des ländlichen Raumes und sonstiger strukturschwacher Gebiete leisten. der Behördenverlagerung in ih rem für Juli 2019 angekündigten Foto: BS/©arsdigital, stock.adobe.com Bericht aufgreifen wird. Die Bayern zumindest leiten ausgewählt, darunter auch Kon- Gesamtvorhaben sollen dann 75 staltung der Verlagerungen, die Prozent der Projekte mit mehr als ohne Zwangsversetzungen an ihren strukturpolitischen Ansatz versionsgemeinden. Bis Ende dieses Jahres sollen einem Drittel des gesamten Verla- die neuen Zielorte auskommen aus eben jenem Verfassungsinsgesamt 48 Behörden und gerungsvolumens umgesetzt sein. will. So wurde ein Personalrah- auftrag ab (Artikel 3 Absatz 2 staatliche Einrichtungen mit menkonzept erarbeitet, in dem Satz 2 der Bayerischen Verfasrund 1.150 Personen den Dienst- Keine Zwangsversetzungen eine ganze Reihe an monetären sung), wonach in ganz Bayern, an neue Standorte betrieb am neuen Standort aufund nicht-monetären Anreizen in Stadt und Land, gleichwertige genommen haben. Für das noch Die Staatsregierung betont geschaffen werden, die den Um- Lebens- und Arbeitsbedingungen bis zum Jahre 2025 laufende dabei die sozialverträgliche Ge- setzungsprozess sowohl für die zu fördern und zu sichern sind.

Kommentar

No pasarán? Migrationswelle aus Afrika (BS) Der muslimisch geprägten Migrationswelle folgt nun eine nächste, weitaus größere aus Schwarz-Afrika. Doch es scheint wie 2015. Wissenschaftliche Migrationsprognosen und Geheimdienstberichte, die alle besagen: Bis zu 110 Millionen Menschen aus Afrika wollen ihre Heimat verlassen. Europa ist das erreichbare Ziel, wenn auch nur unter Lebensgefahr. Doch welche Analysen macht sich die Politik zu eigen, welche Antworten hält sie parat und welche Strategien hat sie entwickelt? In der Subsahara-Zone leben 1,1 Milliarden Menschen, zehn Prozent davon wollen ihre Länder verlassen, so Umfragen u. a. der UN, das wären 110 Millionen. Ein Skalensprung in der Mi­gration. Zudem: Die afrikanische Bevölkerung wird sich bis 2050 verdoppeln. Der Auswanderungsdruck steigt damit exponentiell. Perspektivlosigkeit, Armut und Terrorismus sind die Triebfedern. Aber wie reagiert Europa? Skeptisch, verhalten oder gar nicht. Nun könnte es bald wieder so weit sein. Alle fundierten Einbringungen liegen auf dem Tisch. Die Behörden sind nicht ausreichend vorbereitet. Die europäische Außengrenzsicherung funktioniert

nicht, es klappt weder die Integration noch die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Entweder Europa wird “amerikanisiert”, also Einwanderung im großen Stil. Dann sind allerdings die bisherigen Sozialsysteme, die auf Generationenverlässlichkeit bauen, obsolet – oder die “Festung Europa” wird gebaut. Nur eine Idee, denn bevor militärisch Europas Außengrenzen gesichert werden, hat die Migrationswelle den Kontinent längst erreicht. Die dritte Variante: mit den Warlords wie in Libyen zusammenzuarbeiten, um weitere Immigration zu stoppen. Das bedeutet: Sklaverei und Massenvergewaltigung akzeptieren.

Sinnvoll kann nur sein, die Entwicklungs-, Sicherheits- und auswärtige Militärpolitik zu bündeln und daraus ein sinnvolles Gemeinsames zu machen. Viel Geld muss dann in diesen Dreiklang fließen, wird aber noch immer weniger kosten als Immigration und misslungene Integration hunderttausender Schwarz-Afrikaner. “Eine Situation wie die des Sommers 2015 kann, soll und darf sich nicht wiederholen”, Angela Merkel. Doch auch sie geht bald, stände doch besser persönlich hierzu in der Pflicht, denn “die Situation ist da”, Konrad Adenauer.

R. Uwe Proll

Personalkarussels


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / November 2018

Gemeinsame Ziele verbinden: Regionale Vielfalt, Korruptionsbekämpfung, Cyber-Sicherheit oder militärische Kooperation – Arbeitsfelder und Chancen existieren überall. Entscheidend ist in der heutigen Zeit die ebenenübergreifende Zusammenarbeit. Hierbei zeigt sich, dass es keine Schande ist, auch eine hilfreiche, ausgestreckte Hand zu ergreifen und sich damit auf das gleiche Level zu heben. Foto: BS/©Mike Fouque, stock.adobe.com

Ebenenübergreifende Zusammenarbeit Ein steiniger Weg

An einem Strang ziehen

“Parlamentarische Kontrolle ist nützlich”

Korruptionsprävention nicht immer einfach umsetzbar .......................................................Seite 4

Niedersachsen setzt bei Cyber-Sicherheit auf Zusammenarbeit ........................................................Seite 37

Digitalisierung stellt Nachrichtendienste vor zahlreiche neue Herausforderungen ....................................................Seite 44

Regionale Vielfalt ist eine Chance

Bund und Länder Hand in Hand

Bedarfsplanung für 2030 erforderlich

Städte und Gemeinden sollten bei Verwaltungsaufgaben mehr kooperieren und sich professionalisieren ........ Seite 13

Das BSI als Kompetenzzentrum für die Cyber-Sicherheit .........................................................Seite 38

Berliner Feuerwehr muss auf die Folgen der wachsenden Stadt reagieren ..........................................................Seite 46

In eigener Hand

BSC-Partnerland Niederlande

Mitnutzung der Netze des Bundes durch Länder und Kommunen erwogen ..........................................Seite 26

Von der militärischen Kooperation zur Integration .................................................................Seite 43

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Personalwesen, Personalmanagement und Dienstrecht Praxisseminare im Frühjahr 2019

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Personalhaushalt in Theorie und Praxis

Personalmanagement in der öffentlichen Verwaltung

Planstellen, AT-Vertrag, kw-Vermerke: Dies sind nur einzelne Begrifflichkeiten, die in Insidergesprächen zum Personalhaushalt häufig ausgetauscht werden. In diesem Seminar erlernen Sie die rechtlichen und verwaltungsmäßigen Grundlagen des Personalhaushaltes und trainieren die Anwendung anhand von Echt-Sachverhalten in Kleingruppen.

Demografischer Wandel, Verwaltung 4.0 und wachsende Ansprüche der Bürger: Wie können Sie diese Entwicklung auf der Personalseite aktiv mitgestalten? Durch den Übergang von einer verwaltenden Personalwirtschaft zu einem strategischen Personalmanagement. Dieses Seminar bietet hierfür die konzeptionellen Grundlagen und macht Sie praxisfit für die Zukunft.

Termin/Ort: 14.01.2019, Berlin

Termin/Ort: 05.-06.02.2019, Berlin

Behördliches Management

Diversity und Gender: Soziale Vielfalt konstruktiv nutzen

In diesem Seminar geht es um den rechtlichen Rahmen, den Aufbau und den Ablauf des BEM-Verfahrens sowie die Rolle der Führungskraft im BEM. Dabei liegt ein besonderer Fokus auf dem Umgang mit psychisch erkrankten Menschen. Neben dem formalen Rahmen reflektieren die Teilnehmenden zugleich auch ihre innere Haltung im BEM.

Diversity stellt in unserer Gesellschaft eine große Ressource dar. Unsere Belegschaften werden immer bunter. Der erfolgreiche Einsatz gemischter Teams hilft Ihnen, die Herausforderung der Zukunft zu meistern. Erfahren Sie in diesem praxisorientierten Workshop, wie Sie Unterschiede wertschätzen, Chancengleichheit einsetzen und konkrete Maßnahmen vorantreiben können.

Termin/Ort: 12.-13.02.2019, Berlin

Termin/Ort: 19.-20.02.2019, Bonn

Fallstricke im Schwerbehindertenrecht

Disziplinarrecht in der Praxis

Aus dem Sozialgesetzbuch ergeben sich besondere Förderpflichten des Arbeitgebers gegenüber schwerbehinderten Menschen. Da deren Verletzung leicht zur Diskriminierungsvermutung führen kann, ist hier Vorsicht geboten. Dieses Seminar stellt die aktuelle Rechtsprechung vor und gibt Tipps für den richtigen Umgang mit dieser schwierigen Rechtsmaterie.

Termin/Ort: 21.02.2019, Bonn

Das Disziplinarrecht ist im Beamtenrecht das typische Sanktionsrecht für Beamt(inn)en, die ein Dienstvergehen begangen haben. Dieses Praxisseminar stellt die Strukturen des Disziplinarrechts dar; ebenso werden die aktuelle Rechtsprechung und Kommentarliteratur vorgestellt. Weiterhin wird das Bundesdisziplinargesetz vorgestellt, ebenso die wesentlichen Landesdisziplinargesetze.

Termin/Ort: 26.02.2019, Bonn

Detaillierte Information und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

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Innen Spiegel

Neue Sonderpublikationen “E-Mobility” und “BwFuhrparkService” (wim/por) Noch vor Jahresende kann der Behörden Spiegel auf das Erscheinen von zwei Sonderpublikationen verweisen: das “E-MobilityJahrbuch 2018” und aus der Magazinreihe “Moderne Streitkräfte” die Ausgabe “BwFuhrparkService GmbH”. Die öffentliche Hand stellt sich bereits seit einiger Zeit “elektromobil” auf und muss dabei immer mehr auch den Aspekt autonomer Verkehrsmittel mit einbeziehen. Vielerorts wurde schon früh die Chance verstanden, die sich aus einer Mobilitätswende ergeben kann, sodass viele Behörden bei dem Thema proaktiv vorweggehen. Um diese Entwicklung zu begleiten, veröffentlicht der Behörden Spiegel in diesem Jahr zum zweiten Mal das “E-Mobility-Jahrbuch”. Das Heft richtet sich an Entscheider und Mitarbeiter aus der Behördenlandschaft und liefert einen kompakten Eindruck von Perspektiven und Positionen zu den Themen E-Mobilität, digitale Vernetzung sowie zum autonomen Fahren. Das Magazin soll im Rahmen der rasanten Entwicklung moderner Mobilität mehr denn je zur Vernetzung zwischen den Akteuren der Szene und vor allem zum behördenübergreifenden Austausch beitragen. Die BwFuhrparkService GmbH ist der Mobilitätsdienstleister der Bundeswehr und damit der größte öffentliche Fuhrparkmanager Deutschlands. Dr. Georg Wilmers, Geschäftsführer der BwFuhrparkService GmbH, schrieb in seinem Vorwort zu dieser neuesten Ausgabe der Magazinreihe “Moderne Streitkräfte”: “Die BwFuhrparkService GmbH ist eines der Kooperationsunternehmen, die infolge der Umsetzung des Ziels entstanden sind, durch

verstärkte Kooperation mit der Wirtschaft mehr Effektivität und Effizienz für die Bundeswehr zu erreichen.” Die deutschen Streitkräfte hätten damit ein interessantes Inhouse-Unternehmen und einen wirtschaftlichen Dienstleister, der qualitativ hochwertige Mobilitätsleistungen erbringe. Deren Geschäftsfelder sind das Flottenmanagement und Mobilitätsbereitstellung für die Bundeswehr ebenso wie für ausländische Streitkräfte und für Bundesbehörden. Auf Bitten des Deutschen Bundestages leistet die BwFuhrparkService GmbH seit Juni des vergangenen Jahres auch den Fahrdienst für die Parlamentsabgeordneten in Berlin. Die einzelnen Leistungen – einschließlich der Unterstützung von Auslandseinsätzen – werden in dieser Broschüre vorgestellt. Mehr Informationen und Bestellmodalitäten unter www. behoerden-spiegel.de/sonder publikationen/

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Die Senatorin für Finanzen Bremen Foto 2: BS/Stadt Köln, Martina Goyert Foto 3: BS/Jennifer Rumbach Beilagenhinweis Der überregionalen Ausgabe des Behörden Spiegel liegt eine Beilage der Messe Berlin bei. In einer Teilauflage finden Sie eine Beilage der Technischen Akademie Wuppertal und in der Gesamtauflage ist eine Beilage der ProSeminaris enthalten.

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / November 2018

Es fehlen die richtigen Werkzeuge An den befristeten Arbeitsverträgen liegt es nicht (BS/Jörn Fieseler) Der Öffentliche Dienst ist Spitze! Was für die einen die Wahrheit und für andere ein Werbeslogan ist, ist für Dritte wiederum bitterer Ernst. In keiner anderen Branche gibt so viele befristete Arbeitsverträge wie im Öffentliche Dienst. Warum eigentlich? Weil das Beamtenrecht zu starr ist und keine Möglichkeiten bietet, kurzfristige Personalbedarfe abzudecken – so eine schnelle Antwort. Dem ist nicht so. Vielmehr fehlen im Spannungsverhältnis von Aufgabenerledigung und Stellenplan schlicht die Stellen – und dafür notwendige Bemessungsinstrumente. 8,3 Prozent aller Arbeitsverträge waren 2017 befristet. 2014 wies das IAB-Betriebspanel einen Anteil von 7,1 Prozent aus, wie aus dem Forschungsbericht “Befristete Beschäftigung im Öffentlichen Dienst” des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vom Dezember 2015 hervorgeht. Im Öffentlichen Dienst lag demnach der Anteil von befristeten Beschäftigungsverhältnissen bei Arbeitnehmern (ohne Wissenschaft) bei 9,3 Prozent. Spitzenreiter waren die Länder mit 12,3 Prozent, gefolgt vom Bund mit 11,9 Prozent und den Kommunen mit 8,2 Prozent. In der Sozialversicherung betrug der Anteil lediglich 6,7 Prozent. Angesichts der allgemeinen Entwicklung dürfte sich an diesen Zahlen nichts Gravierendes verändert haben. Im Gegenzug gibt es keine betriebsbedingten Kündigungen. Aber um auf beispielsweise kurzfristige, unvorhergesehene Personalbedarfe reagieren oder um Projekte innerhalb der öffentlichen Verwaltung realisieren zu können, bleibt meistens keine andere Wahl, als befristete Einstellungen vorzunehmen.

Zwischen Theorie und Praxis Theoretisch wäre es zwar möglich, innerhalb der Bundesverwaltung Beamte bei arbeitsbedingten Mehrbedarfen zu verschieben. Neben der dauerhaften Versetzung sehen das Bundesbeamtengesetz (BBG) und das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) auch die zeitlich begrenzte Abordnung auf einen anderen Posten vor (siehe § 27ff. BBG oder § 13ff. BeamtStG). Abordnungen sind selbst ohne Zustimmung und sogar zu einem anderen Dienstherrn für bis zu fünf Jahre möglich, sonst auch länger. Im Arbeitsalltag werden diese Instrumente auf Basis der

Um die sprichwörtlichen Bretter im Personalmanagement bohren zu können, gibt es unterschiedliche Werkzeuge – sprich Bohrer. Doch bei der auskömmlichen Personalbemessung durch den Bundestag fehlt das passende Instrument.

Der Politiker fordert deshalb einen Auskunftsanspruch für den Nationalen Normenkontrollrat (NKR) im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung. Denn nur auf der Basis dieser Informationen könne auch der Grundsatz der Konexität greifen. Und für die Bundesebene müsse es ein dauerhaftes System der Personalbemessung geben, schlägt er vor. Einmal im Jahr müsste jede Zentralabteilung in der Bundesverwaltung dieses Verfahren durchführen – aktuell geschieht dies nur alle fünf Jahre. Denn der Weg bis zur Bewilligung neuer Stellen ist kein leichter. Das jeweilige Fachressort müsse sich zuerst an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) wenden. Der Haushaltsausschuss befasse sich mit der Frage erst nach dessen Zustimmung, verbunden mit einem Vorschlag, in welchem Haushaltsjahr wie viele Stellen geschaffen werden sollen.

Foto: BS/© chesnovaa, stock.adobe.com

Personalpolitischer Verschleierungstatbestand Freiwilligkeit sogar sehr häufig mationen des Behörden Spiegel sich Aufgaben entwickelten. “Wir genutzt. Davon habe die Öffentlichkeit jedoch kaum Kenntnis, erläutert Friedhelm Schäfer, Zweiter Bundesvorsitzender und Fachvorstand Beamtenpolitik beim DBB Beamtenbund und Tarifunion. Umsetzungen zwischen verschiedenen Abteilungen innerhalb einer Behörde seien immer möglich. Aber: “Hier kommt es immer zum sogenannten Tischtuchprinzip.” Wenn an einer Seite des Tuches gezogen werde, fehle es am anderen Ende, so Schäfer weiter. Praktisch ist es vor allem eine Frage vorhandener freier Stellen. Doch die fehlen sogar für dauerhafte Aufgaben. Im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) haben laut Infor-

rund 30 Prozent der Beschäftigten befristete Arbeitsverträge, obwohl sie dauerhafte Aufgaben wahrnehmen. Ein anderes Beispiel ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Hier hat eine Organisationsuntersuchung in diesem Jahr gezeigt, dass die Behörde insgesamt zu wenig Personal hat. Der Ruf nach mehr Personal erschallt oft in Richtung Politik. Und verhallt dort nicht selten ungehört. “Ich als Mitglied des Haushaltsausschusses möchte, dass Aufgaben sachgerecht erledigt werden”, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Haase. Die meisten Parlamentarier hätten jedoch nicht im Blick, wie

müssen aufgabenkritischer sein”, fordert daher der Bundesvorsitzende der kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der Union. Doch dazu sei die Entscheidungsgrundlage qualitativ nicht gut. “Es fehlt ein Managementsystem, um dies besser zu kontrollieren”, konstatiert er. Übrigens nicht nur im Parlament, sondern auch in den meisten Ministerien. Wenn die Wirkung eines Gesetzes abgeschätzt werde, müsse nicht nur der Erfüllungsaufwand angegeben werden, sondern auch konkret der Anteil der Personalkosten, wünscht sich Haase. Diese Angaben würden bei den Aufgaben weitestgehend fehlen, die an Länder oder die Kommunen delegiert würden.

Aber: Dies werde nicht dazu führen, dass es gar keine befristeten Arbeitsverträge in der öffentlichen Verwaltung mehr geben werde, so Haase. Dieses tarifrechtliche Instrument müsse den Arbeitgebern erhalten bleiben. Einzig die sachgrundlose Befristung gehöre abgeschafft. “Faktisch findet sich immer ein konkreter Zweck. Die sachgrundlose Befristung ist vielmehr ein personalpolitischer Verschleierungstatbestand, weil (Plan-) Stellen damit heruntergerechnet werden können”, so Schäfer. Erste Bundesländer wie Berlin oder Bremen gehen diesen Weg bereits. Das heißt aber nicht, dass sie auf Befristungen gänzlich verzichten.

KNAPP Novellierung geplant (BS/iga) Der Berliner Senat plant, das Landesbesoldungsgesetz Berlin und das Bundesbesoldungsgesetz in der Überleitungsfassung für die Hauptstadt zusammenzuführen und zu vereinheitlichen. Entsprechende Eckpunkte für einen Gesetzentwurf zum einheitlichen Berliner Landesbesoldungsgesetz präsentierte Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz. Nun muss der Rat der Bürgermeister eine Stellungnahme abgeben. Für die Novellierung des Landesbesoldungsgesetzes ist jedoch eine frühzeitige Abstimmung über insgesamt neun Eckpunkte erforderlich. Die Zusammenführung beider besoldungsrechtlicher Gesetzesgrundlagen soll umfangreich überprüft werden, heißt es aus dem Senat. Ein erster abstimmungsreifer Entwurf ist für Ende 2019 vorgesehen.

Für bessere Bedingungen (BS/jf) Allein in Baden-Württemberg sind 15 Prozent aller Arztstellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) unbesetzt. Entsprechend fordern der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte im ÖGD (BVÖGD) und der Marburger Bund gemeinsam bessere Bedingungen. “Bessere Tarife für Ärzte im ÖGD sind gerade bei der aktuellen Ärzteknappheit die grundlegende Voraussetzung für eine zukunftsfähige Nachwuchsentwicklung“, erklärte Dr. Johannes Nießen vom Vorstand des BVÖGD. Entsprechend fordert Jan Schultze-Melling vom Marburger Bund: “Ein Tarif für alle Ärzte! Es kann nicht sein, dass Ärztinnen und Ärzte in Kliniken und Gesundheitsämtern unterschiedlich bezahlt werden.” Zumindest im Ländle gibt es den Willen zur Veränderung. Die Landesgregierung habe eine Lenkungsgruppe eingesetzt, um den ÖGD attraktiver zu gestalten und zu stärken. Im kommenden Frühjahr sollen erste Ergebnisse vorliegen, versprach Sozialminister Manne Lucha.

→ Save the Date

Hamburger Vergabetag 2019 24.–25. Januar 2019, Handwerkskammer Hamburg Der Hamburger Vergabetag ist der Treffpunkt für öffentliche Einkäufer, Vergaberechtler und -berater sowie Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden. → Online-Anmeldung unter www.hamburger-vergabetag.de


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Behörden Spiegel / November 2018

Gesamtgefüge in Schieflage

Eckpunktepapier vereinbart

Gesetzgeber in Niedersachsen muss nachbessern

Tarifvertrag für Infrastrukturgesellschaft nimmt Form an

(BS/jf) Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat entschieden, das die Besoldung in den Gruppen A 8 und A 11 von 2005 bis 2012 (BS/jf) Die Infrastrukturgesellschaft des Bundes für Autobahnen und und im Jahr 2014 in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen war. Das Gleiche gilt für die Gruppen A 9 und A 12 in den Jahren von 2014 bis Bundesfernstraßen (IGA) bekommt einen eigenen Tarifvertrag. Über die 2016. Beamte und Personalvertreter sind zufrieden mit der Entscheidung. Grundzüge haben sich die IGA als Arbeitgeber mit den Vertretern der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und dem DBB BeamtenGeklagt hatten in Niedersachsen So lange wollten die Kläger nicht zwischen den Besoldungsgrup- bund und Tarifunion (DBB) geeinigt. zwei Beamte im aktiven Dienst sowie ein weiterer Beamter, der seit 20 Jahren im Ruhestand ist. Alle drei haben seit 2005 bei ihrem Dienstherren eine verfassungswidrige Unteralimentation gerügt – ohne Erfolg. Auch die Klage- und Berufungsverfahren führten nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Ebenso sah das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten und im Mai 2015 veröffentlichen Parameter für die Feststellung einer Unteralimentation als im Wesentlichen nicht erfüllt an. Lediglich für das Jahr 2013 haben die Richter des OVG diese angenommen. Allerdings legten sie die einschlägigen Besoldungs-

Lichtblick für Niedersachsens Beamte: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Besoldung des Landes als verfassungswidrig niedrig eingestuft. Foto: BS/Michael Thiem, pixelio.de

regelungen dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe vor.

warten und gingen in die nächste Instanz nach Leipzig. Dort haben die Richter des zweiten Revisionssenats unter Vorsitz von Ulf Domgörgen auch für die übrigen Jahre nach Prüfung aller Parameter eine verfassungswidrige Unteralimentation angenommen. Zudem habe der Landesgesetzgeber die absolute Untergrenze einer verfassungsmäßigen Alimentation unterschritten. Diese muss in der untersten Besoldungsgruppe (in Niedersachsen A2) 15 Prozent höher sein als das Niveau der sozialrechtlichen Grundsicherung. Dies führe zwangsläufig zu einer Verfassungswidrigkeit des Besoldungsniveaus in den höheren Besoldungsgruppen. “Solange der Gesetzgeber die Abstände

pen nicht bewusst neu geordnet hat, hat die erforderliche Anpassung der untersten Besoldungsgruppe notwendigerweise eine Verschiebung des Gesamtgefüges zur Folge”, so die Richter. Der Landesvorsitzende vom Niedersächsischen Beamtenbund und Tarifunion (NBB), Martin Kalt, ist mit dem Beschluss zufrieden. Zugleich bot er der Landesregierung an: “Wir stehen als NBB nach wie vor für Gespräche zur Verfügung, um endlich eine positive Lösung für die beamteten Beschäftigten in Niedersachsen zu erreichen.” Jetzt erwarte man nach dem “klaren Signal” aus Leipzig entsprechende Vorschläge. “Die Zeit der Absichtserklärungen ist lange vorbei”, so Kalt.

Ein steiniger Weg Korruptionsprävention nicht immer einfach umsetzbar (BS/Marco Feldmann) Bei der Umsetzung eines Korruptionspräventionssystems müssen innerhalb von Verwaltungen oftmals große und zahlreiche Widerstände überwunden werden. Dieser Prozess sei ein steiniger Weg. Hinzu komme, dass es oftmals noch ein Tabu sei, über Korruption zu sprechen. Es gibt aber auch Mittel und Wege, die Mitarbeiter von Gewissenskonflikten zu befreien.

Mitarbeiter überzeugen Ohne die Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung für das Thema Korruption zu sensibili-

Berichtete von Problemen und Hindernissen bei der Umsetzung von Korruptionspräventionssystemen: Ralf Kriesemer von der Stadtverwaltung Neuss. Fotos: BS/Feldmann

Siham Skocic von der Stadt Karlsruhe wies auf die Bedeutsamkeit der Mitarbeitersensibilisierung im Bereich von Korruptionsprävention und Compliance hin.

sieren, gelinge es jedoch nicht, ein Internes Kontrollsystem (IKS) erfolgreich einzuführen. Ebenso wichtig sei die Erhebung und Visualisierung von Prozessen in den einzelnen Ämtern sowie deren Bewertung. Darauf wiesen Siham Skocic von der Karlsruher Stadtverwaltung sowie Patrick Roßkothen, Berater für strategisches Prozessmanagement und die Einführung interner Kontrollsysteme, auf der Veranstaltung “Public Risk & Compliance” des Behörden Spiegel in Bonn hin. So unterstrich Skocic: “Die Sensibilisierung der Führungskräfte ist das A und O für das Funktionieren eines Internen Kontrollsystems.” Dafür müssten das Risikobewusstsein geschärft und der Mehrwert eines IKS aufgezeigt werden. Außerdem käme es auf eine regelmäßige Evaluation und Kontrolle des IKS an, waren sich Skocic und Roßkothen einig. Und noch etwas sei wichtig, so der Berater: Für das Funktionieren eines IKS müsse innerhalb ei-

ner Verwaltung eine einheitliche “Sprache” gesprochen werden. Bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) existiert eine derartige Einheitlichkeit. Sie verfüge sowohl über ein IKS als auch über ein Compliance-System, berichtete Bettina Volprecht. Außerdem liege dort ein Risikohandbuch vor. In diesem werde die Art und Weise, wie Risikomanagement in der BaFin umgesetzt werden soll, erläutert. Des Weiteren gebe es den Beschäftigten Handlungssicherheit.

Systemdreiklang Diese werde darüber hinaus durch ein integriertes Risikomanagementsystem gestärkt. Volprecht benannte mehrere Vorzüge dieses Ansatzes. So seien zum einen Interdependenzen und Wirkungszusammenhänge leichter erkennbar und besser zu bewerten. Zum anderen könnten mögliche Risiken aus unterschiedlichen Perspektiven heraus

betrachtet und analysiert werden, so die BaFin-Mitarbeiterin aus dem Bereich “Strategische Steuerung und Risikomanagement”. Bei der Deutschen Bundesbank hätten konzeptionelle Überlegungen zur Entwicklung eines Risikomanagementsystems bereits 2005 begonnen. Diese seien dann ab 2006 schrittweise weiterentwickelt und jährlich überprüft worden, erläuterte Claudia Kuntz, Abt. Organisation. 2016 sei dann eine entsprechende Dienstvorschrift herausgegeben worden. Generell trage bei der Deutschen Bundesbank der sechsköpfige Vorstand die Gesamtverantwortung für das Risikomanagement. Seine Mitglieder legten auch Risikotoleranzen fest. Hinzu käme ein dezentrales Risikomanagement durch die einzelnen Fachbereiche sowie die interne Revision als unabhängige Instanz, so Kuntz.

Unterschiedliche Formen Auf verschiedene Formen der Korruption machte Frank Winter von der Staatsanwaltschaft Neuruppin aufmerksam. So gebe es einerseits die situative Korruption. Das seien Korruptionshandlungen, denen ein spontaner Willensentschluss zugrunde liege. Andererseits fände strukturelle Korruption statt. Darunter fielen bewusst im Vorfeld geplante Korruptionshandlungen. Beide Formen hätten aber eines gemeinsam: “Bei Korruption geht es immer um Macht und Einflussnahme.” Zudem funktioniere sie durchgängig über “Anfüttern” und es existiere grundsätzlich ein Dunkelfeld. Der Oberstaatsanwalt räumte jedoch auch ein: “Korruption ist kein strafrechtlicher Begriff.”

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Das berichtete Ralf Kriesemer, Leiter des Referats “Antikorruption” bei der Stadt Neuss. So müsse für die Entwicklung solcher Systeme oftmals zunächst die Führungsspitze der Behörde überzeugt werden. Hilfreich sei, wenn diese dann eine Null-Toleranz-Politik festlege, wie es in seiner Verwaltung der Fall sei. Deutlich kontraproduktiver sei es hingegen, sofern die Relevanz beziehungsweise Dringlichkeit eines derartigen Leitfadens negiert werde. Dies geschehe leider noch zu oft, kritisierte Kriesemer. Dabei gelte eigentlich: “Korruptionsprävention stellt nicht alle Mitarbeiter unter Generalverdacht, sondern ist ein Schutzmechanismus für ordnungsgemäß arbeitende Beschäftigte.” Die Leiterin der Forschungsgruppe “Recht in Nachhaltigkeit, Compliance und IT” an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof, Prof. Dr. Beatrix Weber, betonte: “Compliance ist eine präventive Aufgabe der Behördenleitung.” Außerdem handele es sich dabei um ein Organisations- und Prozessthema, das “für die öffentliche Hand unabdingbar” sei. Schließlich gehe es, auch wenn es sich teilweise um eine undankbare Aufgabe handele, dabei um die Sicherung rechtmäßigen Handelns auch unter Risikobedingungen. Dies könne unter anderem durch die Priorisierung von Risikofeldern oder Dokumentation sichergestellt werden, so die Wissenschaftlerin.

“Die IGA muss im Wettbewerb um die Fachkräfte attraktive Arbeitsbedingungen bieten, damit die Überführung der Bundesautobahnen aus der Verwaltung der Länder funktionieren kann”, sagte Wolfgang Pieper, zuständiges Mitglied des VerdiBundesvorstands für den Öffentlichen Dienst. Dafür sei mit der Eckpunktevereinbarung der Grundstein gelegt worden. “Hervorzuheben ist, dass wir bereits jetzt konkrete Regelungen zur Arbeitszeit getroffen haben”, ergänzte Volker Geyer, Fachvorstand Tarifpolitik beim DBB. Einvernehmen bestehe zudem, den bisherigen Arbeitsplatz und -ort der Beschäftigten zu sichern. Darüber hinaus enthält das Eckpunktepapier Leitlinien für die allgemeinen Arbeitsbedingungen, zur Bezahlung und zur Eingruppierung die es bei der IGA geben soll. Ein weiterer Bestandteil sind die Überleitungsregelungen für die Beschäftigten in den Bauverwaltungen der 16 Bundesländer, die ihre Arbeitsverhältnisse wechseln sollen. Deren genaue Zahl steht noch nicht fest, es

handelt sich jedoch um eine Größenordnung von 12.000 bis 15.000 Beschäftigten. “Deshalb müssen wir die Arbeitsbedingungen umfassend regeln und im Tarifvertrag festschreiben. Denn die Verunsicherung bei den Beschäftigten ist immer noch groß, viele Fragen sind nach wie vor offen. Klar ist: Am Ende darf keiner schlechter dastehen als zuvor“, betonte Geyer. Pieper wies abschließend darauf hin, dass Verdi bereits zuvor mit dem Bund, mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und dem nicht zur TdL gehörenden Land Hessen tarifvertraglich die Rechte der Beschäftigten bei dem zum 1. Januar 2021 vorgesehenen Betriebsübergang gesichert habe. Selbst wenn die mit Autobahnaufgaben befassten Beschäftigten der Länder in der jetzt stattfindenden Befragung ihr Interesse an einem Wechsel zur IGA bekundeten, bleibe im Jahr 2020 ihr Widerspruchsrecht gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die IGA bestehen, so der Leiter der Fachbereiche “Bund und Länder” und “Gemeinden”.

Praxis im Mittelpunkt Datenschutz als Bestandteil der Personalratsarbeit (BS) Der Datenschutz ist in der täglichen Personalratsarbeit immer wieder Thema und Herausforderung. Angefangen beim klassischen Arbeitnehmerdatenschutz, über die elektronische Personalakte bis hin zur Videoüberwachung. Daher ist es unabdingbar, dass der Personalrat mit der Behördenleitung auf Augenhöhe sprechen und verhandeln kann. Welche Grundlagen sind für Personalvertretungen unabdingbar? Welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechniken? Wie sehen Muster-Dienstvereinbarungen für typische Datenschutzsituationen aus und auf welche rechtlichen Fallstricke ist dabei zu achten? Diese Fragen sind Gegenstand eines Seminars der Cyber Akademie unter dem Titel “Personalrat und Datenschutz”. Neben den gesetzlichen Grundlagen soll vor allem praxisnahes Wissen vermittelt werden, damit der Personalrat mit Regelungsvorschlägen an die Behördenleitung herantreten kann, wenn es um typische Datenschutzthemen wie die private E-Mail- und Internetnutzung geht. Ein weiterer Schwerpunkt des

Seminars zeigt dem Personalrat Kontroll- und Überprüfungsmöglichkeiten der IT-Abteilung und des behördlichen Datenschutzbeauftragten auf. Wer das Thema Datenschutz aktiv behandeln will, muss das Datenschutzniveau in der Behörde einschätzen und beurteilen können. Ist beispielsweise die Verfahrensdokumentation ausreichend und wurden die technischen und organisatorischen Maßnahmen, die für den Datenschutz notwendig sind, in dem notwendigen Maße geprüft? Gibt es ein Löschungskonzept für Daten und wie wird dies umgesetzt? Das Seminar findet am 21. März 2019 in Stuttgart statt. Weitere Informationen unter www.cyber-akademie.de, Suchwort “Personalrat”

Neues im IT-Arbeitsrecht Herausforderungen in der digitalisierten Welt (BS) Der Einsatz von Informationstechnologien ist in der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Und durch die Digitalisierung ist Letztere einem rasanten Wandel unterworfen. Doch wie wirken sich die damit verbundenen Veränderungen auf das Arbeitsrecht aus? Neue Arbeitszeit- und -ortsmodelle sowie der Wunsch der Beschäftigten in den öffentlichen Verwaltungen nach mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind nur ein Bestandteil der Digitalisierung. Ebenso gehören dazu der Umgang mit sogenannten Hass-Postings oder Beleidigungen von Vorgesetzten in den Sozialen Netzwerken oder eingestellte Bilder von Freizeitaktivitäten, obwohl der Beschäftigte eigentlich krankgeschrieben ist. Ein anderer Aspekt betrifft die arbeitsrechtlichen Konsequenzen für diejenigen, die während der Arbeitszeit Raubkopien erstellen. Generelle Regelungen zur Gestaltung der Digitalisierung

durch den Gesetzgeber sucht man vergebens. Auf der anderen Seite urteilen Gerichte, egal welcher Instanz, nur über den jeweiligen Einzelfall. Einen systematischen Überblick über sämtliche aktuellen rechtlichen Aspekte der Digitalisierung vermittelt das Seminar “Arbeitsrecht in der digitalisierten Arbeitswelt” der Cyber Akademie. Neben konkreten Arbeitshilfen werden die wichtigsten Urteile in leicht verständlicher Form praxisgerecht dargestellt. Das Seminar findet am 14. März 2019 in Berlin statt. Mehr unter www.cyber-akade mie.de, Suchwort “Arbeitsrecht”


Bund

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Weltmeister bei Kostenquantifizierung

Verbindliche Quote gefordert

Kanzlerin dankt Normenkontrollrat für geleistete Arbeit

Gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen

(BS/Jörn Fieseler) Deutschland sei das einzige Land der Welt, das den Erfüllungsaufwand und die Bürokratiekosten zu 90 bis 95 Prozent quantifi- (BS/kh) Im Öffentlichen Dienst des Bundes soll bis 2025 die gleichzieren könne, sagte Dr. Johannes Ludewig, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates (NKR), anlässlich des diesjährigen Jahresberichts an berechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Leitungsfunktionen Kanzlerin Dr. Angela Merkel. Trotzdem gebe es in anderen Bereichen teils gravierende Rückstände. erreicht werden. Darauf haben sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag geeinigt. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hat Für die Verwaltung verzeichnet dernisses nicht nur diskutiert, eine breite Diskussion über Ziele, hierzu ein Gesetzesvorhaben angekündigt. Bei den originären Aufgaben des

NKR fällt die Bilanz positiv aus. In den letzten zwölf Monaten sei die Belastung für die Wirtschaft, aber auch für die Verwaltung gesunken. So wurden die Unternehmen seit 2015 um 1,8 Mrd. Euro bei den Folgekosten entlastet. Im Zeitraum 2017/18 sei die Wirtschaft im 665,8 Mio. Euro entlastet worden. Vor allem die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und die Upstream-Emissionsminderungsverordnung seien die großen Kostenreduzierer gewesen.

der NKR eine Verringerung der Bürokratiekosten und des Erfüllungsaufwandes um -213,5 Mio. Euro im gleichen Zeitraum. Für die Bürger sei sie gleich geblieben, so Ludewig. Allerdings sei der NKR noch nicht in der Lage, die Kosten durch EU-Regeln zu quantifizieren. Geschätzte 435 Mio. Euro Kosten sind in der Rechnung des unabhängigen Rates nicht enthalten. Das müsse sich noch ändern, fordert der Vorsitzende des zehnköpfigen Gremiums. Denn “für die Wirtschaft ist es egal, ob die Kosten aus Brüssel oder Berlin stammen”.

“Once-Only-Prinzip” verwirklichen

61 Seiten umfasst der Jahresbericht, der erstmalig komplett im Sekretariat des NKR erstellt und vervielfältigt wurde. Foto: BS/NKR

Ludewig äußerte sich zudem kritisch zur Digitalisierung. 50 Prozent der Kostenreduzierung würden durch die diese realisiert. Aber seit Jahren komme Deutschland hier nicht vom Fleck. Bürger und Wirtschaft würden einfache digitale Verwaltungsangebote erwarten, bei denen sie ihre Daten im Sinne des “Once-Only-Prinzips” nur einmal angeben müssten. “Davon sind wir aber leider immer noch weit entfernt”, so der NKRVorsitzende. Auch müsse über die Frage des Schriftformerfor-

MELDUNGEN

DLR-Institut gegründet (BS/mfe) In Bremerhaven ist das neue Institut des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) für den Schutz maritimer Infrastrukturen gegründet worden. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt für dessen Arbeit eine zusätzliche Finanzierung von vier Millionen Euro pro Jahr bereit. Die Wissenschaftler sollen Lösungen zur Absicherung von Häfen, Schiffen und Handelsrouten entwickeln. Gleiches gilt für den Schutz von OffshoreWindkraftanlagen. Geplant sind Kooperationen mit der Bundespolizei und der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger sowie ein enger Austausch

mit Partnern in Forschung und Industrie. Der Maritime Koordinator der Bundesregierung, der Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann (CDU), erklärte anlässlich der Institutseröffnung: “Als außenhandelsorientiertes Land sind wir in besonderem Maße auf funktionsfähige und leistungsstarke maritime Infrastrukturen angewiesen.” Mithilfe des DLR entwickle man das notwendige Know-how und die entsprechenden Technologien zur Sicherung dieser Infrastrukturen und leiste damit einen direkten Beitrag zum Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft in Deutschland, so Brackmann.

Neues Finanzierungsinstrument initiiert (BS/mfe) Die Bundesregierung hat gemeinsam mit Großbritannien und der Weltbank ein neues Finanzierungsinstrument zur besseren Absicherung von Klimaund Naturkatastrophen auf den Weg gebracht. Mit der “Global Risk Financing Facility” (GRiF) sollen in Entwicklungsländern Klimarisikoversicherungen sowie andere innovative Finanzierungsinstrumente auf- und ausgebaut werden. Davon versprechen sich die Verantwortlichen eine raschere Auszahlung von Hilfen im Ernstfall sowie den schnellen Beginn von Hilfsleistungen. Außerdem könnten dadurch Anreize für eine bessere Vorsorge, die Erstellung von Notfallplänen und Investitionen in präventive Schutzmaßnahmen gesetzt werden, hieß es nach der jüngsten Jahrestagung der Weltbank.

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesentwicklungsminister, Norbert Barthle (CDU), sagte zu dem neuen Instrument: “2017 verursachten Dürren, Überschwemmungen, Erdbeben und Tropenstürme weltweit Schäden in Rekordhöhe. Vorsorge und Anpassung an Umwelt- und Klimaveränderungen sind überlebenswichtig.” Die Katastrophenbewältigung sei gerade für Entwicklungsländer eine enorme finanzielle Belastung. “Daher unterstützen wir mit dem neuen Finanzierungsinstrument Entwicklungsländer weltweit, sich besser auf Klimarisiken vorzubereiten und im Katastrophenfall schneller und effizienter Hilfe zu leisten”, so Barthle weiter. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit unterstützt GRiF mit 115 Millionen US-Dollar.

Flugbereitschaft verlegt nicht an den BER (BS/jf) Obwohl am Flughafen Berlin Brandenburg “Willy Brand” noch in diesem Jahr das Interims-Regierungsterminal betriebsbereit sein soll, will die Flugbereitschaft keine Maschinen an den neuen Berliner Standort verlegen. Die Starts und Landungen in Berlin-Tegel entsprechen

einem Anteil von einem Prozent aller Starts, weshalb bei einer Verlegung von keiner Entlastung für den “Otto-Lilienthal”-Flughafen ausgegangen werden könne, schreibt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der FDP im Bundestag (Drucksache 19/4812).

sondern auch entschieden und umgesetzt werden. Und: Beim Onlinezugangsgesetz, bei dem 575 Verwaltungsleistungen digitalisiert werden sollen, seien nur vier Mitarbeiter für die Koordination zuständig. “Zu wenig”, mahnt Ludewig.

Handlungsalternativen und einen einfachen Vollzug möglich sei. Das Motto müsse lauten: “Erst der Inhalt, dann die Paragrafen” und der Gesetzgebungsprozess vom Kopf auf die Füße gestellt werden. “Da stehen wir noch ganz am Anfang”, bilanziert Ludewig.

Vom Kopf auf die Füße

Arbeit gewürdigt

Überhaupt lasse sich die Qualität der Gesetze weiter verbessern. Leistungssteigerungen seien dringend notwendig. Deshalb sollen verbindliche und einheitliche Standards für die Evaluation von Gesetzen festgeschrieben werden. Zudem müsse jede Gesetzesevaluation am Ende konkrete Handlungsempfehlungen enthalten, damit die richtigen Schlüsse gezogen werden könnten. Auch sollte zu Beginn eines Gesetzgebungsverfahrens ein Eckpunktepapier erstellt werden, auf dessen Grundlage

“Es ermuntert mich, dass der NKR nicht nur auf die Kosten schaut”, entgegnete Bundeskanzlerin Merkel. Sie hoffe, dass die nächste Sitzung des Staatssekretärsausschusses zu den EU-Regularien Erfolge bringe. Zugleich dankte sie den Mitgliedern des Normenkontrollrates für deren geleistete Arbeit. Sie seien die Institution, die darauf achte, dass bei der Menschenordnung viel Menschenverstand angewendet werde. Erstere komme laut dem Schriftsteller Carl Zuckmayer nämlich nach dem Menschen.

“Aktuell beträgt der Frauenanteil an Leitungsfunktionen in obersten Bundesbehörden rund 35 Prozent – Tendenz steigend. Berücksichtigt man, dass der Frauenanteil an allen Beschäftigten im höheren Dienst bei 46 Prozent liegt, sind Frauen in Leitungsfunktionen deutlich unterrepräsentiert”, heißt es vom Justizministerium. Angesichts dessen begrüßt die DBB Bundesfrauenvertretung das Gesetzesvorhaben. Deren Vorsitzende, Helene Wildfeuer, betont: “Nur mit einer verbindlichen gesetzlichen Regelung kann die Bundesregierung das Ziel, Leitungsfunktionen im Öffentlichen Dienst bis zum Jahr 2025 zur Hälfte mit Frauen und Männern zu besetzen, erreichen. Dazu gehört neben der Einführung einer verpflichtenden Quotenregelung auch eine Transparenzrichtlinie, die Schwachstel-

len im Beförderungswesen in den unterschiedlichen Bereichen der öffentlichen Verwaltung aufzeigt.” Vergleichbare und verpflichtende Beurteilungskriterien müssten eingeführt werden, die nach Arbeitszeit und Geschlecht differenzierten. Wenn die Auswertungen dieser zudem öffentlich zugänglich gemacht würden, könnten Führungskräfte identifiziert und sanktioniert werden, die keine Frauenförderung betrieben, so Wildfeuer. Besonders die Landesregierungen seien in der Pflicht, sich stärker als bisher für die Umsetzung der Gleichstellung einzusetzen. Denn was in den Ländern positiv wirke, habe Strahlkraft auf den Bund und umgekehrt. “Ich erinnere an die Initiative der Landesregierungen, welche die Frauenquote für Aufsichtsgremien erst ermöglicht hatte”, vergegenwärtigt Wildfeuer.


Länder

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as Solidarische Grundeinkommen (SGE) sieht vor, Arbeitslosen eine öffentlich geförderte Beschäftigung zu ermöglichen, in der sie Tätigkeiten ausüben, die wegen knapper Mittel derzeit nicht oder nicht in hinreichendem Maße angeboten werden. Dazu zählen etwa Sperrmüllbeseitigung, Bepflanzung von Grünstreifen und das Säubern von Parkanlagen oder auch Begleit- und Einkaufsdienste für Ältere oder Menschen mit Behinderung. Drei Komponenten stehen dabei im Vordergrund: faire Bezahlung, unbefristete Beschäftigung und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Insgesamt sollen zunächst circa 1.000 solcher unbefristeten Stellen bei gemeinnützigen Beschäftigungsträgern, Bezirken oder kommunalen Unternehmen gefördert werden, die nach dem Berliner Landesmindestlohn (derzeit neun Euro pro Stunde) vergütet werden. Dort, wo Tarifverträge vorliegen, nach Tarifvertrag. Die förderberechtigten Personen sollten auf Wunsch ein solches Arbeitsangebot erhalten und in Vollzeit ausüben. Dieser Personenkreis wird beschränkt auf Arbeitslose beim Übergang von Arbeitslosengeld I zu Arbeitslosengeld II (“Hartz IV”). Im Jahr 2017 befanden sich monatsdurchschnittlich 900.000 Personen seit mindestens einem Jahr in registrierter Arbeitslosigkeit, teilt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit.

Arbeitsmarktferne Arbeit? Das Forschungsinstitut sieht die Pläne des Berliner Senats kritisch. “Insgesamt überzeugt der Vorschlag des solidarischen Grundeinkommens nicht, insbesondere weil die Zielgruppe nicht sehr eng abgegrenzt ist, sodass viele der förderfähigen Personen arbeitsmarktnah sind und einen Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt direkt, unterstützt durch Beratung, Vermittlung und mithilfe geeigneter Förderungen, erreichen können. Entsprechend des Vorschlags müssten für einen sehr großen Personenkreis auf Nachfrage entsprechende Stellen zur Verfügung gestellt werden. Angesichts der nicht sehr engen Abgrenzung der Zielgruppe ist in

Behörden Spiegel / November 2018

In Mindestlohn und Brot Berlin plant Testphase zum Solidarischen Grundeinkommen (BS/Katarina Heidrich) Auf Initiative des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) wird derzeit in Berlin die Einführung eines Solidarischen Grundeinkommens diskutiert. Geplant ist der Beginn des Pilotprojekts voraussichtlich für das 2. Quartal 2019. Ein Eckpunktepapier muss aber noch mit den betreffenden Senatsverwaltungen abgestimmt werden. Die Fraktionen im Abgeordnetenhaus üben allerdings große Kritik an dem Vorschlag – bis auf zwei Ausnahmen. größerem Umfang mit Mitnahmeeffekten und der Verdrängung ungeförderter Beschäftigungsverhältnisse zu rechnen,” warnt Dr. Joachim Wolff aus dem Forschungsbereich Grundsicherung und Aktivierung des IAB. Anders als beim vom Bund geplanten Teilhabechancengesetz, das ebenfalls Langzeitarbeitslose in öffentlich geförderte Arbeit bringen soll (mehr dazu im Behörden Spiegel, August 2018, Seite 13), fallen beim SGE aber die Kriterien der Zusätzlichkeit und der Wettbewerbsneutralität nicht weg. Es solle sich um gesellschaftlich relevante Tätigkeiten im Bereich der “erweiterten Daseinsvorsorge” handeln. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin warnt vor Arbeitsmarktferne solcher Beschäftigungen. “Das Solidarische Grundeinkommen schafft keine Brücken in den ersten Arbeitsmarkt, sondern tendiert eher dazu, Menschen in öffentlich geförderter Beschäftigung einzusperren. Nicht akzeptabel, denn die individuelle Förderung der Menschen und ihre Wege aus der Erwerbslosigkeit müssen im Mittelpunkt stehen und nicht die politische Profilierung,” kritisiert die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Sabine Bangert.

CDU sieht Etikettenschwindel Nach Wolffs Prognose kann auch eine offizielle Zusätzlichkeit der Tätigkeiten Auswirkungen auf nicht geförderte Beschäftigungsverhältnisse haben. Gehe es um gesellschaftlich relevante Tätigkeiten, stelle sich die Frage, warum an diesen Stellen keine regulären Arbeitsplätze geschaffen würden, mit entsprechender Bezahlung. Am Beispiel Pflege lasse sich das verdeutlichen: sei dieser Bereich sowieso schon schlecht bezahlt und sollten nun gerade dort assistierende und unterstützende, geförderte Arbeitsplätze entstehen, habe dies

einfach hingenommen werden, dass rund zehn Prozent aller Schulabgänger die Schule ohne Abschluss verlassen. Denn diese sind die Langzeitarbeitslosen von morgen.” Der große Unterschied zu den angesprochenen ABM sei allerdings der, dass die Beschäftigungsverhältnisse im SGE selbst sozialversicherungspflichtig und unbefristet sein sollen.

“Grundsätzlich sinnvoll”

Um Arbeitslosen an der Schwelle zum Hartz-IV-Bezug eine Perspektive zu bieten, plant Berlin, ihnen geförderte Arbeitsplätze zu servieren. Foto: BS/andreethota0, CC0, Pixabay.com

Auswirkungen auf das gesamte Lohnniveau in der Branche. Arbeitgeber hätten mehr Anreiz, sich künftig verstärkt auf die geförderten und billigeren Plätze zu fokussieren. Gleiches gelte für die Flüchtlingshilfe, Hausmeisterdienste in öffentlichen Einrichtungen oder das ServicePersonal im ÖPNV. Alles Bereiche, in denen die geförderten Stellen entstehen sollen. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jürn Jakob Schultze-Berndt, hält das Senatsprogramm für einen “Etikettenschwindel”. Auch er kritisiert, dass die vermeintliche Förderung an den eigentlich Förderbedürftigen vorbeigehe: “Das ganze Land stöhnt unter dem Fachkräftemangel und nun sollen ausgerechnet diejenigen, die durch zielorientierte Weiterbildungsmaßnahmen zu Fachkräften gemacht werden könnten, in das Senatsprogramm übernommen werden.”

ABM im Schafspelz Als “Mogelpackung” bezeichnet auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Berliner AfD-Fraktion, Christian Buchholz, das SGE: “Da MindestlohnKonditionen gelten, handelt es

sich letztlich um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) gepaart mit Lohndumping. Denn im Prinzip plant die Hauptstadt nichts anderes als eine Neuauflage der vor sechs Jahren eingestellten ABM. Mit den ABM war es kaum gelungen, Arbeitslose in sozialversicherungspflichtige Jobs weiterzuvermitteln. In den meisten Fällen scheiterten die Vorhaben an der Identifikation geeigneter Tätigkeiten und Einsatzgebiete.” Die Regierung solle sich auf die Weiterentwicklung des Standortes konzentrieren. “Dann investieren Unternehmen und schaffen neue Jobs. Ganz ohne ABM-Projekte auf Steuerzahlerkosten,” so Buchholz. Den Vorwurf der ABM im neuen Gewand teilt ebenfalls die FDPFraktion. Ihr arbeitsmarktpolitischer Sprecher, Florian Swyter, fordert: “Statt eine untaugliche Medizin mit üblen Nebenwirkungen auch noch den falschen Patienten verabreichen zu wollen, sollte sich der Regierende Bürgermeister Müller mit Priorität für eine bessere Bildung in dieser Stadt einsetzen. Dies wäre auf Landesebene die wichtigste Maßnahme, um Langzeitarbeitslosigkeit nachhaltig zu verhindern. Es darf zum Beispiel nicht

Türkische Spezialpolizei in Kreuzberg? Fahrzeuge mit Emblem im Stadtverkehr (BS/rup/mfe) In Berlin sind in mehreren Fällen Autos mit aufgeklebten Logos des Dezernats für Sondereinsätze der türkischen Polizei aufgetaucht. Türkische Oppositionelle und Kurden könnten sich dadurch möglicherweise eingeschüchtert fühlen. Ein strafbares Handeln erkennen allerdings weder Polizei noch Staatsanwaltschaft – ein Abgeordneter schon. Enttäuscht ist der sicherheitspolitische Sprecher der LinkenFraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Hakan Taş. Ihm waren die Bildaufnahmen zugesendet worden. Daraufhin hatte der Politiker Strafanzeige erstattet. Er sagte dem Behörden Spiegel: “Solange die Fahrer keine Uniform tragen oder Sirenen anbringen, bleibt die Nutzung der Fahrzeuge in dieser Form

wohl folgenlos.” Ähnliches war von mehreren Polizeirechtlern zu hören. Anders als bei der ShariaPolizei in Wuppertal seien keine Personen angesprochen worden. Taş findet jedoch: “Diese Fahrzeuge müssten allein schon aus Gründen der Gefahrenabwehr aus dem Verkehr gezogen werden.” Sie schüchterten Regimekritiker

in Deutschland ein und täuschten vor, staatlich autorisierte Fahrzeuge zu sein. Außerdem vermutet er, dass die Fahrer Mitglieder der mittlerweile vom Bundesinnenministerium (BMI) verbotenen Gruppierung “Osmanen Germania BC” sind. Deren Anführer haben enge Verbindungen zur türkischen Regierungspartei AKP und zu Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. Sie hatten in Deutschland auch bereits Regimekritiker eingeschüchtert und Kurden körperlich attackiert. Eine ebenfalls dem Staatsoberhaupt loyale Gruppierung (“Team Yörükoglu Europa”) hatte beim letzten Deutschlandbesuch Erdoğans in Köln für Aufsehen gesorgt (siehe Behörden Spiegel, Oktober 2018, Seite 5).

Gefahrensituation erkannt In Berlin sind in mehreren Fällen Fahrzeuge mit dem Logo des Dezernats für Sondereinsätze der türkischen Polizei (Foto) gesichtet worden. Regimekritiker könnten sich dadurch bedroht fühlen. Foto: BS/privat

Von der Berliner Polizei war zu vernehmen, dass sie eine Gefahrensituation erkannt und diese bewertet habe. Beamte

des Landeskriminalamtes hätten den Halter der betroffenen Fahrzeuge aufgesucht. Sie hätten ihm erklärt, dass sich durch die Beschriftung und das allgemeine Erscheinungsbild der Wagen Oppositionelle bedroht fühlen könnten und es auch zu Übergriffen auf die Fahrer kommen könnte. Daraufhin habe sich der Eigentümer bereit erklärt, die Folien mit dem Logo zu entfernen und die Autos in dieser Form nicht mehr im Straßenverkehr zu benutzen. Seither seien im Stadtgebiet keine derartigen Fälle mehr bekannt geworden. Beim Dezernat für Sondereinsätze der türkischen Polizei handelt es sich um eine Spezialeinheit mit Sitz in Ankara. Die Einheit wurde Anfang der 1980er-Jahre gegründet. Zu ihren Aufgaben gehören offiziell Terrorismusbekämpfung, Geiselbefreiungen und Personenschutz für hochrangige Politiker. Außerdem soll sie usbekische und nordzyprische Elitepolizisten ausgebildet haben. Innerhalb der Türkei soll die Einheit Einsatzgruppen in mindestens 48 Provinzen unterhalten.

Aus Sicht der SPD-Fraktion macht die Einführung eines SGE hingegen Sinn. “Perspektivisch könnten wir mit einem flächendeckenden SGE ein “Recht auf Arbeit” in der Gesellschaft verwirklichen,” so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Ülker Radziwill. Gleichbedeutend sei aber auch die Abschaffung der in Hartz IV enthaltenden Sanktionen, um Armut zu verhindern und den Arbeitslosengeld-II-Beziehenden zu helfen. Auch die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hält die Idee eines Solidarischen Grundeinkommens “grundsätzlich für einen sinnvollen Weg”, so deren Vorsitzende, Carola Bluhm. “Nicht nur, um lange Zeit Arbeitslosen wieder den Weg auf den ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen,

sondern auch, um Menschen, die keine Chancen haben, auf diesem Fuß zu fassen, die Möglichkeit einer sinnvollen Tätigkeit mit einem existenzsichernden Einkommen zu bieten. Gerade für Letztere bietet das Konzept eine Perspektive auf gesellschaftliche Teilhabe,” so Bluhm. Allerdings müssten einige Bedingungen erfüllt sein, damit das Konzept aufgehe. Neben der erwähnten Zusätzlichkeit der Tätigkeiten und der Freiwilligkeit bei ihrer Annahme fordert die Linke eine volle Sozialversicherungspflicht. Dazu gehöre, anders als im Teilhabechancengesetz, auch die Arbeitslosenversicherung. Die Berliner Senatskanzlei sieht das SGE als ein ergänzendes Instrument zur Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit. “Eine sogenannte Öffnungsklausel im Teilhabechancengesetz könnte uns und weiteren Kommunen die Möglichkeiten bieten, das Solidarische Grundeinkommen in Pilotprojekten mit den Förderinstrumenten des Teilhabechancengesetzes mit zu finanzieren. Wir hoffen, dass diese Öffnungsklausel in den Gesetzprozess noch aufgenommen wird,” heißt es von dort. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergebe sich für den Staat für 100.000 beschäftigte Langzeitarbeitslose ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf von jährlich 500 Millionen Euro. Wie viel Geld aber tatsächlich für wie viele Stellen benötigt wird, wird unter anderem davon abhängen, ob der sogenannte Passivtransfer durch die Bundesregierung ermöglicht wird.

Hadern mit Flexibilisierung Öffentlich-rechtliche Sender als Säule der Demokratie (BS/ab) “Nur wenn der Zuschauer einen klaren Nutzen des öffentlichrechtlichen Rundfunks sieht, dann hat dieser eine Zukunft”, betont Ullrich Silberbach, Bundesvorsitzender des Beamtenbundes und Tarifunion (DBB). In Umfragen erreiche dieser weiterhin eine hohe Akzeptanz, aber die GEZ weniger. Die Diskussion um das Programm hält an, genauso wie die Finanzierungsfragen weiterhin unbeantwortet bleiben. Die Flexibilisierung von Programm und Finanzierung gestaltet sich schwieriger, als vielfach angenommen wird. Bereits beim Bereitstellen von Informationen fangen die Schwierigkeiten an. Heutzutage verlaufe dies mundgerecht, weil die Bürger dies gewohnt seien, sagt Stefan Raue, Intendant des Deutschlandradios. Private Anbieter hätten im Netz schneller darauf reagiert und ihr Online-Angebot optimiert. Zwar haben auch die Funk- und Fernsehanstalten der Länder hier ebenfalls Angebote aufgebaut, doch sind letztere hierbei eingeschränkt. Zum einen dürfen sie laut Beschluss der Ministerpräsidenten zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrags presseähnliche Angebote nicht in dem Maße veröffentlichen wie Privatsender. Zum anderen müssen die jeweiligen Inhalte nach einem begrenzten Zeitraum wieder gelöscht werden. “Ebenso hat sich das Konsumverhalten verändert”, zeigt Prof. Dr. Dieter Dörr, Senior-Forschungsprofessor an der Johannes-Gutenberg-Universität, auf. Statt des Fernsehprogramms von ARD und ZDF greife die jüngere Generation vermehrt auf Streaming-Dienste zu. Zugleich betonen Raue und Dörr, dass die öffentlich-rechtlichen Sender Teil der Demokratie seien und einen Informationsauftrag für die Bürger hätten. In Zeiten von Fake-News und Nachrichten sei die Qualität entscheidend, betont Raue. Gleichzeitig dürften sich die Sender nicht auf die bloße Informationslieferung spezialisieren, sagt Dörr. Diesen Weg hätten einige Staaten eingeschlagen, allerdings habe der Bürger die-

ses Angebot nicht angenommen. Infolgedessen wurden die Sender eingestellt. Es bräuchte ein umfassendes Angebot. “Die meisten Menschen haben nicht das Gefühl, dass sich jene Themen, die sie bewegen, in den öffentlich-rechtlichen Medien widerspiegeln”, sagt Thomas Kralinski, Staatssekretär und Bevollmächtigter des Landes Brandenburg beim Bund für Medien und Internationale Beziehungen. Und dafür wollen sie nicht 17,50 Euro pro Monat GEZ-Gebühren zahlen.

Reformen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie zum Beispiel bei der ARD brauchen Flexibilisierung, die schwer ­erreichbar ist. Foto: BS/Jochen Sievert, pixelio.de

Aber: Um die finanziellen Mittel für die Sender zu verändern, müsse auch der zugrunde liegende Auftrag geändert werden, erläutert der Medienforscher. Das geht jedoch nur, wenn die 16 Bundesländer den Rundfunkstaatsvertrag ändern. Dabei wünschen sich selbst die Intendanten flexiblere Budgets, berichtet Raue: “Meine einzelnen Etatposten sind dermaßen eingemauert, dass ich zum Beispiel einen Bereich nicht umbauen kann. Ich wünsche mir eine Gesamtbudgetverantwortung um moderner steuern zu können.”


Finanzen

Behörden Spiegel / November 2018

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it dem Urteil haben die Verfassungsrichterinnen und -richter dem Gesetzgeber eine zweigeteilte Frist zur Schaffung und Umsetzung eines neuen Rechts zur Bewertung von Grundvermögen und dessen Umsetzung eingeräumt. Zunächst hat der Gesetzgeber eine Frist zur Schaffung neuer Bewertungsregeln bis zum 31.12.2019 erhalten. In einem zweiten Schritt muss der Gesetzgeber die neuen Bewertungsregeln bis zum 31.12.2024 umsetzen. Das Gericht hat außerdem eine Weitergeltung des aktuellen Bewertungsgesetzes zunächst bis zum Ablauf der ersten Frist angeordnet. Nach Verkündung einer Neuregelung innerhalb der ersten Frist dürfen die aktuellen Regelungen noch längstens bis zum Ende der zweiten Frist angewendet werden.

Ende der Einheitsbewertung Es ist seit Jahren hinlänglich bekannt, dass die Einheitsbewertung, die auf Zahlen aus dem Jahr 1964 bzw. in den neuen Ländern sogar aus dem Jahr 1935 basiert, Werte produziert, die nicht den wirklichen Stand der Wertentwicklung auf dem Immobilienmarkt wiedergeben und dass damit keine der heutigen Zeit angemessenen Ergebnisse in der Bemessung erzielt werden. Aufgrund der dadurch entstandenen Ungerechtigkeit in der Grundsteuerbemessung hat sich Bremen schon früh positioniert: Im Verbund mit anderen Bundesländern haben wir in den Jahren 2008 bis 2013 das sogenannte Verkehrswertmodell mitentwickelt. Letztendlich fand dieses Modell bundesweit leider keine Mehrheit. Wesentlich für das Verkehrswertmodell ist die Ermittlung des Grundstückswertes inklusive der aufstehenden Gebäude anhand aktueller Daten des Grundstücksmarktes,

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Höchste Zeit für die Grundsteuerreform Ein Appell von Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (BS/Karoline Linnert) Im April dieses Jahres hat das Bundesverfassungsgericht über die Grundsteuer entschieden: Das Gesetz ist in der derzeit geltenden Form verfassungswidrig, genauer: Das Aussetzen der im Recht der Einheitsbewertung vorgesehenen periodischen Hauptfeststellung hat seit dem Jahr 1964 zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen bei der Grundsteuer geführt. so wie es das Bundesverfassungsgericht schon seit 2006 in der Erbschaftssteuer vorschreibt.

Bundesrat für Kostenwertmodell Mit dem bereits vom Bundesrat mit 14 zu zwei Stimmen beschlossenen Kostenwertmodell hatte man 2016 einen gangbaren Kompromiss gefunden, die Grundstückswerte für Zwecke der Grundsteuer zu aktualisieren und den Marktwerten anzugleichen. Die im bisherigen Recht bestehenden Wertverzerrungen hätten damit beseitigt werden können. Das Kostenwertmodell sah vor, den Grund und Boden anhand der aktuellen Bodenrichtwerte zu bewerten und für die aufstehenden Gebäude pauschalierte Herstellungskosten anzusetzen. Das Alter des Gebäudes sollte ebenfalls berücksichtigt werden. Der so zu ermittelnde Kostenwert sollte den mit dem Grundstück zusammenhängenden Investitionsaufwand abbilden und damit letztlich auch die Leistungsfähigkeit des Grundstückseigentümers. Die Anknüpfung der Grundsteuer an einen realitätsnahen Grundstückswert wie dem Kostenwert- und damit an die Leistungsfähigkeit, ist ein gerechter Maßstab. Steigt der Grundstückswert, so steigt auch die eigene Leistungsfähigkeit und damit auch der Beitrag des Grundstückseigentümers an der Finanzierung kommunaler Ausgaben, von denen dieser wiederum entsprechend profitiert durch z. B. eine verbesserte Infrastruk-

gig davon, ob es sich um ein unbebautes Grundstück handelt Karoline Linnert, Bürgermeisoder sich auf dem terin und Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Grundstück eine Bremen, fordert vom Bund hochwertige Villa einen Gesetzentwurf zur Neuoder ein vermieregelung der Grundsteuer. tetes Mehrfamilienhaus befindet. Foto: BS/Die Senatorin für Finanzen Dass dies nicht den tatsächlichen Wertverhältnissen tur. Entsprechendes gilt für den am Immobilienmarkt entspricht, Fall, dass die Grundstückswerte ist offensichtlich. Die vom Bunsich negativ entwickeln. Die da- desverfassungsgericht in seinem mit verringerte Leistungsfähig- Urteil vom 10. April 2018 geforkeit führt zu einem geringeren derte, in der Relation realitätsgeBeitrag des Grundstückseigen- rechte Bewertung der erfassten tümers an der Finanzierung der Grundstücke kann mit einem Ausgaben der Gemeinde. Leider reinen Bodenwertmodell somit wurde dieses Modell nicht durch nicht erreicht werden. den Bundestag beschlossen. Der Gesetzgeber hat hier versäumt, Veränderung der Grundsteuerbelastung vor einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Fakten zu Das zentrale Ziel der Reform schaffen und ein modernes Be- muss eine gerechte Verteilung wertungsrecht auf den Weg zu der Grundsteuerlast sein. Nach bringen. einer Neubewertung wird es absehbar zu Verschiebungen in den Bodenwertmodell nicht der Steuer zugrunde liegenden zielführend Werten kommen, sodass sich die Aktuell in der Diskussion be- Grundsteuerbelastung bei den findliche Modelle, die lediglich Steuerbürgerinnen und -bürgern den Wert des Grundstücks ohne verändern wird. Die Verändedas aufstehende Gebäude für die rungen für die Einzelnen werden Wertermittlung zugrunde legen ganz davon abhängen, ob der (Bodenwertmodell), lassen keinen Immobilieneigentümer derzeit Rückschluss auf die Leistungs- eher von den niedrigen Werten fähigkeit des Grundstückseigen- profitiert oder im Vergleich zu tümers zu. Außerdem führen viel zahlt. sie dazu, dass für Grundstücke Das neu zu schaffende Bewergleicher Größe in vergleichbaren tungsrecht ist dabei zunächst Lagen Werte in gleicher Höhe einmal unabhängig von einer festgestellt werden, unabhän- möglichen Höhe der zukünftigen

Grundsteuer zu betrachten. Erst wenn diese Bemessungsgrundlage feststeht, kann in einem zweiten Schritt über die Berechnung der Höhe der Grundsteuer gesprochen werden, um einer möglichen politischen Setzung einer Aufkommensneutralität nahezukommen. Hierfür bieten sich auf Ebene der Bundesländer landesspezifische Messzahlen an.

Mammutaufgabe für die Finanzverwaltung Ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Wahl eines neuen Bewertungssystems ist außerdem die Umsetzungsfrist, die das Gericht gesetzt hat. In einer Stadt wie Bremen sind ca. 220.000 Grundstücke, sogenannte wirtschaftliche Einheiten, neu zu bewerten. Bundesweit werden ca. 36 Millionen wirtschaftliche Einheiten neu zu bewerten sein – eine Mammutaufgabe für die Finanzverwaltung, die Kommunalverwaltungen und auch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ein weiteres Ziel der Reform muss deshalb eine technisch möglichst einfach umsetzbare Steuer sein. Auch um die Akzeptanz dieser Steuer zu erhöhen, muss deshalb ein möglichst einfaches Bewertungsverfahren geschaffen werden, welches den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes entspricht und gleichzeitig aufseiten aller Beteiligten zu einem angemessenen und verhältnismäßigen Aufwand führt. Dies ist nur durch massive technische Unterstützung möglich. Die Länder-Finanzministerinnen und

-minister haben deshalb bereits im Juni 2018 beschlossen, dass die Bundesländer gemeinsam beginnen, die Umsetzung dieses Masseverfahrens zu organisieren und zu planen. Nur so können die Länder sicherstellen, dass ein neues Bewertungsrecht rechtzeitig zum 31.12.2024 umgesetzt wird. Die Zeit dafür ist knapp. Für die Kommunen ist die schnelle Einigung auf ein neues Grundsteuergesetz und die schnelle Umsetzung eines adäquaten Verfahrens eine existenzielle Frage: Sie sind von der Grundsteuer abhängig. Im Gegensatz zu der Gewerbesteuer ist die Grundsteuer eine konjunkturunabhängige Steuer, die der Finanzierung der kommunalen Aufgaben dient. Für die Stadt Bremen bedeuten die Einnahmen aus der Grundsteuer jährlich ca. 166 Millionen Euro im kommunalen Haushalt. Dies sind ca. 18 Prozent der gesamten Steuereinnahmen der Stadt Bremen. Bundesweit betrug die Grundsteuer ca. 13.650 Millionen Euro. Dies entspricht 13,8 Prozent der gesamten kommunalen Steuereinnahmen. Diese Dimensionen zeigen die immense Wichtigkeit der Steuer für die Kommunen und machen umso deutlicher, dass das Bundesfinanzministerium nun endlich seinen angekündigten Gesetzentwurf vorlegen muss.

Zukunft der Grundsteuer – nachhaltige Reform oder politischer Formelkompromiss? 29. November 2018, 13:30 Uhr bis 17:30 Uhr, Landesvertretung Bremen, Berlin Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.landes vertretung.bremen.de


Vergaberecht

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Regelungsspielräume nutzen

Behörden Spiegel / November 2018

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Kreislaufwirtschaft durch öffentliche Auftragsvergabe stärken (BS/jf) Die öffentliche Hand soll den Einsatz von Recyclingrohstoffen fördern, indem diese bei der öffentlichen Beschaffung stärker eingefordert werden. Dies fordert Peter Kurth, Präsident des BDE Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. “Entsprechende Regelungen sind längst in Kraft. Die öffentlichen Beschaffer müssen sie lediglich anwenden”, so der BDE-Präsident. Insbesondere wiederverwendete Rohstoffe wie Kunststoffrezyklate oder Recyclingbeton könnten bei der nachhaltigen Beschaffung stärker berücksichtigt werden. Der BDE hat sich deshalb per Brief an zahlreiche Entscheider gewandt und vorgeschlagen, dass Beschaffungsstellen künftig in Einzelfällen begründen müssen, warum sie Primärrohstoffe bei der Ausschreibung bevorzugen. Schließlich seien die öffentlichen Auftraggeber die entscheidenden Treiber beim Einsatz von Recyclingrohstoffen – sowohl bei der Produktbeschaffung als auch bei Ersatzbaustoffen im Rahmen von Bauvergaben. Dazu Kurth: “Zwar eröffnet das europäische Vergaberecht große Chancen für die nachhaltige öffentliche Beschaffung. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen zum Green Public Procurement haben in vielen EU-Mitgliedsstaaten, auch in Deutschland, aber kaum etwas bewirkt.” Die

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sollen mehr Recyclyingprodukte eingekauft werden. Foto: BS/© M. Schuppich, Fotolia.com

Chancen blieben ungenutzt. Deshalb seien klare Kriterien für die Lieferantenauswahl unter Nachhaltigkeitsaspekten dringend notwendig. Nur so könne die Rohstoffwende auch in den Köpfen gelingen. Kurth verweist in diesem Zusammenhang auf den Koalitionsvertrag. Dort heißt es unter

der Zeilennummer 6.622 ff.: “Wir wollen, auch im Rahmen des europäischen Kreislaufwirtschaftspakets und der weiteren Arbeiten an der europäischen Plastikstrategie, Abfallvermeidung und Recycling stärken, die Einsatzmöglichkeiten für recycelte Materialien verbessern und entsprechende Anreize sowie mögliche gesetzliche Pflichten prüfen.” Zwar ist an dieser Stelle die öffentliche Beschaffung nicht ausdrücklich erwähnt, allerdings ist dies bereits gesetzlich geregelt in § 45 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Demnach sind Behörden des Bundes verpflichtet, mit ihrem Verhalten dazu beizutragen, “Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern und den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen sicherzustellen”. Und dies sowohl bei der Gestaltung von Arbeitsabläufen als auch bei der Beschaffung oder Verwendung von Material und Gebrauchsgütern, bei Bauvorhaben oder sonstigen Aufträgen.

MELDUNG

Genehmigung bei Fristablauf? verfahren durchgeführt werden können, fordert André DietrichBethge, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus Hannover. Zudem würden verbindliche Fristen Planungssicherheit schaffen. Melde sich eine Behörde nach

Ablauf der Frist nicht, müsse vorausgesetzt werden können, dass die Unterlagen vollständig und der Antrag als genehmigt gelten. Darüber hinaus müsse der digitale Bauantrag gefördert werden.

Vergaberecht und Vergabemanagement Praxisseminare im Frühjahr 2019

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Top Ten des neuen Vergaberechts Das Seminar soll den Teilnehmenden als Orientierungshilfe dienen, indem es die klassischen Problemfelder im Vergaberecht ins Visier nimmt und unter Einbeziehung der aktuellen Rechtsprechung und Gesetzesnovellierungen praxisnahe Lösungen anbietet. Dabei sollen Probleme aufseiten der Bieter und der öffentlichen Auftraggeber gleichermaßen besprochen werden.

Vergaberecht für Auftragnehmer und Bieter Die Bewerbung um öffentliche Aufträge stellt für die Bieterseite vielfach eine besondere Herausforderung dar. Die Unkenntnis der zu beachtenden formalen Anforderungen führt vielfach dazu, dass aussichtsreiche Offerten nicht zur Beauftragung vorgesehen werden können. Ziel dieses Seminars ist es, das erforderliche Wissen zu vermitteln, was bei der Ausarbeitung eines Angebots zu beachten ist.

Termin/Ort: 29.-30.01.2019, Düsseldorf

Termin/Ort: 30.01.2019, Berlin

Ausschreibung von Versicherungsdienstleistungen

Das Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen

Nicht jede Ausschreibung einer Versicherung ist sinnvoll. Deshalb werden zunächst die Entscheidungskriterien für und gegen eine Ausschreibung besprochen. Es wird aufgezeigt, welche Änderungen auch ohne Ausschreibung möglich sind. Ist dann die Entscheidung für die Ausschreibung getroffen, ist zu prüfen, welche Versicherungen überhaupt sinnvoll und notwendig sind.

Dieses Seminar stellt den Geltungsbereich und die Zielsetzung des Preisrechts vor. Es werden die preisrechtlichen Grundprinzipien erörtert sowie Zusammenhänge zu benachbarten Rechtsgebieten, z. B. dem Vergaberecht, aufgezeigt. Vor allem aber werden aktuelle Fragen zur Anerkennung von Kosten bei Selbstkostenpreisen beleuchtet.

Termin/Ort: 05.02.2019, Hamburg

Termin/Ort: 05.02.2019, München

Die Beschaffung von Bauleistungen nach neuem Vergaberecht

Zentrale Vergabestellen aufbauen und organisieren

Dieses Seminar wird das Vergabeverfahren zur Beschaffung von Bauleistungen chronologisch darstellen und anhand von anschaulichen Beispielen erklären. Es wird erörtert, wie man ein Vergabeverfahren rechtssicher und praktikabel konzipiert – von ersten Beschaffungsüberlegungen bis zur erfolgreichen Zuschlagserteilung.

Zentrale Vergabestellen sind ein wesentlicher Knotenpunkt in der Verwaltung. Sie haben mit allen Fachabteilungen zu tun, sie beraten zu strategischen Beschaffungen und klären den operativen Einkauf. Dieses Seminar bietet Ihnen die Chance, Optimierungspotenziale für die Einrichtung Ihrer Vergabestelle zu gewinnen.

Termin/Ort: 13.02.2019, Bonn

Termin/Ort: 19.-20.02.2019, Berlin

Detaillierte Information und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

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(BS/jf) Um der Wohnungsnot in zahlreichen deutschen Städten zu begegnen, müsse die Genehmigungsdauer bei Bauanträgen drastisch verkürzt werden. Zudem sollten einfache Bauvorhaben noch häufiger im Anzeige-

► BRIEFPAPIER

Auch Fußzeilen beachten Schädlicher Gerichtsstandhinweis Der Bieter legte seinem Angebot ein Anschreiben bei, das keinen anderen Zweck haben sollte, als im Sinne eines Vorblattes auf das anliegende Angebot hinzuweisen. Was er nicht beachtet hatte, war, dass in der Fußzeile seines Briefpapiers neben Angaben zum Geschäftsführer und zum Handelsregister auch der Hinweis enthalten war: “Der Gerichtsstand ist Heidelberg”. In den Vergabeunterlagen, auf die sich das Angebot bezog, war jedoch verpflichtend der Gerichtsstand Pirmasens angegeben. Der Auftraggeber schloss das Angebot wegen der unterschiedlichen Aussagen zum Gerichtsstand aus. Die Vergabekammer gibt ihm Recht. Grundsätzlich müssten alle Erklärungen des Bieters, die er im Anschreiben macht, ausgewertet werden – gleich ob zu seinen Gunsten oder zu seinen Ungunsten. Dazu gehörten auch die Formularangaben des Briefpapiers. Insbesondere könne eine Gerichtsstandsangabe nicht unbeachtet bleiben, weil sie nicht zu den Pflichtangaben des Bieters nach § 35a GmbHG gehört. Sie ist also als eine eigenständige Willenserklärung des Bieters zu verstehen. Auch der Einwand des Bieters, dass er nur den allgemeinen Gerichtsstand nach § 12 ZPO habe angeben wollen, wodurch es nicht zu einem Widerspruch mit den Vergabeunterlagen komme, verwarf die Vergabekammer. Denn nur für Verfahren vor dem Landgericht wäre in Anbetracht des Sitzes dieses Bieters Heidelberg zuständig, ansonsten das Amtsgericht Wiesloch. Somit müsse es sich bei dem Hinweis um eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 1 ZPO handeln, was dann aber der Vorgabe aus den Vergabeunterlagen widerspricht. VK Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 28.03.2018, Az.: VK 1-38/17)

► DREIECKSGESCHÄFT

Abrechnung auf Umwegen Nicht immer bezahlt, wer bestellt Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) schreibt eine Leistung aus und verlangt dabei, dass die Rechnung nicht etwa an sie, sondern an eine einzelne Krankenkasse gestellt werden solle. Das wollte ein Bieter nicht mitmachen. Er war der Auffassung, dass für öffentliche Vergaben gelten müsse: Wer bestellt, der bezahlt auch. Also müsse entweder die Krankenkasse ausschreiben oder die KV müsse zahlen. Einen Vertrag auf dem Rücken Dritter jedenfalls hält er für unzumutbar, zumal ein Vertragsentwurf, der diese Merkwürdigkeit klar geregelt hätte, den Unterlagen gar nicht beigefügt war. Doch mit seinen Einwänden hatte er keinen Erfolg. Ein Vertragstext sei entbehrlich, meint die Vergabekammer, weil die Vergabeunterlagen schon alles Wesentliche vorgegeben hätten, wie z. B. Zahlungsziele, Lieferwege und Abrechnungsformalitäten. Der Auftrag sei allein damit durchführbar. Auch liege kein Geschäft zulasten

Dritter vor. Denn die KV hatte sich verpflichtet, alle Kosten zu tragen, die die benannte Krankenkasse nicht erstattet. Derartige Dreiecksgeschäfte seien grundsätzlich möglich. Die Verträge zwischen KV und Krankenkasse, die dem Abrechnungsmodus zugrunde liegen, unterlägen nicht der Vergabenachprüfung. Dass die KV anstelle der Krankenkasse(n) die Beschaffung vornehme, sei nicht zu beanstanden. VK Westfalen (Beschl. v. 08.05.2018, Az.: VK 1-12/18)

► NACHFORDERUNG

Lohnangaben vergessen Nicht alle Preise sind “gefordert” Der Bieter sollte neben der Lieferung auch die Instandhaltung der technischen Anlage für vier Jahre anbieten und die Störungsbeseitigung innerhalb dieses Zeitraumes. Dazu war eine Vielzahl von Formularen einzureichen, auf denen teilweise die gleichen Beträge wiederholt einzutragen waren. Bei der Angebotseröffnung wurde ein Formblatt nicht gefunden. Ob es während des Öffnungsvorganges verloren ging oder gar nicht enthalten war, ist zwischen den Beteiligten strittig. Bei der Wertung stellte sich heraus, dass nahezu alle Angaben, die auf diesem nicht beachteten Formular zu machen waren, auch an anderer Stelle dem Angebot zu entnehmen waren. Es verblieb nur die Frage nach einigen Stundenlöhnen für die Störungsbeseitigung. Diese Preise gingen jedoch nicht in den Wertungspreis ein. Sind sie einer Nachforderung zugänglich? Ja, sagt die Vergabekammer mit folgenden Argumenten: Preise, die zwar anzugeben sind, nicht aber in die Wertung eingehen, seien im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A-EU keine “geforderten Preise”. Aus dem weiteren Textzusammenhang ergebe sich nämlich, dass diese Vorschrift sich nur auf Preise beziehe, die zur Wertung vorgesehen sind. Daher spielt es auch keine Rolle, dass nicht nur ein, sondern mehrere Preise fehlten. Solche irrelevanten Preise seien vielmehr gleichzusetzen mit sonstigen Bietererklärungen, die nachgefordert werden müssen. Dies sei auch unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Beschaffung sachgerecht, weil es gelte, Ausschlüsse und damit eine Marktverengung zu vermeiden, solange der Wettbewerb nicht beeinträchtigt ist. VK Bund (Beschl. v. 18.06.2018, Az.: VK 1-55/18)

► POSTDIENSTE

Zustellungstempo Konzeptbewertung zu oberflächlich Die Stadtverwaltung will die Beförderung von Briefsendungen an einen Dienstleister vergeben. Eine wesentliche Frage bei der Auswahlentscheidung soll die Geschwindigkeit der Zustellung sein, gemessen an der Quote derjenigen Sendungen, die den Empfänger am Tag nach der Einlieferung erreichen (E+1-Quote). Dazu verlangt sie von den Bietern ein “Konzept” zur Zustellgeschwindigkeit, das sich im Wesentlichen darauf beschränkt, dass der Bieter anzugeben hatte, welche E+1-

Quote er anstrebt. Zur Prüfung, ob diese Angabe realistisch ist, verlangt sie Zertifikate über eine Laufzeitprüfung. Diese Quote soll schließlich in Bewertungspunkte umgerechnet werden und in die Zuschlagswertung einfließen. Ein Bieter hält dies für fehlerhaft, weil die geforderten Angaben nicht auftrags- sondern unternehmensbezogen seien und daher nur als Eignungskriterium eingesetzt werden könnten. Die Vergabekammer gibt ihm recht. Sie hält die Verwendung eines Zertifikates für in der Vergangenheit erreichte Quoten als Plausibilitätsprüfung der Eigenangaben als Zuschlagskriterium für “noch zulässig”. Die praktische Wertung sei hier aber anders verlaufen. Aus der Vergabedokumentation ergebe sich, dass nicht die Bieterangaben in die Wertung eingeflossen seien, sondern die Angaben aus dem Zertifikat. Letztere seien aber gerade nicht auftragsbezogen. Die Stadt muss daher ihr Wertungssystem überarbeiten und entweder eine echte Konzeptbewertung vornehmen oder die E+1-Quote in die Eignungsprüfung verschieben. VK Westfalen (Beschl. v. 01.08.2018, Az.: VK 1-24/18)

► BAUABLAUF

Unübersichtlicher Plan Der Inhalt zählt, nicht die Optik Für Bauarbeiten an einer Bundeswasserstraße setzte der Auftraggeber das mit 20 Prozent in die Wertung eingehende technische Kriterium “Bauablauf“ fest. Zu dessen Bewertung war die Einreichung eines Bauablaufplanes verlangt. Bei Auftragserhalt war dann auch ein detaillierter Bauzeitenplan zu liefern. Letzterer sollte sich an der Gliederung des Leistungsverzeichnisses orientieren. Von Ersterem war lediglich verlangt, dass er alle Bauphasen und deren Abhängigkeiten nachvollziehbar darstellen solle. Ein Bieter, der bereits den Bauablaufplan am LV orientiert hat, wurde ausgeschlossen, weil dieser Plan durch die Aufteilung auf sieben Einzeldokumente nur mit sehr erheblichem Arbeitsaufwand des Auftraggebers zu interpretieren gewesen wäre. Dass er alle geforderten Angaben enthält, war unstrittig. Der Auftraggeber jedoch meinte, diese seien nicht prüffähig gewesen, was zur vollständigen Abwertung des Planes führen müsse. Die Vergabekammer des Bundes hebt diese Bewertung auf. Sie weist darauf hin, dass das Kriterium nicht auf die Einreichung eines “schönen” Planes ziele, sondern auf einen sinnvollen Bauablauf. Zu bewerten sei daher nicht die (unbestritten schwierige) Lesbarkeit des Planes, sondern sein Inhalt, zumal die Unübersichtlichkeit des Planes unter anderem darauf zurückgehe, dass der spätere Bauzeitenplan am LV zu orientieren sei. Es sei für einen Bieter naheliegend, dann auch bereits den Bauablaufplan entsprechend aufzubauen. VK Bund (Beschl. v. 10.08.2018, Az.: VK 2-62/18)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / November 2018

B

ehörden Spiegel: 20 Jahre nach Vergaberechtsänderungsgesetz und rund 1,5 Jahre nach der Reform des Oberschwellenbereichs, wie wird sich das Vergaberecht weiterentwickeln? Burgi: Die von der Europäischen Union angestoßenen Entwicklungen der letzten 20 Jahre lassen sich als disruptiv bezeichnen. Zu solch großen Sprüngen wird es auf absehbare Zeit nicht mehr kommen. Stattdessen wird es behutsamere Weiterentwicklungen geben. Vielfach verursacht durch die Praxis, aber auch durch politische und gesetzgeberische Aktivitäten. Behörden Spiegel: Gibt es Regularien, bei denen sie weiteren Verbesserungsbedarf sehen?

Burgi: Es gibt viele einzelne Bestimmungen, die für die Praxis klarstellender oder auch verbessernd geregelt werden könnten. Die Punkte im Detail aufzulisten, wäre zu umfangreich. Nur ein Beispiel: Wir sind in einer konjunkturellen Situation, in der vielfach gar keine oder überteuerte Angebote eingehen. Doch oftmals fehlt den Auftraggebern das Geld, letztere zu bezahlen. Deshalb müsste das Verfahren eigentlich aufgehoben werden. Hier ist die Vorschrift zur Aufhebung des Vergabeverfahrens ein Hindernis, weil man diese Problematik gar nicht gesehen hat. Es wäre zu überlegen, ob die Aufhebung haushaltsaffiner gestaltet werden kann. Ein anderer Komplex betrifft das Nachfordern von Unterlagen. Hier gibt es nach wie vor Divergenzen zwischen der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) und dem Teil A der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A). Auch hier hat die Praxis Kritik geäußert. Der Gesetzgeber könnte hier agieren, ohne auf europarechtliche Vorgaben warten zu müssen. Behörden Spiegel: Was ist mit dem Rechtsschutz unterhalb der Schwelle? Burgi: Das kann man pauschal nicht beantworten. Es gibt durch das höherrangige Europarecht einen Bereich, wo er eingeführt werden muss. Seit vielen Jahren gibt es eine Entscheidung des Europäischen Gerichts (EuG) in erster Instanz, die bisher weitgehend übersehen wurde. Darin moniert das Gericht den Grundsatz “pacta sunt servanda” unterhalb der Schwellenwerte. Ein unterlegener Bieter, der nicht über den Ausgang eines Verfahrens informiert wird, kann nichts gegen diese Entscheidung unternehmen. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat diese Entscheidung nun entdeckt und zu einem “obiter dictum” weiterentwickelt und den dringenden Handlungsbedarf beschrieben. Wenn ein unterlegener Bieter weiß, dass er den Zuschlag nicht erhält, kann er eine einstweilige Verfügung erwirken. Mit dieser kann er verhindern, dass die Konkurrenz den Zuschlag bekommt. Hat er darüber keine Kenntnis, kann er nicht tätig werden. Und genau hier muss der Gesetzgeber tätig werden. Wenn nicht, wird ein Gericht in einem Fall vergleichbare Schlüsse ziehen. Das Ergebnis wäre eine unkonditionierte, die Vergabepraxis und die Landgerichte schockartig treffende Adhoc-Rechtsänderung mit unabsehbaren Folgen für den Bestand zahlloser Verträge und daran hängender Projekte. Ich empfehle eine minimalinvasive Änderung, nämlich die Einführung einer Informations- und Wartepflicht im Unterschwellenbereich. Das ist das Mindeste. Behörden Spiegel: Wo sollte/ müsste diese einstweilige Verfügung eingereicht werden?

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“Sie haben ihre Schuldigkeit getan” Prof. Burgi zur Weiterentwicklung des Vergaberechts

angesichts der Kompliziertheit den größeren Ertrag, als ständig an den materiellen Regelungen herumzudoktern. Behörden Spiegel: Was ist Ihr

(BS) Die Zeit der disruptiven Veränderungen im Vergaberecht ist vorbei, meint Prof. Dr. Martin Burgi, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirt- Wunsch für den Vergabebereich schaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht und Leiter der Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der und dessen Zukunft? Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel geht er auf die Bereiche ein, in denen eine Weiterentwicklung des Vergaberechts notwendig, sogar zwangsläufig erfolgen muss. Angefangen bei einer Klarstellung zur Aufhebung von Verfahren, über den Burgi: Vor allem sollte man im Vergaberecht mit dem Jammern Rechtsschutz im Unterschwellenbereich bis hin zu den Landesvergabegesetzen. Die Fragen stellte Jörn Fieseler. Burgi: Der vom OLG Düsseldorf entwickelte Weg läuft über die Schiene des Zivilrechts. Die Verwaltungsgerichte haben sich vor über zehn Jahren geweigert, Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte zu leisten, weil dies keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit sei. Deshalb ist die einstweilige Verfügung beim jeweils zuständigen Landgericht einzureichen. Mein Vorschlag: In jedem Bundesland wird die Kompetenz bei einem Landgericht gebündelt, damit dort die notwendige Sachkompetenz aufgebaut werden kann. Dadurch wären die Oberlandesgerichte automatisch die zweite Instanz. Hier könnte sinnvollerweise eine Konzentration bei den OLGs erfolgen, die schon jetzt für die Entscheidungen im Oberschwellenbereich zuständig sind. Behörden Spiegel: Wie geht es aus Ihrer Sicht mit der VOB/A weiter? Burgi: Das ist eine politische Frage, die man aus wissenschaftlicher Sicht nicht abschließend beantworten kann. Es gibt für beides Argumente: Für die Auflösung der VOB/A sprechen Transparenz, Stringenz und Vereinheitlichung. Dagegen spricht, dass es keine vollständige Vereinheitlichung geben wird. Selbst die Befürworter einer Zusammenlegung haben bereits acht bis zehn Regeln über bauspezifische Besonderheiten identifiziert, die auch bei einer Auflösung der VOB/A weiterhin in der VgV bestehen bleiben müssen. Das Paradebeispiel ist die Schwellenwertbestimmung – die wird im Baubereich immer anders sein. Das zweite Argument gegen eine Auflösung ist die Vielzahl der Anwender, die ausschließlich im Baubereich tätig sind. Für diese ist die VOB/A ein Jahrzehnte gewachsenes Kind, mit dem sie vertraut sind und mit dem sie umgehen können. Diese würden aus einer Anwendertradition he­ rausgerissen und hätten einen erheblichen Umstellungsaufwand. Rechtlich lässt sich sagen: Weder verfassungs- noch europarechtlich besteht ein Zwang, die VOB/A aufzuheben. Hier ist – ohne Alibi – die Politik gefordert. Behörden Spiegel: Neben den horizontalen gibt es auch vertikale Unterschiede. Was ist Ihr Plädoyer in Richtung der Länder und zu den Landesvergabegesetzen? Burgi: Die Landesvergabegesetze betreffen im Schwerpunkt ökologische und soziale Aspekte. Das ist eine sehr lange Entwicklung. Früher als “vergabefremd” bezeichnet, sind sie mittlerweile anerkannte Bestandteile des Vergaberechts. In der Praxis hat dies dazu geführt, dass es viel Erfahrungswissen gibt und viele eingespielte Instrumente bei den Auftraggebern existieren. Die ökologischen Aspekte sind aus meiner Sicht ein fester, anerkannter Bestandteil des Vergaberechts und der Beschaffung. Auch die sozialen Aspekte sind klar geregelt. Dazu nur ein Beispiel: Der vergabespezifische Mindestlohn weicht nur noch wenige Cent vom bundesweit geltenden Mindestlohn ab. Somit ist es ein unverhältnismäßig bürokratischer Aufwand, speziell für Vergabeverfahren einen minimal höheren Mindestlohn zu verlangen. Das war früher wichtig, als es noch keinen bundesweiten

Mindestlohn gab. Jetzt hat er sich überholt. So kann man auch mit weiteren Beispielen argumentieren. Deshalb sollten in dieser Situation die Landesvergabegesetze beseitigt werden – sie haben ihre Schuldigkeit getan. Lediglich die Sanktionen für Bieter, die Versprechungen nicht einhalten, sollten vom Bund in das GWB übernommen werden. Hier gibt es durchaus das eine oder andere Sinnvolle. Dann bräuchte es am Ende des Tages keine Landesvergabegesetze mehr. Das wäre für die Praxis eine enorme Erleichterung, ohne dass Ökologie oder Soziales einen signifikanten Schaden erlitten. Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie dann das Vorgehen in NRW, das Landesvergabegesetz ziemlich zu entschlacken, aber Tariftreue und Mindestlohn noch zu erhalten? Burgi: Soweit ich das sehe, bezieht sich der Mindestlohn nur noch auf den Bereich ÖPNV, das ist ein Sonderbereich, für den das allgemeine Postulat nicht gilt. Im Übrigen enthält das Gesetz nur noch Sanktionsregelungen. Behörden Spiegel: Das Vergaberecht ist sehr umfangreich, Ihr Kommentar mit dem Kollegen

ten. Zentralisierung ist nur ein Baustein, noch wichtiger ist Kooperation. Dazu zwei Vorschläge: “ Hier ist – ohne Alibi – Erstens, Kooperationen die Politik gefordert.”, nicht streng vergaberechtlich messen, damit sie in Schwung kommen. sagt Vergaberechtsexperte Prof. Dr. Martin Burgi über die Frage zur VerZweitens muss jedes einheitlichung von VOB/A und VgV. Land für sich überle gen, wo die eigene OrFoto: BS/privat ganisation zentralisiert und Kooperationen erleichtert werden können. Meinrad Dreher umfasst 4.000 Dazu müsste man über ein LanSeiten. Muss gerade auf kommu- desprofessionalisierungsgesetz naler Ebene die Organisation der nachdenken. Nicht im Sinne Vergabestellen optimiert werden? eines einzelnen Gesetzes, sondern als kleinere Änderungen im Burgi: Professionalisierung ist Kommunalrecht, im Gesetz über das oberste Gebot der Stunde. die kommunale ZusammenarDas sieht auch die EU so. Von beit je Bundesland. Das ist sehr deren Seite werden im nächsten unspektakulär, verspricht aber Jahr keine gesetzgeberischen Aktivitäten kommen, aber verschiedene Vorstöße, um Professionalisierung und Zentralisierung voranzubringen. Das gilt in Deutschland für alle Ebenen. Dabei kommt der Bundesund Landesebene eine gewisse Schrittmacherrolle zu, indem sie noch mehr als in der Vergangenheit Leitfäden für bestimmte Bereiche, quasi als Kochbücher, bereitstellen. Denn die kommunale Ebene ist in Deutschland sehr stark zersplittert. Das ist gut so, weil es ein Produkt der Selbstverwaltungsidee ist. Und das ist vor allem wichtig für die inhaltliche Entscheidung, was brauchen wir, was beschaffen wir. Die Vergabefrage ist aber davon zu trennen. Im Kern ist das keine politische Entscheidung, sondern hängt sehr stark von dem vorangegangenen Vergabeverfahren ab. Und dort geht es in erster Linie um Rechtmäßigkeit. Hier ist es sinnvoll, wenn die kleinteiligeren Einheiten mehr zusammenarbei-

aufhören. Das Gebiet ist in der Tat kompliziert und hat sehr viele Normen. Letztere beruhen fast alle auf Forderungen aus der Praxis oder der Politik. Und die Gleichen, die sich über zu viele Vorschriften beklagen, fordern in einer Diskussion eine halbe Stunde später zu einem bestimmten Unterthema schon wieder neue Regelungen. Das alles ist der normale Gang der Gesetzgebung in einem komplexen System. Hier unterscheidet sich das Vergaberecht nicht von anderen Rechtsgebieten. Und es ist, nüchtern betrachtet, im Vergleich mit anderen Gebieten, wo es um Staatshandeln und um so viel Geld geht, auch nicht komplizierter und auch nicht schwerer beherrschbar. Es ist eben heute ein Gebiet wie jedes andere auch.

qanuun-aktuell Das Schweigen der Täter von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Neben “zuhören” dürfte “schweigen” als besonders ambivalentes Verb verstanden werden, verbindet sich mit beiden häufig die Unterstellung, sie seien vor allem durch Passivität geprägt. Doch unabhängig von der Frage, ob es geschlechtsspezifische Präferenzen gibt (etwa “Ein Mann, ein Wort, eine Frau, ein Wörterbuch” – nicht selten ist das Gegenteil der Fall), weiß jeder Geheimnisträger, dass Schweigen eine sehr anstrengende Angelegenheit sein kann. Stets muss erwogen werden, was wann gegenüber wem gesagt werden kann oder auch muss und was keinesfalls mitgeteilt werden darf. In besonders heiklen Angelegenheiten müssen bereits alle Umstände verschwiegen werden, die auf Tatsachen und Zusammenhänge hindeuten. Diese Verschwiegenheitspflicht gilt nicht nur in Schweigeorden, im Öffentlichen Dienst, sondern ebenso in Kreisen der Organisierten Kriminalität. Dass Regelverstöße innerhalb der zitierten Institutionen unterschiedlich sanktioniert werden, bedarf keiner weiteren Darlegung. Im Zusammenhang mit Korruptionsdelikten ist Schweigen sehr zweischneidig. Die Täter geben nichts preis und inst-

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

ruieren ihr Umfeld entsprechend: Wer redet, bekommt ein Pro­blem. Der Beamte muss ebenfalls schweigen über das, was innerhalb seines Dienstes passiert. Doch wenn alle schweigen, kann Korruption nicht erkannt werden. So ist es konsequent, wenn § 67 Abs. 2 Nr. 3 BBG und § 37 Abs. 2 Nr. 3 BeamtStG die Verschwiegenheitspflicht des Beamten beim Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Verdachts einer Korruptionsstraftat durchbrechen. Allerdings ist auch hier darauf zu achten, dass die potenziellen Täter nicht aufgeschreckt und Ermittlungen nicht konterkariert werden. Tja, wenn Reden denn so einfach wäre.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen


Diplomaten Spiegel

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Es kann nie genug getan werden!

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in Job, der ihn “Tag für Tag” sehr bewege. “Einerseits erinnere ich mich an die Shoah, den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden Europas. Andererseits sehe ich junge Deutsche und Israelis, wie sie ganz unbefangen miteinander umgehen, sich treffen und zusammenarbeiten. Und Deutschland und Israel verbindet eine wachsende Partnerschaft gegenseitiger Interessen in den Bereichen Sicherheit, Innovation und Cyber. Dennoch: Was immer ich hier tue, wo ich hingehe oder irgendwen treffe, es hat etwas Besonderes, Unbeschreibliches, das es andernorts so nicht gibt.” Leider hat die Einzigartigkeit für Issacharoff, bisweilen einen überaus schalen, antisemitischen Beigeschmack, sodass man leicht an Carl Zuckmayers “Des Teufels General” denkt und den Satz: “Man kann (schon wiedermal) gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte.” Aber wer kennt das noch, wem wird übel, was tun wir dagegen und – ist das genug?

Behörden Spiegel / November 2018

Ein Gespräch mit Israels Botschafter Jeremy Issacharoff in Berlin (BS/ps) Jeremy Issacharoff (63) hatte in seinen bisherigen 38 Berufsjahren irgendwie immer mit dem Frieden zu tun. Schon 1982, als junger Diplomat, nimmt er für seinen Dienstherrn, das israelische Außenministerium in Jerusalem, an den Verhandlungen zur Normalisierung der Beziehungen mit Ägypten teil. Es folgen Stationen bei der UN in New York, bei den Friedensgesprächen mit Libanon in Washington oder Madrid. Anfang 2000 kümmert er sich im Außenministerium um Terrorismusabwehr und Waffenkontrolle, wird Mitglied im UN-Ausschuss für Abrüstung, Botschafter in den USA, Stipendiat am Institute for National Security Studies in Tel Aviv und letztes Jahr israelischer Botschafter in Deutschland.

Es fängt bei der Erziehung an “Man kann”, so Botschafter Issacharoff, “nie genug gegen Antisemitismus unternehmen und hat immer das Gefühl, mehr tun zu müssen.” Es hänge mit so vielem zusammen: Der Bildung der Menschen und ihrer Einstellung, was der Charakter ihres Staates sein soll. “Wer Freiheit und Demokratie will, muss bereit sein, Unterschiede zu akzeptieren. Israel basiert auf Einwanderung aus aller Welt. Die Vielseitigkeit in Israel ist unsere Stärke.” Aber er beobachte, wie die Ablehnung von Minderheiten wieder zunehme, in Europa und auch in Deutschland. Wichtig sei, Antisemitismus als das zu verstehen, was er ist: “Als Angriff auf das freie, tolerante und demokratische Land, zu dem sich Deutschland so positiv entwickelt hat”, so der 63-Jährige.

Zum Abschluss

Seit einem Jahr Repräsentant des Staates Israel: Seine Exzellenz Botschafter Jeremy Issacharoff

Botschafters Rezepte Hähnchen-Reis-Pilaw

Zutaten für 4 Personen: 200 g Langkornreis, Salz, 20 g grüne Bohnen, 40 g Mandelkerne ohne Haut, 2 gelbe Paprikaschoten, 200 g gelbe Kirschtomaten, 100 g rote Kirschtomaten, 2 Zwiebeln, 4 Hähnchenfilets (à ca. 150 g), Pfeffer, Curry, 2 EL Öl, 800 ml Geflügelfond (Glas).

Dissens bei Iran und Palästina Doch es gibt auch Differenzen! Das “Made in Germany”, also das, was Berlin beim Atomabkommen mit Iran nicht macht – nämlich auch kündigen – findet in Jerusalem ebenso wenig Zustimmung, wie Merkels Meinung zur Zukunft der Palästinenser. So sind sich die deutsche Kanzlerin und der israelische Premier einig, dass alles getan werden muss, um Iran an einer nuklearen Bewaffnung zu hindern – aber über den Weg zu diesem Ziel herrscht Dissens. Ähnliches gilt auch hinsichtlich einer Zweistaatenlösung zwischen Israel und den Palästinensern, wie Berlin sie favorisiert. “Wir suchen”, erläutert Botschafter Issacharoff, “nach einer politischen Lösung, aber dafür müssen die Palästinenser zu direkten Gesprächen mit uns an

Zubereitung: Reis in kochendem Salzwasser zubereiten. Bohnen putzen, waschen und in Stücke schneiden. In kochendem Salzwasser ca. 8 Minuten garen, abgießen. Mandelkerne grob hacken.

den Verhandlungstisch zurückkehren und eine Einigung auch wollen. Stattdessen feiert die palästinensische Regierung Terror gegen israelische Zivilisten, die Hamas feuert nahezu täglich Raketen auf Wohnhäuser und Kindergärten. trotz allem arbeiten wir mit den Verantwortlichen der Autonomiebehörde in Ramallah in Sicherheitsfragen zusammen, leisten humanitäre und medizinische Hilfe.” Wichtig sei, dass man in Europa erkenne, dass Israel von mehr und mehr Staaten in

Paprika vierteln, putzen, waschen und in kleine Stücke schneiden. Tomaten waschen. Zwiebeln schälen und würfeln. Hähnchenfilets waschen, trocken tupfen und in Würfel schneiden. Mit Salz, Pfeffer und Curry würzen. Öl in einem Topf erhitzen, Zwiebelwürfel und Mandeln hineingeben. Zwiebeln glasig dünsten. Fleischwürfel zugeben und 3 Minuten anbraten. Paprika und Bohnen zufügen und weitere 3 Minuten braten, mit Geflügelfond auffüllen. Tomaten und Reis erwärmen und servieren.

der Region als Stabilitätsfaktor und nicht als Bedrohung gesehen werde. “Unsere Beziehungen zu den gemäßigten arabischen Ländern haben sich dort erheblich verändert.” Im amerikanischen Magazin The Atlantic sagte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, dass “Israelis das Recht auf ihr eigenes Land haben” und räumte so ganz nebenbei die Erzfeindschaft zu ihnen ab. Der Iran kommt in dem Interview dagegen gar nicht gut weg. “Das ist eine

MELDUNGEN

Anstieg der Spätaussiedlerzahlen (BS/ab) Die Antragszahlen der Spätaussiedler in Deutschland sind gestiegen. Wurden im Jahr 2017 noch 10.183 Anträge in den Herkunftsländern gestellt, so waren es bis zum dritten Quartal 2018 11.862 Anträge. Dies entspricht einem Zuwachs von 16,5 Prozent. Das Grenzdurchgangslager Friedland wiederum verzeichnet in den ersten drei

Quartalen bisher 4.846 Zuzüge von Spätaussiedlern sowie ihren Familienangehörigen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius (CDU), deutet diesen Anstieg als positives Signal. Ihm zufolge sei das Grenzdurchgangslager für viele Spätaussiedler und ihre Familien weiter-

Streit um Migrationspakt

(BS/mfe) Über die Unterzeichnung eines Migrationspakts der Vereinten Nationen (UNO) ist politischer Streit entstanden. Nicht alle Mitgliedsstaaten wollen das Dokument unterschreiben. So haben unter anderem bereits die Vereinigten Staaten von Amerika, Australien und Österreich ihre Weigerung angekündigt. Teilweise erhebliche Bedenken

es als Schlüsselmoment in der Geschichte des Landes – die arabische Minderheit im Judenstaat wieder rum als diskriminierend. Kritiker sehen dadurch den Gleichheitsgrundsatz verletzt und die Demokratie in Gefahr. “Israel”, erklärt Issacharoff mit Nachdruck, “ist eine funktionierende Demokratie und ein Rechtsstaat. Es garantiert die Gleichheit vor dem Gesetz für alle, egal ob Israeli, Araber, Druse oder Christ. Daran ändert auch das neue Gesetz nichts.” Vielmehr seien einige bestehende Regelungen zusammengefasst worden. “Etwa, dass unsere Hymne die HaTikva ist oder dass der Davidstern auf der Nationalflagge zu sehen ist, so wie beispielsweise das Kreuz auf den Flaggen zahlreicher Länder wie der Schweiz oder Schweden.” Mehr als die Hälfte seines Lebens ist der heute 63-Jährige im diplomatischen Dienst und hatte sich hier und da schon überlegt, noch einmal was ganz anderes zu machen. Bob Dylan hat ihm gut gefallen und die Rolling Stones auch. Da er aber herausfinden musste, dass er weder gut Gitarre spielen noch singen kann, sei ihm klargeworden, dass es zum Rockstar wohl nicht reicht. “Also blieb ich Berufsdiplomat und fühle mich immer noch sehr wohl.”

gegen das für die Staaten rechtlich unverbindliche Dokument kommen auch aus Polen und Tschechien. Die Bundesregierung warnte hierzulande bereits vor politischer Stimmungsmache gegen den Pakt, der im Dezember in Marokko unterschrieben werden soll. Der “Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration” enthält 23 übergeord-

beachtliche Aussage, weil sie ein Umdenken der saudischen Politik zeigt”, unterstreicht der israelische Botschafter.

“Wir gelten nicht mehr als Bedrohung” Es gebe noch weitere Annäherungen in Nahost, nicht nur hinsichtlich der Problematik bei den iranischen Atomwaffen. “Wir gelten nicht mehr überall als Bedrohung, sondern als stiller Teilhaber gegen die destabilisierenden Gefahren, die von Iran, den Terrormilizen und der Lage in Syrien ausgehen. Das sind Veränderungen, auf die man vertrauensvoll aufbauen kann,

Fotos: BS/Dombrowsky

auch um den Dialog mit den Palästinensern voranzubringen.” Insofern sieht der Botschafter die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, das Atomabkommen mit Iran aufzukündigen, als eine gerechtfertigte Verstärkung des politischen Drucks auf Teheran an, die Finger von Nuklearwaffen zu lassen. Und die Kündigung zeigt Wirkung auf die bislang im Iran tätigen Unternehmen und Investoren, die sich nun zurückziehen, weil sie ansonsten US-Sanktionen und um ihre übrigen Geschäfte fürchten. Öl hin oder her. All das sind deutliche Botschaften an die Mullahs, wenn auch umstrittene. Die übrigen Vertragspartner des 2015 verkündeten Atomdeals mit Iran (China, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland) halten dennoch an dem Abkommen fest, ganz in dubio pro reo: “Im Zweifel für Teheran.”

Nicht nur repräsentieren, sondern gestalten Zwiespältig aufgenommen wird hierzulande auch das von der Knesset im Juli verabschiedete Nationalstaatsgesetz. Premier Benjamin Netanjahu bezeichnet

Letzte Frage, der jüdische Witz ist ob seiner Mischung aus Melancholie, Unverfrorenheit, Weisheit und Menschlichkeit geschätzt. Kennen Sie einen, Herr Botschafter? “Ein Mann steigt den Berg Sinai hinauf, um Gott zu treffen und ihm zwei Fragen zu stellen. Herr, sag mir, was sind eine Million Jahre für Dich? Und der Allmächtige antwortet, ohne zu zögern: Das ist für mich ein Augenblick. Und wie viel bedeutet Dir eine Million Dollar? Einen Penny. Kann ich, fragt der Mann nach kurzer Überlegung, von Dir einen Penny haben? Gott antwortet: Sicher, warte einen Augenblick.”

Chanukkia auf dem Schreibtisch: Der achtarmige Kerzenleuchter ist fester Bestandteil des achttägigen Chanukka-Festes. Damit wird der Wiedereinweihung der jüdischen Tempel nach der Herrschaft der Griechen über die Juden gedacht. Neben der mittleren Kerze wird an jedem der acht Tage von Chanukka jeweils nach Sonnenuntergang eine weitere Kerze der Chanukkia von links nach rechts entzündet.

hin ein “Tor zur Freiheit”. “Wir sehen, dass sich die Änderung des Bundesvertriebenengesetzes aus dem Jahr 2013 positiv auswirkt und vor allem, dass das mit der Novellierung verfolgte vertriebenenpolitische Ziel der Familienzusammenführung erreicht wird”, so Fabritius. Er erwarte dieses Jahr wieder über 7.000 Ankünfte. nete Ziele. Dazu gehören unter anderem der bessere Schutz von Migranten vor Ausbeutung, Missbrauch oder Verletzung ihrer Menschen- und Arbeitsrechte sowie die effektivere Verfolgung von Menschenschleusern. Weitere Ziele sind die weltweite Verbesserung von Lebensbedingungen und das Entgegenwirken gegen Rassismus.

Das Kleine im Großen: Dieses Modell des Botschaftsgebäudes schmückt das Büro von Issacharoff.


-2208 -2250

Zuständige Behörde (EU) Dr. Arnd Goldt Susanne Rank

-2679

-2276

EU-Prüfbehörde Stefan Leuchsenring

-4046

-2259

-5240 -5223

-2254

Referat 8307 Tourismus Nicole Dawood-Klein

-2598

Referat 8407 Technologietransfer Dr. Thorsten Gluth

Referat 8406 Außenwirtschaft, Standortmarketing Jürgen Weiler

-5244

-5243

-2166

Referat 8507 Tierzucht, Tierhaltung, Tierernährung, Cross Compliance Thomas Hallmann -2495

Referat 8506 Dienstleistungszentren Ländlicher Raum, Berufsbildung und Beratung Agrar- und Hauswirtschaft Agnes Pohlmann -2568

Referat 8505 Gartenbau, Gartenschauen Dr. Ulrike Gossen

Referat 8504 Weinüberwachung Dr. Yorck Schäling

Referat 8503 Weinmarkt, Wein- und Agrarmarketing, Agrarforschung, Staatsweingüter Dr. Dirk Haupt

Referat 8502 Weinbau, Acker- und Pflanzenbau, Grünland, Pflanzenschutz -2667 Gisela Horix

Spiegelreferat bei der Staatskanzlei Referat 248 – Geschäftsbereich des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau – Michael Schué -4082

-2962

-5218

Referat 8405 Mittelstand, Dienstleistungen, Freie Berufe, Unternehmensgründungen Mechthild Kern -2525

Referat 8404 Rohstoffwirtschaft, Geologie, Eichwesen, Wirtschaftsfragen der Energie- und Umweltpolitik Andreas Tschauder -2760

Referat 8403 Kreativwirtschaft, Handel, Wirtschaftsfragen der Landesplanung Jörg Sabrowski -2658

Referat 8402 Telekommunikation, Digitalisierung der Wirtschaft, Gesundheitswirtschaft, Innovationszentren Dr. Gerald Wiesch

-2149

Referat 8501 Weinwirtschaftspolitik, Oenologie, Weinrecht Walter Reineck -5255

Leiter: N.N.

Leiter: Dr. Joe Weingarten -5680

Leiter: Ralf Hornberger -2578

-2589

-5416 m.d.W.d.G.b.

-2466

-2512

Referat 8608 Förderung LEADER, EIP und sonstiger Maßnahmen für den ländlichen Raum Julia Werner Referat 8609 Recht der Agrarverwaltung Erich Marx

Referat 8607 Europäische Strukturpolitik für den ländlichen Raum, Koordinierungsreferat der ELER-Verwaltungsbehörde Franz-Josef Strauß -2674

Referat 8606 Auszahlende Stelle Sascha Merkel

Referat 8605 Investitionsförderung, Förderung der Vermarktung und ländlicher Entwicklungsmaßnahmen Peter Hardt 2540

Referat 8604 Ländliche Entwicklung, Bodenordnung und Flurbereinigungsverwaltung Thomas Mitschang -2490

Referat 8603 Direktzahlungen, Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, InVeKoS Dr. Dieter Reinecke

Referat 8602 Technik, Interner Revisionsdienst und IT-Koordinierung der EGFL-/ELER-Zahlstelle Gerald Walther -2477

Referat 8601 Grundsatzfragen der Agrarpolitik und der Agrarmärkte -2265 Dr. Hans-Werner Baur

Claudia Rapp

-2576

Abteilung 6 Agrarpolitik, Agrarförderung und Ländliche Entwicklung

Leitung EGFL-/ELER-Zahlstelle

-2550 -2220

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Susanne Keeding Nicola Diehl Grundsatz- und Koordinierungsaufgaben Jörg Wagner -2261

-4652

Grundsatzangelegenheiten Christian Baumann

Abteilung 5 Weinbau und Landwirtschaft

Referat 8401 Grundsatzfragen der Innovations- und Clusterpolitik, Innovationsförderung Godehard Kling

-2158

Persönliche Referentin des Ministers Christa Schumacher -2521

Leiter des Ministerbüros Hartmut Höppner

Abteilung 4 Innovation, Technologie

Spiegelreferat bei der Vertretung des Landes bei der EU (Brüssel) Referat 36-6 – Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau – Johannes Bade 0032/2/7901337

-2196

-2252

-5280

Referat 8305 Europapolitik, Beihilferecht Franziska Knoop

Referat 8306 Regionale Strukturpolitik, Konversion Thomas Burg

-5915

-2284

-2125

-4038

-2647

INTERREG A Kristina Diller

Referat 8304 Europäische Strukturpolitik EFRE Beatrice Lerch

Referat 8303 Industrie Prof. Dr. Harald Ehses

Referat 8302 Unternehmensfinanzierung Dr. Birgit Leonhardt

Referat 8301 Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik, Finanz- und Steuerpolitik, Statistik Rainer Gesell-Schmidt

Leiter: Dr. Ralf Teepe -2243

Abteilung 3 Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsföderung

Staatssekretärin Daniela Schmitt Amtschefin und Ständige Vertreterin des Ministers -2551/-2552

Foto: BS/MWVLW RLP

Staatssekretär Andy Brecht Ständiger Vertreter des Ministers -2150/-2151

Dr. Volker Wissing

Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Vorzimmer: Jennifer Kruger, Sandra Kajor

Spiegelreferat bei der Vertretung des Landes beim Bund (Berlin) Referat 25 – Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau – +49 (30) 72629 1135 Julia Spinger

Vorsitzende: Dr. Irmgard Wetter Vorsitzender: Hendrik Beiersdorf

Vergabekammer Rheinland-Pfalz

Vorsitzender: Andreas Krüger

Regulierungskammer Rheinland-Pfalz

Referat 8206 Nachhaltigkeit Stefanie Mittenzwei

Referat 8205 Handwerk, Kammeraufsicht, Gewerberecht Dagmar Roos -2179

Referat 8204 Landeskartellbehörde, Wettbewerb Katharina Schwartz

Referat 8203 Energieaufsicht, Recht der Energieregulierung, Öffentliches Auftragswesen Andreas Krüger -2254

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

-2609

Referat 8107 Justiziariat Dr. Martin Peter

Referat 8106 Verwaltungsmodernisierung, Informationssicherheit, Zentrale Vergabestelle, Koordinierung der zuständigen Behörde (EU) Susanne Rank -2250

Referat 8105 Haushalt, Finanzplanung, Rechnungshof -2210 Rudolf Schnorr

Referat 8104 Personal, Organisation Astrid Fleischhauer-Wagner

Referat 8103 IuK-Technik, DV-Vorhaben, Innerer Dienst Gerhard Geißner -2581

-2503

Referat 8202 Sparkassen, Banken, Versicherungen, Wirtschaftsprüferangelegenheiten Ingrid Schüttler

Referat 8102 Bundesrat, Bundestag Thomas Göttel

-2251

Referat 8201 Berufliche Bildung, Chancengleichheit, Fachkräfte Ursula Breuer -2169

Abteilung 2 Wirtschaftsordnung, Berufliche Bildung Leiter: Dr. Martin Hummrich -2205

Grundsatz- und Koordinierungsaufgaben Andreas Homann -2215

-5652 -5837

Stabsstelle Mittelstandslotse Prof. Dr. Manfred Becker Vera Krupinski

Referat 8101 Kabinetts- und Parlamentsangelegenheiten Kerstin Bauer -2218

Leiter: Dr. Arnd Goldt -2208

Abteilung 1 Zentralabteilung

Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz Stiftsstraße 9, 55116 Mainz Postfach 32 69, 55022 Mainz Telefon: 06131/16-0 (Bei Durchwahl 16-....) Telefax: 06131/16-2100 Internet-Mail: Vorname.Nachname@mwvlw.rlp.de oder Poststelle@mwvlw.rlp.de Internet: http://www.mwvlw.rlp.de Die genannte E-Mail-Adresse dient nur für den Empfang einfacher Mitteilungen ohne Signatur und/ oder Verschlüsselung.

Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz

-2283

-2485

-4059

Referat 8709 Verkehrs-, Straßenbau-, Bauvertragsrecht, Liegenschaften Heinz W. Thiel -2266

Referat 8708 Straßenverkehrsordnung, Fahrzeugzulassung, Fahrerlaubnisrecht, Verkehrssicherheit Jürgen Menge -2275

Referat 8707 Ziviler Luftverkehr und Binnenschifffahrt -2222 Dr. Sylvia Pradel

Referat 8706 Eisenbahnfinanzierung und -infrastruktur, Schienenpersonenverkehr, ÖPNV Michael Puschel -2223

Referat 8705 Eisenbahnrecht, Lärmschutz Eisenbahn, Eisenbahnaufsicht, Straßenbahnen N.N.

Referat 8704 Kommunale Verkehrsanlagen Gerd Schäfer

Referat 8703 Verkehrsfinanzierung, Straßenbau, Straßenbetrieb Axel Sattler

Referat 8702 Straßenplanung, Umweltschutz im Straßenbau, Radwege -2209 Klaus Noll

Referat 8701 Verkehrspolitik, Verkehrsanalysen, Verkehrssystemmanagement, Logistik Reiner Dölger

Abteilung 7 Verkehr und Straßenbau Leiter: Gerhard Harmeling -2271

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: MWVLW RLP Stand: September 2018

Behörden Spiegel / November 2018

Personelles Seite 11


Gesundheit / Versorgung

Seite 12

Behörden Spiegel / November 2018

Alle 30 Jahre wieder

Ohne Ehrenamtliche geht es nicht!

Mehr Personal und bessere Verwaltungsstrukturen

Zwei Gesundheitshelfer mit vdek-Zukunftspreis ausgezeichnet

(BS/jf) Die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zugenommen. Entsprechend fordert die BTB Gewerkschaft Technik und Naturwissenschaft im DBB Beamtenbund und Tarifunion eine personelle Aufstockung bei den Aufsichtsbehörden.

(BS/Jörn Fieseler) “Das Gesundheitssystem war so, ist so und bleibt so”, sagt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Ralf Brauksiepe (CDU). Zwar müsse der Staat seine Aufgaben erledigen, doch ohne Ehrenamtliche komme das System nicht aus. Vor allem im ländlichen Raum. Mit dem vdek-Zukunftspreis sollen deshalb Projekte gewürdigt werden, die den tatsächlichen Versorgungsbedarf in den Mittelpunkt stellen und mittels digitaler Anwendungen zur Gesundheitsversorgung beitragen. Zwei Projekte wurden in diesem Jahr prämiert.

8.258 Arbeitsunfälle sind vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2018 in Deutschland von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung registriert worden. “Die Unfallzahlen dürfen nicht egal sein”, mahnt der BTB-Bundesvorsitzende Jan Seidel. Für ihn sind sie ein klares Indiz für einen dringenden Handlungsbedarf im Arbeitsschutz. Der jahrelange Personalabbau in den Arbeitsschutzbehörden habe zu einem Kontrolldefizit geführt. Rechnerisch könne die Einhaltung und Umsetzung der Arbeitsschutzbestimmungen in jedem Betrieb mit dem vorhandenen Personal lediglich alle 30 Jahre geprüft werden. Während die Zahl der versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse steige, sinke die

Die Aussichten sind düster: 2014 betrug die Zahl der Versorgungsberechtigten in der Pflege 2,6 Mio. Menschen. 2030 werden es 4,3 Mio. sein. Hinzu kommen die Hilfebedürftigen, die zwar keine Einstufung in einen der fünf Pflegegrade haben, aber trotzdem auf Unterstützung angewiesen sind. Deren Zahl wird von 5,4 Mio. Menschen (2014) auf 8,1 Mio. (2018) ansteigen. Im Gegenzug prognostiziert die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) 517.000 fehlende Vollzeitäquivalente (VZÄ). “Wir werden durch die Digitalisierung nicht an der Manpower sparen können, der Fachkräftebedarf ist da”, sagte dazu der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut. Die hauptamtliche Vorstandvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), Ulrike Elsner, forderte daher direkt vor der Preisverleihung: “Lassen Sie uns die Zukunft gestalten!” Bereits zum neunten Mal vergibt der Verband der Ersatzkassen den Zukunftspreis. 54 Bewerbungen gingen in diesem Jahr für die begehrte Auszeichnung ein, die diesmal unter dem Motto: “vernetzt und mobil – mit digitalen Helfern die Versorgung stärken” stand.

Trotz zahlreicher Sicherheitsvorkehrungen hat sich die Zahl der Arbeitsunfälle erhöht. Es fehlt an ausreichenden Kontrollen. Foto: BS/DavidRockDesign, pixabay.com

Zahl der Kontrollen: in einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Berlin, dem Saarland, in Sachsen oder Thüringen um über 80 Prozent, berichtet der Gewerkschafter. Zudem müssten Länder wie Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein ihre Verwaltungsstrukturen umbauen. “Die Kommunalisierung des Arbeitsschutzes in Baden-Württemberg und die Übertragung der Arbeitsschutzaufgaben an die Landesunfallkasse in SchleswigHolstein sind belegbar gescheitert”, so Seidel.

MELDUNG

Kürzung ist europarechtskonform (BS/jf) Für jeden vollen Kalendermonat Elternzeit können Arbeitgeber den Jahresurlaub um ein Zwölftel kürzen. Dies sieht

§ 17 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) vor. Damit greift die Regelung in das europarechtlich garantierte Recht auf bezahlten Jahresurlaub ein. Kein Problem, wie eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu einem rumänischen Fall zeigt. Jeder Arbeitnehmer habe das Recht auf mindestens vier Wochen bezahlten Jahresurlaub. Dies sei ein bedeutender Grundsatz des Sozialrechts der Union, argumentierten die EuGH-Richter. Aber: Dieser Grundsatz beruhe auf der Tatsache, dass im Laufe des Bezugsraumes auch tatsächlich gearbeitet werde. Darüber hinaus müsse zwischen der Elternzeit und dem Mutterschutz oder Ausfall durch Krankheit differenziert werden.

13.000 Euro für Online-Pflegekurse Der erste Preis ging in diesem Jahr an die Töchter & Söhne Gesellschaft für digitale Helfer mbH in Berlin. Das Unternehmen bietet Online-Pflegekurse für pflegende Angehörige und Ehrenamtliche an. Laut Sechstem Pflegebericht der Bundesregierung werden 68 Prozent der Pflegebedürftigen von Angehörigen versorgt. Für diese gibt es zwar ein breites Beratungsund Hilfsangebot. Doch gestaltet sich die Teilnahme daran in der Praxis meist schwierig. “Wenn Betroffene an Pflegekursen vor

Der vdek-Zukunftspreis (BS/jf) 2009 hat der Verband der Ersatzkassen e. V. den Preis das erste Mal vergeben. Damit werden Projekte und Ideen gewürdigt, die zur Verbesserung der Versorgung, insbesondere vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft, beitragen. In den neun Jahren sind über 500 Bewerbungen eingegangen, von denen 24 von der Jury prämiert wurden. Zu dem Auswahlgremium gehörten in diesem Jahr: Uwe Klemens (Juryvorsitz), Vorsitzender des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), Prof. Dr. Attila Altiner, Direktor des Instituts für

Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Rostock, Dr. Ralf Brauksiepe, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, Dr. Regina Klakow-Franck, unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Dr. Markus Müschenich, Vorstand des Bundesverbandes Internetmedizin (BiM), Dr. Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein sowie Christian Zahn, Präsident der Association Internationale de la Mutualité (AIM).

Die Preisträger Dr. Florian Caspari (5. v.r.) von Töchter & Söhne sowie Thomas Oeben (4. v.l.) von Dein Nachbar e. V. zusammen mit den Jury-Mitgliedern Christel Elsner, hauptamtliche Vorstandvorsitzende des vdek (2. v.l.), dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Ralf Brauksiepe (4. v.r.) und Dr. Markus Müschenich, Vorstand des Bundesverbandes Internetmedizin (6. v.r.). Foto: BS/VDEK/Georg J. Lopata

Ort teilnehmen wollen, müssen sie selbst Anbieter in ihrer Region suchen”, erläutert Florian Caspari. Zudem könne es in der jeweiligen Pflegesituation problematisch werden, regelmäßig an den Kursen teilzunehmen, führt der Geschäftsführer von Töchter & Söhne weiter aus. Hier setzen die Online-Kurse an, die die Anforderungen des Sozialgesetzbuches erfüllen und somit von den Kassen anerkannt und abgerechnet werden. Mehr als 40 Kassen bieten ihren Versicherten die Online-Kurse an. “Wir ermöglichen selbstgesteuertes Lernen”, erklärt Caspari. Ob der Teilnehmer einem vorgeschlagenen Lehrpfad folge oder selbst relevante Themen wähle, bleibe ihm selbst überlassen. 30 Module zu unterschiedlichen Einzelthemen umfasst der Kurs, der nach der Freischaltung jedem Teilnehmer für sechs Monate zur Verfügung steht. Aber: Es gebe keine medizinische oder juristische Pflegeberatung. Den zweiten Preis erhielt in diesem Jahr der Verein Dein Nachbar e. V. Dieser bringt mittels ei-

ner eigens entwickelten Software Pflegebedürftige und hilfsbereite Menschen in der bayerischen Landeshauptstadt zusammen.

Münchener Verein erhält 7.000 Euro Die Idee für den Verein kam von dessen Vorsitzendem, Thomas Oerben. Der gelernte Rettungsassistent und Betriebswirt arbeitete vorher in der Logistikbranche. Sein Grundanliegen ist es, die Logistik und Digitalisierung im sozialen Bereich zu verbessern. Der Verein habe die Vision, die soziale Versorgung innerhalb von 24 Stunden qualitativ hoch und kostengünstig sicherzustellen. Und das bei einem Servicelevel von 98 Prozent. Dabei setzt Oerben auf eine strikte Aufgabentrennung: “Wir kommen nur weiter, wenn sich Pflegefachkräfte auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und wir Betreuungs- und Unterstützungsleistungen geschulten Laienhelfern übertragen, die Freude daran haben, sich zu engagieren.” Für die Ergänzung der Pflege durch ein modernes Management

der ehrenamtlichen Helfer wird für jeden Einzelnen ein systematisches Helferprofil basierend auf den passgenauen Einsatzmöglichkeiten und -wünschen des Helfers erstellt. Im Gegenzug nehmen geschulte Pflegekräfte vom Verein bei den Pflege- und Hilfebedürftigen alle relevanten Informationen und Wünsche auf, bei denen diese sich eine Unterstützung wünschen. Insgesamt 300 Ehrenamtliche helfen so rund 200 Pflegebedürftigen jeden Monat. Auch hier erfolgt die Finanzierung weitestgehend über die Pflegekassen, denn die Dienste können im Rahmen der Entlastungsleistungen abgerechnet werden. “Die beiden Gewinnerprojekte zeigen eindrucksvoll, dass die Digitalisierung helfen kann, Menschen im Pflegealltag zu unterstützen und soziale Teilhabe zu ermöglichen”, sagte Elsner. Für die weitere Arbeit bekommen sie deshalb insgesamt 20.000 Euro Preisgeld. 13.000 Euro gehen an die Töchter & Söhne Gesellschaft, 7.000 Euro an den Verein Dein Nachbar.

“Ein effizienter Staat ist keine Beschäftigungsmaschine mehr, sondern der Garant für Daseinsvorsorge und ein Dienstleister zugleich. Professionalität, Managementkenntnisse, Flexibilität und Mobilität bestimmen die Anforderungen ans staatliche Personal, nicht allein die Loyalität. Dazu braucht es eine qualifizierte Ausbildung für Führungskräfte.” R. Uwe Proll, Chefredakteur des Behörden Spiegel

Potenziale erkennen Perspektiven schaffen Profile schärfen Das Behörden Spiegel-Stipendium In Kooperation mit renommierten Universitäten. Für Politikberater, für Verwaltungsexperten, für Nachwuchskräfte, für Modernisierer. Für alle, die mehr wollen an der Schnittstelle von Management, Verwaltung & Politik. www.behoerden-spiegel.de/stipendium


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Berlin und Bonn / November 2018

Regionale Vielfalt ist eine Chance

KNAPP

Städte und Gemeinden sollten bei Verwaltungsaufgaben mehr kooperieren und sich professionalisieren

Ideen für digitale ­Jugendpartizipation

(BS/Katarina Heidrich/Jörn Fieseler) Zwangsfusionen von Kommunen rufen sehr viel Gegenwehr hervor, wie die letzten Beispiele in Brandenburg und Thüringen gezeigt haben. Trotzdem (BS/ab) Die Webseite “jugend. stellt sich die Frage: Wie kleinteilig können oder müssen kommunale Strukturen angesichts des Fachkräftemangels, der zunehmenden rechtlichen Komplexität und der Digitalisierung beteiligen.jetzt” ist online gegansein? Und wie sehr sollten Gemeinden, Städte, Landkreise oder sogar Regionen vor dem Hintergrund der gleichwertigen Lebensverhältnisse zusammenarbeiten? Die Problemlagen gen und unterstützt Kommunen, sind vielschichtig. Doch ebenso wie die Regionen zahlreich und unterschiedlich sind, sind auch die Lösungsmöglichkeiten vielfältig. Länder und den Bund bei der Die Zahl der Kommunen in Deutschland hat sich verringert. Vor drei Jahren gaben Kommunalexperten an, in Deutschland gebe es 11.500 Städte und Gemeinden. Aktuell sind es laut Kommunaler Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) 10.200. Davon hat die Hälfte weniger als 5.000 Einwohner, wie Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) bestätigt. Im Gegenzug steigt der Pro­ blemdruck: In Ostdeutschland hat das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2017 gerade einmal 73 Prozent des westdeutschen Niveaus erreicht. Der Wanderungsverlust ostdeutscher Regionen seit den 1990er-Jahren beträgt rund 1,8 Millionen Menschen. Doch “ab wann wird ganz normaler Strukturwandel zum Problem?”, fragt sich Prof. Dr. Annekatrin Niebuhr vom Hamburgischen WeltWirtschafts Institut (HWWI). Zunächst könne die Mobilität ihrer Ansicht nach auch zum Abbau von Disparitäten führen. Allerdings wanderten meist die Hochqualifizierten ab, weshalb es nötig sei, vermehrt Arbeitsplätze in den “abgehängten” Regionen zu schaffen. “Die Schaffung von Entwicklungsperspektiven statt Transferleistungen nach dem Prinzip “jobs to people” nicht “people to jobs””, fordert Niebuhr. Dies bedürfe allerdings einer besseren Koordinierung relevanter Politikbereiche wie zum Beispiel der Arbeitsmarktpolitik, der Städtebauförderung und eben auch der Regionalpolitik. Die Wanderungsbewegungen der letzten Jahrzehnte lassen auf den ersten Blick eine Unterteilung in “Stadt und Land” oder in “Ost und West” sinnvoll erscheinen, um daraus regionalpolitische Maßnahmen abzuleiten. Doch

Professionalisierung ist das Gebot der Stunde. Dies geht im kommunalen Bereich oft einher mit regionalen Kooperationen. Gerade die vielfältigen Varianten des Regionalbegriffs spiegeln die Heterogenität der Lösungen wider. Foto: BS/hin225, stock.adobe.com

das greife zu kurz, mahnt Dr. Thomas Terfrüchte von der Fakultät für Raumplanung an der TU Dortmund an. Vor dem Hintergrund viel kleinteiligerer Divergenzen innerhalb dieser “Regionen” stelle sich die Frage, ob Gleichwertigkeit durch Angleichung vollzogen werden könne. Die kassenärztliche Versorgungsrate in Nordrhein-Westfalen beispielsweise zeige, dass es so gut wie keine bedarfsgerechte Versorgung gebe. Überversorgung in den einen und Unterversorgung in anderen Gegenden seien die Realität. “Es bedarf grundsätzlich einer Abkehr von der Input-Orientierung hin zu einer Outcome-Orientierung”, ist sich Terfrüchte sicher. Dass nicht nur politisches Handeln Auswirkungen auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hat, sondern auch umgekehrt, erläutert Prof. Dr.

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Am Beispiel Großbritanniens verdeutlicht er, wie die Mobilität des Faktors Arbeit die Anfälligkeit für Populismus befördern kann. So befanden sich die Befürworter des Brexits eher in den Regionen, wo das BIP pro Kopf im Vergleich sehr niedrig ist. In Deutschland herrscht eine ähnliche Ausgangssituation. In Ingolstadt etwa beträgt das ProKopf-Einkommen das Achtfache der Südwestpfalz, wie Prof. Dr. Michael Pflüger vom Lehrstuhl für internationale Ökonomik an der Universität Würzburg darlegt. Man könne Wanderungsbewegungen aber auch als Ausgleichsinstrument betrachten. So stiegen in den wachsenden Regionen die Lohnkurve und das Arbeitsangebot. Dies führe wiederum zu steigenden Lebenshal-

tungskosten in diesen Gebieten, womit ein Gleichgewicht der Attraktivität gegeben sei, so Pflüger. Regionalpolitische Maßnahmen sollten daher nur Extremen – wie zum Beispiel auf dem Bodenoder Wohnungsmarkt – entgegenwirken. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach Mindeststandards für attraktive Regionen. Ist es überhaupt sinnvoll, den ungenauen Begriff der Daseinsvorsorge flächendeckend anzuwenden? “Wir haben die Schwierigkeit einer Zielformulierung”, betont Hüther. Regionalpolitik sollte, seiner Meinung nach, als Querschnittspolitik gedacht werden, denn im föderalen System sei der Verantwortungszusammenhang unübersichtlich. Der größte Handlungsbedarf bestehe bei der Divergenz der kommunalen Verschuldung. Denn die Handlungs-

fähigkeit der Kommunen sei der Schlüsselfaktor für erfolgreiche Regionalpolitik. Aber Altschulden und hohe Sozialausgaben führten dazu, dass kommunale Investitionen meist über Kredite erfolgten. Die Kommunalfinanzen setzten sich zusammen aus stark erfolgsorientierten Einzahlungen gegenüber stark problemorientierten Auszahlungen, so Prof. Dr. Martin Junkernheinrich, Inhaber des Lehrstuhls für Stadt-, Regional- und Umweltökonomie an der TU Kaiserslautern. Prof. Dr. Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) fordert angesichts dessen einen konsequenten Altschuldenerlass. “Professionalisierung ist das Gebot der Stunde”, sagt Prof. Dr. Martin Burgi von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zwar bezieht der Rechtswissenschaftler sich in erster Linie auf die Beschaffungsorganisation (siehe Seite 9 in dieser Ausgabe). Die Aussage lässt sich jedoch auch auf andere Bereiche übertragen. Professionalisierung geht zwar einher mit einer gewissen Zentralisierung, sie bedeutet aber nicht die Zusammenlegung politisch selbstständiger Gebietskörperschaften. Stattdessen sollten Kommunen und vielleicht auch Landkreise regional kooperieren. Regional ist, wie es gerade gefällt: So kann man bspw. Hessen als eine Region bezeichnen, oder die einzelnen drei Regierungsbezirke. Mitunter bildet eine kreisfreie Stadt mit ihren umliegenden Städten und Gemeinden eine Region oder die Altkreise aus der Zeit vor der Gebietsreform 1972. Und Teile Südhessens gehören zur Metropole Rhein-Neckar. Gestaltungsmöglichkeiten gibt es viele, sie müssen nur genutzt werden.

Einführung sowie Verbesserung von jugendlichen, partizipativen, digitalen Möglichkeiten. Hierfür sind anschauliche Projekte, digitale Werkzeuge mitsamt einer Entscheidungshilfe sowie Qualifizierungsangebote auf der Homepage hinterlegt und verlinkt. “Wenn es gelingt, auch Jugendliche zu erreichen, die bisher noch kein oder nur geringes Interesse haben, Mitwirkungsmöglichkeiten zu nutzen, dann ist “jugend. beteiligen.jetzt” eine echte Bereicherung der Jugendstrategie”, so Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Neue Dokumentenprüfsysteme (BS/mfe) Die Behörden in den Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein werden mit rund 250 Dokumentenprüfsystemen ausgestattet. Zunächst erhalten 50 Meldestellen und Zulassungsbehörden die Geräte. Insgesamt stehen für die Ausstattung 800.000 Euro zur Verfügung. Die Staatssekretärin im Kieler Innenministerium, Kristina Herbst, erklärte dazu: “Reisedokumentenbetrug darf nicht ausschließlich mit dem Fokus auf Flüchtlinge betrachtet werden.” Ge- und verfälschte Papiere würden aus den verschiedensten Ländern, darunter auch EU-Mitgliedsstaaten, vorgelegt. Es gehe aber nicht nur um gefälschte Reisepässe aus dem Ausland. “Mit gefälschten Ausweisdokumenten können Betrüger beispielsweise neue Identitäten erschaffen und so beispielsweise Sozialleistungen erschleichen oder natürlich auch neue Konten eröffnen”, warnte Herbst.

www.oeffentliche-infrastruktur.de Veranstalter

13. Bundeskongress

Öffentliche Infrastruktur 2018

Infrastruktur mit Zukunft – effizient, nachhaltig, smart

HAUPTREDNER, u. a. Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW

Themenpartner

Dr. Michael Frehse, Abteilungsleitung Heimat, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

Ines Jesse, Staatssekretärin für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg

Henning Brüggemann, Bürgermeister sowie Dezernent für Finanzen und Kommunale Immobilien der Stadt Flensburg

Fotos: ©j mel, Fotolia.com; MHKBG-2017-F. Berger

4. Dezember ember 2018 2018, Hotel Adlon Berlin


Kommunalpolitik

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ie vielerorts hohen Mieten bewirken für über eine Million Haushalte in Großstädten, dass ihr Einkommen nach Abzug der Miete unter dem Regelsatz von Hartz IV liegt. Das geht aus dem Gutachten “Wohnverhältnisse in Deutschland. Mietbelastung, soziale Ungleichheit und Armut” im Auftrag des Sozialverbands Deutschland (SoVD) hervor. Demnach müssten vor allem Arbeitssuchende, Alleinerziehende, Rentner, Pflegebedürftige und Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich viel für die Miete ausgeben. “Die Mietpreisentwicklung vertieft die Spaltung in unserer Gesellschaft“, warnt Verbandspräsident Adolf Bauer. Die Hälfte der Miethaushalte gibt der Untersuchung zufolge mindestens 29 Prozent oder mehr ihres Nettoeinkommens für die Bruttokaltmiete aus. Bei Geringverdienern mit weniger als 1.300 Euro Haushaltseinkommen liegt dieser Anteil mit 46 Prozent sogar erheblich höher. Verdiener mit netto monatlich mehr als 4.500 Euro, müssen hingegen nur noch 17 Prozent davon für das Wohnen ausgeben. Das Einkommen wirkt sich auch auf die Aufteilung städtischen Wohnraums aus, wie der Bericht verdeutlicht. “Werden darüber hinaus Faktoren wie die Überbelegung von Wohnungen in die Analyse einbezogen, wird schnell deutlich, dass in Großstädten weitaus mehr als die bislang geschätzten 1,9 Millionen bezahlbarer Wohnungen fehlen,” heißt es vom SoVD.

Vom sozialen Wohnungsbau zur Börse Auf der Suche nach Lösungen ist der Blick in die Entstehungsgeschichte unabdingbar, erläutert Gutachten-Autor Stephan Junker. Zwischen 1993 und 2014 seien die Mietsteigerungen sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland rasanter gewesen, als die Einkommen in Deutschland mitwachsen konnten. In der Folge haben heute besonders Haushalte mit niedrigem Einkommen extreme BruttoMietbelastungsquoten. Der Soziologe Philipp Metzger von der Universität Wien erklärt, Deutschland sei eine “Mieternation”; über die Hälfte der Bevölkerung wohnt zur Miete. Ein hoher Anteil im Gegensatz zu den meisten anderen OECD-Staaten. Der Anteil von Sozialwohnun-

Vertrauen auf die unsichtbare Hand Mehr Markt oder weniger, was hilft in der “Wohnungskrise”?

Koordinatoren vor Ort setzen Pläne um Welche Bedarfe und Probleme es in den Sozialräumen der fünf Modellkommunen gibt, haben die Akteure vor Ort gemeinsam mit der Aktion Mensch ausführlich analysiert. Gemeinsames Ziel aller Beteiligten ist, dass Menschen, die bisher wenig Teilhabemöglichkeiten hatten, mehr

Weitere Infos Für Informationen und den Erfahrungsaustausch stellt die Aktion Mensch die Online-Plattform www.kommune-inklusiv. de bereit. Hier können sich auch Kommunen informieren und einbringen, die nicht Teil der Initiative sind.

der Boden umgenutzt werden könnte. Und zum anderen die Förderung des ÖPNV im Umland. Vielen gehe es gar nicht unbedingt um das Wohnen in einer großen Stadt, sondern um fehlende attraktive Möglichkeiten im ländlichen Gebiet.

(BS/Katarina Heidrich) Der Wohnungsmarkt – das derzeit scheinbar größte Sorgenkind in Deutschland – ruft die unterschiedlichsten Forderungen und Konzepte auf den Plan. Diskutiert wird besonders, ob mehr oder weniger Regularien von öffentlicher Seite bezüglich des Wohnungsmarktes sinnvoll sind. Allerdings verweilt die Debatte meist in den Großstädten, wo bezahlbarer Wohnraum mehr und mehr zur Mangelware wird. Aus Mehrwert für kommunale ökonomischer Sicht macht es Sinn, alle Kommunen in die Diskussion miteinzubeziehen. Sowie die Historie Deutschlands.

Unternehmen

Minderheitenproblem.” Es gebe lediglich etwa 30 “Schwarmstädte” in Deutschland, die kontinuierlich durch den Zuzug der vor allem 20- bis 30-Jährigen wüchsen. Daneben herrsche allerdings bundesweit eine Leerstandsquote von 4,8 Prozent; das seien rund zwei Millionen Wohnungen.

gen am Neubauvolumen habe aber seit den 70er-Jahren stark abgenommen. Mit einer zunehmenden Liberalisierung der Finanzmärkte in den 90erJahren wurde auch der soziale Wohnungsbau vermehrt privatisiert. Anders als in den USA führte die Finanzialisierung allerdings nicht zu einer steigenden Zahl von Eigenheimen. Stattdessen begannen Finanzakteure, die ehemals öffentlichen Wohnungsgesellschaften aufzukaufen und mit ihnen zu spekulieren.

“Deutsche Wohnen” als Bad Practice Damit wurde der Weg frei für das relativ neue Segment der Wohnimmobilien AGs. Am Beispiel der Deutsche Wohnen SE, dem zweitgrößten deutschen Wohnungskonzern mit einem Gewinn von 2,4 Milliarden Euro im Jahr 2017, veranschaulicht Metzger diese Entwicklung. Das Unternehmen wurde 1998 als Private-Equity-Fond (PEF) der Deutschen Bank AG gegründet. Im zweiten Schritt wurde es zum eigenständigen börsennotierten Unternehmen weiterentwickelt. In den folgenden Jahren führten politische Entscheidungen dazu, Steuererleichterungen für PEFs sowie Real-Estate-InvestmentTrusts (REITs) den Weg zu ebnen. Dies erleichterte den Immobilienkonzernen riskante Finanzierungen und kurzfristige Strategien. Die Deutsche Wohnen betreibt trotz eines Marktkapitals von rund 12,43 Milliarden Euro nur geringen Wohnungsneubau und setzt eher auf Nachverdichtung, so Metzger. Beim sogenannten “Hartz-IVGeschäftsmodell” kauft ein Unternehmen in einem bestimmten Stadtteil mit hoher Armutsquote günstig möglichst viele Wohnungen auf und erhöht die Mieten. Die Jobcenter reagieren darauf mit einer Anpassung der Zuschüsse für die Unterkunft. Unterm Strich erhöht sich so der Unternehmensgewinn, für die Bewohner ändert sich im besten

Auf dem ländlichen Auge blind

Der Markt regelt es – trifft das auch auf den komplexen Wohnungsmarkt mit all seinen Akteuren zu? Foto: Foundry, CC0, pixabay.com

Fall nichts und auf die Kommunen kommen Mehrkosten zu, denn sie zahlen die gestiegenen Sozialleistungen. Eine ledigliche Erhöhung des Wohngelds in den Großstädten, wie vom Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums in einem Gutachten vorgeschlagen, hätte den gleichen Effekt, wie Prof. Dr. Carsten Kühl, Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik (difu) prognostiziert. Der SoVD-Präsident Bauer fordert: “Keinesfalls dürfen die Probleme am Wohnungsmarkt allein dem Kräftespiel der Wirtschaft überlassen werden!”

“Wohnproblem ist Minderheitenproblem” Dass es sich auch für die Kommunen durchaus lohnt, als Player am Markt mitzumischen, zeigt eine Studie des Eduard Pestel Instituts für Systemforschung, die von den sechs Berliner landeseigenen Wohnungsgesellschaften in Auftrag gegeben wurde. Demnach bewegten sie im Jahr 2016 1,7 Milliarden Euro – darin enthalten Investitionen, Löhne, Steuern und sonstige Ausgaben. Forscherin Karin Janssen: “Von einem Euro Miete, der an die Unternehmen geht, bleiben 75 Cent in Berlin.” Denn die Firmen geben das Geld vor Ort auch wieder aus. Etwa durch Mitarbeiter, die in der Stadt wohnen und einkaufen oder dadurch, dass Berliner

Baufirmen beauftragt werden. Dadurch profitiere ebenfalls der ansässige Arbeitsmarkt. Wenn private Unternehmen hier Wohnungen bauten, blieben meist hingegen nur 20 Prozent des umgesetzten Geldes in Berlin, so Janssen. Die Fokussierung auf die schwierigen Märkte in den wachsenden Ballungsgebieten verstellt allerdings den Blick auf einen anderen Aspekt, der zu einer Harmonisierung der Wohnungsnachfrage führen könnte. Zumindest auf lange Sicht. Prof. Dr. Harald Simons, Diplom-Volkswirt am Forschungsinstitut empirica, betont: “Das Wohnproblem ist ein

Simons wirft die Frage auf, ob eine Wohnraumförderung durch Bund und Länder in den Großstädten nicht gleichzeitig auch weiter den Zuzug dorthin fördere. Es würde also eine Stärkung der Abwanderung betrieben und damit eine weitere Verschärfung des Wohnungsproblems. Der Volkswirt ist der Meinung: “Am Ende wird es der Markt regeln. Politische Instrumente sind zwar wichtig, aber sie werden das Problem nicht lösen.” DifuLeiter Kühl widerspricht dem. Die Politik habe die Aufgabe, auf gesellschaftliche Entwicklungen einzugehen. “Einfach abwarten wird nichts bringen!” Zwei Ansätze sieht er, die den derzeitigen Entwicklungen der Wohnungsknappheit in der Stadt und dem Leerstand auf dem Land entgegenwirken könnten. Das sind zum einen autofreie Zonen in den Innenstädten, durch die

Maßnahmenprogramm für lebendige Städte (BS/kh) Mit dem “Masterplan Stadtnatur” sollen die Rahmenbedingungen für städtische Flora und Fauna verbessert werden. In einem entsprechenden Entwurf dazu schlägt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) 19 Maßnahmen vor, um die Arten- und Biotopvielfalt in den Städten zu fördern. “Der Masterplan Stadtnatur leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag für die Artenvielfalt in unseren Städten, sondern verbessert auch die Lebensqualität für die Men-

schen”, so Schulze. Denn selbst kleinere Grünanlagen könnten die Temperaturen im Vergleich zur bebauten Umgebung bereits um drei bis vier Grad senken und Hitzewellen – wie es sie diesen Sommer gab – abmildern. Mit dem Masterplan soll ein neuer Förderschwerpunkt beim Bundesumweltministerium geschaffen werden. Städtische Naturerfahrungsräume für Kinder und Jugendliche sind ein Vorschlag sowie die Integration von Stadtnatur in das Bauge-

Das Projekt “Kommune Inklusiv” der Aktion Mensch (BS/Marion Theisen*) Aus rund 130 Bewerbern hat die Aktion Mensch vor zwei Jahren fünf möglichst unterschiedliche Modellkommunen ausgewählt. Dort haben sich mittlerweile Netzwerke aus Zivilgesellschaft und kommunaler Verwaltung gebildet, die schon jetzt zahlreiche Ideen für Inklusion vor Ort umsetzen oder in den kommenden vier Jahren starten wollen. in den Mittelpunkt rücken, sich möglichst sogar selbst engagieren. So entsteht Inklusion, ein selbstverständliches Zusammen­ leben aller Menschen. Weil aber jede Stadt anders ist, haben die Kommunen unterschiedliche Zielgruppen definiert: • Erlangen möchte Menschen mit Hörbehinderung und Senioren erreichen. • Die Verbandsgemeinde NiederOlm hat geflüchtete Menschen, immobile Senioren und Menschen mit Lernschwierigkeiten im Fokus. • Rostock setzt Maßnahmen für Kinder und Jugendliche mit körperlicher Behinderung, Werkstatt-Rentner und Menschen mit Migrationshintergrund um. • Schneverdingen kümmert sich um einsame ältere Menschen, • Geflüchtete und die Bildung von Kindern und Jugendlichen. • Schwäbisch Gmünd möchte Menschen mit Behinderung mehr Teilhabe ermöglichen, aber auch Kinder und Jugendliche erreichen.

Ob im Mehrgenerationenhaus in Schneverdingen (links) oder bei einer Gehörlosengruppe in Erlangen (rechts), in den fünf von der Aktion Mensch unterstützten Modellkommunen sind zahlreiche inklusive Angebote entstanden. Foto: BS/Aktion Mensch

Das erste Jahr haben die Netzwerk-Koordinatoren vor Ort genutzt, um ein Netzwerk auf- oder auszubauen und einen Plan für die Umsetzung von Inklusion zu erstellen. Dabei wurden sie von der Aktion Mensch mit Beratung und verschiedenen Fortbildungsangeboten unter­stützt. Erklärtes Ziel ist es, mehr Teilhabe und Engagement vor Ort zu schaffen. Dazu soll es in Schneverdingen

Zusammengenommen mit wohnbegleitenden Dienstleistungen und neuen Wohnformen, auch in den kleineren Kommunen, könnten diese ihre Attraktivität langfristig steigern. Gemeinschaftsmodelle wie Carund Bikesharing-Angebote, Angebote zum Teilen von ÖPNVTickets oder gemeinsam genutzte Räumlichkeiten werden derzeit fast ausschließlich von zivilgesellschaftlichen Wohninitiativen umgesetzt. Aber auch für kommunale Wohnungsunternehmen ergäbe sich daraus ein Mehrwert. Auf sozialer Ebene durch Mieterzufriedenheit und Kundenbindung, auf ökologischer Ebene durch Energieeinsparung und auf ökonomischer Ebene durch Kosteneinsparung, wie es das Forschungsprojekt “WohnMobil – Innovative Wohnformen und Mobilitätsdienstleistungen” des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) verdeutlicht. “Es gibt viele Akteure auf dem Markt, aber es wird meist auf tradierte Konzepte gesetzt. Gemeinschaftliche und gemeinwohlorientierte Wohnformen kommen fast nicht vor”, hebt Projektleiterin Dr. Jutta Deffner hervor. Eine sozial-ökologische Transformation im Bereich Wohnen und Mobilität finde daher derzeit eher in Nischen statt.

MELDUNG

Sichtbar und spürbar

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ie Leute rennen uns die Türen ein”, erzählt Ina Fischer ganz begeistert. Sie ist eine von zwei Netzwerk-Koordinatorinnen in Erlangen und freut sich, dass das Projekt dort so gut angelaufen ist. Auch in Rostock findet “Kommune Inklusiv” viel Anklang. Wichtig ist, findet Koordinatorin Rebekka Schmitt, dass man für die Umsetzung möglichst viele Ehrenamtliche mit einbindet. Sonst müsste man überall gleichzeitig sein.

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bald Qualifizierungskurse für Lehrer geben. In Rostock entsteht eine Jugendfreizeit für Kinder mit und ohne Behinderung, die sie selbst mitplanen dürfen. Und in Erlangen gibt es ab sofort ein Generationen-Café, bei dem die Besucher jeweils über ein Thema erzählen und diskutieren. In den fünf Modellkommunen treffen sich außerdem regelmäßig sogenannte Steuerungsgruppen,

in denen Engagierte aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft sitzen, um in Sachen Inklusion gemeinsame Ziele zu erreichen. “Wir drehen an vielen kleinen Bausteinen innerhalb der Kommunen”, sagt Projektleiterin Carolina Zibell, “und am Ende wird ein Geflecht daraus, das zu einem ganz selbstverständlichen Miteinander führt.” Dabei geht es nicht nur um Menschen mit

setzbauch. Darüber hinaus soll die kommunale Landschaftsplanung im Bundesnaturschutzgesetz gestärkt werden. Der Bund müsse durch mehr Natur auf den eigenen Liegenschaften als Vorbild vorangehen, wie es in dem Entwurf heißt. Bei Projekten der Klimaschutzförderung – etwa der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED – soll künftig noch stärker die Naturverträglichkeit in den Fokus rücken. Der Entwurf wird nun innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.

und ohne Behinderung. Sondern auch um Menschen mit Migrationshintergrund, Senioren oder Kinder und Jugendliche, die nicht so viele Bildungschancen haben wie andere.

Netzwerke nach innen und außen Netzwerke sind natürlich nicht nur innerhalb der fünf Modellkommunen, sondern auch zwischen ihnen entstanden: Regelmäßige Treffen und eine gemeinsame Online-Plattform zum Austausch von Ideen haben dabei geholfen. Das Ziel der Aktion Mensch ist aber noch eine Nummer größer: Die Erfahrungen und das Wissen sollen allen Kommunen in Deutschland zur Verfügung gestellt werden. Dazu sagt Christina Marx, Leiterin Aufklärung der Aktion Mensch: “Wir hoffen, dass die Initiative “Kommune Inklusiv” Schule macht und andere Kommunen zur Nachahmung anregt. Wir wollen erreichen, dass die Erfahrungen daraus multiplizierbar sind und Fehler nicht doppelt gemacht werden müssen, damit sich am Ende die Teilhabemöglichkeiten für jeden Einzelnen vor Ort nachhaltig und ganz praktisch verbessern.” *Marion Theisen ist freie Journalistin.


Kommunalpolitik

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ehörden Spiegel: Frau Oberbürgermeisterin: Köln sei eine unregierbare Stadt. Würden Sie dem zustimmen?

Reker: Von der Unregierbarkeit unserer Stadt wird schon seit Jahrzehnten gesprochen, aber das ist nicht so. Es ist sicherlich nicht einfach, mit den nordrhein-westfälischen Rahmenbedingungen eine Stadt zu managen, die mit mehr als einer Million Einwohnern fast doppelt so groß ist wie die nächstgrößere Stadt in NRW. Aber es kommt vor allem darauf an, dass die Politik nicht nach parteipolitischen Interessen agiert, sondern im Sinne der Stadt. Wenn die kommunale Selbstverwaltung im ehren- und im hauptamtlichen Teil vernünftig zusammenarbeitet, dann kann auch eine Stadt wie Köln gut regiert werden. Behörden Spiegel: Vor 20 Jahren wurde die Trennung zwischen politischem Oberhaupt und dem Verwaltungschef in NordrheinWestfalen abgeschafft. Sehen Sie dies für große Verwaltungsapparate wie den Kölner als Vorteil oder eher als Hindernis? Reker: Für die großen Städte im Land hat die Abschaffung des hauptamtlichen Stadtdirektors einige große Hürden geschaffen. Früher war der Verwaltungsoder der Oberstadtdirektor dafür da, die Verwaltung zu führen, während der Oberbürgermeister der Repräsentant war, der den direkten Kontakt zu den Bürgern suchte. Nun muss der oder die OB beide Aufgaben ausfüllen, diese Umgestaltung des Amtes ist vor allem in der Öffentlichkeit nie ganz angekommen. So ist es den Bürgern immer noch schwer zu vermitteln, dass der Kölner Oberbürgermeister nicht in der Lage ist, all den tausenden von Einladungen im Jahr zu folgen. Ich habe eine Stellvertreterin und drei Stellvertreter, die die Stadt überwiegend repräsentieren. In besonderen Einzelfällen nehme ich die Aufgabe selber wahr, aber ich muss vor allem die Verwaltung leiten und bin natürlich Ratsvorsitzende. Das ist meine Hauptaufgabe – und die mache ich gerne. Behörden Spiegel: Betrachtet man die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen, scheint das Interesse der Bürger für Stadtpolitik nicht sonderlich hoch zu sein. Wie wollen Sie diesem Rückgang entgegentreten? Reker: Die Kölner Bürger haben durchaus Interesse an ihrer Stadt. Dabei geht es aber hauptsächlich darum, dass die Stadt funktioniert und nicht um die Probleme und Lösungsansätze in der Politik. Ein Problem bei uns ist dabei vor allem, dass sich viele Bürger vom politischen Entscheidungsprozess nicht mitgenommen fühlen. Um den Menschen zu zeigen, dass wir ihre Ideen wertschätzen und ihre Anliegen uns wichtig sind, habe ich direkt nach meiner Wahl eine Reihe gestartet, die sich “Stadtgespräche” nennt. Dabei reise ich durch die Bezirke der Stadt und diskutiere dabei über alle Anliegen, die die Menschen von sich aus einbringen. Dabei ist mir besonders wichtig, dass dieses Format einen Dialog außerhalb der sonst sehr formalen Beteiligungsverfahren möglich macht. Der Bürger soll Antworten bekommen und auch seine Ideen einbringen – dann bleibt er aktiv für die Stadt. In einem weiteren Schritt wollen wir diese Bürgerbeteiligung ausdehnen. Mehr städtische Vorhaben sollen von den Bürgern mitberaten werden – wenn gewünscht. Anschließend können diese dann im zuständigen Ausschuss zeitnah behandelt werden. Davon verspreche ich mir, dass wir Bauprojekte im ge-

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“Ein Ausdruck unserer Haltung” Aufräumen mit dem Mythos der Unregierbarkeit (BS) Die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Henriette Reker, spricht im Behörden Spiegel-Interview über mehr Bürgerbeteiligung, Migration, politische Fehlentscheidungen, aber auch über die drohenden Fahrverbote und die Stadtentwicklung. Die Fragen stellte Chefredakteur R. Uwe Proll. derer umzusetzen, die keinen Anspruch auf Asyl haben.

planten Zeitrahmen durchführen können und sich nicht im letzten Moment eine Bürgerinitiative dagegen erhebt. Es geht um eine rechtzeitige und verlässliche Beteiligung, um Verzögerungen bei unseren Projekten zu vermeiden.

Behörden Spiegel: Aktuell erleben alle großen Städte ein rasantes Wachstum der Bevölkerung. Dies führt gerade bei Kindern oft zu Engpässen, die sich in großen Schulklassen und fehlenden KitaPlätzen bemerkbar machen. Wie wollen Sie diese Probleme lösen?

Behörden Spiegel: In einer Bürgerumfrage wurden die Verkehrsbelastung und die vielen Baustellen als wichtigste politische Themenfelder genannt. Was kann die Stadt tun, um die Situation zu entspannen? Reker: Bei dieser Frage ist es wichtig, dass Köln nicht so einfach mit anderen Städten verglichen werden kann. Köln ist der Verkehrsknotenpunkt des Westens. Wir sind eine Metropole mit großer Nähe zu mehreren Nachbarstaaten in Europa. Gleichzeitig ist Köln aber kein eigenes Bundesland, wodurch viele Kompetenzen bei uns nicht vorhanden sind, die Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin zur Verfügung stehen. So ist unser Handlungsspielraum häufig sehr eng begrenzt. Wir haben gerade vor anderthalb Jahren überhaupt erst ein eigenes Verkehrsdezernat mit einem neu geschnittenen “Amt für Verkehrsmanagement” eingerichtet. In diesem haben wir moderne Technik eingeführt, z. B. einen neuen Verkehrsrechner. Zudem haben wir dort das Amt für Brücken- und Tunnelbau implementiert. Wir haben aus den vergangenen Jahrzehnten einen Modernisierungsstau geerbt wie bei den Rheinbrücken. Das war früher alles beim Bau- und Planungsdezernenten angesiedelt. Diese neue Steuerungsfunktion wurde von allen Seiten unterstützt und niemand hat kritisiert, dass wir die Verwaltung aufblähen würden. Dennoch wird es weiterhin Baustellen in unserer Stadt geben, weil in den letzten Jahren viel zu wenig in die Verkehrsin­frastruktur investiert wurde. Diese Problematik gibt es in anderen Städten genauso, aber aufgrund der Größe von Köln potenzieren sich hier viele Probleme. Behörden Spiegel: Im Verkehrssektor sind aktuell immer wieder neue Städte von Dieselfahrverboten betroffen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, ein solches Verbot in Köln zu verhindern? Reker: Wir tun alles dafür, um Dieselfahrverbote zu verhindern. Nach dem aktuellen gutachterlichen Stand wird uns aber wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben, als Dieselfahrverbote in einem gewissen Rahmen zu erlassen. Da wird es zunächst einmal bei Fahreinschränkungen bleiben. Der Knackpunkt ist die Verhältnismäßigkeit. Die Stadt darf durch die Fahrverbote nicht zum Erliegen kommen und es darf es zu keiner Diskriminierung derjenigen kommen, die auf ihre Fahrzeuge angewiesen sind. Die Bezirksregierung als zuständige Behörde wird im November den neuen Luftreinhalteplan für Köln der Öffentlichkeit vorstellen. Zusätzlich planen wir eine generelle Umstrukturierung des Verkehrs in der Stadt. Mit unserem Verkehrskonzept “Köln Mobil 2025” wollen wir ein Drittel Individualverkehr und zwei Drittel ÖPNV oder Fahrrad- und Fußverkehr erreichen. Um den ÖPNV zukunftssicher zu gestalten, werden wir in diesem Kontext die größte kommunale E-Bus-Flotte in Deutschland aufbauen. Wir haben aktuell bereits die bundesweit größte

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker erläutert die nächsten Schritte für mehr Bürgerbeteiligung in der Stadt. Foto: BS/Stadt Köln, Martina Goyert

Busflotte und diese wollen wir vollständig elektrifizieren. Damit all das funktioniert und auch vom Bürger angenommen wird, müssen gleichzeitig erreichbare Strukturen geschaffen werden. Solche Umwälzungen gefallen nicht jedem, aber ich glaube, dass sich die Haltung und Mentalität in den letzten Jahren entscheidend geändert haben. Behörden Spiegel: Das große globale Thema sind weiterhin Flüchtlinge und Migranten allgemein. Wie sehen Sie Ihre Stadt da aufgestellt? Reker: Köln ist sich seiner Identität sehr bewusst und ist auch interessiert an anderen Kulturen. Jeder ist hier willkommen und jeder kann hier so sein, wie er will, solange er sich an die Regeln hält. Hier in Köln sind momentan rund 10.000 geflüchtete Menschen untergebracht. Diesen Menschen zu helfen, ist unsere moralische und rechtliche Pflicht. Deswegen erklären wir den Leuten, die sich dadurch ungerecht behandelt fühlen, dass sie es in Wirklichkeit nicht sind. Zudem vermitteln wir ihnen, dass wir eine Unterbringungsverpflichtung haben. Aber Köln ist grundsätzlich eine weltoffene und tolerante Stadt. Ich bin immer wieder stolz auf die Bürger, dass sie sich von rechten Parolen nicht so schnell einfangen lassen. Zwar gibt es auch hier rechtes Gedankengut, aber in einem sehr geringen Maße. Das macht mich sehr froh. Behörden Spiegel: Sie haben bundesweit Aufsehen erregt, indem Sie mit ihren Amtskollegen aus Bonn und Düsseldorf verkündet haben, die drei Städte könnten sich durchaus weitere Zuweisungen von Flüchtlingen vorstellen. Was wollten Sie mit dem Vorstoß erreichen? Reker: Es war einfach ein Ausdruck unserer Haltung. Ich finde dabei besonders wichtig, dass wir zeigen können, dass diese Herausforderung nicht an Parteibücher und die dazugehörigen Interessen gebunden ist. Wir haben einen SPD-Oberbürgermeister, einen CDU-Oberbürgermeister und eine parteilose Oberbürgermeisterin, die eine humanitäre Haltung einnehmen und sich nicht eine andere Realität wünschen, die wir sowieso nicht bekommen. Ich habe hier manchen Menschen erklären müssen, dass es um die Bereitschaft geht, Geflüchtete aufzunehmen. Wir haben im Notfall die Ressourcen und somit die Verpflichtung, diesen Menschen zu helfen. Denn die meisten verlassen ihre Heimat mit gutem Grund auf der Flucht vor Gewalt und Terror. Gleichzeitig haben wir aber genauso die Verpflichtung, eine konsequente Rückführung

Reker: Wir gehen die ganze Problematik mit einer Weiterentwicklung der Infrastruktur unserer Stadt an. Dazu wollen wir im Stadtgebiet nachverdichten und entwickeln zusätzlich einige Neubaugebiete in der Stadt, aber darüber hinaus auch einen ganz neuen Stadtteil namens Kreuzfeld im Norden, in der Nähe des Fühlinger Sees. Unser Ziel ist es, die Betreuungsquote um 50 Prozent zu steigern und den Bau von Kindertageseinrichtungen voranzubringen. Außerdem haben wir mehrere Schulbaupakete geschnürt, die von externen Unternehmen für uns umgesetzt werden. Auf diese Weise geht es schneller, denn die Stadt kann das nicht mehr alles alleine bauen. Wir haben viele Jahre Personal abbauen müssen, um nicht in die Haushaltssicherung zu geraten. Und jetzt haben wir diesen Bauboom und bekommen kaum die Planer und Architekten, die wir brauchen. Daher bleibt uns gar nichts anderes übrig, als auf externe Dienstleister zu setzen und auch in Zusammenarbeit mit privaten Trägern den notwendigen Wohnungsbau und Schulbau zu gestalten. Mir

persönlich ist im Wohnungsbau wichtig, dass wir das kooperative Baulandmodell mit privaten Investoren realisieren. Das bedeutet bei Investitionen, die über 20 Wohneinheiten hinausgehen, dass immer 30 Prozent der Einheiten im sozialen Wohnungsbau fertiggestellt werden. Behörden Spiegel: Die Kommunen verzeichnen durch die gute Wirtschaftslage enorme Steuereinnahmen. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Investitionen und Schuldenabbau? Reker: Der Haushalt sollte grundsätzlich so ausgeglichen wie möglich sein. Das ist uns bisher noch nicht gelungen, obwohl wir in den letzten Jahren durch die Gewerbesteuer unsere Einnahmen erheblich steigern konnten. Ich bin der Meinung, dass wir weiterhin alle Aufgaben und Ausgaben auf den Prüfstand

stellen und konsolidieren müssen. Das ist immer wieder ein schmerzhafter Prozess, aber alle anderen Optionen sind nicht generationengerecht. Wir müssen unsere Entscheidungen so auf die Wirtschaft ausrichten, dass wir die bereits angesiedelten Unternehmen hier halten können und gleichzeitig für neue Unternehmen interessant sind. Denn die Menschen, die in die Stadt ziehen, möchten hier ihre Arbeit haben, und diese Arbeitsplätze werden eben durch die Wirtschaft geschaffen. Eine gerechte Verteilungspolitik durch die Bundesagentur für Arbeit ist nur in zweiter Linie für den sozialen Frieden verantwortlich. Eine gesunde Wirtschaft ist es, was eine Stadt stabil macht und hält. Der wichtigste Punkt ist aber nach wie vor, dass wir die Stadt Köln auf eine solide finanzielle Grundlage stellen. Behörden Spiegel: Frau Reker, werden Sie bei der kommenden Kommunalwahl wieder antreten? Reker: Ich habe mich noch nicht entschieden. Mir ist dabei wichtig, was in den nächsten Monaten an politischen Entscheidungen auf den Weg gebracht wird.

Stadtteilplanung am Reissbrett (BS/Wim) Bereits 1982 wurde das Areal “Kreuzfeld” im Norden der Stadt Köln im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche ausgewiesen. Seitdem beabsichtigt man bei der Stadt, dort einen neuen Stadtteil für rund 6.000 Bewohner zu errichten. Im Zuge stetig wachsender Einwohnerzahlen hat Henriette Reker das Projekt zu einem ihrer persönlichen Kernthemen erklärt.

Im Jahr 2023 sollen die Bauarbeiten für den neuen Bezirk nun beginnen. Mit Kreuzfeld will die Stadt das Problem des immer weniger werdenden bezahlbaren Wohnraums eindämmen. Der Stadtteil wird dabei vollständig auf der grünen Wiese angelegt. Die Entwicklung legt die Stadt dabei in die Hände privater Investoren, die an einen strengen Vorgabenkatalog gebunden sind.


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Personelles

Behรถrden Spiegel / November 2018


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Personelles / Kommunaler Haushalt

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Zukunftsfähige HR

Ein Plus, aber keine Entwarnung

Impulse für die Personalarbeit

Kommunen in Rheinland-Pfalz mit Gesamtüberschuss

(BS/Edmund Mastiaux*) Innovation ist in der Personalarbeit der öffentlichen Hand mehr denn je gefragt. Es werden Marktorientierung und am spezifischen Kundenbedarf ausgerichtetes Handeln verlangt. Die Qualität des Service muss sich wettbewerblichen Benchmarks stellen. Seit mehr als 25 Jahren ist zfm als Berater bundesweit tätig und auf die Belange der HR-Arbeit der öffentlichen Hand spezialisiert. Dadurch können wir gedanklich das vorwegnehmen, was die Personalarbeit des öffentlichen Sektors in der nächsten Dekade prägen wird.

(BS/gg) Der Rechnungshof Rheinland-Pfalz beschäftigt sich in seinem aktuellen Kommunalbericht 2018 insbesondere mit der Haushaltslage der Gemeinden und Gemeindeverbände im Land. Hierbei gibt er, auf der Grundlage der landesweit in den Kommunen durchgeführten Prüfungen, auch eine Reihe von Beispielen dafür, wie unwirtschaftliche oder nicht an rechtlichen Vorgaben orientierte Entscheidungen zu finanziellen Nachteilen für die Kommunen führten.

Dass in Deutschland die Arbeitsbevölkerung altert, ist bekannt. In den kommenden Jahren werden die sogenannten BabyBoomer in den Ruhestand gehen. Ab 2020 wird die Arbeitsbevölkerung so schnell schrumpfen wie nie zuvor. Wichtig für die Personalstrategie werden deshalb Maßnahmen sein, die es erlauben, diese schwierige Zeit bestmöglich durchzustehen und vorausschauend zu planen, z. B. mit einem Ampel-System oder mit Teilzeitangeboten und TandemStellen. Es wird zum Glück auch immer mehr Berufstätige geben, für die das normale Renteneintrittsalter keine Bedeutung hat. Sie fühlen sich jung, fit und gesund und haben den Wunsch, weiterzumachen. Für innovative Personalarbeit steckt hier eine große Chance. Wir können den stärksten Folgen des Mitarbeitermangels noch einmal entgehen, wenn wir den Älteren die Türen öffnen, die ihnen einen Verbleib

im Arbeitsleben ermöglichen. Mittlerweile ist aus einem Nachfrager- schon ein Anbieterarbeitsmarkt geworden. Können wir uns deshalb in Zukunft noch leisten, Stelleninteressierte, die mit einem gebrochenen Lebenslauf daherkommen, nicht einzustellen? Man muss in der Lage sein, Kandidaten nicht nur nach Schulnoten, Stringenz und unterbrechungsfreier Karriere zu bepunkten, sondern bei der Bewertung auch Faktoren wie Metawissen und fachübergreifende Erfahrungen einzubeziehen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist hier bereits der Umgang mit Bewerbern. Das Internet macht verwöhnt. Wer warten muss, wendet sich ab. Das hat auch Auswirkungen auf den Rekrutierungsprozess. Arbeitgeber, die schnell sind, Antworten sofort geben und volle Transparenz sichern, haben einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt. Den sollten sich auch die Personalabteilungen der öffentlichen Hand

zunutze machen. Denn selbst wenn man den passenden Job anbietet, kann es dennoch sein, dass man mit dem Angebot nicht zum Zuge kommt, weil der Prozess zu langsam, zu umständlich oder zu schwerfällig war. Heutzutage ist es besonders wichtig, sich positiv bemerkbar zu machen. Arbeitgeber-Qualitäten müssen angesichts der Wettbewerbslage vermarktet werden. Employer Branding gilt auch für kommunale Organisationen. Nur Stelleninteressenten, die von den Pluspunkten des Berufsweges bei der öffentlichen Hand wissen, werden diesen Weg einschlagen. Diese verfügt über ein einmaliges, in einigen Dimensionen unschlagbares Arbeitgeber-Profil. Mehr zum Thema in “13 Impulse für Ihre Personalarbeit”, bestellbar unter www.zfm-bonn.de *Edmund Mastiaux, Dipl.-Kfm., ist Geschäftsführer und Inhaber des zfm in Bonn.

TagBeteiligungsverwaltung der Beteiligungsverwaltung 19.–20. Februar 2019, Hamburg

Vom passiven Verwalten zum aktiven Steuern

Insgesamt schlossen die rheinland-pfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände das Haushaltsjahr 2017 mit einem Überschuss von 431 Millionen Euro ab und konnten damit nach 2015 erst den zweiten Kassenüberschuss seit 1990 verzeichnen. Der Grund hierfür ist, dass die Einnahmen der Kommunen im vergangenen Jahr stärker gestiegen sind als die Ausgaben – plus 5,3 Prozent auf 14,4 Milliarden Euro gegenüber 2016. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben nur um 2,1 Prozent (auf 14,0 Milliarden Euro). Bei stagnierenden Sozial- und steigenden Personalausgaben legten die Investitionen deutlich um acht Prozent auf über eine Milliarde Euro zu, lagen damit aber weiter nur auf dem Niveau von Anfang der 1990er-Jahre.

Weiterhin hohe Verschuldung Die Gesamtverschuldung der rheinland-pfälzischen Kommunen sank insgesamt um 239 Millionen Euro auf 12,3 Milliarden Euro (-1,9 Prozent). Damit ist die Pro-Kopf-Verschuldung 2017 mit 3.107 Euro fast doppelt so hoch wie der Länderdurchschnitt. Im bundesweiten Ranking der ProKopf-Verschuldung 2016 gehörten fünf Städte und vier Landkreise aus Rheinland-Pfalz zu den zehn am höchsten verschuldeten Gebietskörperschaften ihrer jeweiligen Gebietskörperschaftsgruppe.

KEYNOTES

Trotz des landesweiten Kassenüberschusses schloss fast ein Drittel der Gemeinden und Gemeindeverbände (744) das vergangene Jahr mit einem Minus ab. Auch berücksichtige der Überschuss noch keine Tilgungen, so der Rechnungshof. Der Schuldenabbau sei jedoch dringend erforderlich, da Zinssteigerungen erhebliche Mehrbelastungen zur Folge haben könnten. Dies gelte vor allem für Liquiditätskredite mit kurzer Laufzeit. Selbst wenn Liquiditätskredite längerfristig mit dem gleichen Betrag wie 2017 getilgt werden könnten (211 Millionen Euro), würde es rund 30 Jahre dauern, bis die 6,4 Milliarden Euro an Schulden allein aus Liquiditätskrediten beglichen seien, machte der Rechnungshof deutlich. Der Rechnungshof fordert in diesem Zusammenhang, die im Jahr 1991 abgeschaffte Genehmigungspflicht für Höchstbeträge für Liquiditätskredite durch die Aufsichtsbehörden wiedereinzuführen.

Zusätzliche Belastungen Im Kommunalbericht 2018 zeigt der Rechnungshof auch Fälle aus der Prüfungspraxis, in denen Entscheidungen der Verwaltungen teilweise zu beträchtlichen finanziellen Nachteilen oder Risiken für die Kommunen geführt haben. So sei die Beschaffung von Dienstwagen für kommunale

Wahlbeamte nicht immer wirtschaftlich gewesen, etwa wenn Fahrzeuge geleast wurden, obwohl die Zahl der Dienstreisen die Beschaffung nicht rechtfertigte. Zudem hätten umfangreiche Sonderausstattungen ohne dienstliche Notwendigkeit vereinzelt zu Leasingraten geführt, die weit über den für Ministerdienstwagen maximal zulässigen Raten lagen. Einige Amtsinhaber hätten ihre Dienstwagen entgegen besoldungs-, kommunal- und haushaltsrechtlichen Vorschriften unentgeltlich für private Zwecke genutzt. Bei der Straßenreinigung hätten die vom Rechnungshof geprüften Fälle gezeigt, dass sich diese Haushaltsbelastungen bereits verringern ließen, wenn die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. So hätten einige Kommunen Straßen häufiger als erforderlich oder in Bereichen gereinigt, in denen üblicherweise die Reinigung auf Anlieger übertragen wird. Teilweise seien für Reinigungsleistungen trotz defizitärer Haushaltslage keine Entgelte erhoben oder es seien Straßen gereinigt worden, obwohl die Verpflichtung hierzu bereits den Straßenanliegern übertragen worden war. Bei einer kreisfreien Stadt habe dies Aufwendungen von 280.000 Euro jährlich verursacht. Vielfach seien auch für den Winterdienst keine Gebühren verlangt worden, obwohl die Kosten dies erfordert hätten.

“Beteiligungsmanagement”

Warum eigentlich Töchter? Jörg Dehm, Oberbürgermeister der kreisfreien Stadt Hagen a.D.

Der Hafen als Beteiligung des Konzerns Hamburg Dr. Sibylle Roggencamp, Amtsleitung Vermögens- und Beteiligungsmanagement, Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg

Risikomanagement und Compliance in der Beteiligungsverwaltung Lars Scheider, Leiter Beteiligungsmanagement, Stadt Frankfurt a.M.

Personaleinsatz in der Beteiligungsverwaltung Prof. Dr. Ulf Papenfuß, Inhaber des Lehrstuhls für Public Management und Public Policy an der Zeppelin Universität

WORKSHOP-THEMEN:

Public Corporate Governance Kodex und Beteiligungsrichtlinie Bilanzieren nach EPSAS-Umstellung Gesellschaftsgründungen und -betrieb Risikomanagement und Compliance in der Beteiligungsverwaltung Beteiligungscontrolling und IT-gestütztes Berichtswesen Rechte und Pflichten von Aufsichtsräten Corporate Social Responsibility in Unternehmen der öffentlichen Hand Shared Services im städtischen Konzern Weitere Informationen und Anmeldung unter www.beteiligungsverwaltung.org

Public Corporate Governance Kodex von Dr. Ulrich Keilmann

Beteiligungen sind zu steuern (vgl. dazu meinen Beitrag in der Oktober-Ausgabe, S. 16: “Beteiligungen richtig steuern”). Solange die Strukturen überschaubar sind, kann eine Einflussnahme gut über etwaige Gesellschaftsverträge geregelt werden. Wird das Konzerngebilde komplexer, empfiehlt sich die Einführung eines Public Corporate Governance Kodex (PCGK) – sogenannte “Richtlinien guter Unternehmensführung”. Die Anwendung eines PCGK soll eine transparente, gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung im Sinne einer sachgerechten Steuerung der Beteiligungen durch die Gesellschafter gewährleisten. Bereits geltende rechtliche Regelungen sollen durch sie ergänzt und konkretisiert werden. Allerdings führt allein der Erlass eines PCGK nicht zu einer verbesserten Steuerung der Beteiligungen. Auch diese Regelungen müssen gelebt und fortentwickelt werden – vorschlagsweise durch ein professionelles Beteiligungsmanagement. Der Bund hat zur Steuerung seiner Beteiligungen einen PCGK

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

veröffentlicht. Er hat grundsätzlich modellhafte Bedeutung für die kommunalen Beteiligungsverwaltungen. Allerdings liegen bei Bundesunternehmen schon alleine wegen der Größe von Unternehmen und der Struktur von Anteilseignern andere Voraussetzungen vor. Daher bedarf es einer Anpassung, die auf die Bedarfe kommunaler Unternehmen zugeschnitten ist und deren Leistungsfähigkeit berücksichtigt. Im Kern betrifft dies folgende vier Bereiche: Für das kommunale Beteiligungsmanagement sollten die Aufgaben und Pflichten der einzelnen Akteure (Politik, Verwaltung und Beteiligung) eindeutig definiert werden. Für die Unternehmensseite sind die Aufgaben von Geschäftsleitung und Aufsichtsrat festzulegen.

Für die Eigentümerseite ist die Rolle der Mandatsträger (idealerweise auch Angaben zu deren Qualifikation) und deren Betreuung durch das Beteiligungsmanagement zu regeln. Eine vornehmliche Aufgabe der durch die Mandatsträger besetzten politischen Gremien ist die Formulierung klarer strategischer Vorgaben. Schließlich sollten die grundsätzlichen Verhaltensregeln, Berichtszyklen und Informationsflüsse zwischen den Akteuren definiert werden. Ergänzend kann in einer Präambel der öffentliche Zweck der Beteiligungen grundlegend manifestiert werden. Lesen Sie mehr zum “Public Corporate Governance Kodex” im Kommunalbericht 2017, Hessischer Landtag, Drucksache 19/5336 vom 28. November 2017, S. 78 ff. Zur Umsetzung des PCGK in kommunale Strukturen finden sich viele Informationen auch im Kommunalbericht 2013 vom 27. November 2013, LT-Drs. 18/7663, S. 48 ff. Alle Berichte sind kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.

MELDUNG

Mehr Steuereinnahmen für Kommunen (BS/gg) Nachdem die kommunalen Steuereinnahmen im vergangenen Jahr bei 105,1 Milliarden Euro lagen, prognostiziert die aktuelle Steuerschätzung für die Städte und Gemeinden im aktuellen Jahr Eingänge in Höhe von 111,2 Milliarden Euro. Für das Jahr 2019 erwarten die Steuerschätzer dann 114,2 Milliarden Euro.

Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sollen demnach in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 2,8 Milliarden Euro bzw. 5,3 Prozent steigen. Ein moderates Einnahmewachstum wird auch für die Grundsteuer prognostiziert, wo man für das laufende Jahr 14,2 Milliarden Euro erwartet, nach 14 Milliarden Euro im Jahr 2017.


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / November 2018

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Digitale Mobilität ist bereits Realität

Fußgänger sind keine Randerscheinung

Autonomes Fahren und Sharing-Angebote implementieren

Verkehrswende erfordert einen attraktiven Fußverkehr

(BS/ab) “Die Digitalisierung bringt die Mobilität so voran, wie es vor zehn Jahren gar nicht vorstellbar war”, betont Hendrik Wüst (CDU), Verkehrsminister von NRW. Aber, so fährt er fort, es brauche auch eine Digitalisierungsstrategie des ÖPNV. In den autonomen Autos sieht er eine Chance für den ländlichen Raum, wohingegen diese Auffassung nicht alle teilen.

(BS/ab) Fußverkehr ist der kleine Bruder im allgemeinen Verkehr, den jeder tätigt, aber niemand richtig wahrnimmt und der in politischen Programmen wie auch in neuen Verkehrsgesetzen (unter anderem in Berlin) vernachlässigt wurde, obwohl doch den schwächsten Teilnehmern im System, der größte Schutz gelten sollte. Es zeichnet sich ein Umdenken ab, in welchem nun die Fußgänger Gehör finden.

Der ÖPNV müsse anschlussfähig gemacht werden wie beispielsweise mit Car-, Bike- und Ridesharing. “Eine Strategie, die den ÖPNV als Insel sieht, ist bestenfalls vorgestrig”, so Wüst. Jedoch werde es weiterhin in vielen Firmen und kommunalen Verkehrsunternehmen so gedacht. Es sei in der Lebenswirklichkeit nicht angekommen, kritisiert er. Erste Schritte, die NRW durchführe: Zum einen würden die gesammelten Daten jedem gegeben, der damit ein Geschäft aufziehen könne. Exemplarisch benennt er eine Trucker-App, die Lkw-Fahrern speziell für sie geeignete Routen anzeige. Schließlich werde dadurch der Verkehrsfluss verbessert. Des Weiteren seien gegenwartsbezogene Anwendungen wie elektronische Schilder wichtig, die jedoch finanziell belastend seien, weil eine Schildbrücke 30.000 Euro in der Anschaffung koste. Nächstes Jahr soll zudem ein Programm starten, bei welchem über 130 Ampeln intelligenter geschaltet werden sollen. Ein noch technologisch am Anfang stehendes Zukunftsthema, welches Wüst jedoch insbesondere für den ländlichen Raum, bspw. das Münster- und Sauerland, in Ostwestfalen und der Eiffel, als Chance wahrnimmt, sei automatisiertes bzw. autonomes Fahren. “Viele Busfah-

Michael Focken, kommissarischer Leiter für Verkehrsplanung der Stadt Chemnitz, zeichnet ein Bild seiner Stadt, welches sich vielerorts wiederfindet: “Wir haben fehlende Fußwege sowie Überquerungen, zu schmale oder gar zugeparkte Gehwege.” Auch Udo Lutz, Verkehrsplaner der nordrhein-westfälischen Stadt Marl, merkt an, dass sie “dicke Bretter zu bohren haben”. Einen Anteil von 63 Prozent habe der Autoverkehr, zehn Prozent der Fußverkehr, 19 Prozent der Radverkehr sowie acht Prozent der ÖPNV. Die 85.000-Einwohner-Stadt sei wie viele Städte nach dem Krieg zu einer autofreundlichen Stadt umfunktioniert worden. Die Sichtverhältnisse seien teilweise kritisch, weil Büsche den Blick versperrten, und es fehle an Orientierung in der Stadt, weil es nur einen kleinen Stadtplan vor der Polizei gebe. Auch alte Gehwege seien stellenweise durch große Bäume nicht mehr passierbar. Erste Schritte seien eingeleitet worden. Hol- und Bringzonen würden bei den Schulen für die Eltern eingerichtet, Tunnelwege und Unterführungen gebaut und auch kritische Zebrastreifen seien mittels Umlaufschranke und Blitzer entschärft worden. “Wir erhalten keine finanzielle Förderung, obwohl vieles kaputt ist”, so Lutz zu der Situation in der Stadt.

Die Digitalisierung bringt auch Schwung in die Verkehrswende. Vor allem durch die Individualisierung und Flexibilität werden den Leuten Anreize gesetzt, das eigene Auto stehenzulassen. Aber es braucht eine gesamtstrategische Planung. Foto: BS/FirmBee, CC0, pixabay.com

rer fahren leere Luft durch die Gegend. Dementsprechend wäre autonomes Fahren dort eine Entlastung und eine Alternative”, so der Verkehrsminister.

Ticket für alle Verkehrsnutzungen “Aus Sicht des Fahrgastes zu denken, ist bei der Mobilität richtig und wichtig”, sagt der Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen). Beispielhaft hierfür sei eine Art “Mobilpass”, also ein Ticket für alle Verkehrsnutzungen. Denn er sehe in der “Einfachheit das entscheidende Kriterium”, um Mobilität voranzutreiben. Jedoch kritisiert er bis zu einem gewissen

Grad die autonomen Autos: “Ich bin für das Thema Automatisierung – also einen Schritt vor den autonomen Autos – offen. So finde ich Abbiegeassistenten gut. Aber ob leer fahrende autonome Autos der Weisheit letzter Schluss sind, bezweifle ich. Wenn solch ein Auto eine Einzelperson transportiert, bringt dies volkswirtschaftlich und verkehrstechnisch nichts.” Zudem fordert er eine Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes, in welchem Carsharing-Angebote und neue Entwicklungen nicht abgebildet seien. “Wir verfolgen doch politische Ziele und müssen diese auch sinnig in den Gesetzen verankern.”

Länder in der Pflicht MELDUNGEN

Förderprogramm zur Mobilität in Baden-Württemberg (BS/ab) Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg fördert ab sofort Maßnahmen zum Mobilitätsmanagement. Förderfähig sind Unternehmen sowie Behörden und Zusammenschlüsse ohne Erwerbscharakter, welche in Kommunen ansässig sind, in denen der Grenzwert von 40 µg/

m3 Stickoxid überschritten wird. Dabei kann folgendes bezuschusst werden: Personal-, Sach-, Gemein- und Betriebskosten für Prozess- und Organisationsinnovationen, die dem Mobilitätsmanagement dienen. Aber ebenso gefördert werden können Kosten für externe Berater sowie

Studien und Gutachten. Auch Investitionen in Einrichtungen, Gebäude oder gar Fahrzeuge sind möglich, wenn vorher die anderen Projektmaßnahmen erfolgreich abgeschlossen wurden. Die Förderung kann, je nachdem, ob es sich um ein Unternehmen oder eine Behörde handelt, variieren.

Sanierungsoffensive für Landstraßen in Schleswig-Holstein (BS/ab) Die bisherige “Sanierungsoffensive” in Schleswig-Holstein wird erweitert. 3.541 Kilometer Landesstraßennetz sollen insgesamt saniert werden, wofür das Land sowohl die finanziellen Mittel als auch das Personal aufstockt. “Um den in Jahrzehnten aufgebauten gesamten Sanierungsstau von über einer Milli-

arde Euro zu beseitigen, haben wir in unserer Erhaltungsstrategie jährliche Investitionen von insgesamt 90 Millionen Euro bis zum Jahr 2030 festgeschrieben”, äußert sich Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz (FDP). Zwischen 2013 und 2016 wurden im Jahresdurchschnitt 23,7 Millionen Euro in die Landesstraßener-

haltung investiert. In den vergangenen beiden Jahren waren es im Durchschnitt 62 Millionen Euro. Die Zahl der bislang 65 Mitarbeiter in diesem Bereich soll mittelfristig nochmals aufgestockt werden. Bereits in den kommenden vier Jahren sollen 900 Kilometer Landesstraßen ausgebessert werden.

Vor 20 Jahren habe ein Wandel hinsichtlich der Stadtplanung eingesetzt, so Winfried Hermann, Verkehrsminister aus Baden-

Der Fußgänger ist das schwächste Glied in der Verkehrskette, aber essenziell für eine Verkehrswende. Zu Fuß gehen ist gesund und vor allem effizient, jedoch wenig attraktiv, wenn die Infrastruktur nicht stimmt. Dies soll sich nun ebenso im Rahmen der Verkehrswende ändern. Foto:BS/Free-Photo, CC0, pixabay.com

Württemberg. Aber die alten Strukturen würden weiterhin fortbestehen und seien oft auf Pkws ausgerichtet. “Baden-Württemberg selbst hat seine Förderkulissen hin zum Fußverkehr verändert.” Ein Beispiel seien die Fußverkehrchecks, welche “gute” Impulse für die Politik gäben. “Kommunen bewerben sich hierfür bei dem Land für eine Förderung. Anschließend gehen die kommunalen Vertreter mit Experten durch ihre Stadt und schauen sich diese bewusst aus dem Blickwinkel eines Fußgängers an”, erläutert der Verkehrsminister.

Aber ebenso die Bundespolitik “Der Bund wiederum müsste meines Erachtens zwingend eine Strategie für den Fußverkehr entwerfen”, so Hermann. Er solle den Rechtsrahmen schaffen, den die Länder für ihre Herausfor-

derungen individuell anpassen. Eine Forderung, der das Umweltbundesamt (UBA) in Teilen nachkam. Dr. Harry Lehmann, Fachbereichsleiter I “Umweltplanung und Nachhaltigkeitsstrategien” beim UBA, schlug Grundzüge einer bundesweiten Fußgängerstrategie vor. Hierfür könne beispielsweise die Straßenverordnung verändert werden, um Fußgängern mehr Vorrang einzuräumen, z. B. mit einer Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts sowie der Einführung einer Öffnungsklausel für die Kommunen, damit diese mehr Gestaltungsspielräume erhalten würden. Das Ziel sei es bis 2030, die Zahl der Fußgänger um die Hälfte zu steigern, die tödlichen Fußgängerunfälle um 20 Prozent zu reduzieren und die Barrierefreiheit voranzutreiben. Aber inwiefern dies in eine “echte” Strategie übertragen wird, bleibt momentan offen.


Zahlen & Fakten

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Behörden Spiegel / November 2018

Der Stand der Elektromobilität (BS/wim) Die Verbreitung von Fahrzeugen mit Elektroantrieb hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Schwung gewonnen. Dennoch erreicht die Zahl der E-Fahrzeuge in Deutschland absolut gesehen nicht annähernd die von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. So sind gerade einmal 0,63 Prozent aller Fahrzeuge auf deutschen Straßen im Jahr 2018 elektrisch oder hybrid unterwegs. Der Plan der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 mindestens eine Million E-Autos auf der Straße zu haben, ist damit bereits heute gescheitert.

Entwicklung elektrisch betriebener Pkws in Deutschland 2009 bis 2018 Elektro

Pkws gesamt

Hybrid 41.737.627

41.321.171

43.851.230

43.431.124

42.927.647

42.301.563

46.474.594

45.803.560

45.071.209

44.403.124

236.710

165.405

130.365 107.754 85.575 64.995 53.861

47.642 22.330 1.452

2009

37.256

28.862

4.541

2.307

1.588

2010

2011

2012

18.948

12.156

7.114

2013

2014

34.022

25.502

2015

2016

2017

2018

Quelle: BS/Kraftfahrt-Bundesamt

Anteil Elektrofahrzeuge am Gesamtbestand einzelner Bundesministerien Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

35

9 Fahrzeuge mit

26 Fahrzeuge mit

22

3 Fahrzeuge mit

Fahrzeuge gesamt

Verbrennungsmotoren

Bundesministerium der Verteidigung

19 Fahrzeuge mit

Elektromotoren

7.250

7.109 Fahrzeuge mit

Fahrzeuge gesamt

Verbrennungsmotoren

Fahrzeuge gesamt

Verbrennungsmotoren

141 Fahrzeuge mit

Elektromotoren

Elektromotoren

Quelle: BS/Drucksache 19/189 des Deutschen Bundestages/BwFuhrparkService GmbH

Marktanteile E-Pkws in der EU 1. Halbjahr 2017

Aufteilung der Ladepunkte für E-Fahrzeuge nach Bundesländern

1. Halbjahr 2018

Normalladepunkte 5,3 %

Schweden

2,2 %

Niederlande

1,9 %

Portugal

2,7 % 2,3 %

Belgien Vereinigtes Königreich

Frankreich Deutschland EU

6,5 %

2.093

2,1 % 2,2 % 0,6 %

1,9 %

1.584

4,6 %

1.696 gesamt

3,6 % 1.130 gesamt

867 669

618

1,9 % 2,3 %

Österreich Dänemark

2,8 %

Ladepunkte insgesamt

gesamt

2,6 %

Finnland

Schnellladepunkte

1.837

523

256

810

658

gesamt

111

gesamt

27

98 13

1,8 % 1,8 %

667

gesamt

69

2

40

92

320

gesamt

107

gesamt

gesamt

67

375

gesamt

gesamt

550

263

575

88

19

141

332

gesamt

149

gesamt

215 112

351

gesamt

105

43

103

46

275

gesamt

285

232 66

16

gesamt

43

10

6

1,6 % 1,8 % 1,4 % 1,7 %

Quelle: BS/European Alternative Fuels Observatory

Quelle: BS/Drucksache 19/986 des Deutschen Bundestages

Illustration: BS/Liesegang unter Verwendung von © radoma, stock.adobe.com; JiSign, fotolia.com; merukeru, stock.adobe.com Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.

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Kommunale Infrastruktur

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Die Luft rettet sich nicht von allein

K

napp zehn Milliarden Menschen nutzen den ÖPNV der Verkehrsunternehmen jährlich. Die Frage, diesen gleich kostenlos anzubieten, wird in regelmäßigen Abständen angerissen. Ist aber ein Trugschluss. Lars Wagner vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sieht etwaige Kalkulationen rund um den kostenlosen ÖPNV kritisch: “Den konkreten Finanzbedarf hieb- und stichfest zu berechnen, funktioniert nicht. Auch ist der Begriff irreführend. Denn es wäre dann kein kostenloser, sondern ein steuerfinanzierter ÖPNV.” Der Fahrgast an sich zahle nichts mehr, jedoch würden dann alle Bürger über die Steuern dafür aufkommen. Er erläutert ferner, dass konkrete Berechnungen an unvorhersehbaren Faktoren scheitern würden. “Momentan finanziert sich der Status quo des Betriebes durch bundesweit jährlich zwölf Milliarden Euro Fahrgeldeinnahmen und Gelder der öffentlichen Hand. Künftige Investitionskosten, vor allem für den nötigen Ausbau der Infrastrukturen, sind darin nicht berücksichtigt”, erörtert Wagner. Ergo: Um das höhere Fahrgastaufkommen auffangen zu können, bräuchte es zusätzliche Mittel. “Zugleich brauchen wir noch vier Milliarden Euro, um die sanierungsbedürftigen Anlagen zu modernisieren und zu erneuern, weil sich auch im ÖPNV ein Investitionsstau angesammelt hat.” Er merkt zudem an, dass bei geringeren Steuereinnahmen das Finanzierungssystem eines rein

Schwächelt ein attraktiver ÖPNV an der Refinanzierung? (BS/Adrian Bednarski) Die Situation scheint festgefahren zu sein: Nun muss neben Stuttgart oder Hamburg auch Mainz Fahrverbote in Erwägung ziehen. Während die Bundesregierung daran arbeiten möchte, die “Verhältnismäßigkeit” zu konkretisieren und damit Städte aus der Schusslinie zu nehmen, die “leicht” die Grenzwerte überschreiten. Es braucht Alternativen, damit die Menschen auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen. Aber ein attraktiver ÖPNV reicht nicht aus. Dieser kann sich nicht eigenständig finanzieren, wie auch ein Blick ins europäische Ausland zeigt. steuerfinanzierten ÖPNV infrage gestellt werden könnte.

Wien: 365-Euro-Ticket Nachdem der kostenlose oder steuerfinanzierte ÖPNV vorerst von der Diskussionsbildfläche verschwunden ist, soll in Bonn ein neues Modell ausgetestet werden: das 365-Euro-Jahresticket. Auch diese Idee ist nicht neu, so hat die Stadt Wien es seit 2012 implementiert. Die erste Einschränkung: Das Ticket kostet nur bei Einmalzahlung 365 Euro, sonst 396 Euro. Dafür wiederum ist seit seiner Einführung der Preis nicht verändert worden und es sei derzeit keine Tariferhöhung bei der Jahreskarte geplant, unterstreicht Barbara Pertl von der Wiener Linien GmbH. Zugleich wird eingeräumt, dass die hohen dreistelligen Millionenbeträge, die in der österreichischen Landeshauptstadt jährlich investiert würden, nur durch die Rot-grüne-Stadtregierung möglich seien. “Ohne deren Engagement wäre die 365-EuroJahreskarte nicht möglich. Die Stadtregierung möchte ein attraktives ÖPNV-Angebot für die Menschen in Wien haben und stellt deshalb auch Steuergeld

Neue Pauschale für Vereine Den Menschen eine Mobilitätsalternative eröffnen (BS/ab) Bisher konnten Bürgerbusvereine einen Landeszuschuss für die Anschaffung eines Fahrzeuges beantragen. Nun kommt eine Verwaltungskostenpauschale unter anderem für Sach- und Verwaltungsausgaben hinzu. Hiermit unterstützt Baden-Württemberg pauschal die Kosten für die Organisation der Busse.

Bürgerbusse sind ehrenamtliche Organisationen, die helfen, den ländlichen Raum außerhalb der Verkehrsunternehmen anzuschließen. Dies fördert das Land Baden-Württemberg mit einer Verwaltungskostenpauschale.

Die jährliche Pauschale soll dabei die Aufwendungen für Werbung sowie Öffentlichkeitsarbeit, die Verwaltungsausgaben, Gebühren und Sachkosten und die Ausgaben für Schulungsmaßnahmen der Ehrenamtlichen umfassen. Wobei Betriebskosten (Treibstoff, Wartung etc.) nicht gefördert werden. Der Etat des Programmes umfasst jährlich 90.000 Euro, wovon eine Förderung pro antragstellender Organisation bis höchstens 1.500 Euro jährlich möglich ist. Die Antragstellung

Foto: BS/Larisa-K, CC0, pixabay.com

erfolgt bei der zuständigen Nahverkehrsgesellschaft. Winfried Hermann äußert sich zum Programm: “Bürgerbusse haben gerade in ländlichen Regionen große Bedeutung, um Lücken im ÖPNV-Angebot zu schließen und den Menschen eine Mobilitätsalternative zum Auto zu eröffnen.” Hierbei dürfe keine Konkurrenzsituation mit den ortsansässigen Verkehrsunternehmen entstehen, weshalb eine Abstimmung der Akteure untereinander ein Förderkriterium sei.

MELDUNG

Lokale Egoismen überwinden (BS/ab) Der sächsische Verkehrsminister Martin Dulig lässt sein Ministerium die Voraussetzungen für eine Landesverkehrsgesellschaft überprüfen. Ziel dieser Gesellschaft sollen Umsetzungsideen für einen modernen, preiswerten und bürgernahen ÖPNV sein. Die hierfür ursprünglich eingesetzte ÖPNV-Strategiekommission konnte die Landräte, welche die Vorsitzenden der sächsischen ÖPNV-Zweckverbände sind,

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nicht mit ihren Vorschlägen überzeugen. Dulig äußert sich diesbezüglich, dass einvernehmliche Lösungen nicht möglich seien. “Meine Schlussfolgerung ist: Einen zukunftsfähigen ÖPNV werden wir nur erhalten, wenn wir lokale Egoismen überwinden und der Freistaat die Verantwortung wieder selbst übernimmt, indem er die Zuständigkeiten in eine Landesverkehrsgesellschaft überführt”, so der Verkehrsminister.

Der ÖPNV gilt vielfach als die entscheidende Alternative. Aber ein Blick in viele Bahnen und Strecken offenbart ein unattraktives Angebot. Der Investitionsstau hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Neben den Investitionskosten bleibt aber auch die Frage: Schafft es der ÖPNV, sich selbst attraktiver zu gestalten und dabei finanzierbar zu bleiben? Foto: BS/NeuPaddy, CC0, pixabay.com

zur Verfügung”, erläutert Pertl. Ein Großteil der Investitionen werde mit Steuergeld finanziert, der laufende Betrieb werde mit

rund einem Drittel unterstützt. “Die Mindereinnahmen durch die Senkung des Jahrestickets werden somit komplett von der

Stadt Wien übernommen.” Dafür wiederum seien die Intervalle dicht, der Ausbau von Straßenbahn- und U-Bahnnetz werde vorangetrieben, die Stationen und Haltestellen böten Sicherheit und auch nachts führen die UBahnen und Busse. Die Fahrgastzahlen sind – mit Ausnahme von 2013 – seit 2012 von 906,6 Millionen Gäste auf 961,7 Millionen Nutzer im Jahr 2017 gestiegen. Während die Jahreskarte 2012 rund 501.000 Abnehmer hatte, greifen mittlerweile 778.000 Fahrgäste auf diese zurück. Das Angebot wird angenommen.

Die Krux mit der Finanzierung Für die Finanzierung des ÖPNV greift die Stadt Wien unter anderem auf Parkgebühren zu-

rück. Mittels der Parkometerabgabeverordnung wird ein Teil derer genutzt. Sowohl Anteil als auch Höhe der Gebühren werden ausschließlich von der Stadt errechnet. Die Wiener Dienstgeberabgabe, umgangssprachlich U-Bahn-Steuer genannt, beträgt aktuell zwei Euro pro Woche, wird ebenfalls von der Stadt Wien erhoben und ist zweckgebunden. Ein weiteres Modell findet sich in der norwegischen Hauptstadt Oslo. Hier wurde ein Maut-Ring eingeführt. Die Mautstationen befinden sich auf allen Zufahrten nach Oslo und 93 Prozent der Einnahmen werden genutzt, um den ÖPNV, den Rad- und Fußverkehr damit zu fördern und dessen Infrastruktur auszubauen. Gleichzeitig wurden auch die Preise für die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel reduziert. Mit dem Oslo-Paket-3 sollen die Preise für die Maut nochmals ausdifferenzierter und erhöht werden. So variieren die Preise je nach Gewichtsklasse sowie Treibstoffart des Fahrzeugs. Schwere Dieselfahrzeuge der Euro-Norm-5 oder älter zahlen beispielsweise 17,40 Euro, wohingegen emissionsfreie Fahrzeuge aktuell kostenlos durchfahren dürfen.


Kommunalwirtschaft

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I

m Stromsektor spielen Erneuerbare Energien bereits eine wichtige Rolle. Mehr als ein Drittel stammen aus Wind- und Sonnenkraft. Wir müssen jedoch die Potenziale der anderen Sektoren besser nutzen. Kommunale Unternehmen nehmen dabei eine Vorreiterrolle ein. Sie investieren in Erneuerbare Energien, Gaskraftwerke, Kraft-WärmeKopplung (KWK), Elektromobilität sowie Strom- und Wärmenetze. Allein die VKU-Mitglieder betreiben mehr als 23.000 Kilometer Wärmenetze – das entspricht der Strecke von Berlin nach Buenos Aires und zurück. Der kommunale Kraftwerkspark setzt seinen Schwerpunkt auf die KWK: Deren Anteil liegt bei 11,7 Gigawatt Strom. Das entspricht 44 Prozent der kommunalen Gesamterzeugungsleitung. Außerdem vernetzen sich kommunale Unternehmen vor Ort. So ergeben sich zukunftsweisende Synergien.

Best Practice Die Beispiele sind mannigfaltig: Die WSW Wuppertaler Stadtwerke haben im Sommer ihr Kohlekraftwerk mit 120-jähriger Tradition durch ein Müllheizkraftwerk ersetzt. Damit besteht die Fernwärmeversorgung nun aus 40 Prozent erneuerbarer Energie. Der CO2-Ausstoß reduzierte sich um 450.000 Tonnen pro Jahr. Das entspricht zwei Dritteln der Emissionen des Wuppertaler Verkehrs. Dank der Zusammenarbeit im kommunalen Querverbund wurde das Projekt schnell und erfolgreich umgesetzt.

Fehlen von Planungssicherheit Die Kölner Stadtentwässerung nutzt die Wärme von Abwasser, um damit den Basiswärmebedarf der Stadt zu decken. Und die

Sektorenkopplung in der Kommune Klimaschutz und Infrastrukturen (BS/Andreas Feicht) Klimaschutz braucht die Wende – nicht nur im Strom-, sondern auch im Verkehrs- und Wärmesektor. Nur wenn alle Sektoren sukzessive auf emissionsarme Energiequellen umgestellt werden, wird Deutschland die Klimaziele für 2030 erreichen. Der Fokus lag zu lange auf dem Stromsektor. Ein Fehler: Denn allein im Wärmesektor entstehen in Deutschland etwa ein Drittel aller energiebedingten Emissionen. Und der Dieselskandal macht schmerzlich bewusst, dass auch der Verkehrssektor die Wende braucht. Ein Mittel, dies zu erreichen, ist die Sektorenkopplung. konterkariert die Wärmewende und damit den KlimaAndreas Feicht ist Vizepräschutz. sident des Verbands komDer VKU fordert munaler Unternehmen e. ein zweistufiges V. (VKU) und Präsident der Vorgehen, um European Federation of Local bald Klarheit zu Energy Companies (CEDEC). schaffen. In einem ers te n S ch ritt Foto: BS/Wuppertaler Stadtwerke muss das KWKG verlängert werBerliner Stadtreinigung (BSR) den, idealerweise bis 2030. In hat 2013 eine Biogasanlage in einem zweiten Schritt muss der Betrieb genommen. Mit diesem Fokus auf dem Förderrahmen für Gas betankt die BSR 150 Abfall- Wärmenetzsysteme liegen. Dabei sammelfahrzeuge. Das spart im gilt leider nicht: “one size fits all”. Jahr 2,5 Millionen Liter Diesel Während die Münchner dank und Hauptstädtern den dazu- der geologischen Gegebenheiten auf Geothermie setzen können, gehörigen Ruß. All diese Maßnahmen müssen nutzen die Karlsruher und wir das energiepolitische Zieldreieck in Wuppertal Abwärme der Inim Blick haben: Versorgungssi- dustrie. Dafür einen bundesweit cherheit, Wirtschaftlichkeit und passenden Förderrahmen zu finUmweltverträglichkeit. Deshalb den, ist nicht trivial und deshalb ist es sinnvoll, bestehende In­ sollte der Gesetzgeber hier mit frastrukturen und Technologien Bedacht vorgehen. zu nutzen. Für die Wärmewende heißt das: Reservekapazitäten werden benötigt Die Erzeugung muss schrittweise weiter von Kohle- auf gasbeAuch die Verkehrswende muss feuerte oder erneuerbare Trä- stärkere Beachtung finden. Anger umgestellt werden. Zudem hand der Elektromobilität wird müssen existierende Wärmenetze deutlich, dass Sektorenkopplung umgerüstet und neue aufgebaut mehr als ein “Entsorgungsweg” werden. Dazu benötigen die Un- für überschüssigen Wind- und ternehmen Planungssicherheit. Sonnenstrom ist. ElektromobiliDoch die ist derzeit nicht ge- tät über Akkumulator oder wasgeben. Das Kraft-Wärme-Kopp- serstoffbetriebene Brennstoffzelle lungsgesetz (KWKG) läuft 2022 ist der politisch gewollte Weg, um aus. Was dann kommt, steht den Verkehrssektor klimafreundin den Sternen. Betreiber müs- licher zu machen – zu Recht. sen Projekte auf Eis legen. Das Doch im großen Stil ist E-Mobi-

Ein Partner, eine Gewährleistung, eine Lösung “nora one”: globale Systemlösung für die Verlegung von Kautschukböden (BS/Doris Janik*) Nora systems arbeitet kontinuierlich daran, sein Portfolio an Produkten und Systemlösungen an die Bedürfnisse seiner Kunden anzupassen und weiter auszubauen. Seit Oktober 2018 bietet das Unternehmen mit nora one eine global verfügbare Systemlösung aus einer Hand für die Verlegung seiner Kautschuk-Bodenbeläge an. nora one ist der Nachfolger des früheren nora systems blue Angebots. Der neue Name spiegelt auch den nachhaltigen Systemgedanken wider: Sowohl Bodenbeläge als auch Verlegewerkstoffe sind emissionsarm und werden von speziell geschulten Verarbeitern in den Objekten verlegt. Aufgrund der Zertifizierungen mit Indoor Air Comfort Gold, EMICODE EC1 PLUS und Greenguard Gold sowie der exzellenten technischen und unter Praxisbedingungen getesteten Eigenschaften, nachgewiesen durch die Polymer Service GmbH Merseburg, erhält der Kunde nunmehr eine verlängerte Gewährleistung von acht Jahren auf das nora one Gesamtsystem. Von den Experten in Merseburg wurde die Systemlösung umfassend auf den Prüfstand gestellt. Getestet wurden der Schälwiderstand (Klebkraft), die Maßbeständigkeit und das Rest­eindrucksverhalten. Nora one hat die geforderten Normen in allen Kategorien deutlich übertroffen. “Wenn es im fertigen Objekt beim Boden zu Resteindrücken kommt, ist häufig nicht der Belag, sondern eine einzelne Komponente wie zum Beispiel der Klebstoff die Schwachstelle”, erläutert Uwe Bauer, Leiter der Anwendungstechnik bei nora systems. “Durch nora one können solche Probleme ausgeschlossen werden.”

Die Vorteile von nora one Die Systemlösung ist produkt­ unabhängig und gilt auch für Sonderanfertigungen oder In-

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lität nur dann sinnvoll, wenn der dazu benötigte Strom und Wasserstoff emissionsarm erzeugt werden. Erneuerbare Energien erfüllen dieses Kriterium, doch sie sind volatil. Um die steigende Volatilität auszugleichen, benötigen wir deutlich mehr Reservekapazitäten wie Gaskraftwerke und Speicher. Der VKU fordert deshalb, einen Markt für Flexibilitätsoptionen und gesicherte Leistung einzuführen. Der dezentrale Leistungs-

markt schafft eine wirtschaftliche Grundlage für Flexibilitätsoptionen wie Speicher und garantiert marktlich Versorgungssicherheit.

Nachhaltiger Umbau der Energieversorgung Zudem benötigen wir ein geregeltes Zusammenspiel über alle Netzebenen hinweg. Die Musik spielt dabei vor allem in den Stromverteilnetzen, die schon heute etwa 94 Prozent des Stroms aus Erneuerbare-Energien-Anla-

gen aufnehmen. Nur mit einer intelligenten Infrastruktur können Stromerzeugung und -verbrauch vor Ort optimal aufeinander abgestimmt werden. Mit der Elektrifizierung des Verkehrs muss Strom so gesteuert werden, dass E-Autos in ganz Deutschland zu jeder Zeit aufgetankt werden können. All das ist herausfordernd und erfordert einen langen Atem. Doch es ist wichtig. Die kürzlich vom Weltklimarat IPCC der Vereinten Nationen veröffentlichten Daten zum Klimawandel sollten wir als Auftrag verstehen. Gelingt die Energiewende, kann die Industrienation Deutschland der Welt zeigen, dass ein nachhaltiger, bezahlbarer Umbau der Energieversorgung machbar ist. Sektorenkopplung ist der zentrale Baustein dieser neuen Energiewelt.

“Re-use” Berlin – verwerten statt wegwerfen Senatsaktionen für einen bewussteren Umgang mit Gegenständen (BS/ab) Jeder kennt es: Der Dachboden wird entrümpelt und man stellt fest, dass das meiste in den Müll kann. Dies muss aber nicht sein. 2016 wurden rund 150.000 Tonnen Sperrmüll aus den Haushalten von Berlin entsorgt. Damit ein bewusster Umgang mit den Gegenständen stattfindet, hat die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die Initiative “Re-use” ins Leben gerufen, welche verschiedene Aktionen umfasst. Über Wochenmärkte und auf einem BSR-Recyclinghof konnten die Berliner ihre alten, gut erhaltenen Sachen abgeben. Einzige Einschränkung: Es durfte kein Sperrmüll sein. Zusätzlich haben Fahrradfahrer mittels Lastenrädern direkt zu Hause Hausrat, Kleinstmöbel, Elektrogeräte, aber auch Bücher, CDs und DVDs sowie Textilien auf Bestellung abgeholt. Dies wiederum umfasste jedoch nur das Gebiet NordNeukölln und erfolgte kostenlos, solange unter anderem die maximalen Größen der Waren sowie das Maximalgewicht nicht überschritten wurden. Für Senatorin Regine Günther ist die gesamte Aktion eine WinWin-Situation: “Menschen werden preiswert einkaufen können, die Umwelt und das Klima geschützt. Soziales und Ökologie gehen Hand in Hand.” Damit würden Abfall vermieden und Gegenständen ein neuer Nutzen gegeben. Die dann gesammelten Waren werden im Berliner Zentrum der zirkulären Wirtschaft, dem “CRCLR-House” im Stadtteil Neukölln vom 30. November bis zum 16. Dezember 2018 weiterverkauft. Der Erlös geht

Auch Gegenstände, die nicht wirklich verkauft werden, aber noch funktionieren und damit zu schade zum Wegschmeißen sind, finden durch die Berliner Aktion eine Chance auf Wiederverwertung. Foto: BS/annca, CC0, pixabay.com

zugunsten ausgewählter ZeroWaste-Projekte. Daneben werden in diesem Zeitraum in dem Hause auch Vorträge, Workshops, Podiumsdiskussionen sowie ein Marktplatz abgehalten.

Ideenwettbewerb für Projekte Die ausgewählten Zero-WasteProjekte werden dabei durch einen Ideenwettbewerb gekürt. Bis zum 25. November können die Ideen über ein Teilnehmerformular bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz eingereicht werden. Hierbei müssen die Teilnehmer

ihre Idee vorstellen und unter anderem erläutern, weshalb die Idee besonders ist, was getan und bis wann es getan werden muss. Es werden für die drei besten Ideen Preisgelder vergeben (1. Platz: 2.500, 2. Platz: 1.500 und 3. Platz: 1.000 Euro), der Erlös der verkauften Gegenstände kommt hinzu. Als Maßstab dient dabei ein bereits transparent online gestellter Kriterienkatalog. Dieser bewertet soziale Aspekte wie Bildungseffekte und Arbeitsplatzbeschaffung bis hin zum Umweltschutz und darin enthaltene Abfallvermeidung.

MELDUNGEN

Fortsetzung der erfolgreichen Zusammenarbeit

Nora one bietet eine Gesamt-Systemlösung – von der Ausschreibung über die Verlegung bis zum technischen Support. Foto: BS/nora systems

tarsien. Nora one als weltweit einheitliches Angebot orientiert sich noch stärker am gestiegenen Sicherheitsbedürfnis der Kunden, die zunehmend nach einer umfassenden Systemlösung aus einer Hand verlangen: Architektur- und Planungsbüros sowie Bauherren können sich darauf verlassen, dass sowohl Produkte als auch die Verlegedienstleistung einheitlich erbracht werden – von Berlin über New York bis nach Dubai. “Nora one gewährleistet durch die perfekte Abstimmung der einzelnen, im System geprüften Komponenten höchste funktionale Sicherheit,” erklärt Simon Rau, Produktmanager bei nora systems. “Wir stehen dem Kunden als zuverlässiger Partner vor, während und auch nach

der Verlegung zur Seite.” Das Serviceangebot reicht von der kompetenten Ausschreibungsunterstützung über die eigens von nora geschulten Verleger bis hin zum technischen Support – beispielsweise bei Fragen rund um die Reinigung und Instandhaltung der nora Bodenbeläge. Die auf acht Jahre verlängerte Gewährleistung gilt für alle Komponenten des Gesamtsystems – sowohl für die Verlegewerkstoffe als auch für den KautschukBodenbelag. Darüber hinaus leistet nora one einen wesentlichen Beitrag dazu, wichtige Kriterien bei Gebäudezertifizierungen nach LEED oder der DGNB zu erfüllen. *Doris Janik ist Pressereferentin der nora systems GmbH.

(BS/kh) Die Stadtwerke Celle GmbH setzt weiterhin bei der Trinkwasserversorgung auf die Zusammenarbeit mit der OEWA Wasser und Abwasser GmbH. Diese wurde bereits für 2018 als Interimsbetriebsführer von den Stadtwerken verpflichtet. Das 100-prozentige Tochterunternehmen der Veolia erhielt den Zuschlag für den europaweit ausgeschriebenen technischen Betrieb der Trinkwasseranlagen in Celle. Nun wird der Wasserdienstleister mindestens die nächsten sechs

Jahre die Anlagen zur Trinkwasserversorgung für rund 70.000 Einwohner sowie die Anlagen zur Übergabe von Trinkwasser an die SVO zur Versorgung von zwei Landkreisgemeinden betreiben. “Das ist eine große Verantwortung, die wir mit diesem Vertragsabschluss übernehmen”, sagt Laurent Hequet, Vorsitzender der OEWA-Geschäftsführung. Der Betriebsführungsvertrag beginnt am 1. Januar 2019 und endet am 31. Dezember 2024. Mit einer Verlängerungsoption von

zwei Jahren. Das Wasserwerk Garßen steht bei der technischen Betriebsführung im Mittelpunkt. “Hier können bis zu 1.600 Kubikmeter Trinkwasser in der Stunde gefördert werden. Die OEWA betreibt für die Stadtwerke außerdem vier Druckerhöhungsstationen, das 420 Kilometer umfassende Versorgungsnetz und rund 20.400 Hausanschlüsse und ist für Betrieb, Wartung sowie Instandhaltung aller technischen Anlagen zuständig”, heißt es von den Stadtwerken Celle.

Lokaler Ökostrom für Unna (BS/kh) Die Stadtwerke Unna haben gemeinsam mit der Unnaer Kreis-, Bau- und Siedlungsgesellschaft mbH (UKBS) ein Mieterstrom-Pilotprojekt realisiert. Die Mieter eines Mietshauses in der Sedanstraße beziehen künftig ihren Strom aus einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. “Die Solaranlage verfügt über eine Leistung von 9,9 kWp, im Durchschnitt rechnen wir mit einer Stromerzeugung von 9.100 Kilowattstunden (kWh). Damit liefert die Anlage lokalen Ökostrom für den Eigenverbrauch

der vier Mietparteien”, erläutert Michael Rumphorst, Abteilungsleiter Vertrieb Neue Energien und Produkte bei den Stadtwerken Unna. Trotz der Volatilität von Solaranlagen sei eine durchgängige Stromversorgung gewährleistet – die Stadtwerke lieferten den “Reststrom” bei Bedarf. Jürgen Schäpermeier, Geschäftsführer der Stadtwerke Unna GmbH, hebt die ökologischen und ökonomischen Vorteile des Projekts hervor: “Mit vor Ort erzeugtem Mieterstrom können noch mehr Menschen einen persönlichen

Beitrag zur Energiewende leisten und gleichzeitig ihre Stromkosten senken. Und sie machen sich unabhängig von der Strompreisentwicklung”. Der UKBS-Geschäftsführer Matthias Fischer ergänzt: “Für uns ist es wichtig, nachhaltige und zukunftsorientierte Wohnobjekte zu schaffen. Dabei spielt Mieterstrom als Energieversorgungsmodell eine große Rolle.” Bereits 2017 realisierten die beiden kommunalen Partner gemeinsam ein EnergiewendeProjekt: eine Solaranlage auf dem Dach des Firmensitzes der UKBS.


Behörden Spiegel / November 2018

Kommunale Ordnung

Seite 23

Verkehrssicherheitsarbeit intensivieren

Zug sorgt für Aufklärung

Deutschland hinkt bei der Umsetzung der “Vision Zero” hinterher

“Revolution Train” sensibilisiert für Gefahren durch Drogen

(BS/Marco Feldmann) Im vergangenen Jahr kamen auf Deutschlands Straßen 3.180 Menschen ums Leben. (BS/mfe) Im “Revolution Train” wird multimedial und mithilfe der Aktivierung aller menschlichen Sinne verDas waren zwar etwas weniger als 2016 (3.206 Verkehrstote). Dennoch hat die Politik Probleme, ihre selbst sucht, über die Gefahren von Suchtmittel- und Drogenkonsum aufzuklären. Die sechs Waggons des Zuges gesteckten Ziele zu erreichen. sind darauf ausgerichtet, Kinder und Jugendliche bereits vor einem Erstkontakt mit Drogen zu sensibilisieren. Das gilt zum einen für die Bundesregierung, die sich eigentlich vorgenommen hatte, die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten bis 2020 im Vergleich zu 2010 um 40 Prozent zu reduzieren. Zum anderen hakt es bei der Umsetzung der “Vision Zero”. Diesem Leitbild zufolge sollte es keine Toten und Schwerverletzten mehr im Straßenverkehr geben. Da dieses Ziel hierzulande bisher nicht flächendeckend und über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg erreicht werden konnte, verlangt Wolfgang Blindenbacher vom Bundesverband Verkehrssicherheitstechnik: “Die Verkehrssicherheitsarbeit muss intensiviert werden.” Hierfür sollte seines Erachtens auch die Infrastruktur angepasst werden. Zudem fordert er: “Auf Deutschlands Autobahnen sollte künftig ein generelles Tempolimit von maximal 130 Stundenkilometern gelten; zulässige höhere Geschwindigkeitslimits sind gegebenenfalls temporär über Wechselverkehrszeichen anzuzeigen. Auf schmalen Landstraßen sollte die Höchstgeschwindigkeit 80 km/h betragen.” Darüber hinaus sollten Abstandswarner in Lastkraftwagen nicht mehr manuell abstellbar sein und der Bundesgesetzgeber sollte gerichtsfeste Atemalkoholanalysen auch im Verkehrsstraftatenbereich zulassen. “Bisher ist dies, obwohl entsprechende Atemalkoholanalysetechnik im Ausland bereits im Einsatz ist, nur im Bereich der Ordnungswidrigkeiten der Fall”, bemängelt Blindenbacher. Des Weiteren verlangt er von der Bundesregierung, ein neues Re-

jährliche volkswirtschaftliche Schaden durch Verkehrsunfälle in Deutschland einer Hochrechnung der Bundesanstalt für Straßenwesen zufolge rund 34 Milliarden Euro betrage. Und: Wenn ein Verkehrstoter zu beklagen sei, litten statistisch Wolfgang Blindenbacher (l.) und Benno Schrief (r.) betrachtet 113 wollen mit dem Bundesverband Verkehrssicherheits- Menschen mit. technik dazu beitragen, die Zahl der Personen, die auf Darunter befänDeutschlands Straßen bei Unfällen getötet oder verletzt den sich neben werden, drastisch zu reduzieren. Foto: BS/Feldmann Angehörigen auch Einsatzkräfte soduktionsziel hinsichtlich der An- wie Freunde und Bekannte. Hier zahl an Verkehrstoten bis zum könnten Assistenzsysteme LindeJahr 2030 festzulegen. rung bringen. Denn, so BlindenDer Vorstandsvorsitzende des bacher: “Sie sind effektive VerVerbandes, Benno Schrief, fordert kehrssicherheitstechnik.” Und von den Kommunen, vermehrt Schrief zeigt sich überzeugt: “Wir stationäre und teilstationäre wollen eine “connected mobility”. Systeme zur Geschwindigkeits- Das würde die Verkehrssicherheit kontrolle einzusetzen. “Außerdem erhöhen.” müssen Städte und Gemeinden Mit Blick auf die Ziele des Verihre Präventionsbemühungen bandes erklärt Blindenbacher: intensivieren.” Eine andere For- “Wir wollen alle Akteure zusamderung stellt Blindenbacher auf: menbringen, um die Verkehrssi“Polizeibeamte sollten in der Ver- cherheit und den Umweltschutz kehrssicherheitsarbeit als Ex- mittels Technikeinsatz zu erhöperten eingesetzt werden.” Dies hen.” Dabei verstehe man sich als bedeute, dass sie nicht nur die Katalysator und Sprachrohr für bloßen Geschwindigkeiten mes- die Unternehmen und Partner der sen sollten, ohne sofort tätig zu Verkehrssicherheit.” Mitglieder werden. Vielmehr komme es dar- des Zusammenschlusses seien auf an, Temposünder unmittelbar Firmen aus den Segmenten Vernach ihrem Verstoß anzuhalten kehrsüberwachung und -steueund im Gespräch für die Gefah- rung. Hinzu kämen als ideelle ren überhöhter Geschwindigkeit Mitglieder wissenschaftliche Einzu sensibilisieren, meint Blinden- richtungen sowie die Deutsche bacher. Dies sei besonders wich- Polizeigewerkschaft, erzählen tig, wenn man bedenke, dass der Blindenbacher und Schrief.

Nun soll das Konzept des AntiDrogen-Zuges, der auch schon auf deutschen Schienen unterwegs war, reformiert werden. Vorgesehen ist eine inhaltlich weiterentwickelte Version 2.0. Es soll künftig etwa altersabgestufte Darstellungen in dem Präventionsprojekt geben. “Es sind sechs unterschiedliche mediale Darstellungen für drei Altersklassen vorgesehen. Und das auf Tschechisch und auf Deutsch, berichtet Jörg von Daake. Außerdem wollten die Verantwortlichen eher auf Container als auf Zugwaggons setzen, so der Kriminologische Projektberater für den “Revolution Train”. Dadurch wäre auch ein Transport per Lastkraftwagen möglich. Die Folge: geringere Kosten aufgrund der wegfallenden Schienen-, Durchleitungs- und Standgebühren. Diese seien derzeit noch sehr hoch, kritisiert von Daake. Zugleich gibt er aber zu, dass es hinsichtlich der Weiterentwicklung des Projektes bisher nur ein Modell gebe. Ein konkreter Zeitplan existiere hingegen noch nicht.

Fachgremium soll bis Jahresende Arbeit aufnehmen Vorgesehen sei darüber hinaus die Einrichtung eines Fachgremiums. Dessen Mitglieder, bei denen es sich neben Ärzten, Psychologen und Repräsentanten des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) unter anderem um Fachleute aus der Polizei und Präventionsinstitutionen handeln werde, sollen noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen. “Wir wünschen und

Das Konzept des Anti-Drogen-Zugs “Revolution Train” soll fortentwickelt und verfeinert werden. Foto: BS/Revolution Train

hoffen, dass unter anderem der Präsident des sächsischen Landeskriminalamtes, Petric Kleine vertreten sein wird, weiterhin gehören auch Mitarbeiter des Projektes selbst sowie Kräfte der tschechischen Polizei und der Anti-Drogen-Zentrale des Landes zu diesem Fachgremium”, erläutert von Daake. Außerdem berichtet er von Bemühungen, weitere Präventionsakteure einzubeziehen. Dazu gehöre etwa die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Mehrere bundesweit agierende Präventionsträger hielten sich – trotz Einladung zur Teilnahme – derzeit allerdings noch zurück, bemängelt Hermann-Josef Borjans. Der BDK-Sprecher für Prävention und Opferschutz – die Gewerkschaft ist Kooperationspartner des deutsch-tschechischen Projektes – kritisiert: “Man will das Projekt austrocknen.” Dabei sei der Zug “der Zeit um

Jahre voraus”. Und Borjans zeigt sich angesichts der bisher gemachten Erfahrungen in unterschiedlichen Bundesländern überzeugt: “Die Menschen und die Polizeibehörden vor Ort wollen den Zug.” Auf der Arbeitsebene einiger Landeskriminalämter und Sozialministerien gebe es allerdings noch Vorbehalte, räumt er ein. Von Daake ergänzt: “Das Projekt ist nachhaltig.”

Konzept wird überarbeitet Mit Blick auf die geplante Version 2.0, deren Realisierung laut Borjans allerdings noch mindestens ein bis zwei Jahre auf sich warten lassen werde, kündigt der BDK-Vertreter an: “Bei ihr werden wir das pädagogische Konzept überarbeiten, einen neuen Film drehen und die deutsche Rechtslage darstellen.” Bisher werde nur die juristische Situation in der Tschechischen Republik erklärt.


Kommunale Ordnung

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Behörden Spiegel / November 2018

Zahlreiche Interpretationen

Es kommt nicht nur auf die Größe an

Befugnisse Kommunaler Ordnungsdienste uneinheitlich

Keine Legaldefinition für Sicherheitskonzepte vorhanden

(BS/mfe) Die rechtlichen Bedingungen, unter denen Mitarbeiter der Kom- (BS/mfe) In Deutschland ist zwar geregelt, wann ein Veranstalter ein Sicherheitskonzept entwickeln und vorlegen muss. Was genau das Papier munalen Ordnungsdienste deutschlandweit arbeiten, unterscheiden beinhalten muss, ist aber nicht bundesweit einheitlich fixiert. Auch existiere keine verbindliche Gesetzmäßigkeit, wonach große Veranstaltungen sich erheblich. Gleiches gilt für die Befugnisse, über die die Beschäftig- per se gefährlich und kleinere automatisch ungefährlich seien. ten verfügen. Auf diese Uneinheitlichkeit machte Christoph Balzer, Fachdienstleiter für Sicherheit und Ordnung im Landkreis Ostholstein, aufmerksam. Er zeigte zudem auf, dass die Kräfte der Kommunalen Ordnungsdienste nicht in allen Bundesländern zur Durchsuchung von Personen oder zu deren Festhalten zur Identitätsfeststellung berechtigt

Christoph Balzer wies auf die sehr unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen hin, unter denen die Mitarbeiter Kommunaler Ordnungsdienste arbeiten müssen. Foto: BS/Feldmann

D

ie Senatoren kritisieren unter anderem, dass der Entwurf eines “Artikel-Gesetzes für mehr Sicherheit und Datenschutz in Berlin” den Einsatz von Videoüberwachung durch die Polizei an einer Vielzahl von Orten vorsehe, die im rechtlichen Sinne allerdings nur vage beschrieben seien. Dadurch ließe sich dem Entwurf nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, an welchen Orten eine Videoüberwachung erfolgen dürfe. Die mangelnde Eingrenzung möglicher Einsatzorte widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gebot der Normenklarheit.

seien. Ebenfalls auseinander gingen die Regelungen hinsichtlich der Nutzung von Handfesseln, Pfefferspray und Einsatzstöcken. Zudem gebe es Unterschiede beim Verhältnis zwischen Polizei und Ordnungsbehörde. Einige Bundesländer setzten hier auf ein Trennsystem, andere auf ein Einheitssystem. Darüber hinaus sei nur in Hessen und Rheinland-Pfalz eine konkrete Aus- beziehungsweise Fortbildung für Beschäftigte der Kommunalen Ordnungsdienste vorgeschrieben. Ausschließlich in Baden-Württemberg und Sachsen seien sie Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft. Und nur in sechs Bundesländern seien die Voraussetzungen für die Bestellung von KOD-Mitarbeitern explizit geregelt.

Darauf wies Thomas Krohn, Bereichsleiter bei der Feuerwehr Hannover, hin. Außerdem betonte er: “Es gibt keine Legaldefinition von Sicherheitskonzepten.” In der Muster-Versammlungsstättenverordnung sei nur festgeschrieben, dass ein Sicherheits-

konzept erforderlich sei, wenn es bei der konkreten Veranstaltung mehr als 5.000 Besucherplätze gebe oder wenn es die Art der Veranstaltung erfordere. Aus diesem Grunde stellten die Konzepte in der Regel auch nur Handlungsanweisungen für die Akteure der Sicherheitsorganisation sowie ein Arbeitspapier dar, welches den Prozess zur Erfüllung der jeweiligen Schutzziele definiere. Um hier dennoch mehr Einheit-

D

ie Auflösung muss ausreichend sein, um Vorgänge und Personen wirksam zu erkennen. Richter müssen die Identifizierbarkeit als eindeutig akzeptieren. Und besonders wichtig ist es, dass der Operator bei der Live-Videobeobachtung nicht überfordert ist und jederzeit den Gesamtüberblick über die Lage behält.

Überblick behalten Ein Durchbruch bei der Beobachtung und Überwachung großer Flächen und Räume war die Entwicklung der sogenannten Multifocal-Sensortechnologie ab 2011. Mit Multifocal-Sensor-Kameras ist es möglich, sehr weitreichende Areale mit einer deutlich geringeren Zahl an Kameras zu erfassen als mit herkömmlicher Technik. Die Polizei in Köln beispielsweise kommt so für die Überwachung und Beobachtung der 8.800 Quadratmeter großen Kölner Domplatte mit lediglich acht Kameras an zwei Masten aus. Die Vergleichslösung mit herkömmlichen Pan-Tilt-ZoomKameras (PTZ-Kameras) hätte über hundert Einzelgeräte und

Foto: BS/Feldmann

lichkeit zu erreichen, habe die Stadt Hannover einen Musteraufbau eines Sicherheitskonzeptes entworfen. Dieser beziehe sich auf öffentliche Veranstaltungen

in der niedersächsischen Landeshauptstadt, so Krohn. Damit wolle man einerseits Handlungssicherheit für den Veranstalter und für die mit der Prüfung des

Orte zu ungenau beschrieben Berliner Volksbegehren für Videobeobachtung rechtlich unzulässig? (BS/mfe) Der Berliner Senat hält das Volksbegehren zur Ausweitung der Videobeobachtung im öffentlichen Raum für rechtlich nicht zulässig. Außerdem sei es politisch verfehlt. Die endgültige Entscheidung über die Zulässigkeit des Begehrens muss nun der Verfassungsgerichtshof treffen.

Keine totale Überwachung gewollt Aufgrund der Betroffenheit einer unüberschaubaren Anzahl von Personen würde die Regelung unverhältnismäßig in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Zudem konkretisiere die im Entwurf vorgesehene Ermächtigung zur Nutzung intelligenter Videoüberwachung nicht, welche technischen Auswertungsmöglichkeiten von Videoaufnahmen die Polizei einsetzen dürfe. Schließlich würde durch die große Zahl an Aufnahmestandorten (1.000 Kameras an bis zu 50 Orten) eine unvertretbar große Menge perso-

Erläuterte den Hannoveraner Musteraufbau eines Sicherheitskonzeptes: Thomas Krohn, Bereichsleiter bei der Feuerwehr der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Eine verstärkte Videobeobachtung öffentlicher Plätze wird es in Berlin höchstwahrscheinlich nicht geben. Ein Volksbegehren, das genau dies zum Ziel hat, hält der Senat der Bundeshauptstadt für rechtlich nicht zulässig. Foto: BS/Stephan Mosel, CC BY 2.0, flickr.com

nenbezogener Daten in Bild und Ton gespeichert. Dies ließe tiefe Einblicke in individuelle Verhaltensweisen und Gewohnheiten Unbeteiligter zu, hieß es. Auch deshalb vertrete der Berliner Senat den Standpunkt, dass das Anliegen des Volksbegehrens der erklärten Zielsetzung des Senats für eine ausgewogene und grundrechtsorientierte Sicherheitspo-

litik widerspreche. Zuspruch dafür kommt vom sicherheitspolitischen Sprecher der Linken-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Hakan Taş. Er sagt: “Eine freie Gesellschaft kann in einer Atmosphäre der totalen Überwachung nicht funktionieren. Die Initiatoren des angestrebten Volksbegehrens setzen tatsächlich die Freiheit aller

Berlinerinnen und Berliner aufs Spiel und suggerieren dadurch mehr Sicherheit. Doch Kameras können nicht eingreifen, wenn es brenzlig wird.” Die politischen Figuren hinter dem “Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz” spielten ein unsägliches Spiel, indem sie der Aufstellung von Kameras eine wundersame Heilwirkung der sicherheitspolitischen Herausforderungen zusprächen. Sie seien an ihren eigenen grundgesetzwidrigen Vorstellungen gescheitert, meint Taş.

Mit “fadenscheiniger Begründung abgebügelt” Diesen Vorwurf will Sabine Schumann, Mitinitiatorin des Volksbegehrens und stellvertretende Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Berlin, nicht gelten lassen. Sie kritisiert: “Monatelang hört man nichts vom Senat, Man will Gras über die Sache wachsen lassen oder aussitzen. Offenbar ist der Senat an einer effizienten Lösung für diese Stadt

und ihre Problemen nicht interessiert.” Und sie bemängelt: “Demokratie ist streitbar. Hier wird aber nicht gestritten, hier wurde bisher gar kein Dialog geführt, kein Kompromiss gesucht. Die Aussage des Senators, alles sei rechtswidrig, ist seine eigene Bewertung.” Einen rechtlichen Beleg für seine Deutung gebe es nicht. Der Gesetzentwurf sei also mit “fadenscheiniger Begründung abgebügelt” worden. Der Sozialdemokrat Frank Zimmermann wiederum sagt: “Die Entscheidung des Senats, das Volksbegehren zur endgültigen Entscheidung über die Zulässigkeit an den Verfassungsgerichtshof zu geben, ist richtig. Der derzeitige Entwurf ist verfassungsrechtlich problematisch, weil er beispielsweise eine Videoüberwachung an einer Vielzahl von Orten fordert, die nicht präzise genug beschrieben sind.” Diese mangelnde Eingrenzung könne zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung führen, so Zimmermann.

Videoüberwachung im öffentlichen Raum Durchbruch mit der Multifocal-Sensortechnologie (BS/Frank Salder*) Einer der strittigsten Diskussionspunkte bei der Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist deren Wirksamkeit. Die bisherigen Ergebnisse und Studien sind zumindest heterogen in ihren Ergebnissen. Eine gemeinsame Erkenntnis kann aber abgeleitet werden: Die Wirksamkeit von Videobeobachtung und Videoüberwachung hängt wesentlich von der eingesetzten Technik ab. wesentlich mehr Installationspunkte erfordert, aber gleichzeitig eine wesentlich geringere Wirksamkeit bedeutet. Für Letztere ist es nämlich wichtig, eine Mindestauflösungsdichte festlegen zu können, die auf der gesamten Fläche erreicht wird. Diese ist in der DIN-EN 62676-4 definiert und wird in Pixeln pro Meter(px/m) beschrieben. Zum Identifizieren einer unbekannten Person durch einen Operator oder später einen Richter sind zum Beispiel mindestens 250 px/m erforderlich. Eine dem Operator bekannte Person kann im Beobachtungsbetrieb bereits mit circa 125 px/m erkannt werden. Bei der Beweisführung vor Gericht könnte diese Auflösung aber zu Schwierigkeiten führen, wenn keine weiteren Indizien, Zeugen oder Ähnliches vorhanden sind.

Mit bisherigen Kameralösungen (PTZ, Single-Sensor) konnte diese definierte Auflösung nicht flächendeckend festgelegt werden. Zudem geht bei der Verfolgung und dem Zoomen mit PTZ-Kameras immer das Gesamtbild sowohl in der Live-Beobachtung als auch in der Aufzeichnung verloren. Bei Single-Sensor-Kameras bleibt dieses zwar erhalten, aber die Detailschärfe ist nicht ausreichend. Eine Multifocal-Kamera hingegen zeigt einen sehr großen Bereich in einem Übersichtsbild an und zeichnet dieses Bild ununterbrochen auf. Gleichzeitig kann – wie bei PTZ – in einzelne Bildausschnitte hineingezoomt werden, allerdings in beliebig viele Bildausschnitte und durch mehrere Operatoren. Dies hat zwei wesentliche Vorteile, die die Videobeobachtung und -überwachung revolutionär

Die Betriebskosten von Multifocal-Sensorsystemen sind deutlich niedriger als jene von Kameras mit Single-SensorSystemen. Foto: BS/Dallmeier

verändert haben: Es müssen für den gleichen Zusammenhang deutlich weniger Monitore im Blick behalten werden. Da ein guter Operator üblicherweise maximal vier bis sechs Bilder gleichzeitig überblicken kann, lässt sich so mit gleichem Personal deutlich mehr Areal beobachten. Der zweite große Vorteil ist, dass Gesamtzusammenhänge stets hochauflösend sichtbar und nachvollziehbar bleiben, und zwar sowohl in der Live-Situation als auch in der Aufzeichnung. So ist es möglich, dass zum Beispiel ein Operator stets den Gesamtüberblick behält, während andere “hineinzoomen” und Detailvorgänge verfolgen sowie diese separat aufzeichnen. So können zahlreiche Einzelvorgänge pa­ rallel beobachtet und dokumentiert werden, ohne dass andere Vorgänge sowie der Gesamtzu-

Papiers betrauten Mitarbeiter in der Stadtverwaltung schaffen. Andererseits gehe es um eine Vereinheitlichung und Standardisierung. Des Weiteren sollten dadurch feststehende und immer wiederkehrende Begriffe einheitlich definiert werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Zudem solle mithilfe des Musteraufbaus gewährleistet werden, dass gewisse Szenarien und Risikobetrachtungen in jedem Sicherheitskonzept berücksichtigt würden. Das gelte etwa für eine Absage oder den Abbruch einer Veranstaltung. Auch eine Räumung des Veranstaltungsgeländes, etwa wegen eines Unwetters, eines Brandes oder aufgrund von Überfüllung, sollten so von jedem Veranstalter bedacht werden, erläuterte Krohn. Und noch etwas verdeutlichte er: Bei Sicherheitskonzepten muss die Kommunikation zwischen allen Akteuren funktionieren.

Und Benedikt Lux von den Grünen meint: “Ich begrüße die Entscheidung des Senats. Der Gesetzentwurf hat offenkundige Rechtsmängel, die vor dem Verfassungsgericht überprüft werden.” Die rot-rot-grüne Koalition habe Volksbegehren gestärkt, aber sie stehe nicht über der Gewaltenteilung und dem höchsten Berliner Gericht.

“Der Senat behindert direkte Demokratie” Kritik an der Entscheidung kommt vom innenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Marcel Luthe: “Der Senat behindert und stört direkte Demokratie, wo er nur kann.” Die Videoaufzeichnungsinitiative wolle zwar lieber Geld für stationäre Kameras als für Polizisten ausgeben und werde damit nicht mehr, sondern weniger Sicherheit schaffen. Dennoch: “Das berechtigt den Innensenator nicht zu derartigen Taschenspielertricks.” Und Karsten Woldeit, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, meint: “Die Sorgen und Nöte der Bürger werden wieder einmal nicht ernst genommen und mit fadenscheinigen Begründungen kleingeredet und abgelehnt. RotRot-Grün scheint die Meinung der Bürger zu fürchten.”

sammenhang verloren gehen. Diese verschiedenen Faktoren zusammen ergeben eine deutlich erhöhte Wirksamkeit von Beobachtung und Überwachung bei gleichzeitig verringerten Gesamtkosten.

“Weiterreichung” bald möglich Mit Techniken, die einen hochauflösenden Blick auf weite Bereiche ermöglichen, lassen sich Gesamtzusammenhänge deutlich zuverlässiger überblicken als mit vielen einzelnen Kamera-Bildern. Dallmeiers Kamera- und Softwaresysteme erlauben hier über hochauflösende 360-Grad-Abdeckung und eine bald verfügbare automatische “Weiterreichung” der Bilder auf die nächste Kamera das faktisch ununterbrochene Verfolgen von Vorgängen. Eine Person, die beispielsweise unkontrolliert einen Sicherheitsbereich betritt, kann so über eine theoretisch unbegrenzte Distanz unterbrechungsfrei verfolgt und gestoppt werden. *Frank Salder ist Director Safe City bei Dallmeier.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / November 2018

Im Zeichen des OZG

KNAPP 180 Millionen Euro für digitale Verwaltung

IT-Planungsrat stellt weitere Weichen für die Umsetzung (BS/Guido Gehrt) Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und die Schaffung des Portalverbunds sind momentan in der Diskussion die Topthemen der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Eine zentrale, koordinierende Rolle kommt hier dem IT-Planungsrat zu, dessen Herbstsitzung Ende Oktober dann auch stark von diesen beiden Themen geprägt war. Nach wie vor noch nicht abgeschlossen ist die Besetzung der verschiedenen Themenfelder der OZG-Umsetzung durch die Länder, doch zahlreiche Projekte laufen bereits, zumal man auch nicht überall auf der grünen Wiese anfängt (siehe hierzu auch den Beitrag zu “ELFE” auf Seite 28). So sollen bis Ende 2018 Prototypen, Referenzprozesse und andere Blaupausen aus neun Projekten, darunter “Einwohnerwesen”, “Einfach Leistungen für Eltern” (ELFE), “iKfz”, “Gewerbemeldung”, “E-Rechnung”, “Arbeitsschutz”, “Online-Beteiligung Raumordnung” und “C-Visum” hervorgehen. Mit diesen Erkenntnissen aus der ersten Phase der Umsetzung des Digitalisierungsprogramms und dem entsprechenden Wissenstransfer habe man eine gute Grundlage für die Digitalisierung der deutschen Verwaltung geschaffen, erklärte Bundes-CIO Staatssekretär Klaus Vitt. “Auf dem Weg zur Umsetzung des Digitalisierungsauftrags des OZG bis Ende 2022 kommen wir somit einen Schritt weiter”, so Vitt weiter, der noch bis Ende des Jahres auch den Vorsitz im ITPlanungsrat innehat. Für die anstehende arbeitsteilige Umsetzung der etwa 575 OZG-Leistungen wird das Digitalisierungsprogramm des ITPlanungsrats in die zweite Phase überführt und bis Ende 2022 verlängert.

Einigung zum Portalverbund Mit Blick auf die Funktionalitäten des Portalverbundes verständigte man sich in der Sitzung auf Basisfunktionen, welche dieser bis 2022 stufenweise erfüllen soll. Demnach müssen die teilnehmenden Verwaltungsportale mindestens ein interoperables Nutzerkonto für natürliche Personen und Organisationen, eine marktübliche elektronische Bezahlmöglichkeit, ein Postfach sowie eine Suchfunktion, die alle Leistungen von Bund, Ländern und Kommunen im Portalverbund auffindbar macht, bereitstellen.

Die aktuelle Themenfeldbesetzung bei der arbeitsteiligen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes Themenfelder

Federführung

Mitarbeit

Bund

Familie und Kind

Bremen

Schleswig-Holstein

BMFSFJ

Querschnitt

Berlin

Brandenburg Hamburg Thüringen

BMI

Bauen und Wohnen

Mecklenburg-Vorpommern

Baden-Württemberg

BMI

Ein- und Auswanderung

Brandenburg

Bayern

AA

Unternehmensführung und Entwicklung

Hamburg

Bayern Bremen Nordrhein-Westfalen

BMWi

Arbeit und Ruhestand

ungeklärt

-

BMAS

Steuern und Zoll

Hessen

Thüringen

BMF

Bildung

Sachsen-Anhalt

Rheinland-Pfalz

BMBF

Forschung und Förderung

ungeklärt

-

BMBF

Recht und Ordnung

Sachsen

-

BMJV

Umwelt

Schleswig-Holstein

Rheinland-Pfalz (Co-Federführung)

BMU

Gesundheit

ungeklärt

-

BMG

Engagement und Hobbies

ungeklärt

Schleswig-Holstein (Interesse)

BMI

Mobilität und Reisen

ungeklärt

-

BMVI

einen Überblick über das Projekt- und Anwendungsportfolio sowie erreichte Meilensteine gibt. Neu aufgenommen wurde für das kommende Jahr das Steuerungsprojekt “XDomea Regierung – Grundlagen für den digitalen Dokumentenaustausch im föderalen Regierungshandeln” zum bund-/länderübergreifenden Austausch von Dokumenten im föderalen Regierungshandeln.

Abschied von der CEBIT

(Stand 23. Oktober 2018 / Quelle IT-Planungsrat, Grafik: BS)

*Zudem haben verschiedene Akteure die Federführung bzw. Mitarbeit bei Einzelthemen der jeweiligen Themenfelder übernommen bzw. ihr Interesse daran bekundet. Eine Übersicht dieser Aktivitäten findet sich unter den Entscheidungen der 27. Sitzung des IT-Planungsrates, die unter www.it-planungsrat.de veröffentlicht sind.

Hierzu haben sich Bund und Länder verpflichtet, ihre Verwaltungsportale über ein OnlineGateway zu verknüpfen und verbindlich die Bausteine des Föderalen Informationsmanagements (FIM) zu verwenden. Da­ rüber hinaus sind die Länder für den Aufbau von Länderportalverbünden und die Einbindung ihrer Kommunen verantwortlich. IT-Experten des Bundes, verschiedener Länder und der Kommunen sowie ihrer jeweiligen Dienstleister wurden vom IT-Planungsrat beauftragt, eine Lösung für eine Architektur zur Realisierung eines Single Sign-

ons auf Grundlage der Interoperabilität von Servicekonten im Portalverbund zu erarbeiten. Die Arbeitsgruppe soll die Auswirkungen auf Fachverfahren prüfen sowie eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, die insbesondere eine Aufwand-Nutzen-Betrachtung enthält, erarbeiten. Die Ergebnissollen auf der nächsten Sitzung im März 2019 vorgelegt werden.

Nächster Schritt bei FITKO Auch die langwierige Gründung der “Föderalen IT-Kooperation” (FITKO) hat eine weitere Hürde genommen, um als Anstalt öffentlichen Rechts in der ge-

meinsamen Trägerschaft aller Länder und des Bundes ab 2020 den leistungsfähigen operativen Unterbau für den IT-Planungsrat zu bilden. So begrüßte der ITPlanungsrat ausdrücklich das vom Aufbaustab der FITKO vorgelegte abschließende Konzept zur detaillierten Bündelungsplanung und die überarbeiteten Rechtsgrundlagen, die die Überführung der bestehenden Strukturen des IT-Planungsrats in die AöR FITKO regeln sollen. Der IT-Planungsrat hat in der letzten Sitzung des Jahres traditionell auch seinen Aktionsplan 2019 verabschiedet, der

2.–3. APRIL 2019, KOSMOS, Berlin

Beschlossen wurde im Gremium ebenfalls, im kommenden Jahr nicht mehr mit einem Stand des IT-Planungsrates auf der CEBIT präsent zu sein. Eine statistische Auswertung hatte gezeigt, dass im Zuge der Umstellung des Messekonzeptes die Gesamtzahl der Stand-Kontakte in diesem Jahr um 80 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen war. Stattdessen beschloss man, sich 2019 am “Digitalen Staat”, dem “Zukunftskongress Staat & Verwaltung”, der “Smart Country Convention” sowie kleineren Veranstaltungen des Bundes und der Länder zu beteiligen und weiterhin den eigenen Fachkongress auszurichten. Beim “Digitalen Staat” am 2. und 3. April in Berlin wird der Bremer Finanzstaatsrat HansHenning Lühr, 2019 Vorsitzender des IT-Planungsrates, zudem einer der Schirmherrn sein. Einige Wochen vorher findet mittlerweile zum siebten Mal der verwaltungsinterne Fachkongress des IT-Planungsrats am 12. und 13. März 2019 unter dem Motto “Land hat Zukunft. Digital” in Lübeck statt. Die Hansestadt ist am ersten Veranstaltungstag auch Austragungsort der kommenden Sitzung des ITPlanungsrates.

(BS/wim) Im Rahmen ihrer Jahreskonferenz haben die Regierungschefs der Bundesländer das Budget für die Digitalisierung der Verwaltung festgelegt. So soll mit dem Bund ein Staatsvertrag abgeschlossen werden, der eine Gesamtsumme von rund 180 Millionen Euro umfasst. Mit dem Geld sollen vor allem Dienstleistungen für die Bürger, wie die Beantragung von Personalausweisen und Führerscheinen, digitalisiert werden.

Neue Denkfabrik im BMAS (BS/ab) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft ins Leben gerufen. Das Ziel der interdisziplinär und agil arbeitenden Organisationseinheit ist es, neue Handlungsfelder im Zuge der Digitalisierung frühzeitig zu erkennen und die Arbeitswelt stärker im gesellschaftlichen Kontext zu erfassen und neue Lösungsansätze für die Zukunft zu entwickeln. Hierzu sollen Projekte und Prozesse rund um die digitale Transformation innerhalb des BMAS in der Denkfabrik gebündelt werden.

Datensicherheit: sinkendes Vertrauen (BS/wim) Das Vertrauen der Bürger in die Datensicherheit ist branchenspezifisch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Im Großen und Ganzen nimmt das Sicherheitsgefühl zwar leicht zu – es gibt aber auch klare Verlierer, wie eine aktuellen Bitkom-Studie zeigt. So trauen nur knapp ein Drittel (29 Prozent) der Befragten den Behörden beim Umgang mit personenbezogenen Daten – vier Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Die Verwaltung liegt damit auf dem Vertrauensniveau der allgemeinen Wirtschaft.

Schirmherren 2019

Zum Fachkongress „Digitaler Staat“ treffen sich jährlich in Berlin Innovateure, Modernisierer und Trendsetter, um Digitalisierung von Staat, Verwaltung und Gesellschaft voranzutreiben. Der zweitägige Kongress wird von der Fachzeitschrift Behörden Spiegel gemeinsam mit zahlreichen Partnern durchgeführt und ist eine Leitveranstaltung zu diesem Themenkomplex. Entscheidungsträger und Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft widmen sich an beiden Tagen intensiv den tiefgreifenden Herausforderungen, die die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung mit sich bringt.

Die begleitende Fachausstellung und verschiedene Side-Events bieten zudem die Möglichkeit, sich umfassend über Angebote für die digitale Verwaltung zu informieren sowie Netzwerke zu

Dorothee Bär Staatsministerin im Bundeskanzleramt für Digitalisierung

Hans-Henning Lühr Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen und Vorsitzender des IT-Planungsrats 2019

knüpfen und zu pflegen. www.digitaler-staat.org

www.facebook.com/digitalerstaat

twitter #digistaat

www.instagram.com/digitaler_staat

Eine Veranstaltung des


Informationstechnologie

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In eigener Hand

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us vielen mach eins. Darum geht es beim Projekt Netze des Bundes (NdB 1.0) im Rahmen der Gesamtstrategie “IT-Netze der öffentlichen Verwaltung” unter Federführung des Bundesinnenministeriums (BMI). Die beiden aus Bundessicht zentralen Netze IVBB (Informationsverbund Berlin-Bonn) und IVBV (Informationsverbund der Bundesverwaltung) sowie das für die Kommunikation mit Ländern und Kommunen vorgehaltene Verbindungsnetz (VN, ehemals Deutschland-Online Infrastruktur, DOI) sind betrieblich bereits zusammengeführt. Bisher verantwortet T-Systems die Infrastruktur für die Kommunikation und den Datenaustausch der Bundesverwaltung. Mit der Übergabe an die BDBOS nähert sich die Bundesregierung dem strategischen Ziel größtmöglicher Kontrolle über Planung, Aufbau und Betrieb ihrer sicherheitskritischen IT-Infrastrukturen.

Bund übernimmt NdB-Eigenbetrieb / Öffnung für Länder und Kommunen angedacht

­Abstimmung

Ein großer Netzverbund und der Betrieb in eigener Hand, so das Zielbild für die Netzinfrastruktur der Bundesregierung. Mit der NdB-Betriebsübernahme durch die BDBOS kommt sie dem ein Stück näher. Foto: BS/©sdecoret, stock.adobe.com

Wegen der späten Verabschiedung des Bundeshaushalts 2018 hat sich der Aufwuchs jedoch verzögert. “Mit der Freigabe der Stellen haben wir die Personalgewinnung intensiviert und jetzt bereits rund 60 Stellen besetzt”, sagt Gegenfurtner. “Ich hätte mir zwar noch mehr gewünscht, aber IT-Fachkräfte sind nun einmal rar gesät.” Bis Ende 2020 würden aber alle Stellen besetzt sein. Zuwachs hat der Netzbetreiber außerdem aus dem (BMI) bekommen. Teile des Projektmanagementteams des Ministeriums arbeiten jetzt unter dem Dach der BDBOS mit dem dortigen Projektmanagement zusammen. Zu tun hat die wachsende Bundesanstalt noch viel. Mit der schrittweisen Übernahme von Betriebsaufgaben wie Steuerung,

Gemeinsame Verantwortung in der Cloud Die DSGVO stellt zusätzliche Anforderungen an Cloud-Dienstleister aber auch an Cloud-Kunden, die als Modell der gemeinsamen Verantwortung zusammenfassend bezeichnet werden können. Der Cloud-Kunde, in dem Fall eine Behörde, ist verantwortlich für die Einhaltung des Datenschut-

Überwachung und Kundenmanagement ist es nicht getan, denn das Netz wird nicht etwa schlüsselfertig übergeben. Vielmehr wird NdB Punkt für Punkt auf das Kerntransportnetz des Bundes (KTN-Bund) überführt – ein Glasfasernetz, das auch Grundlage für den Digitalfunk der Sicherheitsbehörden ist. Allein in den Netzen der Bundesregierung waren bisher rund 1.300 Standorte von über 40 Behörden vernetzt. “Die Herausforderung ist natürlich groß, keine Frage”, räumt Gegenfurtner ein. “Aber alle Beteiligten leisten hier sehr gute Arbeit, sodass ich optimistisch bin, was den reibungslosen Übergang betrifft. Das Wichtigste ist, dass kein Risiko bei der Stabilität der Regierungsnetze eingegangen wird – darüber

sind wir uns alle einig”, so der BDBOS-Präsident weiter. Ziel ist ein möglichst weicher Übergang. Im Idealfall soll der Wechsel im Verwaltungsalltag der Behörden gar nicht zu spüren sein.

Nutzer und Dienstleister in der Pflicht Mit den Verantwortlichen auf Nutzerseite will die BDBOS früh in die Gespräche zum Übergang gehen. So möchte man Sorgen vor kurzfristigen Neuerungen oder technischen Startschwierigkeiten in der Übergangsphase begegnen. Klar ist aber, dass die Nutzer durchaus auch in der Bringpflicht sind, nämlich um das hohe Sicherheitsniveau, das für den Verbund gilt, gewährleisten zu können. Die sogenannten Nutzerpflichten regeln die Si-

cherheitsanforderungen an die Netze vor Ort, die mit NdB verbunden sind. Die aktualisierte Fassung ist mit Aufnahme des Wirkbetriebs am 1. Januar 2019 verbindlich umzusetzen. Eine weitere Fassung wird derzeit in Form eines Mindeststandards des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) umgesetzt. Allerdings sind die schon jetzt geltenden Anforderungen noch nicht einmal durch alle Nutzer umgesetzt, wie aus der Cyber-Sicherheitsbehörde zu hören ist. Das BSI prüfe stichprobenartig und berate bei Problemen. Ab dem nächsten Jahr soll die Zusammenarbeit durch einen Reviewprozess verstärkt werden. Außerdem sei dann bei Neuanschlüssen die Erfüllung der Anforderungen im Vorfeld erforderlich. Analog wurden durch das BSI Anforderungen an Rechenzen­ trums-Dienstleister erstellt, die NdB als Grundlage für die Diensterbringung gegenüber Behörden nutzen. Diese Pflichten werden zurzeit mit den Dienstleistern abgestimmt. Das sind in erster Linie das ITZBund und die BWI GmbH. Letztere war bisher nur für die Bundeswehr in deren eigenem Weitverkehrsnetz tätig. Im Laufe des Jahres 2019 soll der Dienstleister den Wirkbetrieb bei ersten Kundenbehörden anderer Ressorts im Rahmen der IT-Konsolidierung aufnehmen. Eine Prüfung der Umsetzung der Pflichten für Dienstleister durch das BSI erfolgt anhand von Konzeptpapieren, die die Umsetzung beschreiben. Was die Verantwortung für die Informationssicherheit beim NdB-Datenverkehr selbst be-

Cloud-Dienste und DSGVO

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er verstärkte risikobasierte Ansatz legt fest, dass der Verantwortliche dafür Sorge zu tragen hat, dass alle wirksamen Maßnahmen ergriffen werden. Da es keine Unterscheidung mehr zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen gibt und die DSGVO für Personen und Körperschaften jeglicher Größe gilt, die personenbezogene Daten von EU-Einwohnern verarbeiten, unabhängig davon, wo der Verarbeiter sich befindet, sind auch öffentliche Verwaltungen in der Pflicht, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Was schon im eigenen Rechenzentrum bei Datenhaltung und -verarbeitung eine große He­rausforderung darstellt, gilt umso mehr, wenn Daten von Dritten wie Cloud-Anbietern verarbeitet werden. Auch der öffentliche Sektor setzt für Ressourcenkonsolidierung zunehmend auf Cloud-Dienste, da die Kosten und Aufwände für IT-Infrastruktur und zugehörigen Endbenutzersupport bedeutend verringert werden können. Cloud-Dienste bieten viele neue Möglichkeiten für Services und Kostenersparnis, gleichzeitig eröffnen sie aber auch neue Risiken und Angriffsflächen.

trifft, ändert sich im Grundsatz nichts. Die BDBOS als Netzbetreiberin hat für die Verfügbarkeit, Sicherheit und Integrität der Übertragung zu sorgen. Für Überwachung und Abwehr auf Dienste-Ebene, vor allem E-Mailund Http-Verkehr, ist und bleibt das BSI verantwortlich.

(BS/Benjamin Stiebel) Zum 1. Januar 2019 übernimmt die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) die Betriebsverantwortung für die konsolidierten Netze des Bundes (NdB). Ein harter Wechsel wäre aber weder durchführbar noch erstrebenswert. Entsprechend bleibt auch über den Stichtag hinaus viel zu tun. Über den weiteren Ausbau und die Integration weiterer Netze wird bereits intensiv nachgedacht. Auch Nutzungsmöglichkeiten im Aufgabenbereich von Ländern und Kommunen werden Netzstrategie in der erwogen. Die Auslands-IT des Auswärtigen Dienstes soll langfristig der ganzen Bundesverwaltung dienen.

Ziel ist reibungsloser ­Übergang So ein Betreiberwechsel ist nicht über Nacht zu stemmen, wie der Präsident der BDBOS, Andreas Gegenfurtner, dem Behörden Spiegel erklärt: “Die T-Systems wird uns noch bis etwa 2020 beim Betrieb unterstützen. Dabei übernehmen wir die Aufgaben schrittweise. Der Übergang soll weich erfolgen – ich bezeichne das als eine Art kontrolliertes Hineingleiten der BDBOS bei einem sukzessiven Herauslösen der TSystems aus der Betreiberrolle.” Wie dieses Hineingleiten und Herauslösen im Einzelnen abläuft, regelt ein Change Request, also eine Änderungsanforderung, den die beiden Parteien vor einigen Wochen abgeschlossen haben. Die BDBOS arbeitet auf der Verbindungsebene (Layer 2). Aufgaben auf Ebene der Leitungen (Layer 1) werden auch langfristig durch Dienstleister, zunächst TSystems, wahrgenommen. Die BDBOS braucht nun auch neue Leute. Knapp 260 zusätzliche Stellen werden es insgesamt.

Behörden Spiegel / November 2018

Compliance-Anforderungen für öffentliche Verwaltungen (BS/Heidrun Müller/Linda Strick/Stefanie Köhl) Datenschutz und seine Anforderungen waren schon lange vor der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) rechtlich kodifiziert. Dennoch bringt diese viele Unklarheiten mit sich, nicht nur bezogen darauf, wann eine Behörde konform mit den neuen Regelungen ist, sondern auch, wie die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen sind, etwa das Recht auf Vergessen, Recht auf Information, welche Informationen wo und seit wann gespeichert sind sowie die Mitteilungspflicht bei Datenverletzungen. zes und der Cloud-Anbieter kann mittels geeigneter Werkzeuge/ Maßnahmen nachweisen, dass die Regeln beachtet werden. Als Nachweis der Compliance ist eine datenschutzspezifische Zertifizierung vorgesehen, dessen Einführung in Art. 42 DSGVO geregelt ist. Das Zertifikat soll bescheinigen, dass die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Zertifikate dürfen gemäß Art. 42 Abs. 5 DSGVO nur von den Aufsichtsbehörden oder akkreditierten Zertifizierungsstellen ausgestellt werden. Derzeit liegen jedoch die Kriterien für die Zertifizierung, um den Anforderungen an Compliance zu genügen, noch nicht vor. Die Datenschutzaufsichtsbehörden arbeiten daran, diese festzulegen. Um eine rechtskonforme Einführung von Cloud-Lösungen in Europa zu verbessern, hat die Cloud Security Alliance (CSA) im August 2018 das European Headquarter und GDPR Center of Excellence (DSGVO Exzellenzzentrum) in Berlin bei der eGovernment Consulting and Development GmbH eröffnet. Die CSA unterstützt Organisationen insbesondere mit einem SelfAssessment-Tool zur Selbsteinschätzung (CSA Code of Conduct for GDPR Compliance)dabei, den EU-Datenschutz in Einklang mit ihren Cloud-Computing-Services

Heidrun Müller ist Senior Beraterin bei der eGovernment Consulting and Develop­ment GmbH.

Linda Strick ist Direktorin der Cloud Security Alliance (CSA) EMEA. Foto: BS/CSA

Foto: BS/eGovCD

zu bringen. Dieses Instrument ermöglicht es, das von Organisationen angebotene Schutzniveau für personenbezogene Daten strukturiert darzustellen. Gleichzeitig haben Cloud-Kunden damit ein Instrument in der Hand, mit dem sie das Schutzniveau von CloudAnbietern für personenbezogene Daten bewerten und vergleichen können. Cloud-Service-Anbieter, die sich an den Verhaltenskodex für DSGVO-Compliance der CSA (CSA CoC for GDPR) halten, können sich die Compliance von der CSA bestätigen lassen. Die CSA wird überprüfen, ob in gutem Glauben Anstrengungen unternommen wurden, um den gesamten Verhaltenskodex ordnungsgemäß umzusetzen und ein Compliance-Zeichen (Trust

Stefanie Köhl ist Geschäftsführerin der eGovernment Consulting and Development GmbH. Foto: BS/eGovCD

Mark) ausstellen, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Damit wird für die Organisation, die einen Cloud-Dienst nutzen will, einfacher sichtbar, dass die Regelungen der DSGVO eingehalten werden, was das eigene Sicherheits-/Risikomanagement erleichtert.

Selbsteinschätzung erfordert Kompetenzen Dieses Instrument zur Selbsteinschätzung setzt jedoch ein umfassendes Verständnis und umfangreiche Kenntnisse über die genutzte IT-/Cloud-Infrastruktur voraus, wovon für den privaten Sektor insbesondere bei größeren Unternehmen ausgegangen werden kann, nicht aber für KMU- und Kleinst-Unterneh-

men. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der öffentlichen Verwaltung: Rechenzentren und öffentliche ITDienstleister verfügen womöglich noch über diese Kompetenzen und können Self-Assessments sinnvoll nutzen, vielfach nicht aber die IT-Verantwortlichen von Kommunen und kleineren öffentlichen Verwaltungen. Selbst wenn Anbieter beispielsweise Ergebnisse einer Selbsteinschätzung als Nachweis der Compliance vorlegen würden, besteht häufig nicht die Kompetenz, diese auch einzuschätzen. Das zeigen auch die Erfahrungen aus der Umsetzung der Anforderungen des IT-Grundschutzes des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Self-Assessments erfordern also

Über die Weiterentwicklung des Netzbetriebs der öffentlichen Verwaltung wird bereits intensiv gesprochen. So befindet sich die künftige Netzstrategie der Bundesregierung “Informationsverbund öffentliche Verwaltung 2030 – IVÖV 2030” bereits in der Ressortabstimmung und soll noch dieses Jahr dem IT-Rat vorgelegt werden. Einem Eckpunktepapier des Bundesbeauftragten für Informationstechnik zufolge soll das Auslands-IT-Netz des Auswärtigen Dienstes Teil des Informationsverbunds werden. Andere Ressorts sollen das weltumspanne Netz dann bedarfsweise nutzen können. Auch nach innen wird eine Ausweitung angestrebt. Aus dem BMI war die Idee zu hören, die hochsichere Netzinfrastruktur des Bundes zukünftig in der Fläche weiter auszubauen und den Ländern und Kommunen zur Nutzung im eigenen Zuständigkeitsbereich anzubieten. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür wären allerdings noch zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Schließlich würde der Bund dann gewissermaßen als Wettbewerber neben Wirtschaftsunternehmen auftreten. Spannend bleibt es aber auch vor dem kürzeren Zeithorizont im Betrieb für den Bund. Denn da ist es bis zum Erreichen des Zielbildes “ein Netz, ein Betreiber” noch ein weiter Weg. Als Fortentwicklung der Konsolidierungsplattform NdB sollen mit dem Folgeprojekt NdB 2.0 in den nächsten drei bis fünf Jahren die geschlossenen Weitverkehrsnetze des Innen-, Verkehrs-, Finanzund des Verteidigungsministeriums migriert werden.

entsprechende Kompetenzen, die nicht ohne Weiteres vorliegen, aber durch unterstützende Beratungsleistungen in Anspruch genommen werden können, um die Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der IT der öffentlichen Verwaltung zu erklären. Die eGovernment Consulting and Development GmbH führt DSGVO Compliance Checks durch und unterstützt Organisationen dabei, die notwendigen Maßnahmen für eine Konformität zu identifizieren und umzusetzen (http://egovcd.de). Dabei werden sowohl CloudKunden als auch Cloud-Anbieter beraten. Die Akteure sind an der “richtigen Stelle abzuholen”. Pointiert formuliert: Entscheider in der öffentlichen Verwaltung benötigen vielfach keine vertieften Kenntnisse in Bezug auf Cloud und die Anforderungen aus der DSGVO, sondern sie müssen sich klar sein über die Risikoeinschätzung, inwieweit ein Cloud-System überhaupt geeignet ist und ob es technisch, organisatorisch und rechtlich konform ist. Da DSGVO-Konformität nicht auch gleichzeitig Cloud-Sicherheit bedeutet, muss eine Organisation nicht nur die Anforderungen nach der DSGVO umsetzen, sondern benötigt langfristig aber auch ein Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS). Mehr zu diesem Thema im Rahmen der Veranstaltung “EU-DSGVO im Praxis-Check” am 23. Januar 2019 in Berlin. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit unter www.fueh rungskraefte-forum.de, Suchwort: DSGVO.



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Behörden Spiegel / November 2018

Einfach Leistungen für Eltern

einfach elektronisch abrufen zu können, um die Ergebnisse in die Antragsbearbeitung einfließen zu lassen. Die technische Architektur von ELFE ist zum einen in ein Benutzer-Front-End (BS/Dr. Martin Hagen) Wer momentan einen Antrag auf Elterngeld stellen möchte, sieht sich noch vor einer echten Herausforderung. Eltern müssen und ein Back-End aufgeteilt. Das derzeit in Bremen einen sechsseitigen Antrag ausfüllen und in Einzelfällen bis zu 32 verschiedene Dokumente bei der Elterngeldstelle einreichen, Front-End dient der Authentifür die zuvor häufig anderweitige Behördenbesuche nötig werden. Ist dies bewältigt, heißt das noch nicht, dass die Eltern wissen, was sie eigentlich fizierung der Antragstellenden, genau wollen. Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz räumt jungen Eltern ein hohes Spektrum an Möglichkeiten zur Gestaltung und monetären der Einrichtung eines NutzerUnterfütterung ihrer Elternzeit ein. Derzeit ist die Antragstellung auf Elterngeld sehr komplex und zeitaufwendig. kontos und beinhaltet den leicht zu bedienenden Onlineservice. Kindes anfallen. Ausgelöst durch teiligten Fachex- hat die Bundesregierung bereits Das Back-End tauscht die Daten perten gespiegelt gebeten, geeignete Gesetzesvor- unter den Behörden aus. Dabei die Geburt, quasi per Click, solund besprochen. schläge für die Umsetzung des stehen die sichere Übermittlung, len die Geburtsurkunde, das Dr. Martin Hagen ist Leiter Kindergeld und das Elterngeld der Stabsstelle für ZentDie Lösung wird Projektes ELFE zu unterbreiten. die fehlerfreie Verarbeitung und rales IT-Management und somit sukzessive In den verschiedenen Fachgeset- die erforderliche Aufbewahrung beantragt werden. An die Stelle E-Government bei der Seauf Qualität und zen muss der Datenschutz recht- bzw. Löschung der betrachteten eines sechsseitigen Formulars natorin für Finanzen, Freie Machbarkeit ge- lich verankert werden und das Daten im Vordergrund. für Elterngeld, eines einseitigen Hansestadt Bremen. Verschiedene Behörden sind prüft und verbes- automatisierte Abrufverfahren Formulars für Kindergeld und die sert. ELFE muss noch explizit ermächtigt werden. zentral für den Vorgang in ELFE: Anmeldung der Geburt tritt eine Foto: BS/Senatorin für Finanzen Bremen drei wesentliche Besonderes Augenmerk wird auf Standesämter müssen an das App, mit deren Hilfe die Identität der Eltern, ihre Einwilligung Aufgaben bewäl- die rechtliche Absicherung der ELFE-Back-End angeschlossen zum automatisierten Datenaustigen: Erstens elektronischen Übermittlung der werden und die Geburt eines tausch und die Entscheidungen, Register miteinander automa- muss es einen einfachen, nach- Geburtsurkunden und der an- Kindes automatisiert bestätigen. die von den Eltern zu Planung tisiert verknüpft werden. Über vollziehbaren und übertragbaren lassbezogenen Auszahlung von Erst mit der Bestätigung der Geder Elternzeit zur treffen sind, eine Middleware werden die ver- Prozess vorschlagen, über den Kindergeld gelegt werden. burt durch das Standesamt kann Gute Aussichten hat das Vor- ELFE gesichert davon ausgehen, abgefragt werden können. Die schiedenen Fachverfahren mitei- die medienbruchfreie Antragfür einen Kindergeld- und ei- nander verbunden und können stellung gelingen kann. Zweitens haben auch deshalb, weil der dass das entsprechende Kind nen Elterngeldantrag benötigten Nachrichten austauschen. müssen rechtliche Vorausset- gestellte Entschließungsantrag existiert und das Geburtsdatum Daten liegen zum Zeitpunkt der zungen für einen solchen Lö- der politischen Zielsetzung des vermerkt ist. Antragstellung nahezu alle schon Bürgerinnen und Bürger sungsweg parallel erarbeitet und Koalitionsvertrages der aktuelEin weiteres Augenmerk muss stehen im Mittelpunkt initiiert werden. Drittens muss len Bundesregierung entspricht. auf die Krankenkassen gerichtet in anderen Behörden vor oder sind potenziell elektronisch an Bei der Erarbeitung passender, auf der technischen Seite eine Hier ist explizit geplant, dass werden. Zukünftig sollen nicht anderer Stelle abrufbar. effizienter und transparenter Lö- stabile Lösung erarbeitet werden, Bürgerinnen und Bürger künftig mehr die Eltern z. B. MutterELFE bleibt freiwillig und wird sungen rückt das Projekt ELFE die die Steuerung des Prozesses ihre Daten nur einmal abgeben schaftsgeld aufwändig nachweisen, sondern es als zusätzliche Möglichkeit der die Sicht der Bürgerinnen und standardisiert übernimmt. soll eine direkte Antragstellung eingeführt. Mit Bürger in seinen Mittelpunkt. Die behördlichen Aufgaben Einwilligung der Eltern sollen Lösungsansätze werden iterativ nach einer Geburt sind bereits Kommunikation in Zukunft Daten verschiedener getestet und mit am Prozess be- heute schon teilweise automavom ELFE-Backtisiert: Nach der Anzeige einer End mit den Geburt beim Standesamt erKrankenkassen ermöglicht werfolgt eine automatisierte MelSERIE: DIE OZG-UMSETZUNG den. Bisher gib dung an die Meldebehörde des Themenfeld “Kind und Familie” es dafür keine Wohnortes des Kindes. Diese meldet dann die Geburt dem elektronische Persönlicher Kontakt nach wie vor hoch im Kurs Bundeszentralamt für Steuern, Schnittstelle. Ein (BS/gg) Die Nutzung digitaler Verwaltungsangebote hat in Deutschland nach wie vor einen schweren Stand welche wiederum eine Steuer- müssen. Gesichert bleibt, wie ebenfalls wichtiger Schnittpunkt – im vergangenen Jahr ging sie sogar leicht zurück. Dies ist ein Ergebnis des eGovernment MONITORs 2018, Identifikationsnummer vergibt auch im Vorhaben von ELFE, soll zukünftig zu den Arbeitgeden die Initiative D21 und fortiss gemeinsam mit dem Schirmherrn, Bundes-CIO Klaus Vitt, vorstellten. und per Brief an die Adresse der dass die Daten transparent und bern der antragstellenden ElEltern übermittelt. An diese Form durch die Bürger und Bürgerin- tern ermöglicht werden. Für die Die von Kantar TNS in Deutsch- elektronische Steuererklärung) Erstkontakt zur Informationsbe- der Datenübermittlung schließt nen kontrolliert weitergegeben Berechnung der zustehenden werden und nur anlassbezogen, Leistung ist die Einholung der land, Österreich und der Schweiz zwar hinreichend und viele Bür- schaffung über eine eventuelle ELFE an. Einkommensdaten der letzten durchgeführte Studie zeigt, ger zeigen sich interessiert, die Beratung bis hin zum Abschluss einmalig genutzt werden. dass hierzulande 40 Prozent tatsächliche Nutzung liegt jedoch – untersucht. Die sogenann- Rechtliche Grundlagen müsUm trotz unterschiedlicher IT- zwölf Monate vor der Geburt sen angepasst werden der Onliner in den vergange- deutlich darunter. Wenn die Be- te “Citizen Journey” illustriert Verfahren der verschiedenen, des Kindes unabdingbar. Dernen zwölf Monaten mindestens fragten die Wahl hätten, auf wel- die Bewegungen zwischen den Zur Verwirklichung der Ideen beteiligten Behörden einen rei- zeit wird in Zusammenarbeit mit einmal E-Government-Angebote chem Weg sie ihre Behördengän- verschiedenen Kontaktkanälen. müssen in Teilen Fachgesetze bungslosen Datenaustausch ge- der AWV geprüft, inwiefern das nutzten. Dieser Wert liegt einen ge abwickeln, stünde entgegen Hier zeigt sich, dass der per- geändert werden, um die benö- währleisten zu können, bedarf elektronische DatenübermittProzentpunkt niedriger als im der momentanen Praxis in allen sönliche Kontakt insbesondere tigten rechtlichen Grundlagen zu es der Einigung auf standardi- lungsverfahren im Rahmen der Vorjahr und sogar fünf Prozent Vergleichsländern das Internet hierzulande nach wie vor von schaffen. Dazu ist ein Einverneh- sierte Schnittstellen. Für den Meldepflichten für Arbeitgeber unter dem Ergebnis des ersten an erster Stelle, knapp vor dem enormer Bedeutung ist. Zwar men der Länder untereinander verwaltungsinternen Datenaus- dazu genutzt werden kann. eGovernment MONITORs im persönlichen Behördengang. erfolgt der Erstkontakt auch hier und mit dem Bund herzustellen. tausch kommen üblicherweise Das ELFE-Team ist konstant an XÖV-Standards zum Einsatz. Rückmeldung interessiert. Eine Jahre 2012. Noch deutlicher Dabei wollen sie insbesondere teilweise online, Beratung und Dies ist vorhanden. ist der Rückgang der Nutzung Standardanliegen online erle- Abschluss sind aber zumeist mit Der von Bremen gemeinsam Für den Datenaustausch zwi- App zur Demonstration des ELallerdings in der Schweiz (55 digen. Bei anderen Leistungen dem persönlichen Gang auf die mit Hamburg, Schleswig-Hol- schen und mit Arbeitgebern, FE-Front-Ends ist bereits online Prozent zu 61 Prozent in 2017), wie etwa der Einreichung eines Behörde verbunden – deutlich stein, Thüringen und Berlin Rentenversicherungsträgern und unter http://elfe.online abrufbar. während sie in Österreich auf Bauantrags wünscht sich der öfter als in Österreich und der ini­tiierte Entschließungsantrag Krankenkassen steht mit dem Hier wird nicht nur fortlaufend vergleichsweise hohem Niveau Großteil nach wie vor einen per- Schweiz. zu benötigten Änderungen in eXtra-Standard ein ähnliches über neue Entwicklungen des (74 Prozent) stagniert. sönlichen Kontakt. den betroffenen Fachgesetzen Modell zur Verfügung. Mit diesen Projektes informiert – hier sind In Deutschland ist die MöglichDer komplette eGovernment wurde nach Beratung in den Standards wird grundsätzlich auch Kontaktmöglichkeiten gegeErstmals wurden in der aktuelkeit zur digitalen Abwicklung len Studie die Abläufe von kom- MONITOR 2018 ist unter www. betroffenen Fachausschüssen die Möglichkeit eröffnet, Quer- ben, an welche Rückmeldungen beschlossen und der Bundesrat schnittsleistungen schnell und sehr willkommen sind. von Verwaltungsdiensten (z. B. pletten Behördengängen – vom initiatived21.de abrufbar.

LFE ist ein Digitalisierungsprojekt des Bremer Senats, das gemeinschaftlich von der Senatorin für Finanzen und der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport umgesetzt wird. Im Rahmen des IT-Planungsrates gehört ELFE zum Digitalisierungsprogramm und wird nun Pilotprojekt im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG), welches 2017 in Kraft getreten ist und welches den Bund und die Länder verpflichtet, sämtliche Verwaltungsleistungen bis 2022 auch elektronisch anzubieten. Die Freie Hansestadt Bremen hat gemeinsam mit dem BMFSFJ für den Themenbereich “Familie und Kind” die Federführung übernommen. Erarbeitete Lösungen müssen so gestaltet werden, dass eine Übertragbarkeit in alle Bundesländer möglich wird. Der vom IT-Planungsrat beschlossene OZG-Umsetzungskatalog stellt klar, dass für eine nutzerfreundliche Umsetzung nicht nur der Status quo in Web-Formulare übertragen werden darf, sondern dass weiter gehende Digitalisierungspotenziale genutzt werden müssen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor hierfür ist die Wiederverwendung der bei der Verwaltung bereits vorhandenen Daten. ELFE sieht digitale, medienbruchfreie und effiziente Anträge vor, die nach einer Geburt eines

Digitalisierung aus der Nutzerperspektive

E-Government-Nutzung leicht rückläufig

IKT-Beschaffertage 2019 Themen 2019 u.a.:

12. – 13. März 2019, München

» Outsourcing des IT-Betriebs » Datenschutz und IKT-Beschaffung

Die Beschaffung von Leistungen aus dem Bereich der Informationsund Kommunikationstechnologie (IKT) stellt regelmäßig besondere Anforderungen sowohl an die Vergabestellen, als auch an die potentiellen Bieter. Die Vergabeverfahren müssen den hohen Anforderungen an die zu beschaffenden Produkte gerecht werden. Eine sorgfältige Vorbereitung und Durchführung ist daher für einen wirtschaftlichen Vergabewettbewerb unerlässlich. Diesen und weiteren Themen widmen sich die IKT-Beschaffertage – wir freuen uns auf eine spannende Tagung gemeinsam mit Ihnen. www.ikt-beschaffertage.de

Veranstalter:

Fachliche Leitung:

» Bewertung und Benchmarking von IT-Geräten » Die neuen EVB-IT Cloud » Lebenszykluskosten bei der IKT-Beschaffung


ÖFIT

Behörden Spiegel / November 2018

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Monatliche Themenseite in Kooperation mit:

KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

November 2018 beim Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme

Die politische Dimension der Künstlichen Intelligenz Künstliche Intelligenz (KI) wird unser Leben immer stärker beeinflussen. Welche politischen Fragen ergeben sich daraus? Wie muss man die Digitalpolitik heute gestalten, um morgen eine wünschenswerte KI-Entwicklung zu gewährleisten? Bundestagsabgeordnete nahmen hierzu Stellung. Ausgangspunkt der Diskussionsveranstaltung war die vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT durchgeführte ForesightStudie “Exekutive KI”, in der vier Zukunftsszenarien zu den Auswirkungen von KI in der öffentlichen Verwaltung formuliert wurden (online verfügbar unter: www. oeffentliche-it.de/publikationen). Anhand der Zukunftsbilder wurden Fragen aufgeworfen, die auf übergeordnete politische Gestaltungsbedarfe und -möglichkeiten von Künstlicher Intelligenzen zielen. Zwei zusammenhängende Aspekte kristallisierten sich schnell als zentrale Themenkomplexe heraus: Die Akzeptanz von KI-Systemen in der Bevölkerung sowie Ansatzpunkte für eine Regulierung, die einen angemessen Ausgleich gewährleistet zwischen Innovationsförderung einerseits und dem Schutz von Grundrechten und menschlicher Autonomie andererseits. Ohne eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung werden sich KI-basierte Produkte und Dienstleistungen nur schwer durch-

Auf dem Podium diskutierten (v.l.n.r.) Andreas Steier (CDU), Anke Domscheit-Berg (Die Linke), Peter Parycek (ÖFIT, Moderation), Mario Brandenburg (FDP), Saskia Esken (SPD) und Renate Künast (Grüne) die politische Dimension Foto: BS/ÖFIT von KI. setzen können, während die Akzeptanz wiederum stark vom Ausgleich zwischen Neuerungen und Grundrechtsschutz beeinflusst wird. Mario Brandenburg plädierte deshalb dafür, möglichst viele KI-Lösungen in den Umlauf zu bringen, damit bestehende Skepsis im praktischen Umgang abgebaut werden kann. Beim staatlichen Einsatz von KI ergeben sich zusätzliche Anforderungen. So lässt sich kaum eine akzeptable Fehlerquote definieren, selbst wenn die Verwaltungsleistungen insgesamt besser werden. Skepsis und Unbehagen in der Bevölkerung seien auch vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass KI-Systeme in der praktischen

Anwendung des Staates überwiegend Bestrafungs- und Kontrollfunktionen erfüllen würden, so Anke-Domscheit-Berg. Leitlinie für Gestaltung und Regulierung von KI müsse die Fragestellung sein, wie wir unsere Achtung der Grundrechte und unsere Ethik von der analogen in die digitale Zeit übertragen können. Wichtig dafür seien Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsparameter sowie Transparenz der Datengrundlage – zwei für die Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen grundlegende und mittlerweile etablierte Gestaltungsanforderungen, bei denen auch der Gesetzgeber aktiv werden kann. In der folgenden Debatte wurde deutlich,

welch zentrale Rolle Regulierung und politische Steuerung auch bei der Entstehung von Vertrauen in der Bevölkerung spielen können. Das Vertrauen komme, so Andreas Steier, über die gute Regulierung. Ähnlich wie bei Brücken, deren Tragfähigkeit heute niemand mehr hinterfrage, da die Statik technischen Normen entsprechen und gesetzlichen Anforderungen genügen müsse. In der Debatte über gesetzliche Anforderungen herrscht weitgehende Einigkeit, dass ein “One-Size-fits-all”-Ansatz schwer realisierbar ist. Dies lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass sich – trotz Querschnittsthemen wie etwa Haftungs-

fragen – die kritischen Punkte und damit der Regulierungsbedarf je nach Anwendungsfeld unterschiedlich darstellen können. In diese Richtung zielte auch die Anmerkung von Saskia Esken, die darauf hinwies, dass man im Hinblick auf die Regulierung und Förderung zwischen den diversen Verfahren und Typen von KI unterscheiden müsse. Starke KI, schwache KI, maschinelles Lernen und statische algorithmische Systeme stellten den Gesetzgeber vor unterschiedliche Herausforderungen. Über technische Detailfragen hinausgehend drehte sich die Debatte immer wieder auch um die Wirkung von regulatorischen Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland und den Umgang mit privatwirtschaftlichen Akteuren. Während auf der einen Seite darauf hingewiesen wird, dass wir auf das privatwirtschaftliche Know-how nicht verzichten könnten, sieht die andere Seite die daraus folgende Abhängigkeit und die Verwendung von “Blackboxes” insbesondere im öffentlichen Sektor als problematisch an. Renate Künast wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine starke Regulierung auf lange Sicht einen Wettbewerbsvorteil darstellen könne, da die Folgen von schwach regulierter KI nicht absehbar seien. Diese Gesichtspunkte spiegelten die Kernunterschiede der Debatte gut wider: Die Rolle der Privatwirtschaft und des freien Marktes sowie das Maß der staatlichen Steuerung wurden unterschiedlich bewertet. Allgemein wurde aber abschließend betont, dass man sich im Kontext von KI mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen müsse.


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Bits und Bytes statt Bänke und Bier

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Münchner Nockherberg im Zeichen der Digitalisierung (BS/gg) Auch die Kommunen in Bayern müssen sich mit den Herausforderungen der digitalen Transformation beschäftigen und deren Vorteile für sich nutzbar machen. “Willkommen (in der) Digitalisierung” war dann auch das Motto des 3. AKDB Kommunalforums, welches Mitte Oktober auf dem Nockherberg in München stattfand – der sonst bundesweit insbesondere durch den traditionellen Starkbieranstich bekannt ist. Euro in den Breitbandausbau investiert, 98 Prozent der Kommunen befänden sich aktuell im Förderverfahren und bereits 92 Prozent der Haushalte seien bayernweit mit schnellem Internet versorgt. Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung sei es entscheidend, die Sicherheit der Daten zu gewährleisten und daher gegen wachsende Cyber-Bedrohungen aufzurüsten. Der Freistaat habe vor diesem Hintergrund Ende vergangenen Jahres das Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) ins Leben gerufen, zu dessen Aufgaben auch explizit die Unterstützung der Kommunen bei der IT-Sicherheit zählt. (Das gesamte Aufgabenspektrum der neuen Behörde stellte LSI-Präsident Daniel Kleffel auf der Veranstaltung vor. Er wird einer der Referenten des

5. Zukunftskongresses Bayern sein, den der Behörden Spiegel am 7. Februar 2019 in München veranstaltet.) Die sichere Kommunikation innerhalb der Staatsverwaltung werde über das Bayerische Be-

hördennetz gewährleistet, so Reichhart weiter, an das sich aber auch die Kommunen anschließen könnten. Mittlerweile hätten rund 60 Prozent von diesem Angebot Gebrauch gemacht. In diesem Zusammenhang appellierte der

Bayern eines der Vorbilder Aus Berlin war der Bundes-CIO Staatssekretär Klaus Vitt in die bayerische Landeshauptstadt gekommen, um u. a. über die OZG-Umsetzung zu sprechen. Bayern sei hier sicherlich bundesweit eines der Vorbilder, aber auch das Engagement anderer Länder wie Bremen lobte Vitt ausdrücklich. Er skizzierte vor den Teilnehmern auch die geplante E-Government-Agentur des Bundes, die als “Think and do Tank” Innovationen bei der Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben solle.

Kunden- und anwenderorientiert

D

ie Erwartungen an die Software-Entwicklung sind durch die Möglichkeiten der Digitalisierung weiter gestiegen. Dies gilt sowohl für die Kundinnen und Kunden der Bundesagentur für Arbeit (BA) als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als IT-Anwender. Die überwiegende Erwartung ist es, alle Dienstleistungen eines Unternehmens von jedem Ort und zu jeder Zeit in Anspruch nehmen zu können, wie es in einigen Branchen über den Internet-Zugang schon etabliert ist. Bei Software-Anwendungen für die interne Bearbeitung von Geschäftsvorfällen stehen Themen wie Medienbruchfreiheit, das Data-once-only-Prinzip und die Automatisierung von Abläufen im Vordergrund. Auch die Anforderungen an die Umsetzungsgeschwindigkeit sind deutlich gestiegen, da sich die Rahmenbedingungen ebenfalls schneller verändern, als das in der Vergangenheit der Fall war. Insgesamt wird es für die ITBereiche sehr anspruchsvoll sein, dieser Erwartungshaltung gerecht zu werden. Mit modernen Methoden und Technologien ist es heute möglich, deutlich leistungsfähigere Software zu

Der Münchner Nockherberg, wo im Rahmen des traditionellen Starkbieranstichs alljährlich die Politiker humoristisch den Spiegel vorgehalten bekommen (bayr.: derblecken), war Schauplatz des 3. AKDB Kommunalforums. Fotos: BS/AKDB

Staatssekretär an die noch nicht angeschlossenen Kommunen, diesem Vorbild zu folgen. “Wir wollen in Bayern die Digitalisierung weiter voranbringen als in allen anderen Ländern”, erklärte Reichhart mit Blick auf das Thema E-Government und die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Man habe bei der Digitalisierung der Verwaltung bereits viel erreicht, so der Staatssekretär. So sei die bayerische Verwaltung der größte E-Akte-Nutzer in Deutschland. Im Zuge der OZG-Umsetzung biete der Freistaat den Kommunen nicht nur die Anbindung an das BayernPortal über eine entsprechende AKDB-Schnittstelle an, sondern wolle diese auch darüber hinaus über Fördermittel bei Dienstleistungen finanziell unterstützen, die nicht kostenfrei zur Verfügung gestellt würden.

Zudem wolle man den Kommunen auch mit Beratungsdienstleistungen zur Seite stehen, so Reichhart, der in seiner Rede die gute Kooperation und enge Partnerschaft zwischen Freistaat und Kommunen unterstrich. Digitalisierung bedeute nicht, nur die analogen Formulare ins Internet zu übertragen. Vielmehr müssten auch die Prozesse entsprechend angepasst werden. In diesem Zusammenhang sei man gegenwärtig dabei, das Baugenehmigungsverfahren komplett zu digitalisieren, so der Staatssekretär.

Software-Entwicklung bei der Bundesagentur für Arbeit (BS/Dr. Martin Deeg) Digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung bedeutet, kundenorientierte, für Bürgerinnen und Bürger zugeschnittene chen im Detail unterschiedlich. Dienstleistungen zu entwickeln. Dabei unterstützt NExT einen intensiven Erfahrungsaustausch, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. implementieren. Umso wichtiger ist es, dass diese vollständig an den Anforderungen der Anwender und Kunden ausgerichtet ist. Damit gewinnt die Kundenund Anwenderorientierung bei der Entwicklung von SoftwareAnwendungen immer mehr an Bedeutung. In diesem Umfeld haben sich agile Methoden etabliert und bewährt. Auch bei der BA wurde in ausgewählten Großprojekten und Bereichen in den letzten Jahren agile Software-Entwicklung eingeführt und professionell eingesetzt. Nach den ausgesprochen guten Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, startete das Ressort “Informationstechnologie und Digitale Prozesse”, unter Leitung von Dr. Markus Schmitz, eine Initiative, um agile Methoden und Prinzipien in allen Entwicklungsbereichen schrittweise einzuführen. Zur Umsetzung wurde ein Veränderungs-Programm unter dem Namen “Agile Transition” ins

7. Februar 2019,

aufgenommen und regelmäßig reflektiert werden können. • InterdiszipliDr. Martin Deeg leitet bei der näre ArbeitsweiBA das IT-Systemhaus, den se in Teams, in denen Personen internen IT-Dienstleister für die Bundesagentur für Arbeit. mit Fachwissen, EntwicklungsFoto: BS/BA und BetriebsKnow-how direkt zusammenarbeiten, um die Leben gerufen, welches von mir Software zu entwickeln. Alle als Leiter des IT-Systemhauses, Beteiligten sind gemeinsam auf geführt wird. den Erfolg verpflichtet, relevanWas heißt das konkret? Folgende Prinzipien sollen dabei te Entscheidungen im Scope der umgesetzt werden: Entwicklung werden direkt in • Einbindung von Anwendern den Teams getroffen. und Kunden in den Entwick- • Kurze Lieferzyklen für die Softlungsprozess, beginnend bei ware-Entwicklung, d. h. es wird Konzept und Design, kontimindestens einmal pro Monat nuierlich während der Impleeine lauffähige Version bereitmentierung sowie bei Test und gestellt, um Feedback von AnAbnahme. Dies stellt sicher, wendern und Kunden einholen dass die Anforderungen von zu können. Nicht jede Version Kunden und Anwendern direkt wird für die Anwender produktiv in den Entwicklungsprozess gesetzt, die Transparenz über

den Entwicklungsfortschritt ist jedoch sichergestellt. Für eine effektive und effiziente Umsetzung werden flankierend Rahmenbedingungen weiterentwickelt und verbessert: • Technische Voraussetzungen in Form geeigneter Entwicklungsund Betriebswerkzeuge. An erster Stelle sind hier Continuous Integration und Private-CloudBetrieb zu nennen. • Wirksame und schlanke formale Regularien zur Unterstützung der Entscheidungsprozesse. • Gut geeignete Räume, um sowohl die Teamarbeit, die Abstimmungsformate und auch die Konzeptarbeit zu unterstützen. Der Veränderungsprozess beinhaltet sowohl ein Qualifizierungsprogramm, um die Methoden zu lernen, als auch ein Coaching und Leadership-Angebot für Mitarbeiter und Führungskräfte. Die Umsetzung erfolgt in den einzelnen Entwicklungsberei-

Dies gilt sowohl für Methoden und Technologie als auch für den Zeitrahmen. Die vier Entwicklungsbereiche sind “Eigenentwicklung auf Basis offener Architekturen und Standards”, “Enterprise Resource Planning (ERP)”, “Business Intelligence” und “Kommunikation und Zusammenarbeit”. Somit können die Spezifika der einzelnen Bereiche gut und angemessen berücksichtigt werden. Der Erfolg der Agilen Transition ist weit mehr als die Einführung einer neuen Methode. Es geht um einen Kulturwandel in der Zusammenarbeit und um ein sehr großes Maß an Kundenorientierung. Am Ende ist es eine Frage der Grundhaltung, wie die Kundenorientierung gelebt wird, wie im Team interdisziplinär zusammengearbeitet wird und wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür motiviert werden. Alle Beschäftigten sind aufgefordert, den Veränderungsprozess mitzugestalten.

Haus der Bayerischen Wirtschaft, München

Zukunftskongress Bayern 2019

5. Kongress für die bayerische Verwaltung

STAAT UND KOMMUNEN ALS DIGITALE HEIMAT FÜR BÜRGER UND WIRTSCHAFT Digitale Gesellschaft und digitale Wirtschaft in Bayern sind auf ein Pendant in der Behördenwelt – eine digitale Verwaltung – angewiesen. Mehr noch, die öffentliche Verwaltung muss in den kommenden Jahren auch im Netz zu dem zu werden, was sie in der analogen Welt traditionell ist: ein Stück Heimat. Auf dem Weg dorthin werden die Behörden einen tiefgreifenden technologischen, organisatorischen und kulturellen Veränderungsprozess durchlaufen. Der Kongress wird eine Plattform für den intensiven Austausch über die aktuellen Entwicklungen und Zielsetzungen der Digitalisierung von Staat und Kommunen in Bayern und darüber hinaus bieten. Er soll dadurch einen Beitrag leisten, um zukünftig eine digitale Heimat für Bürger und Wirtschaft zu schaffen. Melden Sie sich unter www.zukunftskongress.bayern an und diskutieren Sie mit!

www.zukunftskongress.bayern [#zkonbayern]

Eine Veranstaltung des

Fotos: BirgitKorber, stock.adobe.com; Africa Studio, stock.adobe.com

er AKDB-Vorstandsvorsitzende Rudolf Schleyer lud in seiner Begrüßung die Teilnehmer ein, sich zu informieren und die Chancen der Digitalisierung zu ergreifen: “Wir sind überzeugt davon, dass die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen eine dreifache, also eine Win-WinWin-Situation schaffen kann: für die öffentliche Verwaltung, für Mitarbeiter in den Verwaltungen und für Bürger.” Er rief die Anwesenden dazu auf, die Digitalisierung zu nutzen, um die Verwaltung noch bürgerfreundlicher zu machen und versicherte, dass die AKDB und ihre Partner dafür ihren tatkräftigen Beitrag leisten würden. Für den Freistaat sprach Dr. Hans Reichhart, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, zu den ca. 800 Kommunalvertretern unter den rund 1.000 Teilnehmern der Veranstaltung. Mit Blick auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur unterstrich Reichhart die Absicht der Staatsregierung, bis zum Jahr 2025 jeden Haushalt im Freistaat mit einem GigabitAnschluss zu versorgen. Bislang habe man rund eine Milliarde

Behörden Spiegel / November 2018


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / November 2018

Speerspitzen für die Innovation

E

inen überzeugenden Erklärungsansatz lieferte Clayton Christensen bereits 1997 in seinem Bestseller “The Innovator‘s Dilemma”. Nach Christensen besteht das Dilemma darin, dass der Erfolg großer Organisationen gleichzeitig ihrer Erneuerung im Weg steht. Die Prozesse und Maßstäbe, nach denen Innovationen bewertet und Ressourcen investiert werden, orientieren sich an den aktuellen Märkten und Aktivitäten. Der heutige Bedarf kann die zukünftigen, noch unsicheren Möglichkeiten neuer Technologien jedoch kaum ausreichend reflektieren. Da disruptive Innovationen in der Anfangsphase kaum die Ansprüche der Stakeholder erfüllen, wird ihre disruptive Wirkung auf Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle verkannt. Der latente Interessenkonflikt zwischen Bewährtem und Neuem ist sogar legitim, da nicht jede Idee die Welt einmal tatsächlich verändern wird. Christensens Empfehlung: Disruptive Innovationen gelingen am besten in kleinen, unternehmerisch geprägten Einheiten, die unabhängig von der unbewussten Voreingenommenheit und den Interessen der Kernorganisation agieren. Das darauf aufbauende Konzept der dualen Transformation – inkrementelle Innovation in der Kernorganisation, radikale Veränderung zunächst in Satelliteneinheiten – ist inzwischen in allen DAX30-Unternehmen angekommen und verbreitet sich zunehmend auch im Mittelstand und in der Verwaltung.

Disruptive Innovationen “out of the box” Mit Digital Innovation Units (DIUs) sind institutionalisierte Change- und Innovationsvehikel wie Innovation Labs, Hubs, Accelerators, Company Builders etc. gemeint, die unabhängig von der Kernorganisation mit Start-up-Mentalität agieren. Es geht nicht nur um Technologie, sondern um die Erschaffung oder Einführung von grundlegend neuen Arbeitsweisen, Produkten und Geschäftsmodellen. DIUs sind zentrale Elemente zur Beschleunigung der digitalen Transformation, da in den kleinen Einheiten fernab der komplexen Entscheidungsprozesse der Bewahrerorganisation mit einer anderen Zielsetzung gearbeitet werden kann. Fehler können schneller korrigiert werden und unkonventionelle Ideen und Projekte finden einen geschützten Raum. Erfolgreiche DIUs arbeiten nach agilen Methoden

Transformation staatlichen Handelns mit Digital Innovation Units (BS/Marcel “Otto” Yon/Dr. Stephanie Khadjavi*) Die durchschnittliche Lebensdauer börsennotierter Unternehmen im S&P 500 beträgt heute weniger als 20 Jahre und hat sich in den letzten 50 Jahren mehr als halbiert. Warum scheitern große Technologieunternehmen wie Kodak, Blackberry oder Nokia, obwohl sie an der Spitze des technologischen Fortschritts stehen und über alle erforderlichen Ressourcen verfügen?

Bundeswehr Cyber Innovation Hub: Die Soldaten in den Mittelpunkt stellen.

und wenden “Lean-Start-up”Prinzipien an. Nach dem Mantra des Start-up-Ökosystems, nach dem “das Team wichtiger als der Plan” ist, gilt es vor allem, auch Serien-Unternehmer für eine Mitarbeit zu gewinnen.

Unternehmenskultur als zentraler Faktor Die digitale Transformation wird zu oft auf ein IT-Problem reduziert. In Wahrheit haben die zu überwindenden Innovationshemmnisse mehr mit der Unternehmenskultur als mit Technologie zu tun. Seit Erfindung des Internets haben sich Führungs- und Kollaborationskultur grundlegend geändert. Agile Methoden stellen Mitarbeiter und Nutzer in den Mittelpunkt. Die Rolle der Führungskraft und die Organisation der Zusammenarbeit ändern sich grundlegend. Innovation und Veränderung erfordern nicht nur Mut, sondern auch Verantwortungsübernahme und Handlungsfreiräume. DIUs sind ein Ort, an dem diese Freiräume gewährt werden können, ohne das Gesamtrisiko der Organisation zu erhöhen.

Relevanz auch für den öffentlichen Sektor Was bei internationalen Großkonzernen und zunehmend auch im Mittelstand als Standard gilt, scheint sich nun auch auf staatlicher Ebene durchzusetzen. Vorreiter ist das US-Militär. Nachdem In-Q-Tel bereits 1999 als Corporate VC für die USSicherheitsdienste gegründet

Stadt.Land.Digital Wettbewerb des BMWi läuft (BS/kh) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sucht Strategien und Projekte, die die Digitalisierung der Städte und Regionen vorantreiben. Kommunen, (kommunale) Unternehmen und engagierte Bürger sind aufgerufen, mit digitalen Konzepten am Wettbewerb “Stadt. Land.Digital” teilzunehmen. “Mitmachen können alle, deren digitale Projekte Städte und Regionen in Sektoren wie Bildung, Energie, Gesundheit, Verkehr oder Verwaltung bereichern können. Dabei sind von der Vision bis zum fertigen Projekt alle innovativen Beiträge willkommen”, heißt es seitens der Initiatoren. Dabei sollten die Nutzerorientierung und die Replizierbarkeit im Vordergrund stehen. Aber von Smart-City-Strategien über Einzelprojekte wie die smarte Mülltonne oder die smarte Parkbank bis hin zur Schaffung von IT-Infrastrukturen sei jedes Projekt willkommen. Zu gewinnen gibt es für die drei besten Beiträge (mit je zwei Vertretern) eine zweitägige “In­ spirations- und Lernreise” in eine ausgewählte europäische Stadt, um dortige Konzepte zum Thema

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Smart City bzw. Smart Region kennenzulernen. Zusätzlich wird es zwei Sonderpreisträger (mit je zwei Vertretern) geben, die ebenfalls an der Reise teilnehmen dürfen. Hierfür werden Beiträge ausgewählt, die entweder in besonders kleinen Kommunen als Vorreiter gelten oder ein Hauptaugenmerk auf interkommunale Zusammenarbeit legen.

Konferenz Ende Januar Bis zum 30. November können die Projekte eingereicht werden, bis zum 7. Dezember findet eine Expertenbeurteilung statt. Im Anschluss werden die Finalisten eingeladen, ihre Projekte am 16. Januar 2019 auf der Bundeskonferenz “Stadt.Land.Digital” in Berlin vorzustellen. Weitere Informationen unter: www.oip.netze-neu-nutzen.de

wurde, hat das Pentagon in den letzten vier Jahren gleich mehrere DIUs initiiert, darunter DIUx (Defense Innovation Unit), SOFwerx (US Special Operations Command), AFwerx (“Connecting

Foto: BS/Cyber Innovation Hub

Innovators and Accelerating Results” von der US Air Force), der MD5 National Security Technology Accelerator sowie Defense Digital Service. Pionier in Deutschland ist der

vom Bundesministerium der Verteidigung ins Leben gerufene Cyber Innovation Hub (CIH). Der Hub hat zur Mission, die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Start-ups zu intensivieren und als Treiber für die digitale Transformation und der Innovationskultur in der Bundeswehr zu wirken. Inzwischen sind in Frankreich (DGA Labs) und dem Vereinigten Königreich (JHub) vergleichbare Initiativen entstanden. Auch in der zivilen Verwaltung ist das Konzept der DIU angekommen – wegweisend sind hier erneut die USA mit dem Accelerator “F18” und das Vereinigte Königreich (“Government Digital Services”).

Digitale Transformation in der Verwaltung gestalten Die Relevanz von Digital Innovation Units muss nicht mehr

bewiesen werden. Mit einem breiten Einzug des Ansatzes in den öffentlichen Sektor bestünde die Chance, der digitalen Transformation in Deutschland einen spürbaren Antrieb zu verleihen. Als “auf sich gestellte Einheiten” bieten DIUs die Möglichkeit, abseits der Kernorganisation als Speerspitze für Veränderung zu dienen und herkömmliche Arbeitsweisen zu hinterfragen. Im Erfolgsfall profitiert die gesamte Verwaltung davon und es können Impulse gesetzt werden, um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. Im Misserfolgsfall bleibt der Schaden auf die DIU begrenzt. In der nächsten Ausgabe gehen die Autoren auf die unterschiedlichen Formen und Aktivitäten von Digital Innovation Units ein. *Marcel “Otto” Yon ist Leiter des Cyber Innovation Hubs der Bundeswehr (CIH). Dr. Stephanie Khadjavi verantwortet die Marktforschung im CIH. Die Autoren geben in diesem Artikel ihre persönliche Meinung wieder, nicht die des Bundesministeriums für Verteidigung.


Smart Country Convention

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Behörden Spiegel / November 2018

“Smart Country Startup Award”

Smart-City-Initiativen

Sechs Start-ups pitchen um 10.000 Euro Preisgeld

Auf dem Weg in die intelligente Stadt

(BS/gg) Am 21. November wird erstmals der “Smart Country Startup Award” auf der Smart Country Conven- (BS/Danielle Schoof*) Deutschland strebt das Smart Country an. Zahlreiche Initiativen in den Städten bringen tion in Berlin (20.–22. November) verliehen. Die insgesamt sechs Finalisten, die aus rund 100 Bewerbern komfortable Bürger-Services. ausgewählt wurden, werden dort in den Kategorien Smart City und E-Government jeweils um ein Preisgeld von 5.000 Euro pitchen. Smart City und Smart Country neuartige und besonders siche- Energiesparen durch In der Kategorie Smart City erreichten die Start-ups Hawa Dawa, Vialytics und Solmove das Finale. Hawa Dawa aus München hat sich zum Ziel gesetzt, die Luftqualität in Städten zu verbessern. Dazu wurde eine Software zur digitalen Messung der Luftqualität entwickelt, mit deren Hilfe Städte günstig und verlässlich Umweltdaten in Echtzeit erhalten können. Diese Daten werden ausgewertet, um Orte mit besonders hoher Luftbelastung zu erkennen, sodass die Städte geeignete Maßnahmen einleiten können. Das Stuttgarter Start-up Vialytics bietet eine smarte Lösung für bessere Straßen. Mit einem modifizierten Smartphone können Kommunen den Zustand ihrer Straßen selbst erfassen und auswerten. Die Daten können dann zum Beispiel dazu dienen, notwendige Reparaturen und Instandhaltungen rechtzeitig auszuführen. Solmove hat einen multifunktionalen Straßenbelag entwickelt, der sauberen Strom produziert, optional beleuchtet und beheizt werden kann und Elektrofahrzeuge induktiv lädt. Dazu haben die Potsdamer ein Photovoltaikmodul konstruiert, das direkt auf bereits versiegelte Flächen gelegt werden kann. Um den Award in der Kategorie E-Government pitchen Comm-

In der Messe Berlin findet vom 20. bis 22. November erstmals die Smart Country Convention statt. Am zweiten Veranstaltungstag wird hier u.a. der ebenfalls neue Smart Country Startup Award verliehen. Foto: BS/Messe Berlin

neX, JobKraftwerk und Nect gegeneinander. Das Münchener FinTech-Start-up CommneX hat einen Online-Marktplatz entwickelt, auf dem Kommunen und kommunale Unternehmen ihren Kreditbedarf ausschreiben können. Dadurch wird der manuelle Ausschreibungsprozess von Krediten digital und somit einfacher, schneller und transparenter. JobKraftwerk will dabei helfen, Flüchtlinge in Deutschland besser und nachhaltiger zu integrieren. Mit ihrem digitalen Integrations- und Case-Management erleichtern die Berliner beispielsweise die digitale Datenerfassung einer Person und machen diese über ihre Plattform verschiedenen staatlichen und privaten Akteuren zugänglich. Nect aus Hamburg ermöglicht

durch Aufnahme eines kurzen Selfievideos und eines einfachen Fotos der Vorder- und Rückseite eines Ausweisdokuments eine digitale Fernidentifizierung. Mit der Anwendung können sich Kunden bei der Onlineanmeldung regulierter Vorgänge, wie zum Beispiel der Eröffnung eines Bankkontos, ausweisen. An den drei Veranstaltungstagen der Smart Country Convention werden im CityCube Berlin digitale Lösungen für den Public Sector präsentiert. Die neue Veranstaltung von Bitkom und Messe Berlin soll zukünftig jedes Jahr im November auf dem Berliner Messegelände stattfinden. Weitere Informationen zur Smart Country Convention gibt es unter www.smartcountry.berlin .

sind die Stichworte des Jahres. Große und kleine Städte, aber auch ländliche Regionen sollen mit digitalen Technologien aufgerüstet werden, um den Bürgern mehr Komfort zu geben, lange Wege zu Ämtern zu vermeiden und Services schneller zu machen. Die Bundesregierung will bis 2022 einen Portalverbund aufbauen, auf den alle Bürger per Passwort zugreifen können. Das Nutzerkonto gibt den Zugriff auf Services in Verwaltungen auf allen Ebenen (Kommune, Land, Bund, EU), beispielsweise die Anmeldung eines Gewerbes oder die Beantragung eines Kita-Platzes. Hauptvorteil für die Gemeinden ist die Möglichkeit der Automatisierung zahlreicher Prozesse.

Überall hin mit dem City Pass Noch mehr Komfort für die Bürger einer Gemeinde gibt es durch einen „City Pass“ auf BlockchainBasis – ein Smart-City-Konzept der Telekom. Der Pass ist entweder als Smartcard oder Mobilapp ausgelegt und ermöglicht Bürgern, aber auch Touristen den Zugang zu lokalen Diensten. Möglich ist der Einsatz als Eintrittskarte in Schwimmbäder, Büchereien, Museen, Theater und Konzertsäle, als ÖPNV-Ticket oder für die Nutzung und Bezahlung von Bike- oder Car-Sharing. Die technische Basis ist die sogenannte Blockchain, eine

re Datenbanktechnologie. Sie erlaubt automatische ServiceAbos auf der Basis eines Smart Contracts, also eines sicheren digitalen Vertrags. Die Nutzer der Karte oder App müssen sich lediglich einmal registrieren und können anschließend beliebige Services freischalten und nutzen.

Freie Parkplätze per App suchen Eine zusätzliche Möglichkeit, die allerdings die Aufrüstung von Objekten mit Sensoren erfordert, ist eine Parkraumbewirtschaftung per App. Dabei werden Einzelparkplätze, aber auch Parkhäuser und andere Stellflächen mit dem von der Telekom betriebenen Sensoren- und Maschinennetz, NarrowBand IoT, vernetzt. Funkmodule melden über diese Schmalbandtechnologie in Echtzeit, ob ein Stellplatz frei oder verfügbar ist. Eine mobile App leitet Autofahrer zu den freien Plätzen und verringert somit den lästigen Parksuchverkehr. Außerdem erledigt sie auch gleich die Bezahlung der Parkgebühren. Dabei ist die Abrechnung minutengenau, die Autofahrer müssen nur Anfang und Ende der Parkzeit bestätigen. Die App stammt von der Telekom, heißt Park and Joy und kann im Moment in Bonn und Hamburg genutzt werden. Bis Ende 2018 ist sie in weiteren 26 Städten verfügbar.

IoT-Funkmodule

Doch diese IoT-Technologie ist nicht nur für das Bewirtschaften von Parkflächen sinnvoll, es gibt weitere Möglichkeiten. So hat die Telekom im Pilotprojekt Smart City Bonn auch Straßenlaternen und Abfallcontainer mit Sensoren und Funkmodulen ausgestattet. Durch die Vernetzung der Laternenmasten wird die Stadt automatisch über den Ausfall einer Leuchte informiert und das Serviceteam kann direkt auf die Panne reagieren. Die Masten dienen darüber hinaus als Basis für weitere Sensoren, beispielsweise zur Messung der Luftqualität.

Vernetzte Container melden ihren Füllstand Die Abfallbetriebe haben da­ rüber hinaus ihre Container für Papier, Altglas und Altkleider vernetzt und mit Sensoren ausgerüstet, die regelmäßig den Füllstand prüfen. Nun können sie die Behälter rechtzeitig leeren, bevor sie überquellen. Außerdem gibt es einen Bewegungssensor, der eine neu am Container angebrachte Leuchte bei Dunkelheit einschaltet, sobald sich eine Person nähert. Diese Möglichkeiten sind allesamt recht einfach zu verwirklichen und erlauben den Städten einen effizienten Einstieg in Smart-City-Initiativen. *Danielle Schoof ist freie Autorin aus Düsseldorf.

Elektronischer Workflow DMS als digitales Kernstück (BS/Benedikt Leder*) Um bestehende Prozesse zu digitalisieren oder ganz neu zu strukturieren, stehen Verwaltungen eine Vielzahl von Möglichkeiten offen. Als Kernstück der Prozess-Digitalisierung eignet sich insbesondere ein Dokumenten-Management-System (DMS). Diese Software lässt sich direkt in alle zentralen Prozesse der Verwaltung integrieren und mit dem Rechnungswesen verbinden. So können bisher manuell durchgeführte Arbeits- und Prüfungsschritte revisionssicher digitalisiert werden. Dazu werden alle Dokumente im System zentral aufbewahrt und stehen zugriffsberechtigten Personen zur weiteren Bearbeitung jederzeit in der aktuellen Version zur Verfügung. Dies verringert Durchlaufzeiten, vermeidet Doppelarbeiten und beschleunigt die Suche nach Dokumenten erheblich.

Zeit sparen und Transparenz erhöhen DATEV konzipiert für Verwaltungen digitale Prozesse, in denen das DMS als zentrales Workflow-Instrument eingesetzt wird. Am Beispiel der vollelektronischen Rechnungsbearbeitung zeigen sich die Vorteile sofort: Erstens sparen die Anwender Zeit, weil die Mitarbeiter durch Automatismen in der Software und Workflow-Unterstützung von zeitraubenden Routinearbeiten entlastet werden. Zudem entfallen Wege- und Liegezeiten für die Rechnungen. Zweitens gewinnen sie Bürofläche zurück, die bislang als Lagerfläche für die Archivierung benötigt wird. Drittens erhöhen sich durch das zentrale digitale Archiv Transparenz und Auskunftsfähigkeit sowohl intern wie auch im Kontakt mit Bürgern und Lieferanten. Nach Prüfung der Rechnung und Buchungsfreigabe kommt der Buchungsassistent im DMS von DATEV zum Einsatz. Er belegt Teile des Buchungssatzes automatisch vor. Informationen wie das Rechnungsdatum, der Betrag oder die zu belastende Kostenstelle werden dann in strukturierter Form an das Pro-

gramm für das Rechnungswesen übergeben. Die so erzeugten Buchungsvorschläge lassen sich mit einem Mausklick freigeben. Im Anschluss an die Buchung kann im Programm ein Beleglink erzeugt werden, über den sich Buchung und Rechnung verknüpfen lassen. So werden die Rechnungen zentral elektronisch archiviert und lassen sich per Mausklick auffinden.

Schlankere Abläufe Immer mehr Kommunen entdecken diese Vorteile für sich. Hessisch Oldendorf im südlichen Niedersachsen gehört zu denen, die sie bereits für sich realisiert haben. Die rund 18.500 Einwohner zählende Stadt setzt auf ein integriertes DATEV-System aus den Lösungen für das Finanzwesen und für das Dokumentenmanagement. Flexibel einzurichtende Ablage- und Prüfmasken sowie Benachrichtigungsfunktionen haben den Workflow in der Verwaltung deutlich vereinfacht. Auch die Samtgemeinde Rosche mit knapp 6.800 Einwohnern nutzt DATEV DMS classic als zentrales Element der Prozessorganisation und freut sich über schlankere Abläufe. Mit dem Ziel, insbesondere die Durchlaufzeiten von Eingangsrechnungen deutlich zu verringern und Doppelarbeit zu vermeiden, startet die hessische Stadt Gelnhausen gerade ein entsprechendes Einführungsprojekt. DATEV ist auf der Smart Country Convention in Halle B am Stand 303 vertreten. *Benedikt Leder ist für die DATEV eG tätig.



Smart Country Convention

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Behörden Spiegel / November 2018

Viel mehr als eine Kreditkarte

Perspektivwechsel erforderlich

Mastercards Smart-City-Konzepte

Geschäftsprozesse brauchen eine 360°-Kundensicht

(BS/Bernhard Mors*) Was hat Mastercard mit dem öffentlichen Nahverkehr in London zu tun und wie half man dabei, dort jährlich 100 Millionen Britische Pfund einzusparen? Wie unterstützte Mastercard Kolin, vor den Toren Prags, bei der Transformation zur Smart City? Fragen, die viele in Deutschland eher überraschen dürften, wenn sie im Zusammenhang mit der vor allem für ihre Kredit- und Debitkarten bekannte Firma gestellt werden.

(BS/Sebastian Roth*) Verschiedene IT-Systeme mit heterogenen Datenstrukturen und unterschiedliche Datenqualitäten sind zentrale Hürden der digitalen Transformation. Die exorbyte GmbH mit Sitz in Konstanz hat sich darauf spezialisiert, vorhandene Stammdaten systemübergreifend nutzbar zu machen. Das Unternehmen plädiert für einen Perspektivwechsel bei der digitalen Transformation datengetriebener Geschäftsprozesse.

Doch die Zeiten, in denen sich bei Mastercard alles nur um Kernprodukte drehte, sind vorbei. Im engen Schulterschluss arbeitet man mit Regierungen und Kommunen an Lösungen, um Städte und Regionen effizienter und inklusiver zu machen. Der konkrete Alltagsnutzen für Menschen steht für das Technologieunternehmen dabei im Zentrum sämtlicher Vorhaben.

“Um das Potenzial der eigenen Stammdaten auszuschöpfen, müssen alle Daten berücksichtigt werden”, betont Geschäftsführer Benno Nieswand. Unterschiedlichen Qualitäten, Formate und Strukturen der Stammdaten begegnet exorbyte mit einer fallspezifischen Konfiguration – ohne die einzelnen Systeme des Kunden zu verändern.

Städte durch elektronisches Bezahlen modernisieren Bereits 2014 half Mastercard der Stadt London dabei, ihr berühmtes Transportsystem für die Zahlung mit kontaktlosen Bankkarten zu öffnen – heute werden die Hälfte aller Fahrten in dieser Form bezahlt. Nutznießer sind die Nahverkehrsgesellschaft sowie die Passagiere. Rund 100 Millionen Britische Pfund können jährlich eingespart werden, während für Fahrgäste jeweils automatisiert der günstigste Preis errechnet wird, ohne Kampf durch einen Tarifdschungel an Tages-, Wochen- oder Monatstickets. Ähnliche Konzepte wurden in Partnerschaft mit Banken in Bogotá und Mexico-City realisiert. Durch die Bereitstellung digitaler Bezahloptionen sind Schlangen an den Fahrscheinautomaten passé. Im tschechischen Kolin arbeitete Mastercard mit der lokalen Verwaltung zusammen, um den Zugang zu verschiedenen öffentlichen Diensten zu digitalisieren. So wird unter anderem der Pendlerverkehr verbessert und entlastet sowie der Alltag von

Schülern durch smarte Lösungen erleichtert.

Mit richtigen Partnern den Wandel wagen Der Erfolg Mastercards globaler Smart-City-Vision hängt auch davon ab, wie gut diese für lokale Märkte übersetzt wird. Bei der Umsetzung von Smart-CityProjekten verfolgt Mastercard ein partnerschaftliches Prinzip. Im vergangenen Jahr wurde die CityPossible-Initiative begründet. Die Idee hierbei ist, dass öffentliche, zivilgesellschaftliche und Vertreter aus Unternehmen zusammenkommen, um gemeinsam nach ganzheitlichen Antworten für die Herausforderungen der Stadt von morgen zu suchen. Diese reichen von Mobilität und Tourismus bis hin zu Energieversorgung und sozialer Integration. Wichtig ist dabei, dass es nicht bei der Erstellung von Konzepten

bleibt. Die beteiligten Akteure haben sich verpflichtet, Lösungen gemeinsam in lokalen Innovationslaboren zu entwickeln und dann auf andere Städte zu übertragen. In Chicago zum Beispiel testete Mastercard zusammen mit seinen Partnern kürzlich ein personalisiertes Informationssystem, das den Kunden des UBahn-Systems Anreize bietet, Stoßzeiten zu umgehen. Smart Cities dürfen dabei nie ein Selbstzweck sein. Es muss immer darum gehen, das Leben von Bewohnern und Besuchern einfacher und inklusiver zu gestalten. Das ist nur über Partnerschaften zwischen dem öffentlichen, privatwirtschaftlichen und zivilen Sektor möglich. *Bernhard Mors ist Vice President Worldwide Communications bei Mastercard, Frankfurt am Main.

Kontaktlose Karten bieten vielfältige Möglichkeiten für die Umsetzung von Smart-City-Projekten. Foto BS/Mastercard

Identitäten systemübergreifend erkennen “Sachbearbeiter müssen schnell und zuverlässig den richtigen Datensatz finden oder in Echtzeit eine Warnung erhalten, damit sie keine Dublette anlegen. Zudem greifen andere Prozesse auf diese Stammdaten zu, um beispielsweise Dokumente automatisch den richtigen Personen zuzuordnen”, berichtet Thilo Torkler, Kundenund Lösungsberater bei exorbyte, aus seiner Erfahrung. Mit der Such- und Abgleichtechnologie matchmaker unterstützt exorbyte die verschiedensten Fachanwendungen mit herausragender Trefferqualität in zugleich unschlagbar kurzer Zeit. Das hat sich bereits für einige Dienstleister im öffentlichen Sektor ausgezahlt. Seit zehn Jahren vertraut das ITZBund (bis Anfang 2016 die Vorgängerorganisation ZIVIT) bei der Recherche und Qualitätssicherung rund um die steuerliche Identifikationsnummer auf matchmaker. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie ein kommunales Jobcenter steigen mit der systemübergreifenden Suche über matchmaker in die Fallbearbei-

scher Prozess, der bereits bei der Anlage neuer Stammdaten greift.

Muhammad, Mohammed, Mohamed …

Benno Nieswand ist Gründer und Inhaber der exorbyte GmbH.

Foto BS/exorbyte

tung ein. Hier ist die fehlertolerante Ähnlichkeitssuche von großer Bedeutung. Der Sachbearbeiter kann in einem einzigen Formularfeld unstrukturiert Suchbegriffe eingeben. Die approximative Suche berücksichtigt fehlerhafte Eingaben und unterschiedliche Datenqualitäten sowohl in der Eingabe wie auch in den Referenzdaten – unabhängig von Schrift, Sprache, Format oder Transkription. Die Mitarbeiter im Jobcenter erhalten über matchmaker eine 360°-Kundensicht mit allen relevanten Stammdaten zu einer Person und können so zügig eine sichere Fallentscheidung herbeiführen. Zur Verbesserung der Datenqualität werden zudem quellinterne und -übergreifende Dublettencluster erzeugt, welche der Qualitätsbeauftragte auf Knopfdruck auflösen kann. Über dieselbe Technologie werden die Adressdaten regelmäßig gegen valide Straßendaten abgeglichen und korrigiert – ein automati-

Unterschiedliche Transliterationen beeinträchtigen die Datenqualität zusätzlich – besonders im Zusammenhang mit der globalen Migration erfordert dieses Thema neue Ansätze für die Stammdatensuche. Neben den gängigen phonetischen Transformationen bietet exorbyte Lösungen zur Transliteration aus Schriftsystemen wie z. B. Dewanagari, Hangul, Katakana und Mandarin. Eine für die Kerntechnologie matchmaker eigens entwickelte Kanonisierungsfunktion für arabische Namen abstrahiert verschiedenste Transkriptionsvarianten. So werden die demselben arabischen Zeichen ‚‫ ‘و‬entsprechenden lateinischen Buchstaben(Sequenzen) ‚o‘, ‚u‘, ‚w‘, ‚oo‘ und ‚ou‘ als äquivalent angesehen. Wird “‫ ”دمحم‬im angloamerikanischen Sprachraum in der Regel als Muhammad transkribiert, wertet matchmaker auch die Varianten Mohammed, Mohamed, Muhamed, Muhammed, Muhamet oder Mohammad als Treffer. Weitere Beispiele für den Einsatz von matchmaker in der öffentlichen Verwaltung finden sich unter www.exorbyte.de/behoerden. Die exorbyte GmbH ist auf der Smart Country Convention in Halle B am Stand 507 vertreten. *Sebastian Roth ist Projektleiter bei der exorbyte GmbH.

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31.10.18 16:14



Informationstechnologie / Neue Schule

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Behörden Spiegel / November 2018

Pakt ohne Siegel

Sicheres WLAN für die Bildungsoffensive

Während Bund und Länder noch feilen, beginnen Schulen mit der Ausführung

Worauf es bei der Planung ankommt

(BS/Katarina Heidrich) Die Umsetzung des DigitalPakts Schule zieht sich weiter hin. Viele Fragen sind noch ungeklärt: etwa die nach der Aufgaben- und Verantwortungsverteilung zwischen Bund und Ländern. Aber auch konkretere, wie die nach der Förderfähigkeit mobiler Endgeräte. Trotzdem ist eine Voraussetzung für die Beantragung von Mitteln aus dem DigitalPakt im Vorfeld die “Vorlage eines Medienentwicklungsplans jeder einzelnen Schule”. Ein mühsames Unterfangen. Der gemeinnützige Verein Deutschland sicher im Netz e. V. (DsiN) will mit seinem Bildungsprogramm “DigiBits” Abhilfe schaffen.

(BS/Barbara Schwartner*) Eine geeignete, störungsfreie Netzwerkarchitektur für Schulen bedarf einer umfassend gut geplanten Konzeption. Mit der Anschaffung und Installation eines Routers und einiger Access-Points ist es nicht getan.

Das Projekt trägt nun die digitale Bildung in insgesamt 30 Schulen im Saarland. “Digitalisierung bestimmt zunehmend unsere Lebenswirklichkeit. Digitale Kompetenzen entscheiden mit über den zukünftigen Bildungserfolg junger Menschen. Wir müssen unsere Schülerinnen und Schüler daher in allen Fächern konsequent darin fördern und Medienbildung als durchgängiges Prinzip verankern”, betont die saarländische Bildungsstaatssekretärin Christine StreichertClivot zum Auftakt der Initiative. Die Resonanz der Schulen im Saarland auf das neue Angebot ist deutlich: Bereits Wochen vor dem Startschuss lagen Bewerbungen für zwei Drittel aller Programmplätze vor. DigiBitS bietet konkrete Unterrichtskonzepte für den Fachunterricht zur Förderung digitaler Kompetenzen sowie Online-Angebote und eine physische Materialbox für das Klassenzimmer. Im Fokus stehen didaktische Anregungen, um Medienbildung lebendig zu vermitteln. Das Angebot umfasst auch eine Weiterbildung für Lehrkräfte und steht teilnehmenden Schulen kostenfrei zur Verfügung. Zudem gehe es bei der Verbreitung digitaler Kompetenzen auch um Bildungsgerechtigkeit, so Streichert-Clivot. “Es ist da­ rauf zu achten, dass der Zugang nicht von den finanziellen Möglichkeiten des Elternhauses abhängt, sondern alle Kinder einen gleichberechtigten Zugang zu den entsprechenden Geräten ha-

Die Idee zum Pakt zwischen Bund und Ländern zur digitalen Ausstattung der Schulen steht – nur die konkrete Vereinbarung ist noch nicht besiegelt. Foto: sik-life, CC0, pixabay.com

ben. Um dem entgegenzuwirken, wollen wir auch Geld aus dem Digitalpakt dafür nutzen, unsere Schulen technisch fit für eine moderne Bildung zu machen.”

Start unklar Doch ab wann die Schulen die Fördermittel aus dem DigitalPakt beantragen können, ist noch ungewiss. Vereinbart soll er von Bund und Ländern “vo­ raussichtlich Ende 2018” werden, wie es aus dem Bundesbildungsministerium heißt. “Seit über zwei Jahren reden wir über den DigitalPakt Schule. Jetzt muss der Bund dafür sorgen, dass die Gelder auch wie vereinbart zum Beginn des kommenden Jahres fließen“, fordert der sachsenanhaltinische Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. Die Länder wollten die Verhandlungen mit dem Bund noch 2018 abschließen, damit zum Jahresbeginn 2019 der Programmstart

Wenn die Technik der Pädagogik folgt Es geht darum, Lerntechnologie so auszulegen, dass der Unterricht interaktiv, intuitiv und kollaborativ gestaltet werden kann. Digitale Unterrichtswerkzeuge müssen daher so ausgewählt werden, dass sie den Lehrenden Zeit sparen und Nerven schonen. Digitale Lernwerkzeuge unterscheiden sich erheblich von “normalen” Technologieanschaffungen. Sinnvoll ist es auch, Schritt für Schritt

Sind Endgeräte förderfähig? “Förderfähig sind insbesondere die breitbandige Verkabelung der Schulen, die WLAN-Ausleuchtung sowie stationäre Endgeräte wie zum Beispiel interaktive Tafeln,” heißt es aus dem Bildungsministerium. Konkrete Fördergegenstände und -bedingungen werden allerdings erst in der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern festgelegt. So sollen aus Sicht des Bundes lediglich standortbezogene Anzeigegeräte in den Schulen förderfähig sein. Mobile Endgeräte im Besitz der Schüler und Lehrkräfte aber nicht. Für die Ausgestaltung dieser Regelung verweist der Bund aber wieder an die Zuständigkeit der Länder. Entscheiden die, dass mobile Endgeräte Teil des Medienkonzeptes ihrer Schulen sein sollen, ist die Bildungsgerechtigkeit hinfällig.

eWLAN®-Partner berät vor Ort Der Nutzen stiftende Effekt eines ausreichend dimensionierten und sicheren WLAN-Netzwerks für Schulen ist unstrittig. Ein solches Netzwerk über einen Managed Service zu installieren und technisch überwachen zu lassen, vermeidet hohe An-

Damit die Digitalisierung an den Schulen gelingt, braucht es eine sichere Netzwerkarchitektur. Foto: BS/svetikd, istockphoto.com

fangsinvestitionen und sorgt mit permanentem Monitoring für störungsfreie Netzwerkstabilität sowie stets aktuelle Sicherheitsund Softwareupdates. Damit erhalten Bildungseinrichtungen ein hochverfügbares, störungsfreies, performantes und sicheres Netzwerk, das nach individuellen Anforderungen konzipiert wird. So schaffen sie die Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung neuer pädagogischer Konzepte für die Digitalisierung der Bildung. Für Investitionen in die IT-In­ frastruktur stehen bereits heute Fördermittel des Bundes und der EU zur Verfügung. Die eWLAN®-Partner beraten ihre Kunden vor Ort und konzipieren die individuell beste

Berufsschule 4.0

M

it dem digitalen Wandel in der Arbeitswelt sind neue Kompetenzen gefragt, die kollaborative Arbeitsprozesse ermöglichen. Hierfür brauchen wir Arbeitnehmer, die digitale Strukturen als Regel und nicht als Ausnahme verstehen. Deshalb müssen digitale Kompetenzen bereits in der Schule vermittelt werden. Das haben auch Bund und Länder erkannt und den DigitalPakt Schule beschlossen, der 2019 in Kraft treten soll. Damit eröffnet sich für Schulträger und Schulen eine neue finanzielle Quelle, um die digitale Bildung zu fördern. Wir sprechen hier bewusst von digitalen Werkzeugen, denn es sollen nicht nur digitale Strukturen und Kompetenzen vermittelt werden, sondern die Werkzeuge dienen als Mittel zum Zweck für einen besseren Unterricht, mit höheren Lernerfolgen. Vor allem Beschaffungsverantwortliche bei Kommunen, an Schulen oder bei Schulträgern stehen nun vor großen Aufgaben. Denn wenn es daran geht, zu entscheiden, was nun eigentlich an den Schulen eingebaut oder nachgerüstet werden soll, so sehen sie sich einem Dschungel aus zahlreichen Herstellern, Serviceanbietern, Geräten und Softwarelösungen gegenüber.

möglich werde, so der Ministerpräsident. Wichtig sei zudem eine Regelung, wonach Eigenleistungen der Länder und Kommunen, die früher erbracht wurden, nicht als förderunschädlicher vorzeitiger Maßnahmenbeginn berücksichtigt würden. Ansonsten drohe, dass wichtige Investitionen in die digitale Bildung weiter aufgeschoben würden und Eigeninitiative bestraft werde. Der Bund müsse zudem die verfahrensmäßigen Voraussetzungen für den flächendeckenden Anschluss der Schulen an das digitale Breitbandnetz schaffen.

Ein sinnvolles und sicheres Netzwerk für Schulen muss vielfältige Anforderungen erfüllen, zum Beispiel: Ausreichender Datendurchsatz und Geschwindigkeit für gleichzeitige Nutzung durch viele Schüler; angemessene Bandbreiten für unterschiedliche Einsatzzwecke; Schutz vor Missbrauch; Schutz vor jugendgefährdenden Inhalten (Content-Filter, Blackund White­listings); mehrere, geschützte Netzwerke (Lehrerkollegium, Schulbücherei, Musikraum etc.), Content-Filter auch zur Lösung der CopyrightProblematik. Auch Fragen zur Rechtssicherheit (Haftung) müssen geklärt und das Netzwerk entsprechend strukturiert werden, bevor Investitionsentscheidungen für eine technische Lösung getroffen werden können. Patentlösungen gibt es nicht, jede Schule hat ein individuelles Anforderungsprofil in Abhängigkeit von räumlichen Gegebenheiten, soziokulturellem Hintergrund der Schüler und natürlich dem pädagogischen Konzept zur Digitalisierung. Und: Wie stellt man sicher, dass heute getroffene Entscheidungen auch in einigen Jahren noch den Anforderungen genügen?

So gelingt die Beschaffung digitaler Bildungswerkzeuge! (BS/Christian Schwaiger*) Das Thomas-Eßer-Berufskolleg in Euskirchen nutzt SMART Boards im Unterricht. Mit Erfolg: Dank einer klugen und überlegten Beschaffungsstrategie haben sich Lernergebnisse und Motivation der Schülerinnen und Schüler verbessert. Auch die Firmen im Umkreis geben positive Rückmeldungen. Ein Beispiel, wie die Beschaffung digitaler Lernwerkzeuge gelingen kann. trieben, deren Azubis die Schule besuchen, sind durchweg positiv. Christian Meißner unterrichtet Mathe und Politik am TEB. Er brachte früher öfter Modelle mit in den Unterricht, um mathematische Formeln zu erklären. “Aber ein Modell hat seine Grenzen. Mit dem SMART Board kann ich 3D-Animationen einsetzen, ich kann sie drehen und die Schüler können selbst interaktiv damit umgehen”, erläutert er. “Durch die weiteren Darstellungsebenen stellt sich bei den Schülern, die vorher kein rechtes Verständnis für das abstrakte Konzept aufbringen konnten, oft ein AhaEffekt ein.” Mathe in 3D: Die Schüler am TEB nutzen die Technologie im Unterricht selbstsicher und gern. F oto: BS/SMART Technologies

zu investieren und seine Ausstattung so zu gestalten, dass sie mit wenig Aufwand erweitert werden kann. Wie das gelingen kann und welche Ergebnisse das bringt, zeigt das Beispiel des Thomas-Eßer-Berufskollegs (TEB) in Euskirchen! Als Hersteller, der seit gut 25 Jahren im Bildungssektor tätig ist, arbeitet SMART Technologies eng mit Schulen zusammen und befragt regelmäßig Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Schülerinnen und Schüler zu ihren Erfahrungen mit den genutzten digitalen Geräten. So lernen wir, wie Technologie aussehen muss, um im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden zu können. Sinnvoller Einsatz von Technologie heißt für uns: Die Lernergebnisse der Schüler, ihre Noten und ihre Motivation verbessern sich und die Lehrer können ihren Unterricht

schneller vorbereiten und mit neuen Konzepten durchführen. Durch die gelungene Kombination aus pädagogischer Methode, professioneller Lernsoftware und SMART Boards konnte das TEB die Schülerinnen und Schüler zu mehr Mitarbeit im Unterricht motivieren, stille und schwächere Schüler besser integrieren und den Lernerfolg der Klassen steigern.

Erfahrungsberichte aus einer Berufsschule Mit rund 2.600 Schülerinnen und Schülern ist die Schule das größte Berufskolleg in Euskirchen. Ab dem Jahr 2014 wurden dort mehrere Klassenzimmer auf SMART Boards umgerüstet. Sie sind das zentrale Element. Denn sie vereinen Tafel, OverheadProjektor, Scanner, CD-, DVD-, Video- und Audiogeräte. Dies

spart nicht nur Kosten, sondern auch viel Unterrichtszeit sowie Wartungs- und Betreuungszeit. Die Rückmeldungen von Lehrkräften, der Schülerschaft, aber auch von Unternehmen und Be-

Präsentationskompetenz wird von Firmen geschätzt Die Schülerinnen und Schüler nutzen die interaktiven Möglichkeiten der SMART Boards für ihre eigenen Präsentationen. Wenn sie in der Informationstechnik

Der DigitalPakt Schule kommt (BS) Anfang 2019 werden fünf Milliarden Euro vom Bund zur Verfügung gestellt, um die Infrastruktur und Ausstattung an Schulen in Deutschland zu verbessern. Auch in den einzelnen Bundesländern laufen eigene Initiativen. Schulen sollten diese Möglichkeit nutzen. Wie findet man sich im Beschaffungsdschungel zurecht? Informationen und praktische Tipps zu pädagogischen Konzepten, Aus- und Weiterbildung von Lehrenden, Erstellung von Medienentwicklungsplänen, Technologie, Netzwerkinfrastruktur, BYOD und der Beschaffung und Etablierung digitaler Bildungslösungen an Schulen bietet der neue Wegweiser Digitale Bildung 2.0. Kostenlos anfordern unter: www.netzwerk-digitale-bildung.de/ beschaffung . Die Geschichte vom TEB und andere praktische Beispiele finden Sie auf: http://dach.smarttech.com .

Lösung. Nach der HardwareAnschaffung und -installation gewährleisten sie den reibungslosen Betrieb des WLAN-Netzes im Rahmen eines individuell vereinbarten Managed Services. Der Partner vor Ort berät anschließend über die Möglichkeiten der Digitalisierung wie zum Beispiel die Einführung eines digitalen schwarzen Bretts oder die Refinanzierung der Kosten. Weitere Infos, ein Whitepaper und Ihren eWLAN®-Premium Partner vor Ort finden Sie unter: www.ewlan.de/wlan-gast zugang/bildung . *Dipl.-Kffr. Barbara Schwartner ist Projektmanagerin bei der Compass Gruppe.

Präsentationen halten, dann geht es häufig um sehr komplexe Darstellungen von Netzwerkstrukturen oder Algorithmen. “Es ist gar nicht mehr vorstellbar, dass man das an einer Schiefertafel unterrichtet oder in normalen Power-Point-Präsentationen zeigt,” sagt David Höfner, Deutschlehrer und Ausbildungskoordinator der Informationstechnischen Assistenten (ITA). Fadil, ein Schüler, der Netzwerkadministrator werden möchte, bestätigt: “Ich konnte meine Netzwerkstrukturen, die ich für ein Unternehmen gezeichnet habe, immer flexibel halten und sie wurden animiert. So kann sich das auch ein Laie anschauen und versteht es auf Anhieb.” Besonders vorteilhaft wird der Einsatz der SMART Boards von Firmen und Betrieben wahrgenommen, deren Azubis die Schule besuchen. So werden am TEB mit und für Firmen Projekte durchgeführt – mit Meetings, Präsentationen und allem, was dazugehört. Viele der Unternehmen schätzen es, dass die Schülerinnen und Schüler dort an gleichwertigen Präsentationsmedien arbeiten und lernen, die sie später auch im Betrieb vorfinden. Melanie Stemmler-Zeglin, Lehrerin für Spanisch und Wirtschaftswissenschaften, betont: “Wir wollen unsere Schülerinnen und Schüler auf den Beruf optimal vorbereiten und man kann schon sagen, dass mithilfe der SMART Boards die Präsentationskompetenz eindeutig zugelegt hat.” Schülerin Melanie berichtet: “Ich bin bei Präsentationen, zum Beispiel im Deutsch- oder im BWL-Unterricht, besser geworden. Das hat meine Note ziemlich gerettet.” *Christian Schwaiger ist Geschäftsführer von SMART Technologies Deutschland.


Die sichere Landesbehörde

Behörden Spiegel / November 2018

An einem Strang ziehen

“W

ir dürfen die Digitalisierung nicht angehen, ohne die Cyber-Sicherheit ausreichend zu berücksichtigen”, betonte der Innenminister. Wirklich im Blick habe der Staat das Pro­ blem erst seit wenigen Jahren. Es sei “höchste Zeit”, dass alle sich dem stellten, so Pistorius (SPD) auf dem Cyber-Sicherheitstag Niedersachsen, den das niedersächsische Innenministerium gemeinsam mit dem Behörden Spiegel und den kommunalen Spitzenverbänden des Landes in Hannover veranstaltete. Vor rund 300 Teilnehmern aus Verwaltung, vor allem Kommunen und Landkreise, Hochschulen und Wirtschaftsverbänden des Landes verdeutlichte Pistorius die aktuelle Bedrohungslage. Die Risiken im Cyber-Raum würden spürbar zunehmen – nicht nur in Masse, sondern vor allem auch an Qualität. In Verbindung mit der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung aller Lebensbereiche ergebe sich eine Bedrohungssituationen auf ganz neuem Niveau. Auf solche Risiken hat Niedersachsen in den letzten

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Niedersachsen setzt bei Cyber-Sicherheit auf Zusammenarbeit (BS/stb) “Niemand kann sagen, wie unsere Welt im Jahr 2030 aussehen wird”, so der niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, mit Blick auf die zu erwartenden digitalen Umschwünge. “Es muss uns aber gelingen, zumindest auf die Gefahren vorbereitet zu sein, die wir jetzt schon sehen.” Niedersachsen arbeite in dem Sinne seit Jahren an einer robusten Sicherheitsarchitektur. Einen wichtigen Schlüssel sieht Pistorius in der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Nicht nur innerhalb der Landesverwaltung, sondern auch mit Bund und Kommunen. Jahren mit regulatorischen und organisatorischen Maßnahmen reagiert. Schon 2011 wurde eine Leitlinie für die Informationssicherheit in der Verwaltung verabschiedet. 2012 folgte die Cyber-Sicherheitsstrategie des Landes. Im kürzlich beschlossenen “Masterplan Digitalisierung” ist die Informationssicherheit fest verankert. Die Sicherheitsbehörden bauen ihre Kompetenzen kontinuierlich aus, so das Landeskriminalamt mit einem Cyber-Labor. Für die Sicherheit der Landesbehörden sorgt das N-CERT (niedersächsisches Computer Emergency Response Team). Das derzeit sechsköpfige Team aus Sicherheitsexperten ist die

Der niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Borius Pistorius, stellte klar: “Bei der Cyber-Sicherheit müssen wir alle an einem Strang ziehen.” Foto: BS/Stiebel

Keine Roboter bei Hannover 96 (BS) Für einen gelungenen Abschluss des Cyber-Sicherheitstages Niedersachsen sorgte die Gesprächsrunde zum Luxusgut persönliche Daten am Beispiel Spitzensport. “Die digitale Wertschöpfung auf Basis von Daten spielt heute im Profisport und speziell beim Fußball eine enorme Rolle”, stellte Mario Leo, CEO bei Result Sports, klar. Das bestätigte auch André Breitenreiter, der im Hannover Congress Centrum gewissermaßen zum Heimspiel angetreten war. Der Trainer des FußballBundesligisten Hannover 96 sprach über das Potenzial von Datenanalysen. Detaillierte Informationen über Ballbesitz, Laufstärke und Passquoten sowie Fitness- und Gesundheitsdaten der Spieler ermöglichten speziell zugeschnittene Trainingsinhalte. “So können wir die Spieler gezielt fördern und weiterbringen.” Doch Leistungsdaten rücken nicht nur für Spieler und Trainer immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die FIFA-Fußballschiedsrichterin Bibiana Steinhaus muss regelmäßig Fitnessdaten an ihren Personal Trainer schi-

Von links: Prof. Jürgen Sucka, Bibiana Steinhaus, Peter Michael Zernechel (Moderation), André Breitenreiter, Mario Leo Foto: BS/Stiebel

cken und erhält Anweisungen zum Training zurück: “Die Kontrolle ist schon sehr stark ausgeprägt.” Hier knüpfte Prof. Jürgen Sucka, Abteilungsleiter im niedersächsischen Innenministerium an. “Daten sind nicht alles. Wir dürfen die Gefahr nicht verkennen, den Menschen im Streben nach optimaler Leistung zu objektivieren.” Gerade bei jungen, ehrgeizigen Nachwuchstalenten und oft nicht weniger

ehrgeizigen Eltern sei es mit der informierten Einwilligung im Sinne des Datenschutzrechts nicht weit her, warnte Sucka. Für etwas Beruhigung konnte wiederum Breitenreiter sorgen. Auf die Vertraulichkeit der Daten, selbst gegenüber den Mannschaftskameraden, werde viel Wert gelegt. Zu sehr dürfe man sich auf die Daten ohnehin nicht verlassen. “Wir trainieren ja keine Roboter, sondern Menschen. Die Persönlichkeit steht im Vordergrund.”

zentrale Informationsdrehscheibe für konkrete Bedrohungen für die Verwaltungs-IT und erster Ansprechpartner bei Sicherheitsvorfällen. Auch rund 60 Kommunen partizipierten bereits, wie Innenminister Pistorius erklärte. Es gebe aber noch Luft nach oben. “Wir wollen das N-CERT weiter ausbauen und weiterentwickeln, damit den Kommunen in Niedersachsen mittel- und langfristig künftig noch mehr Leistungen zur Verfügung stehen.” Das begrüßte auch Dr. Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes. “Wir freuen uns über die Hilfestellung, denn nicht jede Kommune im flachen Land verfügt über das nötige Personal zur Bewältigung der Aufgaben.” Viele IT-Abteilungen seien über die Jahrzehnte gewachsen und durch Mitarbeiter aufgebaut worden, die sich erst selbst ins Thema hätten einarbeiten müssen. “Das reicht heute aber nicht mehr aus”, stellte Trips klar. “Viele Kommunen sind entsprechend auf Dienstleister und die Unterstützung des Landes angewiesen.” Mit der Gewinnung von Fachkräften gerade im Bereich ITSicherheit tun sich aber längst nicht nur Städte und Gemeinden schwer. Auch auf Landesebene können Behörden nicht mit Gehältern in der Wirtschaft mithalten. Darüber könnten auch Zulagen nur bedingt hinweghelfen, wie auch Pistorius einräumte. “Um dem zu begegnen, haben

wir jetzt wieder Ausbildungen zum Verwaltungsinformatiker geschaffen. Selbst ausbilden war noch immer der beste Weg.” Isabel Skierka, Forscherin am Digital Society Institute, sah einen Hemmschuh in den starren Strukturen in der Verwaltung. Das Muster einmal “Beamter, immer Beamter” schrecke ab. “Karrierepfade sollten sich flexibler gestalten lassen. Auch mehrmalige Wechsel zwischen Verwaltung und Wirtschaft müssen als normal angesehen werden.” So ein Kulturwandel müsse aber aktiv vorangetrieben werden. Als vielversprechenden Ansatz nannte Skierka die Idee einer Cyber-Reserve bei der Bundeswehr. Neben Angeboten an die Kommunen wurde auf dem Cyber-Sicherheitstag Niedersachsen auch die Zusammenarbeit der Länder untereinander und mit dem Bund intensiv diskutiert. “Die Cyber-Sicherheit ist schon heute eine Aufgabe, die kein Land mehr allein bewältigen kann”, stellte Pistorius fest. “Unsere föderale Vielfalt darf hier kein Nebeneinander sein und schon gar nicht zu Doppelstrukturen führen.” Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) brachte er als zentrale Stelle für die Koordinierung und Vernetzung ins Spiel. Dafür warb auch BSI-Präsident Arne Schönbohm, der in den letzten Monaten Kooperationsvereinbarungen mit mehreren Ländern geschlossen hatte – mit Niedersachsen im Frühjahr 2018. “Die Länder sind bei der Cyber-Sicherheit sehr unterschiedlich aufgestellt und strukturiert und haben ganz unterschiedliche Stärken und Schwächen. Wir machen ihnen jeweils das Angebot, ganz individuell Unterstützungs- und Dienstleistungsangebote in Anspruch zu nehmen.” (Mehr dazu auf Seite 38)

Schaden begrenzen Identitäten unterliegen dem größten Angriffsrisiko (BS/Dr. Volker Strecke*) Kompromittierte Identitäten werden von Cyber-Kriminellen am häufigsten missbraucht. Bei 63 Prozent aller Datenmissbrauchsfälle waren laut Verizon DBIR Identitäten betroffen. Es werden daher sichere Kontrollmechanismen für Identitäten benötigt, die die Sicherheit erhöhen und die Risiken senken, um so Verlust und Schaden zu begrenzen.

IT-Sicherheit in Landesbehörden Zur Basisabsicherung gehört mehr dazu (BS/ Jochen Koehler*) Behörden und öffentliche Institutionen geraten zunehmend ins Visier von Cyber-Angreifern. Ausreichend geschützt sind sie in aller Regel nicht, denn klassische Sicherheitsmaßnahmen sind unzureichend. Benötigt werden neue Lösungen, die nicht auf die Detektion von Angriffen angewiesen sind, sondern alle potenziell gefährlichen Anwenderaktivitäten isolieren. Wie Unternehmen auch, erhalten Landesverwaltungen – von Obersten bis zu Unteren Landesbehörden – eine hohe Anzahl an E-Mails, die schadhaften Code wie Viren oder Trojaner enthalten können. Die damit verbundenen Gefahren für Behördennetze und vertrauliche Daten von Bürgerinnen und Bürgern sind offensichtlich.

Detektion gibt es nicht ohne Restrisiko Klassische IT-Sicherheitsmaßnahmen wie Firewalls, Web- und E-Mail-Filter oder Antiviren(AV)Programme sind in Behörden Standard. Einen ausreichenden Schutz bieten sie allerdings nicht. Der Grund: Sie sind unter Nutzung von Signaturen, Verhaltensanalysen oder heuristischen Methoden auf die Malware-Erkennung angewiesen. Bisher unbekannte Schadsoftware wie ein neuer Virus ist mit solchen Verfahren kaum erkennbar. Auch die sogenannten NextGeneration-AV-Produkte bieten keine zuverlässige Lösung. Sie erreichen etwa in Produktvergleichstests bestenfalls eine Erkennungsrate von 99 Prozent, wohlgemerkt von bekannter Malware. Die gefährliche Lücke nicht erkennbarer Malware besteht also immer. Vollständige Sicherheit für Behörden bietet letztlich nur

das Beseitigen dieses verbleibenden Restrisikos. Dabei rücken neue Sicherheitslösungen ins Blickfeld, und zwar solche, die eine völlig andere Methodik als klassische Tools verfolgen. Isolation statt Detektion lautet dabei der neue Trend. Das technische Fundament dafür bildet vielfach die Virtualisierung. Nicht auf die Detektion, sondern auf die Isolation zielen etwa Secure-Browsing-Lösungen ab. Sie werden aktuell häufig in Ergänzung zu klassischen Sicherheitslösungen als zusätzliche Sicherheitslayer eingesetzt, um den zentralen Angriffsvektor Browser zu schützen. Gerade in der öffentlichen Verwaltung wird momentan häufig die Einführung solcher Lösungen in Erwägung gezogen. Sie gehen mit der Isolation von Gefahrenherden in die richtige Richtung, greifen aber mit ihrer Browser-Fokussierung zu kurz, da sie andere Sicherheitsgefahren für Endgeräte wie E-Mails, Downloads oder USB-Speichermedien unberücksichtigt lassen.

Secure-Browsing greift zu kurz Der eingeschränkte Funktionsumfang von Secure-Browsing-Lösungen wird auch der aktuellen Bedrohungslandschaft nicht mehr gerecht. Eine Studie von Bromium hat ergeben, dass

Browser-basierte Attacken an Bedeutung verloren haben und Filebasierte Angriffe gegenwärtig die größte Gefahr darstellen. Bromium hat für seine Untersuchung die bei seinen Kunden im ersten Halbjahr 2018 aufgetretene Schadsoftware detailliert analysiert – und zwar diejenige, die von klassischen Sicherheitslösungen wie Antiviren-Software, WebfilterProgrammen oder Firewalls nicht aufgehalten wurde. Das Ergebnis ist eindeutig: Rund 80 Prozent aller Attacken sind File-basiert und nur 20 Prozent Browserbasiert. Bei der File-basierten Malware entfallen circa 70 Prozent auf Browser-Downloads und 30 Prozent auf E-Mail-Anhänge. Die für die Angriffe am häufigsten genutzten Dateitypen sind *.doc, *.xls, *.pdf und *.exe.

Alle Aktivitäten isolieren Das Ergebnis zeigt, dass Browser-Schutz alleine nicht ausreichend ist. Eine umfassende Sicherheitslösung muss alle riskanten Anwenderaktivitäten mit Daten aus unbekannten Quellen berücksichtigen, nicht nur das Aufrufen einer Webseite, sondern vor allem auch das Öffnen eines E-Mail-Anhangs oder das Downloaden eines Dokuments. Und diesen Weg geht Bromium mit seiner Lösung Secure Platform, die auf Isolation mittels Virtualisierung setzt.

Technologisches Fundament der Secure Platform ist die MicroVirtualisierung. Die Lösung realisiert unter Nutzung eines speziell im Hinblick auf Sicherheit eigenentwickelten Hypervisors und der integrierten Virtualisierungsfeatures der aktuellen CPU-Generationen Hardwareisolierte Micro-VMs für alle riskanten Anwenderaktivitäten. Jeder einzelne Task läuft dabei in einer eigenen Micro-VM – und zwar strikt getrennt voneinander, vom eigentlichen Betriebssystem und vom verbundenen Netzwerk. Konkret heißt das, dass alle einzelnen Aktivitäten voneinander isoliert werden, zum Beispiel unterschiedliche Seitenaufrufe in einem Browser oder das Öffnen verschiedener Dokumente mit Word, Excel oder anderen Anwendungen. Mögliche Schädigungen bleiben immer auf die jeweilige MicroVM beschränkt, die zudem nach Beendigung einer Aktivität, etwa dem Schließen eines Files, automatisch gelöscht wird. Damit wird zuverlässig verhindert, dass ein Schadprogram ein Endgerät und damit das Behördennetzwerk kompromittiert. Auch versteckte Malware hat dann keine Chance mehr und läuft ins Leere. *Jochen Koehler ist Regional Director DACH bei Bromium in Heilbronn

Bei der RSA SecurID® Suite handelt es sich um ein regelbasiertes Identitäts- und Zugriffsmanagement, welches Funktionen bietet wie • eine sichere, risikoorientierte und benutzerfreundliche Zugriffssteuerung für eine eindeutige Identity Assurance, • Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben und Richtlinien, • Einfache Bereitstellung der Berechtigungen für Anwender. Mit RSA SecurID® Access kann jeder Benutzer standort­ unabhängig auf Daten zugreifen. Behörden oder Unternehmen erhalten mit RSA SecurID® Access die volle Kontrolle über ihre Peripherie. Möglich wird das durch eine Vielzahl von sicheren Authentifizierungsmethoden sowie durch SSOZugriff auf gängige Web- und SaaS-Anwendungen, Smartphone-Apps und IT-Systeme wie z. B. VPN, Firewalls, virtuelle Desktops und Linux- oder Windows-Server.

Die komplette RSA SecurID® Suite ermöglicht • richtlinienbasierte Identitätsprüfung und standortunabhängigen Zugriff auf definierte Netzwerkressourcen wie VPNs, Firewalls, Cloud, etc. (RSA SecurID Access), • die vereinfachte Verwaltung von Zugriffsberechtigungen im gesamten Unternehmen, sodass die diesbezügliche Compliance gewährleistet ist (RSA Governance), • vereinfachte und automatisierte Anforderungsprozesse, d. h. wie Zugriffe angefordert, genehmigt und zur Verfügung gestellt werden (RSA Lifecycle). Für weitere Informationen, Teststellungen und Anfragen kontaktieren Sie bitte das Team von Arrow für RSA: rsa.ecs.de@ arrow.com, Tel: 089/930990 *Dr. Volker Strecke ist Senior Business Development Manager bei Arrow ECS AG.


Die sichere Landesbehörde

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Behörden Spiegel / November 2018

Sichere Verwaltung im kleinen Flächenland

Bund und Länder Hand in Hand

Thüringen auf dem Weg zur IT-Sicherheit auf bundesdeutschem Niveau

Das BSI als Kompetenzzentrum für die Cyber-Sicherheit

(BS/Dr. Hartmut Schubert) Was dem Skifreund der Schnee, was dem Gartenfreund der Regen und manchem der Morgenkaffee – ohne das geht es einfach nicht. Also: ohne IT-Sicherheit keine digitale Verwaltung. Das Papier ersetzen Dateien, den Blätterwald lichten Suchfunktionen. Bei der Einführung der E-Akte wähnt sich mancher darüber hinaus im innerbehördlichen Ringkampf. Die IT-Sicherheitsexperten sind mittendrin. In Thüringen wurde im Jahr 2015 das Sprach- und Datennetz des Landes durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sicherheitszertifiziert. Nach den jährlichen Überwachungsaudits steht nun 2019 die neue Zertifizierung nach dem neuen Standard des BSI an.

(BS/Benjamin Stiebel) Bei der Cyber-Sicherheit ist enge Zusammenarbeit unverzichtbar. Das weiß auch die öffentliche Verwaltung. Darum baut das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gerade massiv sein Netzwerk aus. Vier regionale Verbindungsbüros sollen die Leitung zu Behörden und Unternehmen gleichermaßen kurzhalten. Die Kooperation mit den Ländern wird durch individuelle Erklärungen konkretisiert.

Dies betrifft in Thüringen einen Verbund von circa 620 Behördenstandorten mit den dazugehörenden WAN- und LANKomponenten und circa 22.000 Voice-over-IP-Teilnehmern. Circa 120 Grundschutz-Bausteine sind zu modellieren und rund 500 Grundschutz-Maßnahmen zu evaluieren. Die erneute Zertifizierung nach dem neuen Grundschutz-Standard erfordert erneut die Beantwortung von 15.000 Fragen. Alle wichtigen Standorte (Hauptstandorte), in denen ITSysteme des Informationsverbunds aufgestellt sind, werden begangen. Das ist eine gewaltige Aufgabe für den Freistaat. Denn es ist schlichte Tatsache: Die Ressourcen in kleinen Flächenländern wie Thüringen sind begrenzt. Um IT-Sicherheit auf hohem Niveau zu garantieren, hat Thüringen zwei strategische Schwerpunkte gesetzt. Erstens Zentralisierung und Vernetzung und zweitens Kooperation.

Zentralisierung und Vernetzung Die teilweise inhomogene ITLandschaft bedarf einer zen­tralen Gestaltung und Koordinierung. Die Rolle der zentralen IT-Ausrichtung für den Freistaat Thüringen hat hierbei das Thüringer Finanzministerium übernommen. Das Thüringer Landesrechenzentrum ist der technische Dienstleister. Das bereits seit Jahren bestehende CERT (Computer Emergency Response Team) in der Landesverwaltung mit seinem Warn- und Informationsdienst sowie die Koordinierung von auftretenden Sicherheitsvorfällen wird nun gemäß des IT-Planungsratsbeschlusses professionalisiert und erweitert. Mit dem im Jahr 2017 gestarteten Projekt wird mithilfe erfahrener externer CERT-Spezialisten das neue “ThüringenCERT” in das Landesrechenzentrum integriert. Die technische Ausstattung, ein Dienstleistungs- und Aufgabenkatalog sowie die Adaption der CERT-Arbeitsprozesse werden in die bestehende Rechenzen­ trumsorganisation eingegliedert. Das hierbei entstandene CERTHandbuch ist dabei die Grundlage der neu geschaffenen Spezialeinheit. Seit dem 1. August 2018 wird das ThüringenCERT personell besetzt. Dabei sieht sich auch Thüringen auf dem hart beworbenen Stellenmarkt nach

IT-Sicherheitsfachkräften um. Für das Land wurde eine Informationssicherheitslinie erarbeitet, die die strategische Grundlage für Sicherheitsmaßnahmen ist. IT-Sicherheitsbeauftragte und Informations-Sicherheitsrevisoren werden stetig ausgebildet. Damit wird das Sicherheitsnetz personell dichter, Informationen fließen schneller. Die IT-Sicher-

“In der engen Zusammenarbeit der Länder liegt die Zukunft des E-Governments in Deutschland.” heitsexperten vor Ort können für die Behörde passgenaue, zum Beispiel bauliche, technische oder organisatorische, Maßnahmen zur Abwendung von Risiken ergreifen. Sensibilisierungsmaßnahmen für Behördenleiter und Mitarbeiter greifen vor Ort. Das Land sieht sich zudem als zentrale Anlaufstelle für seine Kommunen. Das verdeutlicht die im Oktober unterzeichnete Rahmenvereinbarung über die Zusammenarbeit in den Bereichen E-Government und Informationstechnik. Perspektivisch sollen auch die Kommunen in die Prozesse des ThüringenCERTs eingebunden werden. So will Thüringen aus dem IT-Fördertopf von 80 Millionen Euro für kommunales E-Government die Ausbildung von IT-Sicherheitsbeauftragten in Kommunen und die Beratung der Kommunen zur IT-Sicherheit unterstützen.

Kooperation Hier zeigt sich der zweite Weg: Kooperation. Eine gesamtstaatliche Cyber-Sicherheitsarchitektur muss die Bund-Länder-Zusammenarbeit verstärken. Gute Konzepte und sicherheitsrelevante Informationen müssen ausgetauscht werden. Das hat Thüringen als Vorsitzland der AG Informationssicherheit des ITPlanungsrates im vergangenen Jahr immer wieder betont. Gemeinsam mit Dr. Gerhard Schabhüser, dem Vizepräsidenten des BSI, habe ich Anfang November auf dem ersten Thüringer E-Government-

Fazit Das Internet hat uns gelehrt, geografische und nationale Grenzen zu überwinden. Wo der Kartograf noch eine Grenze zieht, verblasst für den IT-Experten diese Linie mehr und mehr. In der Kooperation und der engen Zusammenarbeit der Länder liegt die Zukunft des E-Governments in Deutschland. Es ist sinnvoll, durch Spezialisierung und Bündelung von Aufgaben und entsprechende Kooperationen arbeitsteilig vorzugehen. Insbesondere für kleinere Flächenländer wie Thüringen ist dies ein guter Weg, um für seine Bürgerinnen und Bürger eine leistungsfähige Verwaltung mit IT-Sicherheit auf bundesdeutschem Niveau zu bieten.

Dr. Hartmut Schubert ist Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium und Beauftragter des Freistaats Thüringen für E-Government und IT (CIO). Foto: BS/TFM

Doppelstrukturen vermeiden Im Kern geht es darum, den bei der Cyber-Sicherheit durchaus unterschiedlich gut aufgestellten Ländern individuell unter die Arme greifen zu können. Dazu sagt BSI-Präsident Arne Schönbohm: “Es ist angesichts der zunehmenden Vernetzung und der hohen Innovationsgeschwindigkeit von besonderer Bedeutung, dass es mit dem BSI ein zentrales Kompetenzzentrum für Cyber-Sicherheit gibt, das sein Know-how, seine Produkte und Dienstleistungen, die sich im Bund lange bewährt haben, auch den Ländern zur Verfügung stellt. Statt Doppelstrukturen aufzubauen, können wir so gemeinsam die Cyber-Sicherheit am Standort Deutschland weiter erhöhen.” In den Ländern wird das überwiegend ähnlich gesehen und das Angebot gerne angenommen. Einen eigenen Weg geht allerdings der Freistaat Bayern, der

Kürzlich haben Medien über eine Sicherheitslücke bei der Staatsanwaltschaft Dortmund berichtet. Eine automatisierte Antwortmail enthielt Angaben zur IP-Adresse des Mailservers, zum Mailprogramm und einen Hinweis auf den Updatestatus – dies ist den Berichten zufolge ausreichend für einen Hacker, um sich Zugang zum betroffenen Server zu verschaffen. In diesem Fall unter anderem ermöglicht durch fehlende Updates, die von verantwortlichen Stellen nicht zeitnah durchgeführt wurden.

Weshalb, ist noch nicht geklärt. Klar ist allerdings, dass diese Sicherheitslücke mit dem Einsatz einer Patch-ManagementPlattform vermeidbar ist. Denn diese verringert die Komplexität der Schwachstellenverwaltung durch eine übersichtliche Darstellung aller fehlenden Patches und Updates und bietet Planungsmöglichkeiten für die einzelnen Programmaktualisierungen. Diese können dank integrierter, sicherer Cloud-Konsole auch aus der Ferne vollzogen werden. Umfassenden Schutz

(BS/Udo Schneider*) Laut einer aktuellen Studie des Branchenverbands Bitkom und des Bundesamts für Verfassungsschutz sehen 97 Prozent der befragten IT-Verantwortlichen Zero Day Exploits als aktuell größte Cyber-Gefahr. Dabei nutzen Angreifer zuvor unbekannte Sicherheitslücken in Software für ihre Zwecke aus.

Industrie im Visier Weitere mögliche Opfer von Zero Day Exploits sind im Umfeld der industriellen Leit- und Steuerungssysteme zu finden. Gerade hier treffen drei Schwächen aufeinander: Erstens werden viele Systeme noch mit alten Softwareständen betrieben und kaum Updates oder Patches eingespielt. Zweitens nimmt die Anzahl der bekannt gewordenen Sicher-

heitslücken in ICS-Systemen seit einiger Zeit massiv zu (146 Prozent Zuwachs von 2016 auf 2017). Drittens sind immer mehr Systeme ohne ausreichenden Schutz im Internet erreichbar. Forschungsergebnisse belegen, dass Systeme jeglicher Größe und Art erreichbar sind. Angefangen bei der privaten Solaranlage auf dem Dach über Steuer- und Leitsysteme von kommunalen Versorgern bis zu Systemen, die unter Umständen unter KRITIS fallen. Einen wirksamen Schutz vor Angriffen auf noch nicht offengelegte Schwachstellen ermöglichen die TippingPoint-IntrusionPrevention-Systeme von Trend

Ansprechpartner vor Ort Kooperation lebt von Kommunikation. Darum richtet das BSI regionale Verbindungsbüros ein. Als Ansprechpartner für die Länder, aber auch für Bundesbehörden, Unternehmen und andere Organisationen. Neu ist das Verbindungsbüro in Hamburg beim Seewetteramt des Deutschen Wetterdienstes. Die Verbindungsperson hier ist Ansprechpartner für die Region Nord, also auch für Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und SchleswigHolstein. Eine Kontaktperson für die Region Süd, das heißt BadenWürttemberg und Bayern, soll in Stuttgart tätig werden. Der Bürostandort steht nocht nicht fest, es deutet aber vieles auf das baden-württembergische Innenministerium hin. Gestartet wurde bereits 2017 mit einem beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden angesiedelten Büro für das Rhein-Main-Gebiet. Dieses deckt Hessen, RheinlandPfalz und das Saarland ab. Ebenfalls bereits eingerichtet ist ein Büro in Berlin beim Statistischen Bundesamt, das auch für Brandenburg, Sachsen und Thüringen zuständig ist. Demnächst soll der Umzug in eine eigene BSI-Liegenschaft in Berlin-Mitte erfolgen. Aufgrund der großen Zahl allein an Behörden in der Hauptstadt sollen dort dann drei Verbindungspersonen Kontakte koordinieren und Informationsflüsse unterstützen.

von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security

Wirksamer Schutz gegen unbekannte Schwachstellen

fektionsrate. Veröffentlichte Zero Day Exploits werden trotzdem schnellstmöglich in Exploit Kits integriert. Aber der Aufkauf für einen speziellen Angriff ist konträr zum Geschäftsmodell und daher kaum zu sehen.

daran. Auf Bundesseite soll das geplante IT-Sicherheitsgesetz 2.0 die Grundlagen schaffen.

Sicherheitslücken durch veraltete Systeme

Sichere IT trotz Zero Days

F

ür Behörden stellen solche Angriffe eine ernstzunehmende Bedrohung dar, insbesondere da Zero Days oft ein Zeichen für zielgerichtete oder sogar staatlich finanzierte Angriffe sind. Obwohl der Gegenwert von Zero Day Exploits mitunter siebenstellige Beträge erreicht, kann sich der Kauf solcher Lücken für diese Akteure durchaus lohnen, da sie ihren Erfolg nicht zwangsläufig anhand wirtschaftlicher Kriterien definieren. Im Fokus dieser gezielten Angriffe stehen in der Regel einzelne Personen oder bestimmte Institutionen oder Behörden. Für normale Cyber-Kriminelle lohnt sich der Kauf von Zero-DayLücken hingegen in der Regel nicht. Ihr Geschäftsmodell basiert eher auf einer massenhaften Infektion mittels Exploit Kits. Da viele Nutzer ihren PC nicht schnell genug updaten, erreichen Cyber-Kriminelle selbst mit alten Exploits eine entsprechende In-

Kongress eine Vereinbarung zur Intensivierung der Zusammenarbeit unterzeichnet. Zentrale Punkte sind ein erweitertes Ausbildungskonzept für die Thüringer IT-Sicherheitsbeauftragten, der regelmäßige Informationsaustausch mit dem BSI zu Sicherheitsprodukten, technischen Sicherheitseinrichtungen und mögliche Gefährdungen durch Standardsoftware. Auch die Qualität des ThüringenCERTs (Thüringer Computer Emergency Response Team) soll durch Beratung des BSI aktuellen Sicherheitsanforderungen genügen.Das Informationssicherheitsmanagement des Freistaats Thüringen baut derzeit eine Online-Plattform für die Sensibilisierung der Landesbediensteten auf, bei der wir uns über die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Baden-Württemberg freuen. Daneben nutzen wir die bundesweit in Zusammenarbeit mit der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) angebotenen Live-Hacking-Shows, um etwas unterhaltsam die aktuellen Themen der Informationssicherheit anzusprechen.

vor gut einem Jahr ein Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) eingerichtet hat. Hier wird es absehbar wohl keine formelle Kooperation mit dem BSI geben. Die Sicherheit der Landesbehörden soll aus eigener Kraft gewährleistet werden. Beide Seiten sprechen aber von guter Zusammenarbeit und engem fachlichen Austausch der Cyber-Sicherheitsbehörden auch ohne Absichtserklärung. Die meisten Länder wollen ihre CERTS (Computer Emergency Response Teams) ausbauen. Diese sind personell recht unterschiedlich ausgestattet – vom Ein-Mann-Team bis zur neunköpfigen Truppe. Im Rahmen der Kooperation sollen diese Informations- und Reaktionszentren noch besser vernetzt werden. Mehr Austausch führt zu besseren Lagebildern, führt zu besserer Gefahrenabwehr. Bei konkreten IT-Sicherheitsvorfällen kann das BSI auf Ersuchen auch ein sogenanntes MIRT (Mobile Incident Response Team) vorbeischicken. Die Experten unterstützen vor Ort die Aufklärung und die Bereinigung der Systeme. Auch Ausbildungsangebote des BSI, wie Schulungen im Übungszentrum Netzverteidigung, wollen einige Länder verstärkt nutzen. In Zukunft möchte das BSI den Ländern auch sein eigenes Schadprogrammerkennungssystem zur Verfügung stellen. Weil dafür Zugriff auf Netzverkehre der Verwaltung notwendig ist, muss aber zunächst der Rechtsrahmen her – von beiden Seiten. Niedersachsen arbeitet bereits

Zuletzt haben das Saarland sowie die Freistaaten Sachsen und Thüringen entsprechende Absichtserklärungen mit dem BSI unterzeichnet. (Siehe auch den Beitrag des thüringischen CIOs Dr. Hartmut Schubert auf dieser Seite.) Zuvor waren bereits Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Berlin diesen Schritt gegangen. Weitere Länder sind mit dem BSI darüber im Gespräch. Hamburg und Schleswig-Holstein streben direkt eine Verwaltungsvereinbarung an. Darauf soll es letztlich auch bei den anderen hinauslaufen.

Micro. Diese profitieren von Bedrohungsinformationen der Zero Day Initiative, dem weltweit größten herstellerunabhängigen Programm zur Offenlegung von Schwachstellen. Alleine im Jahr 2017 hat die Zero Day Initiative 1.009 Sicherheitslücken dokumentiert. Das sind über 66 Prozent aller dokumentierten Lücken. Davon fanden sich mehr als 113 in SCADA/ ICS-Systemen. Auf Basis dieser Informationen erstellt Trend Micro virtuelle Patches, die Schwachstellen schließen, für die es noch keine Patches seitens des Herstellers des betroffenen Systems gibt. Bei Microsoft-Lücken waren Nutzer im Schnitt 42 Tage vor

der Veröffentlichung des Patches geschützt, bei Adobe-Produkten sogar 63 Tage. Im Schnitt über alle Lücken waren es 72 Tage.

Proaktiver Sicherheitsansatz Zudem nutzt TippingPoint eine Kombination von Technologien, um Angriffe auf das Netzwerk zu erkennen und zu verhindern. Dabei versteht die Lösung die Sicherheitslücke selbst und blockiert generell deren Ausnutzung, nicht nur einen konkreten Exploit. Die Plattform ermöglicht außerdem einen proaktiven Sicherheitsansatz, mit dem ein umfassendes Kontextbewusstsein sowie eine tiefergehende Analyse

bietet dann die Kombination mit einer fortschrittlichen Cyber-Security-Lösung, die nicht nur bekannte Bedrohungen blockiert, sondern durch kontinuierliches Überwachen, Protokollieren und Kategorisieren aller Prozesse im Netzwerk und an den Endgeräten mögliche Eindringlinge auf frischer Tat ertappt und stoppt. Beobachten und schließen Sie mögliche Sicherheitslücken zeitnah, um Hackern den Zugang zu Ihren Systemen nicht zu erleichtern. Ihr Jan Lindner

des Netzwerkverkehrs gewährleistet wird. Dies gibt die nötige Sichtbarkeit und Flexibilität, um mit den heutigen dynamischen, sich entwickelnden Netzwerken in Behörden und Rechenzentren Schritt zu halten. Trend Micro bietet Behörden die Möglichkeit, TippingPointLösungen kostenlos für 30 Tage zu testen. Dabei erfolgt die Installation, Einweisung und, falls gewünscht, Anbindung an andere Sicherheitssysteme durch Trend Micro. Im weiteren Verlauf werden wöchentlich aktuelle Vorfälle analysiert und besprochen. Als Ergebnis erhält die Behörde dabei Empfehlungen zu eventuell notwendigen Maßnahmen. Den Abschluss des Tests bildet eine komplette Auswertung der Ergebnisse und damit die Grundlage für eine Entscheidung bezüglich einer Beschaffung. *Udo Schneider ist Security Evangelist bei Trend Micro.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / November 2018

“Offline”-Befugnisse übertragen

L

eider haben sich die Dreh­ buchautoren nur an der Re­ alität orientiert: Die Terroristen, die zuerst im November 2015 in Paris und dann im März 2016 in Brüssel über 160 Menschen ermordeten, gingen auf dieselbe Weise vor. Über den Kanal eines Computerspiels konnten die At­ tentäter ihren perfiden Plan un­ entdeckt vorantreiben. Noch viel schlimmer: Selbst wenn die Pläne vorab entdeckt worden wären, hätte es wahrscheinlich keine rechtliche Möglichkeit gegeben, die Kommunikation der Verdäch­ tigen überwachen zu lassen. Dieses Beispiel zeigt: Das Inter­ net ist kein idealer Raum. Men­ schen werden weltweit vernetzt und neue Wertschöpfungsketten eröffnet. Aber gleichzeitig wer­ den immer mehr Straftaten im Internet geplant oder mithilfe des Internets begangen. Sicher­ heitsbehörden müssen also auch im Internet handlungsfähig und schlagkräftig bleiben. Dies gilt vor allem im Hinblick auf vier wesentliche Phänomenbereiche, in denen das Internet und die Kommunikation über das In­ ternet mittlerweile eine zentrale Rolle spielen: Terrorismus, Cy­ ber Crime, Wirtschaftskrimina­ lität und die Verbreitung von Kinderpornografie. Neben der

Sicherheitsbehörden müssen im Digitalen handlungsfähig und schlagkräftig bleiben (BS/Stefan Kaller/Andreas Könen) In der aktuellen und beliebten Fernsehserie “Jack Ryan” verfolgt der Zuschauer gebannt, wie sich zwei Terrorzellen über die Chatfunktion eines Computerspiels austauschen. Beide loggen sich in das Spiel ein, treffen sich in einem virtuellen Raum und tauschen ihre Nachrichten aus. Nachrichtendienste und Strafverfolgungsbehörden sind – in der Serie – an dieser Stelle machtlos. Nutzung des Internets als Tatmit­ tel findet auch die Mobilisation und Radikalisierung politischer Extremisten und Terroristen zu­ nehmend im Internet und unter Nutzung von IT statt.

des Internets” zu schaffen und sicherzustellen, dass “die Sicher­ heitsbehörden ihre bestehenden Befugnisse auch in der digitalen Welt anwenden und tatsächlich durchsetzen können”.

Befugnisse weiterentwickeln und anpassen

Unterscheidung aufgeben

Es obliegt der staatlichen Ver­ antwortung, Staat und Bürger auch in einer vernetzten Welt nicht schutzlos zu stellen. Da­ für müssen wir die rechtlichen Befugnisse und die technischen Fähigkeiten der Sicherheitsbe­ hörden so weiterentwickeln und anpassen, dass diese mit der technischen Entwicklung Schritt halten können. Mit dem Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode hat es sich die Bundesregierung des­ halb zur Aufgabe gemacht, für die Sicherheitsbehörden “gleich­ wertige Befugnisse im Umgang mit dem Internet wie außerhalb

Stefan Kaller (links) ist Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit im Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, Andreas Könen ist Leiter der Abteilung Cyber- und Informationssicherheit.

Fotos: BS/BMI

Was bedeutet es also konkret, wenn die Befugnisse der Sicher­ heitsbehörden an die aktuelle technische Entwicklung ange­ passt werden sollen? Nicht nur in Fragen der Marktregulierung und -öffnung – wie es der kürz­ lich verabschiedete TK-Kodex der Europäischen Union vorsieht – sondern auch im Hinblick auf die Befugnisse der Sicherheitsbehör­ den darf es keinen Unterschied machen, ob die Nutzer sich zur Kommunikation der klassischen Telefonie oder klassischer SMS bedienen oder ob sie auf inter­ netbasierte Messenger-Dienste ausweichen. Wir müssen deshalb auch im Hinblick auf die staatlichen Be­ fugnisse die Unterscheidung zwi­ schen Telekommunikations- und Telemediendiensten aufheben. Diese Unterscheidung ist ein Anachronismus und stammt aus der Zeit von Analogmodem und Wählscheibe. In Zeiten, in denen Terroranschläge im CyberRaum geplant werden, können wir uns derart unterschiedliche Befugnisse nicht mehr leisten.

Google außer Kontrolle? Der Online-Riese sammelt Standortdaten auch gegen den Willen der Nutzer (BS/stb) Was nicht einmal Sicherheitsbehörden dürfen, nimmt sich Google einfach heraus: Das massenhafte Sammeln von Standortdaten, selbst wenn entsprechende Funktionen vom Nutzer abgeschaltet wurden. Folgen wird dieser offenkundige Datenschutzverstoß hierzulande wohl vorerst nicht haben. Die Aufsichtsbehörden sind derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die Politik schweigt. Auf Smartphones ruft Goo­gle in regelmäßigen Abständen Standortdaten ab, auch wenn Google Maps gerade nicht ver­ wendet wird. Das soll nach Un­ ternehmensangaben der Per­ sonalisierung bei der Nutzung von Google-Diensten dienen. So weit, so bedenklich. Nun haben amerikanische IT-Forscher ge­ zeigt, dass auch nach Abschalten der entsprechenden Funktion “Standortverlauf” die Verfolgung nicht ganz unterlassen wird. Denn Google erfasst den Auf­ enthaltsort des Nutzers bei allen Aktivitäten in Google-Diensten, das heißt schon bei jeder Anfrage über die Google-Suchmaschine. Gesammelt werden diese Infor­ mationen im “Aktivitätsverlauf”. Grundlage sind nicht nur GPSDaten, sondern auch IP-Adressen oder genutzte WLAN-Netzwerke. 2017 wurden Nutzer sogar einige Monate lang über MobilfunkSendeanlagen geortet. Dass sich bei einem durch­ schnittlichen Smartphone-Nutzer aus den einzelnen Aktivitäten ein umfangreiches Bewegungs­ profil erstellen lässt, liegt auf der Hand. Sicherheitsbehörden dürfen derartige Daten nicht auf Vorrat speichern. Erheben und nutzen dürfen sie sie nur im Einzelfall, zum Beispiel, um Identität und Staatsangehörigkeit Asylsuchender zu klären, die kei­ ne Ausweisdokumente vorweisen können. Dann im engen recht­ lichen Rahmen und im Wissen der Betroffenen. Google sammelt dagegen fleißig am Gesetz vorbei. Zwar lässt sich der Aktivitäts­ verlauf löschen und die weitere Speicherung unterbinden. Dazu muss man aber erst tief in die Einstellungen des Google-Kon­ tos einsteigen und wissen, was man tut. In den USA ist wegen

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dieses Umgangs mit sensiblen personenbezogenen Daten eine Klage gegen Google eingereicht worden. Daraufhin hat das Un­ ternehmen die Beschreibung der datensammelnden Funktionen geändert und damit die bisherige Irreführung eingeräumt. Wer jetzt seinen Standortverlauf pausiert, wird folgendermaßen unterrich­ tet: “Einige Standortdaten werden möglicherweise im Rahmen Ihrer Aktivitäten in anderen GoogleDiensten wie der Google-Suche und Maps gespeichert.” Zu wel­ chem Zweck das erfolgt und wie man die Datensammelei ganz ab­ schalten kann, erfährt man nach wie vor nicht. Von Transparenz und informierter Einwilligung, wie sie das europäische Recht gemäß der neuen Datenschutz­ grundverordnung (DSGVO) ver­ langt, kann also keine Rede sein.

Keine Folgen in Sicht Als Anfang des Jahres der Da­ tenskandal um Facebook und Cambridge Analytica durch die Medien ging, hat das gerade in Deutschland viel Kritik und gar Diskussionen um Zerschlagung der großen Online-Plattformen ausgelöst. Auf Googles völlig intransparenten Umgang mit Standortdaten dagegen gab es praktisch keine öffentliche Reak­ tion. Immerhin befasst sich das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) mit dem Fall. Staatssekretär Gerd Billen hatte sich in einem Brief, der dem Behörden Spiegel vor­ liegt, an den Google-Chef Sundar Pichai gewandt. Er bat darin um Aufklärung, wie insbesondere Deutsche Nutzer von Profilbil­ dung mittels Standortdaten be­ troffen sind. Eine Antwort hat es bereits gegeben. Öffentlich äußern möchte man sich seitens

des Ministeriums aber erst, wenn der nun weiterlaufende schrift­ liche Austausch in der Sache beendet ist.

Kein Vollzug im Datenschutz Gefragt sind nun die Daten­ schutzaufsichtsbehörden. Mit der DSGVO haben sie in Euro­ pa schärfere Sanktionsmöglich­ keiten, vor allem einen hohen Bußgeldrahmen, an die Hand bekommen, um so auch den milliardenschweren OnlinePlattformen die Stirn bieten zu können. Der hamburgische Datenschutzbeauftragte, Prof. Johannes Caspar, sagte dem Behörden Spiegel, es werde zu prüfen sein, “inwieweit in der Ver­ gangenheit eine Täuschung der Nutzer erfolgte, an die sich eine unzulässige Datenverarbeitung anschloss. Insoweit wird nach einer Klärung der Zuständigkeit zu prüfen sein, ob ein Bußgeld­ verfahren einzuleiten ist.” Die DSGVO sieht für grenzübergrei­ fende Fälle vor, dass eine feder­ führende Aufsichtsbehörde prüft und Sanktionen ausspricht. Das Problem: Welche Behörde das für Google sein soll, ist noch gar nicht geklärt. Dazu kommt, dass die europä­ ischen Datenschützer sich erst noch in ihre neue Rolle finden müssen und zum Teil allein schon mit Beratungsanfragen zur neuen Rechtslage überlastet sind. Bis die Rückstände abge­ arbeitet sind, wird sich die Mo­ tivation, eigeninitiativ die großen Fische ins Visier zu nehmen, wohl in Grenzen halten. Google passt unterdessen hier und da ein paar Hilfetexte oder seine Nutzungsbedingungen an und sammelt weiter Daten ohne recht­ liche Grundlage und in Unwis­ senheit vieler Nutzer.

Ob Nutzer per SMS oder Messenger-Dienst kommunizieren, darf für die Befugnisse der Sicherheitsbehörden keinen Unterschied machen. Foto: BS/Mike MacKenzie, cc by 2.0, flickr.com

Deshalb müssen alle alten und neuen Kommunikationsdienste einheitlich definiert und für die Sicherheitsbehörden erfassbar ausgestaltet werden.

Blinde Flecken nicht akzeptabel Bereits im Sommer 2017 hat der Gesetzgeber – nach jahrelangem Drängen der Sicherheitsbehör­ den – die “Online-Durchsuchung” in Ermittlungsverfahren einge­ führt und eine eindeutige Rechts­ grundlage für die Quellen-Tele­ kommunikationsüberwachung (“Quellen-TKÜ”) geschaffen. Diese Entscheidung war eine erste Antwort auf die technische Entwicklung, bei der immer grö­ ßere Teile der Kommunikation zur Planung, Vorbereitung und Durchführung von Straftaten über verschlüsselte MessengerDienste abgewickelt werden. Bereiche unterschiedlicher Si­ cherheit und blinde Flecke im Cyber-Raum können wir nicht hinnehmen. Quellen-TKÜ und “Online-Durchsuchung” er­ gänzen die “klassischen” In­ strumente TKÜ, Beschlagnahme und Wohnraumdurchsuchung als Ermittlungs- und Fahn­ dungsinstrumente. Damit wird der gesellschaftliche Konsens im Zeitalter der Internetkommu­ nikation durchgesetzt, wonach den Sicherheitsbehörden in en­ gen rechtlichen Grenzen und nach richterlicher Anordnung

schließen. Der Koalitionsvertrag macht dazu klare Vorgaben: Wir werden “eine Strafbarkeit für das Betreiben krimineller Infra­ strukturen einführen, um speziell im Internet eine Ahndung von Delikten wie zum Beispiel das Betreiben eines Darknet-Han­ delsplatzes” besser ahnden zu können. Auch sind Anpassungen im Bereich der Cyber-Delikte (§§ 202a ff., 303a f. StGB) erforder­ lich: Wert und Umfang der zu schützenden Daten und Prozesse sind in unvorstellbarer Weise gewachsen. Mitunter können aber auch schwere Cyber-Angriffe kaum schwerer bestraft werden als ein Taschendiebstahl. Der Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRI­ TIS) gebietet darüber hinaus, auch Qualifikationstatbestände mit erhöhtem Strafrahmen für Angriffe gegen solche Infrastruk­ turen einzuführen.

Können, was erlaubt ist

Gleichberechtigt zu den Be­ der Zugriff auf Kommunikation fugnissen müssen wir auch das und einzelne private Daten von technische Know-how der Si­ Tatverdächtigen erlaubt sein soll. cherheitsbehörden stärken und Auch unsere Verfassungs­ fortentwickeln. Die Sicherheits­ schutzbehörden müssen wir so behörden müssen das können, aufstellen, dass sie unter den Be­ was sie dürfen. Dafür hat das Bundesministe­ dingungen des Cyber-Zeitalters ihren Schutzaufgaben gerecht rium des Innern, für Bau und werden können. Der Cyber-Raum Heimat eine neue Einrichtung ge­ ist längst auch für Terroristen schaffen. Die “Zentrale Stelle für Mittel der Tatvorbereitung ge­ Informationstechnik im Sicher­ worden. heitsbereich” – kurz ZITiS – wird Ebenso ist er Tatraum für elek­­ als zentrale Forschungs- und tro­nische Angriffe fremder Mäch­ Entwicklungsstelle die Sicher­ te auf Ziele in Deutschland. Es heitsbehörden unterstützen, um ist kaum verständlich, wenn die den künftigen Herausforderun­ Verfassungsschutz­behörden bei gen im Cyber-Raum technisch der Aufklärung extremistischer zu begegnen. und terroristischer Strukturen Die Rahmenbedingungen für oder elektronischer Angriffe aus­ die notwendigen Weiterentwick­ gerechnet im lungen sind Cyber-Raum klar: Strenge “Der Cyber-Raum ist Vorgaben und auf wesentliche längst auch für Terroris- enge rechtliche Aufklärungs­ ten Mittel der Tatvorbe- Grenzen, ver­ instrumen­ te verzichten fahrensmäßi­ reitung geworden.” müssen: So ge Sicherun­ gen, wie etwa wie die “OnlineDurchsuchung” im Ermittlungs­ Richtervorbehalt, wo nötig. Der verfahren zulässig ist, muss sie Schutz von Grundrechten und als eigentlich typische nachrich­ die Wahrung von Freiheit – ge­ tendienstliche – also verdeckte rade auch im Internet – ist uns – Methode auch zur Aufklärung ein zentrales Anliegen. verfassungsfeindlicher Bestre­ Gefahrenerforschung und effek­ bungen und Entwicklungen für tive Kriminalitätsbekämpfung im die nachrichtendienstliche Ge­ Cyber-Raum stellen sicher, dass fahrerforschung möglich sein. der Staat handlungsfähig bleibt und die Bürger in diesem Raum Strafbarkeitslücken schließen nicht schutzlos gelassen werden. Darüber hinaus müssen wir im Das sind unsere Verpflichtung Strafrecht Strafbarkeitslücken und unser Ansporn.

UNGESICHERTE IT-HARDWARE – EIN UNTERSCHÄTZTES RISIKO IT-Geräteverkabelung wird zur Datenautobahn für Hacker (BS/Joachim Stäcker*) Wenn Daten am PC eingegeben und bearbeitet werden, sind die Informationen als elektrische Signale im PC verfügbar und werden über Leitungen im Inneren der IT-Geräte transportiert. Nahfeldeffekte führen dazu, dass Signale auch mit sensiblem Inhalt von Datenleitungen auf die Stromversorgungsleitungen überkoppeln und so über das Netzteil unkontrolliert ins Stromnetz des Gebäudes gelangen. Datendiebe zapfen das Stromnetz im Gebäude aus einer sicheren Position risikolos an und hinterlassen keine Spuren beim Aufzeichnen der sensiblen Daten in Form von Rauschsignalen. Die Gefahr des spurlosen Daten­ diebstahls, so nennen Spezialis­ ten den direkten Angriff auf die Hardware der IT-Arbeitsplätze während des unverschlüsselten Eingabeprozesses am Rechner, kann in Verbindung mit der Da­ tenschutzgrundverordnung (DS­ GVO) nicht länger ignoriert wer­ den und erfordert entsprechende Hardware-Schutzsysteme wie die HEINEN ICS NoSpy-HardwareProdukte.

Hardwareangriffe durch Ausspähen und Datenanalyse Durch den spurlosen Abgriff über das Stromnetz geraten gro­ ße Datenmengen unbemerkt in die Gewalt von professionellen Datendieben und Nachrichten­ diensten. Mit leistungsstarker Analysetechnik und hochspe­ zialisierten Softwaretools wer­ den gestohlene Rauschsignale aufbereitet, analysiert und zu Klartext und Bildern verarbeitet.

Grafik: BS/Heinen ICS

Darüber hinaus werden Daten aus unterschiedlichen Quellen verknüpft und in Beziehung ge­ setzt. So entstehen präzise Profile von Menschen, Organisationen und technischen Anlagen, geeig­

net zur Erpressung, Zerstörung und zur Verursachung von Fehl­ funktionen. *Dipl.-Ing. Joachim Stäcker ist Bereichsleiter bei HEINEN ICS.


IT-Sicherheit

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esonders lukrativ sei Cyber Crime “as-a-Service”. Hierbei handele es sich um den “Katalysator” und das Rückgrat von Cyber Crime, erklärte der Leiter der Gruppe “Cyber Crime” beim Bundeskriminalamt (BKA), Markus Koths. Sogenannte Distributed-Denial-of-Service-Attacken (DDoS-Angriffe) könnten im Darknet bereits für vier US-Dollar pro Stunde erworben werden und versprächen hohe inkriminierte Erträge. Inzwischen sei Kriminalität im digitalen Raum ein Massenphänomen. Dieses könne von den Strafverfolgungsbehörden aber nicht vollumfänglich erfasst werden. Denn: “Die Polizeiliche Kriminalstatistik allein reicht nicht aus, um das Phänomen Cyber Crime zu erklären.” Für ein umfängliches Lagebild müssten zusätzliche wissenschaftliche Studien herangezogen werden.

Gefährdung durch Cyber Crime nimmt zu Hier müsse nachgebessert werden. Die Bedrohung wachse an. Als besonders gefährlich identifizierte Koths Botnetze, über die unter anderem Ransomware verschickt werden kann. In die Botnetze könnten immer öfter auch IoT-Geräte eingebunden werden, da diese herstellerseitig zu schlecht abgesichert seien. Gleiches gelte für mobile Endgeräte, erklärte der BKA-Vertreter. Er verlangte: “Wir brauchen im Kampf gegen Cyber Crime einen Rechtsrahmen 4.0 und Öffentlich Private Partnerschaften.” Um voranzukommen, habe das BKA zusammen mit den Ländern eine Bekämpfungsstrategie gegen Cyber Crime entwickelt. In ihr sei unter anderem eine Anpassung des Rechtsrahmens vorgesehen, etwa durch eine Reform der Strafprozessordnung. Zudem beinhalte sie Elemente der Personalentwicklung, wie die Einstellung von externen IT-Spezialisten, beantworte Organisationsfragen und fordere zu Kooperationen auf. Dabei könne es sich um eine Zusammenarbeit

“Forensik: die Pathologie der IT” Täterkreis von Cyber Crime wird immer größer (BS/Marco Feldmann) Im Bereich von Cyber Crime sind inzwischen nicht mehr nur “einfache” Kriminelle, professionelle Hacker sowie fremde Staaten unterwegs. Auch Angehörige der Organisierten Kriminalität (OK) haben diesen Kriminalitätsbereich als Geschäftsmodell entdeckt. Schließlich locken große Gewinnmargen und ein geringes Entdeckungsrisiko. mit der Wissenschaft oder mit privaten Unternehmen handeln, so Koths. Ebenso wie Koths konstatierte auch die Staatsanwältin in der Zentralstelle Cybercrime Sachsen bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Yvonne Lask, eine zunehmende Vermischung von Wirtschaftsdelikten, OK und Cyber Crime. Außerdem erläuterte die Juristin Herausforderungen bei Ermittlungen im digitalen Raum. Dazu zählte sie die rechtlichen Rahmenbedingungen, die tatsächlichen operativen Herausforderungen, wie das Auslesen von Big Data, die Kooperation über Ländergrenzen hinweg sowie die Stärkung der digitalen Fähigkeiten bei Ermittlern.

Ohne Unterstützung geht es nicht Gerade bei Big-Data-Analysen werde es künftig jedoch nicht mehr ohne technische Unterstützung gehen. Dafür seien die Datenmengen schlicht zu groß, gab der Präsident der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS), Wilfried Karl, zu bedenken. Momentan basierten zahlreiche Ermittlungserfolge noch auf dem Umstand, dass Täter im CyberRaum Fehler machten oder ITSysteme mangelhaft konfiguriert seien. Zustimmung für diesen Befund erhielt er von Udo Schneider, Security Evangelist bei Trend Micro. Auch in Hinblick auf die Bekämpfung von Cyber Crime zeigte sich ZITiS-Chef Karl überzeugt, dass Automatisierung und Künstliche Intelligenz dort künftig an Bedeutung gewinnen würden. Im Kampf gegen Cyber-Kriminelle

Die Staatsanwältin Yvonne Lask von der Zentralstelle Cybercrime Sachsen bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden widmete sich den Herausforderungen für Strafverfolgungsbehörden im digitalen Raum. Foto: BS/Dombrowsky

brauche es allerdings auch legislative Veränderungen. Das Strafrecht müsse angepasst werden. Sowohl das Strafgesetzbuch als auch die Strafprozessordnung sollten reformiert werden. Das verlangte Heiko Löhr, Referatsleiter Cyber Crime beim Bundeskriminalamt (BKA). Er forderte: “Wir brauchen eine Strafnorm für Betreiber krimineller Plattformen und Foren im Netz.” Des Weiteren plädierte Löhr dafür, schwere Cyber-Straftaten in den Katalog der Delikte aufzunehmen, zu deren Aufklärung laut Strafprozessordnung Telekommunikationsüberwachung erlaubt ist. Denn bisher seien Ermittlungserfolge bei Straftaten im digitalen Raum oftmals sehr aufwendig und es existiere ein überdurchschnittlich großes Dunkelfeld. Dabei betreffe Cyber Crime Behörden, Unternehmen und Privatleute gleichermaßen, unterstrich Peter Vahrenhorst vom

Weg von den Einzellösungen Automatisierung in der Cyber-Abwehr (BS/stb) Die Zahl der Cyber-Angriffe auf Verwaltung, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Ziele nimmt zu und die Hacker gehen dabei immer professioneller vor. Gleichzeitig mangelt es an IT-Fachkräften, die in Organisationen Attacken abwehren und Vorfälle bewältigen könnten. Ein Teil der Lösung könnte in der Automatisierung von bestimmten Abläufen im Sicherheitsmanagement liegen. Das kann aber nur funktionieren, wenn die IT-Sicherheitskomponenten Hand in Hand arbeiten. Bei der Cyber-Sicherheit in Deutschland bleibt die Lage besorgniserregend. So das Fazit aus dem “Bericht zur Lage der ITSicherheit in Deutschland 2018”, den Bundesinnenminister Horst Seehofer gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm vorgestellt hat. Die Qualität der Angriffe nehme zu und mit der Digitalisierung und Vernetzung in Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft erhöhe sich gleichzeitig die Angriffsfläche. Besonders problematisch sei die hohe Dynamik der Angreifer bei der Entwicklung und Anpassung von Schadsoftware und Angriffsmethoden. Diese Situation erfordere entsprechende Flexibilität aufseiten der Cyber-Abwehr, so das Fazit.

Manuelle Mittel reichen nicht “Die Technologien ändern sich aufseiten der Angreifer immer schneller”, sagt auch Hans-Peter Bauer, Vice President Central & Northern Europe bei McAfee. “Das Volumen und die Komplexität der Angriffe sind zu groß, um sie noch mit manuellen Mitteln zu bewältigen” Schon heute haben mittlere und kleine Unternehmen im Ringen um die Fachkräfte oft das Nachsehen. Besonders schwer hat es der Öffentliche Dienst. Gegen die Gehälter gro-

Behörden Spiegel / November 2018

ßer Konzerne und umsatzstarker Digitalunternehmen kann er mit Vorteilen wie sicherer Stelle und guten Arbeitsbedingungen nur bedingt punkten. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht. Aktuellen Prognosen zufolge könnten im Jahr 2020 70.000 bis 80.000 IT-Security-Experten in Deutschland fehlen. Abhilfe könne ein erhöhter Automatisierungsgrad bei der Erkennung, Analyse und Abwehr von Angriffen schaffen, so Bauer. “Der schiere Mangel an menschlicher Arbeitskraft kann ausgeglichen werden, wenn Sicherheitssysteme auf Masse angelegte Angriffe selbstständig bewältigen würden.” Die menschliche Expertise und Kreativität könne dann gezielt für die komplexeren Fälle eingesetzt werden. Sei es in der Organisation selbst oder in den einschlägigen ITSicherheits-Communities – der Wissensschatz ist da. Nur ist er so groß, dass das Zusammenführen schon längst nicht mehr von Menschen allein geleistet werden kann. An Automatisierung zur Abwehr des ständigen “Grundrauschens” der CyberBedrohungen führt daher wohl kein Weg vorbei.

Wissen ins Zentrum Es geht letztlich um Machine-Learning-Systeme, die auf Grundlage von gesammeltem

Wissen über Schwachstellen, Schadsoftware-Varianten und Hacking-Methoden lernen, Angriffe zu erkennen und selbstständig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Damit das in komplexen IT-Umgebungen funktionieren kann, braucht es aber mehr als intelligente Machine-LearningAlgorithmen. Voraussetzung ist, dass die zahlreichen Sicherheitskomponenten zur Überwachung von Netzverkehren, Datenzugriffen, Endgeräten und so weiter auch sinnvoll ineinandergreifen, statt aneinander vorbeizuarbeiten. “Wir müssen von dem Ansatz wegkommen, eine Einzellösung nach der anderen zu beschaffen”, fordert Bauer. “Allzu häufig werden bestimmte Sicherheitskomponenten ausgeschrieben und die Wahl fällt auf den preiswertesten Anbieter, der die Anforderungen erfüllt. Ob die Einzellösungen auch zusammenpassen, danach fragt niemand.” Bauer plädiert hier für eine Integration der Systeme. “Aus jedem Angriff lässt sich etwas lernen. Am besten lässt sich davon profitieren, wenn dieses Wissen von allen Abwehrmechanismen in der eigenen Organisation geteilt wird. Diese zentrale Intelligenz sollte auch um Daten aus Drittquellen zum Beispiel vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ergänzt werden.”

Landeskriminalamt NordrheinWestfalen. Aus diesem Grunde sei ihre Bekämpfung auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. “Hier müssen wir in Netzwerkstrukturen arbeiten”, verlangte Vahrenhorst. Schließlich biete die Digitalisierung zahlreiche neue Möglichkeiten für Straftäter. Hinzu komme, dass Informationstechnik nie völlig sicher sein könne, da sie von Menschen bedient werde.

Zu starkes Silo-Denken Einen anderen Punkt unterstrich Kurt Knochner, Cyber Security Strategist bei Fortinet. Er machte deutlich, dass Cyber Crime ein globales Phänomen

sei und es deshalb eine behörden- und länderübergreifende Zusammenarbeit sowie einen entsprechenden Datenaustausches brauche. Des Weiteren müsse sich der Öffentliche Dienst stärker mit Unternehmen austauschen. “Wir sollten unsere Daten in einen gemeinsamen Topf werfen”, meinte Knochner. Mit dieser Forderung lief er bei Karl offene Türen ein. Er bemängelte: “In Deutschland herrscht immer noch ein Silo-Denken.” Dies erschwere einen Personalaustausch, wie Knochner ihn vorgeschlagen hatte, erheblich. Auf ein weiteres Problem wies der CEO und Gründer von Hakdefnet, Michael Goedecker, hin. Für ihn ist weiterhin unklar, wie und in welcher Form Unternehmen Daten an Strafverfolgungsbehörden übergeben könnten, damit diese gerichtsfest seien.

Neue Ermittlungsansätze möglich Dabei ermögliche gerade die ITForensik ganz neue, bisher unbekannte Ermittlungsansätze und -methoden. So könnten durch sie unter anderem Störgeräusche aus Audioaufnahmen entfernt, Autokennzeichen erkannt und Daten von mobilen Endgeräten ausgelesen und analysiert werden, erläuterte Björn Schemberger. Der stellvertretende Leiter des Fachbereichs digitale Spuren im Landeskriminalamt Baden-

Württemberg unterstrich, dass IT-Forensik eine Dienstleistung für polizeiliche Ermittler sei. Außerdem handele es sich dabei um die “Pathologie der IT”. Schemberger zeigte sich überzeugt: “IT-Forensik hilft bei der Strafverfolgung enorm.” Swen Weiland vom Referat “Zentraler Kriminaldienst” in der Polizeiinspektion Göttingen wiederum machte auf die Grenzen und Probleme des Ansatzes aufmerksam. Dazu gehörten Fragen wie: “Sind die analysierten Daten valide?” und “Wie werden die Daten eigentlich ausgelesen?”. Des Weiteren sei es teilweise schwierig, neue Datenspeicher sofort zu erkennen und ihren Mehrwert zu bestimmen. Zudem müssten immer wieder neue, rationale Möglichkeiten zur Datenanalyse gefunden werden, mahnte Weiland.

Runden Tisch mit zahlreichen Vertretern einrichten Prof. Dr. Dirk Labudde von der Hochschule Mittweida schließlich konstatierte eine fehlende Trennung zwischen digitaler und analoger Identität. Außerdem appellierte er an die Wirtschaft, auf die Behörden zuzugehen und ihnen Zugänge zu ihren Daten und Datenbanken zu eröffnen. Aber auch die Bürger selbst seien gefordert, Fälle von Cyber Crime zu melden. Nur dann könnten aus ihnen Schlüsse gezogen und Abwehrstrategien für die Zukunft entwickelt werden. Letztere müssten ohnehin gemeinsam erarbeitet werden. Hierzu brauche es einen Runden Tisch von Vertretern der Industrie, der Wissenschaft und der Behörden, verlangte der Wissenschaftler. “Wir brauchen ständig neue Werkzeuge”, meinte Labudde.

Innovativ, praktisch und sicher Öffentliche Verwaltung digital gestalten (BS/stb) In der immer digitaleren Welt braucht es auch eine digitalere und im besten Fall auch noch innovative und effiziente Verwaltung. Die politische Marschrichtung im Großen ist klar und viele gelungene Projekte weisen den Weg. Doch zwischen einigen Leuchttürmen gibt es immer noch viel Frust über Medienbrüche, schlechte Bedienbarkeit und Sorge um die Datensicherheit. Die Überzeugung setzt sich durch: Wer Verwaltung erfolgreich digitalisieren will, muss diese Akzeptanzhürden beseitigen. Digitalisierung trifft am Ende jeden. Bei der Nutzung von Produkten und Diensten im Privatleben, bei der Ausübung des Berufs – spätestens aber beim Rückgriff auf öffentliche Leistungen und zentrale Infrastrukturen, die in ihrer Komplexität nicht mehr ohne digitale Technologien aufrechtzuerhalten sind. Darum müsse die Digitalisierung jetzt aktiv gestaltet werden, findet Joanna Schmölz, stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). “Dies gilt insbesondere für Staat und Verwaltung, die sich – wenn es nach mir geht, gern vor allen anderen – an die Lebenswirklichkeit einer Gesellschaft im digitalen Zeitalter anpassen müssen”, so Schmölz weiter.

Akzeptanz durch Nutzen und Vertrauen Das erfordere jedoch einen Perspektivwechsel. Die Verwaltung müsse sich mehr als Dienstleister neben anderen verstehen, um die Akzeptanz der Bürger zu gewinnen. Schmölz fordert daher, aus der Digitalisierung mehr zu machen, als einfach elektronisch abzuwickeln, was vorher auf Papier hin und her gereicht wurde. Stattdessen, so die DIVSI-Vizedirektorin weiter, solle man die Möglichkeiten nutzen, Verwaltungsprozesse problemorientiert und nützlich zu gestalten: “Kurzum: Die neue Verwaltung orientiert sich an den Lebenslagen der Menschen und nicht die Menschen an in Ressortkästchen ablaufenden Prozessen.” Positive Erfahrungen in diesem Sinne

Voraussetzung für moderne Verwaltungsdienstleistung und Herausforderung für die Informationssicherheit: Die Verknüpfung von Registern, Bürgerkonten und Identitäten. Foto: BS/© vege, Fotolia.com

würden auch dazu beitragen, das bisher schwach ausgeprägte Vertrauen zu stärken, dass der Staat auch die Sicherheit der Daten gewährleisten kann. Entscheidend werde die Frage des Vertrauens, wenn im Zuge der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes (OZG) die Register und Bürgerkonten modernisiert und interoperabel gemacht werden sollen, wie Saskia Esken, Bundestagsabgeordnete (SPD) und Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda, betont. Aus Sicherheitsgründen plädiert sie hier für eine dezentrale Organisation. “Dazu kommt natürlich, dass wir alle personenbeziehbaren oder sonst schutzbedürftigen Daten und ihre Kommunikation sicher und durchgehend verschlüsseln müssen”, so Esken weiter. (Mehr zur Umsetzung des OZG auf Seite 25.)

Bei der IT gilt jedoch: Das Ganze ist nur so sicher wie das schwächste Glied. Dementsprechend muss auch abseits der langfristigen Modernisierungsprojekte die Informationssicherheit in jeder Behörde vorangetrieben werden. “IT-Security-Anforderungen verändern sich sehr schnell und man muss sich permanent neuen Herausforderungen stellen”, sagte dazu Patrick Schraut, Vice President Consulting Europe bei NTT Security auf einem CyberFrühstück des Behörden Spiegel am Rande der PITS (Public-ITSecurity) in Berlin. Dabei dürfe man über alle neuen und innovativen Lösungen jedoch nicht die Grundlagen vernachlässigen. Denn, so Schraut: “der Großteil der Sicherheitsrisiken lässt sich mit einfachsten Mitteln beseitigen und viele Security-Maßnahmen für einen umfassenden Grundschutz können schnell und hoch wirkungsvoll umgesetzt werden.” Besondere Lösungen für die öffentliche Hand brauche es dabei auch nicht. Mehr als das, was sich in der Industrie als sinnvoll erwiesen habe, sei in der Regel nicht zielführend. Dazu ergänzt Esken: “IT-Sicherheit muss stets auf dem neuesten Stand und in Technik und Organisation Teil der Architektur sein – also by Design und nicht on top. Sie muss idiotensicher anzuwenden oder am besten gar nicht zu umgehen sein – also by Default.” Darüber hinaus müsse aber jede Organisation auch Notfallpläne für Cyber-Sicherheitsvorfälle haben, so die Abgeordnete, “und die Bereitschaft, jede Unterstützung anzunehmen, wenn es doch mal schiefgeht.”


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / November 2018

“W

irtschaftsspionage ist die staatlich gelenkte Ausforschung einer anderen Wirtschaft. Wenn ein Unternehmen gegen ein anderes Unternehmen agiert, dann ist dies Industriespionage”, erläutert Dr. Rolf Häcker, Informationssicherheitsbeauftragter im Landtag von BadenWürttemberg. Der Schaden von Wirtschaftsspionage beziffere sich dabei auf rund 55 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Ungefähr 20 Prozent der Unternehmen würden dabei die eigenen oder ehemalige Mitarbeiter für Angriffe verantwortlich machen. “Die Aufgabenbeschreibung vieler Nachrichtendienste beinhaltet auch den Schutz der einheimischen Wirtschaft. Deshalb beschaffen sie Informationen für die heimischen Unternehmen, die nur schwer zugänglich sind”, fährt Häcker fort. Der Wandel der Gesellschaft ist auch stark an die umfassende Digitalisierung geknüpft. “Damit einher gehen auch drei große Problemfelder”, erläutert Dr. Burkhard Even, Abteilungsleiter Spionageabwehr / Geheimund Sabotageschutz im Bundesamt für Verfassungsschutz. Dazu gehöre die Abhängigkeit

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Geld, Rache oder psychisch krank? Der Innentäter als reale Bedrohung in den Behörden (BS/ab/kh) Spionage-Cluedo: War es das Fräulein Gloria mit dem USB-Stick im Serverraum oder Oberst von Gatow mit einer Hintertür im eigenen System? Mitarbeiter können durchaus das eigene Haus schädigen und wertvolle Informationen preisgeben – in Unternehmen, aber auch in Behörden. Aber wie groß ist die Gefahr durch Spione, Whistleblower und sonstige Innentäter und wie kann konkret dagegen vorgegangen werden? von den Netzen – ohne Internet funktioniere nichts. Damit gehe eine erhöhte Anfälligkeit besagter Netze einher, wodurch ein “Raum der Unsicherheit” entstünde. Schließlich führe dies zum Missbrauch. Kriminelle, Extremisten und Agenten anderer Staaten könnten in der Cyber-Welt agieren und spionieren. “Wirtschaftsspionage hat in den letzten Jahren zugenommen. Dabei zeigt sich auch, viele Spionageversuche werden nicht erkannt und die vagen Hinweise lassen sich oft nicht zufriedenstellend aufklären”, so Even.

Der Innentäter ist keine Randerscheinung mehr. So müssen sich Behörden dieser potenziellen Bedrohung mit einer Gegenstrategie stellen.

Snowden und Manning

“Der Skandal, der diesen Sommer das BAMF heimsuchte”, sei ein klares Zeichen dafür, dass es eine Bedrohungslage durch Innentäter in Behörden gebe, so Robert Keil, zuständig für die

Weiterentwicklung und Pflege von Fach­anwendungen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Neben Identitätsmanagement (etwa gefälschte Pässe, Geburts- oder Heiratsurkunden)

Foto: BS/© Artem; stock.adobe.com

stelle ebenfalls der unerlaubte Zugang zu Daten und Ressourcen ein typisches Bedrohungsszenario dar, erläutert Keil. In staatlicher Hinsicht stechen auch die sogenannten “Whist-

leblower” wie Edward Snowden und Chelsea Manning heraus. Keil führt finanzielle Gründe, Rachegelüste oder auch psychische Erkrankungen als Ursachen für innere Bedrohungen an. Neben technischen Indikatoren – Snowden etwa konnte Daten auf einen USB-Stick herunterladen, weil das Netzwerk dies zuließ – komme es vor allem auf Verhaltens­ indikatoren an. Deshalb sollte man “die Mitarbeiter beobachten” und “Unregelmäßigkeiten oder Anomalien” melden. Das könnten beispielsweise ungewöhnliche Arbeitszeiten oder auffällige Kontakte sein; oder eben auch Befunde zur psychischen Verfassung der Beschäftigten, meint Keil.

Awareness steigern Solche Innentäter würden nicht immer freiwillig agieren, erläutert André Reichow-Prehn, Ab-

teilungsleiter bei Rheinmetall Electronics. Professionelle Hacker würden Social Engineering nutzen, um darüber in Behörden sowie Unternehmen einzudringen oder um einen Mitarbeiter über die eigene Familie zu erpressen und ihn somit zum Innentäter umzudrehen. An Schutzmaßnahmen für solche Szenarien werde selten gedacht. Außerdem brauche es die Aufmerksamkeit ebenso auf der Straße, betont Reichow-Prehn: “Hochrangige Mitarbeiter neigen vor allem nach Treffen dazu, ihre Informationen sogleich mittels Telefonaten zu verarbeiten.” Diesen Umstand habe beispielsweise ein Unternehmen ausgenutzt und Taxifahrer bezahlt, um solche Gespräche abzuhören.

Nicht alleine lösbar “Das Schlüsselwort für die Abwehr von Wirtschaftsspionage lautet Kooperation. Ich plädiere für einen vertrauensvollen Austausch von Staat und Wirtschaft. Nur durch ein offenes und enges Zusammenwirken können wir mehr Prävention etablieren”, betont Even. Die Gefährdung muss anscheinend von der politischen Ebene angegangen werden.

Resilienz im Finanzsektor

Beschäftigtendatenschutz

Hört beim Geld die IT-Unsicherheit auf?

Rechtskonformer Umgang mit Mitarbeiterdaten

(BS/stb) Der Finanzsektor ist sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht global so stark vernetzt wie kaum einer anderer. Ein großer (BS) Die Novellierungen im Datenschutzrecht betreffen längst nicht IT-Sicherheitsvorfall könnte daher erhebliche Folgen haben, die weit über einzelne Unternehmen und ihre Kunden hinausgehen. Die Resilienz nur den Umgang mit Kundendaten. Auch bei Mitarbeiterdaten gibt es der großen Finanzinstitute gegen Cyber-Angriffe ist auf einem hohen Niveau. Bei kleinen, regional operierenden Banken ist noch Luft nach oben. Änderungen, die Arbeitgeber, Personaler und Datenschutzbeauftragte vor neue Aufgaben stellen. Wo liegen die Fallstricke beim Beschäftig“Stellen Sie sich vor, Geld würde Aufsichtsbehörden überwacht nicht entstanden. “Mit der Mel- “Bei den global operierenden tendatenschutz und welche Maßnahmen müssen jetzt ergriffen werden? im großen Stil falsch verbucht oder Überweisungen wären für mehrere Tage nicht möglich”, so Dr. Johannes Beermann, Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bundesbank. Vertrauen sei dort, wo es um Geld gehe, absolut zentral. Entsprechend gut aufgestellt sei die Finanzbranche in Deutschland im Großen und Ganzen. So jedenfalls das Urteil des Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm. “Risikomanagement ist die Kernkompetenz eines guten Bankers. So verstanden sollte auch die IT-Sicherheit als Qualitätsmerkmal und nicht als Kostentreiber gesehen werden”, forderte er.

Regulierung wirkt Dass die Situation bei den Deutschen Banken nicht schlecht aussieht, hängt auch damit zusammen, dass hierzulande und international schon lange strenge Regularien herrschen, deren Einhaltung von starken

wird. Finanzinstitutionen bilden eine Kritische Infrastruktur wie die Energie- und Wasserversorgung. “Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ordnet dem Thema Cyber-Sicherheit eine ebenso hohe Priorität zu wie der Einlagensicherung”, erklärt Andreas Krautscheid, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband deutscher Banken. Die Aufsichtsbehörde hat auch im Blick, dass Finanzinstitute immer häufiger auf Cloud-Dienstleister zurückgreifen. Einige große deutsche Banken lassen Kundendaten in Rechenzentren im EU-Ausland hosten. Ein Problem für die Kontrolle durch die BaFin. Im Rahmen des IT-Sicherheitsgesetzes müssen seit Kurzem auch Angriffe auf Banken-ITSysteme von großer Relevanz dem BSI mitgeteilt werden. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres habe es 24 entsprechende Meldungen gegeben, so Beermann. Ernsthafte Schäden seien den deutschen Banken bisher

depflicht hat sich ein standardisierter Prozess zur Erfassung ernster Vorfälle etabliert”, so der Bundesbank-Vorstand. Darin sieht die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken (SPD) einen Erfolg der Regulierung. “Meldepflicht kann zur Verbesserung der Lage führen, indem Sie einerseits das Bewusstsein für die IT-Sicherheit im Unternehmen schärft und andererseits ein Nachdenken über Prozesse im Ernstfall anregt.” Beermann zufolge sei man bei der IT-Sicherheit nie am Ziel. “Cyber-Kriminelle werden immer wieder Wege suchen, die technischen Systeme für Ihre Zwecke zu missbrauchen.” In der Finanzbranche sei man sich dessen bewusst und sei schon zu einer Kultur gelangt, bei der die IT-Sicherheit bei den Vorständen aufgehängt sei und nicht einfach auf die IT-Fachkräfte abgeschoben werde. Ganz bedenkenlos steht BSIPräsident Schönbohm der Finanzbranche aber nicht gegenüber:

Unternehmen, die sehr stark reguliert werden, mache ich mir weit weniger Sorgen als bei den vielen Kleinbanken in Deutschland.” Hier mangele es zum Teil schon an Standardmaßnahmen zur IT-Sicherheit.

Die Kleinen erreichen Das Problem ist auch in anderen Wirtschaftszweigen und in der öffentlichen Verwaltung bekannt: Große Konzerne oder Organisationen verfügen oft über die nötigen Mittel und Personal. Außerdem haben viele als hochattraktive Ziele schon früh Erfahrungen mit Cyber-Angriffen machen müssen. In kleineren Organisationen fehlt es nicht nur an Geld und Expertise, sondern häufig auch an Zeit und Bewusstsein für das Thema. “Den kleinen und mittleren Banken müssen wir mehr auf die Sprünge helfen”, forderte deshalb Krautscheid vom Bankenverband. Man müsse sich bei dem Thema mehr vernetzen und noch viel mehr Aufklärungsarbeit leisten.

Für den Umgang mit personenbezogenen Daten von Mitarbeitern in Behörden und anderen Organisationen ist die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) maßgeblich. Spezifiziert ist der Rechtsrahmen für die Datenverarbeitung im Arbeitsverhältnis im § 26 des entsprechend überarbeiteten Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG-neu). Zuwiderhandlungen sind mit großen Risiken verbunden. Zumindest für Unternehmen drohen unter Umständen empfindliche Bußgelder, vor eventuellen Schmerzensgeldforderungen von Mitarbeitern sind auch Behörden nicht gefeit. Durch die schärferen Regularien besteht auch eine erhöhte Gefahr, dass das Thema Datenschutz bei anderweitigen arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen und Gerichtsverfahren zusätzlich aufkommt. Fallstricke ergeben sich an vielen Stellen und nicht nur im laufenden Arbeitsverhältnis. Schon bei der Verarbeitung

von Bewerberdaten muss der rechtliche Rahmen eingehalten werden. Wie werden die Daten entgegengenommen, gespeichert und intern weitergegeben? Wie lange dürfen Bewerberdaten vorgehalten werden? Nach der Einstellung stellt sich die Frage nach den Informationspflichten des Dienstherrn gegenüber den Beschäftigten. Wie müssen nach DSGVO bestehende Dienstvereinbarungen angepasst werden und welche Einwilligungen müssen eingeholt werden? Einen systematischen Überblick über das Thema sowie praktische Entscheidungshilfen erhalten Teilnehmer im Seminar “Beschäftigtendatenschutz nach neuem Datenschutzrecht” der Cyber Akademie. Das Seminar findet am 14. Mai 2019 in Bonn statt. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.cyberakademie.de, Suchwort “Beschäftigtendatenschutz”


Cyber Akademie

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Behörden Spiegel / November 2018

Themenseite in Kooperation mit:

Neues aus der Cyber Akademie

November 2018

Simplified Industrial Security – Sicherheit für Industrie 4.0 Zentrum für Informationssicherheit

(CAk/Weidele/Geiger) Bei der IT-Sicherheit im industriellen Umfeld herrscht Handlungsbedarf. Doch vielerorts ist Verantwortlichen aus der ProduktionsIT unklar, welche Schritte es zu gehen und welche Aspekte es zu beachten gilt. Industrieunternehmen befinden sich inmitten einer Revolution. Aufgrund der tiefgreifenden digitalen Transformation von Industrie 4.0 halten Konzepte und Systeme aus der IT Einzug in den Automatisierungsbereich. Diese Veränderung geht jedoch mit neuen Schadenspotenzialen durch Spionage, Sabotage und Datendiebstahl einher. Um dieser Herausforderung effektiv entgegenzuwirken, braucht es eine kritische Betrachtung der IT-Sicherheit im Rückgrat der deutschen Wirtschaft – der Industrie. Dort treffen zwei Welten aufeinander, die in der Vergangenheit nicht viel miteinander zu tun hatten: Automatisierung und IT. Diese beiden Welten müssen miteinander kommunizieren und kooperieren, nicht nur um digitale Innovation voranzutreiben, sondern vor allem auch, um sich vor den damit einhergehenden Gefahren zu schützen. Im noch sehr jungen Feld der industriellen IT-Sicherheit entstehen aktuell große Reibungsverluste, denen diverse Ursachen zugrunde liegen. Oftmals ist nicht geklärt, wer für die IT-Sicherheit in den Anlagen verantwortlich ist, es besteht keine Orientierung, wie man sich überhaupt absichern kann, oder die Interessen und Prioritäten der Parteien sind schlicht konträr.

Informationssicherheit durch Know-how

Seminare Frühjahr 2019 Best Practice EU-Datenschutzgrundverordnung 17.01.2019, Hannover

Die Autoren Max Weidele und Marcus Geiger sind Experten mit langjähriger Projekterfahrung im Bereich der Absicherung von Automatisierungsnetzen und den darin befindlichen Systemen. Ihr Ansatz ist klar: Simplified Industrial Security. Foto: CAk/bluecept Um Unklarheiten bei der Durchführung von industriellen IT-Sicherheitsprojekten zu beseitigen und das gegenseitige Verständnis zwischen den beteiligten Abteilungen zu fördern, wurde die Plattform www.sichere-industrie.de ins Leben gerufen. Hier finden sich praxisnahe Informationen zu den verschiedensten Gebieten der industriellen IT-Sicherheit. Sie bündelt u. a. konkrete Hinweise und Handlungsempfehlungen zu sicherheitskritischen Einkaufsbestimmungen für Maschinenund Anlagen oder zur Standardisierung von externen Fernwartungszugängen in den Herzen der Anlage. Im Zentrum steht der interdisziplinäre Austausch, um den Wissensaustausch zwischen Automatisierungs- und IT-Abteilungen und ein reibungsloseres Vorankommen beim Schutz der digitalen Werte zu fördern. Auf der Plattform können sich Produk-

tions- oder IT-Leiter wie auch Automatisierungspersonal zur aktuellen Sicherheitslage sowie zu Maßnahmen zur Steigerung des Schutzniveaus in den Anlagen informieren. Nicht zuletzt bietet eine umfangreiche Ressourcen-Bibliothek einen idealen Ausgangspunkt für tiefergehende Recherchen zu Fokusthemen aus dem Bereich der industriellen IT-Sicherheit. Auch exklusive Beiträge externer Fachexperten zu bestimmten Spezialthemen, z. B. zum IT-Sicherheitsmanagement bei Wasserversorgern oder zum Einsatz von IntrusionDetection-Systemen im industriellen Bereich, werden auf der Seite veröffentlicht. Cyber Akademie und „sichere-Industrie. de richten in regelmäßigen Abständen eigene Workshops aus, die Industriepersonal im sicheren Umgang mit IT im Automatisierungsbereich schult und auf Gefahren sensibilisiert.

Digitale Konvergenz im allgemeinen Sinne bedeutet, dass sich bisher getrennte Bereiche, wie Informationstechnik und klassische Produktportfolios, einander annähern und im optimalen Fall dadurch Synergie- und Innovationspotenzial freigeben. Dabei zeigt sie sich einerseits technologieinduziert im Sinne verschmelzender Technologiefelder, andererseits aber auch bedarfsinduziert entsprechend sich aufeinander zubewegender Bedürfnisstrukturen. Auch im Bereich der deutschen Sicherheitsund Verteidigungsindustrie (SVI) wachsen die “klassische Rüstungsindustrie” und die Informationstechnologie zusammen. Hierbei entstehen neue Technologieansätze und daraus resultierend völlig neue Fähigkeiten der im Rahmen von Sicherheit und Verteidigung genutzten Produkte und Dienstleistungen. Die klassischen Plattformen der Verteidigungsindustrie können somit immer weniger isoliert von den IT-Plattformen betrachtet werden, die im militärischen, nachrichtendienstlichen und polizeilichen Umfeld entstanden sind und entstehen. Mit anderen Worten: Die Basis von Rüstungsprodukten entwickelt sich im Rahmen der Konvergenz vom eigentlichen Träger (Fahrzeug, Flugzeug, Schiff etc.) weiter in Richtung auf

die Einbindung der Plattform in den übergreifenden Informations- und Wirkverbund. Treiber sind auch hier (1) die technologische Entwicklung sowie (2) veränderte Bedarfe, die durch neue Möglichkeiten der Technik neue Marktpotenziale eröffnen werden, denn auch die Konvergenz-Anforderungen beim Kunden werden in Zukunft weiter steigen. Das Potenzial dieser digitalen Konvergenz – die in anderen Marktbereichen bereits weiter fortgeschritten ist – wird unseres Erachtens derzeit im SVI-Umfeld noch nicht voll ausgeschöpft. Der BDSV versteht sich hierbei als Katalysator und Treiber dieser digitalen Konvergenz und möchte die genannten Welten einander näherbringen. Ein erster Schritt dazu ist nun durch die Gründung des neuen Ausschusses “Digitale Konvergenz” geschehen. Dieser soll zu einer entsprechenden Austausch-Plattform für unsere Mitglieder und als übergreifender Treiber zum Thema digitale Konvergenz im Bereich der deutschen SVI aufgebaut werden. Hier wurde ein Gremium ins Leben gerufen, welches, unter Berücksichtigung einer vorwettbewerblichen Ausrichtung der Diskussion, industrielle Cyber/IT-Kompetenz und die Fähigkeiten der klassischen Verteidigungsindustrie miteinander verknüpft. Vor diesem Hintergrund wurde auch eine Vorsitzstruktur geschaffen, die diese Konvergenz abbildet. Der neue Vorsitzende, Marc Akkermann von der INFODAS GmbH, steuert als Vertreter der Informationssicherheit das Gremium in Zusammenarbeit mit zwei Stellvertretern – je einem Vertreter aus dem IT-Umfeld und einer aus einem “klassischen” Rüstungshaus – womit auch personell das Dreieck aus der IT-Sicherheit, der reinen Rüstung und der reinen IT abgebildet wird.

Datenschutz-Praxis – Fahrplan für das erste Jahr als Datenschutzbeauftragte(r) 24.01.2019, Berlin Hacking-Methoden in der Praxis: Vorgehen des Angreifers und Schutzmaßnahmen 29. – 30.01.2019, Düsseldorf Datenschutz-Praxis – IT-Grundlagen für Datenschutzbeauftragte 06.02.2019, Hannover Security im Automatisierungsumfeld – Praxis-Workshop 12.02.2019, Hamburg Einführung in Kryptowährungen – Funktionsweise, Nutzung, Nachverfolgung 19.02.2019, Berlin Grundlagen der Datenbanksicherheit 20.02.2019, Berlin

Weitere Informationen zu diesen und anderen Seminaren unter: www.cyber-akademie.de

Digitale Konvergenz in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (CAk/Tobias L. Eder) Die Digitalisierung führt nicht zuletzt auch im Bereich Sicherheit und Verteidigung zu einer tiefgreifenden Veränderung der Kundenanforderungen sowie – daraus folgend – zu einer ebenso tiefgreifenden Veränderung der Produktwelt in diesem Bereich.

Datenschutz-Praxis – Datenschutzaudits vorbereiten und durchführen 23.01.2019, Berlin

Neue Seminare der Cyber Akademie

IT-Sicherheit bei der Nutzung von Cloud-Diensten

Tobias L. Eder ist Referent beim BDSV e.  V. und betreut u. a. den Gesprächskreis “Innovation Cyber/ IT” mit dem BMVg und neuen Ausschuss “Digitale Konvergenz”. Foto: CAk/BSVD

Damit besitzt dieses Gremium eine Alleinstellung mit dem Ziel, die zuvor beschriebenen Synergieeffekte zu identifizieren, vo­ ranzubringen und damit den Kundennutzen unserer Industrie noch einmal deutlich zu erhöhen. Es wird diese Entwicklung aktiv begleiten und seine langjährigen Mitgliedsunternehmen und die steigende Anzahl an neu eintretenden IT-Unternehmen in einem moderierten Dialog zur digitalen Konvergenz begleiten. Dieser Dialog muss und wird allerdings auch unter Einbindung der Kundenseite und Politik erfolgen. Denn nur wenn die neuen Technologien und die Nutzer zusammenkommen, kann die zweite Triebfeder der digitalen Konvergenz ihre Wirkung entfalten. BDSV und Cyber Akademie kooperieren bei der Aus- und Weiterbildung im Bereich Informationssicherheit und Cyber Security.

Die Auslagerung von Teilen der IT-Infrastruktur in die Cloud und die Nutzung einzelner Cloud-Anwendungen werden für immer mehr Firmen interessant. Hauptantrieb sind dabei meist der Kostenfaktor und die schnelle und einfache Bereitstellung per Mausklick. Die hohen Anfangsinvestitionen, Aufbauen und Umräumen für eine On-Premise-Infrastruktur fallen weg. Gleichzeitig gilt es jedoch, sich folgende grundlegende Fragen zu stellen: • Was gibt es bei der Migration zu CloudDiensten organisatorisch, rechtlich und sicherheitstechnisch zu beachten? • Welche Risiken bestehen, welche Entscheidungen müssen getroffen werden und wie wird das am besten organisiert? Das Seminar “IT-Sicherheit bei der Nutzung von Cloud-Diensten” hilft den Teilnehmern des Seminars dabei, Antworten auf diese Fragen zu finden und ihren Umzug in die Cloud sicher zu gestalten. Im Rahmen des Seminars werden die verschiedenen CloudModelle vorgestellt, die Auswirkungen auf die IT-Sicherheit und rechtliche Aspekte betrachtet und die wichtigen Grundsätze und Maßnahmen für die Datensicherheit und Organisation bei der Nutzung von CloudDiensten erläutert. Zielsetzung Dieses Seminar richtet sich an Geschäftsführer, kaufmännische Entscheider, IT-Leiter, IT-Sicherheitsbeauftragte, Datenschutzbeauftragte sowie IT-Mitarbeiter, die einen Einblick in die für eine Migration in die Cloud notwendigen Arbeitsschritte, Sicherheitsund rechtlichen Aspekte bekommen wollen.

Uwe Stanislawski ist Dozent der Cyber Akademie und seit 1998 in der IT-Branche tätig. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Planung, Implementierung und Administration von Netzwerktechnologien. Insbesondere Cyber Security, Cloud Security, Next Generation Firewalls und VPNs stehen im Zentrum seiner langjährigen beruflichen Erfahrungen. Foto: CAk/privat

Ziel der Schulung ist es, die Teilnehmer zu informieren und zu befähigen, um souverän entscheiden zu können, in welchem Umfang sie zu Cloud-Diensten migrieren wollen und was sie dabei beachten müssen, um einen sicheren Geschäftsbetrieb zu ermöglichen. Die Cyber Akademie bietet das Seminar als Inhouse-Schulung oder zu folgenden Terminen an: • 21. März 2019, Berlin • 19. September 2019, Bonn


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / November 2018

BSC-Partnerland Niederlande

KNAPP Fotoaufnahmen nicht zulässig

Von der militärischen Kooperation zur Integration (BS/Dr. Gerd Portugall) Ende November ist es wieder soweit: Dann veranstaltet der Behörden Spiegel die Berliner Sicherheitskonferenz (BSC). Diesjähriges Partnerland ist das Königreich der Niederlande, dessen Streitkräfte besonders enge Beziehungen zur Bundeswehr unterhalten. Wolfgang Hellmich (SPD), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, wies bei den Petersberger Sicherheitsgesprächen im Oktober darauf hin, dass man in diesem Zusammenhang “nicht mehr nur von militärischer Kooperation, sondern bereits von militärischer Integration” sprechen könne. Hinsichtlich der militärischen Kooperation und Integration “nimmt die deutsch-niederländische Zusammenarbeit eine Vorreiterrolle ein”, schrieb MdB Hellmich in einem Beitrag für den Behörden Spiegel. Der Grundstein sei 1995 mit der Aufstellung des DeutschNiederländischen Korps gelegt worden. Mit der Eingliederung der 11. niederländischen Luftbeweglichen Brigade in die deutsche Division Schnelle Kräfte, die Vereinbarungen zur maritimen Zusammenarbeit und die Absicht, die 43. Mechanisierte Brigade der Niederländer der 1. deutschen Panzerdivision zu unterstellen, sei die militärische Kooperation beider Länder in den vergangenen Jahren deutlich in Richtung echter Integration vo­ rangetrieben worden. “Vorläufiger Höhepunkt” dieser Entwicklung sei die operative Unterstellung der deutschen Flugabwehrraketengruppe 61 aus dem schleswigholsteinischen Todendorf unter das niederländische bodengebundene Luftverteidigungskommando in Vredepeel in der niederländischen Provinz Limburg. “Damit stehen nunmehr sowohl niederländische Einheiten unter deutschem Kommando als auch deutsche Einheiten unter niederländischem Kommando”, so der SPD-Abgeordnete. Die Niederlande sind ein relativ wohlhabendes Land. Die 17,1 Millionen Einwohner erwirtschafteten im vergangenen Jahr ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf von rund 43.000 Euro – zum Vergleich: 2017 betrug der deutsche Wert 39.600 Euro. Der Verteidigungsetat der Regierung in Den Haag belief sich für 2017 auf 8,69 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von 1,15 Prozent am BIP; der deutsche Vergleichswert beträgt 1,24 Pro-

Auch auf dem Gebiet der wehrtechnischen Entwicklung kooperieren Deutschland und Holland. Ein Beispiel hierfür ist der Spähwagen “Fennek”. Hersteller dieses Fahrzeugs sind die in Kassel und München ansässige Systemfirma Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und das niederländische Tochterunternehmen Dutch Defence Vehicle Systems (DDVS). In den Streitkräften beider Länder wird der Spähwagen eingesetzt.

Im BSC-Programm

Symbol für die deutsch-niederländische Zusammenarbeit: gemeinsame Nutzung des Truppenversorgers Zr. Ms. “Karel Doormann” Foto: BS/Portugall

zent, d. h. beide Staaten sind noch relativ weit entfernt von dem NATO-Ziel für 2024.

Die Streitkräfte Aktuell umfassen die niederländischen Streitkräfte 42.340 aktive Soldaten und 12.675 zivile Mitarbeiter. Wie bei der Bundeswehr auch, so hinterließ die sog. “Friedensdividende” nach dem Ende des Ost-West-Konflikts auch im Nachbarland ihre Spuren. 1988 hatten die Niederlande noch 105.000 Mann unter Waffen, davon 49.000 Wehrpflichtige. Bereits 1996 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt, d. h. fünfzehn Jahre vor Deutschland. Vor 30 Jahren verfügte das niederländische Heer noch über 905 Kampfpanzer (468 “Leopard 1” und 445 “Leopard 2”). 2009 war dieser Bestand auf 88 “Leopard 2A6” zurückgegangen. Drei Jahre später wurden die letzten beiden niederländischen Panzerbatail-

lone aufgelöst. Heute nennt das Nachbarland gerade einmal16 “Leopard 2A6” sein Eigen, und zwar als 4. Kompanie im gemischten Panzerbataillon 414 in Bergen-Hohne. Das Bataillon ist der niederländischen 43. Mechanisierten Brigade unterstellt, die ihrerseits ab kommendem Jahr der deutschen 1. Panzerdivision unterstellt werden soll. 1988 besaß die niederländische Luftwaffe 199 Kampfflugzeuge: 67 ältere Northrop NF-5A/B und 132 General Dynamics F-16A/B “Falcon”. 30 Jahre später fliegen noch 61 mittlerweile in die Jahre gekommene F-16A/B. Seit vergangenem Jahr sichern die Luftstreitkräfte der Niederlande und Belgiens zusammen den Benelux-Luftraum. Holland plante anfangs, insgesamt 85 moderne Lockheed Martin F-35A als Ersatz für die “Falcon” zu beschaffen. Aus Kostengründen wurde jedoch 2013 der Auftrag auf lediglich 37 Jets zurückgeschraubt.

In der letzten Hochphase des Kalten Krieges verfügte die Königliche Marine noch über 16 Fregatten und fünf U-Boote; heute sind es nur noch sechs Fregatten und vier U-Boote. Dafür kooperieren die niederländischen Seestreitkräfte besonders eng mit ihren belgischen Kameraden im NATO-Sinne von “Pooling and Sharing“. Auch mit der Deutschen Marine wird die Zusammenarbeit intensiviert. So wurde verabredet, die mit 28.000 Tonnen größte schwimmende Einheit des Nachbarlandes, das Mehrzweckversorgungsschiff Zr. Ms. “Karel Doorman” gemeinsam zu nutzen. Gebaut wurde der Truppenversorger von der Damen Shipyards Group. Für 2020 ist die Aufstellung einer deutschniederländischen Amphibischen Task Force geplant. Dies soll zu einer Integration von Teilen des deutschen Seebataillons aus Eckernförde in das holländische Marineinfanteriekorps führen.

Als Höhepunkte im BSC-Programm finden sich zahlreiche hochrangige Sprecher aus den Niederlanden: Außenminister Stef Blok wird zusammen mit Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen die Konferenz eröffnen. Barbara Visser, Staatssekretärin im niederländischen Verteidigungsministerium, stellt sich zusammen mit ihrem deutschen Counterpart Benedikt Zimmer den Fragen von Rolf Clement. Der Befehlshaber der Niederländischen Streitkräfte, Admiral Rob Bauer, hält ebenso eine Keynote wie zuvor General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr. Auch die Befehlshaber der drei Teilstreitkräfte sprechen: Generalleutnant Leo Beulen (Heer), Vizeadmiral Rob Kramer und Generalleutnant Dennis Luyt. Für den Bereich “Wehrtechnik” steht Vizeadmiral Arie Jan de Waard, Rüstungsdirektor des Verteidigungsministeriums. Aber auch Vertreter aus der niederländischen Industrie, wie z. B. Hein van Ameijden, Geschäftsführer der Damen-Werft, werden auf der BSC zu Wort kommen. Mehr zum Thema “BSC-Partnerland” auch auf Seite 49 mit dem Beitrag des niederländischen Botschafters in Deutschland.

(BS/mfe) Polizeibeamte dürfen von Demonstrationsteilnehmern keine Fotos zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit anfertigen. Dies könne einschüchternd auf friedliche Demonstranten wirken und stehe im Widerspruch zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, entschied das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Aus Sicht der Richter ist es sogar bereits rechtswidrig, wahrnehmbar auf einer Demonstration zu fotografieren. Auch gelbe Warnwesten mit der Aufschrift “SocialMedia-Team”, die die Polizisten getragen hätten, änderten nichts an der Einschätzung. Gleiches gelte für den Umstand, dass die Essener Polizei die Fotos, die sie bei Facebook und Twitter hochgeladen hatte, auf Anweisung des Düsseldorfer Innenministeriums bereits aus dem Internet entfernt hatte.

Neuer Hubschrauber übergeben (BS/mfe) Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat den ersten von zwei neuen Zivilschutzhubschraubern an seinen bayerischen Amts- und Parteikollegen Joachim Herrmann übergeben. Die Maschine vom Typ H135 löst nach über zehn Jahren ihren Vorgänger vom Muster EC 135 T2i ab. Der Hubschrauber, dessen Besatzung im Rahmen des Zivilschutzes Verletzte transportieren, Schadensstellen erkunden oder Evakuierungen beobachten soll, ist statt mit einem Rettungstau mit einer entsprechenden Winde ausgestattet. Davon versprechen sich die Verantwortlichen noch mehr Einsatzoptionen im hochalpinen Gelände. Sofern die Maschine nicht für den Zivilschutz benötigt wird, darf sie von der bayerischen Staatsregierung auch im Rettungsdienst eingesetzt werden. Im Freistaat gehen damit auch oftmals Einsätze in Berg- und Höhenregionen einher.

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the Da te

19. – 20. Februar 2019 | Fokus Europa | Migration – Integration – Sicherheit Referenten 2019, u. a.

Horst Seehofer Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Bundesrepublik Deutschland Quelle: Henning Schacht

Wolfgang Sobotka Präsident des Nationalrates, Republik Österreich Quelle: Behörden Spiegel/Dombrowsky

www.europaeischer-polizeikongress.de


Innere Sicherheit

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D

es Weiteren erhöhe die Digitalisierung, und insbesondere die verstärkte Nutzung Sozialer Netzwerke, das Mobilisierungspotenzial des politischen Extremismus hierzulande. Die Kraft des politischen Extremismus zur Mobilisierung und Radikalisierung hänge auf das Engste mit der Digitalisierung zusammen. Zudem werde eine immer enthemmtere Sprache genutzt. “Digitale Kommunikationsmittel befeuern den politischen Extremismus. Bekanntlich laden digitale Plattformen und Chat-Communities zwar zur Meinungsäußerung ein, dienen aber nicht unbedingt der Kompromissbildung und nur selten der sachlichen Debatte”, zeigte sich Haldenwang alarmiert. Und er warnte: “Die Grenze zwischen dem rechtsextremen und dem bürgerlichen Lager verwischt immer mehr. Alle Phänomenbereiche erleben durch die Digitalisierung eine Dynamisierung.” Sie erleichtere anonymisierte Hetze und Propaganda, die Mobilisierung von Anhängern, die Rekrutierung von Zielgruppen sowie verschlüsselte Kommunikation zwischen Szeneangehörigen. Das hätten nicht zuletzt die jüngsten Ereignisse in Chemnitz gezeigt. Durch das Internet werde aus dem politischen Gegner der ideologische Feind. Außerdem konstatiere man vermehrt Erosionen zwischen rechtsextremistischen und nicht-extremistischen Positionen.

“Parlamentarische Kontrolle ist nützlich” Digitalisierung stellt Nachrichtendienste vor zahlreiche neue Herausforderungen (BS/Marco Feldmann) Die fortschreitende Digitalisierung geht einher mit einem erhöhten Gefährdungspotenzial. So werde der Kreis möglicher Opfer immer größer und es böten sich vermehrt Möglichkeiten zur Datenausspähung sowie zur Desinformation und zum Datenmissbrauch. Davor warnte der kommissarische Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang.

Diskutierten über eine effektive parlamentarische Kontrolle von Nachrichtendiensten (v.l.n.r.): Dr. André Hahn (Linke), Uli Grötsch (SPD), Dr. August Hanning (Moderator), Armin Schuster (CDU) und Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen). Fotos: BS/Feldmann

entstehen, wenn aus Daten Fakten und aus Erkenntnissen Lagebilder werden.” Die Datenflut der modernen Gesellschaft sei für Nachrichtendienste “zugleich Segen und Fluch”. Noch nie seiZwiespältige Datenflut en derart viele Informationen so Für diese Feststellung erhielt er leicht abrufbar gewesen. Es sei Zuspruch vom Leiter des bran- bisher aber auch noch nie so aufdenburgischen Verfassungs- wendig gewesen, aus dieser täglischutzes, Frank Nürnberger. chen Datenlawine Relevantes von Auch dieser warnte vor einer im- Irrelevantem und Zutreffendes mer stärkeren Nutzung Sozialer von Unzutreffendem zu unterscheiden, so der komissarische Behördenleiter. Fakten und Fake News würden im Datenstrom verschwimmen. Denn: Soziale Medien sorgten für eine virale Verbreitung alternativer Fakten. Torsten Voß, der derzeit auch Vorsitzender des für Verfassungsschutzangelegenheiten Der kommisarische BfV-Präsident Tho- zuständigen Arbeitskreises vier mas Haldenwang warnte vor den Folgen in der Innenministerkonferenz der Digitalisierung. (AK IV der IMK) ist, unterstrich zudem: “Die Nachrichtendienste Netzwerke durch Extremisten müssen rechtlich und technisch und einer Fragmentierung der die Möglichkeit haben, ExtreGesellschaft durch den Verlust misten immer zu überwachen.” von Konstanten. Haldenwang Da diese oftmals verschlüsselte wies aber noch auf ein weiteres Kommunikationswege, etwa in Problem hin: alternative Fakten. Form entsprechender MessengerDiese erschwerten den politi- dienste, nutzten, sei das jedoch schen Diskurs massiv. Schließ- momentan nicht durchgängig lich gelte: “Sicherheit kann erst der Fall. Aus diesem Grunde

Jetzt soll der Daesh eliminiert werden. Die internationale Militärführung erwartet, dass der Terrororganisation endgültig die Möglichkeit entzogen wird, neue Kämpfer anzuwerben, sie zu trainieren und auszustatten, Anschläge zu planen und durchzuführen und sich zu finanzieren. Das darf bezweifelt werden. Nach neuesten UN-Schätzungen ist die Zahl der aktiven Daesh-Kämpfer definitiv weit höher. Allein in Syrien betrage sie über 14.000 Kämpfer, die immer noch fast fünf Prozent des Staatsgebiets besetzt hielten, berichtete der “Lead Inspector General” (LIG) des US-Verteidigungsministeriums im März dieses Jahres dem Kongress. Ungefähr genau so viele kämpften im Irak, vor allem nördlich von Bagdad und in der Provinz Kirkuk. Und doch ist auch diese Zahl nur die sichtbare Spitze des personellen “Eisberges”, über den der Daesh (weltweit) verfügen kann.

Terroristische Gefahr besteht fort Woche für Woche stellt er seine Kampfbereitschaft mit seinen furchtbaren und tückischen Anschlägen unter Beweis. Es liegt ja auch auf der Hand: Alleine in der Provinz Kirkuk schlossen

Behörden Spiegel / November 2018

verlangte Voß, dass die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden mit dem technischen Fortschritt und der geänderten Bedrohungslage Schritt halten müssten. Dies gelte insbesondere für den Bereich der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Voß forderte auf der Nachrichtendienst-Konferenz des Behörden Spiegel in Berlin: “Wir benötigen Sicherheit durch und trotz Verschlüsselung.”

BND nutzt integrierten Ansatz Der Beigeordnete Nato-Generalsekretär, Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven, wiederum zeigte sich davon überzeugt, dass es in Zukunft mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) möglich sein werde, militärische Ziele schneller, besser und genauer zu erfassen. Der Bundesnachrichtendienst (BND) verfolge bei der Informationsbeschaffung einen integrierten Ansatz, der mehrere Elemente umfasse. Außerdem setze die Behörde bei der Bewertung von Quellen auf ein skaliertes System. Dadurch erhalte jede Quelle einen individuellen Wert hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit im konkreten Fall, berichtete der für militärische Angelegenheiten

zuständige BND-Vizepräsident, Generalmajor Werner Sczesny. Der integrierte Ansatz erlaube es, verschiedene Informationen miteinander zu verknüpfen und gegeneinander zu gewichten. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass dieses Modell sowohl personell als auch technisch aufwendig sei. Immerhin würden dabei Elemente der Analyse von Informationen aus frei verfügbaren Quellen (OSINT), der Führung menschlicher Quellen (HUMINT), der Auswertung von Satellitenbildern (IMINT) sowie der Fernmeldeaufklärung (SIGINT) miteinander kombiniert. Gleichzeitig habe dieser Ansatz einen unschätzbaren Vorteil: Er erlaube die Erstellung aussagekräftiger Analysen, so Sczesny, der sich freute, dass der BNDUmzug von Pullach nach Berlin nach mehreren Jahren nunmehr abgeschlossen ist. Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, warnte davor, dass die neue Angriffsqualität im CyberRaum die Gefährdungslage auf ein neues Niveau hebe. Diese Entwicklung erfordere flexible Gegenmaßnahmen, da Attacken

inzwischen nicht mehr nur auf die Soft-, sondern auch auf die Hardware erfolgten. Angesichts dessen meinte Schönbohm: “Cyber-Sicherheit ist Voraussetzung für die erfolgreiche Digitalisierung und eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur durch zwischenbehördliche Zusammenarbeit erreicht werden kann.” Diese Kooperation scheint verbesserungsbedürftig zu sein. Darauf lassen zumindest die Aussagen von Christian Grusemann von der Bechtle AG schließen. Er forderte, die Zeitspanne, in der Cyber-Angriffe auf Unternehmen in aller Regel entdeckt würden, deutlich zu verringern. Bisher betrage sie noch bis zu 200 Tage. Andreas Könen, Leiter der Abteilung Cyber- und Informationssicherheit im Bundesinnenministerium (BMI), wiederum warnte: “Verbrechen findet heute digital statt. Die Angriffe und die Gefahren aus dem Cyber-Raum werden zunehmen.” Aus diesem Grunde brauche es ein Cyber-Abwehrzentrum plus, in dem die Gesamtlage zur Cyber-Sicherheit abgebildet werden könnte. Schließlich machten Wissenschafts- und Technologiespionage bereits mehr als die Hälfte der Tätig-

Gefahr von Einzelaktionen wächst Die Macht des Terror-Kalifen bröckelt massiv (BS/Uwe Kranz) Angeblich halten sich nur noch rund 3.000 Daesh-Kämpfer im mittleren syrischen Eurphrat-Tal oder im Süden Syriens verborgen. Außerdem heißt es immer wieder, rund 95 Prozent des einstigen Reiches des Kalifen Ibrahim, bekannter unter dem Namen Abu Bakr al-Baghdadi, seien zurückerobert worden. Und: Die “Operation Roundup” der multi-ethnischen Syrian Democratic Forces (SDF) sei in Phase drei getreten. sich 40.000 Iraker dem Daesh an. Nur 400 wurden getötet oder gefangen. Wo sind die restlichen Kämpfer? Im Frühjahr berichtete das irakische Militär über rund 2.000 Daesh-Kämpfer, die sich dort erneut organisiert hätten. Neu ist auch eine Terrorgruppe, die sich “White Flags” nennt und rund 1.000 Mann stark sein soll. Zu berücksichtigen sind immer auch die über 43.000 bekannten Foreign Terrorist Fighters, die von 60 Staaten an die spezielle Datenbank bei Interpol gemeldet worden sind. Der Daesh mutierte seit dem letzten Jahr von einem ScheinStaat in ein klandestines internationales Terror-Netzwerk, das Guerilla-Attacken durchführt. Er ist jederzeit bereit, erneut ein Kalifat zu bilden.

Weiter als “lone wolves” kämpfen In seiner jüngsten, inzwischen als authentisch eingestuften Audiobotschaft ruft der Kalif da-

zu auf, weiterzukämpfen und den Kampf als “lone wolves” in die Länder der “Kreuzritter” hineinzutragen. Seine letzten Anmerkungen zeigen, dass er immer noch am Leben ist und das aktuelle Zeitgeschehen genau verfolgt. Eher indirekt bestätigt er die massiven Verluste in seinem

Serie TERRORZIELE (TEIL 26) “syrakischen” Reich. Abu Bakr al-Baghdadi betonte, dass der gläubige Mujahideen Sieg oder Niederlage nicht am Gewinn oder Verlust einer Stadt, nicht an der Überlegenheit der feindlichen Luftwaffe, nicht am Besitz von Interkontinentalraketen oder an der Anzahl seiner Anhänger ausrichtet, sondern ausschließlich an der Stärke seines Glaubens. Wörtlich rief er seine Anhänger auf: “Eine Kugel, ein Messer

oder eine Bombe ist genau so viel wert, wie tausend Operationen. Und vergesst nicht, in den Straßen in Menschenmengen zu fahren!” Über den Kalifen ist immer wieder spekuliert worden. Nach USErkenntnissen sei er angeblich im Mai 2017 bei einem Luftangriff auf ein Treffen von 300 Daesh-Führungskräften schwer verwundet worden und soll monatelang behandelt worden sein. Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte sogar Ort und Datum seines Todes. Es gab auch Berichte über ein ungewöhnliches Aufkommen kritischer Artikel auf dem AlNasihah-Kanal über Telegram und sogar über einen inneren Aufstand unter Führung von Al-Haj Abdallah, da al-Baghdadi

Der Terrorexperte des Behörden Spiegel, Uwe Kranz, warnt vor einem Abwandern von DaeshKämpfern. Diese könnten zu al-Qaida “wechseln”.

Foto: BS/Dombrowsky

eine “Irakisierung” der DaeshFührungsebenen zugelassen habe. Dabei hatte es schon lange zuvor eine irakische Führungsdominanz gegeben, auch schon in allen Vorläufer-Terrororganisationen des Daesh. Die meisten “Minister” der Kabinette und Leiter der sogenannten Diwans waren Iraker. Schließlich speisten sich bereits die VorläuferTerrororganisationen größtenteils aus den Hunderttausenden entlassenen irakischen Soldaten, Geheimdienstlern, Polizisten und Verwaltungsfachleuten sowie aus

keit ausländischer Nachrichtendienste hierzulande aus, warnte Prof. Dr. Helmut Müller-Enbergs. Dabei setzten die Agenten auf verschiedene Strategien, so der Leiter der Spionageabwehr im Land Berlin und Mitverfasser des Behördengutachtens über Gregor Gysi im Jahre 1996 für den Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages. Zum einen infiltrierten sie IT-Systeme oder gründeten im Ausland eigene Unternehmen, um Teil der Lieferketten deutscher Firmen zu werden. Zum anderen übernähmen sie mithilfe von Strohmännern Unternehmen in der Bundesrepublik und versuchten dann, das Know-how abfließen zu lassen. Darüber hinaus seien Fälle bekannt, in denen Fachleute in Firmen eingeschleust wurden, um Daten zu stehlen, so Müller-Enbergs, der auch als Gutachter zur Staatssicherheit der ehemaligen DDR tätig war. Gegen diesen Datenabfluss könne man sich allerdings schützen, erläuterte Anton Kreuzer. Sein Unternehmen setze dabei auf eine zunehmende Automatisierung. Denn: “Das höchste Sicherheitsrisiko ist der Mensch.” Durch Machine Learning könnten Algorithmen Anomalien erkennen, Datenabflüsse stoppen und Geräte schützen, erklärte der CEO von DriveLock.

Einheitlichen Rechtsrahmen schaffen Nicht zuletzt um gegen alle Formen der Spionage im Speziellen, aber auch gegen Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Allgemeinen effektiver vorgehen zu können, bräuchten zumindest die Verfassungsschutzbehörden hierzulande einen einheitlichen Rechtsrahmen. Das verlangte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), Armin Schuster (CDU). Einen anderen Ansatz verfolgte Dr. André Hahn, PKGr-Mitglied für die Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Er verlangte, dass die Nachrichtendienste die parlamentarische Kontrolle ihrer Arbeit als etwas Nützliches und Sinnvolles betrachten müssten. Und Uli Grötsch (SPD), Vertreter der Sozialdemokraten forderte eine Beobachtung der “Alternative für Deutschland” (AfD) durch den Verfassungsschutz. Eine solche Beobachtung sei ein “schmaler Grat” gab der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dr. Konstantin von Notz zu bedenken.

Mitgliedern der Ba‘ath-Partei. Der absolute, unbedingte Gehorsam gegenüber dem Kalifen, eine der Grundsäulen des islamischen Staatsverständnisses, hat sichtbare Risse bekommen. Dass nunmehr offene Kritik am Kalifen geübt wird, kommt in der Welt des Daesh einem kleineren Erdbeben gleich. Entweder der Kalif weiß nichts von der irakischen Dominanz nachgeordneter Führungsebenen, wird also bewusst nicht informiert, oder er weiß davon und es ist ein absichtsvolles, taktisches Unternehmen.

Kämpfer werden sich anderen Gruppen zuwenden In jedem Fall ist es ein Alarmsignal, denn dann werden sich mehr und mehr vor allem nicht­ irakische Daesh-Kämpfer anderen Terrorgruppen zuwenden. Sie werden sich nicht mehr an ihren Treueeid gebunden fühlen und den Weg zur weltweiten Einheit des Terrors unter Führung von al-Qaida einschlagen. Und das alles vor dem Hintergrund monatelanger Versuche, mittels Emissären eine bessere Kooperation und Koordinierung der beiden großen Terrorströmungen zu bewirken. Zurück in die Zukunft!?


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / November 2018

E

r unterstrich angesichts dieser Zahlen: “Mein Ziel ist es, dass die Polizei Berlins perspektivisch mit Bodycams ausgestattet wird.” Dafür müsse zunächst allerdings das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz geändert werden. Bisher enthalte es aber keine Rechtsgrundlage für die Nutzung dieser Körperkameras, so Akmann. Im Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Landesregierung sei ein entsprechendes Pilotprojekt jedoch vorgesehen. Deshalb zeigte er sich überzeugt: “Das wird kommen.” Und mit Blick auf Distanzelek­ troimpulsgeräte, die derzeit bei der Berliner Polizei erprobt werden, meinte der Staatssekretär: “Der Taser ist der Lückenschluss zwischen dem Reizstoffsprühgerät und der Dienstpistole.” Er strebe an, diesen als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und nicht als Waffe klassifizieren zu lassen. Das müsse allerdings noch mit den Koalitionspartnern von Linkspartei und Grünen geklärt werden, die hier noch Vorbehalte hätten, räumte er auf dem Berliner Polizeitag ein, den der Behörden Spiegel gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) veranstaltet.

Das Wort ist die Waffe des Beamten Diese Einstufung des Distanzelektroimpulsgerätes halte er nicht für richtig, erwiderte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. Für ihn gilt vielmehr: “Die Waffe des Polizisten ist das Wort.” Die deutschen Polizeien müssten weiterhin “Bürgerpolizeien” sein und in engem Kontakt zu den Menschen bleiben. Hinzu komme, dass der Einsatz des Tasers gut einstudiert werden müsse und dadurch erhebliche Ressourcen gebunden würden. Denn: “Wenn wir über neue Einsatzmittel re-

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Fast 7.000 Betroffene allein in Berlin Berufsalltag von Polizeibeamten wird immer gefährlicher (BS/Marco Feldmann) Allein bei der Berliner Polizei sind im vergangenen Jahr 6.800 Vollzugsbeamte Opfer von Gewalt geworden. Jeden Tag würden drei Beamte im Dienst verletzt. Und: “Die Gefährdung der Beamten nimmt zu”, warnt der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Torsten Akmann.

Der Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Torsten Akmann (l.), will Distanzelektroimpulsgeräte als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt klassifzieren. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, sieht das kritisch. Fotos: BS/Feldmann

den, müssen wir auch immer über Training sprechen.” Malchow unterstrich darüber hinaus: “Die Gewerkschaft der Polizei will, dass die Bürger weiterhin großes Vertrauen in ihre Polizei haben.” Die dafür erforderliche Nähe dürfe aber nicht zulasten des Schutzes der Beamten gehen, verlangte der Gewerkschafter. Hierfür erhielt Malchow Zuspruch vom Präsidenten der Bundespolizeidirektion Berlin. Thomas Striethörster warnte: “In den letzten fünf Jahren ist das Risiko für meine Beamten, im Dienst verletzt zu werden, gestiegen.” So habe es allein im letzten Jahr im Zuständigkeitsbereich seiner Direktion 247 Angriffe auf Vollzugsbeamte gegeben. Zwei Drittel davon hätten auf Bahnhöfen stattgefunden, der Rest auf Flughäfen und in den Dienststel-

len selbst. Dabei seien 60 Kollegen verletzt worden, vor allem durch männliche Tatverdächtige nichtdeutscher Herkunft. Tatmittel sei insbesondere die körperliche Gewalt. Zu dieser käme es vor allem im Rahmen von Identitätsfeststellungen und nach dem Erteilen von Platzverweisen. Und noch etwas sei auffällig: Zu Attacken käme es vor allem, “wenn die Polizei schwach ist”. Das sei etwa bei Doppelstreifen der Fall. Pro Jahr würden zwei Prozent seiner Beamten im Dienst verletzt, zeigte sich Striethörster alarmiert. Zugleich gelte allerdings: “Präsenz schafft Ruhe.” Dennoch unterstrich der Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin: “Wer Staatsbedienstete angreift, attackiert den gesamten Staat.” Und Sebastian Paroch von der GdP ergänzte: “Der

Diskutierten über Angriffe auf Polizeivollzugsbeamte und Strategien dagegen (v.l.n.r.): Benedikt Lux (Bündnis 90/Die Grünen), Benjamin Jendro (Moderator) und Peter Trapp (CDU).

Respekt gegenüber der Polizei schwindet.” Zudem würden Attacken inzwischen nicht mehr nur gegen Polizeivollzugsbeamte erfolgen, sondern auch gegen Feuerwehrleute und Angehörige der Hilfsorganisationen und der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW). Dabei seien zum Teil auch “Krawalltouristen” am Werk.

Mehr Gewalt durch Alkoholisierte Karoline Ellrich, Professorin an der Hochschule für Polizei BadenWürttemberg, wiederum ging auf Einflussfaktoren für Gewalt ein. Und das sowohl aufseiten des Bürgers als auch auf Seiten des einzelnen Beamten. Es habe sich gezeigt, dass das polizeiliche Gegenüber aggressiver sei, wenn es unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehe oder psychische Auffälligkeiten zeige. Weitere

Faktoren seien unter anderem emotionale Erregung, etwa nach bereits stattgefundener Gewalt, und eine grundsätzlich negative Einstellung gegenüber der Polizei. Auch wahrgenommene Respektlosigkeiten oder eine herablassende und unfreundliche Kommunikation durch Polizeivollzugsbeamte seien gewaltfördernd. Aufseiten der Vollzugskräfte sei inzwischen offenkundig, dass Beamtinnen und Mitglieder gemischtgeschlechtlicher Teams seltener Gewalt im Dienst erlebten. Ebenfalls als gewalthemmend hätten sich ein adäquates äußeres Erscheinungsbild, eine bürgerorientierte Arbeitsweise sowie ein einsatzkompetentes Teamverhalten der Polizisten erwiesen, so die Wissenschaftlerin. Der Vorsitzende des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, Peter Trapp (CDU),

konstatierte dennoch: “Die Situation für Polizisten ist immer schwieriger geworden.” Aus diesem Grunde verlangte er, dass Staatsanwälte und Richter bei Attacken auf Polizeivollzugsbeamte härter durchgreifen müssten. Es käme darauf an, das zur Verfügung stehende Strafmaß stärker auszunutzen. Auch müssten die Geschädigten selbst wieder vor Gericht angehört werden. Zudem sei die Bevölkerung als Ganzes gefragt: Die Bürger müssten sich noch stärker für “ihre” Polizei einsetzen. Benedikt Lux, Mitglied des Berliner Landesparlamentes für die Grünen, forderte: “Polizei und Justiz müssen wieder stärker Hand in Hand arbeiten.” Dafür müsse das gegenseitige Verständnis verbessert werden. Für ihn sei klar: “Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte ist kein Kavaliersdelikt.” Generell sei es wichtig, den Respekt vor Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes wieder zu erhöhen. Des Weiteren zeigte sich Lux überzeugt, dass es einen Bodycam-Pilotversuch bei der Berliner Polizei geben werde. Wahrscheinlich würden die Geräte aber nicht bei Einsätzen in Wohnungen, etwa bei Fällen häuslicher Gewalt, eingesetzt werden. Dies hatte Trapp gefordert.

Moderne Technik präsentiert Der Berliner Polizeitag wurde auch zur Präsentation technischer Entwicklungen genutzt. So ging Christian Scherf von Axon auf Distanzelektroimpulsgeräte und Bodycams ein, Lothar Schuster von Ulbrichts Protection auf Schutzhelme. Analytics in der Ermittlungsarbeit widmeten sich Michael Hohensee und Leendert Kollmer von SAS Deutschland, und Adrian Jochum von der KRD Sicherheitstechnik GmbH erläutere den Fahrzeugschutz. Ebenfalls vertreten waren Bosch, Facebook und Gauselmann.


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

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ehörden Spiegel: Welche Themen stehen bei Ihnen als neuer Berliner Landesbranddirektor ganz oben auf der Agenda?

Homrighausen: Ich habe von Innensenator Andreas Geisel den Auftrag erhalten, eine “Strategie 2030” zu entwickeln. Hierbei gilt es festzulegen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit die Berliner Feuerwehr auch im Jahre 2030 noch leistungsfähig ist. Hier müssen wir uns unter anderem mit der wachsenden Stadt Berlin, einem erhöhten Notrufaufkommen und damit wachsenden Einsatzzahlen beschäftigen. Auch Fragen der Digitalisierung sind in diesem Zusammenhang zu beantworten. Es geht letztlich um eine Bedarfsplanung der Berliner Feuerwehr für das Jahr 2030. Behörden Spiegel: Sind Ihre Mitarbeiter vermehrt Attacken ausgesetzt? Homrighausen: Hinsichtlich Angriffen auf Feuerwehrleute und Rettungsdienstangehörige muss gelten: Wehret den Anfängen. Da geht es auch um den Stellenwert der Feuerwehr in der Gesellschaft. Da braucht es zeitnah eine Diskussion. Denn: Die Bevölkerung differenziert immer weniger zwischen der Feuerwehr einerseits und übrigen staatlichen Organen andererseits. Unsere Einsatzkräfte melden uns jedenfalls immer öfter Attacken. Diese reichen von verbaler Gewalt, wie Beschimpfungen der Disponenten in der Leitstelle, über Bedrohungen mit Pfefferspray bis zu Angriffen mit Steinen. Solch ein Verhalten dulden wir nicht. Körperliche Attacken werden von uns immer zur Anzeige gebracht. Behörden Spiegel: Braucht es nicht auch gesellschaftliche Veränderungen? Homrighausen: Klar ist aber auch, dass Sanktionen durch das Strafrecht nur die Ultima Ratio sind. Es kommt vielmehr darauf an, ein Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft zu schaffen, dass Angriffe auf Einsatzkräfte der Gefahrenabwehr inakzeptabel sind. Es braucht eine Veränderung in den Köpfen der Bürger. Der Deutsche Feuerwehrverband hat hierzu bereits eine Kampagne mit dem Titel “Gewalt gegen Einsatzkräfte geht gar nicht” gestartet. Auch in Berlin hat die Landeskommission Berlin gegen Gewalt mit der Kampagne “Res-

Bedarfsplanung für 2030 erforderlich Berliner Feuerwehr muss auf die Folgen der wachsenden Stadt reagieren (BS) Der Zuzug in die Bundeshauptstadt lässt nicht nach. Das hat auch Konsequenzen für die Feuerwehr. Sie muss unter anderem immer mehr Notrufe und daraus resultierend Einsätze bewältigen. Damit sie auch im Jahr 2030 noch leistungsfähig ist, müssen verschiedene Schritte ergriffen werden. Was er diesbezüglich plant, erläutert der neue Landesbranddirektor, Dr. Karsten Homrighausen, im Behörden Spiegel-Interview. Das Gespräch führten R. Uwe Proll und Marco Feldmann. pekt, ja bitte!” diese Problematik aufgefasst.

“Angesichts des Zuzugs werden wir in Zukunft definitiv zusätzliche Standorte für Wachen benötigen.”

Behörden Spiegel: Werden eigentlich eher Beschäftigte auf den Rettungswagen oder auf den Löschfahrzeugen attackiert? Homrighausen: Das Gros der Angriffe haben wir im Rettungsdienst. Nach Erkenntnissen einer aktuellen Studie ist der typische Angreifer männlich, alkoholisiert oder steht unter Drogeneinfluss. In der vergangenen Silvesternacht haben wir allerdings erstmals die Beschüsse mit Pyrotechnik gesondert ausgewertet. Da waren fast ausschließlich Löschfahrzeuge betroffen. Behörden Spiegel: Wie versuchen Sie Ihre Mitarbeiter vor Angriffen zu schützen? Homrighausen: Wir setzen vor allem auf Deeskalationstrainings. Von besonderer Schutzausrüstung halte ich eher weniger. In solchen Situationen ziehen wir immer die Polizei dazu. Behörden Spiegel: Was tun Sie noch, um die Bevölkerung zu sensibilisieren? Homrighausen: Wir werden eine Kampagne zum gewissenhaften Umgang des Absetzens eines Notrufs durchführen. Diese wird mehrsprachig erfolgen. Behörden Spiegel: Alle großen Städte wachsen und es kommt zu Verdichtungsprozessen. Ist es dann damit getan, die Feuerwehr personell zu verstärken und mehr Wachen zu bauen oder braucht es dann nicht auch strukturelle Veränderungen? Homrighausen: Auch in Berlin beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir am besten damit umgehen, wenn ganze Straßenzüge oder komplett neue Stadtteile entwickelt werden. Am liebsten wäre es uns – auch im Sinne der “Strategie 2030” –, wenn bereits bei der Flächennutzungsplanung, der Bauleitplanung und bei den konkreten Bebauungsplänen Flächen für die Berliner

Dr. Karsten Homrighausen steht erst seit wenigen Monaten an der Spitze der Berliner Feuerwehr. Sein erstes großes Projekt: die Entwicklung einer “Strategie 2030”. Foto: BS/Feldmann

Feuerwehr und andere Kritische Infrastrukturen aus dem Bereich der öffentlichen Sicherheit vorgesehen und freigehalten würden. Dafür bräuchten wir jedoch eine Bewusstseinsänderung bei den Planern, die sich allerdings nur langfristig erreichen lässt. Eines steht jedenfalls fest: Angesichts des Zuzugs werden wir in Zukunft definitiv zusätzliche Standorte für Wachen benötigen. Behörden Spiegel: Wird der Rettungsdienst in Deutschland auch in Zukunft weitestgehend in staatlicher Hand bleiben? Homrighausen: Ich hoffe es. Ich finde es nämlich nicht gut, dass es in Deutschland Modelle gibt, in denen der Rettungsdienst komplett an privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen übergeben wurde. Rettungsdienst ist eine staatliche Aufgabe der Daseinsfürsorge. Es braucht folglich auch immer eine staatliche Kontrolle, bei der Qualitätsstandards vorgegeben und kontrolliert werden. Behörden Spiegel: Wie resilient ist die Berliner Feuerwehr? Homrighausen: Dem Thema Resilienz müssen wir uns als Kritische Infrastruktur in besonderem Maße stelle. Diesbezüglich sind wir auf einem guten Weg und haben schon viel umgesetzt oder befinden uns im Realisierungsprozess. Besonders resilient sind wir etwa im Hinblick auf die Strom- und

Kraftstoffversorgung. Hier verfügen wir über eine sehr hohe Ausfallsicherheit und Autarkie. Klar ist aber auch: Die Schaffung sowie der Erhalt von Resilienz sind ständige Prozesse. Deshalb hat sich die Berliner Feuerwehr durch verschiedene Projekte zu einem wichtigen Partner in der Forschung etabliert. Behörden Spiegel: Und wie resilient ist Ihre Leitstelle gegen Cyber-Angriffe? Homrighausen: Da sind wir gut aufgestellt, weil wir unser eigenes Netz haben. Das erhöht die Resilienz. In einem größeren Verbund besteht immer die Gefahr, dass Probleme entstehen, nur weil eine kleine Lücke bei einer anderen Behörde dieses Netzes existierte. Behörden Spiegel: Wie wollen Sie die immer weiter steigende Zahl an Einsätzen im Bereich der Notfallrettung bewältigen? Homrighausen: Die Selbsthilfefähigkeit in den größeren Städten und den Ballungszentren ist gesunken. Außerdem beobachten wir an vielen Stellen die sogenannte Vollkaskooder Vollversorgungsmentalität. Wenn der Bürger ein Problem hat, ruft er bei einer staatlichen Telefonnummer an und dann verlangt er auch, dass jemand zu ihm kommt und ihm hilft. Das führt dazu, dass in unserer Leitstelle viele Anrufe angehen, die eigentlich keine Notrufe sind. Aus diesem Grunde wollen wir

eine Informationskampagne starten, in der wir darauf hinweisen, welche Fälle für die Rufnummer 112 geeignet sind und welche nicht. Bei alledem müssen wir aber aufpassen, dass wir echte Notfälle nicht abschrecken. Die müssen wir immer erreichen, das ist klar. Behörden Spiegel: Wann soll diese Kampagne starten? Homrighausen: Die Ausschreibung der Kampagne ist vorbereitet. Wir gehen davon aus, dass wir noch in diesem Jahr erste Vorschläge von Kommunikationsexperten erhalten werden, welche Zielgruppen wir besonders ansprechen und welche Instrumente wir nutzen sollten. Behörden Spiegel: Was muss strukturell verändert werden, um die Einsatzzahlen zu reduzieren?

Homrighausen: Die Pflicht zur Installation beziehungsweise Nachrüstung von Rauchwarnmeldern hat hier schon viel gebracht. Eine weitere Reduzierung könnte man wahrscheinlich durch eine noch stärkere Sensibilisierung sowie eine weiter intensivierte Brandschutzerziehung und -aufklärung erreichen. Da geht es unter anderem darum, darüber zu informieren, dass Brandlasten in Rettungswegen nichts zu suchen haben. Behörden Spiegel: Wie gestaltet sich die Personalsituation bei der Berliner Feuerwehr? Homrighausen: Der Senat hat für den Doppelhaushalt 2018/2019 mehr als 350 zusätzliche Stellen, über die natürliche Altersfluktuation hinaus, für die Berliner Feuerwehr zur Verfügung gestellt. In den kommenden Jahren muss diese Aufstockung aber weiter fortgesetzt werden. Das zeigt: Wir haben einen hohen Personalbedarf, auch wenn wir die absolute Zahl im Rahmen der “Strategie 2030” noch nicht definiert haben. Behörden Spiegel: Was tun Sie, um Ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen? Homrighausen: Die Feuerwehrzulage wird in Berlin auf den bundesweiten Durchschnitt angehoben und auf Hintergrunddienste ausgeweitet. Außerdem haben wir unser Dienstzeitmodell aufgrund der hohen Belastung von 48-Stunden-Wochen auf 44-Stunden-Wochen umgestellt. Diese 44-Stunden-Wochen sind aufgeteilt in jeweils zwölfstündige Dienste. Behörden Spiegel: Wollen Sie Einstellungsvoraussetzungen absenken?

Homrighausen: Der ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung könnte in Berlin noch besser dimensioniert werden. Auch die eigenen Prozesse, zum Beispiel in der Notrufannahme und -bearbeitung in unserer Leitstelle, bedürfen einer ständigen Überprüfung.. Hier braucht es eine stärkere Differenzierung der eingehenden Anrufe. Bei unserem Notruf sollte nur das eingehen, was auch tatsächlich ein Notruf ist.

Homrighausen: Das ist ein schwieriges Thema, denn die Diskussion über die Absenkung von Einstellungsvoraussetzungen ist eine ideologische. Derzeit denken wir darüber noch nicht nach. Aber es kann uns heute niemand sagen, wie sich die Situation in fünf oder zehn Jahren gestaltet. Wenn wir dann fast keine Bewerber für offene Stelle mehr gewinnen können, müssten wir umdenken. Momentan haben wir derzeit rund 13 Bewerber auf eine offene Stelle.

Behörden Spiegel: Wie könnte die Zahl der Brandtoten noch weiter gesenkt werden?

Das ungekürzte Interview lesen Sie auf www.behoerden-spiegel. de; Suchbegriff: “Homrighausen”.

Innovationen auf der PMRExpo 2018

D

enn das Hytera-Team zeigt gemeinsam mit seinen starken Partnern auf 200 Quadratmetern Präsentationsfläche (Halle 10, Stand B02) die neuesten Hytera-Produkte und -Funklösungen hautnah und in Aktion. “Wir stellen direkt live vor Ort und in ganz konkreten Szenarien aus unterschiedlichen Einsatzbereichen vor, was unsere innovativen Geräte und intelligenten Lösungen können”, sagt Matthias Klausing, CEO der Hytera Mobilfunk GmbH. “Wir laden alle Besucher herzlich auf unseren Stand ein, um ausgiebig unsere Neuheiten auszuprobieren und sich über Hytera zu informieren.” Das erwartet die Besucher auf dem Hytera-Messestand: Hytera präsentiert mit den Bereichen Public Safety, Industry 4.0, Disaster Relief, Events und Retail insgesamt fünf Schwerpunkt-Themen. Im Bereich Public Safety werden unter anderem Hyteras konvergente TETRA-/LTE-Lösung sowie eine Leitstelle, ausgestattet mit dem Integrated-Command-&Control-(ICC)-System von Hytera, live zu erleben sein. Das ICCSystem von Hytera ermöglicht die umfassende und sichere Notrufsteuerung in Städten und ist für

Behörden Spiegel / November 2018

Hytera präsentiert sich mit vielen Neuheiten (BS/Bettina Francke*) Intelligente Lösungen – neue Produkte – Zukunftstrends: Hytera präsentiert sich zur PMRExpo (Deutschlands Leitmesse für Professionellen Mobilfunk von 27. bis 29. November auf der Koelnmesse) innovativ und mit neuem Konzept. Die Besucher können sich auf Ungewöhnliches und Überraschendes freuen. den Einsatz innerhalb vielfältiger industrieller Szenarien geeignet, in denen beispielsweise eine Zentrale benötigt wird, um Anrufe entgegenzunehmen, Personal für die Abwicklung zu entsenden und die Abwicklung zu überwachen. Weitere Einsatzszenarien für das ICC sind: staatliche Hotlines, Produktionssicherung, Ölindustrie, Sicherheitsaufsicht, Flughäfen, Eisenbahnen, medizinische Notfallhilfe und Städtemanagement.

Notfallkommunikation mit neuem Ad-hoc-System Action gibt es im Schwerpunktbereich Disaster Relief. Dort gibt es verschiedene Aktionen rund um die Arbeit der chinesischen Blue-Sky-Rescue-Teams, Produkte der kanadischen HyteraTochter Norsat und das brandneue Hytera-Emergency-System ES-100 für die Ad-hoc-Funkversorgung, das erstmals auf der PMRExpo vorgestellt wird

und bisher einzigartig auf dem Markt ist. Das ES-100 ist ein DMR-basiertes und schnell zu errichtendes System (in nur einer Minute betriebsbereit), das für eine zuverlässige Notfallkommunikation, wie beispielsweise bei Naturkatastrophen, entwickelt wurde. Diese innovative Systemlösung besteht aus mobilen digitalen, drahtlosen Ad-hoc-Repeatern, die sich schnell und selbstorganisiert durch einfaches Einschalten miteinander über Funk vernetzen. Das ES-100 ermöglicht eine Funkversorgung in abgelegenen Gebieten wie Berg- und Waldgebieten, ohne dass eine Verbindungsinfrastruktur notwendig ist. Deshalb kann dieses System auch bei zerstörter Infrastruktur wie bei Feuer, Hochwasser und Erdbeben für die Rettungskoordinierung eingesetzt werden. Daneben ist es auch möglich, per Festinstallation in funktechnisch

unversorgten Bereichen, wie beispielsweise in U-Bahnen und Tunneln, ohne zusätzlichen Aufwand ein Verbindungsnetzwerk für ein robustes Kommunikationsnetz aufzubauen. Ein weiteres Einsatzgebiet des ES-100 ist eine ereignisabhängige Funkkommunikation für einen befristeten Zeitraum, beispielsweise für spezielle Einsatzgruppen für die Verbrechensbekämpfung.

Applikationen in die Welt eines Supermarkts ein und erfahren, welche intelligenten Lösungen Arbeitsabläufe optimieren und den Kundenservice effektiver gestalten können. Im Themenfeld Industry 4.0 stehen IoT-Applikationslösungen rund um das Multi-Mode-Funkgerät im Fokus. Hytera hat dafür gemeinsam mit einigen Partnern spannende Anwendungsbeispiele vorbereitet.

Hytera-Innovationen in spannenden Einsatz-Szenarien

Starke Partner mit smarten Lösungen

Das Themenfeld Events gestaltet Hytera Mobilfunk auf dem Messestand zur PMRExpo gemeinsam mit ihrem Partner Swisscom Broadcast aus der Schweiz. Im Mittelpunkt steht der Einsatz von Hytera-DMR-Geräten beim weltweit größten Militärrennen im Skibergsteigen, der Patrouille des Glaciers. Im Bereich Retail tauchen die Messebesucher mit neuesten Hytera-Produkten und

Mit intelligenten und innovativen Applikationen starker Partner zeigt Hytera auf der PMRExpo das breite Spektrum und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der neuen Produkte und Systemlösungen – von Lösungen zur Kontrolle sowie Sicherung von Zugstrecken über einen Messenger für den missionskritischen Einsatz bis hin zu IoTAnwendungen auf Basis eines

Hytera stellt auf der PMRExpo das brandneue Hytera-Emergency-System ES-100 vor. Dazu gehört auch dieses E-pack 100, ein digitaler, drahtloser Ad-hoc-Repeater. Foto: BS/Hytera

LoRa-Systems. Es wird spannend und vielseitig. Lassen Sie sich überraschen! Alle Neuigkeiten rund um die PMRExpo 2018 und Hytera gibt es ab sofort im Web unter www. hytera-mobilfunk.com/en/pmr expo/. Reinschauen lohnt sich! *Bettina Francke ist MarketingManagerin der Hytera Mobilfunk GmbH.


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / November 2018

Seite 47

Neues aus der Wehrtechnik Komponenten für die P-8A “Poseidon”

Wettkampf europäischer Landrobotik-Systeme

Boeing

Rheinmetall

(BS) Boeing und die Aljo Aluminium-Bau Jonuscheit GmbH (“Aljo”) haben Mitte Oktober einen Vertrag für Engineering-Leistungen unterzeichnet, im Rahmen dessen Aljo am Standort im niedersächsischen Berne Komponenten für das untere Seitenleitwerk (ventral fin kits) des Seeaufklärers P-8A “Poseidon” herstellen wird. Dies ist der erste Vertragsabschluss zwischen Aljo und Boeing. Aljo wird damit Teil des Zuliefernetzwerks von Boeing in Deutschland. “Unsere Kooperation mit Aljo unterstreicht unser Engagement, deutschen Unternehmen Möglichkeiten der Zusammenarbeit in allen Unternehmensbereichen von Boeing zu eröffnen”, sagte Michael Hostetter, Vice President von Boeing Defense, Space & Security in Deutschland. Aljo machte sich während eines Boeing-Workshops im Mai des vergangenen Jahres in Berlin mit dem Auswahl- und Bieterverfahren von Boeing vertraut. An dem Workshop nahmen insgesamt 23 deutsche Unternehmen teil. “Die neue Kooperation mit Boeing ist ein historischer Meilenstein für Aljo”, so Ulf Jonuscheit, Geschäftsführer der Aljo Aluminium-Bau Jonuscheit GmbH. “Es ist auch der Einstieg in den US-Markt mit neuen Normen und Richtlinien. Wir freuen uns auf diesen neuen Schritt und auf eine langfristige, erfolgreiche und vertrauensvolle Zukunft mit Boeing.” “Boeing hat sein Zuliefernetzwerk und seine Präsenz in Deutschland in den letzten Jahren kon-

tinuierlich ausgebaut”, ergänzte Dr. Michael Haidinger, President Boeing Deutschland. “Mit Aljo AluminiumBau Jonuscheit nehmen wir ein hochspezialisiertes Ein Seeaufklärer P-8A “Poseidon” Unternehmen aus der U.S. Navy Foto: BS/Portugall Niedersachsen mit langer Tradition in der Luft- und Raumfahrt in unser deutsches Zulieferernetzwerk auf.” Die “Poseidon” ist ein Seefernaufklärungsflugzeug, das breitflächige maritime und küstennahe Operationen durchführen kann. Es wird auch in humanitären Missionen sowie Such- und Rettungsaktionen eingesetzt. Es ist ein militärisches Derivat der “Next Generation” 737-800, die eine Reichweite – je nach Startmasse – von 3.790 bis 6.650 Kilometern besitzt. Die P-8 wird derzeit von der U.S. Navy, der Royal Australian Air Force und der Indian Navy betrieben. Großbritannien, Norwegen, Neuseeland und Südkorea haben ebenfalls Bestellvorhaben für die P-8A-Variante angekündigt, die indische Marine hat einen Vertrag über vier weitere P-8IFlugzeuge bereits unterzeichnet. Mehr Informationen unter www.boeing.de

(BS) Im Herbst nahm Rheinmetall erstmals mit seinem unbemannten Mehrzweckfahrzeug “Mission Master” an der ELROB (European Land Robot Trial) im belgischen Lens teil. Auf der größten europäischen Vergleichsschau für militärische Landrobotik stellte sich Rheinmetalls “Mission-Master”-Mannschaft anderen Mittbewerbern im Wettkampf. Dabei überzeugte das von Rheinmetall Kanada hergestellte, vielseitige Fahrzeug in der Cargo-Version in der Kategorie “Mule”. Insgesamt traten sechs Teams in dieser Wettkampfklasse an. Bei “Mules” (zu Deutsch “Mulis”) handelt es sich um autonom fahrende Transportfahrzeuge für schwere Lasten und Ausrüstung. Es mussten zwei Szenarien durchlaufen werden. Dabei hatten die Mannschaften jeweils 30 Minuten Zeit, mit ihrem “Mule” eine etwa 1.400 m lange Strecke zu überwinden. Nach Abschluss des zweiten Durchgangs stand dann das Ergebnis fest: Trotz erstmaliger Teilnahme am Wettbewerb gewann der Rheinmetall “Mission Master”. Das Fahrzeug in der Cargo-Version wurde auf der Eurosatory 2018, der größten europäischen Rüstungsmesse für Landsysteme bei Paris, erstmals einem größeren Fachpublikum vorgestellt. Diese Variante wurde entwickelt, um die Kampfbeladung der Soldaten zu verringern und so zu einer schnelleren Beweglichkeit und höheren Effizienz beizutragen. Rheinmetalls neues Robotik-Fahrzeug

Unter einem Dach

Gerüstet für 5G und IoT

ESG

Rohde & Schwarz

(BS) Im Zuge ihrer strategischen Weiterentwicklung hat die ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH bereits seit Längerem drei Geschäftsbereiche ausgeprägt, die ihre unterschiedlichen Services unter den Marken ESG Defence + Public Security, ESG Mobility sowie CYOSS anbieten. Dieser Strategie folgend, hat die ESG kürzlich die Geschäftsbereiche ESG Mobility und CYOSS (Cyber Security und Data Analytics) jeweils in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert. Die neuen Gesellschaften wurden als 100-prozentige Tochterunternehmen der ESG Elektroniksystemund Logistik-GmbH ausgeprägt. Geschäftsführer der CYOSS GmbH, zu der auch die Mehrheitsbeteiligung an der Radar Services GmbH gehört, ist Christian Schwarz. Kernthemen von CYOSS sind Cyber Security, Data Analytics und IT-Services. Wie geplant, übernahm Jörg Ohlsen zum 1. Oktober den Verantwortungsbereich von Wolfgang Sczygiol, sowohl als Geschäftsführer der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH als auch als Geschäftsführer der ESG Mobility GmbH. Als weitere Geschäftsführerin der ESG Mobility wurde Dagmar Griesmeier berufen. Kai Horten verantwortet weiterhin als Geschäftsführer der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH die Entwicklung der gesamten ESG-Gruppe mit besonderem Fokus auf ESG Defence + Public Security sowie CYOSS. “Mit dieser zielgerichteten Weiterentwicklung unserer Unternehmensstruktur können wir uns noch besser auf die spezifischen Bedürfnisse und

Herausforderungen unserer Kunden und Partner auf verschiedenen Märkten einstellen. Wir werden noch schneller, agiler und können unsere Innovationskraft noch gezielter zur Entfaltung bringen”, sagte Kai Horten. “Wir stärken das, was uns bisher bereits erfolgreich gemacht hat und eröffnen darüber hinaus zusätzliche Chancen – zum Wohle unserer weltweit mittlerweile über 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zum Wohl unserer Kunden”, so Horten weiter. Der neue Geschäftsführer Jörg Ohlsen ergänzte: “Ich freue mich sehr auf die spannenden Herausforderungen innerhalb der ESG-Gruppe, insbesondere natürlich im Zusammenhang mit dem weltweiten Automotive-Geschäft. Mit der neuen Struktur und unseren starken Teams forcieren wir gruppenweit nachhaltiges und profitables Wachstum und wir gestalten die Zukunft der Mobilität aktiv mit – wir geben bewegenden Visionen ein System.” Seit fünf Jahrzehnten arbeitet die ESG auf den Feldern der Entwicklung, Integration und Betrieb komplexer, sicherheitsrelevanter Elektronik- und IT-Systeme. Rund 2.000 Mitarbeiter der ESGGruppe erbringen unter den drei Marken CYOSS, ESG Defence + Public Security und ESG Mobility in Deutschland wie international Leistungen in der Logistik, der Systementwicklung, dem Training und der Beratung für Kunden aus Behörden, Verteidigung und Industrie. Damit erwirtschaftet die Gruppe aktuell über 300 Millionen Euro Umsatz. Mehr Informationen unter www.esg.de

Mehr Informationen unter www.rheinmetall.com

Jahres auf der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) in Berlin im Einsatz. Bei Streitkräften in aller Welt steht die umfassende Digitalisierung der Kommunikationsausstattung an. Rohde & Schwarz bietet Kommunikationslösungen für den Einsatz am Boden, zu Wasser und in der Luft. So präsentierte der Konzern auf der ILA Berlin Air Show unter anderem das Flugfunkgerät R&S SDAR. Auf dem Gebiet der taktischen Kommunikation erhielt das Unternehmen im vergangenen Jahr einen Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung, 50 Führungsfahrzeuge mit der “streitkräftegemeinsamen, verbundfähigen Funkgeräteausstattung” (SVFuA) auszurüsten. Mit diesem “Software Defined Radio” bringt Rohde & Schwarz eine wichtige Komponente in das Großvorhaben D-LBO ein, mit dem die Bundeswehr in den kommenden Jahren die “Digitalisierung der landbasierten Operationen” realisieren will. Zu Beginn des neuen Geschäftsjahres hat Rohde & Schwarz seine Beteiligung an der LANCOM Systems GmbH, dem größten deutschen Hersteller von Netzwerklösungen für Geschäftskunden und Behörden, auf 100 Prozent ausgebaut. Das Unternehmen bildet zusammen mit der Rohde & Schwarz Cybersecurity GmbH den neuen Geschäftsbereich “Netzwerke und Cybersicherheit”. Gründer Ralf Koenzen führt die Geschäfte der LANCOM weiter und übernimmt bei Rohde & Schwarz zusätzlich die Leitung des neuen Bereichs. Mehr Informationen unter www. Rohde-schwarz.com

Zuwächse beim Datendurchsatz

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öherer Datendurchsatz, kürzere Reaktionszeiten und stabilere Verbindungen. Das versprechen sich Telekommunikationsanbieter vom Mobilfunkstandard der nächsten Generation (5G). Damit sollen Echtzeitübertragung von großen Datenmengen von überall sowie die zuverlässige Vernetzung von Maschinen, Geräten oder Sensoren möglich werden. Das birgt auch Chancen für einen Einsatz bei den Streitkräften. “Wir müssen unbedingt schnellere Datenübertragungsraten erreichen”, forderte auch Benedikt Zimmer, beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). “Unsere heutigen militärischen Kommunikationssysteme sind schlicht zu langsam. Vor allem mit Blick auf zukünftige Anforderungen an eine stark vernetzte Opera-

(BS) Der Münchner Technologiekonzern Rohde & Schwarz hat im Geschäftsjahr 2017/2018 (Juli bis Juni) beim Umsatz erstmals die Zwei-MilliardenGrenze überschritten. Mit 2,04 Milliarden Euro lag er 6,7 Prozent über dem Vorjahr, während der Auftragseingang um 7,4 Prozent auf 2,21 Milliarden Euro stieg. Die Zahl der Mitarbeiter erhöhte sich weltweit von rund 10.500 auf 11.500 zum 30. Juni dieses Jahres. Mit seiner Messtechnik für Mobilfunk- und drahtlose Anwendungen treibt Rohde & Schwarz Zukunftsthemen wie das Internet der Dinge (IoT) und die fünfte Mobilfunkgeneration (5G) voran. Der Konzern bietet ein Lösungsportfolio für mobile Kommunikation und ein breites Messtechnikangebot für 5G. Geräte für die Generierung und Analyse von 5G-Signalen bis in die neu dafür spezifizierten Millimeterwellenbänder und “Overthe-Air”-Messlösungen gehören ebenso dazu wie ein Produktionstester für die Serienfertigung von 5G-Modulen. Im Geschäftsfeld Aerospace/Verteidigung/Sicherheit trugen die Entwicklungsanstrengungen der letzten Jahre Früchte. So hat sich am Markt R&S “Ardronis”, eine Erfassungslösung für kommerzielle Drohnen, etabliert. Diese können ein Sicherheitsrisiko für den Flugverkehr und andere schutzbedürftige Areale darstellen. Das Produkt ist Teil des Drohnen-Abwehrsystems “Guardion”, einer Kooperation von ESG, Rohde & Schwarz sowie Diehl Defence. “Guardion” war beispielsweise im Juli 2017 beim G20-Gipfel sowie im April dieses

kann in gefährlichem, schwer zu erreichendem Umfeld eingesetzt werden, was überdies zu Überlebensfähigkeit und Schutz der eingesetzten Soldaten beiträgt. Das unbemannte MehrzweckfahrD e r “ M i s s i o n zeug “Mission Master” Master” lässt sich Foto: BS/Rheinmetall zudem mit Soldatensystemen wie “Infanterist der Zukunft – Erweitertes System” (IdZ – ES), “Gladius 2.0” oder “Argus” vernetzen. In Rheinmetalls “System Infanterie” ergänzt der “Mission Master” die mit dem System IdZ – ES ausgestattete Gruppe. Voll vernetzt mit den abgesessen kämpfenden Kräften und dem Gruppenfahrzeug, entlastet er nicht nur die Schultern der Soldaten, sondern auch den militärischen Führer. Der Rheinmetall “Mission Master” lässt sich durch modulare, schnell zuzurüstende Aufbauten an eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten anpassen. Hierzu gehören Nachschub, Überwachung, Schutz, Evakuierung von Verwundeten, Brandbekämpfung, CBRN-Aufklärung (Chemical, Biological, Radiological and Nuclear) oder Fernmelde-Relais.

Besser kommunizieren mit Mobilfunkstandard 5G (BS/stb) Mit dem kommenden Mobilfunkstandard 5G sollen erhebliche Zuwächse beim Datendurchsatz erzielt werden. Davon wollen nicht nur Unternehmen und Konsumenten profitieren. Chancen sehen in Deutschland auch Sicherheitsbehörden und das Militär. Im Verteidigungsressort wird ein Projekt eingeleitet, um Potenziale der Technologie auszuloten. tionsführung.” Gefordert ist in diesem Zusammenhang aber nicht Geschwindigkeit allein. Eine zukunftsfähige Infrastruktur für mobile Kommunikation und Datenaustausch muss hochverfügbar und krisensicher sein. Entscheidend ist außerdem Interoperabilität der Technologien, um zumindest in der Übergangszeit ein Zusammenspiel mit existierenden Netzen und Standards zu gewährleisten. Denn: “Wir müssen realistisch bleiben”, wie Zimmer mahnt. “Eine perfekte Lösung mit einhundertprozentiger Abdeckung wird es kurzfris-

Plädiert für eine schrittweise Einführung von 5G und Integration mit bestehenden Technologien bei der Bundeswehr: Staatssekretär Benedikt Zimmer. Foto: BS/Stiebel

tig nicht geben können.” Man müsse Schritt für Schritt vorangehen und die Chancen der 5G-Technologie so gut es geht zu nutzen wissen. Ein ganz wesentlicher Schritt auf diesem Weg ist ein Projekt zur Konzeptentwicklung und zum Experimentieren mit

5G. Bis Mitte 2020 sollen in praktischen Tests Chancen, aber auch Grenzen und Risiken der Technologie im Einsatz ermittelt und ein Nutzungskonzept erarbeitet werden. Die Initiative dafür kam aus dem Amt für Heeresentwicklung, das hier unter anderem das Potenzial sieht, langfristige Bandbreitenbedarfe bei der Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO) zu decken. Die Projektkoordination erfolgt in Zusammenarbeit der Abteilung Cyber/ Informationstechnik (CIT) des BMVg mit dem Kommando Cyber- und Infor-

mationsraum (CIR). Die formale Entscheidung zum Projektbeginn obliegt dem Planungsamt der Bundeswehr und soll noch 2018 fallen. “Konkret sind zwei aufeinanderfolgende technische Teststellungen in 2019 geplant”, erklärt Generalmajor Reinhard Wolski, Amtschef des Amts für Heeresentwicklung in Köln. Dabei gehe es vor allem um eine Einschätzung der Resilienz der Technologie in Gefechtssituationen. Mit der Evaluierung und Einführung von 5G sei es aber nicht getan, machte Wolski klar. “Über allem steht die Weiterentwicklung und Verbesserung unserer Command-&-ControlStrukturen.” Für eine effiziente Vernetzung von Kommunikations- und Informationsflüssen aller Kräfte im Einsatz brauche es auch eine neue Doktrin.


Wehrtechnik

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Grund für Russland-Boykott?

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er Blick richtet sich nach Osten. Der “russische Bär” steht seit Längerem bereit, seine Gaslieferungen – immerhin über 53 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2017 – auszuweiten. Dazu könnte auch eine neue, dann zweite Pipeline, die sog. “Nord Stream 2”, dienen. Das Staatsunternehmen Gazprom wäre in der Lage, sicherlich auch im Interesse des Leiters des Verwaltungsrats des Unternehmens Nord Stream 2, Ex-Kanzler Gerhard Schröder, den Export für seinen besten Kunden sogar zu verdoppeln. Das Projekt befindet sich in der finalen Planungsphase und soll parallel zu der bereits bestehenden Pipeline verlaufen. Einige europäische Energiekonzerne wie die französische ENGIE, die österreichische OMV, Royal Dutch Shell oder die deutsche Wintershall haben bereits aufgeschaltet. Doch nicht alle sind begeistert! Polen und der potenzielle EU-Beitrittskandidat Ukraine befürchten enorme finanzielle Einbußen – bislang streichen sie jährlich jeweils rund drei Milliarden Euro Transitgebühren ein. Aber vor allem die USA halten Nord Stream 2 für keine gute Idee. Neben geopolitischen Gründen, wie einer möglichen stärkeren Abhängigkeit Europas vom russischen Rohstoff, spielen auch massive eigene wirtschaftliche Interessen eine Rolle. Seit der Weiterentwicklung der Förderung von Schiefergas dank “Hydrau-

Behörden Spiegel / November 2018

US-Fracking-Gas drängt auf europäischen Markt! (BS/Heino Matzken*) Im Jahr 2022 geht das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz. Der Anteil des durch Braun- und Steinkohle produzierten Stroms sinkt – auch dank des Aufwachsens regenerierbarer Energien. Holländische Öllieferungen laufen in Zukunft aus und die Dauerkrise im Nahen Osten trägt nicht gerade zur garantierten Versorgung mit dem fossilen Brennstoff bei. Wie also den deutschen Energie-Hunger stillen? lic Fractioning” (hydraulisches Aufbrechen, kurz “Fracking”) entwickelte sich der atlantische Nachbar zum fünftgrößten Gaslieferanten weltweit.

Verflüssigtes Erdgas Doch wohin mit dem fossilen Brennstoff? Dank der Umwandlung des Erdgases in LNG (“liquid natural gas”, also verflüssigtes, aufbereitetes Erdgas) durch starke Komprimierung oder Abkühlung auf minus 161 Grad Celsius, ist der Export auch ohne Pipeline möglich. Neue Terminals in Großbritannien und Polen erlaubten den USA, ihren Marktanteil von vernachlässigbaren 0,6 auf fünf Prozent zu erhöhen. Gleichzeitig bauen die Vereinigten Staaten ihre Infrastruktur strategisch aus. Bis 2020 beabsichtigt Washington, nach Katar und Australien der drittgrößte LNGExporteur weltweit zu werden. Theoretisch könnten die USA ein Viertel des europäischen Bedarfs damit decken – bis 2030 sogar die Hälfte. Nach Fertigstellung der Terminals Cove Point (Maryland), Freeport und Corpus Christi (Texas) oder Cameron (Louisiana)

Der “russische Bär” steht seit Längerem bereit, seine Gaslieferungen – immerhin über 53 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2017 – auszuweiten. Foto: BS/Alistair-Hamilton, CC BY 2.0, flickr.com

Foto: Bundeswehr

könnten die größten europäischen Gasmärkte Deutschland und Großbritannien problemlos bedient werden. Doch nicht alle sind von dem amerikanischen Exportschlager überzeugt. Umweltschützer kritisieren die zweifelhafte Fördermethode des Schiefergases. Beim “Fracking” wird ein Gemisch aus 94,5 Prozent Wasser, fünf Prozent Sand und etwa 0,5 Prozent chemischer Zusätze unter hohem Druck in eine Schiefergesteinsschicht gepresst. Das Gestein wird so aufgebrochen und durch die Risse kann das Gas, beziehungsweise Öl, hindurchströmen. So können Gas- und Ölvorkommen erschlossen werden, welche in Gesteinsschichten gebunden sind. Umweltschützer befürchten jedoch eine Verunreinigung des Grundwassers durch den Chemikalieneinsatz. Der durch “Fracking” gewonnene Rohstoff wird dann unter hohem Energieaufwand verflüssigt, um ihn per Tanker über den Atlantik zu verschiffen. In den Empfangsterminals wird

Praxisseminare Sicherheit und Verteidigung

Rüstungsbeschaffung nach novelliertem CPM 06.12.2018, Hamburg Preisrecht und Preisprüfung bei Verteidigungsaufträgen 09.04.2019, Hamburg

www.fuehrungskraefte-forum.de

Die USA positionieren sich Darüber könnte US-Flüssiggas den Weg in den größten europäischen Markt finden. Das “joint venture Gasunie” der LNG Holding, Oiltanking GmbH und Vopak LNG Holding eröffnet

Deutschland die Möglichkeit der stärkeren Diversifizierung der eigenen Energiepolitik. Die “Gasifizierungsanlage” verfügt dann über eine jährliche Kapazität von fünf Milliarden Kubikmetern, immerhin zehn Prozent des aktuell von Deutschland importierten russischen Rohstoffs. Der Kampf um Marktanteile ist bereits in vollem Gange. Bereits 2014, kurz bevor Litauen sein LNG-Terminal im Hafen von Klaipeda eröffnete – und somit auch amerikanischem Flüssiggas die Tür öffnete –, erhielt es von russischer Seite einen 23-Prozent-Rabatt auf russisches Gas. Auf der anderen Seite wandte sich Polen nach Westen. 2017 unterschrieb das staatliche Gasunternehmen PGNiG einen FünfJahres-Vertrag über den Import von amerikanischem Flüssiggas. Gleichzeitig eröffnete das NATOMitglied ein LNG-Terminal an der Ostseeküste. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Die russischen Exporte stiegen 2017 um acht Prozent auf über 190 Milliarden Kubikmeter. Gazprom, welches

*Heino Matzken M.Sc. Ph.D. ist als zukünftiger deutscher Verteidigungsattaché im Libanon vorgesehen. Der Text gibt seine persönliche Meinung wieder.

Cyber Commanders Forum

Qualitätsanforderungen an Sicherheitsdienstleistungen 15.11.2018, Berlin Vergabe verteidigungs- und sicherheitsspezifischer Aufträge 26.11.2018, Berlin

das flüssige Produkt in Gasform zurückverwandelt und in die entsprechenden Pipelines eingespeist. Das Gesamtverfahren impliziert eine Verdopplung des Preises von dann über sechs USDollar pro Verrechnungseinheit MMBTU (“British Thermal Unit”). Das russische Unternehmen Gazprom berechnet aktuell knapp unter fünf Dollar – ökologisch und wirtschaftlich gesehen auf den ersten Blick also nicht interessant für Europa. Darüber hinaus fehlt derzeit auch die infrastrukturelle Kapazität, amerikanisches Flüssiggas aufnehmen zu können. Einzelne europäische Länder reagieren bereits. 2022 wird zum Beispiel Brunsbüttel über ein 500 Millionen Euro teures Terminal an der Elbe verfügen – das einzige in Deutschland.

mit dem Pipeline-Netzwerk quasi über ein Monopol verfügt, zeichnete für 40 Prozent des europäischen Gases verantwortlich. Die eingeleiteten infrastrukturellen Maßnahmen kommen der US-Politik sehr entgegen. Energieminister Rick Perry fand klare Worte. Die Vereinigten Staaten wollten mit dem Gasexport den Einfluss Moskaus in Osteuropa “eindämmen” – energy containment policy! Dementsprechend denkt Washington über Maßnahmen gegen Unternehmen nach, die in das russische Pipeline-Projekt investieren. Der US-Senat billigte Mitte 2017 einen Gesetzentwurf, der mögliche Sanktionen gegen Privatpersonen vorsieht, die mehr als fünf Millionen US-Dollar jährlich in den Bau von Exportpipelines in Russland investieren möchten. Fünf europäische Firmen fallen in dieses Raster. Die amerikanischen Sanktionen gegenüber Russland könnten also auch wirtschaftspolitische Hintergründe haben. So drohen die beiden größten europäischen Gasmärkte Deutschland und Italien durch die Pipeline-Projekte Nord Stream 2 sowie die Trans-Adria Pipeline, Turkish Stream und South Stream noch nähere Verbindungen mit dem “russischen Bären” einzugehen. Gleichzeitig würden damit die bislang jeweils rund drei Milliarden Euro Transitgebühren an die Ukraine und Polen wegfallen. Da ökonomisch das US-FrackingGas gegenüber der russischen Ressource nicht wettbewerbsfähig ist, erscheint der sich in Wirtschaftssanktionen äußernde politische Druck des größten NATO-Mitglieds nachvollziehbar. Die unterschiedlichen Reaktionen der europäischen Staaten darauf könnten jedoch die Spaltung der EU in das “alte” und “neue” Europa weiter vorantreiben. Ob das wirklich im Sinne Washingtons ist, darf bezweifelt werden.

In der Cyber-Verteidigung vernetzen (BS*) Die Cyber Commander aus mehr als 25 Nationen folgten am 9. Oktober dem Ruf von Generalleutnant Ludwig Leinhos zum Cyber Commanders Forum (CCF) in Bonn. Knapp 400 Gäste aus Wirtschaft, Forschung, Politik und Militär tauschten sich am Folgetag beim vierten in Kooperation zwischen AFCEA Bonn und dem Kommando CIR (Cyber- und Informationsraum) durchgeführten International Cyber Operations Symposium (ICOS) aus – “Künstliche Intelligenz” und “Fake News” waren nur zwei der Themen. Das Thema “Resilienz”, also Widerstandsfähigkeit Kritischer Infrastruktur gegenüber den Bedrohungen aus dem Cyber- und Informationsraum, ist in diesem Jahr der inhaltliche Schwerpunkt von CCF und ICOS. Vor dem

Hintergrund der Diskussion über die Anfälligkeit von Netzen und Systemen für Angriffe und Manipulationen weltweit ist das Thema hochaktuell. Viele Staaten und Unternehmen betrachten die Risiken aus dem Cyber-Raum inzwischen als die größte Bedrohung der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Eine enge internationale Zusammenarbeit auf allen Ebenen ist dabei allerdings unabdingbar, denn: der Cyber- und Informationsraum macht nicht an Staatsgrenzen halt. Als Gastgeber des CCF betonte General Leinhos in seiner Eröffnungsrede: “Wir haben es uns als Ziel gesetzt, mit dem CCF und dem ICOS 2018 den Dialog und Wissensaustausch der Teilnehmenden zu gewährleisten und zu fördern. Außerdem wollen wir die Cyber-Kooperationen zwischen den Partnernationen sowie zwischen Wirtschaft, Forschung, Politik und Militär stärken.” Finnland, Spanien und Estland informierten in der Folge die anderen teilnehmenden Nationen über die jüngsten Entwicklungen zum Aufbau der Cyber-Kräfte ihrer Länder. Nur gemeinsam und vernetzt könne man die Verbesserung der Resilienz vorantreiben – eine entscheidende

Voraussetzung für die Zukunft moderner Gesellschaften, führten die Teilnehmenden des CCF einhellig weiter aus.

ICO-Symposium In den Keynotes des ICOS am 10. Oktober betonte der Stellvertreter des Befehlshabers des U.S. Cyber Command, Generalleutnant Vincent R. Stewart, die Bedeutung der Cyber-Sicherheit in einer zunehmend chaotischen und instabilen Welt und unterstrich die Wichtigkeit internationaler Kooperation auf diesem Feld: “Noch nie war das Thema Cyber-Sicherheit so bedeutsam wie heute und internationale Kooperationen sind essenziell für unseren Erfolg im Cyber-Raum.” Welchen Beitrag die Industrie zum Thema “Resilienz” gegen Cyber-Bedrohungen leisten kann, führte Bosco Novak, Mitglied des Vorstandes der Firma Rohde & Schwarz, aus. Seine Grundthese: Nur eine Kooperation staatlicher Akteure mit gleichermaßen transparenten wie verlässlichen Partnern in der Industrie ermögliche den handelnden Akteuren eine den Herausforderungen entsprechende Antwort auf die Frage: “Wir wissen, dass es Vorfälle geben wird nur, wie schnell sind wir in der Lage, darauf zu reagie-

ren und die Sicherheit unserer Systeme wiederherzustellen?” Die Bedeutung der Information als wichtigste Ressource des 21. Jahrhunderts erläuterte der Vertreter der Wissenschaft, Prof. Dr. Dr. Michael Lauster, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Technische Trendanalysen. In einem Spannungsfeld zwischen “Wahrheit und alternativen Fakten” sei die Validität von Informationen für die Qualität strategischer Entscheidungen von existenzieller Wichtigkeit. In der Folge beschrieb Prof. Lauster Ansätze, um strategische Entscheidungen gegen den Einfluss von z. B. “Fake News” härten zu können. Nach einem Dank an die vielen Helfer im Hintergrund der Organisation, Sicherheit und Tagungsdurchführung wandte sich General Leinhos zum Abschluss der Veranstaltung an die Gäste und die Vortragenden. “Die angeregten Diskussionen während und am Rande der Breakouts haben gezeigt, mit wie viel Enthusiasmus Sie alle beim Thema Cyber-Sicherheit und Informationssicherheit dabei sind”, so der Inspekteur CIR. *Autorenteam des Presse- und Informationszentrums des Kommandos CIR


Verteidigung

Behörden Spiegel / November 2018

Ein starker Sicherheitspartner

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ieses Umfeld ist das Ergebnis verschiedener grundlegender Entwicklungen. Die geopolitischen Machtstrukturen verändern sich. Einige Länder, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten einen weniger hohen Stellenwert beimessen, sind auf der internationalen Bühne aktiver geworden und melden sich dort zunehmend lautstark zu Wort. Gleiches lässt sich im Cyber Space beobachten, in dem staatliche Akteure oder Akteure mit engen Verbindungen zu Staaten Cyber-Angriffe zu Zwecken der Spionage, Manipulation oder Sabotage durchführen. Mit solchen Angriffen versuchen sie, unserer demokratischen und auf Regeln basierenden Ordnung, unserer Wirtschaft und unseren Kritischen Infrastrukturen zu schaden. Die Konsequenzen dieser Angriffe reichen weit über die Landesgrenzen hinaus; sie berühren auch andere Sicherheitsinteressen und die von demokratischen westlichen Staaten propagierte multilaterale Ordnung. Um unsere demokratischen Interessen verteidigen zu können, müssen unsere Länder widerstandsfähiger werden. Klar ist, dass mehr Sicherheit zusätzliche Investitionen in Allianzen und militärische Fähigkeiten erfordert, damit Aggressoren abgeschreckt und, wenn nötig, bekämpft werden können.

NATO und EU Und damit komme ich zum Titel der diesjährigen Berliner Sicherheitskonferenz – “European Security and Defence: remaining Transatlantic, acting more European”. Wir brauchen die enge Zusammenarbeit einer starken NATO und einer selbstbewussten Europäischen Union, um zu gewährleisten, dass wir über größere Verteidigungskapazitäten für eine wirksame Abschreckung verfügen. Eine starke NATO, in der alle Mitgliedsstaaten ihren Teil der Verantwortung übernehmen, ist ein wichtiger Garant für unsere Sicherheit. Die USA sind in diesem Zusammenhang

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ie deutsche Bevölkerung habe mittlerweile verstanden, “dass es eine Bedrohung gibt”, so General Zorn, und dass sie in erster Linie von Russland ausgehe. Trotz der Modernisierung der russischen Streitkräfte gehe die größere Gefahr nicht von Panzertruppen, sondern von Cyber-Kriegern aus. Pro Tag gebe es allein auf die BundeswehrNetze rund 500 Cyber-Angriffe. Deren Abwehr diene nicht zuletzt der neu aufgestellte militärische Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum (CIR). Besorgt zeigte sich der Generalinspekteur in Bezug auf Afghanistan. Seit 17 Jahren bemühe sich die internationale Staatengemeinschaft um eine Stabilisierung, doch herrsche dort immer noch ein strategisches Patt mit den Taliban vor. Er erwarte “keine mittelfristige Verbesserung der Sicherheitslage” am Hindukusch.

Herausforderungen für Europa Wolfgang Hellmich, SPD-Abgeordneter und Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, wies in seiner Begrüßung – er war einer der Veranstalter – und Einführung darauf hin, dass an der Baustelle “wehrhafte Demokratie” die Bundeswehr ebenso arbeite wie aktuell in der Bundeshauptstadt die Demons­tranten gegen Rechtspopulismus. Sein Fraktionskollege Sebastian Hartmann, seit Juni Landesvorsitzender der NRW-SPD, betonte die engen Beziehungen seines Bundeslandes zu Großbritannien

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Den Ursachen von Instabilität vorbeugen (BS/S.E. Wepke Kingma) Die Niederlande sind in diesem Jahr Partnerland der Berliner Sicherheitskonferenz (BSC, 27.-28.11.2018). Die diesjährige Konferenz findet statt vor dem Hintergrund wachsender Unsicherheit unter den Bürgern und zunehmender Behördenaktivität im Kampf gegen die neuen Bedrohungen, denen unsere Länder ausgesetzt sind. 2017 hätte sich wohl niemand vorstellen können, dass wir 2018, am helllichten Tag auf offener Straße in einer europäischen Stadt, einen grausamen Giftgasanschlag oder auch eine dreiste Cyber-Attacke auf eine bedeutende multilaterale Organisation erleben würden. Dies ist das gefährliche und turbulente Sicherheitsumfeld, in dem wir uns heute bedauerlicherweise befinden. dieser Initiativen und Projekte Zeit braucht. Die Öffentlichkeit und unsere Bündnispartner erwarten verständlicherweise greifbare Ergebnisse in absehbarer Zeit, allerdings ist das nicht immer möglich. Das bedeutet, dass europäische Sicherheits- und Verteidigungsprojekte im kontinuierlichen Dialog sowohl mit der Öffentlichkeit als auch mit den Bündnispartnern durchgeführt werden müssen. So lassen sich Erwartungen steuern, der Rückhalt für unsere Projekte erweitern und Legitimität gewährleisten.

Aktiver Partner

Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur digitalen Integration der deutschen und niederländischen Landstreitkräfte durch die beiden Verteidigungsministerinnen, Dr. Ursula von der Leyen und Ank Bijleveld-Schouten, Mitte Mai im niedersächsischen Lohheide Foto: BS/Niederländisches Verteidigungsministerium

nach wie vor ein unverzichtbarer Verbündeter, und es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir unsere transatlantische Zusammenarbeit stärken, um neuen Bedrohungen zu begegnen. Wir sehen, dass NATO-Mitgliedsstaaten wieder mehr in das Bündnis investieren. Und dieses Jahr hat Europa verschiedene wichtige Schritte auf dem Gebiet der Sicherheit und Verteidigung unternommen, die zeigen, dass man Sicherheitsbedenken ernst nimmt und sowohl willens als auch in der Lage ist, mehr Verantwortung zu übernehmen. Die EU hat eine Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) ins Leben gerufen und vielfältige Projekte ausgewählt, die die Entwicklung neuer Verteidigungsfähigkeiten fördern werden. Die Niederlande haben die Feder-

führung des PESCO-Projekts zur militärischen Mobilität inne, das den grenzüberschreitenden Transport militärischer Truppen und Ausrüstung in Europa verbessern wird. Wir wollen Militärpersonal so schnell und effizient wie möglich von A nach B verbringen können. Die Verbesserung der Mobilität ist von zentraler Bedeutung, wenn es um eine schnelle und effektive Krisenreaktion geht. Unsere Anstrengungen auf dem Gebiet der militärischen Mobilität sind jedoch keineswegs auf die EU beschränkt: Wir verfolgen unsere Mobilitätsziele auch im Kontext der NATO, über EUNATO-Verbindungen und im Rahmen bilateraler Beziehungen zwischen Mitgliedsstaaten. So gesehen ist die militärische Mobilität ein perfektes Beispiel

für die Kombination aus transatlantischer Zusammenarbeit und europäischen Ambitionen. Diese und andere Initiativen, die darauf abzielen, die Verantwortung Europas für seine eigene Sicherheit zu stärken, sind notwendige Schritte; sie rufen aber auch Bedenken hervor, über die gesprochen werden muss. So besteht ein Risiko darin, dass die Ziele, die wir uns setzen, nicht unseren Verteidigungsfähigkeiten in der Praxis entsprechen. Es hat immer schon eine Lücke zwischen unseren Ambitionen und unseren Fähigkeiten gegeben; angesichts der aktuellen Sicherheitslage sollten wir jedoch anerkennen, dass diese Lücke nicht wünschenswert ist und rascher geschlossen werden muss. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die Implementierung vieler

Die Niederlande sind als aktiver Partner auf dem Gebiet der Sicherheit und Verteidigung bekannt, als energischer Verfechter der internationalen und multilateralen Zusammenarbeit. Dies hat vor allem zu tun mit ihrer lange zurückreichenden Tradition als große Handelsnation. Außerdem setzen wir uns für die Wahrung und Förderung der internationalen Rechtsordnung ein. Nicht umsonst gilt Den Haag als Welthauptstadt des Rechts. 2018 haben wir als nicht-ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats einen signifikanten Beitrag zu Frieden und Sicherheit in der Welt geleistet. Zu unseren Prioritäten im Rat gehörte es, dazu beizutragen, dass UN-Friedensmissionen mit hinreichenden und zuverlässigen Kapazitäten ausgestattet sind und effektive Ro-

“Es gibt eine Bedrohung” Aktuelle Herausforderungen auf den 14. Petersberger Gesprächen zur Sicherheit thematisiert (BS/Dr. Gerd Portugall) “Als Kern meines Aufgabenbereichs verstehe ich die Gewährleistung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr.” Das sagte Mitte Oktober General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr, in seiner Keynote bei den 14. Petersberger Sicherheitsgesprächen. In diesem Zusammenhang berichtete er, dass aktuell im BMVg jeweils eine neue Strategie “Personal” und eine neue Strategie “Reserve” geschrieben werde. Bereits Anfang September hatte der Generalinspekteur das neue Fähigkeitsprofil der Bundeswehr unterzeichnet. Dieses interne Planungsdokument beschreibt detailliert den Bedarf der Bundeswehr sowie die wesentlichen Modernisierungsschritte bis zum Jahr 2031. Fotos machten, würden britische “Tornado”-Kampfflugzeuge Bomben werfen. Die bisherige “Zwei-PfeilerAllianz”, d. h. NATO und EU, müsse “mehr konzeptionell und finanziell unterfüttert” werden. “Es ist für beide Platz”, betonte Prof. Varwick.

und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass diese auch nach dem Brexit fortbestünden. Außerdem sprach sich Hartmann für die Beibehaltung der Standorte der wehrtechnischen Industrie in Nordrhein-Westfalen aus. Sein Parteifreund Hellmich ergänzte hierzu: “Der europäische Rüstungsmarkt sollte abgeschottet werden. Wenn alle Europäer ihre Ausrüstung in Europa kaufen würden, wäre dessen Industrie auch ausgelastet.” Dem sei aber nicht so, so der Sozialdemokrat.

PESCO im Fokus Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses hat gleichzeitig den Vorsitz in der Berichterstattergruppe zu PESCO (“Ständige Strukturierte Zusammenarbeit” bei der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union) inne. Die Außen- und Verteidigungsminister von 25 der 28 EU-Staaten hatten im November und Dezember des vergangenen Jahres dem Europäischen Rat mitgeteilt, in der Verteidigung künftig gemeinsame Wege gehen zu wollen. PESCO sei ein bisher ungenutzter Teil des Lissabon-Vertrages von 2007 beziehungsweise 2009,

Politik in der Pflicht

Zeigte auf, wo es langgeht: General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr und damit der ranghöchste Soldat der Bundeswehr. Foto: BS/Portugall

so Siemtje Möller, erstmals im vergangenen Jahr für die SPD in den Bundestag eingezogen und Mitglied des Verteidigungsausschusses. “Wir haben die Bundeswehr lange genug kaputtgespart”, so die Sozialdemokratin. Abhilfe könne nun unter anderem von PESCO kommen. Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit sei eine direkte Reaktion auf das Brexit-Referendum vom Juni 2016 gewesen, so Botschafterin Antje Leendertse, Politische Direktorin im Auswärtigen Amt in Berlin.

Allerdings: Frankreich hätte PESCO “viel offensiver und mutiger gestaltet”, so Prof. Dr. Johannes Varwick von der Universität Halle-Wittenberg und Vizepräsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e. V. (GSP). Ohnehin seien hierzulande “mehr Ambitionen als politischer Wille” wahrzunehmen. Die Folge: “Wichtige EU-Partner haben kein Vertrauen in die deutschen Fähigkeiten”, so der Politikwissenschaftler. Während Bundeswehr-“Tornados” über dem Irak und Syrien lediglich

In Bezug auf die Probleme bei Material und Personal in der Bundeswehr sagte der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels: “Ich habe nichts zu entscheiden. Mein Job: Ich kann nur Druck machen!” Dieser Druck sei dringend geboten, denn: “Die kleinste Bundeswehr, die wir je hatten”, solle gleichzeitig weiterhin Auslandseinsätze fahren und (!) genügend Fähigkeiten für die Landes- und Bündnisverteidigung vorhalten. Der SPD-Politiker Bartels verwies beim Wettbewerb um Personal auf den Umstand, dass die Polizei prozentual mehr Bewerber verzeichnen könne als die Streitkräfte. Dies sei nicht verwunderlich, da man die Bundeswehr-Laufbahn lediglich als Zeitsoldat beginne, während Polizeianwärter bereits frühzeitig verbeamtet würden.

tationsmechanismen entwickelt werden, die es ermöglichen, dass zunehmend komplexe UN-Missionen ihre Aktivitäten fortführen können. Die militärische Zusammenarbeit zwischen den Niederlanden und Deutschland, z. B. in Mali, Afghanistan und bei “Enhanced Forward Presence”, und die binationale militärische Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern sind auch Beispiele einer aktiven Partnerschaft. Ich bin mir sicher, dass mein Land auch in Zukunft ein starker Sicherheitspartner sein wird. Im Frühjahr dieses Jahres hat die niederländische Regierung eine neue integrierte außen- und sicherheitspolitische Strategie vorgelegt, die unseren Beitrag zur internationalen Sicherheit unterstreicht und als Leitlinie für unser Handeln außerhalb unserer Landesgrenzen dient. Die Strategie wird der aktuellen komplizierten und heterogenen Sicherheitslage gerecht. Sie skizziert unser Ziel, den Ursachen von Instabilität vorzubeugen, moderne und effektive Selbstverteidigungsfähigkeiten aufzubauen und das Fundament unserer Sicherheit zu stärken. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, die internationale Zusammenarbeit zu verbessern, multilaterale Vereinbarungen zu pflegen und den Dialog mit allen Beteiligten zu suchen – in der Überzeugung, dass wir alle von einer starken multilateralen Ordnung profitieren. Mehr zum Thema “BSC-Partnerland Niederlande” auch auf Seite 43 dieser Ausgabe.

S.E. Wepke Kingma, Botschafter des Königreichs der Niederlande in Deutschland Foto: BS/Niederländische Botschaft

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes e. V. (DBwV), Oberstleutnant André Wüstner, bezeichnete die Frage der Glaubwürdigkeit in der Politik als das “momentan ganz große Thema”. Die Menschen hätten zwischenzeitlich gelernt, Koalitionsverträge zu lesen, d. h. die Politiker beim Wort zu nehmen, so der Verbandsvertreter. Den “Gleichklang” im Koalitionsvertrag von Verteidigungsausgaben und ODA-Quote (“Official Development Assistance”) begrüßte Christoph Rauh, Unterabteilungsleiter Afrika im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Gleichwohl appellierte er: “Wir müssen mehr Handel treiben mit Afrika.” Nur wenn die Menschen vor Ort eine wirtschaftliche Bleibeperspektive hätten, würden sie sich nicht auf den beschwerlichen und gefährlichen Weg nach Europa machen. Erschwerend komme auf dem Schwarzen Kontinent eine tickende “demografische Zeitbombe” hinzu, warnte Rauh.

Organisation Veranstaltet wurden die Sicherheitsgespräche – wie in den Vorjahren – von MdB Wolfgang Hellmich, der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und der KarlTheodor-Molinari-Stiftung – dem Bildungswerk des Bundeswehrverbandes. Als Moderator führte Oberst a. D. Hans-Joachim Schaprian, Vorsitzender des Arbeitskreises Sicherheitspolitik und Bundeswehr der SPD NordrheinWestfalen, durch das eintägige Programm.


BSC

Berlin Security Conference

17 t h C o n g r e s s o n E u r o p e a n S e c u r i t y a n d D e f e n c e

27. – 28. November 2018 Vienna House Andel’s Berlin

European Security and Defence – remaining Transatlantic, acting more European Partnerland BSC 2018: Königreich der Niederlande Highlights im Hauptprogramm, u. a.: > ERÖFFNUNG DER KONFERENZ » Stef Blok (1), Außenminister der Niederlande 1 » Dr. Ursula von der Leyen (2), Bundesministerin der Verteidigung

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> KEYNOTE-ANSPRACHEN

» Dr. Karin Kneissl (3), Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres von Österreich

» Alexander Gruschko (4), Stellvertretender Außenminister, Russische Föderation

» Patricia Zorko (5) Stellvertretende nationale Koordinatorin für Sicherheit und die Bekämpfung

3 des Terrorismus, Ministerium für Justiz und Sicherheit der Niederlande » Admiral Rob Bauer (6), Befehlshaber der Niederländischen Streitkräfte 4

» General Eberhard Zorn (7), Generalinspekteur der Bundeswehr » Generalleutnant Martin Schelleis (8), Inspekteur der Streitkräftebasis

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> FORUM ZUKÜNFTIGE STREITKRÄFTE

» Botschafter Jir̆ í S̆edi vý  (9), Ständiger Vertreter Tschechiens bei der NATO

» Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Beyerer (10), Vorsitzender Fraunhofer-Verbund Verteidigungs- und Sicherheitsforschung

» Ron Cook (11), Geschäftsführer L3 Technologies UK

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» Jorge Domecq (12), Generalsekretär der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) » Dr. Thomas H. Killion (13), Leitender Wissenschaftler der NATO » Vizeadmiral Arie Jan de Waard (14), Direktor Defence Materiel Organization (DMO) und Rüstungsdirektor des Niederländischen Verteidigungsministeriums

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Weitere Informationen und Anmeldung  www.euro-defence.eu Veranstalter

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Fotos: Dombrowsky; Bundeswehr 2014, BPA, Kugler; © Georges Schneider, BMEIA; Jacqueline de Haas

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Behörden Spiegel / November 2018

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Die letzte Seite

Wie in Stein gemeißelt

as Büro des Dombaumeisters am Roncalliplatz 2 befindet sich nur wenige Meter vom Ein “Baubeamter” im Auftrag Gottes berühmtesten Wahrzeichen der Rheinmetropole entfernt. Man spürt die erhabene Atmosphäre (BS/Michael Harbeke) Als Kölner Dombaumeister hebt der Architekt und Denkmalpfleger Diplom-Ingenieur Peter Füssenich (Jg. 1971) ein Traditides mächtigen Bauwerks, das die onsverständnis hervor, das sich bis ins hochmittelalterliche 13. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Er leitet eine Werkstätte, die steinalt ist wie der Domplatte sommers wie winters Dom. Die Dombauhütte vereint professionelle Handwerkskunst, vom Schmied bis zum Glasrestaurator, unter ihrem Dach. Rund 100 Mitarbeiter in Schatten hüllt. Peter Füsse­ unterschiedlicher Gewerke sind bei ihr beschäftigt. Zur Ehre des “Auge Gottes” – wie es überliefert heißt – wurde die hochgotische Kathedrale 157 nich strahlt Feinsinnigkeit und Meter in die Höhe gebaut. Damals, unter Meister Gerhard, galt der Dom als eine Metapher für das “himmlische Jerusalem auf Erden”. Der Architekt Begeisterung für seine Sache setzt diesen sakralen Geist fort und gibt unumwunden zu: “Ich bin ja fast schon verheiratet mit dem Dom!” aus. Der Dom steht immer im Mittelpunkt. Sein Dienstgeber Eng verzahnt ist die Bauplanung ist das Metropolitankapitel der des Dombaumeisters mit dem Hohen Domkirche, einem Kollegi- seit 1842 bestehenden Zenum bestehend aus zwölf führen- tral-Dombau-Verein, einer inden Geistlichen des Erzbistums ternational vernetzten bürgerKöln; der Dompropst ist sein lichen Institution, welche für unmittelbarer Vorgesetzter. Die den Großteil der Kosten der sogenannte Koda – ein Gremi- Dauerbaustelle Dom durch Erbum aus Dienstgebervertretern schaften, Spenden und Mitglieds­und Arbeitnehbei­t räge auf­ mervertretern – kommt. Persetzt die an die “Wenn der Dom fertig s o n a l - , M a Tarifordnung erial- und ist, geht die Welt unter.” tBe des Öffentlichen ­s chaffungs­ Dienstes (TVÖD) kosten werden angelehnten Entgelte gemäß von ihm zu 60 Prozent getrader Kirchlichen Arbeits- und gen. Weitere Geldgeber sind das Vergütungsordnung (KAVO) für Land NRW, das Erz­bistum Köln die Gehälter der Dombauhütte sowie die Stadt Köln. Füssen­ um. Der Dombaumeister werde ich legt einmal im Jahr seinen gemäß seiner speziellen leitenden Haushaltsplan dem VerwaltungAufgaben entsprechend entlohnt, sausschuss des Zentral-Domso Füssenich. bau-Vereins vor. Nach Prüfung wird entschieden, wie die Dombau ist eine Bauvorhaben weitergehen. Der Friedensmission Dombaumeister, der über einen Ein geflügeltes Sprichwort bes- Jahresetat von etwa sieben bis agt in Köln, dass, wenn der Dom acht Millionen Euro verfügt, hebt fertig gebaut sei, die Welt unterge- die hohe Bedeutung der rührigen he. Diese Sorge ist unbegründet. Interessengemeinschaft hervor: Denn die Projekte sind komplexe “Der Verein ist die Lebens­ader Bauvorhaben, die das Ausmaß des Kölner Domes. Die rund eines halben Jahrhunderts er- 17.600 Mitglieder haben einen reichen: “Wir denken in großen wichtigen Anteil an der Erhaltung Dimensionen. Schon jetzt planen des Kölner Wahrzeichens, das wir Restaurierungsmaßnahmen, wie kein zweites für die Perfekdie erst im Jahr 2070 abge- tion gotischer Kathedralbauten schlossen sein werden.” Selbst in Europa einsteht.” Trotz aller die Verheerungen des Zweiten bürokratischen Pflichten ist er Weltkrieges sind für die Dom- mitnichten ein Schreibtischtäter. Dombaumeister Peter Füssenich bewahrt das Kölner Wahrzeichen. bauhütte noch omnipräsent. Der Sein Job auf dem kölnischen Foto: BS/©Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte Köln; Jennifer Rumbach Mehltau der Geschichte ist mit “Dach der Welt” verlange täglich der soge­n annten Domplombe den Aufstieg in windige Höhen, gehört, gilt die Kölner Bauord- zugefügt wird. Aber wir passen werklicher Traditionen: “Wir erhalten geblieben. Der studierte was Schwindelfreiheit für die nung im Außenbereich felsenfest auf!” Dombaumeister Füsse­nichs sind ein Ausbildungsbetrieb, um Architekt, der seine Abschlus- Stelle zwingend voraussetze: “Der wie ein biblisches Gebot. Allen Wirken in einer der größten Dom- die für den Erhalt eines histo­ sarbeit als Denkmalpfleger über Dom hält mich fit! Wenn ich es Schlagzeilen über Wildpinkler bauhütten Europas kennt keinen rischen Großbaus notwendigen die Domplombe schrieb, ist Ex- realisieren kann, vermeide ich zum Trotz, die an die heiligen Dienst nach Vorschrift oder gar Techniken und Fähigkeiten der perte in Sachen Dombaukultur: den Bauaufzug und mache jeden Mauern des Gotteshauses uri­ Routinebetrieb – täglich ergeben Nachwelt zu erhalten.” Über al“Das Verblenden der Domplombe Meter auf den Gerüsten selbst. nieren, seien die sich neue Prob- lem steht die Philosophie der leme, die nur möglichst originalgetreuen Er­ hat bei vielen Kölnern für Kritik Sicherheit geht natürlich vor. g r e n z ü b e r “Der Kölner Dom zieht im Team gelöst haltung des Baus. Insbesondere und Widerstand gesorgt, da sie Unsere Gerüstbauer haben aber s c h r e i t e n d e n Übergriffe zudie Domplombe als Zeitzeug­ alles im Griff!” mich in seinen Bann.” werden können: in der Restaurierung und in der nis und Erinnerungsort an die “Als Architekt Dokumentation werden mo­ rückgegangen. Verheerungen des Krieges er- Wildpinkeln und u n d D e n k - derne Technologien eingesetzt: Auch die Zahl Vandalismus halten wollte.” Zwischen den der Vandalisten, die aus Zer- malpfleger muss man Generalist “Momentan restaurieren wir Jahren 1942 und 1945 trafen Der Dombaumeister steht bei störungswut oder Sammelleiden- sein und sich in allen Gewer­ unter anderem den Nordturm, vierzehn schwere Sprengbomben allen Planungen von Bau- und schaft Steine aus der Fassade ken zurechtfinden. Doch ohne weshalb an dessen Nordwest­ und über 70 Brandbomben das Restaurierungsmaßnahmen am brechen, hätte sich reduziert. die Spezialisten aus Handwerk strecke zurzeit ein 30 Meter hoGotteshaus, Artilleriebeschuss Dom immer im engen Kontakt Die Ereignisse aus der Silves­ und Restaurierung wäre der hes Hängegerüst angebracht ist. und auffliegendes Material zo- zur staatlichen und städtischen ternacht 2016/17 hätten den Dom aufgeschmissen.” Die Köl- Im südlichen Querhaus werden gen sein Gestein schwer in Mit- Denkmalpflege, mit denen er sich Dom erstaunlicherweise nicht ner Dombauhütte sei einerseits die im Zweiten Weltkrieg nur leidenschaft. Es begann eine bei wichtigen Entscheidungen beschädigt. Der Dombaumeister ein Ort, an dem alte Techniken teilweise ausgebauten Fenster aufwendige Restaurierung, die abstimmt. Die Umgestaltung der betont, dass er keine Angst um und Arbeitsmethoden bewahrt eingebaut und die zerstörten Parbis zum heutigen Tag andauert. historischen Mitte, die in Füsse­ den Dom habe: “Durch die gute würden, andererseits seien die tien rekonstruiert.” Eine weitere Der Dombaumeister interpretiert nichs Amtszeit entstand, sei dafür Kooperation mit den städtischen Mitarbeiter bestrebt, immer Baustelle, die die Dombauhütte seine Arbeit als “Friedensmis- Beleg genug: “Der Stadtkonser- Ordnungskräften hat sich die wieder neue Wege auszuloten. noch Jahrzehnte begleiten werde, sion”: “Die Restaurierung des vator Kölns erteilt letztendlich Situation deutlich entspannt. Die enge Zusammenarbeit mit sei das für die gotische KatheBaus und die Rekonstruktion zer- die denkmalrechtliche Erlaubnis Mehr Polizeipräsenz auf der Forschungsinstituten und Uni- dralarchitektur so typische Strestörter Bereiche ist nie leicht, da für die Restaurierungsarbeiten Domplatte zeigt ihre Wirkung. versitäten sei unerlässlich für bewerk im Lang- und Querhaus. man bei allem Bemühen um den am Dom.” Obwohl der Dom als Ganz vermeiden lässt es sich die Zukunft des Domes. Darüber Es habe für den Dom eine wichErhalt des Originals zwangsläufig eigene Körperschaft öffentlichen beim Massentourismus natürlich hinaus versteht sich die Dom- tige statische Funktion, da es auch Veränderungen vornimmt. Rechts sich ausschließlich selbst nicht, dass dem Dom Schaden bauhütte als Bewahrerin hand­ die Lasten der Gewölbe und den Winddruck auffange und zu den Manchmal ist das ursprüngliche Fundamenten leite: “Gerade diese Material nicht mehr erhältlich. Dann kommt man nicht umhin, Bereiche sind durch Verwitterung neue Werkstoffe einzusetzen.” stark geschädigt”, so Füssenich. Man greife dabei unwillkürlich in Die Arbeit als Dombaumeister (BS) Die Kölner Dombauhütte ist eine Institution, die Arbeit früherer Generationen kann kein rein technokratischer die den formvollendeten Kirchenbau erdachte. Geein. Es sei die Kunst, das Gleichtreu Schillers Ballade “Die Glocke”, dass das Werk Akt sein. Raum für Spiritualität, den Meister lobe, doch der Segen von Gott käme, die fest im katholischen Glauben gewicht zwischen Authentizität hinterließen die Dombaumeister im Gestein des wurzelt, sei Grundvoraussetzung und Erneuerung zu erhalten: Kölner Wahrzeichens Spuren. Mit dem Bau verrichfür sein Tun: “Der Kölner Dom “Alle Generationen standen vor teten sie eine Art Gottesdienst. Im 13. Jahrhundert ist ein lebendiger Erinnerungsort diesem Problem. Jeder Domentstand unter Meister Gerhard (Dombaumeister und ein Speicher von Erfahrunbaumeister muss hier seinen von 1248 bis vor 1271) der Vorläufer der heutigen eigenen Weg finden, um das über gen. In seinem Inneren finden Dombauhütte mit der Grundsteinlegung des Doms die Jahrhunderte gewachsene gosich Kunstwerke aus über 1.000 am 15. August 1248. Bis zum heutigen Tag ereilte tische Ensemble der Kathedrale Jahren. Vom Gero-Kreuz über die Dombauhütte Zäsuren – der Kölner Dom blieb nicht zu verfälschen.” den Dreikönigsschrein bis hin eine Dauerbaustelle. Ob bei der Einstellung des Füssenichs Tätigkeit lässt sich zum Südquerhausfenster von Dombaus um 1520, während der Besetzung des in drei Säulen aufgliedern: “Als Die Kölner Dombauhütte ist für den Erhalt des Kölner Gerhard Richter ist er aufgeladen Rheinlandes durch die Franzosen (1794) oder bei Domes verantwortlich. mit christlicher Symbolik.” Fas­ Dombaumeister bin ich verantder Domvollendung (1842), die Dombauhütte war Foto: BS/©Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte Köln; Mira Unkelbach zinierend sei es, auf den Gerüsten wortlich für die Personalverstets den Zeitläuften der Geschichte unterworfen. an Winkel vorzudringen, wo seit waltung der rund 100 Mitarbeitder Handwerker gelang es, ihn in nur elf Jahren soAb 1520 war die Dombauhütte nur noch mit den 160 Jahren niemand mehr war: er. In der Haushaltsplanung lege weit wiederherzustellen, dass er in allen Bereichen notdürftigsten Erhaltungsmaßnahmen beschäftigt. “Man kommt der Kathedrale so ich fest, welche Baumaßnahmen wieder geöffnet werden konnte. Der amtierende Zwischen 1794 und 1823 war die Dombauhütte unglaublich nah. Jedes Detail, anstehen. Außerdem stehe ich als ganz geschlossen. Der Zweite Weltkrieg und dessen Dombaumeister Peter Füssenich reiht sich in das bis zur kleinsten Verzierung, ist Dombaumeister auch stark in der Bombardements trafen den Dom schwer. Nur durch Bestreben seiner Vorgänger ein, den Dom der mit größter Perfektion gestaltet Öffentlichkeit, um für unsere ArNachwelt möglichst authentisch zu erhalten. den Weitblick der Dombaumeister und den Eifer und erscheint somit wie ein Abbeit um den Erhalt des Weltkulturerbes Kölner Dom zu werben.” bild zu Ehren Gottes.”

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Der Dombaumeister ist seit sei­ ner Kindheit von der architektonischen Qualität alter und mo­ derner Kirchenbauten fasziniert. Er war schon als Ministrant von der Kirche in Neviges begeistert, die für ihren dem Brutalismus (zu Deutsch: roher Beton) zugehörigen Stil Berühmtheit erlangte: “Kirchbauten haben mich immer fasziniert. Dies gilt für den Kölner Dom umso mehr. Je länger ich mich mit ihm beschäftige, desto mehr zieht er mich in seinen Bann.” Füssenich sagt schmunzelnd, dass er mit dem Kölner Dom quasi verheiratet sei, und kaum Freizeit bei seinem Fulltime-Job fände. Jazzmusik und Sport erden den charismatischen Dombaumeister, der dem Kölner Wahrzeichen jede freie Minute schenkt: “Meine Arbeit ist sehr vielfältig. Langeweile kennen wir gar nicht!”

Kirchturmdenken verboten Füssenich muss als Dombaumeister sehr gut vernetzt sein, um den hohen Anforderungen seines Berufes standzuhalten. Auf europäischer Ebene ist er in der Vereinigung Europäischer Dombaumeister e. V. vertreten. Dieser Zusammenschluss von Dombauhütten und Münsterbauhütten pflegt fachlichen und öffentlichkeitswirksamen Austausch. Kirchturmdenken sei daher absolut kontraproduktiv, da man als Einzelkämpfer kein Problem stemmen könne. Er unterstreicht: “Wir kennen keine Konkurrenz, sind eine dem Neuen aufgeschlossene, eng zusammenarbeitende Gemeinschaft.” Die europäischen Dom- und Münsterbauhütten sollen in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen werden, um für die alte Hand­werkskunst und die eng vernetzte Zusammenarbeit verschiedener Handwerke und Restauratoren im Kirchenbau zu werben. Auf der deutschen Liste ist das Bauhüttenwesen durch das rege Bemühen meh­ rerer deutscher Dombauhütten seit März 2018 vertreten. Nun habe man unter anderem mit der Straßburger, Baseler und Berner Münsterbauhütte, der Wiener Dombauhütte und der

Kölns älteste Werkstatt – die Dombauhütte

Bauarbeiten am Nordturm über den Dächern von Köln Foto: BS/©Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte Köln; Mira Unkelbach

norwegischen Dombauhütte in Trondheim einen Antrag an die UNESCO-Kommission gestellt und hoffe, 2019 den erfolgreichen Bescheid für die Aufnahme auf die internationale Liste zu erhalten: “Die Anerkennung des Bauhüttenwesens als immaterielles Erbe bedeutet für uns eine enorme Wertschätzung. In der Tat gehören die historischen Bauten und die Bauhütten, die sie er­ halten, untrennbar zusammen.” Die Identifikation mit den Domen und Münstern sei unerlässlich: “Ohne das tradierte Wissen und das Engagement der Mitarbeiter ist der Erhalt der historischen Großbauten sehr schwierig,” so der Dombaumeister.



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