Behörden Spiegel Oktober 2018

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. X / 34. Jg / 41. Woche

Berlin und Bonn / Oktober 2018

G 1805

www.behoerdenspiegel.de

Mit Chancengleichheit zum Erfolg

Moderne Mobilität in Niedersachsen

Lotse der Verwaltung

Helene Wildfeuer zum digitalen Wandel .............................. Seite 4

Dr. Bernd Althusmann über die Chancen der Digitalisierung ������������������������������������ Seite 21

Peter Adelskamp zur Digitalisierung der Stadt Düsseldorf.................................. Seite 28

Europäisches E-Government

(BS/kh) Ab sofort gilt die EU-weite Anerkennungsverpflichtung für die Online-Ausweisfunktion des deutschen Personalausweises und des elektronischen Aufenthaltstitels. “Die Integration sicherer Authentisierungsmethoden in digitale Dienste ist ein wichtiger Schritt zur Prävention vor Cyber-Angriffen zum Beispiel auf Passwortdatenbanken. Mit der Online-Ausweisfunktion steht allen Inhabern nun europaweit ein Mittel zur Verfügung, das durch Zwei-Faktor-Authentisierung eine einfache und sichere Identifizierung im Internet ermöglicht”, lobt der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm. Deutschland sei der erste EUMitgliedsstaat, dessen gemäß eIDAS-Verordnung notifiziertes Identifizierungsmittel für Verwaltungsleistungen der europäischen Mitgliedsstaaten genutzt werden könne.

Bremen schiebt Riegel vor (BS/kh) Der Bremer Senat stoppt künftig Arbeitsverträge im Öffentlichen Dienst mit sachgrundloser Befristung. Bürgermeisterin Karoline Linnert (Bündnis 90/Die Grünen) zur Senatsentscheidung: “Wir wollen keine sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse; im Interesse der Beschäftigten und unserer Profilierung als attraktive Arbeitgeberin.” Der Senat verzichtet damit auf die Nutzung rechtlich zulässiger Verfahren. In begründeten Einzelfällen kann er allerdings davon abweichen. Zudem bittet der Senat seine Aufsichtsratsmitglieder in Aktiengesellschaften, im Rahmen ihrer Tätigkeiten darauf hinzuwirken, dass sachgrundlose Befristungen keine Anwendung finden.

Opferentschädigung: Reform geplant

Werden wir gut regiert? Mehr auf die Wirkung fokussieren (BS/Adrian Bednarski/Jörn Fieseler) 140 Jahre lang wurden Gesetze gemacht, ohne die Konsequenzen zu kennen oder sich darüber Gedanken zu machen. Heute existiert nicht nur eine Folgeabschätzung, sondern es wird auch der Erfüllungsaufwand für Wirtschaft, Verwaltung und Bürger gemessen und sogar die demografischen Auswirkungen werden in den Blick genommen. Deutlich mehr als die frühere Formulierung: “Alternativen: keine.” Dennoch bleibt der Eindruck, dass manche Gesetze am Leben der Bürger vorbeigehen. Dabei liegt der Fehler eher in der Herangehensweise. Gesetze sind mit dem Vorwurf belastet, Kompromisslösungen zur Streitbeilegung zwischen den Parteien zu sein. Im schlimmsten Fall würden sie nachts zwischen den Berichterstattern “zusammengezimmert”, wie es Thomas Heilmann (CDU) beschreibt. Oder sogar zwischen den Parteivorsitzenden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete spricht sich stattdessen für genaue Analysen und die Übertragungen von Praxisbeispielen aus. Beispielsweise bei den Ankerzentren: “Wir hätten uns diese von den Niederländern ansehen und das Positive daraus übertragen sollen, anstatt eine Kompromisslösung zu generieren.” Doch solche Kompromisse stärken die Zweifel in der Bevölkerung, die Politik sei nicht imstande, gut zu regieren. Das zeigte sich nicht nur bei manchem Gesetzesentwurf, sondern auch bei Personalien. Gutes Regieren ist laut Weißbuch “Europäisches Regieren” der Europäischen Kommission durch fünf klare Prinzipien bestimmt: Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Kohärenz und Effektivität. Während es um die ersten vier Prinzipen in Bund- und Landesparlamenten gut bestellt ist, gibt es bei der Effektivität noch reichlich Optimierungsbedarf.

mitunter hilfreich, wenn in den Ministerien nicht nur Juristen, sondern auch Praktiker an den Normen mitarbeiten würden. Außerdem solle der Dialog mit jenen geführt werden, für die das Gesetz gedacht sei, rät Ludewig. Zwar werden schon beim Referentenentwurf und auch zwischen den ersten beiden Lesungen im Parlament verschiedene Organisationen, Institutionen oder Verbände zur Stellungnahme aufgefordert, doch bleibt es häufig auf der rechtlichen Ebene. Der NKR-Vorsitzende verweist zudem auf die Europäische Kommission. Die beginne zuerst mit einem Eckpunktepapier, zu dem alle betroffenen Akteure Stellung nehmen könnten. Einfacher ist es, einzelne Problemlagen in kleineren Projektgruppen zu thematisieren und gezielt nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Die sogenannten “Einfacher-zu”-Projekte Sie dienen dem Deutschen Volke, doch manches Gesetz, das von den Parlamentariern beschlossen wird, erweist sich des NKR waren ein richtiger Anals kaum praxistauglich. Foto: BS/karlherl, pixabay.com satz. Diesen gilt es wieder aufzunehmen und weiterzuverfolgen. Die Effektivität zielt einerseits Etwa beim Kindergeld. Das An- ben”, schlägt Ludewig vor, nicht Wem dieses Vorgehen zu aufwenauf die nachhaltige Wirkung der tragsverfahren ist alles andere als nur mit Blick auf die steuerliche dig ist oder zu lange dauert, der Gesetze ab. Andererseits fällt einfach. Entsprechend kritisiert Ausgleichszahlung. Er spricht kann im Nachhinein die Wirkung hierunter auch der Gedanke Dr. Johannes Ludewig, Vorsitzen- sich dafür aus, dass die Tauglich- eines Gesetzes prüfen lassen. der Subsidiarität – zur Lösung der des Nationalen Normenkon- keit eines Gesetzes ausreichend Evaluierungsklauseln sind mögeines Sachverhalts das einfachs- trollrates (NKR), dass es keine getestet werden muss: “Wenn ein lich, wie etwa die Gesetzgebung te Mittel anzuwenden. Aber: Es Phase gebe, wo Gesetze praktisch Minister es austestet, es versteht zum Verbraucherschutz zeigt. existierten kaum “klare Vorstel- erprobt würden. “Besser wäre es, und es funktioniert, dann ist es Sie müssen aber zur Pflicht werlungen, was ein Gesetz in der erst das Formular und dann das vernünftig konzipiert und um- den und nicht lediglich zur Kür Praxis bedeutet”, so Heilmann. dazugehörige Gesetz zu schrei- gesetzt worden.” Hierbei wäre es gehören.

Kommentar

Digitalisierung: Chance – nicht Risiko

(BS) Das Potenzial zu gesellschaftlichen Umwälzungen hatten bisher weder die Atomkraft noch der Ausstieg, weder das Wald- oder das Fischsterben, nicht der Rinderwahn BSE oder die Vogelgrippe, auch nicht die de(BS/mfe) Das Recht der sozialen mografische Entwicklung – viele Alte/wenig Kinder – nicht einmal die “Mutter aller Probleme” – die Migration. Entschädigung in Deutschland Sie alle bargen keine revolutionäre Sprengkraft, die aber die bevorstehende “totale” Digitalisierung aller soll novelliert werden. Hierfür ist Lebens- und Arbeitsbereiche in sich hat. die Einführung eines neuen Sozialgesetzbuches XIII vorgesehen, heißt es aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Auch das bisher eigenständige Opferentschädigungsgesetz soll in die neue Rechtsvorschrift überführt werden. Der Referentenentwurf wird in den kommenden Monaten erwartet. Vorgesehen sind laut Ministerium unter anderem eine stärkere Ausrichtung an den Bedarfen von Gewaltopfern sowie deutliche Erhöhungen der Entschädigungszahlungen. Außerdem sollen künftig auch Opfer psychischer Gewalt Anspruch auf derartige finanzielle Leistungen haben. Bisher gilt dies nur für tätlich Angegriffene.

Allen Regierungen und Behörden wäre dringend geboten, sich dieser Entwicklung anzunehmen und auf jeder Sitzung, bei jeder Debatte und bei jedem Papier dies Thema als Nummer eins zu setzen. Die industrielle Revolution begann mit den verteufelten Dampfmaschinen. Auch hier gab es aussichtslose Rückzugsgefechte. Notwendig wäre stattdessen eine die weitere Entwicklung antizipierende Strategie. Wer gestalten will, muss führen. Heute experimentieren bereits Behörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Bots, noch “dummen”, also noch nicht mit Künst-

licher Intelligenz (KI). Doch schon zeigt sich, dass tausende zusätzliche Sachbearbeiter notwendig wären, um gleiches Tempo und Menge zu erzeugen. Doch dies ist erst der Anfang. Zudem: Wo keine Empathie, kein sozialer Kontakt oder persönliche Fürsorge notwendig sind, lässt sich ein solcher Einsatz von “Verwaltungsrobotern” durchaus legitimieren. Staat und Behörden könnten Vorreiter dieser Entwicklung werden: Die Massen alltagsbedingter Abgänge in den nächsten Jahren im Öffentlichen Dienst sollte nicht versucht werden, eins zu eins durch neues Personal zu ersetzen, sondern durch automa-

tisierte Systeme. Deren Kontrolle wäre dann durch das vorhandene und natürlich weiterqualifizierte Personal zu lenken. Das jedoch ist für die bisherigen “Stakeholder” ein Verständnisproblem, denn die Verwaltungsbots brauchen keine Planstellen, keine Beauftragten für dies und das, das Amt lässt sich nicht mehr in der Größe seiner Personalstärke (“Mannstärke”) wahrnehmen und die Bots brauchen auch keinen Personalrat und keine Gewerkschaft. Doch diese Entwicklung wird kommen und keiner bereitet sich darauf vor!

R. Uwe Proll

So weit die Füße tragen


Inhalt

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Behörden Spiegel / Oktober 2018

Personal: Man muss es gewinnen und halten, ausbilden und schulen, führen und organisieren, mitnehmen und begeistern. Im besten Fall ergibt sich beim “Personal-Puzzle” ein harmonisches Ganzes. Je angespannter der Arbeitsmarkt gerade bei spezialisierten Fachkräften ist, desto mehr muss sich der Öffentliche Dienst jedoch ins Zeug legen, um noch als attraktiver Arbeitgeber mithalten zu können. Zumal den Mitarbeitern in vielen Bereichen hohe Leistungen abverlangt werden. Die zunehmende Digitalisierung der Arbeitsabläufe, Anforderungen an flexiblere Arbeitszeitmodelle und der demografische Wandel machen ein Umdenken nötig – Das Personal-Puzzle wird immer komplexer. Foto: BS/©tomertu, stock.adobe.com

Personalmanagement Wer nur auf Leistung setzt, verliert das Rennen

Jobticket soll steuerfrei werden

Für das Grundgesetz eintreten

Personalentwicklung im Öffentlichen Dienst muss sich anpassen .................................................. Seite 3

Bundesrat schließt sich Initiative Hessens und Baden-Württembergs an .................................... Seite 9

Oliver Malchow über spezielle Ausbildungen bei der Polizei und Gewalt gegen Vollzugsbeamte ...... Seite 42

Mindestens zwei Angebote auf dem Tisch

Ohne Verantwortung kein Bewusstsein

Auslandseinsätze der Bundeswehr

Azubi-Recruiting Trends 2018 für den Public Sector veröffentlicht ................................ Seite 4

Der Faktor Mensch und die IT-Sicherheit ...................................................... Seite 33

Grafikseite mit Angaben zu Einsatzstärken, Mandatsobergrenzen und Toten ............................. Seite 44

Eine für alle

Bundespolizei gefordert wie noch nie

Auf dem Weg zur “Söldnerarmee”?

Einheitliche Besoldung für Regelschullehrer teils gefordert, teils schon umgesetzt ....................... Seite 6

Personalzuwachs erfordert große Kraftanstrengungen auf allen Ebenen ..................... Seite 41

Fakten zur Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber ............................. Seite 45

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Personalwesen, Personalmanagement und Dienstrecht Praxisseminare im Herbst 2018

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Motivationshemmnisse und der Umgang mit innerer Kündigung Ziel dieses Seminars ist es, Führungskräfte in ihrer Kompetenz weiterzuentwickeln, Gründe für Demotivation und Verweigerung zu erkennen, zu analysieren und aktiv Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Es wird aufgezeigt, wie Leistung gezielt gesteuert bzw. wie selbstständiges, eigeninitiiertes und engagiertes Arbeiten gefördert werden kann.

Straftaten im Öffentlichen Dienst Die strafrechtliche Verurteilung von Beschäftigten hat neben der reinen Geldbzw. Freiheitsstrafe oft auch vielfältige direkte und indirekte Auswirkungen auf das Beschäftigungsverhältnis. Dies gilt sowohl bei dienstlichen als auch außerdienstlichen Straftaten. Dieses Seminar will das Spannungsfeld in zehn Punkten aufzeigen.

Termin/Ort: 23.-24.10.2018, München

Termin/ Ort: 24.10.2018, Bonn

Befristungsrecht im Öffentlichen Dienst

Aktuelles Nebentätigkeitsrecht des Öffentlichen Dienstes

Das befristete Arbeitsverhältnis wird immer mehr zum „Normalfall“ im Arbeitsrecht. Die Personalverantwortlichen müssen daher dieses komplizierte Teilrechtsgebiet gut beherrschen. In diesem Seminar werden daher systematisch das Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie aktuelle Rechtsprechung vorgestellt.

Das Nebentätigkeitsrecht gehört zu den „sperrigen“ Rechtsgebieten im öffentlichen Dienstrecht und wird immer herablassend als „Inspektoren-Recht“ bezeichnet. Damit tut man diesem speziellen Rechtsgebiet unrecht. Dieses Seminar stellt die Strukturen des Nebentätigkeitsrechts dar und die aktuelle Rechtsprechung vor.

Termin /Ort: 06.11.2018, Bonn

Termin/ Ort: 14.11.2018, Bonn

Wissenstransfer als zentrale Personalaufgabe

Rechtssicheres Recruiting im Öffentlichen Dienst

In Behörden gibt es viele Beschäftigte in zentralen Funktionen, die über Schlüsselwissen verfügen. Immer wenn ein Personalwechsel oder Personalaustritt ansteht, können wichtiges Wissen und Kompetenzen unwiderruflich verloren gehen. Dieses Seminar beschäftigt sich mit der Einführung eines systematischen Wissenstransfers in Behörden.

Der Arbeitsmarkt ist in manchen Bereichen nahezu „leergefegt“. Die Personalauswahl ist daher auch für den Öffentlichen Dienst schwieriger geworden.

Termin /Ort: 03.-04.12.2018, Berlin

Termin/ Ort: 03.12.2018, Berlin

Detaillierte Information und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

Foto o: © Jak JJaku akub Jirsák Jirsá rs sá ák, stock. stock k adob dobe.co obe m

Innen Spiegel

#Fußball @Trainer Persönliche Daten im Spitzensport (BS/gg) Wenn der Trainer des Fußball-Bundesligisten Hannover 96, André Breitenreiter, und FIFA-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus gemeinsam in einer Diskussionsrunde sitzen, kann es doch nur um eine fachkundige Analyse der Geschehnisse des letzten Spieltags im Rahmen eines sonntäglichen “TV-Fußballfrühschoppens” gehen. Irrtum! Wenn beide am 22. Oktober auf dem Cyber-Sicherheitstag Niedersachsen in Hannover auftreten, wird nicht über Foul, Abseits oder Elfmeter diskutiert, sondern über das “Luxusgut persönliche Daten am Beispiel Spitzensport”. Wenn im Profisport heute Daten produziert werden, geht es nicht mehr “nur” um Ergebnisse und Tabellen. Insbesondere des Deutschen Lieblingssportart Fußball findet auch nicht mehr nur auf dem Spielfeld oder im TV statt. Längst sind die Aktivitäten rund ums Leder – auf und abseits des Platzes – auch Gegenstand intensiver Kommunikation in den Sozialen Medien. Spieler und Fans nutzen diese (Daten-)Plattformen gleichermaßen gerne, um Informationen, insbesondere Emotionen, zu transportieren. Hieraus haben Unternehmen in der Zwischenzeit sogar eigene Kommunikations- und Marketing-Geschäftsmodelle entwickelt, wie Mario Leo, CEO von Result Sports, in der Diskussion zeigen wird. Wo liegen weitere Möglichkeiten, diese Informationen zu nutzen? Wo sollten Grenzen gezogen werden? Doch nicht nur in den Sozialen Medien werden massenhaft Daten produziert. Die Sammlung und Analyse von Spiel-, Trainings- und Gesundheitsdaten ist mittlerweile auch ein fester Bestandteil des modernen Profifußballgeschäfts. Die Nutzung und der Umgang mit den Postings – den eigenen und mit denen der Fans – auf

Twitter, Facebook und Co. in diesem Bereich sollen daher ebenso Bestandteil der von Radio ffn-Moderator Peter-MichaelZernechel geleiteten Runde sein wie die Betrachtung des Nutzens der massenhaften Datenerfassung während und zwischen den Spielen. Für die Politik wird Staatssekretär Stephan Manke aus dem niedersächsischen Innen- und Sportministerium den Ball in der Diskussion aufnehmen. Das Ministerium ist, neben den kommunalen Spitzenverbänden aus Niedersachsen und dem Behörden Spiegel, ebenfalls Veranstalter des Cyber-Sicherheitstages. Weitere Informationen zum Programm und eine Anmeldemöglichkeit unter www.sicherheitstagniedersachsen.de

Beilagenhinweis Der Gesamtauflage des Behörden Spiegel liegen sowohl eine Beilage der Cyber Akademie GmbH als auch eine Beilage der ProSeminaris Berlin, Behörden Spiegel-Gruppe GmbH, bei.

Fotoquellen Seite 1 Foto I: BS/Marco Urban, DBB Foto II: BS/Nds. Staatskanzlei, Philipp v. Ditfurth Foto III: BS/Landeshauptstadt Düsseldorf

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonder­korrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzei­ genpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesell­schaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Oktober 2018

Wer nur auf Leistung setzt, verliert das Rennen

KNAPP Komplett-Umzug gefordert

Personalentwicklung im Öffentlichen Dienst muss sich anpassen (BS/Jörn Fieseler) Der Umgang mit Menschen ist das kleine Einmaleins für den Erfolg. Nicht nur für Unternehmen, sondern auch für den Öffentlichen Dienst. Das betrifft nicht nur den Bürger als Kunden, sondern auch die Beschäftigten. Doch angesichts der sich ändernden Anforderungen durch die Digitalisierung, den demografischen Wandel und die Ansprüche der Generationen Y und Z an die Arbeit muss sich nicht nur die Personalgewinnung ändern, sondern vor allem auch die Personalentwicklung. Dabei geht es einerseits um andere Rahmenbedingungen und andererseits um die Mitarbeiterführung. Welche Aufgaben fallen künftig weg, welche kommen neu hinzu? Wie bereiten wir die Menschen auf die künftigen Aufgaben vor und wie entwickeln sie sich weiter? Auf diese Fragen müssten schnellstens Antworten gefunden werden. Nicht nur vom Arbeitgeber, sondern auch von den Personalvertretungen. “Wir brauchen eine Sozialpartnerschaft 4.0”, meint Dr. Walter Jochmann, Geschäftsführer Kienbaum-Consultants International GmbH. Alles mit unvorhergesehenen Services bleibe erhalten, so Jochmann, vor allem in den Bereichen mit Beratungsleistungen. “Wir wissen, welche Beschäftigungsverhältnisse sich bei uns verändern. Der mittlere Dienst wird auf Dauer wegfallen”, entgegnet Silvia Bechtold, Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsamtes (BVA), in erster Linie für ihre Behörde. Und auch der gehobene Dienst werde sich ändern. Routine-Tätigkeiten würden entfallen, kreative Arbeit nehme zu. Muss sich deshalb die Ausbildung der Beschäftigten grundlegend ändern? Nein, meint Bechtold. Die öffentliche Verwaltung brauche weiterhin den universell einsetzbaren Allrounder. Allerdings: “Die Ausbildung muss auf der Höhe der Zeit sein. Wir brauchen Verwaltungsexperten mit IT-Kenntnissen und Informatiker, die über Verwaltungsexpertise verfügen”, so die BVA-Vizepräsidentin. Aus diesem Grund habe man in ihrer Behörde Fachkarrieren eingerichtet, um Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Überhaupt sind sich die VizeBehördenleiterin und der Geschäftsführer einig, dass die Arbeitsorganisation künftig agiler werde. Doch Jochmann geht noch einen Schritt weiter: “Klassisch

Im Wettbewerb um ausreichend Fachkräfte wird die Leistung allein nicht mehr das entscheidende Karrierekriterium sein. Für den Öffentlichen Dienst bedeutet dies zwangsläufig Änderungen. Foto: BS/kentoh, stock.adobe.com

hierarchische Organisationen haben ausgedient, gemischte Teams und Projektarbeit sind die Organisationsform der Zukunft.” Mit diesen Aussagen rüttelt der Geschäftsführer an den Kernelementen des Öffentlichen Dienstes. Damit nicht genug. Auch der Grundsatz “Wer Leistung bringt, bekommt mehr Geld und steigt auf der Karriereleiter eine Sprosse auf”, ist aus seiner Sicht kein Modell für die künftige Arbeitnehmergeneration. Vertreter der Generationen Y und Z wollten lieber freier arbeiten. Die klassische Laufbahn entspreche nicht der Karrierevorstellung. Statt eines ständigen “Hinaufs” müssten Karrieren künftig im Schachbrettmuster gedacht werden: Mal gehe es aufwärts, dann auf gleicher Ebene in unterschiedlichen Funktionen weiter, anschließend vielleicht eine Stufe runter und danach wieder zwei Stufen nach oben. Dies müsse sich dann auch in der Vergütung widerspiegeln. “Die Vergütung

speist sich aus Kompetenzen und Potenzial zuzüglich Zulagen für bestimmte Aufgaben und nicht aus der Karriere”, so der Unternehmensberater. Das widerspreche dem derzeitigen Beurteilungssystem, unterstreicht Dieter Wehe, ehemaliger Inspekteur der Polizei NRW. Es komme nicht darauf an, wer für die künftige Aufgabe am besten geeignet sei, sondern wer die jetzige Aufgabe am besten erfülle. Und nicht nur das. Während von flachen Hierarchien und agilen Organisationsformen gesprochen werde, müsse das BVA die Dienstpostenbewertung einführen. “Das ist absurd, eine bürokratische Strangulation”, sagt Bechtold. Doch die Rechtslage will es so. Denn mit der Abschaffung der sogenannten Topfwirtschaft ist es kaum noch möglich, mehrere Stellen unterschiedlicher Wertigkeit für gleichartige Funktionen bereitzustellen. Deshalb sollte im Öffentlichen Dienst mehr in Projekten gearbeitet werden, rät

Jochmann. So könnten Beamte auch erste Führungserfahrungen sammeln, die anschließend in der Beurteilung bewertet würden. Außerdem empfiehlt er, mehr auf geteilte Führungsposten zu setzen. “Das sorgt für eine gewisse Dynamik.” Scheitert jedoch meistens daran, dass dafür nur eine Stelle zur Verfügung steht, laut Meinung von Fachleuten jedoch mindestens 1,2 Stellen dafür notwendig wären. Überhaupt komme den Führungskräften eine entscheidende Bedeutung für die Personalentwicklung zu. “Sie sind ein kritisches Lebensereignis für die Mitarbeiter”, so Jochmann. Die disruptive Führung im Sinne eines patriarchalen Systems habe ausgedient. Allerdings sei diese Form besonders im Öffentlichen Dienst noch sehr stark verbreitet. Auch die strategische Führung könne nur ein Zwischenschritt sein. Der neue Stil heiße transformal. Nicht das Ziel stehe an erster Stelle, sondern jeder einzelne Mitarbeiter, der individuell

betreut werde, um damit das jeweilige Team zu unterstützen. Bechtold verdeutlicht dies an einem Beispiel. Die Strategie des BVA sei es, bis 2022 alle relevanten Verwaltungsverfahren digital erreichbar zu machen und bis 2025 Papierverfahren abzulösen. “Unser Haus wird sich konsequent in die Digitalisierung bewegen.” Das mache Angst, damit müsse umgegangen werden. Auch das sei eine Aufgabe für die Führungskraft. Nicht nur mit Blick auf neue Mitarbeiter, sondern vor allem mit Blick auf die vorhandene Belegschaft. Für alle Typen, vom engagierten Mitarbeiter bis zum ewigen Nörgler, bedürfe es individueller Entwicklungskonzepte auf der Basis eines lebenslangen Lernens. “Dafür können nur die Führungskräfte die Impulsgeber sein”, so Bechtold. Das Thema wurde auch während der Tagung “Zukunft Personalmanagement” des Behörden Spiegel intensiv diskutiert.

(BS/jf) Die Linke fordert den vollständigen Umzug der Bundesregierung nach Berlin. Laut einem Antrag (Bundestagsdrucksache 19/4562) von Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion soll die Bundesregierung einen Entwurf für ein Beendigungsgesetz zum Bonn/Berlin-Gesetz vorlegen und die Zweiteilung der Regierung schnellstmöglich aufheben”. Außerdem soll in Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat bis 2020 eine Machbarkeitsstudie zur Verlegung aller Ministerin an die Spree erarbeitet werden. Die Linke begründet den Antrag mit den zahlreichen Dienstreisen und den daraus resultierenden Kosten. Rechnerisch würden täglich 61 zwischen der Hauptstadt und der Bundesstadt durchgeführt. Außerdem würden neue Bundeseinrichtungen in Bonn angesiedelt, wie etwa das Kommando Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr, obwohl laut Beschluss des Deutschen Bundestages neue Einrichtungen grundsätzlich in den ostdeutschen Ländern anzusiedeln seien (Drucksache 12/2853).

Höhere Entgelte (BS/jf) Der diesjährige Tarifabschluss für Bund und Kommunen kommt auch den außertariflich Beschäftigten des Bundes zugute. Wie das Bundesministerium des Innern (BMI) mitteilte, wird der Festbetrag gemäß der Musterarbeitsverträge “AT B innen” sowie “AT B außen” in einem ersten Schritt von der Besoldungsgruppe B1 abgekoppelt und rückwirkend zum 1. März 2018 auf rund 7.070 Euro angehoben. Damit sollen die strukturellen Änderungen der Entgelttabelle berücksichtigt werden. Zum gleichen Datum wird der neue Festbetrag um fünf Prozent erhöht. Für die nächsten beiden Jahre sind weitere Steigerungen von 3,09 und 1,09 Prozent vorgesehen.

Zukunft Dienstrecht

Arbeits-, tarif- und beamtenrechtliche Entwicklungen 21. – 22. November 2018, Maritim Hotel, Bonn

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Mit Beiträgen u. a. von:

Prof. Dr. Rüdiger Krause, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Universität Göttingen, der die neue Datenschutz-Grundverordnung skizziert und erklärt, welche Auswirkungen diese auf die Praxis hat.

Karin Spelge, Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht (6. Senat), die Sie über die aktuellen Entscheidungen zum TVöD/TV-L informiert.

Weitere Informationen zur Tagung „Zukunft Dienstrecht“ sowie das Anmeldeformular finden Sie unter: www.zukunft-dienstrecht.de

Dr. Eberhard Natter, Präsident des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, der über die Konkurrentenklage im Arbeitsrecht berichtet.

Eine Veranstaltung des


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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lexible und mobile Arbeitsmöglichkeiten stehen im Konflikt mit den Organisationsformen und der noch immer vorherrschenden “Präsenzkultur” in den Verwaltungen, die auf dem im analogen Zeitalter etablierten Ideal des – in der Regel männlichen – “Vollzeitbeschäftigten” basiert. Starre Organisationsstrukturen, festgeschriebene Arbeitszeiten, auf starke Hierarchien ausgerichtete Arbeitsabläufe sowie ein an Anwesenheitszeiten gekoppelter Leistungsbegriff werden durch den digitalen Wandel der Arbeitswelt zunehmend infrage gestellt. Damit gerät auch das zugrundeliegende Paradigma der “männlichen” Führungskultur in die Kritik. Auch die Verwaltungen geraten hier unter Druck. Es gilt, den rasanten Wandel der Arbeitswelt zu bewältigen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels müssen außerdem neue Anreize geschaffen werden, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und langfristig zu binden. Die öffentlichen Verwaltungen konkurrieren hier mit hochmodernen Wirtschaftskonzernen und der agilen Startup-Szene um dieselben (vorwiegend weiblichen) Spitzenkräfte. Die Verwaltungskultur in den öffentlichen Unternehmen und Verwaltungsapparaten muss sich

Behörden Spiegel / Oktober 2018

Mit Chancengleichheit zum Erfolg Helene Wildfeuer zum digitalen Wandel

die stereotype Stigmatisierung von Teilzeitarbeit (“Teilzeitmutti”) wurden als hemmende Faktoren hervorgehoben.

Kulturwandel sichert die Zukunft der Verwaltungen (BS/Helene Wildfeuer) Für berufstätige Mütter ist der digitale Wandel – mit all seinen Möglichkeiten zum mobilen und flexiblen Arbeiten – mit großen Hoffnungen auf bessere berufliche Entwicklung verbunden. Gleichzeitig sind Frauen die innovationstreibenden Kräfte in den öffentlichen Neben einer funktionstüchtigen Verwaltungen, um den digitalen Wandel im Sinne eines starken Miteinanders zu gestalten. Damit wird die Chancengleichheit zum entscheidenden und sicheren IT-Infrastruktur Faktor bei der Digitalisierung der Verwaltungen. muss eine gendersensible Verzwangsweise neu erfinden. Wird der Fokus dabei auf den Menschen gelegt, wird das Thema Chancengleichheit zum entscheidenden (Erfolgs-)Faktor.

Wo stehen wir? Die Voraussetzungen sind gut: Frauen stellen die Mehrheit der Beschäftigten in den öffentlichen Verwaltungen. Gleichzeitig Verfügungen sie im Schnitt über die besseren Schulabschlüsse und eine höhere Qualifizierung. Die sozialwissenschaftliche Forschung zeigt auf, dass gerade diese jungen, gut ausgebildeten Frauen im Vorteil gegenüber den jungen Männern ihrer Generation sind, Wandlungsprozesse erfolgreich zu bewältigen: Sie begegnen Veränderungen aufgeschlossener. Sie sehen den digitalen Wandel als Chance, ihre kooperativen, integrativen, kreativen und kommunikativen Fähigkeiten gestaltend in die Organisationen einzubringen. Dort,

Frauenpolitischen Fachtagung, die wir am 14. Juni 2018 in Berlin durchgeführt haben. In zwei Panel-Workshops Helene Wildfeuer ist die hatten wir die 300 Vorsitzende der DBB Bundesfrauenvertretung. teilnehmenden – überwiegend Foto: BS/marco urban, dbb weiblichen Beschäftigten aus allen Bereichen wo starre Strukturen aufbrechen, der öffentlichen Verwaltung, sind Frauen in der Poleposition, darunter Gleichstellungsbeaufstärker in einflussreiche Positio- tragte, Personalrätinnen und nen vorzudringen. Damit werden Führungskräfte aufgefordert, Frauen zu Change Agents, zu konkrete Chancen und Probleme Mittlerinnen des Wandels in der schriftlich zu formulieren. An erster Stelle wurde die Eindigitalen Transformation. führung neuer ArbeitszeitmoWelche Chancen müssen delle im Sinne von mobilem und wir ergreifen? flexiblem Arbeiten als Chance Konkrete Hinweise, wie die Di- für bessere berufliche Entwickgitalisierung sich auf Frauen- lungsmöglichkeiten von Frauen karrieren im Öffentlichen Dienst genannt. Weitere wichtige Aspekauswirkt, liefert die Auswertung te sehen die weiblichen Beschäfder Panel-Diskussionen der 14. tigten im Bereich Führung und

Kommunikation verortet. Gerade neue Modelle der Führungsorganisation (Führen in Teilzeit, TopSharing) bieten gute Chancen für Frauen (aber eben auch für Männer), sich in bestimmten kritischen Familienphasen beruflich entwickeln zu können. Entscheidend ist zudem die Haltung der Führungskräfte gegenüber mobil und flexibel arbeitenden (Teilzeit-) Beschäftigten – vertrauensvoll und wertschätzend – und deren Qualifikation für diese Leitungsaufgabe – im Sinne des gendersensiblen Führens. Die derzeitigen teilweise intransparenten Beurteilungs- und Beförderungsverfahren bewerten die Teilnehmenden als problematisch bis hinderlich für den Aufstieg und die berufliche Entwicklung von Frauen. Insbesondere genannt wurden hier starre Arbeitszeiten, das Festhalten an der Präsenzkultur (Anwesenheit, Verfügbarkeit = Leistung), aber auch fehlende weibliche Vorbilder und

waltungskultur etabliert werden, die von einem kommunikativen, durchlässigen, teamorientierten und integrativen Führungsstil getragen wird. Leitbegriffe sind hier Verantwortung, Vertrauen und Ermächtigung. Frei nach dem Motto: Miteinander arbeiten heißt, gemeinsam zu kommunizieren, zu gestalten und zu handeln. Die weiblichen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst nehmen den Verantwortungsvollen Umgang mit zeitlich und räumlich flexiblem Arbeiten als große Chance wahr, den digitalen Umbruch zu bewältigen. Die Abkehr von der Präsenzkultur hin zur Ergebniskultur erfordert einen Wandel der Leistungskultur. Die handelnden Personen müssen in den Fokus gerückt werden. Der Kulturwandel wird damit Mittel zum Zweck: um der Vorbildfunktion des Öffentlichen Dienstes im Sinne einer gleichberechtigten Arbeitswelt und eines “starken Staats” auch im digitalen Zeitalter gerecht zu werden.

Brexit-tauglich

Mindestens zwei Angebote auf dem Tisch

Bund ändert Beamtenstatusgesetz

Azubi-Recruiting Trends 2018 für den Public Sector veröffentlicht

(BS/jf) In einem halben Jahr scheidet Großbritannien aus der Europäischen Union (EU) aus. Dann müssten nach früherer Rechtslage alle Beamten mit britischer Staatsangehörigkeit aus dem deutschen Öffentlichen Dienst entlassen werden. Dazu kommt es nicht.

(BS/jf) “Wir sind Meister darin, an der heutigen jungen Generation herumzumeckern, aber Kinder und damit Auszubildende sind ein rares Gut”, betont Felicia Ullrich, Geschäftsführerin, u-form Testsysteme GmbH & Co KG. Deshalb müssen sich auch Arbeitgeber viel mehr in diese Zielgruppe hineinversetzen. Denn wie die Studie “Azubi-Recruiting Trends 2018” und die Branchenedition Public Sector des Unternehmens zeige, bekommen mehr als 60 Prozent der Auszubildenden mehr als ein Ausbildungsangebot und entscheiden damit selbst, wo sie arbeiten. Und auch an anderer Stelle haben öffentliche Auftraggeber noch Verbesserungspotenzial.

Verbeamtet werden darf in Deutschland nur, wer entweder Deutscher ist oder eine Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzt oder aus einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder aus einem Drittstaat stammt, dem die Bundesrepublik und die EU vertraglich einen Anspruch auf Anerkennung der Berufsqualifikation eingeräumt haben. Mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches würde keine dieser Möglichkeiten für britische Staatsangehörige im Öffentlichen Dienst mehr gelten. Deshalb hat die Bundesregierung auf Bitten der Länder das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) geändert und der Bundestag das Änderungsgesetz am 27. September 2018 verabschiedet. Denn bislang gab es nur für den Bund eine Ausnahmeregelung. Mit der Gesetzesänderung (Drucksache 19/4117) gibt es nicht mehr nur eine Ausnahmeregelung von der Staatsangehörigkeit als Zulassungskriterium (§ 7 Abs. 3 BeamtStG). Dazu musste entweder ein dringendes dienstliches Interesse bestehen oder es mussten andere wichtige Gründe vorliegen. Jetzt gilt diese Regelung auch für die Entlassung. Betroffen sind vor allem Hochschullehrer sowie anderes wissenschaftliches oder künstlerisches Personal. Gleichzeitig erfolgte eine Angleichung an das Bundesbeamtengesetz (BBG). Dort ist eine entsprechende Regelung bereits in § 31 Abs. 1 S.1 Nr. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 BBG enthalten, wenn ein dringendes “dienstliches Bedürfnis” besteht. Mit diesem Schritt wurden einheitliche Regelungen für die statusbezogene Begründung und Beendigung des Beamtenverhältnisses in Bund und Ländern geschaffen. Damit werden nicht zuletzt eventuelle Dienstherrenwechsel der Betroffenen erleichtert. Um wie viele Personen es sich genau handelt, ist unbekannt, die Bundesregierung schätzte

deren Zahl auf 400. Während der Verband der Beamten der Bundeswehr e. V. (VBB), der Deutsche Bundeswehrverband e. V. und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sich positiv zu der geplanten Änderung äußerten, hatte der DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB) Bedenken geäußert. Eine Entlassung solle nur möglich sein, wenn die Voraussetzungen für die Ernennung durch ein von der Person zu vertretendes Verhalten nicht mehr vorlägen. Der Beamtenbund fürchtet, dass Dienstherren ein dringendes dienstliches Bedürfnis nicht bejahen wollen. Zum Beispiel wegen vorangegangener Konflikte oder weil ein Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit bereits eingeleitet wurde. Diese Bedenken teilt das Bundesinnenministerium nicht. Dort wird die Formulierung “dringendes dienstliches Bedürfnis” für “vollständig justiziabel” gehalten.

Weitere Änderungen Darüber hinaus sind mit der Verabschiedung des Gesetzesentwurfs zur Änderung des BeamtStG und des BBG weitere gesetzliche Verpflichtung vorgenommen worden. So muss einerseits künftig von einer Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden, wenn der Beamte anderweitig verwendet werden kann. Bislang handelte es sich hierbei um eine “Soll”-Regelung. Doch angesichts der knappen personellen Ressourcen sei es gerechtfertigt, den Grundsatz “Rehabilitation vor Versorgung” in einer “Muss”Regelung zu realisieren. Andererseits ist in § 34 BeamtStG deklaratorisch klargestellt worden, dass das Verhalten der Staatsdiener “innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die ihr Beruf erfordern”. Entsprechend auch eine Änderung in § 60 BBG, wonach die Beamten “ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohle der Allgemeinheit zu führen” haben.

Welche Priorität haben die folgenden Aspekte in Ihren Stellenanzeigen?

(Antworten von Auszubildenden)

(Antworten von Ausbildungsverantwortlichen)

Dabei steht bei vier von fünf Auszubildenden der Generation Z (ab Jahrgang 1995) die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an erster Stelle. “Die Generation will arbeiten, aber unter anderen Bedingungen”, so Ullrich während des Kongresses “Zukunft Personalmanagement” des Behörden Spiegel. Darauf müssten sich Arbeitgeber einstellen. Zwar genössen Berufe wie Polizist (85 Prozent) und der klassische Beamte (80 Prozent) bei der jungen Generation mit Abstand das meiste Ansehen, das sei jedoch kein Selbstläufer. Eben deshalb müsse schon in Stellenanzeigen gezeigt werden, was der künftige Arbeitgeber zu bieten habe.

Verständlichere Anzeigen Der Öffentliche Dienst sei Meister im Formulieren von Anforderungen, gebe aber zu wenig Orientierung. “Gerade bei Ihnen möchte man auch Spaß haben”, bringt Ullrich die Ansichten der heute unter 20-Jährigen auf den Punkt. Dazu gehöre, dass Jobinserate für die Zielgruppe verständlich geschrieben würden. Dass dies oftmals nicht geschehe, zeige schon das Beispiel

Grafik: BS/Azubi-Recruiting Trends 2018

Bezahlung. Kein Jugendlicher wisse, was eine Bezahlung gemäß TVAöD [Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes; Anmerkung der Redaktion] bedeute. “Schreiben Sie stattdessen direkt das Ausbildungsentgelt für das Lehrjahr in die Anzeige”, so die Geschäftsführerin. Zudem müssten Stellenanzeigen heute digital gefunden werden können, zugleich aber auch “persönliche Touch-Points bieten”.

Differenzierte Denkmuster Wie unterschiedlich hier die Denkmuster sind, zeigt die Grafik. Besonders die Anforderungen an den Bewerber werden höchst unterschiedlich betrachtet, ebenso wie die beruflichen Möglichkeiten nach Abschluss der Ausbildung, Informationen über den Ablauf der Ausbildung sowie über die Ausbilder. Ähnlich differenziert sind die Ansichten zum Bewerbungsgespräch. Natürlich möchte ein Bewerber möglichst viele Informationen über den Betrieb und den Beruf erhalten, während der Arbeitgeber vom potenziellen neuen Mitarbeiter möglichst viel in Erfahrung bringen möchte. Aber

während 60 Prozent der Azubis davon ausgehen, dass der Arbeitgeber Interesse am Auszubildenden zeigt und auf seine Fragen antwortet, verfolgen nur 26 Prozent der Ausbildungsverantwortlichen dieses Ziel. Und auch beim Umgang mit digitaler Technik liegen verschiedene Ansichten vor. So meinen 80 Prozent der Auszubildenden, sie könnten schnell wichtige von unwichtigen Informationen im Internet unterscheiden und ebenso zügig die Glaubwürdigkeit von Websites verlässlich einschätzen. Auf der anderen Seite sind gerade mal 32 Prozent der Ausbilder dieser Ansicht. Demgegenüber meinen knapp 60 Prozent der Personalverantwortlichen, dass Azubis große Datenmengen über webbasierte Datentransfers austauschen würden. Tatsächlich machen dies aber nur 21 Prozent.

Einflussfaktor Eltern Abschließend rät die Geschäftsführerin: “Machen Sie ein besseres Empfehlungsmarketing.” Wie die Branchenedition “Public Sector” zeigt, wissen über 73 Prozent der Ausbildungsverantwortlichen, dass der Dialog mit den

Eltern die Entscheidung der jungen Menschen hinsichtlich eines Ausbildungsplatzes maßgeblich beeinflusst. Aber nur knapp 35 Prozent der Personalverantwortlichen beziehen die Eltern “häufig” oder “sehr häufig” in das Ausbildungsmarketing mit ein.

Über die Studie Für die “Azubi-Recruiting Trends 2018” wurden insgesamt 5.537 Bewerber, Auszubildende und Ausbildungsverantwortliche zu aktuellen Fragestellungen rund um die Themen Ausbildungsmarketing, Azubi-Recruiting und duale Berufsausbildung befragt. An der Branchenedition nahmen zusätzlich 609 Teilnehmer aus dem Öffentlichen Dienst teil. Darunter 378 Bewerber, Auszubildende und Ausgebildete sowie 231 Ausbildungsverantwortliche. Ziel der Studie ist es, die Sichtweise von Bewerbern und Auszubildenden mit denen der Ausbildungsverantwortlichen zu vergleichen, um daraus möglichst praxisorientierte Handlungsempfehlungen abzuleiten. Mehr Informationen unter: www. testsysteme.de/studie


Bund

Behörden Spiegel / Oktober 2018

Kolumne

MIT drangsaliert türkische Oppositionelle Angeblich 6.000 Informanten (BS/R. Uwe Proll) Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) warnt vor Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes Millî Istihbarat Teskilâtı (MIT). Ziel sei es nach wie vor, Erdogan-Kritiker zu identifizieren, sie hierzulande zu bedrängen, ihnen Einreiseverbote in die Türkei anzudrohen und auch ihre Familienangehörigen in der Türkei selbst unter Druck zu setzten. Das ist mit Blick auf die Tatsache, dass Deutschland und die Türkei NATO-Partner sind, schon ein sehr ambitionierter Kurs der türkischen Regierung und im Bündnis einmalig. Der Verfassungsschutz geht von fast 1.000 aktiven Mitarbeitern des MIT in Deutschland aus und von weiteren (BS) Die Remonstration ist nicht 6.000 Zuträgern. Es existiert sogar eine eigene deutschsprachige Homepage des MIT. nur Recht, sondern Pflicht für Es kommt aber noch dicker. Deutsche Polizistinnen und Polizisten mit türkischem Migrationshintergrund werden in Deutschland vom MIT beobachtet und angesprochen, bei ihrer Einreise in die Türkei, egal ob zum Zwecke eines Urlaubs oder Verwandtenbesuchs, an den Flughäfen “rausgezogen” und befragt. Auch hier gilt das Interesse Personen und Informationen, die Erdoğan-Gegner betreffen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat daher alle Beamtinnen und Beamten noch vor der Sommerpause durch eine schriftliche Anweisung sensibilisiert. Keine Dienstausweise oder andere Dokumente, die auf die Zugehörigkeit zur Polizei Rückschlüsse zulassen könnten, seien bei der Einreise in die Türkei mitzunehmen. Bereits im letzten Jahr waren vermutlich Dolmetscher oder auch Angehörige des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) selbst bei Anhörungen zu Asylantragstellern aus der Türkei Zuträger von Informationen an türkische Sicherheitsdienste. Türkische Asylantragsteller (fast 700 ranghohe türkische Beamte haben in Deutschland nach dem Putschversuch in der Türkei einen Asylantrag gestellt, darunter zahlreiche Mitarbeiter der türkischen Botschaft in Berlin) wurden nach ihren Anhörungen beim BAMF in Deutschland durch türkische Sicherheitsbehörden kontaktiert. Einschleusungsversuche hat es beim Verfassungsschutz gegeben. Bei den zahlreichen Bewerbern auf die offenen Stellen seien einige im Auswahlverfahren entdeckt worden, die Kontakte zu türkischen Sicherheitsbehörden gehabt hätten. Bei der Suche nach Quellen im Öffentlichen Dienst in Deutschland scheint der türkische Geheimdienst besonders in Berlin erfolgreich gewesen zu sein. Ein hochrangiger Polizeibeamter

In Deutschland wird immer wieder gegen die Politik des türkischen Präsidenten Erdogan demonstriert. Foto: BS/Rasande Tyskar, CC BY 2.0, flickrcom

soll Meldeadressen türkischer Oppositioneller in Berlin an die Botschaft der Türkei weitergeleitet haben. Nach dem Behörden Spiegel vorliegenden Informationen aus der Bundesregierung wurden 2017 und 2018 bisher 16 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit für türkische Geheimdienste eingeleitet. Bisher sei jedoch in keinem dieser Verfahren Anklage erhoben worden. Auch habe es noch keine Verurteilung gegeben. Der öffentliche Auftritt des türkischen Präsidenten zur Eröffnung der Ditib-Zentralmoschee in Köln letzte Woche bringt jetzt neuen Zündstoff. Da tauchten plötzlich vor der Moschee Mitglieder der Gruppe “Team Yörükoglu Europa” auf, die mit Hilfe eines rot-weißen Flatterbandes mit der Aufschrift “Polizeiabsperrung” eine Straße abriegelten, um Erdoğan-Kritiker auf Distanz zu halten. Sie bedrängten sogar die Gegendemonstranten und forderten die anwesenden deutschen Polizisten auf, den Demonstranten ihre Plakate wegzunehmen, sonst würden sie es selbst tun. Bei der Gruppierung soll es sich um einen losen Verbund in Deutschland lebender Türken handeln, die loyal zu Erdoğan stehen.

MELDUNGEN

Positive Erfahrungen (BS/jf) Seit genau zwei Jahren läuft die Einstiegsqualifizierung EQ21 für Flüchtlinge bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund. 32 Geflüchtete haben daran teilgenommen, 28 diese Maßnahme beendet. Meistens mit Erfolg. “Infolge der hohen Lernmotivation der Teilnehmenden konnte bei insgesamt 22 Absolventinnen und Absolventen am Ende der Maßnahme eine Ausbildungsfähigkeit für den Ausbildungsberuf Sozialversicherungsfachangestellter oder Fachinformatik festgestellt werden, einer Teilnehmenden konnte darüber hi-

naus die Studierfähigkeit attestiert werden”, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung (Drucksache 19/4252) auf eine Anfrage der AfD-Fraktion. Vier Teilnehmende haben die EQ21 aus persönlichen Motiven frühzeitig beendet. Im Gegenzug hat die EQ21-Teilnehmerin, der Studierfähigkeit attestiert wurde, inzwischen ihr Studium an der Hochschule des Bundes aufgenommen. Sie hat inzwischen ihr Studium an der Hochschule des Bundes aufgenommen. Wer keinen Ausbildungsplatz bei der DRV Bund erhielt, fand bei anderen Arbeitgebern einen Platz.

Fast 450 Ertrunkene (BS/mfe) Bisher sind in Deutschlands Gewässer in diesem Jahr bereits mindestens 445 Personen ertrunken. Das sind 148 mehr als im Vorjahreszeitraum und ein neuer Höchststand seit zehn Jahren. Der Präsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Achim Haag, warnte: “Angesichts der Zunahme in den ersten Monaten des Jahres rechnen wir bis Ende 2018 mit deutlich mehr Opfern als im vergangenen Jahr.” Die Ursachen vieler Ertrinkungsfälle seien

Leichtsinn, das Überschätzen der eigenen Leistungsfähigkeit, eine zu hohe Risikobereitschaft sowie das Baden an unbewachten Stellen. In Binnengewässern kamen 370 Menschen ums Leben, davon 210 in Seen und Teichen, 141 in Flüssen und 19 in Kanälen. An der Nord- und Ostseeküste ertranken bisher 23 Personen. In Schwimmbädern starben 29 Menschen. In Hafenbecken und Gräben kamen 13 Menschen ums Leben. In privaten Swimmingpools gab es zwei Tote.

Problematisch wird der Einsatz eines Geheimdienstes im Ausland dann, wenn es um die Wahrnehmung innenpolitischer Interessen geht, hier also um die Ermittlung von Erdoğan-Kritikern und vermuteten Gülen-Anhängern in Deutschland. Nicht mehr akzeptabel ist dann aber die Aktivität des MIT, der diese Personen in Deutschland persönlich kontaktiert, bedrängt und ihre Familienangehörigen in der Türkei selbst unter Druck setzt. Die Innenministerkonferenz müsste dieses Thema ganz oben auf die Tagesordnung setzen. Denn es geht bei den Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes längst nicht mehr um Informationsbeschaffung, sondern um Bekämpfung innenpolitischer Gegner.

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jede Beamtin und jeden Beamten in Deutschland. Sie resultiert aus der Pflicht, Vorgesetzte zu beraten, zu unterstützen und deren Anordnungen auszuführen. Die Beamten sind dabei auch verpflichtet, jede Amtshandlung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Haben sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anweisungen, müssen sie remonstrieren. Die Gesetzesdogmatik des Bundesbeamtengesetzes und des Beamtenstatusgesetzes will kein “blind-folgendes” Beamtentum. Die Pflicht der Überprüfung schließt nicht nur die Rechtmäßigkeit ein, sondern auch die Zweckmäßigkeit. Bestätigt der Vorgesetzte die Anordnung, muss sich der Beamte, wenn er weiterhin Zweifel hat, an den nächsthöheren Vorgesetzten

Über Remonstrationsrechte und -pflichten Ulrich Silberbach ist Bundesvorsitzender des DBB Beamtenbunds und Tarifunion. wenden. Inwieweit Beamtinnen und Beamte ihrer Remonstrationspflicht nachkommen und mit welchem Ergebnis, ist unbekannt. Es gehört zum Wesensgehalt der Remonstration, dass sie sich nicht in der Öffentlichkeit abspielt. Remonstrierende Beamte suchen nicht die Öffentlichkeit. Sie dürfen sich nicht einmal dazu bekennen. Die Verschwiegenheitsverpflichtung verbietet es, die Remonstration auch nur dienstintern bekannt werden zu lassen. Zur Absicherung remonstrierender Kolleginnen und Kollegen sollte im Öffentlichen Dienst ein flächendeckendes System von Ombudsleuten oder anderen Schutzmechanismen etabliert werden. Der gleiche (Dienst-)Vorgesetzte, gegen den ein Beamter gegebenenfalls remonstriert hat, schreibt möglicherweise dessen nächste Beurteilung.

Es gibt bereits Verwaltungen und Ministerien, wie das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, die hier mit gutem Beispiel vorangehen. Bei schwerwiegenden Verstößen (etwa Vorteilsannahme oder Korruption) können Beamtinnen und Beamte anonym einen Ombudsmann einschalten. Eventuelle Verdachtsmomente werden dann von einer neutralen Stelle überprüft, ohne dass die Beschwerdeführer sich offenbaren müssen. Es wäre sicher hilfreich, solche Korrekturmechanismen auch in anderen Fallkonstellationen zur Verfügung zu haben. Das würde zum einen die strukturelle Selbstkontrolle im Öffentlichen Dienst stärken und es zum anderen Beamtinnen und Beamten erleichtern, ihrer Remonstrationspflicht im Bedarfsfall auch wirklich nachzukommen.


Bund / Länder

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Behörden Spiegel / Oktober 2018

Klares Ja, klares Nein Bundestagsfraktionen äußern sich zur “Blauen Plakette” (BS/Adrian Bednarski) Das ersten Fahrverbot in Hamburg und dessen Einhaltung wurden kontrolliert (siehe Behörden Spiegel, September-Ausgabe 2018, S.25). Damit ist auch die Diskussion um die “Blaue Plakette” für saubere Dieselfahrzeuge wieder aufgeflammt. Doch im Deutschen Bundestag ist die Bereitschaft für die Einführung einer solchen Plakette gering, wie eine Umfrage des Behörden Spiegel unter den verkehrspolitischen Sprechern der Fraktionen ergab. Wobei sich eine Fraktion zu diesem Thema nicht äußerte.

Daniela Ludwig, MdB, verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion CDU/CSU: “Das Ziel muss es sein, die Luft in unseren Städten noch sauberer zu machen. Hierzu müssen wir Lösungen für die Ursachen der Luftverschmutzung anbieten. Die Lösung besteht darin, auf alternative Antriebe umzusteigen und dort, wo wir den Verbrennungsmotor noch brauchen, diesen sauberer und effizienter zu gestalten. Denn Blaue Plaketten und Fahrverbote führen nicht zu besseren Autos. Sie verdrängen lediglich das Problem auf Nebenstraßen. Im vergangenen Jahr wurde der Stickoxid Grenzwert in 65 Städten überschritten. Im Jahr zuvor waren es noch 90 Städte. Wir sind damit auf dem richtigen Weg – auch ohne “Blaue Plakette”.”

Kirsten Lühmann, MdB, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: “Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich weiterhin für Hardware-Nachrüstungen bei Dieselfahrzeugen ein, die dann Fahrverbote überflüssig machen. Leider blockieren CDU/CSU und die Automobilkonzerne diese bisher zum Nachteil der betroffenen Verbrauchenden. Mit Hardware-Nachrüstungen würden wir wohl weitere Fahrverbotsurteile verhindern können, so würde sich das Kontrollproblem zum Teil auch von selbst erledigen. Für die angeordneten Fahrverbote halte ich eine Plakettenlösung für zu aufwendig. Für wenige Strecken bzw. Gebiete, die zudem ab Einhalten der Stickstoffdioxidgrenzwerte wieder freigegeben werden müssen, steht der Aufwand in keinem Verhältnis zu den Vorteilen, vom Verwaltungsaufwand für nicht

Österreichischer Impuls für einen Systemwechsel Der Europäische Rat hat ein klares Signal für eine europäische Lösung in der Flüchtlings- und Migrationsfrage gesetzt und damit die Forderungen des österreichischen Bundeskanzlers nach einem Systemwechsel zu einem großen Teil übernommen. Das ist wichtig, da bisher einzelne europäische Staaten wie Österreich, Deutschland und Schweden viele Asylwerber aufgenommen haben und von den anderen Nationen im Umgang mit der Flüchtlingsproblematik allein gelassen wurden. Wichtige Forderungen sind die Umsetzung eines funktionierenden EU-Außengrenzschutzes, Asylverfahren außerhalb Euro-

Oliver Luksic, MdB, als Sprecher für Verkehr und digitale In frastruktur der FDP-Bundestagsfraktion: “Die Idee einer Blauen Plakette ist die Kontrolle von flächendeckenden Fahrverboten. Die FDP-Bundestagsfraktion spricht sich gegen jede Form von Fahrverboten aus, womit auch die Blaue Plakette obsolet ist. Es muss Schluss sein mit der Verunsicherung der Fahrzeughalter, die als Berufspendler oder Selbstständige auf ihr Fahrzeug angewiesen sind. Vielmehr muss die Bundesregierung den Fahrzeughaltern eine Mobilitätsgarantie aussprechen und in Brüssel auf die Aussetzung der EUGrenzwerte drängen, damit Messstandorte und -verfahren auf ihre Richtigkeit

überprüft werden können. Als Ultima Ratio sollte dann eine Fondslösung für die freiwillige Hardware-Nachrüstung in den wenigen Intensivstädten wie für den Rußpartikelfilter angestrebt werden.” Ingrid Remmers, MdB, verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke: “Die Blaue Plakette soll Fahrzeuge mit niedrigem Ausstoß von Stickoxiden kenntlich machen, um die Kontrolle gerichtlich angeordneter Fahrverbote zu erleichtern. Bedingung für deren Ausstellung muss die Einhaltung der Grenzwerte unter realen Fahrbedingungen sein. Selbst jetzt noch verkaufte Euro 6c-Diesel-Pkws liegen mehr als fünffach über dem Grenzwert. Würden Dieselautos die verbindlichen Grenzwerte für Luftgifte auf der Straße einhalten, gäbe es keine Fahrverbote und

Stephan Kühn, MdB, Sprecher für Verkehrspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen: “In immer mehr Städten ordnen die Gerichte Fahrverbote an, weil weiterhin zu viele schmutzige Dieselautos auf den Straßen sind. Weil die Bundesregierung keine einheitlichen Regelungen geschaffen hat, werden die Fahrverbote überall unterschiedlich umgesetzt. Die Bundesregierung muss jetzt mit einer Blauen Plakette bundesweit einheitliche Vorgaben schaffen, anstatt die Behörden bei der Umsetzung der Fahrverbote noch länger im Stich zu lassen. Ohne die Blaue Plakette droht den Autofahrern ein Flickenteppich unterschiedlicher Fahrverbote. Eine Plakettenlösung würde den Kontrollaufwand für Städte und Gemeinden deutlich verringern. Wer Fahrverbote ganz verhindern will, muss HardwareNachrüstungen auf Kosten der Autohersteller durchsetzen.”

2015 darf sich nicht wiederholen

B

ereits Anfang 2016 betonte der damalige österreichische Außenminister und jetzige Bundeskanzler Sebastian Kurz: “Ich bin der festen Überzeugung, dass die Einladungspolitik und der Glaube, jeden in Europa aufnehmen zu können, der absolut falsche Ansatz war.” Damals war diese Einschätzung der Situation absolut unpopulär – mittlerweile hat sich die Meinung in der Bevölkerung, aber auch in der medialen Berichterstattung, über weite Strecken geändert.

betroffene Kommunen bei Ausgabe der Plakette ganz zu schweigen.”

es bräuchte keine Blaue Plakette. Die Hinweise auf Überschreitungen wurden von der Bundesregierung ignoriert und toleriert. Die Notwendigkeit der Einführung einer Blauen Plakette ist daher Ausdruck des vollständigen Versagens der Bundesregierung im Umgang mit der Dieselkrise.”

Migrantenzustrom muss gesamteuropäisch bewältigt werden (BS/Karl Mahrer) Es war im September 2015, als die Flüchtlingskrise über Österreich hereinbrach und unser Land überrollte. Knapp eine Million Menschen kamen auf See- und Landrouten nach Europa. Bis Ende des Jahres suchten alleine in Österreich rund 90.000 Menschen um Asyl an. Ich war Zeitzeuge als Mitglied im Einsatzstab der Wiener Polizei und monatelang hautnah mit der dramatischen Situation konfrontiert und sage daher heute: „Die unkontrollierten Migrationsbewegungen des Jahres 2015 dürfen sich nicht wiederholen! pas und eine personelle, inhaltliche und budgetäre Stärkung der Grenzschutzagentur Frontex. Zusätzlich muss die Hilfe vor Ort stark ausgebaut werden, nicht nur durch finanzielle Mittel, sondern vor allem auch durch Strukturaufbau und Know-HowTransfer.

Verbotene Migration weiter eindämmen Die illegale Migration über alle bestehenden und neuen Routen muss weiter eingedämmt werden. Nicht die Schlepper sollen entscheiden, wohin die Menschen kommen. Daher sind gemeinsame Maßnahmen gegen von Libyen oder anderen nordafrikanischen Staaten aus agierende Schlepperbanden weiter zu intensivieren. Der Europäische Rat stellte auch fest, dass in Bezug auf die östliche Mittelmeerroute zusätzliche Anstrengungen erforderlich sind, um die EUTürkei-Erklärung vollzuständig

Mit dem im österreichischen Nationalrat bereits beschlossenen Fremdenrechtsänderungsgesetz schließen wir Lücken im System und sorgen für ein effizien Foto: BS/ÖVP, Jakob Glaser teres Asylwesen: Künftig können wir eine einwandumzusetzen. Auch die effektive freie Feststellung der Identität Rückführung von Migranten ist und Herkunft von Asylwerbern ein wichtiges Thema. durch Auswertung mitgeführZusammengefasst bedeutet das, ter Datenträger wie Smartphodass nur eine gesamteuropäische nes vornehmen. Im Falle von Lösung Abhilfe schaffen kann. mitgeführtem Bargeld werden Auf dem Weg dorthin müssen künftig davon Beiträge für die aber die Nationalstaaten inner- Grundversorgung einbehalten staatliche Maßnahmen ergrei- und Asylanträge mit geringer fen. Die im vergangen Jahr neu Erfolgsaussicht sollen rascher gewählte österreichische Bun- bearbeitet werden. Darüber hidesregierung war von Anfang naus kann bei Heimreisen in die an bereit, auf dem Weg zu einer Herkunftsländer der Asylstatus gesamteuropäischen Lösung ihre rascher aberkannt werden und für straffällige Asylwerber kann Hausaufgaben zu machen. Karl Mahrer wurde 2017 nach über vier Jahrzehnten im Polizeidienst – zuletzt als Landespolizeivizepräsident in Wien - in die Politik berufen und ist seit 2017 ÖVP-Abgeordneter im österreichischen Nationalrat.

eine Anschlussschubhaft aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verhängt werden. Unsere Bundesregierung legt auch großen Wert auf die Pflege und den Austausch internationaler Beziehungen. Darüber hinaus wurde bereits eine Task Force gegründet und das Innen- beziehungsweise Landesverteidigungsministerium hat gemeinsame Grenzschutzübungen durchgeführt.

Rasche Reaktionen essenziell In der jetzigen Phase ist es auch essenziell, sehr aufmerksam die weitere Migrationsentwicklung zu verfolgen, um rasch und effektiv auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Im Rahmen der Operation “DRINO 2018” haben Polizisten aus Österreich, gemeinsam mit Kollegen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Serbien

und Slowenien, an der albanischgriechischen Grenze beim Grenzschutz unterstützt. Vertreter von Europol und Frontex waren ebenso anwesend. Seit diesem Jahr ist wieder ein deutlicher Anstieg in einzelnen Bereichen der Schlepperei und illegalen Migration über die neue “BalkanKüstenroute” feststellbar. Weitere gemeinsame Einsätze sind daher bereits geplant.

Es kommt auf das Zusammenspiel an Viele nationale und internationale Anstrengungen müssen wohl noch unternommen werden, aber ich bin davon überzeugt, dass nur das Zusammenspiel aller notwendigen Maßnahmen nachhaltige Lösungen bringen wird. Erste positive Trends lassen sich bereits in der österreichischen Asylstatistik ablesen: Die Zahl der Asylanträge ist im Vergleich zum Vorjahr bereits um über 44 Prozent gesunken. Österreich setzt im EU-Ratsvorsitz einen klaren Schwerpunkt: Wir wollen uns gemeinsam für ein sicheres Europa einsetzen, mit geschützten Außengrenzen, denn die Menschen wünschen sich ein reisefreies Europa ohne Binnengrenzen – ein Europa, das schützt!

Cordt wechselt ins BMI

Eine für alle

Neue Ministerialdirigentin für Digitales

Einheitliche Besoldung für Regelschullehrer teils gefordert, teils schon umgesetzt

(BS/har) Die ehemalige Präsidentin des Bundesamtes für Migration und (BS/jf) Unabhängig von Landtagswahlen wird über eine einheitliche Lehrerbesoldung landauf, landab diskutiert. Doch während die einen noch Flüchtlinge (BAMF), Jutta Cordt, soll als Ministerialdirigentin für Digitales kräftig streiten, sind andere schon einen Schritt weiter, wie zuletzt Thüringen. in das Bundesministerium des Innern (BMI) wechseln. Cordt war von Bundesinnenminister Horst Seehofer von ihren Aufgaben an der Führungsspitze des BAMF im Juni entbunden worden. Sie hatte Kritik auf sich gezogen, da es in der Bremer Außenstelle des BAMF zu einer Affäre wegen zu Unrecht bewilligter Asylanträge gekommen war. Die studierte Rechtswissenschaftlerin trat am 1. Januar 2017 die Leitung der Behörde als Nachfolgerin ihres Vorgängers Frank-Jürgen Weise an. Zuvor hatte sie in den verschiedensten Positionen Karriere in der Bundesagentur für Arbeit gemacht, in der sie seit 1993 tätig war. Zu den dortigen Stationen gehörten das frühere Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, die damaligen Arbeitsämter Duisburg und Hagen, eine Funktion im Stammsitz der BA in Nürnberg, die Leitung des Arbeits-

Soll sich ab sofort im Bundesministerium des Innern (BMI) um die Digitalisierung als Ministerialdirigentin kümmern: Jutta Cordt.

Foto: BS/BAMF, A. Salzmann

amtes Ravensberg sowie eine Führungsaufgabe in der Regionaldirektion Rheinland-PfalzSaarland. Nach einer erneuten Tätigkeit in Nürnberg übernahm sie die Leitung der Regionaldirektion Sachsen und später Berlin Brandenburg.

Bildung spielt in den Landtagswahlen von Hessen und Bayern eine zentrale Rolle. Unter anderem sollen die Lehrer unabhängig von der Schulform einheitlich nach der Gruppe A13 besoldet werden. Auch in NordrheinWestfalen macht sich die SPD dafür stark. Im Gegensatz zu ihrer Regierungszeit legten die Sozialdemokraten nun einen Gesetzentwurf im Düsseldorfer Landtag vor, der u. a. das höhere Einstiegsgehalt vorsieht. Aber es ist nicht der erste Versuch. Einen vorherigen Gesetzesentwurf hatte die Regierungsmehrheit aus CDU und FDP bereits abgelehnt. Betroffen wären 50.000 Lehrer im größten Bundesland, darunter nicht nur Neueinsteiger, sondern auch Lehrkräfte mit mehrjähriger Berufserfahrung. Die Regierung müsste für die Anhebung Mehrausgaben von knapp 440 Mio. Euro veranschlagen.

Unabhängig von der Schulform: In Thüringen werden alle Regelschullehrer ab 2020 einheitlich besoldet. Foto: BS/Miloslav Ofukany, pixabay.com

Auch in Niedersachsen hatte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) eine Anhebung der Lehrerbesoldung versprochen. Im Haushalt für das kommende Jahr sind dafür aber keine Mittel bereitgestellt worden.

Anders in Thüringen. In dem Freistaat haben sich Regierung und Gewerkschaften auf die Anhebung der Bezüge geeinigt. Ab 1. Januar 2020 werden alle Lehrkräfte an Regelschulen, sprich an sämtlichen allgemeinbildenden

Schulen wie Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschule oder Gymnasium, nach A13 besoldet. “Es ist ein Kompromiss, den wir nach hartem Ringen gefunden haben”, sagte der Landesvorsitzende des Thüringer Beamtenbundes, Helmut Liebermann. Zwar hatten seine Organisation und der Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für eine frühere Angleichung plädiert, jedoch am Ende den Kompromiss akzeptiert. Bis dahin sollen die Lehrer eine Zulage erhalten, die 50 Prozent der Differenz zwischen den Besoldungsgruppen A12 und A13 beträgt. Für die Änderung will die Landesregierung kurzfristig einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Thüringer Beamtengesetzes in den Landtag einbringen, um die Zulagenregelung noch vor der Landtagswahl im Herbst 2019 abzuschließen.


den: n i f n e t m a e B er fe und il 94 Prozent d ih e B r e ll e u s individ u a n en. io m t m a a in s b u z m t o k K e f ie r D asst pe p g n u r e h ic s r enve Privater Krank

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Länder

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M

it dem Planungsbeschleunigungsgesetz sollen unter anderem Synergieeffekte geschaffen werden. So ist beabsichtigt, im EisenbahnBundesamt Anhörungs- und Planfeststellungsverfahren zu bündeln und eine offenere Bürgerbeteiligung zu ermöglichen (siehe auch Behörden Spiegel August 2018, S.1). Auch bei den Autobahnen und den Bundesfernstraßen wirkt sich dies positiv aus. Die Bundesländer nehmen den Vorstoß mit dem Gesetz überwiegend positiv auf. Eine kritische Perspektive bringt Winfried Hermann, Verkehrsminister von Baden-Württemberg, ein. “Das Planungsbeschleunigungsgesetz könnte helfen. Aktuell brauchen wir für einen Radweg zehn Jahre, für eine Straße 20 Jahre Zeit bis zur vollkommenen Realisierung”, zeigte er die aktuelle Planungssituation auf. “Das Gesetz würde ich aber nicht einfach durchwinken. Ich stelle oft fest, dass diese Gesetze auf die falschen Punkte eingehen. Ich glaube, eines der größten Probleme ist der Bürokratieablauf zwischen der kommunalen, Landes- und Bundesebene, der optimiert werden müsste”, so der Minister. Weitere Änderungswünsche kommen aus anderen Bundesländern. Das Niedersächsische Innenministerium möchte zum

Das Ringen um die Beschleunigung Bundesrat kritisiert und bremst Gesetzesvorhaben (BS/Adrian Bednarski) Auch wenn der Entwurf des Planungsbeschleunigungsgesetzes sowohl vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) als auch vom Bundesumweltministerium (BMU) gut geheißen wird. So reicht es nicht aus, dass sich diese beiden Ministerien einig sind. Eine große Hürde bleibt jedoch: der Bundesrat und die darin vertretenden Bundesländer. Diese kritisierten den Erstentwurf gleich in mehreren Punkten. Könnte der Vermittlungsausschuss drohen? in unserem Interesse”, so die Begründung des Innenministeriums. Dieser Vorstoß wird ebenso vom Sächsischen Wirtschaftsministerium unterstützt.

Fristenregelung ändern

Das alte Spiel: Das Planungsbeschleunigungsgesetz ist wichtig, um viele Bauprojekte effizienter voranzutreiben. Der Bundesrat hat bereits die ersten kritische Aspekte angemerkt und das Gesetz zur Diskussion zurückgegeben. Das Ringen um das endgültige Gesetz hat begonnen. Foto: BS/Nicholas Piccillo, stock.adobe.com

einen Rechtsmittel gegen einen Planfeststellungsbeschluss nur dann aufschieben, wenn Rechts-

fehler auch durch ergänzende Verfahren “nicht geheilt werden können”. Zum anderen werde

Am Anfang stand die “AK 67 Münster” Bund Deutscher Kriminalbeamter wurde 50 Jahre alt (BS/rup) Mit der “AK 67 Münster” fing alles an. Die Arbeitsgemeinschaft im Münsteraner Polizeipräsidium wurde 1967 gegründet. Ihre Mitglieder wollten mehr Anerkennung und eine bessere Besoldung für Kriminalpolizeiangehörige erreichen. Zuerst versuchte es die “AK 67 Münster” innerhalb der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Seinerzeit gab es noch eine Hauptabteilung für Polizei in der ÖTV, eine Polizeigewerkschaft im Beamtenbund und den Fachausschuss Kripo in der GdP. Doch nirgends fühlten sich die Angehörigen der Kriminalpolizei ausreichend vertreten. Nach einigen Verhandlungen mit der GdP-Spitze in Nordrhein-Westfalen wurde seinerzeit dann eine verstärkte Präsenz kriminalpolizeilicher Anliegen auf GdP-Seite versprochen. Doch die Gespräche liefen schief, die GdP drohte damals mit Ausschluss, wenn die “AK 67 Münster” sich weiter verselbstständigen wolle. So kam es dann 1968 zum Aufruf, bundesweit einen eigenen Fachverband für Kriminalpolizei zu gründen. Keimzelle waren Münster und andere Polizeipräsidien in Nordrhein-Westfalen.

Früher war zweite Ausbildung erforderlich Das ist nun 50 Jahre her und war Anlass für den Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), dies im Rahmen eines Festaktes zu feiern. Ausgangspunkt in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts war der Umstand, dass alle Polizisten eine sechsjährige Laufbahn bei der Schutzpolizei durchlaufen mussten. Dann stand den Interessenten eine zweite Ausbildung, die mitunter bis zu fünf Jahren dauern konnte, offen, der sogenannte KP-Lehrgang. Nur 25 Prozent der damaligen Kandidaten bestanden jedoch das anspruchsvolle Auswahlverfahren. Es trat bei denen, die es geschafft hatten, dann Verärgerung darüber ein, dass sie diese zusätzliche Aufwendung einer zweiten Ausbildung zwar mit persönlichem Mehraufwand abgeschlossen hatten, aber dennoch im mittleren Dienst blieben. “Kein Sachbearbeiter mit Beamtenstatus verbleibt im mittleren, sondern wurde auch seinerzeit in den gehobenen Dienst befördert, so jedoch nicht bei der Kriminalpolizei”, erläuterte BDK-Gründungsmitglied

Behörden Spiegel / Oktober 2018

Franz-Josef Möllerbernd. Das Verhältnis zwischen Schutz- und Kriminalpolizei betrug damals acht zu eins, daher sahen die Kriminalpolizeiangehörigen in den etablierten Gewerkschaften

in die Polizeipräsidien, so de Maizière. Zudem wies der ehemalige Bundesinnenminister auf einen aus seiner Sicht wesentlichen Erfolg seiner Amtszeit hin: Das Gesetz zur Vermögensabschöpfung. Hiernach ist es den Strafverfolgungsbehörden möglich, bei Verdacht beziehungsweise Nachweis krimineller Aktivitäten Gelder und Immobilienwerte zu beschlagnahmen. Dieses Gesetz habe erhebliche ermittlungstaktische Vorteile gebracht.

“Bul le mérite” verliehen

Hielt die Festrede: Ex-Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU). Foto: BS/BDK, Windmüller

keine Chance, ihr spezielles Anliegen umzusetzen und kamen zum Entschluss, eine eigene Organisation zu gründen.

Gründung in Hamm Am 28. September 1968 war es dann so weit. In Hamm wurde der BDK gegründet. Der derzeitige kommissarische Bundesvorsitzende des BDK, Sebastian Fiedler, warf aber nicht nur einen Blick auf die Vergangenheit, sondern auch auf die bevorstehenden Herausforderungen für die Polizei. So sei die Digitalisierung im gesamten Polizeibereich eine Herausforderung, die bisher alles Bekannte infrage stelle. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Thomas de Maizière, ehemaliger Bundesinnenminister, lobte den BDK als eine legitime und in seiner Struktur tief verwurzelte Interessenvertretung. In Berlin gebe es ein Überangebot an Verbänden und Lobbys, die sich häufig durch hochprofessionelles Personal ihre Wahrnehmung im politischen Raum sicherten. Doch in der politischen Glocke Berlins gehe häufig unter, ob diese in der Bundeshauptstadt tätigen Interessengruppen auch wirklich im Lande verankert seien. Verwurzelung sehe er jedoch beim BDK in den Ländern bis hinein

Die Veranstaltung diente auch der traditionellen Preisverleihung des “Bul le mérite”. Er ging in diesem Jahr an die “Gründungsväter des BDK”. Neben dem schon erwähnten Franz-Josef Möllerbernd erhielt auch Gründungsmitglied Hildegard Leist, früher Angehörige der sogenannten Weiblichen Kriminalpolizei (WKP), diesen Orden. Der Vorsitzende der BDKNachwuchsorganisation, “Junge Kripo”, Anosch Amanat, lobte die Initiative “K-Direkt” der hessischen Landesregierung. Dabei handelt es sich um eine direkt Einstiegsmöglichkeit in die Kriminalpolizei. Vom kleineren Schwesternverband aus Österreich, der Vereinigung Kriminaldienst Österreich, war deren Vorsitzender angereist. Richard Bender berichtete, dass, nachdem vor etlichen Jahren eine eigene kriminalpolizeiliche Ausbildung in Österreich abgeschafft worden sei, diese ab 2019 in der Alpenrepublik wieder eingeführt werde. Sebastian Fiedler, der auf dem Bundeskongress des BDK im November als Bundesvorsitzender antreten wird, gab dann noch ein politisches Statement ab. In allen Dokumenten des BDK sei ein grundsätzliches positives Europabekenntnis zu finden. Daher könne eine Partei, die die Abschaffung der EU fordere, also die AfD, keine Unterstützung durch den BDK erwarten und solle auch in der Mitte des BDK keinen Platz finden.

das Ziel verfolgt, Klagen, die die Straßen unterhalb der Bundesfernstraßen betreffen, beim jeweiligen Oberverwaltungsgericht anzusiedeln.

Eine Instanz statt drei Denn sonst müsse bei einer Klage durch zwei Instanzen gegangen werden, um zum obersten Gericht durchzukommen, wodurch sich der Prozess verzögere. “Da Straßenbauvorhaben aber generell bedeutende Infrastrukturvorhaben sind, liegt eine schnelle Umsetzung natürlich im öffentlichen und somit auch

Daneben kritisiert Sachsen die Klagebegründungsfristen und die zwingende Nichtverlängerung eben dieser Fristen bei unzureichender Entschuldigung. Diese sollten in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsordnung geregelt werden. “Parallele Regelungen in den Fachgesetzen und im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz führen zu Anwendungsschwierigkeiten”, so die Erklärung. Zudem fordert der Freistaat weitere Beschleunigungsvorgänge ein: Beispielsweise sollen Entscheidungen über wesentliche Elemente der Planung durch den Deutschen Bundestag ausgeübt werden oder die Wiedereinführung der sogenannten Präklusion auf Grundlage des EU-Rechts. “Die Präklusion kommt nicht wieder. Hierfür müsste das EU-Recht geändert werden und die meisten anderen Staaten kennen diese schlicht nicht. Wieso also sollten sie diese einführen?”, hinterfragt der Abteilungsleiter, Dietmar Horn, aus dem BMU.

Unsichere Anordnungen Das mecklenburgische Verkehrsministerium sieht ferner in den vorläufigen Anordnungen eine zu beseitigende Unklarheit.

Denn der Rahmen hierfür sei nicht ausreichend abgesteckt. Eine mögliche vorläufige Anordnung müsse an weitere Voraussetzungen geknüpft werden. “Beispielsweise könnte die Möglichkeit der Wiederherstellung des früheren Zustands vorausgesetzt werden. Damit durch vorbereitende Maßnahmen oder Teilmaßnahmen wie die Rodung alten Baumbestands nicht unumkehrbare Fakten geschaffen werden.” Auch denkbar seien Formulierungen, die die Durchführung vom Maßnahmen verhinderten, wenn das Planfeststellungsverfahren nur eine geringe Erfolgsaussicht habe. Die Kosten für Projektmanager im Rahmen der Verfahren sollen zudem den Vorhabenträgern und nicht den Verwaltungen zur Last gelegt werden. Schließlich wird die Regelung, wonach nur die betroffenen Gemeinden vor Erlassen einer vorläufigen Anordnung anzuhören sind, ebenfalls kritisch betrachtet. Es sollen nach dem Willen des Bundeslandes alle Betroffenen die Chance zur Anhörung erhalten.

“Schwierig wird sie werden” Ob das Gesetz notfalls in den Vermittlungsausschuss müsse, werde sich noch zeigen, so Hermann. Es gebe so viele Meinungen dazu, denn die Umweltund Verkehrsausschüsse der anderen Bundesländer würden auch ihre Vorstellungen mit einbringen. “Wir werden sehen, was diese Debatte mit sich bringt. Aber schwierig wird sie werden”, äußert der Minister seine Bedenken. Eine abschließende Grundkritik des Bundesrates: Der Entwurf beziehe Planungsund Genehmigungsverfahren von Straßen- und U-Bahnen nicht mit ein, obwohl gerade Städte komplexe Verkehrsvorhaben handhaben müssten.

40-Stunden-Woche für Beamte! Hessen: Wahlprogramme der Parteien im Vergleich (BS/ab/kh) Nach aktuellen Umfragen (Forschungsgruppe Wahlen e. V.) zeigt sich auch in Hessen die AfD als potenzieller neuer politischer Akteur im Landtag: Knapp 13 Prozent würde sie momentan erhalten. Während die CDU bei rund 30 Prozent, die SPD bei 23 Prozent und die Grünen bei 18 Prozent liegen. FDP (sechs Prozent) und Die Linke (acht Prozent) bilden das hintere Feld. Der Trend zur Verwaltungsoptimierung durch Digitalisierung zeichnet sich dabei bei nahezu allen Kandidaten ab. Die FDP möchte gar ein eigenes E-Government-Gesetz etablieren und Formen der E-Demokratie wie Online-Stimmenabgabe bei Volksbegehren ermöglichen. Auch fordern die Liberalen und die Sozialdemokraten einen Livestream des Hessischen Landtags für mehr Bürgernähe und Transparenz. Die AfD setzt zudem auf Bürgerbeteiligung im kommunalpolitischen Geschehen “als Instrument direkter Demokratie” und möchte, wie auch Die Linke, die rechtlichen Hürden für Volksentscheide und Bürgerbegehren senken. Alle Parteien haben gemeinsam, dass sie vor allem die Dienstleistungen für die Bürger digitalisieren möchten. Wobei sie unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Beispielsweise sieht die SPD hierfür die Cloud als wichtige zukünftige Infrastruktur. Während die regierende CDU die für die Digitalisierung entscheidenden Mitarbeiter der Landesverwaltung personell stärken und professionalisieren möchte. Bei der AfD spielt Digitalisierung lediglich bezüglich der medizinischen Versorgung eine Rolle. Dass Digitalisierung nicht automatisch neue Technologien, sondern ebenso die Überprüfung bisheriger Strukturen und Prozesse mit sich bringt, zeigt ebenso die schwarze Regierungspartei auf. So möchte sie die Landesverwaltung regelmäßig auf ihr Optimierungspotenzial überprüfen und Doppelstrukturen vermeiden sowie unnötige Bürokratie abbauen. Die Linke

möchte darüber hinaus Risiken entgegenwirken, die durch die Digitalisierung entstehen könnten – vor allem Arbeitsplatzverlust und Einschnitte in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung. Die Grünen betonen Potenziale der Digitali-

Am 28. Oktober 2018 wählt Hessen einen neuen Landtag. Foto: ©Carola Vahldiek, stock.adobe.com

sierung besonders im Bereich der Energiewende, wo sie zu einer intelligenten Steuerung von Erzeugung und Verbrauch beitragen könne.

Sachgrundlose Befristung abschaffen Auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst streben sowohl SPD als auch CDU an, die sachgrundlosen Befristungen soweit wie möglich abzuschaffen. Die Sozialdemokraten fordern des Weiteren, dass Hessen wieder in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder zurückkehren solle und die Wochenarbeitszeit für Beamte nicht mehr als 40 Stunden betragen dürfe; dies fordern auch Grüne und Linke. Zudem möchten letztere das hessische Personalvertretungsgesetz um-

formen und setzen sich für eine Wiederherstellung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte der Personalräte ein. Die CDU möchte ein Konzept mit den Gewerkschaften für OnlinePersonalratswahlen ausarbeiten und das Landes-Ticket Hessen für die Beschäftigen im Öffentlichen Dienst verstetigen. Die Grünen fordern, dass das Land Hessen als Arbeitgeber Anzahl und Dauer seiner befristeten Beschäftigungsverhältnisse reduziert und seinen Arbeitnehmern in aller Regel nach vierjähriger befristeter Beschäftigung unbefristete Arbeitsplätze anbietet. Sowohl die Christ- als auch die Sozialdemokraten sprechen sich zudem für eine Dezentralisierung der Landesverwaltung aus. Es sollen dadurch gezielte Arbeitsplätze im ländlichen Raum geschaffen werden. Neue Behörden und Ämter sollen dabei bewusst dort angesiedelt werden. Ferner fordert die CDU ein Standarderprobungsgesetz, mit denen die Kommunen auf Antrag bestimmte Rechtsvorschriften in einem gewissen Zeitraum als Pilotprojekte modifiziert anwenden dürfen. Vor allem Entbürokratisierungschancen sollen hierdurch genutzt werden. Um Letzteres zu erreichen, schlägt die AfD etwa vor, die Anzahl der Verwaltungsvorschriften beim Baurecht auf das Maß Anfang der 1990er-Jahre zurückzuführen. Des Weiteren wollen Die Linke sowie die AfD die kommunale Selbstverwaltung rechtlich und finanziell stärken.


Finanzen

Behörden Spiegel / Oktober 2018

G

ewährt bislang ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern ein kostenloses oder verbilligtes Jobticket, so ist die daraus resultierende Kostenersparnis des Arbeitnehmers für die Fahrkarte als geldwerter Vorteil zu versteuern. Zum Ausgleich gibt es nur die 44-Euro-Freigrenze, so sie nicht schon anderweitig belegt ist. Weil der Arbeitgeber – neben den Kosten an die Verkehrsbetriebe – auch die Steuer an das Finanzamt zahlen muss, verteuert sich die Gewährung von Jobtickets. Dies schmälert aus Unternehmenssicht die Attraktivität des Jobtickets – vor allem bei höheren Zuschüssen. Alternativ kann der Arbeitgeber die Pauschalversteuerung verweigern. Dann jedoch muss der Arbeitnehmer den geldwerten Vorteil individuell im Rahmen seiner Steuererklärung versteuern. Dies wiederum führt zu zusätzlichen Belastungen für den Arbeitnehmer, die seine Vorteile aus dem Jobticket deutlich verringern. “Zukünftig soll der geldwerte Vorteil nicht mehr versteuert werden müssen – weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer. “Steuerfreiheit für das

Jobticket soll steuerfrei werden Bundesrat schließt sich Initiative Hessens und Baden-Württembergs an (BS/gg) Das Jobticket soll zukünftig steuerfrei werden. Der Bundesrat hat in seiner Septembersitzung für eine entsprechende Initiative gestimmt und sich damit der Forderung von Finanzminister Dr. Thomas Schäfer und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir aus Hessen, Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann und Verkehrsminister Winfried Hermann angeschlossen. Jobticket”, lautet das Motto unserer Initiative. Das schont den Geldbeutel von Arbeitgebern und Arbeitnehmern und fördert die Nutzung von Bussen und Bahnen. Darüber freut sich auch die Umwelt”, erklärten die Initiatoren Al-Wazir, Schäfer, Sitzmann und Hermann.

Steuerfreiheit soll ÖPNVNutzung attraktiver machen “Über sein Jobticket soll man sich zukünftig ausnahmslos freuen können. Nach unserem Willen gehören steuerliche Belastungen schon bald der Vergangenheit an. Hessen hat mit der Einführung des Landestickets für seine Beschäftigten bewiesen, dass man mit attraktiven Angeboten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon überzeugen kann, den ÖPNV zu nutzen”, so Hessens Finanzminister Thomas

Erstaufnahme von Flüchtlingen SRH legt Sonderbericht zum Thema Asyl vor (BS/gg) Der Sächsische Rechnungshof (SRH) hat einen Sonderbericht zur Unterbringung und Organisation der Erstaufnahme von Flüchtlingen im Freistaat Sachsen vorgelegt. Geprüft wurden dabei die Haushaltsjahre 2014 bis 2017. Die Prüfung hat ergeben, dass sich die vom Sächsischen Innenministerium (SMI) ursprünglich für das Jahr 2015 genannten Asylzugangszahlen von 69.900 nicht bestätigt haben. Stattdessen verblieben nach der amtlichen Statistik lediglich rund 40.000 Flüchtlinge im Freistaat Sachsen. Auch beim Rückgang der Zahlen auf 8.645 (2016) und 5.894 (2017) gibt es noch erhebliche Abweichungen zwischen registrierten und realen Zugängen. Diese haben Einfluss auf die notwendigen Personal- und Sachmittel. Die Kapazitäten in den sächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen wurden laut SMI im gesamten Jahr 2015 von zunächst 2.043 auf 21.481 Unterkunftsplätze, also um mehr als das zehnfache erhöht. Der sprunghafte Anstieg der Flüchtlingszahlen im IV. Quartal 2015 und der sich unmittelbar anschließende deutliche Rückgang haben allerdings dazu geführt, dass Einrichtungen im Freistaat Sachsen geschaffen wurden, die niemals in Betrieb gegangen sind, aber den Staatshaushalt allein in den Jahren 2015 und 2016 rund 62 Mio. Euro kosteten. Einige Unterkünfte wurden zwar inzwischen offiziell stillgelegt. Tatsächlich wurden sie aber nicht abgebaut, auch weil Mietverträge mit einer mehrjährigen Restlaufzeit bestehen. Für die darin enthaltenen 8.590 Plätze entstehen immer noch jährliche Kosten in Höhe von insgesamt rund 25 Mio. Euro für die Miete und rund 1,5 Mio. Euro für die Bewachung.

Kapazitäten zurückfahren Mit dem Unterbringungs- und Standortekonzept “ZAB 2020” plant das SMI, 5.900 Plätze ab dem Jahr 2020 vorzuhalten. Inklusive der auf dem Papier abgebauten Plätze hatte der Freistaat Sachsen im Juli 2017 insgesamt 15.760 Plätze. Hiervon waren nur 7,4 Prozent belegt. Diese müssen angemessen reduziert werden. Für die Flüchtlingsunterbringung wurden der Zentralen Ausländerbehörde im Jahr 2015 vom Landtag 279 Stellen zusätzlich genehmigt. Darin enthalten sind Umsetzungen aus anderen Ressorts und 200 neue, unbefristete

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Stellen für die Zentrale Ausländerbehörde. In Anbetracht der seinerzeit ungewissen Entwicklung der Flüchtlingszahlen hatte der SRH der Staatsregierung empfohlen, die Neueinstellungen zunächst zu befristen. Der SRH kommt bei seiner Prüfung zu dem Schluss, dass die Aufgabe “Asyl” auch ohne diese Stellen hätte bewältigt werden können. Die Landesdirektion Sachsen (LD) hat diese Stellen inzwischen teilweise in andere Aufgabengebiete verlagert. Im Ergebnis waren Mitte 2018 in der Zentralen Ausländerbehörde noch 203 Bedienstete tätig. Ein vom SMI beauftragtes Gutachten hält nur halb so viel Personal für erforderlich.

Hohe Kosten für Bevorratung Das SMI hält Flächen vor, um für die Unterbringung von Asylbewerbern notwendige Einrichtungsgegenstände wie z. B. Betten oder Materialien wie Hygieneartikel zu lagern. Bis zum Abschluss der örtlichen Erhebungen fehlte laut SRH ein schlüssiges Bevorratungskonzept. An einem geprüften Standort beträgt der Wert der gelagerten Gegenstände 1,5 Mio. Euro, die kontinuierlich anfallenden Kosten belaufen sich aber jährlich auf fast eine Mio. Euro. Die Bevorratungskosten überstiegen daher bereits nach 18 Monaten den Wert des Bevorratungsbestandes. Der SRH empfiehlt zeitnah Ausstattungsgegenstände, die nicht unbedingt vorgehalten werden müssen, zu veräußern bzw. kostenfrei an Hilfsorganisationen abzugeben. Der Präsident des Sächsischen Rechnungshofs, Prof. Dr. KarlHeinz Binus, erklärte mit Blick auf den Sonderbericht: “Die Ergebnisse der Prüfung sollten genutzt werden, um das im Entwurf mit Stand vom August 2017 vorgelegte Unterbringungsund Standortkonzept “ZAB 2020” und das Bevorratungskonzept so fortzuentwickeln, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen staatlichem Ressourceneinsatz und daraus zu ziehendem Nutzen erreicht werden kann.” Der Sonderbericht zur Erstaufnahme der Flüchtlinge im Freistaat Sachsen ist unter www.rechnungshof.sachsen.de abrufbar.

Das Jobticket soll steuerfrei und dadurch für Unternehmen und Arbeitnehmer attraktiver werden. Die Initiatoren wollen so die Nutzung des ÖPNV vorantreiben. Auch für die Finanzverwaltung würde durch diese Regelung der Aufwand reduziert. Foto: BS/Kölner Verkehrs-Betriebe AG

Schäfer und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir. Um noch mehr Unternehmen dazu zu bewegen, ihren Mitarbeitern Jobtickets anzubieten, wolle man finanzielle und bürokratische Belastungen

vermindern. Die Initiative sei ein richtiger und wichtiger Schritt, damit noch mehr Menschen in Deutschland von einem Jobticket profitiert, erklärten die Minister weiter.

In Hessen können die Beschäftigten des Landes seit Jahresbeginn mit dem in den Tarifverhandlungen vereinbarten Landesticket landesweit Busse und Bahnen nutzen. Hiervon

profitieren rund 90.000 Beamtinnen und Beamte, mehr als 45.000 Tarifbeschäftigte und etwa 10.000 Auszubildende. “Eine eigenständige Steuerfreistellung macht das Jobticket für Unternehmen attraktiver. Damit besteht auch die Chance, dass manche Arbeitgeber den Zuschuss für die Fahrkarte erhöhen und mehr Menschen auf Bus und Bahn umsteigen. Da auch viel Verwaltungsarbeit entfällt, reduziert das auch den Aufwand für Unternehmen und Steuerverwaltung” erläuterte Finanzministerin Sitzmann. “Bisher ist für viele Firmen die Freigrenze von 44 Euro zugleich der Maximalbetrag, mit dem sie das Jobticket unterstützen. Und es ist ein Baustein, um Schadstoffe in der Luft weiter zu reduzieren”, sagte Verkehrsminister Hermann. Baden-Württemberg bietet seinen Bediensteten seit 2016 ein Jobticket an und hat im vergangenen Jahr den Zuschuss von 20 auf 25 Euro erhöht. Nach der Entscheidung des Bundesrates hat die Bundesregierung nun Gelegenheit zur Stellungnahme, bevor der Deutsche Bundestag am weiteren Verfahren beteiligt wird.


Beschaffung / Vergaberecht

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Es liegt nicht an den Vergabestellen

Behörden Spiegel / Oktober 2018

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Veröffentlichungstermin von Bekanntmachungen nicht steuerbar (BS/jf) Sie kommt regelmäßig: die Kritik von Bietern an der Veröffentlichungspraxis von Vergabestellen. Besonders an Feier- und Brückentagen würden Bekanntmachungen veröffentlicht, um den Markt zu beeinflussen und den Wunschbieter zu bevorzugen. Doch dem ist nicht so. Systematisch würden lange Feier­t agswochenenden, wie jüngst der Tag der Deutschen

Einheit, genutzt, um hoch lukrative europaweite Ausschreibungen unter dem Radar zu halten

qanuun-aktuell Definitionssache von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune “Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.” So lautet die Definition der Korruption von Transparency International (TI). Die letzten Wochen deutscher Politik haben verdeutlicht, wie nah dieses Verständnis an der Wirklichkeit ist. Abgesehen davon, dass die Beförderung eines Beamten einen Vorteil darstellen würde, könnte es die Medienpräsenz ebenfalls sein, zumindest für den einen oder anderen Egomanen unter politisch exponierten Personen. Dann wäre zu klären, ob die angedachte Beförderung eines Beamten bei fehlerhafter­ Diensterfüllung auch einen Missbrauch anvertrauter Macht darstellt. Macht ist ein durchaus weiter Begriff. Letztendlich hat jeder, der etwas – endgültig – zu entscheiden hat, Macht. Der Missbrauch dieser Macht fängt nicht erst da an, wo die Illegalität beginnt, sondern nach allgemeinem Empfinden schon deutlich früher. Ein an sich legales, aber illegitimes Verhalten kann aus der Sicht vieler Menschen bereits einen Missbrauch darstellen, insbesondere dann, wenn die Motivation des Handelnden mehr vom Eigennutz als vom

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

Gemeinwohl getragen ist. Fügt man alle Definitionsmerkmale zusammen, dann wäre die angedachte Beförderung ein Akt der Korruption gewesen. Nimmt man die begrenzenden Tatbestandsmerkmale der Kriminologen hinzu, ändert sich an dem Urteil nichts: Der Machtmissbrauch geht von einem Amtsträger aus und der individuelle Vorteil ist mit einem Nachteil für die Allgemeinheit verbunden. Auch wenn der Sachverhalt, der in den vergangenen Wochen ganz Deutschland auf die Barrikaden gebracht hat, an sich sehr ärgerlich ist, so hat er doch gezeigt, dass die Demokratie und der Integritätskompass der Zivilgesellschaft funktionieren.

– so der Vorwurf eines anonymen Bieters. Dieses Vorgehen würde korruptionsähnliche Züge annehmen, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Lieblingslieferant vergaberechtswidrig über die Ausschreibung informiert werde. Zugleich hoffe man, die anderen Bieter würden die Ausschreibung wegen des Feiertages und des verlängerten freien Wochenendes gar nicht mitbekommen. “Die Vorwürfe sind haltlos”, entgegnet Frank Schmitz vom Beschaffungsamt des BMI (­BeschA) stellvertretend für die ­öffentlichen Auftraggeber. Und Jochen Reinhard, Leiter Marketing und Kommunikation der BWI GmbH, ergänzt: “Es liegt am Tender Elektronic Daily (TED). Den können wir nicht steuern.” Bei den “Sendingelectronic-notices” des TED heißt es: “Bekanntmachungen in strukturiertem elektronischem Format werden innerhalb von fünf Tagen nach Eingang beim Amt für Veröffent­lichungen veröffentlicht.” Die entscheidenden Worte lauten “bis zu”. Je nach Eingang der Bekanntmachungen aus 28 Mitgliedsstaaten kann ­ ekanntmachung schon eine B zwei Tage später online sein – muss aber nicht. Und was ist mit den nationalen Plattformen? Hier reicht ein Blick in § 40 Abs. 3 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV). Demnach dürfen Ausschreibungen auf nationalen Plattformen frühestens 48 Stunden nach einer Eingangsbestätigung der Bekanntmachung vom Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union publiziert werden.

► E-VERGABE

Veraltete Version Update muss installiert sein Bei der Übermittlung seines Angebotes auf die Vergabeplattform des Auftraggebers hatte ein Bieter unerwartete Schwierigkeiten. Der Auftraggeber hatte ausdrücklich die Angebotsabgabe auch elektronisch in Textform zugelassen. Doch der elektronische Angebotsassistent verlangte stets eine Signatur. Eine solche besaß der Bieter aber nicht. So war er an der Angebotsabgabe gehindert, was schließlich zum Streit über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens führte. Im Zuge der Beweisaufnahme legte dieser Bieter dann Screenshots vor, mit denen er die Fehlfunktion der Software belegen wollte. Damit hatte er die Rechnung ohne die IT-Abteilung des Auftraggebers gemacht. Die erkannte an den Screenshots nämlich, dass der Bieter eine veraltete Version des Angebotsassistenten verwendet hatte. Seit mindestens zehn Jahren war kein Update mehr durchgeführt worden. Deswegen konnte er die erst seit dem Jahr 2016 zulässige reine Textform nicht verarbeiten. Der Fehler befand sich also auf dem Client des Bieters und nicht auf dem Server des Auftraggebers. Der Bieter hat aber die Pflicht, die auf seinem Rechner installierte Software stets aktuell zu halten, bescheinigt die Vergabekammer. Dies gehe eindeutig aus Vergabeunterlagen und auch aus dem Benutzerhandbuch der Software hervor. Die Unmöglichkeit der Angebotsabgabe geht also zulasten des Bieters, der mit seiner Nachprüfung scheiterte. VK Südbayern (Beschl. v. 19.03.2018, Az.: Z3-3-3194-1-

Foto: ©Wri rig ghtSt htS udio ud , s sttoc ck k.adob adobe.c e co om

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Revision, Compliance und Controlling Praxisseminare im Herbst 2018

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Integrität und Korruptionsprävention

Innenrevision in der öffentlichen Verwaltung

Dieser E-Learning-Kurs bietet eine Einführung in die Phänomenologie von Korruptionsdelikten aus kriminalistischer Sicht. Die Teilnehmenden sollen mit rechtlichen Grundlagen, typischen Indikatoren für korruptes Handeln und der Abgrenzung zu anderen dolosen Handlungen oder sonstigen Missständen vertraut gemacht werden.

Dieses Seminar soll Prüferinnen und Prüfern Einblicke in die Tätigkeit einer internen Revision in der öffentlichen Verwaltung vermitteln. Neben Modellen risikoorientierter Prüfplanung werden die Phasen einer IR-Prüfung praktisch veranschaulicht. Anschließend sollen Praxisbeispiele für Prüfungen gemeinsam erarbeitet werden.

Termin und Ort: E-Learning, jederzeit

Termin und Ort: 23.–24.10.2018, Berlin

Ausschluss und Selbstreinigung in Vergabeverfahren

Grundlagen des Verwaltungscontrollings

Das Seminar möchte die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Selbstreinigungsprozess ausleuchten. Hierfür soll zugleich ein Gesamtüberblick über die wesentlichen derzeit praktizierten und im Zusammenhang mit der Selbstreinigung diskutierten Maßnahmen vermittelt werden.

Dieses Controlling-Grundlagenseminar soll veranschaulichen, wie im Rahmen vorgegebener personeller und technischer Ressourcen ein Controllingszenario aufgebaut, ein Berichtswesen gestaltet und gelebt werden kann und wie Informationstechnologie sinnvoll einsetzbar ist.

Termin und Ort: 08.11.2018, Berlin

Termin und Ort: 15.11.2018, Berlin

Erfolgreiches Projektcontrolling in Behörden

Manipulationen in Vergabeverfahren präventiv begegnen

Das Seminar vermittelt, wie mithilfe einer effizienten Projektorganisation, den richtigen Kennzahlen und Instrumenten bestehende Risiken im Projekt reduziert werden können, wie Erfolge strategisch kontrolliert und ‟weiche“ Faktoren wie zum Beispiel das Teamklima in das Controlling einzubeziehen sind.

Dieses Seminar beleuchtet die unterschiedlichen Manipulationsmöglichkeiten im Vergabeverfahren aus vergabe-, wettbewerbs-, zivil- und strafrechtlicher Sicht und gibt Hinweise, wie man unseriöse Angebote und Bieter erkennen und im Rahmen der Korruptionsprävention die von ihnen ausgehenden Risiken reduzieren kann.

Termin und Ort: 27.11.2018, Hannover

Termin und Ort: 29.11.2018, Berlin

Detaillierte Information und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

► REFERENZ

Querdenker Objektiver Horizont ist ­maßgeblich Der hier referierte Beschluss ist zwar nicht bestandskräftig, aber in seiner argumentativen Klarheit dennoch lesenswert. Er behandelt die Referenzen, die für die Qualifikation eines stellvertretenden Projektleiters zu benennen waren. Der Auftraggeber setzte voraus, dass eine Person einzuplanen sei, die bereits zuvor bei einem vergleichbaren Auftrag die Position mindestens der stellvertretenden Projektleitung “eines Auftrages zur Lieferung” eines TKÜ-Systems innegehabt haben müsse. Der Bieter benannte einen Mitarbeiter, der bereits mehrfach stellvertretender Projektleiter lediglich für die Bereiche “Software, Entwicklung und Customization” eines TKÜSystems war. Dies genügte dem Auftraggeber nicht. Er schloss diesen Bieter aus. Im Nachprüfungsverfahren brachte jener vor, die seiner mangelhaften Benennung zugrunde liegende Missverständlichkeit der Anforderung erst durch den Ausschluss erkannt zu haben, weswegen er sie nicht vorher habe rügen können. Damit blieb er vor der Vergabekammer erfolglos. Sie bescheinigt ihm, dass die Anforderung über eine Teilprojektleitung hinausgehe. Es gebe zwar immer jemanden, der in den Vergabeunterlagen etwas

anders verstehe, “und wenn es nur der Querdenker ist”. Weil sonst allein die Behauptung eines Missverständnisses die Rügepflicht aushöhlen könnte, müsse stattdessen der objektive Bieterhorizont beachtet werden, wonach eindeutig eine Stellvertretung für ein Gesamtprojekt gefragt war. VK Lüneburg (Beschl. v. 14.05.2018, Az.: VgK-11/2018)

►FLIPPING

Untaugliche Matrix Bieter manipulieren Wertung Für eine Software, die Kunden zur Verfügung gestellt werden soll, hat der Auftraggeber eine Preisstaffel entwickelt: Je nachdem, wie viele Software-Installation vorgenommen wurden, waren andere Preise zu bieten. Die Idee dahinter: Der Bieter soll auch in der Anlaufphase, in der erst wenige Installationen stattgefunden haben, einen auskömmlichen Betrag für die Pflege des Systems erhalten. Letztlich werden über zehn Millionen Installationen innerhalb weniger Jahre erwartet. Die Staffel unterschied zwischen sechs Preisstufen. Die Auswertung erfolgte je Stufe. Die Wertungsergebnisse aller Stufen wurden addiert. Einige Bieter erkannten die Schwachstelle des Systems: Sie boten die ersten Stufen (fast) kostenlos an und verlangten für die letzte Stufe den maximal zugelassenen Preis – statt mit zunehmender Installationszahl Nachlässe zu gewähren. Im Ergebnis nahmen sie damit hohe Anfangsverluste hin, um am Ende der Laufzeit erhebliche Gewinne zu realisieren. Dieses Anbietungsverhalten stürzte die auf linearer Interpolation beruhende Wertung ins Chaos: Die korrekt rabattierenden Bieter erhielten in den ersten Wertungsstufen samt und sonders keine Punkte und waren dadurch chancenlos. Der Auftraggeber versetzte das Verfahren zurück, ersann eine neue Wertungsmatrix und bat um neue Preisangebote. Jetzt verlangte er, dass die Preise sinken müssten, wenn die Zahl der Installationen steige. Die Vergabekammer billigt dieses Vorgehen. Das Anbietungsverhalten habe zu einem Flipping-Effekt geführt, der eine rechtskonforme Wertung nicht mehr möglich mache. Die Rückversetzung sei geboten gewesen. Die nun angewendete Mittelwert-Methode sei zwar ebenfalls nicht frei von derartigen Effekten, dämpfe aber die Verzerrungseffekte besser, die aus dem spekulativen Anbietungsverhalten entstünden. VK Bund (Beschl. v. 26.06.2018, Az.: VK 2-46/18)

► REVERSE CHARGE

Innergemeinschaftlicher Erwerb Auftraggeber muss Umsatzsteuer errechnen Auf die Ausschreibung von ITDienstleistungen hatten sowohl deutsche Unternehmen geboten als auch solche mit Sitz im EUAusland. In das vom Auftraggeber bereitgestellte Preisblatt hatten diese Bieter sowohl den jeweiligen Netto-Preis einzutragen als auch die “einschlägige Umsatzsteuer”. Deutsche Bieter gaben dort 19 Prozent Steuer an, der EU-Bieter nannte einen Steuersatz von null Prozent

aufgrund des Reverse-ChargeVerfahrens zur Umsatzbesteuerung bei innergemeinschaftlichem Erwerb. Sein inländischer Konkurrent hält dies für falsch. Er meint, wegen der fehlenden Umsatzsteuerangabe sei das Angebot auszuschließen. Der Auftraggeber hatte zum Zwecke der Wertung die Preise mit der jeweils im Preisblatt angegebenen Umsatzsteuer beaufschlagt. Die Vergabekammer des Bundes klärt die Beteiligten auf: Im Preisblatt ist dasjenige anzugeben, was Vertragsbestandteil wird. Weil der EU-Bieter später keine Umsatzsteuer berechnen wird, ist die Angabe von null Prozent korrekt. Allerdings muss der Auftraggeber in diesem Falle von sich aus die Umsatzsteuer an sein zuständiges Finanzamt abführen. Er wird also trotz der Angabe von null Prozent mit dem inländischen Steuersatz belastet. Deswegen muss er bei der Berechnung des Wertungspreises von Angeboten aus dem EU-Ausland selbst die Umsatzsteuer zum Nettopreis addieren. VK Bund (Beschl. v. 18.09.2017, Az.: VK 2-94/17)

► PERSONAL

Arbeitszeitgesetz ­beachten Zehn-Stunden-Tage nicht auf Dauer! Um unter Wasser schweißen zu können, bedarf es besonderer Fachleute, die zwecks Arbeitssicherheit zudem immer in DreierTeams zusammenarbeiten müssen. Für derartige Arbeiten hatte der Auftraggeber zwingende Fertigstellungstermine vorgegeben. Im Zuge der Eignungsprüfung war daher zu ermitteln, ob die Anzahl der verfügbaren Spezialtaucher ausreichen würde, die 83 Wochen andauernden Arbeiten rechtzeitig zum Ende zu bringen. Der Bestbieter glaubte, dies mit einer relativ kleinen Taucheranzahl zu ermöglichen. Sein Konkurrent konnte das nicht nachvollziehen und beantragte die Nachprüfung des beabsichtigten Zuschlages. Die Vergabekammer befasste sich im Detail mit der Eignungsprognose des Auftraggebers und bemerkte mehrere Unstimmigkeiten, die allesamt dazu führten, dass die Zahl der erforderlichen Taucher zu niedrig eingeschätzt wurde. Zum einen seien Urlaubs- und Krankheitszeiten unberücksichtigt geblieben, insbesondere auch die Tatsache, dass der Ausfall eines Teammitgliedes immer das jeweilige Team komplett lahmlege. Zum anderen habe der Auftraggeber einen täglichen Arbeitseinsatz von zehn Stunden zugrunde gelegt. Das Arbeitszeitgesetz verlangt jedoch, dass ausnahmsweise Überschreitungen der AchtStunden-Höchstarbeitszeit innerhalb eines halben Jahres ausgeglichen werden müssten. Damit ist ein Zehn-StundenTagesdurchschnitt über eineinhalb Jahre hinweg rechtlich nicht möglich. VK Bund (Beschl. v. 03.06.2018, Az.: VK 2-44/18)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

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Vergaberecht

Behörden Spiegel / Oktober 2018

B

ehörden Spiegel: Frau Dierks, wann ist im Kreis Soest die E-Vergabe eingeführt worden?

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“Teils überfordert, teils dankbar”

der Service-Hotline begleiteten hilfreich das “Learning bei Doing”.

Die Einführung der E-Vergabe im Kreis Soest und bei den Bietern

Behörden Spiegel: Welche Lehren haben Sie aus diesem Projekt/ Prozess gezogen?

Dierks: 2013 wurde die E-­ Vergabe eingeführt und Anfang 2014 konnte der Vergabemarktpatz NRW nach Schulungen von circa 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genutzt werden.

(BS) Am 18. Oktober 2018 wird die ausschließlich elektronische Kommunikation bei öffentlichen Ausschreibungen verpflichtend. Zumindest bei den europaweiten Verfahren. Doch nicht alle sehen dieses Ereignis mit Schrecken. Besonders diejenigen, die sich schon früh mit der elektronischen Vergabe (E-Vergabe) befasst haben, sind gut aufgestellt. Der Behörden Spiegel sprach mit Martina Dierks, Leiterin der Zentralen Vergabestelle Dierks: Die Kollegen in den Umim Kreis Soest, über das Vergabevolumen des Kreises, die Einführung der E-Vergabe, die Reaktionen der Bieter und die nächsten Schritte hin zu setzungsprozess frühzeitig mit einer Zentralisierung des Einkaufes. Die Fragen stellte Jörn Fieseler. einzubinden und mit FAQ-Listen

Behörden Spiegel: Wird sie auch unterhalb der Schwellenwerte genutzt?

Behörden Spiegel: Wie viele Verfahren werden jährlich durchgeführt?

Dierks: Die E-Vergabe wird im Kreis Soest verpflichtend ab 25.000 Euro (netto) Auftragswert genutzt, also auch unterhalb der EU-Schwellenwerte. Denn die Veröffentlichung und die Kommunikation mit den Bietern gestaltet sich mit der E-Vergabelösung viel einfacher als in Papierform. Die E-Vergabelösung sorgt für Transparenz und Dokumentation.

Dierks: Im Jahr 2017 wurden im Kreis Soest circa 600 Verfahren durchgeführt. Drei Viertel der Verfahren waren freihändige Vergaben. Ein Viertel der Vergaben wurden überwiegend öffentlich ausgeschrieben und teilweise europaweit oder national in einer beschränkten Ausschreibung.

Behörden Spiegel: Was ist mit den in der UVgO genannten Ausnahmen zur E-Vergabe (§ 38 Abs. 4): Macht man davon im Kreis Soest Gebrauch?

Dierks: Die Bieter waren am Anfang (2014) teilweise überfordert und teilweise dankbar für die einfache Art, die Angebote abzugeben und zu kommunizieren.

Dierks: Die UVgO ist für den Kreis Soest noch nicht zur Anwendung befohlen. Der Kreis Soest wird diese aber so umsetzen, dass bis 25.000 Euro (netto) Auftragswert die Anwendung der E-Vergabelösung empfohlen wird. Die Fachabteilung kann aber auch per Mail Angebote einholen, die in ein zentrales Postfach eingehen müssen und von der zentralen Vergabestelle zum Termin der Angebotsöffnung zugeleitet werden. Für den Baubereich sind auch weiter Papierangebote zugelassen.

Behörden Spiegel: Was haben Sie unternommen, um frühere Auftragnehmer und potenzielle Bieter für die E-Vergabe zu begeistern?

“I

ch bin von der Reform des Vergaberechts begeistert. So viele Kundenanfragen hatte ich noch nie”, sagte Dipl.-Ing. Andreas Köther, Inhaber des Ingenieurbüros IuK Consult, mit einem ironischen Unterton. Nicht nur seine Rolle als Planer werde mehr und mehr von Verwaltungen gefragt, sondern auch die Durchführung von elektronischen Vergaben werde ihm immer öfter übertragen. In diesem Zusammenhang lobte er ausdrücklich die Vergabeplattform Elvis und die neu geschaffene Planerrolle bei der E-Vergabe. Zugleich stellte er fest, dass es immer noch Widerstände gegen elektronische Angebote bei der Auftraggeberseite gebe. “Das finde ich wirklich schade”, so Köther. Auch Jürgen Klaeser, Inhaber der Vergabeberatungsstelle Klae­ ser GmbH, kann diesen Widerstand nicht nachvollziehen. Er appellierte an die über 120 Teilnehmer, dass Auftraggeber und Unternehmen eine symbiotische Beziehung hätten. Deshalb sei es notwendig, Vergabeunterlagen klar und nachvollziehbar zu strukturieren und adäquat elektronisch zu präsentieren. Ebenso verwies Heidrun Gross-

Behörden Spiegel: Wie waren die Reaktionen der Bieter?

Dierks: Wir haben es verstanden, dass die Bieter unsere wichtigsten Kunden sind. 2014 haben wir wirklich eine telefonische Begleitung von der Registrierung und bis zur Angebotsabgabe gemacht. Zudem erhalten die Bieter auch heute noch mit den Vergabeunterlagen eine Datei mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Erstellung eines E-Angebotes.

Seitdem hat sich auch die Anzahl der E-Angebote im Bereich unterhalb der EU-Schwelle merklich erhöht.

“Wir haben es verstanden, dass die Bieter unsere wichtigsten Kunden sind”,

Behörden Spiegel: Hat sich das Bieterverhalten über den gesamten Zeitraum verändert? Dierks: Für die meisten Bieter (98 Prozent) ist die EVergabe heute völlig normal. Die Vergabeunterlagen sind bei uns nur noch über die E-Vergabe oder per Mail erhältlich. Die Bieter sind froh, dass sie die Unterlagen gleichzeitig in verschiedenen Abteilungen bearbeiten können und so die Angebote schneller und bis kurz vor Angebotsfrist erstellen können. Behörden Spiegel: Wie ist die Einführung der E-Vergabe innerorganisatorisch durchgeführt worden? Dierks: Es gab eine Projektgruppe bestehend aus Mitarbeitern aus den Abteilungen IT, Organisation und Vergabestelle. Darüber hinaus ergänzten neben dem Personalrat auch Vertreter aus zwei Fachabteilungen das

sagt Martina Dierks. Die Juristin ist Leiterin der Zentralen Vergabestelle im Kreis Soest. Foto: BS/privat

Team. Aufgabe war es zunächst, einen Maßnahmeplan mit allen notwendigen Arbeitsschritten zu erstellen und diese Schritt für Schritt abzuarbeiten, um das Ziel “Nutzung eines elektronischen Vergabeverfahrens durch Vergabestelle und Fachabteilungen” zum 1. Oktober 2013 zu erreichen. Begonnen wurde bei der Markt­ erkundung. Die Fragestellungen: Welche Anbieter gibt es? Wie sehen die Verfahren inhaltlich aus? Wie unterscheiden sie sich auch im Betrieb für Anwender und zukünftige Bieter? Dazu wurden auf der CeBit, über eine Internetrecherche und durch eine Kundenumfrage Daten und Information gesammelt. Besuche bei anderen Behörden und Vorstellungen vor Ort rundeten

diese Phase ab, sodass anschließend die konkreten Anforderungen an eine für den Kreis Soest passende Lösung – sowohl aus fachlicher als auch aus rechtlicher und it-technischer Sicht – in die Ausschreibungsunterlagen einfließen konnten. Eine Teststellung gehörte noch vor dem Zuschlag zum Vergabeverfahren dazu und wurde in die Wertung eingebunden. Anschließend wurden die Anwender im Hause geschult und Zug um Zug zunächst in einzelnen Verfahren leitend durch die Zentrale Vergabestelle und nach und nach für alle Verfahren und alle Abteilungen die Anwendung stufenweise verpflichtend. Handreichungen und Arbeitsempfehlungen mit Pflichtenheft, FAQListe und enger Abstimmung mit

Von Bieterfragen bis Zuwendungen Dialog im Fokus beim siebten Kölner Vergabetag der subreport Verlag Schawe GmbH (BS/Jörn Fieseler) Im April 2016 hat der Bundestag die Gesetzesänderungen zur Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien beschlossen. Seit­dem laufen die Zeiträume für die verschiedenen Umsetzungspflichten ab. Grund genug, die Umsetzung in den Blick zu nehmen und mit Praktikern von Auftraggeber- und -nehmerseite sowie Rechtsexperten zu diskutieren. Dabei zeigt sich: Die elektronische Vergabe ist nicht das Problem. hardt von der Firma Grosshardt Gebäudereinigungsmanagement auf die Erstellung der Vergabeunterlagen: “Der Bieter darf kein Wagnis haben, deshalb muss eine detaillierte, strukturierte

Antwerpes an. Sie forderte Unternehmen auf, sich positiv als “Querulanten” zu präsentieren, um mit Nachfragen ein spezielles Interesse beim Auftraggeber zu bekunden.

der Zentralen Vergabestelle im Schwalm-Eder-Kreis. Der Kreis habe im Mai 2018 eine zentrale E-Vergabeplattform nicht nur für die Kreisverwaltung, sondern auch für alle angehörigen 26

Ob in großer Runde mit allen Referenten oder bei den Teilnehmern untereinander: Auch der siebte Kölner Vergabetag von subreport war vom Dialog gekennzeichnet. Foto: BS/subreport, Vollmer

Beschreibung vorliegen.” “Der Bieter ist kein Gegner”, schloss Klaeser. Dem schloss sich die Kölner Bürgermeisterin Elfi Scho-

Auf der anderen Seite geht der Trend mehr zur zentralisierten Beschaffung. Diesen erläuterte beispielhaft Volker Damm, Leiter

Kommunen eingerichtet, berichtete der Verwaltungsbetriebswirt. Dabei habe sich der Großteil der Städte und Gemeinden für die ge-

→ Save the Date

Hamburger Vergabetag 2019 24.–25. Januar 2019, Handwerkskammer Hamburg Der Hamburger Vergabetag ist der Treffpunkt für öffentliche Einkäufer, Vergaberechtler und -berater sowie Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbänden. → Online-Anmeldung unter www.hamburger-vergabetag.de

meinsame Beschaffung über die Zentrale Vergabestelle gegen Kostenerstattung ausgesprochen. Weil das Vergaberecht nicht leichter geworden sei, sei es sinnvoll, die Expertise zu bündeln. Zum einen, um bei Fördermittelverfahren eine vertretbare Kostenschätzung abgeben zu können, wie Rechtsanwalt Sven Beaujean von der Kanzlei Forkert erläuterte. Denn diese sei das A ­

alle Mitarbeiter ständig auf dem aktuellen Erkenntnisstand zu sich ergebenden Fragestellungen zu halten, hat sich als positiv herausgestellt. Zudem wurde die Einführung im ersten Jahr evaluiert. Behörden Spiegel: Was sind die nächsten Schritte?

Dierks: Zunächst wurde nur der Vergabemarktplatz NRW eingeführt. Weitere Vorteile versprechen wir uns aber in Verbindung mit dem Aufbau eines zentralen Einkaufs, der für die Vergabe von Rahmenverträgen und Bündelungen von Bedarfen abteilungsübergreifend die Beschaffungen koordinieren soll. Hierfür werden ein Vergabemanagementsystem und ein Tool beschafft, welches die Rahmenverträge abbildet und Daten aus dem Beschafferverhalten hinterlegt, um sich für zukünftige Beschaffungen noch strategischer aufstellen zu können. Behörden Spiegel: Spielen dynamische Beschaffungssysteme (§17 UVgO), Auktionen (§18) oder elektronische Kataloge (§ 19) bei Ihnen eine Rolle? Dierks: Nein. Nur der elektronische Katalog wird im Rahmen des zentralen Einkaufs eine Rolle spielen.

und O für das weitere Verfahren. Zum anderen, damit auch neue Verfahren, wie zum Beispiel der wettbewerbliche Dialog angewendet werden könnten. Dieser biete neue Möglichkeiten zum schnellen und preiswerten bauen: “Wir haben noch nie so viel gelernt wie in der Dialogphase”, berichtete Rechtsanwalt Karsten Köhler von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, nachdem er das Verfahren vorgestellt hatte. Eines scheint aber sicher zu sein: In absehbarer Zeit werde es keine disruptive Veränderung im Vergaberecht geben. Stattdessen werde es zu einer evolutiven Weiterentwicklung kommen, betont Prof. Dr. Manfred Burgi von der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen


Diplomaten Spiegel

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“G

anz oben auf meiner Agenda”, so Botschafterin Vilanova de von Oehsen, “stehen immer noch die mit Berlin eingeleiteten Kooperationen im Bildungs- und Gesundheitssektor, Tourismus, der Wirtschaftsförderung und im Umweltschutz. Aber genauso wichtig sind mir die Beziehungen zu den drei anderen Ländern, für die ich zuständig bin: Polen, Tschechien und die Türkei. Denn nur über gute bilaterale, freundschaftliche Kontakte gelingt eine erfolgreiche Zusammenarbeit”, unterstreicht Vilanova de von Oehsen. Das alles als kleine Botschaft mit nur fünf Diplomaten zu bewerkstelligen, sei schon eine Herausforderung und brauche eine sehr gute Organisation und den Willen, immer das Beste zu geben. “Aber ich habe das Glück, auch in den Bundesländern, mit sehr professionellen Partnern und Kollegen zusammenzuarbeiten. Meine Honorarkonsuln in Hamburg, Hanau, Kiel, München, Neuss, Brünn und Warschau spielen hier eine wichtige Rolle, denn sie öffnen den Weg vor Ort und helfen, unsere Arbeit gut zu machen. Sie sind einfach spitze und ich kann blind auf sie zählen”, so die Botschafterin weiter. Und umgekehrt wohl auch, aber das allein genügt ihr nicht. “Eine gute Botschafterin muss menschlich sein, an das Gute glauben, auf das Unmögliche hoffen, Geduld, Ausdauer und Disziplin haben, aber vor allem Gottes Segen und Weisheit Tag für Tag. Wir sind auch nur Menschen und machen Fehler wie jeder andere.”

Durch dick und dünn Was so auch auf die traditionell sehr guten deutsch-salvadorianischen Beziehungen zutrifft, welche bis auf das Jahr 1908 zurückgehen. “Wir sind allein

Eine spezielle kulturelle Kunst des Landes: die Werke von Fernando Llort Choussy. Er war ein salvadorianischer Künstler, der von der Stiftung für Selbstversorgung in Zentralamerika oft als “El Salvadors National Artist” bezeichnet wurde.

Deutschland war immer für uns da! Ein Gespräch mit El Salvadors Botschafterin Florencia Vilanova de von Oehsen (BS/ps) Der zentralamerikanische Staat grenzt im Nordwesten an Guatemala, im Nordosten an Honduras und westlich an den Pazifik. Das kleinste Land der Region, gerade mal so groß wie Hessen, hat die höchste Bevölkerungsdichte und einen Ehrfurcht gebietenden Namen: El Salvador – der Erlöser. Seine Repräsentantin in Deutschland ist Florencia Eugenia Vilanova de von Oehsen. Die 42-Jährige, die unsere wie ihre spanische Muttersprache beherrscht und nicht nur einen deutschen Namen trägt, kommt 1997 erstmals an die Botschaft El Salvadors nach Bonn. 2005 wird sie Generalkonsulin in Washington und zwei Jahre später wieder an “ihre” Botschaft nach Berlin geschickt, wo sie seit Oktober letzten Jahres nun diplomatische Frontfrau ihres Landes in Deutschland ist.

der Presse steht, falsch ist, sondern nur die halbe Wahrheit”, so Vilanova de von Oehsen. “Es gibt auch gute und positive Seiten, die nur wenige kennen und so selten in die Medien gelangen. El Salvador ist ein wunderschönes Land, viele Touristen berichten darüber, sie schwärmen von unseren Stränden, Vulkanen, Seen, der Natur, aber vor allem über die Warmherzigkeit, Freundlichkeit, Fröhlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen. Ich könnte Ihnen Erfahrungsberichte von Besuchern unseres Landes geben, die diese ins Internet gestellt haben, um diese Verzerrung der Realität zu ändern. Ich bin immer wieder berührt, wenn ich diese sehe.” Los Alemanas werden von den Salvadoreños geschätzt und respektiert in dem kleinen Staat am Pazifik. “Wir sind wer”: im Sport, der Technik, Bildung, Politik, Wissenschaft, Kultur, Geschichte, Chemie, Medizin oder den Autos. “Man sagt, alles, was aus Deutschland kommt, ist von guter Qualität und man weiß, wie man hier dran ist.” Die Botschaft hören wir wohl, Frau Botschafterin – allein uns fehlt, wie weiland Herrn Faust in seinem Studierzimmer, der Glaube. Nur wegen “Made in Germany”. Aber das ist eine andere Geschichte...

Für die Familie

Botschafterin von El Salvador: Ihre Exellenz Frau Florencia Eugenia Vilanova de von Oehsen

in den letzten 66 Jahren, wenn wir nur die diplomatischen Beziehungen ab 1952 zählen, durch “dick und dünn” gegangen und wissen, was Kriege anrichten. Wir haben viele gemeinsame Interessen und Werte, aber eine der wichtigsten davon ist, in Frieden leben zu können”, erläutert die 42-Jährige. Und weiter: “Echte Freunde lernt man eher in schlechten als in guten Zeiten kennen. “Dazu kommen die vielfältigen Naturkatastrophen, die uns über die Jahre hinweg immer wieder hart getroffen haben und welche wir allein durch unsere geografische Lage an der Pazifikküste nicht ändern können. Aber wie schlimm es uns auch getroffen hat, Deutschland war immer rechtzeitig und großzügig da für uns.”

Präsidentschaftswahlen 2019 Oft schien es, als ob “El Salvador” es seinem irdischen El Salvador auch sonst abgöttisch schwer macht, an ihn zu glau-

Botschafters Rezepte Pupusas de queso (Maistaschen mit Käsefüllung)

Zutaten für die Füllung: 400 g würziger Käse, der gut schmilzt

Ca. 30 Min ruhen lassen. Den Teig zu kleinen Bällchen kneten und mit Käse füllen. Danach mit der Hand flach und an den Rändern festdrücken. In der Pfanne mit Öl auf jeder Seite ca. 4–5 Min. ausbraten.

Zubereitung: Mehl, Salz (und sonstige Gewürze nach Wahl) zu Teig rühren.

Dazu passt – wie bei der schwäbischen Pupusa-Variation Maultaschen – Bier.

Zutaten für den Teig: 1.500 ml Wasser; 1.000 g Maismehl; 1 TL Salz

ben. Es folgen nämlich Jahrzehnte politischer Instabilität, um es einmal diplomatisch auszudrücken. Die Armen werden es immer noch mehr und die Reichen dafür umso reicher. Um 1900 gehören 75 Prozent des Landes 14 Familien, die sich die großen Kaffee-, Tabak- und Zuckerplantagen unter die Nägel reißen. Die daraus entstehenden Konflikte und Wahlmanipulationen füh-

“Kulturweit” ergänzt um “naturweit” Neuer internationaler Freiwilligendienst gestartet (BS/jf) Im Oktober haben die UNESCO-Kommission und das Auswärtige Amt das bisherige Freiwilligenprogramm “kulturweit” um eine zweite Programmrichtlinie erweitert. Im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres können Interessierte einen sechsmonatigen Freiwilligendienst im Natur- bzw. Umweltbereich absolvieren. Bis Ende Oktober haben junge Menschen zwischen 18 und 26 Jahren noch die Möglichkeit, sich für die Programmlinie “naturweit” zu bewerben. Wer ausgewählt wird, hat dann die Möglichkeit, seinen oder ihren Freiwilligendienst in einer der UNESCO-Weltnaturerbestätten, in Geoparks oder Biospährenreservaten weltweit zu leisten. Damit können die Freiwilligen einerseits ihr Verständnis für die enge Beziehung zwischen Mensch und Umwelt vertiefen und andererseits Erfahrungen im Bereich nachhaltiger Entwicklung sammeln. “Dieser Planet gehört uns allen – und es gibt nur den einen”, sagte Michelle Müntefering, Staatsmi-

Behörden Spiegel / Oktober 2018

nisterin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt. Deshalb müsse die junge Generation für die Umwelt begeistert werden. Dies solle mit dem Programm “naturweit” geschehen. Damit helfe man, weltweit Naturerbe zu bewahren und bei den jungen Freiwilligen das Verständnis für die unterschiedlichsten Lebensformen zu erweitern, so die Staatsministerin. Der neue Programmschwerpunkt ergänzt den internationalen Kultur-Freiwilligendienst der Deutschen UNESCO-Kommission und wird vom Auswärtigen Amt gefördert. Dazu die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission, Prof. Dr. Maria Böhmer: “Klimawandel und Artensterben

machen vor Grenzen nicht halt.” Da aber immer mehr Herausforderungen auf ökologische Fragen zurückgingen, sei es umso wichtiger, gerade junge Menschen zu begeistern, konkret an globalen Lösungen mitzuarbeiten. Bislang haben mehr als 3.700 Freiwillige an dem bestehenden Kulturprogramm in über 70 Ländern teilgenommen. Die Tätigkeiten reichen vom Deutschunterricht in Schulen bis zur Arbeit bei einzelnen Kulturprojekten. Wer ausgewählt wurde, werde intensiv auf die Zeit im Ausland vorbereitet, pädagogisch begleitet und finanziell unterstützt. Weitere Informationen unter www.kulturweit.de

ren in den 1970-er Jahren zur Bildung von Guerillaorganisationen, Todesschwadronen und, von 1979 an, zum Bürgerkrieg gegen die Militärdiktatur, der erst 1992 mit dem Friedensabkommen von Chapultepec endet. Ab da regieren entweder, bis 2009, die ARENA, eine rechte Partei, oder die linke FMLN. Dazu Vilanova de von Oehsen: “Im Februar 2019 sind die nächsten Präsidentschaftswahlen. Im Wahlkampf werden sich die Linken und die Rechten nichts schenken und sich einen polarisierenden Wahlkampf liefern. Durch die Entstehung von neuen Parteien werden sie Stimmen einbüßen und Koalitionen eingehen müssen, um Mehrheiten zu bekommen. Es dürfte also spannend werden – lassen wir uns überraschen.”

Fotos: BS/Dombrowsky

kriminalität, der zurückgehenden Wettbewerbsfähigkeit, der weit verbreiteten Korruption und einer stark gestiegenen Verschuldung des Landes. Doch wo starker Schatten, ist auch viel Licht (frei nach Goethes “Götz von Berlichingen”,1. Akt) – so auch in El Salvador. “Im Ease of Doing Business Index der Weltbank (Verzeichnis zu Geschäftsfreundlichkeit und Unternehmensregulierung in Volkswirtschaften) verbesserten wir uns 2012 vom 112. auf den 73. Platz in diesem Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent 2017. Im Global Competitiveness Index, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes misst, belegt El Salvador Platz 108 von 137 Ländern (Stand 2017/18). Auch die Industrialisierung ist im Vergleich zu anderen Ländern Zentralamerikas fortgeschritten. Hauptexportgüter sind nach wie vor Kaffee, Zucker, Shrimps, Baumwolle, Gold,

Über zwanzig Jahre ihres Berufslebens hat sie in Deutschland verbracht und vermisst, neben der Familie, heimisches Essen, das Meer sowie die Sonne und Wärme, Letzteres vor allem im Winter. “Aber mir gefallen auch sehr die verschieden Jahreszeiten hier, die wir zuhause so nicht haben. Ich schätze sehr die Zuverlässigkeit der Deutschen, liebe die Vielfältigkeit der Landschaften und Städte. Mein Mann arbeitet als Jurist in der Wirtschaft und wir müssen ständig unsere Terminkalender vergleichen und uns absprechen, denn unsere Kinder brauchen uns! Das funktioniert so sehr gut. Ohne meinen Mann wäre ich heute nicht Botschafterin, denn er hat mich immer als berufstätige Frau und Mutter respektiert und meine Karriere unterstützt, dafür danke und liebe ich ihn sehr”, berichtet Vilanova de von Oehsen über ihre Familie.

Einmal König Salomon sein Florencia Eugenia Vilanova de von Oehsen ist mit sich im Reinen – beruflich und privat. Letzte Frage: Würde sie dennoch mal für einen Tag mit jemand anderem tauschen? “Mit König Salomon, nicht, weil ich eine Königin sein möchte oder wegen seines Reichtums, sondern laut der Bibel soll er der weiseste Mensch auf Erden gewesen sein. Weisheit hat keinen Preis. Heutzutage braucht

Zahlreiche neue diplomatische Verbindungen Unabhängig davon führt die Außenpolitik des Landes dazu, dass es, allein zwischen 2009 und 2018, 29 neue diplomatische Verbindungen aufnehmen kann und nun mit 142 Staaten unterhält. In der Wirtschaftspolitik verfolgt El Salvador einen freihandelsorientierten Ansatz, Exportförderungs-Verträge wurden abgeschlossen und Außenwirtschaftsförderungsprogramme aufgelegt. Haupthindernisse einer Dynamisierung von Wirtschaft, Handel und Investitionen liegen in der latenten Rechtsunsicherheit, hohen Gewalt­

Erinnerung an die landeseigene Währung vor Einführung des US-Dollar.

Chemikalien und in steigendem Umfang auch Textilien”, betont die Botschafterin.

Positive Seiten “Presse und Medien berichten leider selten über die guten Seiten des Landes, dafür über seine Probleme wie die Jugendkriminalität. Damit möchte ich nicht sagen, dass alles, was in

man sie auf allen Gebieten, um gute Entscheidungen treffen zu können.” Dem ist eigentlich nichts mehr hinzufügen... “Vielleicht noch das – Goethe sagte einmal: Erfolg hat drei Buchstaben: TUN, also wenn ich etwas für mein Land erreichen will, wiederhole ich mir immer wieder: “Wish it, dream it, do it!”” Well done, My Lady.


IV A Protokoll; Betreuung offizieller in- und ausländischer Gäste, Veranstaltungen, Orden und Ehrungen; Ehrengrabstätten Regine Kayser -2620

IV B Internationales (ohne EU-Angelegenheiten); internationale Städteverbindungen; ausländische Vertretungen in Berlin; Streitkräfteangelegenheiten -2240 Gerd Kronmüller

I A** Bundesangelegenheiten Christoph Braunbeck -2723

-2722

**) Landesbüro beim Bundesrat Berlin Leipziger Straße 3–4 10117 Berlin 11055 Berlin (Postanschrift) Tel.: 18 9100-910/912 Fax: 18 9100-911

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

*) Wissenschaft und Forschung Warschauer Straße 41/42 10243 Berlin Tel.: 9026-5481 Intern: (9)26 Fax: 9026-5487

ID Bürgerschaftliches Engagement und Demokratieförderung Friedemann Walther -2450

IC Medien- und Rundfunkangelegenheiten, Netzpolitik Dr. Dietrich Reupke -2850

IB Stabsstelle MPK Dr. Alice Halsdorfer

Abteilung IV Protokollchef des Landes Berlin, Protokoll und Internationales Thomas Pröpstl -2800

Abteilung I Bundesangelegenheiten und Bürgerschaftliches Engagement Maria-Luise Löper -2700

-3303 -3400 -3304

-2400

II GBE Dr. Johann Wilhelm Weinzen -2238

II D Reden, Grußworte, Schirmherrschaften, Publizistische Sonderaufgaben NN

II C Sonderformate, Tag der Deutschen Einheit 2018, Partizipation Julian Mieth -2500

II B Social Media Kathi Seefeld

II A Aktueller Dienst; Landesredaktion Berlin.de, Öffentlichkeitsarbeit -2412 Mathias Gille

III G (Gsen) Geschäftsstelle des Senats Steffen Glöckler -2380

III D Verkehr, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, Lotto, Bürgerberatung Bodo Mende -2232

III C Kulturelle Angelegenheiten, Bildung, Jugend, Sport, Gesundheit, Soziales, Verbraucherschutz, Frauen, Integration, Gleichgeschlechtliche Lebensweisen Sibylle Blomeyer-Bartenstein -2337

III SC Projektgruppe Smart City, City Lab NN

III B Wirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung -2210 Dr. Hans-Jörg Schmedes

III A Inneres, Justiz, Finanzen, Hauptstadtangelegenheiten, Bezirke, Rat der Bürgermeister, Verwaltungsmodernisierung, Deutscher Städtetag Julia Beckel -2340

Abteilung III Ressortkoordination Dr. Jochen Lang -2300

-2130

-2188

ZS 5 Rechtsangelegenheiten, VergabeService, Personalkommission, Registratur Dr. Ute Herdmann -2245

ZS 4 Organisation, Innere Dienste, Grundstücks- und Gebäudeangelegenheiten, Beschaffung Michaela Urban -2180

ZS 3 Informationstechnik Jens Heinrich

ZS 2 Zentrales Finanzmanagement Jürgen Gärtner -2463

ZS 1 Personal Daniela Rösch

Abteilung ZS Zentrale Steuerung, E-Government, Personalkommission des Senats NN -2100

Chef der Senatskanzlei/Staatssekretär für Medien CdS StS Christian Gaebler CdS/Ref Kian Niroomand -3103

Foto: BS/Lena Giovanazzi

Michael Müller

Der Regierende Bürgermeister von Berlin

Abteilung II Sprecherin des Senats/Chefin des Presse- und Informationsamts/ Presse und Information Claudia Sünder -3200 Stv. Spr. Kathi Seefeld -2400 Julian Mieth -2500 Spr./CPIA/Ref RefIzabela Grzywacz -3205

Die Bürgermeister von Berlin Bm Dr. Klaus Lederer Bm/LdB B Jörg Braun Bm Ramona Pop Bm/LdB J Dr. Tobias Jentsch

Bevollmächtige des Landes Berlin beim Bund, Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales BV StS Sawsan Chebli -3600 BV/Ref Marc Quedenbaum -3601

Berliner Rathaus Jüdenstraße 1 10178 Berlin Tel.: 9026-0 Intern: (9)26 Fax-Sammelnr.: 9026-2013 E-Mail: Der-Regierende-Bürgermeister

StS VI StS VI

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der BRD (KMK) Generalsekretär Udo Michalik 25 418-400 Fax 25 418-457

VII R Regierungsplanung Dr. Ute Herdmann -2245

VII P Politische Grundsatzangelegenheiten/Strategien Berlin Robert Drewnicki -2350

(m.d.W.d.G.b.)

VII B Wohnungsbau und Infrastruktur Guido Bockelmann -2352

VII A Verwaltungssteuerung NN

Abteilung VII Koordinierung Verwaltungssteuerung und Infrastruktur Dr. Jochen Lang -2300

VE Hochschulmedizin Christian Grunewald

-5250

VD Wissenschaftsbauten, Finanzierung baulicher Investitionen f. d. Hochschulen, Hochschulbauförderung/Rahmenplanung, Liegenschaften Andreas Berr -5200

VC Universitäten, Hochschulen, Kunsthochschulen, Private Hochschulen (o. Medizin), StudierendenwerkThorsten Steinmann -5150

VB Hochschulentwicklung, Controlling, Kennzahlen, Programme, Aufnahmekapazitäten Dr. Angela Walter -5100

VA Hochschulrecht, Hochschulzulassungsrecht, akademische Grade, Ausbildungsförderung Dr. Christoph Schäfer -5050

V GSt Geschäftsstelle Haushalt Rafael Pick -5033

-5030

-5040

VI D Natur-, Material- und Lebenswissenschaften Dr. Björn Maul -5450

VI C Ingenieurwissenschaften, Technologietransfer Bernd Lietzau -5400

VI B Geistes- und Sozialwissenschaften, überregionale Forschungsförderung Kerstin Schneider -5350

VI A Überregionale Koordinierung, Grundsatzangelegenheiten, Verbindungsstelle NN

VI Gst Geschäftsstelle Haushalt Ilona Knuth -5045

Abteilung VI* Forschung Dr. Jutta Koch-Unterseher

-5000 -5003 -5004 -5010

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Der Regierende Bürgermeister von Berlin Stand: Oktober 2018

Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung* StS WF Steffen Krach StS WF/LdB Stefan Aust StS WF/Ref Sabrina Simmons StS WF/Press Matthias Kuder

Abteilung V* Wissenschaft Ellen Fröhlich

-3700 -3701

-3016 -3017 -3013

Staatssekretär für Verwaltungs- und Infrastruktursteuerung Dr Frank Nägele Ref Dr. Malgorzata Peuker-Minecka

Persönliches Büro RBm/LdB Andreas Schwager RBm/PersRef 1 Falk Branzke RBm/PersRef 2 Jenny Lehmann RBm/PersRef 3 Marion Pinkpank

Der Regierende Bürgermeister von Berlin

Behörden Spiegel / Oktober 2018

Personelles Seite 13


Gesundheit / Versorgung

Seite 14

Behörden Spiegel / Oktober 2018

So und so

Nur knapp 20 Prozent begrüßen ihn

Bundesverfassungsgericht zu Beiträgen bei Versorgungsbezügen

Digitalisierung als Push-Faktor für mehr Souveränität

(BS/jf) Nicht jede Form der Versorgungsbezüge ist bei der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenund sozialen Pflegeversicherung zu beachten. Insbesondere bei der betrieblichen und privaten Altersversorgung gibt es Unterschiede. Kommt es zu einem Wechsel von dem einen zum anderen, heißt das nicht automatisch, dass die Beiträge entfallen.

(BS/ab) Patienten möchten mehr Souveränität. “Der Arzt bestimmt über die Therapie, die Krankenkassen über die Medikamente und die Datenschützer darüber, welche Daten geschützt werden müssen. Zu selten werden Patienten gefragt”, kritisiert Eva Schumacher-Wulf, Herausgeberin des Krebsmagazins “Mamma Mia” über die Mündigkeit der Patienten. Aber durch die Digitalisierung ist ein Wandel eingetreten, den auch Sachsen mitgestalten möchte.

Hat der Arbeitgeber für einen Tarifbeschäftigten eine Direktversicherung abgeschlossen, deren Beiträge zu 90 Prozent aus dem Bruttolohn des Angestellten und zu zehn Prozent vom Arbeitgeber getragen werden, so ist es verfassungsgemäß, wenn bei der Kapitalauszahlung nach Ablauf der Versicherung ein 120. Anteil der fälligen Summe für die Beitragsbemessung zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung herangezogen wird. Diese Rechtslage bestätigte die erste Kammer des ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), indem sie ein Normenkontrollverfahren als unzulässig zurückwies. In dem Verfahren habe das vorlegende Sozialgericht nicht deutlich gemacht, inwiefern die zugrunde liegende Rechtsvorschrift aus § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) mit höherrangigem Recht unvereinbar sei. Geklagt hatte ein Rentner, dessen Arbeitgeber eine Direktversicherung als betriebliche

Altersversorgung zu den oben genannten Konditionen abgeschlossen hatte. Als die Kapitalauszahlung in Höhe von rund 22.700 Euro erfolgte, wurde der 120. Anteil für die Beitragsbemessung herangezogen. Anders ist es, wenn bei Eintritt in den Ruhestand ein geänderter oder neu abgeschlossener Lebensversicherungsvertrag zwischen einer Pensionskasse in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit und dem früheren Arbeitgeber beruht, letzterer aber nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr beteiligt ist und nur der versicherte Arbeitnehmer die Beiträge eingezahlt hat. In dieser Konstellation sah die Satzung der Pensionskasse vor, dass bei Abschluss eines solchen Vertrages sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Versicherungsnehmer werden. Bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis könne letzterer die Versicherung freiwillig fortsetzen. Dies war in den beiden Vorlagen der ersten

Kammer des Ersten Senats für 18 bzw. fast 22 Jahre der Fall. Die Unterscheidung zwischen privater und betrieblicher Altersvorsorge allein nach der auszahlenden Institution überschreite hier die Grenze einer zulässigen Typisierung. Damit liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Mit dem Ausscheiden des Arbeitgebers aus den Verträgen sei der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts verlassen worden.

Wann Kapitalerträge beitragspflichtig werden, hängt vom Detail ab, wie das BVefG in zwei Beschlüssen wieder bestätigte. Foto: BS/Finanzfoto, stock.adobe.com

Erschöpfung, Reizbarkeit, Schmerzen Schleichender Prozess zur Stressfalle Burnout (BS/Dr. Tobias Freyer) In unserer schnelllebigen Arbeitswelt wird der Mensch immer mehr Stress ausgesetzt. Das kann zu ernsthaften seelischen und körperlichen Erkrankungen führen. Eine nachhaltige Therapie bringt Betroffene zurück ins Leben. Beruf, manchmal bis hin zur vollständigen Distanzierung von der Arbeit. Das ist ein schleichender, stufenweiser Prozess. Auf Dauer erzeugen diese Stresssymptome jedoch einen Leidensdruck, der die Lebensführung der Betroffenen maßgeblich beeinträchtigt. Man spricht von einem Burnout. Je nach Veranlagung können sich aus diesem Erschöpfungszustand schwere psychische Folgeerkrankungen entwickeln, unter denen die Depression zu den häufigsten zählt. Aber auch körperliche Beschwerden wie Rückenleiden, Bluthochdruck oder Tinnitus sind typische Krankheitsbilder.

Dr. Tobias Freyer ist Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Parkklinik Wiesbaden Schlangenbad. Behandlungs­ schwerpunkt sind de­ pres­ sive Erkrankungen, Zwangs­ störungen, Angststörungen und­ Traumafolgeerkrankungen. Foto: BS/Parkklinik

Stressfaktoren wie Überstunden, Termindruck, mangelnde Anerkennung und Konflikte mit Vorgesetzten, Kollegen oder Kunden sind für Berufstätige heute allgegenwärtig. Das Gefühl der Überforderung ist für viele zum ständigen Begleiter geworden. Fehlen Zeit und Fähigkeit zur Regeneration oder der Rückhalt im Privatleben, können daraus ernsthafte gesundheitliche Probleme entstehen. Diese äußern sich anfangs eher harmlos. Betroffene klagen über Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Appetitlosigkeit und schlechten Schlaf. Hinzu kommen Reizbarkeit, Interessenverlust, Gleichgültigkeit und eine zynische Haltung gegenüber dem eigenen

Rückfälle vermeiden Wer sich ausgelaugt fühlt und auch nach Phasen der Entlastung nicht mehr regeneriert, sollte sich professionelle Hilfe suchen. Der erste Schritt in eine effektive und rasch wirksame

Therapie ist eine gründliche Diagnostik. Daran schließt sich die Behandlung der psychischen Beschwerden und eventuell der körperlichen Begleiterkrankungen an. Hierbei kommen psychotherapeutische Maßnahmen einschließlich Entspannungsverfahren, Bewegungstherapie, kreativen Therapieverfahren und, wenn notwendig, gezielt eingesetzte Medikamente zum Einsatz. Entscheidend ist, dass die Behandlung auch dann nachwirkt, wenn der Patient zurück im Alltag ist. Daher zahlt es sich aus, auch das soziale und berufliche Umfeld mit in die Therapie einzubeziehen. So lassen sich Rückfälle besser vermeiden.

Aktuell zeichne sich ein Bild ab, bei welchem lediglich jeder fünfte Arzt einen Patienten bevorzuge, der sich über sein Krankheitsbild und Therapiemöglichkeiten im Internet erkundigt habe, so Prof. Dr. Christiane Woopen. Die Professorin für Ethik und Theorie der Medizin und Leiterin der Forschungsstelle Ethik an der Universität Köln ergänzt, dass Ärzte sich nicht sorgen müssten, eines Tages ersetzt zu werden. “Kurven und Daten analysieren kann auch ein Computer. Aber einen Patienten wahrnehmen und ihm zuhören, dies kann nur ein Arzt.” Aber die Digitalisierung helfe den Medizinern, sich besser um ihre Patienten zu kümmern. Durch diese würden die Datenerhebung, -zugänglichkeit sowie Diagnose und Behandlung verbessert. Dabei dürfe das Wohl des Patienten nicht alleine vom Arzt, sondern müsse in Kooperation mit dem Patienten definiert werden; es sollte als ethischer Maßstab für Krankenhäuser dienen. Zudem kritisierte sie, dass Kinder und Jugendliche nicht angemessen versorgt würden. Gleichzeitig mahnt sie: “Erschreckend ist, wie viele Patienten auf Wikipedia zurückgreifen.” Webseiten wie patienten-information.de oder gesundheitsinformation.de seien wesentlich zuverlässiger und hilfreicher. Was noch fehle, sei eine bessere Betreuung von Schwerkranken. Diese könnten oft nicht die Medikamente abholen oder zum Arzt gehen, da seien brauchbarere Lösungen gefragt, ergänzt Schumacher-Wulf.

Aber die Arztpraxen sind insbesondere in Großstädten überfüllt oder auf dem Land zu fernab gelegen. “Bei der Telemedizin nimmt sich ein Arzt durchschnittlich zwölf Minuten pro Patient Zeit. Bei einem Besuch sind dies oft nur sechs bis acht Minuten”, zeigt Woopen den Unterschied auf.

Telemedizin notwendig Auch Sachsen fördert nun die Telemedizin. Für 1,4 Mio. Euro soll eine kontaktlose Messtechnik zur Erfassung von Vitalparametern für das Patientenmonitoring entwickelt werden. Dies erfolgt beispielhaft bei der Betreuung von Herzschwächepatienten. “Aber Digitalisierung für sich ist noch kein Wert – sie muss einen konkreten Nutzen für die Menschen haben”, betonte die sächsische Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (CDU) bei

der Übergabe von zwei Förderbescheiden. Die finanzielle Unterstützung nahm Prof. Hagen Malberg, Direktor des Instituts für Biomedizinische Technik der TU Dresden, entgegen. Diese kommt dem Telemedizin-Forschungsvorhaben “Häusliche Gesundheitsstation” zugute. Malberg erläuterte die Sinnhaftigkeit der Telemedizin: “Die Verlagerung der medizinischen Versorgung in den häuslichen Bereich ist eine wachsende Tendenz, die einerseits dem Patientenwunsch entspricht und andererseits eine Reaktion auf die demografischen Veränderungen und den wachsenden Kostendruck ist.” Durch das Forschungsvorhaben solle “eine neue Generation von Medizintechnik entwickelt werden, die die Barrieren auf der Patientenseite verringert und den Komfort für die Patienten deutlich steigert”.

E-Health ist im Zeitalter der Digitalisierung eines der Top-Themen. Die Regierung Sachsens fördert nun ein Telemedizin-Vorhaben, um langfristig dem demografischen Wandel gerecht zu werden. Foto: BS/rawpixel, CC0, pixabay.com

Erhöhte Zuwendungen unabdingbar Auswirkungen der neuen Heubeck-Richttabellen 2018 G (BS/Mechthild A. Stock) In die Haushaltsplanung 2019 müssen höhere Rückführungs- und Rückstellungsbeträge einbezogen werden. Ursache dafür sind die von der Heubeck AG veröffentlichten neuen Richttafeln für die betriebliche Altersversorgung. Den aktuellen Heubeck-Richttafeln 2018 G liegen ab sofort die neuesten Statistiken der gesetzlichen Rentenversicherung und des Statistischen Bundesamtes zugrunde.

Bestandszusam- erfolgen hat. In der Handelsbimensetzung, der lanz ist der Einmaleffekt sofort Rechnungszins, in voller Höhe erfolgswirksam im Weiterführende Informationen Mechthild A. Stock, ehedie Gehaltsdy- operativen Aufwand zu erfassen. malige Stadtkämmerin, ist zum Thema Burnout erhalten Benamik und die Nach den International FinanGeschäftsführerin und Grüntroffene auf der Homepage der F l u k t u a t i o n cial Reporting Standards (IFRS) derin des Büros für KomParkklinik Wiesbaden Schlanspielen dabei ist der Anpassungsaufwand ein munalberatung in Ratingen genbad unter www.parkklinikeine entschei- versicherungsmathematischer (www.kommunalberatungschlangenbad.de/burnout-folge­ dende Rolle. In Verlust aus Veränderungen der stock.de). der Steuerbilanz demografischen Annahmen, der erkrankungen/. Foto: BS/privat wird sich die Zu- separat auszuweisen, aber nicht Unverbindliche Beratungsführung voraus- aufwandswirksam ist. Zu dem derzeitigen Zeitpunkt gespräche können per E-Mail Wie einbezogene versicherungs- sichtlich in einer Spannbreite an ­info@parkklinik-schlangen­ mathematischen Sachverständi- von 0,8 bis 1,5 Prozent und in wird davon ausgegangen, dass bad.de vereinbart werden. gen mitteilen, erweisen sich die der Handelsbilanz von 1,5 bis das Bundesministerium für Neuberechnungen u. a. aufgrund 2,5 Prozent auswirken. Bei Ka- Finanzen die neuen Heubeckder kontinuierlich steigenden pitalzusagen wird die Zuführung Richttafeln anerkennen wird und Lebenserwartung als notwendig: deutlich niedriger liegen als bei eine entsprechende Mitteilung noch in diesem Jahr erfolgt. Seit der letzten Aktualisierung Rentenzusagen. Die Einführung der neuen der Richttafeln, die im Jahr 2005 Heubeck-Richttafeln wird sich erfolgte, ist etwa die Lebenser- Anerkennung der Richttafeln steht bevor vor allem dahingehend spürbar wartung weiterhin kontinuierlich angestiegen, obgleich sich Bezüglich der steuerlichen Aus- auswirken, dass sowohl von eider Anstieg insgesamt weniger wirkungen, die mit der Sterbeta- ner Erhöhung der Pensionsrückstark als in der Vergangenheit fel-Umstellung einhergehen, ist stellungsbeträge als auch der darstellen lässt. zu beachten, dass die Verteilung Zuführungsbeträge auszugehen des Anpassungsaufwandes, der ist. Ebenfalls von den AktualisieVier maßgebliche Faktoren aus der erstmaligen Anwendung rungen betroffen sein dürften die Gemäß Aussagen der Heubeck neuer oder geänderter Rech- bisher erstellten Berechnungen AG sind die neuen Richttafeln nungsgrundlagen resultiert, für die Abfindungen im Falle von 2018 G so beschaffen, dass sie über mindestens drei Jahre zu Dienstherrnwechseln. grundsätzlich für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen nach steuerlichen, handelsrechtlichen und internationalen Grundsätzen geeignet sind. Durch die Verwendung der neuDie aktuellen Fragen zur Sicherung der Altersvorsorgesysteme im en Richttafeln ist eine erhöhte Öffentlichen Dienst und die Anforderungen an Lösungskonzepte Zuführung bei den Pensionsthematisiert die Autorin in einem Seminar des Behörden Spiegel am 29. November 2018 in Bonn. rückstellungen unabdingbar. Auf welche Höhe sich diese ZufühWeitere Informationen und Anmeldung unter: ­ rungen im Endeffekt tatsächlich www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “Pension”. belaufen, wird durch vier wesentliche Faktoren bestimmt. Die

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Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Oktober 2018

Noch lange nicht den Gipfel erreicht

KNAPP Mehr Videobeobachtung

Union und SPD feiern die Wohngipfel-Ergebnisse – nicht alle feiern mit

(BS/Katarina Heidrich) Um mehr bezahlbaren Wohnraum zu gewährleisten, setzt die Bundesregierung mit ihrer “Wohnraumoffensive” auf zwei Schwerpunkte: selbst Bauen und zum (BS/mfe) Am Bremer HauptBau anreizen. Aber wie lange wird dieser Fokus beibehalten? Stimmen aus Kommunen und Ländern werden laut, die nachhaltigere Vorschläge unterbreiten. bahnhof soll die VideoüberwaIn diesem Jahr hat der Bund den Ländern insgesamt 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau überwiesen. Passiert ist damit nicht genug und das Problem der Wohnungsnot besteht weiter. Der im Kanzleramt einberufene Wohngipfel mit Bund, Ländern und Kommunen sollte Lösungen bringen. Eine davon: mehr Geld für den geförderten Wohnungsbau. Allerdings heißt es im Gipfel-Protokoll: “Der Bund stellt den Ländern für die Jahre 2020 und 2021 mindestens zwei Milliarden Euro Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau bereit.” Das ist eine Milliarde Euro jährlich – ein Drittel weniger als dieses Jahr. Der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums hatte kürzlich in seinem Gutachten “Soziale Wohnungspolitik” gar eine komplette Abschaffung des öffentlichen Wohnungsbaus empfohlen. Das aber besonders Geringverdiener die Verlierer auf dem Wohnungsmarkt sind, hat auch der Beirat erkannt. Eine stärkere Subjektförderung durch Erhöhung des Wohngeldes sei die bessere Lösung. Doch auch diese Forderung hat es nicht ganz bis auf den Gipfel geschafft. Während in diesem Jahr 540 Millionen Euro für Mietzuschüsse im Bundeshaushalt zur Verfügung standen, werden es im nächsten Jahr nur noch 510 Millionen sein. Zwar soll es eine Wohngeldreform ab 2020 geben, die “Verbesserungen” wurden allerdings noch nicht näher bestimmt. Ebenfalls ist das Wohngeld an ein bestimmtes, nachzuweisendes Mindesteinkommen gekoppelt. Wer es nicht erreicht, fällt aus dieser Sozialleistung heraus. So erhalten bspw. HartzIV-Empfänger kein wohngeld, sondern einen entsorechenden Zuschuss durch die Bundesagentur.

Zwischenetappen Richtung mehr Wohnraum wurden erreicht, doch der Weg ist noch ein weiter. Foto: Pixelteufel, CC BY 2.0, Flickr.com

Die Gesamtdebatte betrifft neben den Planungsinstitutionen von Ländern und Kommunen ebenfalls private Investoren und Entwickler auf dem Wohnungsmarkt. Für Letztere sind kommunale Wohnungsgesellschaften eine sichere Zielgruppe, wie das Beratungsunternehmen JLL Germany mit einer Analyse belegte. Damit wurde untersucht, inwiefern ein Engagement in den sozialen Wohnungsbau in den deutschen Immobilienhochburgen für institutionelle Investoren attraktiv sein könnte. Oft würden Forward-Deals vereinbart, bei denen der Erwerb des Projekts gewährleistet werde. “Für die Entwickler reduziert sich damit das Risiko der Suche nach einem Endinvestor”, heißt es in dem Bericht. Seit 2016 wurden bundesweit 1,2 Milliarden Euro durch öffentliche Wohnungsgesellschaften in vorab erworbene Projektentwicklungen investiert. Dr. Konstantin Kortmann, Head of Residential Investment bei JLL Germany, erläutert, dass zudem für Anleger das Vermietungsrisiko insbesondere in der Nach-

vermietung geringer sei als im frei finanzierten Bereich. “Bei Projekten des sozialen Wohnungsbaus sind die Fluktuation und die daraus folgenden Instandsetzungskosten wesentlich geringer. Investitionen in den sozialen Wohnungsbau sind insbesondere für sehr langfristig orientierte Anleger mit Blick auf stabilen und stetigen Cashflow bei gleichzeitig geringem (Leerstands)-Risiko interessant“, betont Kortmann.

Wem gehört der Boden? Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, begrüßt generell die beschlossenen Instrumente: “Sie sollten schnell eingeführt und angewandt werden, um Wohnungsbau zu erleichtern, den Mangel an Bauland zu beheben und die Preisentwicklung zu dämpfen. Wichtig wäre darüber hinaus, die Kommunen wieder in die Lage zu versetzen, aktiv Grundstücke kaufen und erschließen und das knappe Gut Boden gemeinwohlorientiert steuern zu können.” Helfen wür-

de “ein vom Bund einzurichtender Wohnbauland- und Erschließungsfonds – an dem sich auch die Länder beteiligen sollten”. Damit spricht Dedy einen Aspekt an, der von verschiedenen Seiten gefordert wird, aber in der politischen Debatte kaum vorkommt: die Aufstockung gemeindeeigener Baugrundstücke. Die Frage nach dem Boden “ist die soziale Frage schlechthin”, beschreibt Prof. Dr.-Ing. E.h. Christiane Thalgott, ehemalige Stadtbaurätin von München. Grund und Boden sind notwendige, aber nicht vermehrbare Güter – was in wachsenden Regionen zwangsläufig zu Interessenskonflikten und Nutzungskonkurrenzen führt.

Der Markt regelt es – nicht mehr Seit und trotz der Finanzkrise weist etwa der Berliner Bodenmarkt eine stetig steigende Preiskurve auf, 2017 gab es nochmals einen erheblichen Anstieg. Gleichzeitig ist die gehandelte Fläche an Bauland enorm gesunken, auch hier im letzten Jahr nochmals überproportional. “Der

Bodenmarkt funktioniert also – wenn auch auf tragische Weise”, skizziert Prof. Dr. Guido Spars, von der Bergischen Universität Wuppertal. In den letzten zehn Jahren sind die Bodenrichtwerte in Berlin zum Teil um mehr als 1.000 Prozent gestiegen. Deutschland liegt im europäischen Fokus internationaler Immobilieninvestoren. 58 Prozent seien ausländische Investoren, erläutert Spars. Diese “konkurrieren sich gegenseitig hoch und nehmen steigende Risiken in Kauf.” Um Spekulationen entgegenzuwirken, sei es notwendig, mehr öffentliches Bauland auszuweisen. Als weitere Lösungsansätze schlägt der Wirtschaftswissenschaftler ein “Verfallsdatum” bei Baugenehmigungen vor (nach niederländischem Vorbild), eine Bodenwertzusatzsteuer, eine Strafsteuer für das Halten von Boden, eine Senkung der Grunderwerbsteuer, die Stärkung von Konzeptvergaben sowie ein preislimitiertes Vorkaufsrecht. Daniela Brahm vom Runden Tisch zur Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik erinnert zudem an das, im kommenden Jahr hundertjährigen Geburtstag feiernde, Erbbaurecht. Dieses Instrument, das eine übliche Laufzeit von 99 Jahren beinhaltet, aber noch viel zu selten eingesetzt würde, könne dabei helfen “den Boden für sehr lange Zeit aus der Spekulation zu nehmen.” Die Stadt könne so mitsteuern und beispielsweise im sozialen Wohnungsbau das Wegfallen aus der Sozialbindung verhindern, so Brahm. Instrumente wie diese in Verbindung mit umfassender Bürgerbeteiligung bei der umliegenden Quartiersentwicklung könnten langfristig wirksam sein, wie Beispiele aus unseren Nachbarländern zeigen (siehe Seite 17).

chung intensiviert werden. Der Schritt ist für das erste Quartal 2019 vorgesehen. Zudem soll im Polizeipräsidium der Hansestadt eine eigene Leitstelle zur Überwachung der Aufnahmen eingerichtet werden. Es sind sowohl stationäre als auch mobile Kameralösungen geplant. Zudem sollen die öffentlichen Flächen im Umfeld des Bahnhofs künftig zweimal täglich gereinigt werden, um einer Vermüllung vorzubeugen. Des Weiteren ist vorgesehen, dass die Mitarbeiter des neuen Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) sowie die Polizei gegen Trinkgelage oder das Campieren auf öffentlichen Flächen vorgehen. Der KOD umfasst zunächst 16 Mitarbeiter, die in Zweier- und Dreier-Teams unterwegs sind.

Bis zu 1.000 Euro möglich (BS/jf) Die sogenannte Fachkräfterichtlinie der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) wird bis 2020 verlängert. Kommunale tarifgebundene Arbeitgeber haben damit die Möglichkeit, im begründeten Einzelfall neu eingestellten Mitarbeitern zusätzlich zum Tabellenentgelt eine Fachkräftezulage zu zahlen. Bis zu 1.000 Euro pro Monat können für Informatiker, aber auch für Ingenieure oder andere technische Berufe gezahlt werden. Die Zahlung gilt für einen Zeitraum von längstens fünf Jahren, kann aber bis zu einer Gesamtdauer von zehn Jahren ein- oder mehrmalig verlängert werden. Zudem ist es möglich, in bestimmten Fällen Stufen vorweg zu gewähren. So können neu eingestellte Fachkräfte ohne Berufserfahrung direkt in der Stufe zwei oder drei, in Ausnahmefällen sogar in Stufe vier eingestellt werden.

www.oeffentliche-infrastruktur.de Veranstalter

13. Bundeskongress

Öffentliche Infrastruktur 2018

Infrastruktur mit Zukunft – effizient, nachhaltig, smart 4. D 4 Dezember b 2018 2018, H Hotel t l Adl Adlon B Berlin li Themen auf dem Kongress u.a. » Bildungsinfrastruktur und Schulsanierung – Leistungsphase 0, Wirtschaftlichkeit, Entwicklung » Smart Cities, smarte Kommunen » Entwicklung von Maut und Bundesinfrastrukturgesellschaft » Infrastruktur und Budget » Flächendeckende Infrastrukturen für Mobilität Themenpartner

» Immobilienmanagement der öffentlichen Hand – Trends und Tendenzen » Bundesverkehrswegeplan 2030 – Masterplan für die Verkehrsinfrastruktur? » Kommunikationsinfrastruktur – Glasfasernetze und Mobilfunkstandard 5G » Planen, Bauen, Betreiben – Zukünftige Anforderungen meistern

Grafik: © j mel, fotolia.com

» Bauen 4.0 – effizient, nachhaltig, digital


Kommunalpolitik / Kommunaler Haushalt

Seite 16

Behörden Spiegel / Oktober 2018

Solides erstes Halbjahr

Ohne Leitbild geht es nicht

Kommunaler Finanzierungsüberschuss moderat gestiegen

Compliance in der Verwaltung

(BS/gg) Die Kommunen (ohne die Stadtstaaten) können laut Statistischem Bundesamt (Destatis) im ersten Halbjahr 2018 einen Finanzierungsüberschuss von insgesamt fast 0,8 Mrd. Euro verbuchen – rund 200 Mio. Euro mehr als im Vorjahreszeitraum. Ausschlaggebend hierfür sind Überschüsse in den Extrahaushalten. Die Einnahme- und Ausgaben der Kommunen stiegen dabei nahezu synchron um fast fünf Prozent.

(BS/Dr. André-M. Szesny) Derzeit machen Diskussionen um überhöhte Geschäftsführergehälter im kommunalen Bereich und ungerechtfertigte Zulagen an Behördenmitarbeiter Schlagzeilen. Der Büroleiter des Hannoveraner Oberbürgermeisters soll eine illegale Aufstockung seines Gehalts, die Geschäftsführerin der kommunalen Behindertenwerkstatt Duisburg unangemessen hohe Bezüge erhalten haben. Auch die jüngst geplante, wegen Protesten aber nicht vollzogene “Entsorgung nach oben” des Ex-Verfassungsschutzchefs Der Finanzierungsüberschuss Halbjahr 2018 auf rund 123,5 (plus 1,5 Prozent). Rückläufig Maaßen ist ein Beispiel jedenfalls für einen Mangel an politischem Gespür. der Kommunen setzt sich zusammen aus Kern- und Ex­ trahaushalten. Bei den Kernhaushalten gab es im ersten Halbjahr 2018 unverändert ein Finanzierungsdefizit auf dem Niveau von 2017 (minus 0,1 Mrd. Euro). Die Extrahaushalte hingegen verzeichnen gegenüber dem Vorjahr einen um 200 Mio. Euro gestiegenen Finanzierungsüberschuss (0,9 Mrd. Euro). Die Einnahmen der Kommunen beliefen sich insgesamt im ersten

Mrd. Euro (plus 4,8 Prozent). Die Steuereinnahmen stiegen um 5,1 Prozent auf 43,0 Mrd. Euro. Die Gewerbesteuereinnahmen stiegen ebenfalls stark um 5,8 Prozent auf 23,4 Mrd. Euro. Auf die Grundsteuern entfielen 6,5 Mrd. Euro (plus 1,2 Prozent). Ähnlich den Einnahmen stiegen auch die kommunalen Ausgaben auf 122,7 Mrd. Euro (plus 4,7 Prozent). Dabei sind die Ausgaben für Sozialleistungen in Höhe von 29,9 Mrd. Euro unterdurchschnittlich gewachsen

(minus 26 Prozent) waren dabei die Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf 1,5 Mrd. Euro sowie die Leistungen an Arbeitsuchende nach SGB II, die mit 6,4 Mrd. Euro um 3,1 Prozent sanken. Mehrausgaben zu verzeichnen sind bei den Sozialhilfeleistungen nach SGB XII, die auf 14,7 Mrd. Euro (plus 4,6 Prozent) stiegen, sowie bei der Kinderund Jugendhilfe nach SGB VIII, die sich um 1,8 Prozent auf 5,8 Mrd. Euro erhöhten.

“Beteiligungsmanagement”

Beteiligungen richtig steuern von Dr. Ulrich Keilmann

Kommunen nehmen ihre Aufgaben nicht nur in der Kernverwaltung wahr. Sie bedienen sich auch unterschiedlicher Beteiligungsformen. Unabhängig von der Organisationsform sind sie verpflichtet, ihr Vermögen und ihre Einkünfte so zu verwalten, dass ihre Finanzen gesund bleiben (§ 10 HGO). Dabei sind die Beteiligungen nicht nur in Randbereichen der kommunalen Betätigung zu finden. Kennzahlen, wie z. B. Geldschulden oder Arbeitnehmeranzahl, zeugen von der wesentlichen Bedeutung der Auslagerungen für die Tätigkeit der Kommunen insgesamt. Entsprechend bedarf es einer sachgerechten Beteiligungsverwaltung und -steuerung. Essenziell sind zum Beispiel: • Aufbereitung der Unterlagen zu den Gremiensitzungen der Beteiligungen (Gesellschaftsverträge, Satzungen, Wirtschaftspläne, Jahresabschlüsse und Prüfungsberichte, Protokolle etc.), • Einführung eines sog. Corporate Governance Kodex, um eine verantwortungsvolle Unternehmensführung zu fordern, • Vorgabe von kurz- und mittelfristigen Beteiligungszielen (Finanz- und Sachziele) zur Beteiligungssteuerung (inkl. für Bonus- und Malusregelungen), • turnusmäßige Überprüfung der Zielerreichung, • Einbindung der Verantwortungsträger in Politik und Verwaltung bei Planungs-, Lenkungs- und Kontrollaufgaben, • Teilnahme an Sitzungen der Aufsichtsgremien auch ohne eigenes Stimmrecht, um den Informationsfluss zu gewährleisten. Insbesondere bei Großstädten ist – allein aufgrund der Fallzahl der Beteiligungen – ein intensiver Blick auf die Beteiligungssteuerung vor Ort ratsam. Die Stadt Frankfurt am Main setzte ihre Beteiligungssteuerung vorbildlich um. Sie hatte ein standardisiertes Quartals-

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

berichtswesen installiert. Im Rahmen sogenannter “Controlling-Berichte” informierte das Beteiligungsmanagement den Stadtkämmerer, den Oberbürgermeister sowie, durch Auszüge des Berichts, Fachdezernentinnen und Fachdezernenten. Die städtischen Beteiligungen waren gemäß Public Corporate Governance Kodex verpflichtet, spätestens am 10. Arbeitstag des auf den Schluss eines Quartals folgenden Monats dem Beteiligungsmanagement einen Quartalsbericht mit folgenden Inhalten vorzulegen: • Ist-Bilanz, • Plan- und Ist-Gewinn- und Verlustrechnung, • Hochrechnung der Gewinnund Verlustrechnung auf das Gesamtjahr, • Personalbestand (Personen und Vollzeitäquivalente), • weitere individuelle, nach Vorgaben des Beteiligungsmanagements zu meldende Leistungskennzahlen. Darüber hinaus waren in einem Erläuterungsteil die wichtigsten Plan-Ist-Abweichungen zu erläutern sowie eine Einschätzung abzugeben, ob das geplante Jahresergebnis eingehalten werden kann. Das Beteiligungsmanagement plausibilisierte die Quartalsberichte der Beteiligungen und verfasste hieraus einen Gesamtbericht je Quartal. Dieser war bis zum Ende des auf das Quartalsende folgenden Monats zu erstellen. Das Beteiligungsmanagement stellte in seinem Bericht neben den Ergebnissen der einzelnen Gesellschaften zusammenfassende Daten und Erläuterungen zur Entwicklung der einzelnen Bereiche und des gesamten Teilkonzerns der städtischen Beteiligungen dar.

Im Rahmen des Quartalsberichts war durch die zuständigen Unternehmensbetreuer eine Einschätzung im Sinne einer Ampelfunktion zur Situation des Unternehmens in “rot – Klärungsbedarf”, “gelb – Handlungsbedarf”, “grün – planmäßig” vorzunehmen. Die Ampelfunktion war dabei individuell durch den Bearbeitenden zu setzen und nicht auf Basis von Kennzahlen automatisiert. Dies führte zu einer ganzheitlichen Betrachtung, da die Bearbeitenden neben den vorliegenden Quartalszahlen auch weitere Rahmenparameter, wie regulatorische Veränderungen etc., in ihre Einschätzung einfließen lassen mussten. Frankfurt am Main setzte im Beteiligungsmanagement eine Fachsoftware ein, die als zen­ trale Datenbank für alle beteiligungsrelevanten Informationen (Unternehmensstammdaten, Besetzung der Gesellschaftsorgane, Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Mitarbeiterstatistiken, Leistungsdaten etc.) fungierte. Die Eingabe von Wirtschaftsplänen, Quartalsund Jahresabschlüssen erfolgte durch die städtischen Gesellschaften mittels Onlinezugang unmittelbar in der Software. Zur Auswertung der unternehmensbezogenen Daten hatte Frankfurt am Main zahlreiche standardisierte Berichtsauswertungen hinterlegt. In diesem Zusammenhang stand den Unternehmensbetreuern in Frankfurt am Main eine Funktion zur Verfügung, die die Auswertung wesentlicher Gesellschaftsdaten inklusive einer grafischen Aufbereitung innerhalb eines sogenannten Dashboards ermöglichte.

Lesen Sie mehr zum Thema “Beteiligungssteuerung” im sog. Großstädtebericht, Hessischer Landtag, Drucksache 19/5335 vom 28. November 2017, S. 98 ff. Der Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.

Fehlende Sensibilität beim Umgang mit öffentlichen Geldern bei der Besoldung und Vergütung kann im schlimmsten Fall auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Einführung und konsequente Befolgung eines Leitbildes für gute Verwaltung hilft, solche Missstände, strafrechtliche Verfolgung und schlechte Presse zu vermeiden. Zwar ist “Compliance” für die Verwaltung schon lange kein Fremdwort mehr. Viele Städte und Gemeinden haben die Grundsätze des Bundes für gute kommunale Unternehmensführung übernommen und sich einen “Public Corporate Governance Kodex” gegeben. Auch Anti-Korruptions-Konzepte mit bindenden Richtlinien für Beamte und Verwaltungsmitarbeiter sind verbreitet. Manche Ratsversammlungen geben sich Ehrenordnungen mit Hinweisen und Auslegungshilfen für die Kommunalparlamentarier zur Vermeidung von Interessenkonflikten und Korruption. Das Ziel gesamtheitlich guter Verwaltungspraxis lässt sich allerdings nicht mit einem Flickenteppich an Einzelregelun-

basieren sämtliche weiteren konkreten Regeln über Korruption, Interessenkonflikte, Datenschutz, Submission und Vergabe, Spenden und Sponsoring, Personalentscheidungen und Vergütung. So werden Verwaltungsmitarbeiter in die Lage versetzt, Leitbild und Regeln eigenverantwortlich umzusetzen und auch darin bestärkt, auf Missstände im Rahmen definierter interner Meldeprozesse hinzuweisen. Sie nehmen Interessenkonflikte, sachfremd motivierte Entscheidungen, Günstlingswirtschaft und Selbstbereicherung bei sich und anderen sensibler wahr, vermeiden Fehlentscheidungen bei sich und anderen und setzen damit das Leitbild eigenverantwortlich um. In den eingangs genannten Fällen wäre auf diese Weise der öffentlich erhobene Vorwurf der Untreue durch eigen- oder fremdnützige Verschwendung von Steuergeldern vermeidbar gewesen.

Dr. André-M. Szesny, LL.M., ist Partner in der Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek und Lehrbeauftragter der Universität Osnabrück. Er berät Kommunen, Unternehmen und Einzelpersonen in allen Fragen der Compliance und des Wirtschaftsstrafrechts. Foto: BS/Heuking

gen erreichen. Erforderlich ist ein übergeordnetes Leitbild, das sämtliche Themenbereiche der Verwaltung erreicht und übergeordnete Prinzipien herausstellt. Die insoweit zentralen Stichworte Legalität, Integrität, Objektivität, Fairness, Unparteilichkeit, Verständlichkeit, Kommunikation und Verhältnismäßigkeit bilden zwar Selbstverständlichkeiten ab. Zum Maßstab des alltäglichen Verwaltungshandelns werden sie aber nur, wenn sie in ein Verwaltungsleitbild gegossen, dokumentiert, alltäglich kommuniziert, geschult und diskutiert werden. Das Leitbild bindet sämtliche Hierarchiestufen, es ist das “Grundgesetz” für gute Verwaltung und Zentrum eines gesamtheitlichen Compliance-Konzepts. Auf ihm

Hohe Erwartungen Kommission “Gleichwertige Lebensverhältnisse” gestartet (BS/gg) Die vor der Sommerpause vom Bundeskabinett beschlossene Kommission “Gleichwertige Lebensverhältnisse” ist Ende September erstmals in Berlin zusammengekommen. Das Gremium aus Vertretern des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände hat den Auftrag, “auf der Basis eines gemeinsamen Verständnisses gleichwertiger Lebensverhältnisse Handlungsempfehlungen mit Blick auf unterschiedliche regionale Entwicklungen und den demografischen Wandel zu erarbeiten”. Unter dem Vorsitz des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, sowie dem Co-Vorsitz der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, und der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Franziska Giffey, wurden auf der konstituierenden Sitzung sechs Facharbeitsgruppen eingesetzt. Die dortige Arbeit an den Themen “Kommunale Altschulden”, “Wirtschaft und Innovation”, Raumordnung und Statistik”, “Technische Infrastruktur”, “Soziale Daseinsvorsorge und Arbeit” sowie “Teilhabe und Zusammenhalt der Gesellschaft” soll die Grundlage für einen Bericht mit konkreten Vorschlägen liefern, den die Kommission bis Juli 2019 vorlegen will.

Altschuldenproblem lösen Zu den Teilnehmern der ersten Sitzung aufseiten der kommunalen Spitzenverbände zählte u. a. auch der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, Oberbürgermeister der Stadt Münster. Er forderte: “Wir brauchen Lösungen, damit benachteiligte Städte und Regionen wieder aufholen können und handlungsfähiger werden. Dafür

müssen sie gezielt gefördert werden.” Die Kommission müsse bis zum Jahr 2020 vorzeigbare Ergebnisse liefern.

Stadt und Land nicht gegeneinander stellen Wichtig für die Arbeit in der Kommission sei, Stadt und Land nicht gegeneinander zu stellen. Strukturschwäche und Strukturstärke gebe es sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum. Nötig seien konkrete Vorschläge, wie Ungleichgewichte und deren Folgen wirkungsvoll bekämpft werden könnten. “Es muss für die Menschen attraktiv bleiben, in bisher strukturschwachen Städten und Regionen zu wohnen und zu arbeiten. Damit sich die Lebensbedingungen dort verbessern, muss zum Beispiel das kommunale Altschuldenproblem angegangen werden”, so Lewe. Die kommunalen Kassenkredite lägen derzeit bei rund 48 Milliarden Euro. Man fordere den Bund und die betroffenen Länder deshalb auf, die Kommunen dabei zu unterstützen, das Altschuldenproblem zu lösen. Die Chancen dafür seien dank niedriger Zinsen und guter Wirtschaftslage günstig wie nie. Eine direkte Möglichkeit sei, dass der Bund und die betroffenen Länder Hilfe bei der Tilgung von kommunalen Altschulden leisteten. Eine indirekte Möglichkeit sei ein höherer Bundesanteil bei den Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose, erklärte Lewe. Von der Arbeit der Kommission erwartet der Städtetag u. a. zunächst die Entwicklung einer schlüssigen Definition, was mit “gleichwertigen Lebensverhältnissen” gemeint ist und wo starke Ungleichgewichte festzustellen sind. Faktoren wie beispielsweise Arbeitslosenzah-

len, wirtschaftliche Situation, Schulabbrecherquote oder der Zustand der Infrastruktur seien dafür geeignet. Strukturschwache Städte und Regionen dürften nicht abgehängt, sondern müssen gezielt gefördert werden. Deshalb sollte die Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur” (GRW) weiterentwickelt und das Fördervolumen von derzeit jährlich 320 Millionen Euro für die Kommunen deutlich ausgeweitet werden. Es sei richtig, dass das System der Regionalförderung bereits 2019 und damit vor dem Abschlussbericht der Kommission überarbeitet werden soll. Auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien ungleich verteilt und gefährdeten die Gleichwertigkeit. Die Städte bräuchten höhere Eingliederungsmittel für Arbeitslose gerade dort, wo die strukturelle Arbeitslosigkeit besonders groß sei. Eine verbesserte Personalausstattung der Jobcenter sei entscheidend, um Langzeitarbeitslose intensiv betreuen zu können. Der vom Bund geplante Digitalpakt sei ein wichtiger Schritt, die Schulen flächendeckend für die Digitalisierung fit zu machen. Zwischen Bund und Ländern müsse sichergestellt sein, dass sich der Bund dauerhaft an den Betriebskosten der Digitalisierung beteilige. Für eine nachhaltige Verkehrswende brauche man eine Investitionsoffensive von Bund und Ländern im Volumen von mindestens 20 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren, also zwei Milliarden Euro jährlich. Wachsende Städte, seit Langem strukturschwache Städte und der dünnbesiedelte Raum bräuchten dabei unterschiedliche Formen der Unterstützung.


Kommunalpolitik

Seite 17

So geht Partizipation

A

m 14. Oktober 2018 findet in Luxemburg die 24. Kammerwahl statt. 60 Mitglieder der Abgeordnetenkammer werden für fünf Jahre neu gewählt. In dem kleinen Land herrscht eine sanktionsbewehrte gesetzliche Wahlpflicht für alle Luxemburger zwischen 18 und 75 Jahren – eine Art forcierte Bürgerbeteiligung. Eine Thematik zieht sich durch fast alle Wahlprogramme der teilnehmenden Parteien – Wohnungspolitik. Erklärlich, wie die Ergebnisse einer PwC-Studie “Der Immobilienmarkt in Luxemburg im Jahr 2020” zeigen: “Die Stadt Luxemburg und die angrenzenden Gemeinden werden einen steigenden Zuzug aus dem Ausland verzeichnen. Der Wohnungsmarkt in und um die Hauptstadt wird dementsprechend wachsen. Luxemburger mit niedrigeren Einkommen werden zunehmend von der Hauptstadt in andere Regionen oder sogar ins angrenzende Ausland ziehen”, heißt es dort. Was auffällt: In keinem der Wahlprogramme geht es um neuartige Konzepte, sondern lediglich um die Weiterführung oder Ausweitung schon vorhandener. Mit der “Gestion Locative Sociale” hat Luxemburg ein Instrument für eine soziale Mietverwaltung. Es ermöglicht einem Eigentümer, seinen Wohnraum ohne Risiken an einen vom Ministerium für Wohnungsbau anerkannten Vertragspartner wie das Sozialamt oder gemeinwohlorientierte Vereinigungen zu vermieten. Die Vorteile sind garantierte Mieteinnahmen sowie eine Steuerbefreiung von 50 Prozent derselbigen, was den Umstand ausgleicht, dass circa 30 bis 40 Prozent günstiger als auf dem privaten Wohnungsmarkt vermietet wird. Des Weiteren gewährleistet der öffentliche Träger als Mieter eine Begleitung der Bewohner und die Instandhaltung der Wohnungen. Die Miete wird in Abhängigkeit vom Einkommen festgelegt.

Verbilligtes Wohneigentum plus Infrastruktur Ein weiteres Instrument, das vor allem einkommensschwächere Haushalte unterstützen soll, ist die nationale Gesellschaft für verbilligtes Wohneigentum, die “Société nationale des habitations à bon marché” (SNHBM). 2017 hat die SNHBM den Bau von 272 Sozialwohnungen in die Wege geleitet. Künftig will sie das 99-jährige Vorkaufsrecht für alle ihre Projekte nutzen und vermehrt Mietobjekte anbieten. Die Gesellschaft arbeitet zurzeit an dem Großprojekt “Elmen”. Im Juli dieses Jahres wurde der Grundstein für das neue 27 Hektar große Quartier gelegt, in dem innerhalb von sechs Jahren drei “Dörfer” mit insgesamt 750 bis 800 Wohneinheiten entstehen sollen. 2021 sollen die ersten davon bezugsfertig sein. Für Menschen, die keine andere Wohnung besitzen und die Bedingungen für die staatlichen Wohnungsbauhilfen erfüllen. Neben der Schaffung von Wohnraum ginge es bei dem urbanistischen Projekt aber um mehr, wie der Direktor der SNHBM, Guy Entringer, betont. Nämlich um den “Modellcharakter”, was die Planung und den Einsatz neuer Bau- und Versorgungstechniken betrifft. So soll es einen zentralen großen und mehrere kleine

Ein Blick in die Wohn- und Stadtplanungspolitik anderer EU-Länder (BS/Katarina Heidrich) Während in Deutschland noch diskutiert wird, wie möglichst viel, möglichst schnell bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann (siehe Seite 15), sind einige unserer Nachbarländer schon seit Jahren weiter. Dort, wo staatlich geförderter Wohnungsbau politische Selbstverständlichkeit ist, geht es nun vermehrt um die Frage, wie umliegende Stadtentwicklung aussehen sollte. Und welche Rolle Bürgerbeteiligung und Umweltschutz dabei spielen.

Stadtentwicklung selbst gestalten – einige EU-Länder setzen vermehrt auf Bürgerbeteiligung bei der Quartiersplanung. Foto: BS/Sven Linnert, cc by flickr.com

Dorfplätze geben. Eine Schule für knapp 200 Kinder ist geplant, sowie eine Kita, Geschäfte und Büros. Außerdem sollen 500 Bäume angepflanzt werden, während das Energiekonzept vor allem auf Solarstrom setzt, der in Batterien in den Häusern gespeichert werden kann.

Wer soll sich beteiligen? Bürgerbeteiligung ergab sich bei dem Projekt allerdings bisher nur in Form von Bedenken Einzelner. Zweifel am Verkehrskonzept kamen auf in einer Gegend, die schon jetzt stark verkehrsbelastet ist. Um dem entgegenzuwirken, soll es in dem neuen Quartier keine Parkplätze innerhalb der Viertel geben, aber Stellplätze in Parkhäusern. Zudem wird eine Bushaltestelle gebaut und eine neue Buslinie nach Luxemburg-Stadt angeboten. Das Ziel ist, eine komplette Infrastruktur im Kleinen sowie erschwinglichen Wohnraum und damit Anreize zu schaffen, dass nachfolgende Generationen die Gemeinde nicht wegen Mobilitätshürden verlassen müssen. Skandinavien ist einen Schritt weiter, was die aktive Bürgerbeteiligung bei der Stadtplanung betrifft. Im Zentrum des Kopenhagener Hafengebietes wurde 2016 das fünfstöckige Wohnprojekt “Krøyers Plads” realisiert. Das gesamte Areal mitten im Zentrum der dänischen Hauptstadt war “über ein Jahrzehnt ein architektonisches und politisches Schlachtfeld”, illustriert das verantwortliche Architekturbüro COBE and Vilhelm Lauritzen Architects. Verschiedene Versuche zur Bebauung scheiterten am Widerstand der örtlichen Bevölkerung. Kritikpunkt war die geplante Gebäudehöhe.

Digital trifft Diversität “Die Lösung bestand darin, das Projekt auf einen hyperdemokratischen und kontextuellen Ansatz zu stützen; so wurden die Nachbarn eingeladen, bei der Definition der Gebäudehöhe und der Auswahl der Materialien mitzuhelfen – beides entscheidende Elemente bei der Festlegung der Beziehung zwischen dem Krøyers Plads und dem Hafen”, heißt es aus dem Architekturbüro. In drei Bürgerdialogen konnten die Anwohner ihre Anliegen

MELDUNG

“Basisdemokratischer Ansatz” (BS/kh) Die Unabhängige Bürgervertretung Staßfurt (UBvS) fordert für die Kernstadt einen eigenen Ortschaftsrat. Ein entsprechender Antrag soll demnächst in den Stadtrat der sachsen-anhaltinischen Kommune eingebracht werden. “Diesen basisdemokratischen Ansatz

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von Bürgerbeteiligung wollen wir unbedingt nutzen“, betont UBvS-Fraktionsvorsitzender ­H arald Weise. SPD-Ortschef Yves Metzing deutet auf die jahrelange Rolle der bisherigen Ortschaftsräte in den Ortschaften als Meinungs- und Mitwirkungsverstärker hin.

äußern. Das waren vor allem möglichst vielfältige, öffentliche Freiräume, eine maximale Gebäudehöhe von 30 Metern

und ein freier Zugang zum Wasser. 107 Wohnungen wurden errichtet. Die norwegische Stadt Hamar lud ihre Bürger schon 2011 zu einem gemeinsamen “Partizipations- und Network­ designprozess” ein, um eine neue Gestaltung für den zentralen Stortorget-Platz zu entwickeln. Elemente des Networkdesignprozesses bei “Dreamhamar” waren das “Physical Lab” mit Ausstellungen, Konferenzen und Workshops, die “Urban Action”, bei der die Bevölkerung im realen Raum experimentieren konnte, und das “Digital Lab”, die Verwaltung der Online-Plattform. Digitalisierung und Ideen der Bevölkerung werden auch andernorts genutzt. Die finnische

Stadt Hämeenlinna hat 2016 einen Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Ergebnisse zur weiteren Stadtentwicklung beitrugen und der ein Beispiel für erfolgreiches “Crowdsourcing” ist. Interessierte konnten sich eine digitale Version des Stadtgebiets herunterladen und selbst virtuelle Vorschläge kreieren, wie ein Teil der Fläche umgestaltet werden sollte.

Was man hat, das hat man Im beengten Wien spielt Bürgerbeteiligung auf kleinerem Raum eine Rolle. Ende des Ersten Weltkriegs entstand dort die Idee vom kommunalen Gemeindebau. Heute ist “Wiener Wohnen” die größte kommunale Hausverwaltung Europas, mit

einem Bestand von rund 220.000 Gemeindewohnungen, für die seit dem Jahr 2000 eine Mietermitbestimmung in Form eines Mieterbeirats festgeschrieben ist. Circa 500.000 Wiener wohnen darin, das sind fast 30 Prozent der Bevölkerung. Die Stadt Wien hat in der Vergangenheit auf Bestand gesetzt – an Boden und Gebäuden. Dadurch sind Kapazitäten frei, um eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas anzugehen; “Aspern – Die Seestadt Wiens”. Bis 2028 entsteht im Nordosten der Stadt, gefördert durch die EU, ein neuer Stadtteil, in dem über 20.000 Menschen Wohnraum und ähnlich viele Arbeitsplätze finden sollen. Die Seestadt Aspern soll zudem umwelt- und ressourcenschonend konzipiert werden. So wie das “Aspern IQ”, ein Gebäude, das mehr Energie herstellt, als es verbraucht. Mit einer eigenen U-Bahn-Anbindung will man eine umweltverträglichere Mobilität fördern und durch das Ansiedeln von Geschäften und Freizeitmöglichkeiten soll eine “Stadt in der Stadt” entstehen.


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Personelles

Behรถrden Spiegel / Oktober 2018


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Personelles

Städte, Gemeinden und Landkreise

Stellenmarkt

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Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

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Ausgezeichnete Projekte

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Sturm im Wasserglas?

Lübeck, Wuppertal und Trier gewinnen Stadtwerke Award

(BS/ Katarina Heidrich) “Es gibt nicht das eine Verfahren, das alle Probleme löst”, betont der Vizepräsident des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW), Jörg Simon, angesichts der neuen (BS/gg) Die Stadtwerke Lübeck, Wuppertal und Trier sind die Gewinner des Stadtwerke Awards 2018. Im Herausforderungen in der Wasseraufbereitung. Den Novellierungsentwurf der Trinkwasserrichtlinie durch Rahmen des VKU Stadtwerkekongresses in Köln wurden die Gewinner durch Sven Becker, Sprecher der die EU-Kommission sehen Branche und Politik kritisch. Geschäftsführung der Stadtwerke-Kooperation Trianel, und Katherina Reiche, Hauptgeschäftsführerin des Obwohl der BDEW es grundsätz- würden derzeit auf Ebene des Ahnung und von Informationen Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), ausgezeichnet. Die Stadtwerke Lübeck holten den ersten Platz für die Digitalisierung ihres Kundenservices mit dem Projekt “OutSteP”. Durch die Optimierung und Digitalisierung der Prozesse wird die Steuerung, Zählung und Messung aller Kundenanliegen gleichzeitig über eine zentrale Plattform gewährleistet. Die nachhaltige Verbesserung der Servicequalität wird durch eine am Bedarf ausgerichtete Personaleinsatzplanung ermöglicht. Gleichzeitig wird ein fortlaufendes Kundenfeedback durch Aufnahme der Gespräche und automatisierte Kundenzufriedenheitsbefragungen eingeholt, um die Servicequalität zu verbessern. Mithilfe eines Push-Verfahrens werden alle Vorgänge den Mitarbeitern elektronisch zur Verfügung gestellt. “Die Lösung der Stadtwerke Lübeck verbindet die Möglichkeiten der Digitalisierung mit den Bedürfnissen des Kunden in einem bisher einzigartigen Lösungsvorschlag”, erklärte Sven Becker das Jury-Urteil. Die Stadtwerke Lübeck überzeugten nicht nur die Jury, sondern sind auch der Sieger der diesjährigen Umfrage unter den Lesern der ZfK – Zeitung für Kommunale Wirtschaft. Auf dem zweiten Platz des Wettbewerbs landeten die Wuppertaler Stadtwerke mit dem Modell “Tal. Markt – Der BlockChain-Markt für den Ökostrom”. “Regionale Stärke, Erneuerbare Energien und digitale Kompetenz werden auf einem Blockchain-Markt mit individuellen Kundenanliegen verbunden”, fasste Becker das Modell zusammen. Die Wuppertaler verknüpfen den Vertrieb, das Bilanzkreismanagement, die Direktvermarktung und den wettbewerblichen Messstellenbetrieb in einer gemeinsamen digitalen Plattform. Der Tal.Markt richtet sich vertrieblich an Privat- und

Die Stadtwerke Wuppertal setzen auf Blockchain-Technologie – und wurden dafür ausgezeichnet. Foto: BS/Attribution, Descryptive.com, cc by flickr.com

Gewerbekunden, die bewusst nachhaltig wirtschaften möchten, aber ebenso an das Segment der “First Mover” und “Early Adop­ ter” neuer Technologien. Die vollständige Digitalisierung der Prozesse und die Verwendung der Blockchain-Technologie als Zertifizierungstool macht die Plattform auch bei kleineren Umsatzmargen wirtschaftlich. Für den Kunden ist das Modell attraktiv, da es ihm einen individuellen Strommix mit einer Auswahl verschiedener regionaler Grünstromangebote bietet, die er selbst bestimmen kann.

KommunalDigital gestartet Das Projekt: “Energie und Technikpark – Gemeinsam Mehrwert entwickeln” der Stadtwerke Trier belegte schließlich den dritten Platz. Die Entwicklung eines integrierten und nachhaltigen Gewerbegebiets durch die Nutzung der im kommunalen Klärwerk und von Photovotaik-Dachanlagen erzeugten Energie ist ein neuer und bisher einmaliger Ansatz. Die Kosten und die Leistungsstrukturen werden durch die Prozess-fokussierte Standortentwicklung verbessert und das Gewerbequartier wird mit einer zukunftsorientierten Infrastruktur ausgerüstet.

Das Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin sucht ab sofort, unbefristet, eine/einen Leiterin oder Leiter des Amtes für Bürgerdienste Kennziffer: 3500/ 50060239/ 2018 BesGr. A15/ E15 TV-L Fgr. 1 Teil I Ausführliche Informationen und die Möglichkeit zur Onlineberatung finden Sie hier: www.berlin.de/karriereportal/stellen/jobportal/Leitungdes-Amtes-fuer-Buergerdienste-de-j4942.html

Im Rahmen des Stadtwerkekongresses hat der VKU auch die neue digitale Serviceplattform “KommunalDigital” gelauncht. Auf dem Portal sollen sich kommunale Unternehmen mit Startups und Beratungsunternehmen für geplante Digital-Projekte vernetzen. Zudem können die Nutzer der Plattform ihre Vergabeverfahren über ein multifunktionales E-Vergabe-Portal abwickeln, sich über digitale Vorzeigeprojekte informieren und haben Zugang zur Beraterdatenbank der VKU Consult. Zukünftig soll es außerdem ein breites Angebot an White-Label-Lösungen geben. Diese Lösungen und Produkte können Stadtwerke erwerben und anschließend unter der eigenen Marke einsetzen. In das Angebot sollen auch die bestehenden White-Label-Angebote der Stadtwerke Mall – dem gemeinschaftlichen Online-Marktplatzprojekt der Stadtwerke Eutin, Peine, Speyer und der Stadtwerke-Kooperation SüdWestStrom – integriert werden.

lich begrüßt, dass die Richtlinie eine “Qualitätsrichtlinie” bleibe, gingen viele der Vorschläge durch die EU-Kommission zulasten der Wasserbetriebe, bemängelt Simon. Die Einführung einer flächendeckenden vierten Reinigungsstufe etwa stelle eine enorme Kostenbelastung dar und sei selbst in vielen Regionen Deutschlands gar nicht nötig. Die Ausstattung mit einer weitergehenden Behandlungsstufe sei “kein Allheilmittel”, so der gleichzeitige Vorstandsvorsitzende der Berliner Wasserbetriebe. Zudem fordert Simon, alle verantwortlichen Akteure einzubeziehen: “Es kann nicht sein, dass wir mit unseren Anlagen das herausholen müssen, was an anderer Stelle hätte vermieden werden können.” So solle beispielsweise die Spurenstoff-Diskussion nicht nur eine reine “End-of-Pipe-Diskussion” bleiben.

Pfand-System für Medikamente Auch der Beamtete Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Dr. Ulrich Nussbaum, spricht sich im Rahmen der 17. Wasserwirtschaftlichen Jahrestagung des BDEW für eine stärkere Fokussierung auf das Verursacherprinzip aus. Er schlägt etwa eine Art PfandSystem für Medikamente vor. Obwohl das Thema Arzneimittelrückstände im Trinkwasser jetzt noch nicht akut sei, “wird es auf uns zukommen”, so Nussbaum. Auch die Nitrat-Belastungen zu verringern, sei eine “klare Position der Bundesregierung”. Gesetzliche Änderungen hierzu

Landwirtschaftsministeriums geprüft. Aber neue Verfahren haben Auswirkungen auf die Trinkwasserpreise, sodass “Investitionen hier gut überlegt sein und vor allem mit den Kosten in klarem Zusammenhang stehen müssen”, hebt der Staatssekretär hervor. Mit dem Forschungsministerium würde man sich zurzeit “darum kloppen, dass die Steuerbefreiung für Biogas aus Klärgas bestehen bleibt”, so Nussbaum. Auch die Kommissions-Vorschläge zur Erhöhung der Wasserprobenentnahmen und der Informationspflichten würden vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen der Wasserwirtschaft vor bedenkliche Herausforderungen stellen.

Mehr oder weniger Tranparenz? “Wir lehnen neue Berichtspflichten ab”, denn genügend Transparenz sei in Deutschland jetzt schon gegeben, erklärt Nussbaum. Und betriebswirtschaftliche Geheimnisse müsse “nicht jeder Konkurrent wissen”. Dem pflichtet Ulrike Müller bei, die als Europaabgeordnete die Freien Wähler in Brüssel vertritt. Die Kommission habe die Standards “massiv hochgesetzt” und eine technische Richtlinie mit sozioökologischen Komponenten zu befüllen, “hat aus unserer Sicht dort nichts zu suchen”, kritisiert Müller. Verbraucherinformation solle lediglich bezüglich der Wasserqualität gegeben sein. Von anderen Faktoren, wie etwa Kosten, aber auch Energieeffizienz, “hat der Verbraucher keine

dazu keinen Mehrwert”, äußert sich die Abgeordnete im Europäischen Parlament. Auch Minderheiten den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu gewährleisten, sei Sache der einzelnen Mitgliedsstaaten. Der Vorschlag einer einheitlichen Neufassung der EU-Trinkwasserrichtlinie ist eine Reaktion auf die Europäische Bürgerini­ tiative “Right2Water”, die das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung fordert. Ziel des Vorschlags ist es, den allgemeinen Zugang zu Trinkwasser sowie die Qualität von Trinkwasser zu verbessern und die öffentliche Gesundheit vor den nachteiligen Einflüssen von Verunreinigungen zu schützen. Ende Oktober soll im Plenum des EU-Parlaments über die Trinkwasserrichtlinie abgestimmt werden.

Berechtigte Einwände gegen die Novellierung der Trinkwasserrichtlinie oder nur ein Sturm im Wasserglas? Darüber entscheidet das EU-Parlament Ende Oktober. Foto: BS/science photo, stock.adobe.com

Leuchtender Vorreiter Bamberger Stadtwerke haben Parkhausbeleuchtung umgerüstet (BS/kh) Eine jährliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes um mehr als 148 Tonnen und der Energiekosten um 63.000 Euro – das versprechen sich die Stadtwerke Bamberg von der Umrüstung der Beleuchtung ihrer Parkplatzanlagen. 315.000 Kilowattstunden Strom sollen dadurch eingespart werden, so viel wie 90 Vier-Personen-Haushalte durchschnittlich verbrauchen. Als eine der ersten Kommunen in Bayern hat Bamberg schon vor einigen Jahren getestet, wie umweltfreundlich und effizient eine Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED ist. Heute ist die LED Standardleuchte in der Stadt. Dadurch ergab sich eine jährliche Ersparnis von 1.000 Tonnen CO2 und 1,9 Megawattstunden Strom – das entspricht dem Verbrauch von circa 549 Vier-Personen-Haushalten. Seit 2013 übernehmen die Stadtwerke ebenfalls Wartung, Instandhaltung und Umrüstung von Straßenlaternen im umliegenden Landkreis.

Nun folgte die gesamte Beleuchtung aller Parkplatzanlagen. 2016 wurden bereits alle 619 Leuchten auf den drei Parkdecks des P+R Heinrichsdamm auf LED und intelligente Steuerungstechnik umgerüstet. “Dadurch sparen wir 80 Prozent Energie und 2.008 Tonnen CO2”, heißt es von den Stadtwerken. In den vergangenen Monaten wurden insgesamt 1.430 herkömmliche Leuchtstoffröhren in Parkhäusern und Tiefgaragen ausgetauscht.

Intelligente Beleuchtung Neben der energieeffizienten Technik verspricht ebenfalls

eine intelligente Steuerung der Lichtanlagen Einsparpotenzial. Diese sollen zu jeder Zeit an den tatsächlichen Bedarf anpassbar sein. Mithilfe von Bewegungssensoren erhält die Anlage ein Signal, sobald sich jemand auf dem Parkdeck aufhält. Erst dann steigt die Beleuchtungsstärke auf 100 Prozent, während sie sonst auf zehn Prozent heruntergedimmt ist. “Unsere Parkhausmitarbeiter können jede einzelne Leuchte per Funk steuern und entsprechend anpassen”, ergänzt Matthias Windfelder, Sachgebietsleiter Projektierung bei den Stadtwerken Bamberg. Ebenfalls sei die

neue Beleuchtung mit einem geringeren Wartungsaufwand verbunden. Der Zeit- sowie der Kostenplan konnten eingehalten werden. Die Stadtwerke haben 290.000 Euro für die Leuchten, die Steuerung und den Einbau investiert. 30 Prozent davon übernimmt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit aufgrund eines Beschlusses des Bundestages. Sollte eine der öffentlichen Leuchten kein Licht mehr spenden, können die Bürger Online eine DefektMeldung an die Stadtwerke senden.

In kompletten Öko-Kreisläufen gedacht Cradle-to-Cradle-Zertifikat für Kautschuk-Bodenbeläge (BS/Doris Janik*) Nora systems, weltweit agierendes Unternehmen für Kautschuk-Bodenbeläge, setzt sich mit seinen Produkten für nachhaltige Ökoeffektivität ein. Für dieses Engagement erhielt der Hersteller das Cradle-to-Cradle-Zertifikat in Silber. Durch das Cradle to Cradle Products Innovation Institute wurde das gesamte Standardsortiment der norament Reihe ausgezeichnet. In kompletten Produktkreisläufen denken, damit kein Müll im herkömmlichen Sinn entsteht – das ist der Kern des Prinzips. Hierfür müssen Produkte so hergestellt werden, dass alle verwendeten Materialien nach Gebrauch wiederverwendet oder kompostiert werden können. “Wir haben durchweg in allen Kategorien Silber erhalten. Da es im Bereich technischer

Gebrauchsgüter kaum Produkte gibt, die alle Kriterien zu 100 Prozent erfüllen, ist Silber – insbesondere im Baubereich – ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis”, erklärt Dietmar Mävers, Business Development Manager bei nora systems. Mit norament 926 (Noppe), norament arago, norament grano sowie norament satura wurde das gesamte Standardsortiment der Produktreihe ausgezeichnet. *Doris Janik ist Pressreferentin bei der nora systems GmbH.­

Die Zertifizierung nach Cradle to Cra­ dle zeichnet nicht nur die Produkte an sich aus, sondern wirkt sich ebenso positiv auf das Punktekonto der Gebäudezertifizierungen nach DGNB, LEED oder BREEAM aus. Damit kann nora systems einen wichtigen Beitrag zu umfassend nachhaltigen Gebäuden leisten. Foto: BS/Julia Schambeck, München


E-Mobilität

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ine entscheidende Chance sehe ich hier in der Digita­ lisierung. Durch sie können wir die vorhandene Infrastruktur leistungsfähiger und vor allem auch sicherer machen. Dement­ sprechend haben wir in unserem “Masterplan Digitalisierung” eine ambitionierte Strategie zur Digi­ talisierung im Verkehr vorgelegt. Mit dem Ausbau der digitalen Infrastruktur verbessern wir künftig neben den Möglichkei­ ten für Informationstools auch die Einsatzmöglichkeiten für neue mobile Anwendungen im Verkehr. Hier ist das Testfeld Niedersachsen hervorzuheben: Autonome Fahrzeuge brauchen in der Zukunft nicht nur Labore, sondern auch geeignete Erpro­ bungsfelder. Außerdem sollen hier intelligente Systeme der Ver­ kehrslenkung zur Reduzierung von Staus und Gefahren erprobt werden, um die bestehenden Verkehrsmanagementsysteme weiterzuentwickeln. Für eine moderne Mobilität müssen wir uns in Zukunft zu­ dem stark darauf konzentrieren, den Verkehr nachhaltiger zu ge­ stalten. Bei der Elektromobilität und alternativen Antrieben soll Niedersachsen ganz klar Spitzen­ reiter unter den Bundesländern werden. Die Bundesregierung hat für die Elektromobilität die richtigen Weichen für den Markterfolg von Elektroautos mit dem Umweltbonus und mit Steuererleichterungen gestellt. Nun müssen die Hersteller nach­ ziehen, Preise senken und zügig

Moderne Mobilität in Niedersachsen Zwischen Digitalisierung, alternativen Antrieben und Brennstoffzellen (BS/Dr. Bernd Althusmann) Eine wesentliche Voraussetzung für moderne Mobilität ist eine angemessene Infrastruktur. In einem Flächenland wie Niedersachsen ist dabei die gute Anbindung des ländlichen Raums ebenso entscheidend wie ein fließender Verkehr auf den Hauptverkehrsstraßen der Innenstädte. In der heutigen Zeit reicht die Infrastruktur allein für eine moderne Mobilität der Zukunft allerdings nicht mehr aus. Unter anderem durch eine steigende Mobilität der Menschen, Klimaschutz, Luftreinhaltung und den demografischen Wandel stehen wir Herausforderungen gegenüber, die vielschichtige Lösungen erfordern. die angekündigten Fahrzeuge mit höheren Reichweiten in den Markt bringen, damit Elektromo­ bilität endlich Akzeptanz in der breiten Masse findet.

Ladeinfrastruktur ist bereit Natürlich muss hierfür auch die Infrastruktur stimmen – ausrei­ chend viele und gut positionierte Ladestationen sind ein wichtiges Argument für den Umstieg auf ein Elektroauto. Hier hat Nieder­ sachsen unter anderem gemein­ sam mit den Kommunen und regionaler Wirtschaft Lösungen entwickelt. Landesweit haben wir inzwischen ein breites Netz an Ladeinfrastruktur aufgebaut, das weiterhin sukzessive ausgeweitet wird. Auf den Autobahnen in Nie­ dersachsen haben wir gemein­ sam mit der Tank&Rast GmbH flächendeckend Ladesäulen an Rastanlagen aufgestellt. Und auch bei den weiteren alterna­ tiven Antriebssystemen wollen wir sowohl bei der Weiterent­ wicklung dieser – auch in der Forschung ist Niedersachsen gut aufgestellt – als auch bei der für sie erforderlichen Tankin­

Proaktiv handeln statt verbieten E-Förderprogramme sollen Umstieg erleichtern (BS/ab/wim) Zwischen Dieselgipfel, Hard- und Softwarenachrüstung von Dieselfahrzeugen und drohenden Fahrverboten befinden sich die belasteten Städte in Zugzwang. Darum machen sich viele Städte, aber auch Bund und Länder weitreichende Gedanken, wie die E-Mobilität gefördert werden kann. “Wir wollen all jenen Betrieben unter die Arme greifen, die mit ihrer Flotte auf saubere Fahrzeu­ ge umsteigen möchten”, betont Christian Rickers, Staatssekre­ tär der Berliner Senatsverwal­ tung für Wirtschaft. Deshalb hat Berlin ein Förderprogramm aufgesetzt: unabhängig davon, ob es sich um Freiberufler, ein kommunales, ein gemeinnützi­ ges oder kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) handelt. All diese können Förderanträge auf Elektrofahrzeuge sowie Ladeinf­ rastruktur stellen. Auch Gernot Lobenberg, Leiter der Berliner Agentur für Elektro­ mobilität als Partner des Förder­ programms, argumentiert gegen so manche Vorurteile: “Die Ak­ kus können mittlerweile recycelt werden, die Ladesäulen in Berlin verwenden Ökostrom, die neuen E-Autos legen bis zu 250 Kilo­ meter Weg zurück und, trotz der Herstellung, verbrauchen diese auf ihren Lebenszyklus gesehen weniger CO2.” Vor allem Gewer­ betreibende sollen “als Erste umsteigen”. Denn sie besäßen wiederkehrende Streckenprofile und ihre Investitionen würden sich schneller amortisieren.

Was wird konkret gefördert? Das Berliner Förderprogramm umfasst drei Module, die bezu­ schusst werden können: Bera­ tung, Kauf der Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur. Wichtig ist

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dabei, dass vor der Beratung ein Förderantrag gestellt und die Bewilligung abgewartet wird. Te­ lefonisch kann vor Antragstellung geklärt werden, ob eine Förderfä­ higkeit vorhanden ist. Nach dem bewilligten Antrag erfolgt dann die Beratung, deren Ziel es ist, festzuhalten, welche Fahrzeug­ klassen und Ladeinfrastrukturen infrage kommen. Auch die Bundesregierung will in Zukunft gewerblich genutzte Elektroautos und Plug in-Hy­ bride fördern. Zum 1. Januar sollen hier Steuererleichterun­ gen greifen, mit denen privat genutzte, elektronisch angetrie­ bene Dienstwagen nicht mehr mit einem Prozent pro Monat als geldwerten Vorteil versteuert wer­ den müssen, sondern nur noch mit dem halben Satz. Zudem läuft noch bis ins kommende Jahr die “Förderrichtlinie Elekt­ romobilität” des Bundesverkehrs­ ministeriums. Mit dieser sollen Kommunen beim Aufbau von elektromobilen Fuhrparks sowie der dazugehörigen Infrastruktur unterstützt werden. Und auch die Flächenländer legen neue Förderprogramme auf, die sich vor allem auch an die Kommunen richten. So fördert Thüringen seit September den elektrisch betriebenen ÖPNV in einer Modellregion im Wartburg­ kreis in und um Eisenach. Ins­ gesamt fördert das Land Projekte im Wert von 14 Millionen Euro.

Statt den Fahrverbot-Domino-Effekt abzuwarten und darauf zu hoffen, dass die Dieselhardwarenachrüstung kommt, hat Berlin proaktiv gehandelt und vorbeugend ein Förderprogramm aufgesetzt, was insbesondere auf den Lieferverkehr abzielt. Foto:BS/geralt, CC0, pixabay.com

nicht vernachläs­ sigt werden. Dies ist gerade für den ländlichen Raum ein entscheiden­ des Thema. Busse sollen vermehrt mit Elektro- bzw. alternativen An­ triebssystemen ausgestattet wer­ Foto: BS/ Nds. Staatskanzlei, den. Und dort, Philipp v. Ditfurth wo überregionale frastruktur zu einer schnelleren Schienenstrecken fehlen, fördert Entwicklung beitragen. Mit der die Landesregierung die Einrich­ ersten Wasserstofftankstelle in tung von Landesbuslinien. Wolfsburg ist Niedersachsen hier Brennstoffzellen-Zug auf einem guten Weg. im Einsatz Um die moderne Mobilität in Niedersachsen nachhaltig und Für einen modernen und emis­ mit Blick in die Zukunft auszu­ sionsfreien Schienenpersonen­ richten, darf auch die Stärkung nahverkehr hat das Niedersäch­ und Nachhaltigkeit des ÖPNV sische Wirtschaftsministerium Dr. Bernd Althusmann (CDU), Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung und stellvertretender Ministerpräsident, sieht in der Digitalisierung eine Chance zur Verbesserung der Infrastrukturen.

maßgeblich dabei unterstützt, den ersten mit einer Brennstoff­ zelle angetriebenen Zug auf die Schiene zu bringen. Seit Mitte September fährt dieser emis­ sionsfrei zwischen Cuxhaven, Bremerhaven und Buxtehude in einem Pilotprojekt. 14 weitere Triebwagen, deren Anschaffung das Land Niedersachsen mit rund 80 Millionen Euro fördert, sind bereits bestellt und sollen ab März 2022 fahren.

Eine Million jährlich Weiteres Potenzial für die nach­ haltige Mobilität liegt in der Stär­ kung des Fahrradverkehrs. In­ dem Fahrräder mehr und mehr von einem elektronischen Motor unterstützt werden, verändert sich auch die Art und Weise, in der sie benutzt werden. So kön­

nen auch weitere Strecken auf dem Rad zurückgelegt werden und auch die ältere Generation steigt wieder vermehrt auf das Fahrrad um. Unsere Aufgabe wird es sein, Radwege für diese Geschwin­ digkeiten zu gestalten. Hier hat Niedersachsen vorgelegt und in Göttingen den ersten Radschnell­ weg Deutschlands gebaut. Dass dieser ein klares Erfolgsprojekt ist, zeigt sich deutlich: über eine Million Radfahrer nutzen den Radschnellweg jährlich. Des­ wegen soll er jetzt auch weiter, über die Stadtgrenzen hinaus bis ins Umland, verlängert werden. So kann das Rad vor allem für Pendler eine klare Alternative werden. Für mich zeigt sich ganz klar: Niedersachsens Mobilität stellt sich für die Zukunft auf, hier sind wir auf einem guten Weg. Dabei gibt es nicht das eine Ver­ kehrsmittel, das die Herausforde­ rungen der Zukunft allein meis­ tert – entscheidend ist vielmehr die Vielfalt und Verzahnung verschiedener Verkehrsmittel miteinander, sodass wir Nie­ dersachsen uns effizient und umweltschonend fortbewegen können.


Kommunale Infrastruktur / E-Mobilität

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Wende Ahoi!

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eutschland steht am Beginn einer schleichenden Verkehrsrevolution. Die kommende Fahrzeuggeneration bewegt sich flüsterleise und emissionslos. Der Impuls für die Veränderung kommt nicht zuletzt vom Staat selbst, denn gerade Kommunalverwaltungen und ihre Eigenbetriebe beschaffen derzeit zunehmend elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Gründe dafür sind natürlich einerseits die Urteile der Verwaltungsgerichte zum Thema Dieselfahrverbote, andererseits aber der erklärte Wille, bei der Verkehrswende eine Vorbildfunktion einzunehmen. Denn ein örtliches Mobilitätskonzept mit Elektroautos als einem Eckpfeiler ist einfacher vermittelbar, wenn die Verwaltung selber mit Strom fährt.

Transporter als Werkzeug Die wachsende Dynamik bei der Umrüstung der Fuhrparks ist auch auf ein besseres Angebot zurückzuführen. Gerade im Bereich der weit verbreiteten leichten Nutzfahrzeuge fehlte bis vor nicht allzu langer Zeit ein praxiserprobter Transporter mit ausreichender Zuladung und Reichweite. In diese Lücke stößt

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durchgefärbten Gewebekunststoff. Kleinere Kratzer oder Beulen sind da nicht sofort sichtbar, rosten kann auch nichts.

Praxistaugliche Alternativen für Betriebshöfe

Die nächste Generation

(BS/Kai Ortmann*) Alle Zeichen stehen auf Strom – Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren werden mittel- bis langfristig im Straßenbild der Städte In Aachen arbeitet das Team um die Minderheit bilden. Dank Alternativen hat die Wachablösung auf den Betriebshöfen der Kommunen und Stadtwerke bereits begonnen. Kampker längst an der Zukunft. für Haltestellen. Einer der ersten Kunden war die Hallesche Wasser- und Stadtwirtschaft GmbH, die ein Pritschenfahrzeug zur Papierkorbleerung nutzt. Das sind nur drei Beispiele aus dem ständig wachsenden Verwendungsspektrum.

der StreetScooter des gleichnamigen Aachener Herstellers. Dabei ist dieser kein gewöhnliches Fahrzeug: “Wir bauen kein Auto, sondern ein Werkzeug auf Rädern. Unsere Fahrzeuge sollten eben nicht nur elektrisch fahren, sondern auch in den Arbeitsabläufen einen echten Mehrwert bieten”, sagt StreetScooter-CEO Professor Achim Kampker. Herausgekommen ist ein extrem vielseitiger Elektrotransporter, der sich je nach Anforderung individuell konfigurieren lässt, beispielsweise als Pritsche, mit Box oder mit Kipper.

Im Alltag angekommen Was diese Flexibilität in der Praxis bedeutet, machen die vielen verschiedenen Einsatzfelder des StreetScooters deutlich. So fahren bei der Stadt Bonn insgesamt zehn Fahrzeuge, und zwar sowohl beim Amt für Stadtgrün als auch

Günstig im Betrieb

Der Drei-Seiten-Kipper mit Werkzeugbox ist nur eine der Varianten des Street­ Scooters, die bestens für Aufgaben im kommunalen Fuhrpark geeignet ist. Foto: BS/StreetScooter, Paul Nutzfahrzeuge GmbH

im Tiefbauamt. In der Flotte sind Kofferaufbauten genauso vorhanden wie Drei-Seiten-Kipper. Die Stadtwerke Krefeld nutzen das

E-Mobil “made in Aachen” mit Box als Werkstattwagen im Straßenbahnbetrieb und als Gerätefahrzeug der Reinigungstrupps

Aber gibt die Finanzlage der öffentlichen Kassen größere Umrüstungsaktionen der Flotten überhaupt her? Die Antwort fällt klar positiv aus. Denn zum einen gibt es eine Reihe unterschiedlicher Förderprogramme für die Anschaffung. Zum anderen liegen die Betriebskosten 60 Prozent und mehr unter denen eines vergleichbaren Dieseltransporters. Das liegt an den niedrigeren Ausgaben für Steuern, Energie und nicht zuletzt Wartung. Denn der StreetScooter ist nach dem Baukastenprinzip gefertigt, kaputte Teile sind sehr einfach und günstig zu tauschen. Zudem bestehen nicht-crashrelevante Karosserieteile aus einem speziellen,

Die aktuellen Modelle Work und Work L schaffen, bei bis zu 7,5 Kubikmeter Laderaumvolumen, maximal 900 Kilogramm Zuladung und haben eine Reichweite von bis zu 205 Kilometern (nach NEFZ). Auf der IAA war mit dem Work XL erstmals die nächstgrößere Generation zu sehen. Hier stehen 20 Kubikmeter Volumen und 1.150 Kilogramm Nutzlast auf dem Datenblatt, bei ähnlicher maximaler Fahrstrecke. “Weiterhin arbeiten wir gerade am Thema autonomes Fahren. Ebenfalls in Planung ist ein Fahrzeug mit Brennstoffzelle, mit dem Reichweiten von 500 bis 700 Kilometern möglich sind”, sagt der Professor zu den weiteren Vorhaben bei StreetScooter. Er ergänzt: “Auf der IAA waren noch an 25 weiteren Stellen unsere StreetScooter bei Partnerunternehmen zu sehen. Das macht uns stolz – und diesen Weg wollen wir auch in Zukunft gehen.” Die Mobilitätswende kann also kommen! *Kai Ortmann ist freier Journalist in Bonn.

Zusammenarbeit beschlossen Niedersachsens Polizei kooperiert mit Luxemburg (BS/mfe) Nachdem die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit bereits in vielen Bereichen Alltag zwischen Niedersachsen und Luxemburg ist, wird sie nun auf ein zusätzliches Themenfeld ausgedehnt: die Elektromobilität. Jetzt kann auch der Nutzen hybrider und vollelektrischer Polizeifahrzeuge im Autobahnbetrieb wissenschaftlich untersucht werden. Möglich macht das der Beitritt der Polizei des Großherzogtums zum interdisziplinären Forschungsprojekt “lautlos&einsatzbereit”, das bereits seit September 2016 existiert. Bisher waren dort nur die niedersächsische Polizei und die Technische Universität Braunschweig vertreten (mehr zur niedersächsischen Polizei auch auf Seite 40 dieser Ausgabe). Ziel des Vorhabens ist es, den Einsatz hybrider und batterieelektrischer Polizeifahrzeuge – einschließlich entsprechender Ladeinfrastruktur – im 24-Stunden-Betrieb zu evaluieren, vorhandene Potenziale in Flotten mit extremen Einsatzszenarien zu erheben sowie Mindeststandards in einem Leitfaden zusammenzustellen. Betrachtet werden dabei insbesondere Fahrzeuge aus dem Einsatz- und Streifendienst sowie aus dem Ermittlungsbereich.

Erstmals Autobahnbetrieb einbezogen Untersucht wurde von den Wissenschaftlern bisher die herstellerübergreifende Nutzung in innerstädtischen Bereichen, in Stadtrandgebieten sowie in ländlichen Regionen. Gleiches gilt für den Inselbetrieb und die Nutzung in den Mittelgebirgen.

Durch die Beteiligung Luxemburgs kommt nun erstmals der Autobahnbetrieb hinzu. In diesem Zusammenhang erklärte Oliver Suckow, Projektleiter bei der niedersächsischen Polizei: “Auf dem Markt gab es zu Projektbeginn kein Elektrofahrzeug, welches den Mindeststandards für die polizeiliche Nutzung auf der Autobahn gerecht wurde. Das ist auch aktuell noch so.” Allerdings seien die Ankündigungen der Fahrzeughersteller sehr vielversprechend. Aus diesem Grunde sei die Kooperation mit der luxemburgischen Polizei eine “tolle Gelegenheit, über die wir uns sehr freuen”. Und Dr. Kerstin Schmidt von der Technischen Universität Braunschweig ergänzte: “Zum Abschluss des Projekts Ende 2019 wird von uns ein bis dahin entwickelter Leitfaden veröffentlicht.” Der Zeitpunkt liege günstig, da die Elektrofahrzeuge der nächsten Generation kurz darauf verfügbar sein würden. Der Leitfaden solle Flottenplanern von Polizei, Feuerwehr oder auch Rettungsdienst helfen, die ökologischen und ökonomischen Aspekte bei der Implementierung von Elektromobilität in den Fuhrpark zu berücksichtigen.

Auch die luxemburgische Polizei (Foto) nimmt künftig am Forschungsprojekt “lautlos&einsatzbereit” teil. Damit kann nun auch der Autobahnbetrieb hybrider und batterieelektrischer Fahrzeuge wissenschaftlich untersucht werden.

Foto: BS/Projekt lautlos&einsatzbereit


Kommunale Infrastruktur

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9 Prozent der Autos parken im öffentlichen Raum und werden nicht genutzt”, zeigt Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages (DST), das Problem auf. Zudem würden die Fahrzeuge häufig nur für kurze Strecken von zwei bis drei Kilometern genutzt. “Wir brauchen alternative Wege, um die Bürgerschaft zu begeistern, umzusteigen.” Auch das Rechtsgutachten “Öffentlicher Raum ist mehr wert” kommt zu dem Schluss, dass ein großer Teil von Fahrzeugen und vor allem von den parkenden Autos vereinnahmt werde. “Nicht zuletzt, weil die Bundeskanzlerin klar gemacht hat, dass die Verkehrswende notwendig ist, steht diese Herausforderung jetzt in vielen Städten auf der politischen Tagesordnung. Mit unserem Gutachten betreten wir juristisches Neuland und ebnen den Weg dorthin”, so der Direktor der Agora Verkehrswende.

Knapp 800 Euro mehr Kommunen besäßen bereits heute Spielräume, so das Gutachten: Öffentlicher Raum könnten neu verteilt, Parkplätze könnten reduziert und Parkgebühren angepasst werden. Aber es würden weiterhin Einschränkungen existieren, die nur durch die Bundes- bzw. Länderebene abgebaut werden könnten: Stellvertretend hierfür sei das Bewohnerparken. Das Bundesrecht begrenze die maximale Gebühr dafür auf 30,70 Euro pro Jahr. In Stockholm koste es 827 Euro. Damit dann noch von den allgemeinen Parkgebühren eine Steuerungswirkung für die Nutzung alternativer Angebote ausginge, sollte zudem das Parkverbot als Regelfall in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen werden, so das Agora-Gutachten. “Ein Grundrecht auf Parken ist mit der Mobilitätswende in unseren Städten nicht vereinbar”, betont

Nicht ins eigene Fleisch schneiden Spielräume für striktere Regelungen nicht zielführend (BS/Adrian Bednarski) “Lebenswertere Städte entstehen dann, wenn bei der Verteilung im öffentlichen Raum nicht mehr die Interessen von privaten Pkws einseitig im Vordergrund stehen”, erläutert Christian Hochfeld, Direktor der Agora Verkehrswende. Kommunen säßen bereits jetzt Spielräume, welche aber noch ausgebaut werden müssten. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten. Aber hierfür wären noch gesetzliche Änderungen auf der Bundesebene nötig. Aber ist dies gewünscht? Hochfeld. Abgerundet würde dies mit der Reduzierung von Parkflächen. Allerdings müsse dieser Prozess gleichzeitig durch die Schaffung von Alternativen zum privaten Pkw begleitet werden, zum Beispiel durch CarsharingAngebote, Park-&-Ride Möglichkeiten und durch einen attraktiven, vernetzten ÖPNV, so das Gutachten.

lassen.” Die Liberalen vertreten hingegen eine konträre Position.

…und harscher Kritik

Zwischen Zustimmung… “Wir wollen es den Kommunen ermöglichen, kostengerechtere Gebühren für das Parken zu erheben”, stimmt Ingrid Remmers, verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke, zu. Wenn mehr Fuß- und Radverkehr sowie ein attraktiver Öffentlicher Nahverkehr in den Städten gewünscht seien, dann bräuchten diese Verkehrsarten auch mehr städtischen Raum. Die Bundestagsabgeordnete weist jedoch darauf hin, dass auch durch Parkverbote gegen die Behinderung durch ordnungswidrig abgestellte Fahrzeuge vorgegangen werden müsse. “Es geht hierbei darum, gemeinsam dieses rücksichtslose Verhalten einzudämmen, dass andere einengt und in Gefahr bringt. Das darf nicht länger geduldet werden.” Der verkehrspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Stefan Gelbhaar, stimmt mit Remmers hinsichtlich der Neuaufteilung der Städte überein. “Ordnungspolitisch hilft Parkraumbewirtschaftung, auch in einer ökologisch indizierten Preis-

Das Gutachten der Agora Verkehrswende plädiert zwar für Ausbau und Verbesserung des ÖPNV und alternativer Angebote wie Carsharing. Aber ebenso sieht es Änderungsbedarfe bei der Bundes- und Ländergesetz, damit Parkräume höher bepreist und ausgedünnt werden können. Aber schneiden sich Kommunen damit nicht ins eigene Fleisch? Foto: BS/©Monika Wisniewska, stock.adobe.com

anpassung anhand der Nachfrage.” Allein auf Ordnungspolitik könne die Verkehrswende nicht bauen. Zudem kritisiert er die Deckelung des Anwohnerparkausweises, weil “dieses Preisniveau des Ausweises nicht nur Faktoren wie lokale Luftqualität und Verkehrssicherheit völlig außen vorlässt, sondern es schafft für Bewohner auch keinerlei Anreiz, ihr Mobilitätsverhalten zu ändern.” Die Infrastruktur müsse ausgebaut werden, sodass Fußgänger und Radfahrer sicher und schnell vorankämen und gleichzeitig müsse der ÖPNV verbessert werden. Den Ansatz greift auch der Sprecher und Bundestagsabgeordnete Arno

Das Platzen der Seifenblase Warum Leitbilder oft zu viel versprechen (BS/Monika Arzberger*) Leitbilder scheitern oft an drei einfachen Gründen und führen dann zu Frustration, weil ihnen das passende Fundament fehlt. Es bedarf daher einer anderen Herangehensweise, die die speziellen Rahmenbedingungen öffentlicher Institutionen in den Blick nimmt. Ernüchternde Aussagen wie die eines Landesbetriebsleiters, der seufzt: “Jetzt haben wir soviel Zeit und Energie in die Neuorganisation gesteckt, ein Leitbild entwickelt und trotzdem sind meine Mitarbeiter unzufrieden, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll”, sind keine Seltenheit. Dabei sind Leitbilder seit Längerem im Trend. Nahezu jeder Bürgermeisterkandidat verspricht seinen Wählern einen Leitbildprozess nach erfolgreicher Wahl. Im Internet präsentieren Behörden wie Unternehmen ihr Leitbild an prominenter Stelle – sei es die Deutsche Bundesbank oder Ritter Sport. Dadurch sollen der Teamgeist und die Motivation der Mitarbeitenden gefördert werden. Leitbilder stehen für Transparenz, Inklusion und flache Hie­rarchien. Sie versprechen Kunden, dass sie ernst genommen und geschätzt werden.

Versprechen gebrochen? Behörden, staatliche Einrichtungen und öffentliche Unternehmen haben es jedoch besonders schwer: Sie erfüllen einen gesellschaftlichen Auftrag, der durch viele Normierungen geprägt ist. Zuständigkeiten und Hierarchien prägen die Organisationsform. Diesen Rahmenbedingungen müssen sich Mitarbeitende und Führungskräfte stellen, gerade wenn sie über neue Formen der Zusammenarbeit und der Kommunikation nachdenken. Das klingt mühsam und wenig attraktiv. Da erscheint ein kreativer Leitbild-

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prozess, in dem Hoffnungen und eine vage Zukunft formuliert werden, motivierender. Dennoch berichten frustrierte Mitarbeiter immer wieder, dass Leitbilder nicht gelebt würden. Denn die individuelle Erwartung auf Verbesserung der eigenen Situation wird nicht erfüllt: Das Leitbild wird zu einer hohlen Hülle schöner Worte. Die Seifenblase ist geplatzt. In den vergangenen Jahren haben sich drei Gründe, wieso die Leitbilder scheiterten, herauskristallisiert.

Ein Leitbild… 1. … beantwortet nicht die Frage, welchen grundlegenden Auftrag die Organisation zu erfüllen hat: Wenn sie eine Behörde sind, zu deren Auftrag Kontrolle und hoheitliches Handeln gehören, werden sie nicht nur Partner ihrer Kunden sein können. 2. … ist in seinen Formulierungen zu ambitioniert. Wenn sie als staatliche Einrichtung flexibel auf alle Bürgeranfragen reagieren wollen, werden sie irgendwann in Konflikt, wenigstens mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz, treten. 3. … ist abstrakt und austauschbar formuliert. Sie werben als Landesbetrieb in ihrem Leitbild mit einem offenen Ohr für die Anliegen Ihrer Kunden? Das kann jedoch viel bedeuten: Während Sie darunter zum Beispiel die regelmäßige Durchführung einer Bürgerbefragung verstehen, erwarten ihre Kunden vielleicht, dass ihre Mitarbeiter tatsächlich persönlich erreichbar sind.

Leitbilder sind also oft in ihrer Konzeption überhöht. Dennoch müssen Organisationen klären, wie sie sich entwickeln und den sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen stellen wollen. Als Herangehensweise braucht es eins: ein tragfähiges Fundament! Damit dies gelingt, muss zunächst der Ist-Zustand analysiert werden. Dies impliziert, sich zu erarbeiten, was die gemeinsame Arbeit trägt. Gleichzeitig müssen der normierte gesetzliche Auftrag und auch die historischen Entwicklungen als Teil dieser Basis angenommen werden. Gerade die Belegschaften zeigen bei dieser Analyse viel Elan, denn es ist, wie in Familienalben zu blättern: Plötzlich verstehen die Jungen, was die Alten antreibt. Auch wenn die Alten sich dabei so manche kritische Frage gefallen lassen müssen. Steht dieses Fundament, der “common ground”, des gemeinsam geteilten Auftrags, dann können die Herausforderungen der Zukunft angegangen werden. Erst dann kann die Organisation gestärkt und weiterentwickelt werden. Für Führungskräfte heißt dies, diesen Prozess unterstützen, aber die Ausgestaltung allen Beteiligten zu überlassen. Mit einer solchen Herangehensweise kann dann verhindert werden, dass die Seifenblase “Leitbild” in ihrem Höhenflug platzt. *Monika B. Arzberger ist Geschäftsführerin der koiné GmbH, Agentur für Bürgerdialog und Konfliktklärung in Freising.

Klare (SPD) auf und geht noch einen Schritt weiter: “Kollaborative Mobilitätsformen bevorrechtigen, die Stadt der kurzen (Fuß-)Wege organisieren, aber auch Arbeit, Wohnen, Freizeit wieder in einem Stadtquartier zusammenfallen

“Die FDP ist für freie Mobilität und gegen Verbote und Bevormundung. Dazu gehört auch, dass die Menschen in der Stadt das Recht haben, mit dem Pkw mobil zu sein und zu bleiben”, kritisiert Oliver Luksic, verkehrspolitischer Sprecher. Der Vorschlag der Agora Verkehrswende ziele darauf ab, die Automobilität in Deutschland zu erschweren und zu behindern. Mit einer freien und offenen Gesellschaft habe das wenig zu tun. Ein Parkverbot als Regelfall sei rechtlich fragwürdig und entbehre jeglicher Praxis und Realität. “Der grüne ideologische Kampf gegen individuelle Mobilität ist mit der praktischen Lebensrealität und den Mobilitätsbedürfnissen der breiten Mehrheit der Gesellschaft nicht in Einklang zu bringen.” Es brauche keine Mobilitätswende, das würde eine komplette Umkehr implizieren, sondern neue und moderne Lösungen

mit einem technologieoffenen Ansatz für eine Mobilität der Zukunft. Dies bedeute: “Digitalisierung der Infrastrukturen und Verkehrslenkung, autonomes Fahren, Car- und Ridesharing und zusätzlich ein damit gut vernetzter, moderner und qualitativ hochwertiger ÖPNV”, betont der Bundestagsabgeordnete.

“Teuer und weniger” ist der falsche Anreiz Deutliche Worte kommen seitens des kommunalen Spitzenverbandes: “Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass höhere Bepreisung oder Verknappung des Parkraums aktuell nicht zielführend sind. Es braucht erst das attraktive, alternative Verkehrsangebot, äußert sich Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), diesbezüglich. Zumal laut Studien jedes dritte Fahrzeug, das in deutschen Metropolen unterwegs sei, nach einem Parkplatz suche. Durch die Verknappung würde die Belastung vermutlich sogar noch steigen. Wenn die Anbindung mittels der Alternativen für den Autofahrer interessanter sei, dann würden diese umsteigen. “Aus diesem Umstieg entwickelt sich dann weniger Individualverkehr, dadurch werden weniger Parkplätze benötigt und dann können wir über Parkraumrückgewinnung nachdenken”, so Handschuh.

E-Mobilität zum Ausprobieren Der ländliche Raum als Push-Faktor (BS/Dr.-Ing. Sonja Machledt-Michael/Sven Volkers/Hauke Wischer*) Der Landkreis Wolfenbüttel fördert, initiiert und unterstützt Projekte, um Lösungen für die Herausforderung zu finden, die E-Mobilität in den ländlichen Räumen mit sich bringt. Insbesondere dieser besitzt oft die notwendige Infrastruktur, um die E-Mobilität voranzubringen. Aber vorher müssen die Menschen ihre Vorbehalte ihr gegenüber ablegen. Der Landkreis arbeitet deshalb mit vielen Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft sowie Kommunen und Politik zusammen. Deshalb wurde das Netzwerk “Elektro-Mobilität” gegründet, um diese unter einem Dach zu vereinen. Ein wichtiger Verbündeter des Netzwerks ist das Centrum für Elektromobilität an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften (CEMO). Dort wurde eine Projektstelle durch die Förderung der Stiftung “Zukunftsfonds Asse” geschaffen, die Projekte plant, konkretisiert und umsetzt. Damit wird Elektro-Mobilität im Wortsinne erfahrbar und sichtbar. Ziel des Landkreises, der kreisangehörigen Kommunen und der Ostfalia ist es, die Akzeptanz von Elektro-Mobilität in der Bevölkerung zu steigern.

Alltagstaugliche Elektromobilität Denn in den ländlichen Räumen ist, anders als in stark verdichteten Räumen, die Ladeinfrastruktur oft bereits vorhanden. Viele Menschen leben im Eigentum, haben Garagen oder Carports mit Steckdosen, an denen das E-Auto aufgeladen werden kann. Häufig ist in den Haushalten auf dem Lande ein Zweitwagen vorhanden, denn vielfach muss in urbane Bereiche zur Arbeit gependelt werden. Hier bietet sich ein E-Auto an. Für Pendler mit E-Autos gibt es nämlich gewisse Vorteile wie kostenfreie Parkplätze in den Städten. Diese können Kommunen laut Elektromobilitätsgesetz ausweisen, um somit Elektro-Mobilität direkt zu fördern. Weitere Möglichkeiten, die auch der Landkreis Wolfenbüttel und seine Mitgliedsgemeinden nutzen, sind Maßnahmen zum Abbau der Angst vor fehlender Ladeinfrastruktur. Aber auch die Integration von E-Fahrzeugen in die kommunale Flotte oder Werbung für die Nutzung anderer Verkehrsmittel, beispielsweise des Elektrofahrrads, gehören da-

zu. Eine weitere konkrete Maßnahme im Landkreis Wolfenbüttel wird die Möglichkeit sein, sich ein E-Auto auszuleihen.

Eigene Erfahrungen sammeln Zwei Elektro-Pkws werden für je vier Wochen in jeder Einheitsbzw. Samtgemeinde für einwöchige Probefahrten zur Verfügung stehen. Um diese jeweils acht Testzeiträume können sich alle Einwohnerinnen und Einwohner (und Gewerbetreibenden) mit Führerschein bewerben. Wobei Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, bevorzugt werden sollen. Es ist etwas anderes, eine kurze Probefahrt zu machen oder eigene Erfahrungen mit einem Elektro-Pkw für eine Woche im normalen Alltag zu sammeln. Das Elektro-Auto steht den Testenden kostenlos zur Verfügung. Sie werden lediglich gebeten, die Fahrzeuge (fast) voll aufgeladen und blitzblank wieder abzugeben. Damit auch der nachfolgende Testfahrende die erste Fahrt ganz unbeschwert genießen kann.

Einfach zu Hause laden Neben der angeblich zu geringen Reichweite von Elektroautos steht auch immer die fehlende öffentliche oder öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur in der Diskussion. Auch an diesem Punkt setzt der Landkreis Wolfenbüttel an. Die günstigste Möglichkeit zum Laden eines Elektro-Fahrzeugs ist zweifellos eine bereits vorhandene, ganz normale SchukoSteckdose. Denn alle ElektroPkws haben die Möglichkeit, an einer Schuko-Steckdose aufgeladen zu werden. Ein solches Kabel ist im Lieferumfang immer dabei. Auf diese Weise lädt der weit überwiegende Teil der ElektroPkw-Besitzer zuhause. Die nächste Stufe ist die Installation einer sogenannten Wall-Box, eines an die Wand (oder einen Pfahl) geschraubten Moduls mit einer Typ 2 Steckdose (oder einem an dem Modul

befestigten Kabel mit einem Typ 2-Stecker). Fast alle Elektro-Pkw haben ein Kabel an Bord, mit dem sie an Typ-2 Steckdosen, die einer Drehstrom-Steckdose ähnlich sind, laden können. Zudem haben die meisten in Deutschland zugelassenen E-Fahrzeuge eine Typ-2-Ladebuchse, sodass ein an der Wall-Box befindliches Kabel nur eingesteckt zu werden braucht. Je nach Anschluss und Ausstattung kann an einer WallBox mit 3,6 kW (wie zu Hause an einer Schuko-Steckdose) oder mit bis zu 22 kW geladen werden.

Geschenkte Wall-Boxen Um mehr Ladeinfrastruktur in den Landkreis zu bringen und damit die Lademöglichkeiten sichtbarer zu machen, wird die CEMO-Projektstelle gezielt den Einzelhandel ansprechen. Supermärkte werden von vielen Menschen aufgesucht und die Zeit des Einkaufens oder der Kaffeepause kann sinnvoll zum Laden genutzt werden. Das Angebot einer Lademöglichkeit stellt für den Einzelhändler eine Möglichkeit der Kundenwerbung oder -bindung dar. Dies gilt natürlich umso mehr, wenn der Strom kostenlos abgegeben wird. Im Rahmen des Projektes werden deshalb Wall-Boxen angeschafft und den Einzelhändlern gratis überlassen. Die einzige Bitte dabei ist, diese anzuschließen und für drei Jahre den Strom an die Kunden zu verschenken. Die entstehenden Kosten lassen sich begrenzen, wenn die Ladeleistung auf 3,6 kW und das Laden auf die Öffnungszeiten beschränkt wird. So kommen Ladepunkte an Orte, die von vielen Menschen aufgesucht werden. Schließlich verstärkt sich die Wahrnehmung der verfügbaren Ladeinfrastruktur. * Dr.-Ing. Sonja Machledt-Michael und Hauke Wischer, CEMO Sven Volkers, Leiter des Amtes Bauen und Planen im Landkreis Wolfenbüttel


Kommunale Ordnung

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Behörden Spiegel / Oktober 2018

Kameras sind nur ein Baustein

Es zählt die Gründlichkeit

Videobeobachtung allein sorgt noch nicht für mehr Sicherheit

Register kann Vorteile für Behörden bringen

(BS/Marco Feldmann) Zur Erhöhung der objektiven und der subjektiven Sicherheit braucht es einen ganzheitlichen Ansatz. Sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen sind erforderlich. Nur auf die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu setzen, bringt nichts. Vielmehr müssen die einzelnen Maßnahmen sinnvoll in ein Gesamtkonzept eingebettet werden. Das gelte auch für die Überwachung des öffentlichen Raumes mithilfe von Kameras, sagt Mannheims Erster Bürgermeister, Christian Specht. “Videobeobachtung ist kein Allheilmittel und nur ein Baustein für mehr Sicherheit”, so der CDU-Politiker. Es komme darauf an, die Technik in ein schlüssiges Sicherheitskonzept zu integrieren. Zu einem solchen gehören seines Erachtens neben den Bildaufnahmen ein urbanes Sicherheitsaudit, Runde Tische sowie Schwerpunkteinsätze und eine effektive Kooperation unterschiedlicher Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Eine weitere sinnvolle Idee sei die Einrichtung eines “Hauses des Jugendrechts”. Dort sollten Staatsanwaltschaft, Polizei, Jugendgerichtshilfe und Jugendamt unter einem Dach zusammenarbeiten, erklärte Specht auf dem diesjährigen “Bundeskongress Kommunale Ordnung” des Behörden Spiegel in Hamburg. Vor rund 150 Teilnehmern in der Hansestadt machte er zudem deutlich, dass das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger mithilfe von Befragungen systematisch erfasst werden und bei der Videobeobachtung große Transparenz herrschen müsse. Auch müssten die Menschen vom Nutzen der Kameras überzeugt werden. “Hier muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden”, berichtete der Christdemokrat. Und er verlangte: “Die Videobeobachtung muss eingebettet sein in ein Konglomerat an Präventionsmaßnahmen.”

Technik weiterentwickelt Da dies in Mannheim gelungen sei, sei die Akzeptanz der Maßnahme innerhalb der Bevölkerung dort sehr groß. Aus diesem Grunde habe es auch kaum Widerstände gegeben, als der Beschluss fiel, die Videobeobachtung in Richtung eines Videoschutzes auszubau-

(BS/mfe) Anfang kommenden Jahres soll es starten: die Rede ist vom bundesweiten Bewacherregister. Aber schon jetzt ist absehbar, dass bis dahin nicht alle Daten eingetragen sein werden. Schließlich müssen die Angaben aller Gewerbetreibenden und ihrer mehr als 250.000 Beschäftigten in der Sicherheitswirtschaft eingepflegt werden. Und hier gehe keit. Eine generelle Konsumun- Gründlichkeit vor Schnelligkeit. tersagung sei juristisch schwer aufrechtzuerhalten. Solche Maßnahmen würden von Verwaltungsgerichten oftmals als unverhältnismäßig eingestuft, berichtete Werner Friedhoff. Der Fachbereichsleiter für öffentliche Ordnung und Sicherheit räumte zudem ein, dass die einschlägige Szene mit einem derartigen Verbot nicht aufgelöst, sondern nur verdrängt werde. “Allein mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen ist das Problem nicht zu lösen”, gestand Friedhoff ein.

Das Interesse am diesjährigen “Bundeskongress Kommunale Ordnung” des Behörden Spiegel war groß. Zu der Veranstaltung in der Freien und Hansestadt Hamburg konnten rund 150 Teilnehmer begrüßt werden. Fotos: BS/Feldmann

en. Mittlerweile sei die Technik in seiner Stadt in der Lage, auf der Basis von Algorithmen bestimmte Bewegungsmuster zu erkennen. Es fänden weder eine biometrische Gesichtserkennung noch eine Akustikanalyse statt, so Specht. Mit Blick in die Zukunft forderte der Politiker: “Es muss uns rechtspolitisch gelingen, von der Videobeobachtung zum Videoschutz zu kommen. Automatisierte Bildauswertung muss Teil einer kommunalen Sicherheitsstrategie werden.”

dards für Büroarbeitsplätze und den Außendienst. Dessen Mitarbeiter seien nunmehr angewiesen, Dienstfahrzeuge zu nutzen und Dienstgänge im Dunkeln zu vermeiden. Darüber hinaus gebe es Bestimmungen für Alleinarbeit, Verhaltensregeln für unerwartete Situationen und Kommunikations- sowie Deeskalationstrainings. Im nordrhein-westfälischen Herne besteht derweil ein partielles Alkoholverbot in der Öffentlich-

Sicherheitsstandards aufgestellt In Aachen existiert ein solches Konzept bereits für den Bereich der Gewaltprävention. Darin würden alle Formen von Gewalt in vier Stufen klassifiziert. Diese reichten von kontroversen Gesprächssituationen bis zum Einsatz von Waffen, erläuterte Katrin Päßler, Leiterin des Bereichs Arbeitssicherheit bei der Stadt Aachen. Für jede dieser Stufen seien Handlungs- und Verhaltensempfehlungen entwickelt worden. So existierten inzwischen etwa Sicherheitsstan-

Christian Specht, Erster Bürgermeister Mannheims, plädierte für eine Weiterentwicklung der Videobeobachtung im öffentlichen Raum.

Dissens über BOD Für diese Feststellung erhielt der Vertreter aus Herne Zustimmung vom Leiter des Bezirks­ amtes Hamburg-Mitte, Falko Droßmann. Dieser unterstrich außerdem, dass sich der Einsatz von Spezialisten auch im Bereich der kommunalen Ordnung bewährt habe. Er halte deshalb eine Wiedereinführung des Ende 2013 aufgelösten Bezirklichen Ordnungsdienstes (BOD) nicht für sinnvoll. Dieser habe sich schlicht nicht bewährt. Das wollte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion der Hamburger Bürgerschaft, Dennis Gladiator, so nicht stehen lassen. Er ist der Auffassung, dass es zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit in Deutschland neben einer starken Polizei und einem effektiv arbeitenden Verfassungsschutz auch gut aufgestellte Ordnungsdienste in den Städten und Kommunen brauche. “Ich halte es nach wie vor für richtig, dass die Polizei durch das Vorhandensein eines Ordnungsdienstes entlastet wird. Erst das Miteinander von Polizei und Kommunalen Ordnungsdiensten führt zu einem Mehr an Sicherheit auf allen Ebenen”, meint Gladiator.

Neue Ansätze verfolgen Linksparteivorsitzende: Hausbesetzer nicht strafrechtlich belangen

Das meint Uwe Lübking, Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). Schließlich lägen die Daten teilweise nur in Form von Papierakten vor. Auch dürften einige Angaben veraltet sein. Das angestellte Bewachungspersonal sei wahrscheinlich ab November zu melden. Vorher müssten die kommunalen Behörden ihre Datensätze bereinigen. Hierfür müssten sie auch die Gewerbetreibenden selbst einbinden. Das koste ebenso Zeit wie der Umstand, dass die Zuständigkeiten zur Umsetzung des Registers bundesweit auf verschiedenen Ebenen angesiedelt seien. Aus diesem Grunde geht der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW), Dr. Harald Olschok, davon aus, dass die Datenerstbefüllung voraussichtlich erst Mitte 2019 abgeschlossen sein wird. Offen ist zudem noch, was geschieht, wenn Gewerbetreibende ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen. Ungeachtet dessen meint Olschok: “Der BDSW erhofft sich durch die Einführung des Bewacherregisters eine signifikante Verkürzung der derzeit häufig viel zu langen Zuverlässigkeitsüberprüfungszeiten von Beschäftigten der Sicherheitswirtschaft durch die Gewerbebehörden.” Überprüfungszeiten von teilweise durchschnittlich drei Monaten seien völlig inakzeptabel und verzerrten den Wettbewerb, kritisierte das geschäftsführende BDSW-Präsidiumsmitglied. Deshalb kündigte Olschok an: “Wir werden uns weiterhin gegenüber Bundesregierung und Bundestag nachdrücklich für einen praxisgerechten und zukunftsgerichteten rechtlichen Rahmen für den zukünftigen Betrieb des Bewacherregisters starkmachen.”

Verzeichnis ermöglicht Vor-Ort-Kontrollen Positiv betrachtet Niedersach-

(BS/mfe) Die Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, ist gegen ein strafrechtliches Vorgehen gegen Hausbesetzer. Ein sol- sens Wirtschaftsminister Dr. ches Vorgehen sei “Blödsinn” und verhagele wegen dann eventuell vorhandener Vorstrafen junge Karrieren. Anstelle der “Berliner Linie”, die die Bernd Althusmann (CDU) das Räumung besetzter Immobilien innerhalb von 24 Stunden vorsieht, plädierte sie für das in Zürich verfolgte Modell. neue Bewacherregister, das beim Dort würden schon seit fast 30 Jahren besetzte Häuser oftmals nicht geräumt, berichtete Philippe Koch von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Es gebe allerdings Bedingungen. Zum einen dürften keine Sicherheitsbedenken oder denkmalschutzrechtlichen Einwände gegen ein Leben in der Immobilie bestehen. Zum anderen sei eine Duldung der Besetzung nur möglich, sofern noch kein Vertrag über eine Neunutzung der Immobilie vorliege. Und: Es dürfe keine Bau- oder Abbruchgenehmigung existieren. Zudem werde in der Schweizer Metropole erst geräumt, wenn der Eigentümer des besetzten Hauses Strafantrag gestellt habe. “In Zürich sind immer etwa 20 bis 40 Häuser besetzt. Außerdem gibt es zahlreiche “stille Besetzungen”, bei denen die Polizei gar nicht erst eingeschaltet wird”, berichtet Koch. Er sagt aber auch, dass es in der Stadt durchaus Räumungen gebe. Dies sei etwa der Fall, wenn es während der Besetzung mehrfach zu Rechtsverstößen komme. Schubert hält das “Züricher Modell” für einen “gangbaren Weg” und eine “vernünftige Linie”, die auch in der Bundeshauptstadt Einzug halten sollten. Denn: “An die grundgesetzlich geschützte Eigentumsgarantie kommen wir

In Berlin werden aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder Häuser besetzt. Die politischen Meinungen über die Frage, wie damit umgegangen werden soll, differieren erheblich. Foto: BS/Our House OM10, CC BY 2.0, flickr.com

nicht heran.” Gleichwohl könne das Land Berlin Spekulationen mit Immobilien mithilfe des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes und der dazugehörigen Rechtsverordnung begegnen. Damit werde der Wohnraum zumindest wieder seinem eigentlichen Zweck zugeführt, so die Politikerin. Aber noch etwas sei von großer Bedeutung, ergänzt ihre Parteikollegin Katalin Gennburg. Die Sprecherin für Stadtentwicklung der Linken-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus fordert, die “Berliner Linie”, die Teil einer Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters

Hans-Jochen Vogel aus dem Jahr 1982 war, in eine Rechtsverordnung zu überführen. Bisher sei sie nämlich nur eine politische Übereinkunft, wonach besetzte Häuser innerhalb von 24 Stunden geräumt würden. Diese gelte unverändert fort, heißt es dazu aus der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Wenn ein Eigentümer die Polizei alarmiere, weil in sein Eigentum eingebrochen wurde und er sich gegen diese Straftat wehren möchte, werde die Polizei räumen. Dies unterliege im Rechtsstaat keiner politischen Ermessensentscheidung. Während die Innenverwaltung also

hart bleibt, hat der Berliner Senat kürzlich einen Gesetzentwurf zur Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetzes zur Kenntnis genommen. Damit kommt die Landesregierung einer Forderung nach, die auch Gennburg erhebt. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) erklärte zu dem Vorhaben: “Die einer grundlegenden Novellierung des Wohnungsaufsichtsgesetzes vorgeschaltete Änderung entspricht dem Ziel des Senats, schneller und konsequenter gegen verwahrloste Wohngebäude vorzugehen und Problemimmobilien wieder dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen.” Die Wohnungsaufsicht in den Bezirken werde im Falle notwendiger Ersatzvornahmen handlungsfähiger gemacht. Dazu würden deren Kosten künftig als öffentliche Last qualifiziert. Der Sprecher für Bauen und Wohnen der CDU-Fraktion Berlin, Christian Gräff, geht derweil hart mit den Linken ins Gericht. Sie hätten es maßgeblich zu verantworten, dass die Preise stiegen. Schließlich träten sie beim Wohnungsneubau bewusst auf die Bremse und verknappten damit das Angebot in der wachsenden Stadt Berlin. Außerdem verunglimpften sie jeden Investor öffentlich als Immobilienspekulanten, kritisiert Gräff.

Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geführt werden soll. Aus seinem Hause hieß es, das Verzeichnis sei ein Stützpfeiler für die Überwachung der Sicherheitswirtschaft. Es ermögliche in weiten Teilen überhaupt erst Vor-Ort-Kontrollen der zuständigen Verwaltungen

Ab Anfang kommenden Jahres soll es ein zentrales Bewacherregister in Deutschland geben, das beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn geführt wird. Ob der Zeitplan tatsächlich eingehalten werden kann, ist jedoch fraglich. Foto: BS/Gisbert Heim, pixelio.de

sowie durch die Polizei. Des Weiteren begünstige es die Koordinierung und Kommunikation der Behörden untereinander. Das Bewacherregister sei ein gebotenes und zeitgemäßes Instrument für einen mit einer sehr sensiblen Tätigkeit betrauten Gewerbezweig. Schließlich seien private Sicherheitsdienste immer öfter auch Kooperationspartner öffentlicher Stellen und wirkten unter anderem bei der Absicherung von Großveranstaltungen mit, heißt es aus dem Hannoveraner Wirtschaftsministerium. Aus dem Bundespolizeipräsidium in Potsdam ist unterdessen zu hören, dass die Einrichtung des zentralen Bewacherregisters aktuell keine Auswirkungen auf die Aufgaben der Behörde habe. Vonseiten des Bundeswirtschaftsministeriums ist zu hören, dass die Erstbefüllung des Verzeichnisses in drei Stufen erfolgt. Zunächst hätten sich die in den jeweiligen Bundesländern zuständigen Gewerbebehörden registriert. Anschließend würden die Daten der Gewerbetreibenden erfasst werden. Dieser Prozess solle noch in diesem Jahr starten. Schlussendlich sollten in einem dritten Schritt dann die Angaben zu den Wachpersonen verarbeitet werden. All diese Schritte sollten weitgehend im Sommer kommenden Jahres beendet sein. Einzige Bedingung: Die gelieferten Daten erfüllen auch die notwendigen Qualitätsstandards.

MELDUNG

Toter in Hamburg (BS/mfe) Bei einem Einsatz im Rahmen einer Zwangseinweisungsmaßnahme ist ein Mitarbeiter des Bezirksamtes Hamburg-Altona ums Leben gekommen. Er wurde mit einer brennbaren Flüssigkeit bespritzt und angezündet. Ein weiterer Beschäftigter wurde schwer verletzt. Die Vorsitzende des Hamburger Landesverbandes der komba gewerkschaft, Ines Kirchhoff, erklärte zu dem Vorfall: “Sicher sind die sogenannten Züführungen aufgrund der Klientel immer heikel. Aber dieses Ausmaß ist erschreckend.” Wichtig sei nun, dass dieser besondere Fall vollständig aufgeklärt und analysiert werde, um Lehren ziehen zu können. Eine Konsequenz könnte laut Kirchhoff sein, derartige Maßnahmen nicht mehr allein von Mitarbeitern der

Bezirksämter durchführen zu lassen, sondern nur noch mit polizeilicher Unterstützung. Eventuell seien auch unbürokratische Hilfen seitens der Stadt für die Angehörigen des Verstorbenen und des Verletzten notwendig. Kirchhoff machte zudem darauf aufmerksam, dass die registrierten verbalen und körperlichen Übergriffe auf Verwaltungsmitarbeiter in der Hansestadt zwischen 2010 und 2017 um fast 47 Prozent auf zuletzt 1.852 gestiegen seien. Ein Schwerpunkt liege dabei mit rund 32 Prozent in den Bezirksämtern. “Die Zahlen zeigen insgesamt eine steigende gesellschaftliche Verrohung und einen weiter abnehmenden Respekt gegenüber dem Staat, seinen Institutionen sowie seinen Vertreterinnen und Vertretern”, so Kirchhoff.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Oktober 2018

Das Kreuz mit der Wahl

KNAPP Beta-Version des Bundesportals online

Gefahr durch Cyber-Angriffe und Desinformation (BS/Benjamin Stiebel) Spätestens seit den Unregelmäßigkeiten während der letzten US-Präsidentschaftswahl ist klar: Demokratische Wahlen sind ein attraktives Ziel für diejenigen, die mit überschaubaren Ressourcen Misstrauen gegenüber politischen Akteuren oder Strukturen säen wollen. Je stärker der Wahlprozess elektronisch abgewickelt wird, desto größer wird die Gefahr durch direkte Cyber-Angriffe. Mit dem Aufstieg digitaler Medien wird aber auch eine indirekte Beeinflussung der Meinungsbildung durch Desinformation befürchtet. Weniger bei den anstehenden Landtagswahlen, womöglich aber bei der kommenden Europawahl. Parlamentswahlen in Deutschland sind bisher ohne echte “digitale Zwischenfälle” ausgekommen. Vor der letzten Bundestagswahl hatte der Chaos Computer Club zwar vor Sicherheitsproblemen in der in vielen Bundesländern genutzten Software PC-Wahl gewarnt. Letztlich hatte es aber keine technischen Manipulationsversuche gegeben. Die hätten am Ende auch kaum erfolgreich sein können, weil die Technik nur die Ermittlung des vorläufigen Ergebnisses unterstützt. Das endgültige amtliche Wahlergebnis basiert auf Wahlniederschriften. Und: Wenn es zu Unregelmäßigkeiten kommt, kann immer noch einmal von Hand nachgezählt werden. Es ist immer ein physischer Nachweis vorhanden. Das mag in Zeiten der Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche rückständig klingen, ist aber durchaus politisch gewollt. 2009 war ein unter dem früheren Bundesinnenminister Otto Schily gestarteter Vorstoß Richtung E-Voting bei den Bundestagswahlen vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden. Seitdem ist es um das digitale Wählen in Deutschland ruhig geblieben. Als der heutige Chef des Bundeskanzleramts, Prof. Helge Braun, gegen Ende der letzten Legislaturperiode in einer Kabinettsitzung vorschlug, digitale Wahlen wieder auf die Agenda zu nehmen, wurde das insbesondere aus Gründen der Sicherheit scharf kritisiert. Nun liegt das Thema auf Eis.

Vielfältige Methoden Das heißt aber nicht, dass Wahlen in Deutschland immun gegen moderne Angriffe sind. Dr. Sven Herpig und Julia Schuetze von der Stiftung Neue Verantwortung

Kritischer wird es womöglich bei oder Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai 2019. Sie wird von vielen als Bewährungsprobe für die EU gesehen und stellt daher ein lohnendes Ziel dar für Akteure, die den Zusammenhalt in der Union schwächen wollen. Problematisch ist, dass bereits ein erfolgreicher CyberAngriff auf einen einzelnen Mitgliedsstaat dazu führen könnte, dass die Sitzvergabe nicht bestätigt werden kann. Damit wäre das Zusammentreten des Parlaments verhindert. Die Handlungsfähigkeit der EU könnte infrage stehen.

EU fordert Maßnahmen In Deutschland setzt man sein Kreuz bei politischen Wahlen noch mit Zettel und Stift. Sicher vor Beeinflussung ist man damit jedoch nicht. Denn Cyber-Kampagnen zielen nur selten auf den Wahlprozess selbst. Mit Blick auf die Europawahl 2019 drängt die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten dazu, sich auf Angriffe vorzubereiten.

untersuchen Motive und Methoden von Angreifern, die es auf Wahlen abgesehen haben. Ziel ist nicht immer der Wahlprozess selbst. Eine Möglichkeit besteht darin, sensible Informationen über Kandidaten oder Parteien durch Cyber-Angriffe abzuschöpfen und in der Wahlkampfphase bekannt zu machen. Beobachtet wurden aber auch schon Angriffe auf öffentliche Informationsangebote für Wähler wie in den Niederlanden und in der Ukraine. “Hier geht es Akteuren darum, Unsicherheit in der Bevölkerung zu schüren und die Integrität des demokratischen Prozesses infrage zu stellen”, sagt Schuetze. “Die unmissverständliche Botschaft lautet: Es ist möglich, euch anzugreifen.” Das Vertrauen in politische Strukturen zu erschüttern, erfordert also nicht unbedingt besonderes technisches Know-how und Ressourcen. Denn Sabotage

Foto: BS/Tim Reckmann, Pixelio.de

von Webseiten oder Datendiebstahl in IT-Systemen von Landesverbänden der Parteien sind in der Regel wohl einfacher zu bewerkstelligen als die Manipulation des Wahlprozesses. Eine zentrale Erkenntnis der Untersuchungen fasst Herpig so zusammen: “Nicht erfolgreiche, aber öffentlich bekannt gewordene Versuche der Wahlbeeinflussung können genauso schädlich sein wie erfolgreiche, die unbekannt bleiben.”

Gefeit vor Desinformationen? Gefahr droht der demokratischen Willensbildung nicht nur durch Cyber-Angriffe. Auch der Einfluss von Desinformationen auf Wahlen wird öffentlich intensiv diskutiert. Über Soziale Netzwerke können einzelne Falschmeldungen heute ungefiltert und rasend schnell verbreitet werden. Befürchtet wird, dass

diese Dynamik für groß angelegte Desinformationskampagnen zur Wahlbeeinflussung genutzt werden könnte. Hier gibt Alexander Sängerlaub von der Stiftung Neue Verantwortung vorsichtige Entwarnung. Die letzte Bundestagswahl habe gezeigt, dass die deutschen Wähler für derartige Einflussnahme nicht besonders anfällig seien. Er führt das darauf zurück, dass hierzulande das Vertrauen in etablierte Medien noch stärker ausgeprägt sei. “Verglichen mit den USA spielen Soziale Netzwerke in Deutschland als Informationsquelle eine deutlich geringere Rolle”, so Sängerlaub. Im Vorfeld der bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern sei es überraschend ruhig geblieben, so Sängerlaub. Man habe bisher keine Falschmeldungen mit nennenswerter Reichweite beobachten können.

Die Kommission wendet sich daher mit Empfehlungen für Maßnahmen zum Schutz vor Wahlmanipulation an die Mitgliedsstaaten. So sollen diese nationale Kontaktstellen für einen raschen Informationsaustausch und Kooperation bei erkannten Gefahren benennen. Leitfäden zur Cyber-Sicherheit und zum Datenschutzrecht sollen Behörden, Parteien und Medien dabei unterstützen, IT-Systeme abzusichern und Datenmissbrauch vorzubeugen. Außerdem fordert die Kommission mehr Transparenz im Bereich der politischen Werbung im Netz. In Deutschland bereiten sich die zuständigen Behörden bereits vor. Aus der Erfahrung der letzten Bundestagswahl heraus sei die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) intensiviert worden, heißt es aus dem Büro des Bundeswahlleiters Dr. Georg Thiel. Um die ordnungsgemäße Durchführung der Europawahl sicherzustellen, stehe man derzeit in engem Austausch mit BSI und den Landeswahlleitungen.

2018: Digitalisierungsoffensive 4.0 für NRW

(BS/ab) Der Bund hat die Beta-Version seines Verwaltungs­ portals (www.beta.bund.de) online geschaltet. Dort sollen digi­ tale Dienstleistungen zugänglich gemacht werden, die in der alleinigen Verantwortlichkeit des Bundes liegen. Von den 575 Verwaltungsdienstleistungen, die im Zuge der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes bis Ende 2022 digital abgebildet werden sollen, sind dies 115. Ende 2018 soll das Bundesportal an das Online-Gateway des Portalverbunds angedockt werden.

Neues Bündnis für Cyber-Sicherheit (BS/stb) Bundesregierung und deutsche Industrie wollen ein Bündnis für Cyber-Sicherheit schmieden. Bundesinnenmi­ nister Horst Seehofer und der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, unterzeichneten hierzu ein entsprechendes Memo­ randum of Understanding. Im Rahmen der Kooperation sollen insbesondere Projekte zur Ent­ wicklung von Schlüsseltechnologien für kritische Geschäftspro­ zesse angestoßen werden, um die digitale Souveränität Deutschlands zu stärken.

EU-Superrechner für eine Milliarde Euro (BS/wim) Die Europäische Union hat die Gründung eines Unternehmens beschlossen, mit dem eine europaweite Infra­struktur für Hochleistungsrechner aufgebaut werden soll. Das sogenannte EuroHPC (European High Performance Computing) soll zügig die Arbeit aufnehmen und dabei Ressourcen aus 25 EU-Staaten bündeln. Aufbau und Betrieb des neuen Unternehmens sollen rund eine Milliarde Euro kosten, die hälftig aus dem EU-Haushalt und von den teilnehmenden Staaten finanziert werden.

Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen

Land, Kommunen, Regionen, IT-Dienstleister – kooperative Modellakteure und innovative Treiber 8. November 2018 in Düsseldorf / Neuss Prof. Dr. Andreas Pinkwart Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen eröffnet den Kongress mit der Digitalisierungsoffensive 4.0 für NRW.

Anja Weber

Hartmut Beuß

Die Vorsitzende des DGB NRW beschreibt künstliche Intelligenzen als Gestaltungs- und/ oder Konfliktfeld für Personalräte.

Der Beauftragte der Landesregierung Nordrhein-Westfalens für Informationstechnik (CIO) reflektiert Ziele und Schwerpunkte der E-GovG-Projekte.

Ausführliche Informationen zum Programm und Anmeldung unter:

www.e-nrw.info Eine Veranstaltung des


Digitalisierung

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D

Mit dem Organisationserlass vom März 2018 verfügte die Bundeskanzlerin den Umzug der “Gemeinsamen IT des Bundes” vom Bundesinnenministerium (BMI) zum Bundeskanzleramt (BK). Der Aufgabenbereich ist im BK seither in der Abteilung 6 (Politische Planung, Innovation und Digitalpolitik, IT-Steuerung des Bundes) unter Leitung von Eva Christiansen angesiedelt. Allerdings existiert im BMI weiterhin der “Stab IT-Konsolidierung Bund” unter Leitung von Rolf Krost. Des Weiteren ist im BMI das Referat DG I 4 für die IT-Steuerung zuständig. Die Aufgabenverteilung zwischen BK und BMI soll trennen zwischen den Zuständigkeiten des operativen Teils der IT-Konsolidierung (Abstimmung mit anderen Ministerien), BMI und der strategischen Ausrichtung der IT-Konsolidierung, BK. Es bleibt zu vermuten, dass das Kanzleramt eine Art Aufsicht über den Konsolidierungsprozess beanspruchen wird, was sicherlich auch sinnvoll ist, zumal der BMI-Stab zur ITKonsolidierung zu häufig im Streit mit gleichrangigen anderen Ressorts um Kompetenzen ringt. Doch derzeit sortiert sich das Kanzleramt noch, sodass die Arbeitsteilung noch nicht abschließend zu beurteilen ist.

Sieben neue Organisationen Die sieben neuen Organisationen lassen sich in beratende und eher operative Einheiten unterteilen. Digitalrat Beraten soll die Bundesregierung ein Digitalrat sowohl zur Verwaltungsdigitalisierung wie auch zu Gründer- und Gesellschaftsfragen. Das ehrenamtlich besetzte Gremium soll zweimal im Jahr zusammenkommen. Es verfügt über keinen eigenen Etat. Die Geschäftsstelle befindet sich in der Abteilung 6 im Bundeskanzleramt. Datenethikkommission Über ein neues Datenrecht im Digitalzeitalter soll die Daten­ ethikkommission beraten und bereits in einem Jahr der Regierung Vorschläge unterbreiten, wie ein Entwicklungsrahmen für Digitalpolitik entfaltet werden kann, der nicht nur datenschutzrechtliche, sondern vor allem datenethische Fragen im Umgang mit Algorithmen und Künstlicher Intelligenz (KI) bewertet. Die Kommission tagt monatlich für zwei Tage in Berlin und hat sich bereits Arbeitsaufträge gegeben, die über das hinausgehen, was ihr die Bundesregierung an Leitfragen mit auf den Weg gegeben hat. Ziel dabei ist es auch, Geschäftsmodelle zu

Gefahr der Überkomplexität (BS/R. Uwe Proll und Autorenteam*) “Die Digitalisierung bietet große Chancen für unser Land und seine Menschen”, heißt es im Koalitionsvertrag – und weiter: “Wir wollen unser Land in allen Bereichen zu einem starken Digitalland entwickeln.” Nachdem von der “Digitalen Agenda” des vorletzten Koalitionsvertrags am Ende nichts weiter als Stillstand zu konstatieren blieb, wollte die GroKo diesmal “klotzen”. Eine Vielzahl neuer Gremien, Kommissionen und Behörden sieht der Koalitionsvertrag vor, parallel die Beteiligung des Bundeskanzleramtes. Die zahlreichen neuen Akteure müssen sich nun erst einmal selbst finden und ihre Aufgaben präzisieren. Zudem müssen sie auch ihr Verhältnis zueinander und das zu bereits bestehenden Institutionen wie dem IT-Planungsrat klären.

Die Digitalisierungs-Architektur Bund politisch steuernd Bundestag

Bundesregierung / Digitalkabinett

Im Kanzleramt geht es nicht nur um IT und Verfahren, sondern um Digitalisierungsstrategie. An einer anderen Stelle geht es ebenso darum, Überlappungen zu entzerren. So organisiert das BMI seine E-GovernmentAgentur nach heftiger Kritik der Bundesländer im IT-Planungsrat bewusst klein, um nicht in Konflikt mit der noch im Aufbau befindlichen Föderalen IT-Kooperation (FITKO), demnächst als Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet, zu geraten. Zudem ist die inhaltliche Schwerpunktsetzung mit der Fokussierung auf Innovationsmanagement eine andere, da FITKO sich insbesondere als operativer Unterbau für die Umsetzung der Vorhaben des IT-Planungsrates versteht.

Spiegel der Länder Chef des Bundeskanzleramtes Bundesminister Dr. Helge Braun

beratend EnqueteKommission zur KI

Datenethikkommission

Digitalrat

Abteilung 6: Politische Planung, Innovation und Digitalpolitik, Strategische IT-Steuerung

Kommission Wettbewerbsrecht 4.0

Die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung

IT-Rat Staatssekretärsebene

Staatsministerin Dorothee Bär

Eva Christiansen

operativ BMF

BMI

CIO des Bundes Staatssekretär Klaus Vitt

BMVg Agentur für Innovation in der Cybersicherheit (Ressortforschung)

E-Gov. Agentur

BMBF

BMWi DigitalAgentur

Agentur für Sprunginnovationen (allgemeine Förderung und Forschung)

(für Wirtschaft / in Planung)

(für Verwaltung / in Planung)

entwickeln, die Datenschutz und ethische Voraussetzungen erfüllen und dennoch wirtschaftliche Modelle im Umgang mit Daten zulassen. Ein erstes Papier zur KI liegt vor. Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 Die von der Bundesregierung unter Federführung des BMWi eingesetzte “Kommission Wettbewerbsrecht 4.0” soll vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung und Digitalisierung als rechtspolitische Plattform für eine Debatte zur Weiterentwicklung insbesondere auch des europäischen Wettbewerbsrechts dienen und sich dabei mit den wettbewerbspolitischen Fragestellungen befassen, die sich durch die fortschreitende Entwicklung der Datenökonomie, die Verbreitung von Plattformmärkten und durch die “Industrie 4.0” ergeben. Bis Herbst 2019 soll die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 insbesondere konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten. E-Government-Agentur Eine E-Government-Agentur soll neue Angebote exklusiv für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung entwickeln. Das BMI, in dem die Agentur als unmittelbar an den IT-Staatssekretär Klaus Vitt angedockte Projektegruppe entstehen soll, sieht diese als “Think AND Do Tank”. Zielgruppen der Agentur sind Start-ups, die Zivilgesellschaft und natürlich die Verwaltung selbst. Ein verwaltungsinterner Inkubator nach französischem Vorbild (beta.gouv.fr) soll etabliert werden. Anfang 2019 soll die Projektgruppe eingerichtet sein. Neben dem ÖFIT, einem Sub-Institut des Berliner Fraunhofer Fokus und aus dem BMI-Etat finanziert, sieht man sich, in Ergänzung praktischer Lösungen, also auch konkreter Verfahren, eben nicht nur als Think Tank. Ebenfalls operativ tätig werden sollen zwei Agenturen nach dem Vorbild der US-amerikanischen DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency).

Das Land Hessen organisiert es ähnlich wie der Bund mit Digitalisierungsrat und Ethikkommission, manche Länder haben wenig unternommen und andere haben Konzepte, die stark verwaltungsintern und gesellschaftspolitisch orientiert sind (siehe Grafik unten) oder die prioritär ihren Wirtschaftsstandort unter den Digitalisierungsprämissen fördern. Neben der Frage, ob es sich mehr um Forschungs-, Förderungs- oder unmittelbare Regierungsgremien handelt, ist es wie immer eine Frage des Geldes – und da liegt Bayern eindeutig vorn. Wo Bund und Länder marschieren, wollen die Kommunen nicht hintenanstehen, so fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund die Einrichtung einer Digitalagentur für Kommunen, die nicht nur die Digitalisierung der Gemeinden beratend begleiten soll, sondern – so die Idee – auch IT-Musterverfahren entwickeln könnte.

© Behörden Spiegel, Jörn Fieseler und Autorenteam; Grafik: Beate Dach

Neuorganisation Bund

Geflecht föderativer Dichte

Die Digitalisierungs-Matrix föderal politisch steuernd

IT-Planungsrat (Bund, Länder, Kommunen)

Gemeinsam voranschreiten

Länder

FITKO

(beispielhaft)

Beispiel Brandenburg

Beispiel Bayern

operativ STMFLH CIO des Landes Finanzminister Albert Füracker

STMWi Fortiss GmbH

Zentrum DigitalisierungBayern

STMWK Digitalbonus Bayern

operativ

MP Dietmar Woidke

Staatsminister für Digitales in der Bayerischen Staatskanzlei Georg Eisenreich

Gründerland Bayern

Bayerische Forschungsund Innovationsagentur

beratend Digitalbeirat

MIK CPIO Cornelius Everding

MWE ITBeauftragte Katrin Lange IT-Rat

E-GovernmentAgentur Kommunen

(geplant)

Investitionsbank des Landes (ILB) Digital Agentur (geplant)

(Vorschlag)

Agentur für Sprunginnovationen Zum einen die Agentur für Sprunginnovationen mit Fokus auf den zivilen Bereich. Alleingesellschafter der GmbH ist der Bund, federführend sind das BMBF und das BMWi. Gefördert werden sollen vielversprechende Lösungsansätze durch Innovationswettbewerbe. Zudem soll in der Rolle eines Transfer-Hub Unterstützung für Unternehmensgründungen gewährleistet werden. 151 Millionen Euro sind in der Anlaufphase bis 2022 geplant. Befristet ist die Agentur auf zehn Jahre und soll ein Gesamtbudget von insgesamt bis zu einer Milliarde erhalten. Agentur für Innovation in der Cybersicherheit Getrennt hiervon als Ressortforschung ist die Agentur für Innovation in der Cybersicherheit in Gründung. Ihr Aufbaustab ist derzeit im BMVg angesiedelt, mit “Juniorpartner” BMI. Forschungs- und Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet der CyberSicherheit sollen hier finanziert, ihre Ergebnisse größtenteils offengelegt werden – Geheimprojekte sollen Ausnahmen bleiben.

Für 2018 stehen 15 Millionen Euro zur Verfügung, danach sollen jährlich 100 Millionen Euro fließen. 80 Prozent der Mittel werden als Wagniskapital vergeben, eingeplant ist dabei bewusst auch das Scheitern geförderter Projekte. Digitalagentur Der Koalitionsvertrag sieht auch die Gründung einer Digitalagentur vor, “die die Bundesregierung als nachgeordnete Behörde in der Umsetzung der Maßnahmen unterstützt. Dazu gehören z. B. die Telekommunikations- und Plattformregulierung oder Marktbeobachtung.” Aus dem zuständigen BMWi heißt es dazu: Die Sache befinde sich in Prüfung und zum aktuellen Zeitpunkt könnten keine Details bekanntgegeben werden. Mit anderen Worten – man ist noch nicht soweit, wenn auch im Kanzleramt auf diese Digitalagentur auch deswegen gesetzt wird, weil sie als Pendant zur E-Government-Agentur die Bereitschaft der Bundesregierung gegenüber der Wirtschaft und ihren Digitalisierungsbelangen Dialog und Steuerung signalisieren würde.

© Behörden Spiegel, Jörn Fieseler und Autorenteam; Grafik: Beate Dach

ies muss man zusätzlich vor einem föderalen Geflecht von Behörden und Institutionen sehen, die 16-fach das Thema Digitalisierung von Gesellschaft, Verwaltung und Wirtschaft, jeweils mit regionalspezifischen Aspekten, versuchen herunterzubrechen. Hunderte von Kommissionen, Instituten und beteiligten Behörden haben es nicht nur schwer, jeweils im eigenen Bundesland den Überblick zu behalten, bundesweit ist allen Beobachtern der Überblick verloren gegangen. Aber selbst den Akteuren in Berlin sind allein die durch den Koalitionsvertrag nun in Gründung befindlichen Organisationen nicht alle bekannt: Digitalrat, Agentur für Innovation in der Cybersicherheit (AICS), Agentur für Sprung­innovationen, E-Government-Agentur, Datenethikkommission, Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 und Digitalagentur – alles neu und im Werden.

Behörden Spiegel / Oktober 2018

Föderatives Verhältnis Bundeskanzleramtschef Prof. Dr. Helge Braun hat den Anspruch, in der Regierungszentrale die Fäden der Digitalisierung der Regierung zusammenzuhalten. Dazu werden Regierungssitzungen auch mal als Digitalkabinett abgehalten, vor allem aber ist die Koordination des IT-Rates, also der IT-Verantwortlichen aller Bundesministerien, ins Kanzleramt gewechselt und dessen Chef hat angeordnet, dass zu diesen Sitzungen die einzelnen Ressorts Staatssekretäre zu entsenden haben. Soweit die Organisation aufseiten der Bundesregierung. Doch wie sieht es nun mit der Koordination der seit Langem bestehenden Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Form des ITPlanungsrates aus? Der Bund entsendet hier in dieses Gremium, das eigentlich auf nationaler Ebene die Initiativen lenken und steuern soll, den CIO der Bundesregierung, Staatssekretär Klaus Vitt aus dem BMI. Betrachtet man diese Arbeitsteilung, könnte man dem Chef des Bundeskanzleramtes den Titel Chief Digital Officer (CDO) der Bundesregierung antragen.

Wie aus diesem Geflecht ein wirksamer Prozess von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz entstehen kann, wird die Zeit weisen, von der allerdings mit Blick auf den globalen Digitalisierungswettbewerb wenig übrig ist. Im Gegensatz zur letzten Legislaturperiode besteht immerhin der Versuch auf Bundesebene, die Dinge in Gang zu setzen, doch Worten müssen Taten folgen. Neben den zahlreichen Eigeninitiativen des Bundes wie parallel der Länder käme eigentlich dem IT-Planungsrat, der Verfassungsrang genießt, eine weitaus zentralere Rolle vor allem in der Koordination und Vermeidung von Doppelungen zu. Es bleibt nun zu beobachten, ob Bund und einige Länder mehr ihren eigenen Initiativen Aufmerksamkeit und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellen als dem gemeinsamen, aber vielleicht entscheidenderen Weg der IT-Kooperation, -Koordination und damit -Vereinheitlichung. Deutlicher werden sollte dabei die Rolle von Prof. Dr. Helge Braun als Chief Digital Officer der Bundesregierung, unterstützt von seiner Staatsministerin Dorothee Bär. Zwei unterschiedliche Präsentationsformen aus ein und demselben Haus, immerhin der Regierungszentrale, sind durchaus hilfreich. Das zweite, auch durch das Bundeskanzleramt zukünftig zu unterstützende, Machtzen­ trum müsste der IT-Planungsrat werden, denn nur Deutschland insgesamt kann sich zu einem “starken Digitalland entwickeln”. Nicht der Bund, Bayern oder die Stadt Bonn – digital geht nur als Ganzes! *An den Recherchen waren neben dem Autor folgende Redakteure des Behörden Spiegel beteiligt: Adrian Bednarski, Jörn Fieseler, Guido Gehrt, Wim Orth, Benjamin Stiebel.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Oktober 2018

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Digital Fair Trade

ind Daten das “neue Öl” unserer Gesellschaft?

Daten sind die Quelle für Informationen, aus denen Erkenntnisse abgeleitet werden. Unternehmen kreieren so neue Produkte und Dienstleistungen. Staatliche Institutionen können sie einsetzen, um Verfahren effizienter und bürgernäher zu gestalten. Daten sind für die Wertschöpfung so wichtig, dass oft vom “neuen Öl” gesprochen wird. Die Bezeichnung führt aber in die Irre, da Öl ein Verbrauchsgut ist, das verkauft werden kann. Daten, insbesondere personenbezogenen, können weder “verbraucht” werden noch sind sie Eigentum im klassischen Sinne. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sieht vor, dass jeder prinzipiell darüber entscheiden kann, welche Daten er zu welchem Zweck freigibt. Man kann daher nur die Erlaubnis zur Nutzung übertragen. Deshalb soll im Sinne der Datenhoheit bestimmt werden können, wer meine Daten zur Erkenntnisgewinnung nutzen darf, wobei die aktuelle Vorgehensweise Konstruktionsfehler aufweist. Wo gibt es Konstruktionsfehler beim Thema Datenhoheit? Beim vorherrschenden Prinzip existiert ein Ungleichgewicht zugunsten der Datennutzer – meist die Privatwirtschaft, aber auch staatliche Institutionen. Der historisch gewachsene Prozess sieht vor, dass man der Datenschutzerklärung eines Unternehmens zustimmt, die für alle einheitlich definiert ist. Wer nicht zustimmte, konnte die betreffenden Dienste nicht nutzen. Dieses Prinzip des “Entweder-oder” ist aufgrund des öffentlichen Drucks zum Teil von den amerikanischen “GAFAM-Konzernen” angepasst

Die Gerechtigkeitsfrage der digitalen Gesellschaft (BS) Die Wertschöpfung durch Daten und informationelle Selbstbestimmung sind kein Widerspruch. Allerdings ist eine Diskussion nötig, wie Nutzungsrechte personenbezogener Daten zum Vorteil der Bürger individualisiert verfügbar gemacht werden können. Beim “Digital Fair Trade” sollte die Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen, auch damit sie Regeln für die Privatwirtschaft durchsetzen kann. Der Diskurs über die Datensouveränität steht noch am Anfang und muss von Experten wie Politik und Gesellschaft geführt werden. Einen Denkanstoß liefert der Vizepräsident der Initiative D21 Marc Reinhardt, Leiter Public Sector & Healthcare bei Capgemini. worden, selektivere PrivatsphäreEinstellungen und somit eine selektivere Datennutzungserlaubnis wurden möglich. Doch gewisse Daten sind auch Voraussetzung, um Dienste vollumfänglich zu nutzen: Soll ein digitaler Assistent Vorschläge machen, muss er wissen, wann ich zum Flughafen muss und wie ich da hinkommen will. Sollte es Konzepte geben, damit der Bürger seine Daten “verkaufen” kann? Daten können zum Tausch für eine Dienstleistung eingesetzt werden, die diese gleichzeitig zum vollen Leistungsumfang benötigt. Wir stehen am Anfang, aber die ambitionierte Vision ist, die Nutzungsberechtigung eines Tages zu monetarisieren. Die Politik kann die Ausgestaltung nicht antizipieren, aber dazu beitragen, dass jeder den Wert seiner Daten kennt und künftig einfordern kann, angemessen am Mehrwert aus ihnen beteiligt zu werden. Dies ist unsere Vorstellung von “Digital Fair Trade”. Was bedeutet “Fairness” bei der Wertschöpfung durch Daten? Die Bedeutung von Fairness und verbindlichen Regelungen verdeutlicht ein kürzlicher Streit um Flugzeugdaten (s. Beitrag unten). Die Fluggesellschaft und der Flugzeughersteller haben bei-

Marc Reinhardt, Vizepräsident der Initiative D21, mit einem Denkanstoß zum Thema Datenhoheit und was der Staat zum “Digital Fair Trade” beitragen kann.

Foto: BS/Capgemini

de zur Erzeugung beigetragen, doch ein Akteur reklamierte die Daten für sich. Doch nur eine gerechte Verteilung des Nutzens liefert allen Anreize, sich an ihrer Generierung zu beteiligen. Für mangelndes Vertrauen sind technische Lösungen in der Entwicklung – etwa vom deutschen Start-up Madana –, um Daten mittels Blockchain vor anderen zu schützen, aber sie gemeinsam auszuwerten. Bei Vertrauen und längerfristigem Austausch gibt es Datengenossenschaften, die den Wertschöpfungsprozess gemeinsam definieren und vergemeinschaften. Datengenossenschaften wie “Midata” aus der Schweiz fungieren wiederum als Treuhänder für Gesundheitsdaten von Bürgern, die an der

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

Wem gehören Daten? Auseinandersetzung um das “Eigentum” an Daten (BS/Patricia Scheiber*) Ob Triebwerksdrehzahl, Treibstoffverbrauch, Kabinendruck oder -temperatur, ein modernes Flugzeug zeichnet so ziemlich alles auf. 24.000 Messpunkte liefern auf diese Weise etwa 1,5 Terabyte Daten – pro Tag. Über diese Daten entflammte jüngst ein Streit zwischen der Lufthansa, Airbus und Boeing. Die Fluggesellschaft streitet mit den Flugzeugherstellern darüber, wem diese Daten gehören und wer diese nutzen darf. Für beide Parteien sind die erhobenen Daten wertvoll, denn deren Auswertung ermöglicht es, Flugzeuge vorausschauend zu warten – wichtige Informationen sowohl für Flugzeugbetreiber als auch Hersteller. Dieser Streit ist nur ein Beispiel dafür, dass eine rechtliche Regulierung der digitalen Ökonomie fehlt. Die Frage dabei ist, macht es überhaupt Sinn, von einem “Eigentum” an Daten zu sprechen und was macht Daten überhaupt wertvoll? Betrachtet man Daten ganz nüchtern, handelt es sich dabei um eine Abfolge von Zeichen und Symbolen. Daten sind beliebig oft reproduzierbar, damit gibt es keine “natürliche” Knappheit von Daten. Oft bestehen aber rechtliche oder technische Einschränkungen, um an Daten zu gelangen. Welchen Wert haben solche Daten? Stellen nicht vielmehr die aus den Daten gezogenen Informationen und Erkenntnisse

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24.000

Moderne Flugzeuge haben 24.000 Messpunkte, mit denen Daten erhoben werden. Unklar ist, wem diese Daten “gehören” und wer diese nutzen darf. den eigentlichen Mehrwert von Daten dar? Besonders wertvolle Erkenntnisse lassen sich durch die Verknüpfung von Daten gewinnen. Die Daten dafür können aus unterschiedlichen Quellen kommen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können dann aber nicht einem einzelnen “Besitzer” zugeordnet werden. Jede der an der Generierung von Daten beteiligten Institutionen könnte für sich beanspruchen, dass ohne ihr Zutun die Gewinnung von Informationen und Erkenntnissen nicht möglich wäre und hätte somit einen Anspruch auf die Hoheit der Daten. Darum geht es auch in dem Streit zwischen der Lufthansa, Airbus und Boeing. Alleinige Hoheit über die Daten und Informationen bedeutet nämlich auch die Verfügungsgewalt über die daraus gewonnenen Erkennt-

nisse. Mit einer alleinigen Datenhoheit einzelner Akteure entsteht eine “Daten-Marktmacht”. Damit daraus keine Datenmonopole entstehen und ein fairer Handel mit den Daten zum Wohle aller beteiligten Marktteilnehmer möglich ist, bedarf es einer selbstverpflichtenden oder gesetzlichen Regulierung. Rechtliche Bestimmungen dafür fehlen derzeit aber noch. Wie eine faire Beteiligung unterschiedlicher Akteure am Datenwertschöpfungsprozess aussehen könnte, diskutiert die Initiative D21 in einem gerade erschienenen Denkimpuls zu “Datenhoheit – Gerechtigkeitsfrage in einer digitalen Gesellschaft”. (s. www.initiatived21.de und auch den obenstehenden Beitrag). *Patricia Scheiber ist Referentin für Community Management und Kommunikation bei der Initiative D21.

Wertschöpfung beteiligt werden. Bei personenbezogenen Daten ist das Fairness-Prinzip noch bedeutsamer. Services müssen in Relation zu ihrer Preisgabe stehen, etwa wenn ich Fahrdaten anonymisiert in einen Pool gebe, der die Verkehrssituation berechnet und meine Route optimiert. Eine Spiele-App für zwischendurch, die weitgehenden Zugriff auf persönliche Daten verlangt, erfüllt diese Relation nicht. Zum Spielen ist der Zugriff auf mein Adressbuch unnötig. Die mehrseitige Datenschutzerklärung, die ich vorab annehmen muss, wird die Unverhältnismäßigkeit nicht klar offenlegen und die meisten werden sie nicht im Detail analysieren. Deshalb braucht es eine Sensibilisierung und eventuell auch Regulation, um so etwas zu verhindern. Datenschutz muss die informationelle Selbstbestimmung eines jeden sicherstellen und daher die tragende Rolle einnehmen, wann und wie ein Austausch von Daten gegen Leistungen stattfinden darf. Ein politischer Bemessungsgrundsatz könnte zudem das Allgemeinwohl sein. So könnte politisch gesetzt werden, dass eine anonymisierte, systematische Auswertung von Gesundheitsdaten zur Bekämpfung von lebensbedrohlichen Krankheiten so wichtig ist, dass ihr nicht widersprochen werden kann – das kann man politisch durchaus als “fair” einschätzen.

Wie kann der Staat beim “Digital Fair Trade” vorweggehen? Der Staat ist selbst Datennutzer und die aktuell konzipierten Nutzerkonten wären ein guter Anlass, die Datensouveränität der Bürger zu stärken und eine Signalwirkung zu entfachen. Die Grundbedingung ist Transparenz: Der Bürger muss jederzeit nachvollziehen können, welche Daten die jeweilige Behörde wofür nutzt. Kritiker monieren genau dies beim “Once-OnlyPrinzip”, nämlich dass der Bürger eben nicht nachverfolgen könne, mit wem seine Daten nach “einmaligem Bereitstellen” weiter geteilt werden. Ein möglicher Reflex wäre ein Verbot aus “falsch verstandener Fürsorglichkeit”. Der digital mündige Bürger sollte aber selbstbestimmt handeln können und benötigt dafür Wahlmöglichkeiten. Die Einwilligung zu “Once Only” hat einen wesentlichen Mehrwert, nämlich Komfort und Zeitersparnis, doch sollte man niemanden zwingen: Wer seine Daten einzelfallbezogen neu eingeben oder der Nutzung zustimmen will, sollte dies tun können. Eine so verantwortungsvoll und transparent agierende Verwaltung hat dann auch die Autorität, diese Einstellung von der Privatwirtschaft einzufordern. Wie sieht es mit der techni schen Umsetzung aus?

Die weitergehende Vision ist, allgemeine Einwilligungen durch personalisierte zu ersetzen. Nicht der Datennutzer sollte Art und Umfang für alle verbindlich definieren, sondern der Bürger individuell entscheiden, welche Nutzungsrechte er erteilt. Technologien wie das “Privacy Information Management System” machen einen “Digital Fair Trade” möglich. Projekte arbeiten daran, Datenschutzerklärungen maschinell zu analysieren und Zugriffsrechte zu visualisieren. Nutzer sollen die Datenkontrolle an einer Stelle zentralisieren und ihr Privatsphären-Profil vordefinieren können – quasi ein gespiegeltes Once-Only-Prinzip für jegliche Verfügbarmachung von Daten. Ein solcher “Dateneinwilligungsassistent” könnte künftig automatisiert anhand definierter Parameter agieren oder der Anwender individuell entscheiden. Blockchain und Smart Contracts sind vielversprechende Instrumente, die Verbreitung von Informationen nahtlos zurückzuverfolgen. Entsprechende “Self-Sovereign-Authorities” sind bereits Teil der politischen Diskussion. Gesellschaftliche Gerechtigkeitsfragen waren immer auch an die Produktionsmittel geknüpft. Was früher das Kapital war, sind heute Daten. Es ist unstrittig, dass ihre vermehrte Nutzung dem Einzelnen Vorteile bringt und die Wohlfahrt der Gesellschaft maßgeblich erhöht. Wir sind daher verpflichtet, Lösungswege zu finden, die Nutzung zu ermöglichen und gleichzeitig die Datensouveränität des einzelnen Akteurs sicherzustellen und zu fördern. Auch wenn die Durchdringung dieses Themas noch ganz am Anfang steht, lohnt es sich, diese Debatte in Politik und Gesellschaft mit Nachdruck zu führen.


Informationstechnologie

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Lotse der Verwaltung

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ehörden Spiegel: Herr Adelskamp, Sie sind seit fast eineinhalb Jahren Chief Digital Officer der Landeshauptstadt Düsseldorf. Diese Position ist in der öffentlichen Verwaltung derzeit noch eine Seltenheit. Wo liegen die Schwerpunkte in der täglichen Arbeit?

Behörden Spiegel / Oktober 2018

wurden die Gebühren für die Online-Version abgesenkt, weil die Prozesskosten durch die Automatisierung sinken. So konnten wir bereits eine Quote von 55 Prozent Online-Anträgen nach sechs Wochen erzielen, was ein großartiges Ergebnis ist.

Düsseldorfs CDO koordiniert die Digitalisierung der Landeshauptstadt

(BS) Peter Adelskamp ist als Chief Digital Officer (CDO) für die Digitalisierung der Landeshauptstadt Düsseldorf verantwortlich. Welche Aufgaben und welches Rollenverständnis sich hinter dieser in der kommunalen Landschaft noch sehr seltenen Position verbergen, erklärt Adelskamp im Interview mit dem Behörden Spiegel. Zudem berichtet der CDO über die Erfahrungen mit dem im Sommer gestarteten Serviceportal service.duesseldorf.de, bei dessen Einführung es der Landeshauptstadt u. a. durch ein spezielles Rabattmodell gelang, die Bürger für die Nutzung des Behörden Spiegel: Ist es Adelskamp: Der Aufgaben- Online-Services zu gewinnen. Die Fragen stellte Guido Gehrt. denkbar, das “Modell Bewoh-

schwerpunkt liegt bei der Erstellung und Umsetzung einer digitalen Strategie für die Stadt Düsseldorf und der Initiierung und Koordination von SmartCity-Themen. Auch der Breitbandausbau gehört dazu, wofür mein Team und ich Kooperationsverträge mit Anbietern abschließen und Fördermittel zur Schließung beantragen und Bewirtschaften.

Behörden Spiegel: Als CDO sind Sie unmittelbar im Büro des Oberbürgermeisters angesiedelt. Wie funktioniert von dort aus die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Dezernaten und Fachbereichen – organisatorisch und inhaltlich?

Welche Rolle spielt interkommunale und ebenenübergreifende Zusammenarbeit in Ihren Überlegungen?

Adelskamp: Verwaltungen sollten nicht alle E-GovernAdelskamp: Als CDO ist es ment-Prozesse selbst nicht mein Ziel, Kompetenzen erfinden müssen. und Verantwortung zu Projekten Das ist so, als würde Behörden Spiegel: Inwieweit aus den Dezernaten und Fachbe- in einer großen Suist die Schaffung eines CDO auch reichen herauszuziehen. permarktkette jede Durch einen Austausch mit Filiale alle Abläufe ein Signal an die international tätigen Unternehmen am Wirt- Projektverantwortlichen wird selbst erfinden und schaftsstandort Düsseldiese sind untereinandorf: Seht her, hier ist jeder nicht kompatibel. mand, mit dem könnt Ihr Deswegen ist es wich“Verwaltungen sollten nicht alle über Eure Anliegen auf tig, zentrale Angebote E-Government-Prozesse selbst Augenhöhe sprechen? zu entwickeln und anerfinden müssen.” zubieten und, wo es die Adelskamp: Das ist ein nicht gibt, vorhandene Lösungen anderer Komwichtiges Signal und ein Grund, warum die Stelle ein- sichergestellt, dass Ideen auch munen zu übernehmen oder mitgerichtet wurde. Während für fachbereichsübergreifend disku- zunutzen. Standort- und Gründungsfragen tiert werden und neue Aspekte die Wirtschaftsförderung kompe- berücksichtigt werden, wie die Behörden Spiegel: Blicken wir tenter Ansprechpartner ist, fehlte Verwendung einer Lösung für auf die digitale Verwaltung: In eine solche Funktion für fach- mehrere Anforderungen. Dazu Düsseldorf ist Mitte Juli service.liche Fragen, die das operative bedarf eines vertrauensvollen duesseldorf.de gestartet. Was Geschäft oder konkrete Projekte Austausches. zeichnet dieses neue kommunale Serviceportal aus? betrafen. Hier diene ich als LotBehörden Spiegel: Es ist eine se der Verwaltung und vernetze Adelskamp: Kommunale Angegemeinsam mit der Wirtschafts- Binsenweisheit, aber die Digitaliförderung die Unternehmen am sierung macht auch in Düsseldorf bote werden häufig nicht genutzt, nicht an der Stadtgrenze halt. weil sie nicht gefunden werden Standort.

nerparkausweis” auch auf andere Verwaltungsdienstleistungen zu übertragen?

“Als CDO ist es nicht mein Ziel, Kompetenzen und Verantwortung zu Projekten aus den Dezernaten und Fachbereichen herauszuziehen.”

Adelskamp: Auf jeden Fall. Die bei uns eingesetzte Basis stammt von einer Lösung für die Stadt Aachen, die wir um das Servicekonto.NRW und die Bezahloption PayPal ergänzt haben. Das zeigt, dass Lösungen von mehreren Kommunen eingesetzt werden können und Weiterentwicklungen helfen allen, die das gleiche Produkt einsetzen.

Peter Adelskamp ist seit Mai letzten Jahres Chief Digital ­Officer (CDO) der Landeshauptstadt Düsseldorf. Foto: BS/Landeshauptstadt Düsseldorf

oder zu kompliziert sind. Wir haben unsere digitalen Verwaltungsleistungen an einer Stelle gebündelt und verschiedene Lösungen für eine einfache Suche eingebaut. Ferner haben wir eine Reihe von Modulen wie E-Payment, Servicekonto, Ausfüllassistenten, Online-Postfach und print@home eingeführt, die nun als Basis für den Ausbau vieler weiterer Prozesse dienen. Damit wollen wir eine höhere Geschwindigkeit bei der Digitalisierung erreichen.

Adelskamp: Mit den Presseveröffentlichungen und Veranstaltungen haben wir herausgestellt, dass man beispielsweise den Bewohnerparkausweis vollständig automatisiert innerhalb von ca. zehn Minuten zu Hause selbst ausdrucken kann – und damit nicht mehr Stunden für einen persönlichen Besuch des Rathauses investieren muss. Auch

Behörden Spiegel: Wie sehen die nächsten Schritte beim Ausbau des Serviceportals aus? Adelskamp: Mit den neuen Modulen werden nun weitere Dienstleistungen digitalisiert. Die Einführung des Online-Knöllchens und der Beantragung von Sonderparkgenehmigungen stehen dabei ganz oben auf der Liste.

IT als Treiber der Verwaltungsmodernisierung:

Behörden Spiegel: Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um bei Bürgern und Unternehmen eine möglichst hohe ­Akzeptanz für dieses neue Angebot herzustellen?

Der Newsletter E-Government, Informationstechnologie und Politik des Behörden Spiegel

Anmeldung: www.behoerdenspiegel.de newsletter@behoerdenspiegel.de

Keine Romantisierung Start-up-Spirit in der Verwaltung zulassen (BS/ab) “In Deutschland müssen wir strategisch vorgehen. Wir können das System nicht über Nacht ändern. Start-ups müssen lernen, damit umzugehen, wie die Ausgangsvoraussetzungen sind”, sagte Tijen Onaran, Gründerin von Global Digital Women. Neben den Start-ups war auch das Thema Frauen in der Digitalbranche ein Aspekt auf der Veranstaltung “myGovernment” des Instituts für den öffentlichen Sektor in Berlin. “Ich denke, es braucht drei wichtige Punkte, um Frauen zu fördern: Unternehmergeist, Unternehmertum und Vorbilder”, betonte Onaran. In den Schulen müsse der Unternehmergeist geschult werden, da würden wir in Deutschland hinterherhinken. “Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mich unternehmerisch zu verwirklichen”, so die Gründerin. Gleichzeitig brauche es Unternehmertum auch innerhalb einer Organisation. Also die Mitarbeiter sollten darin gefördert werden, selbstständig zu denken und verantwortungsvoll zu handeln. Schließlich brauche es noch Vorbilder, die einen prägen könnten. “Ich versuche, Frauen auf die Bühne zu bringen und sie zu unterstützen, ihre Ideen auszusprechen.”

E-Kfz gelebt Auf der Veranstaltung hatten mehrere Start-ups die Gelegenheit, sich und ihre Lösungen für die Verwaltungen zu präsentieren. Unter anderem das Jungunternehmen Kroschke GmbH mit seiner Lösung carTrust, die auf der Blockchain basiert. Es zielt dabei auf den Zulassungsprozess von Kraftfahrzeugen ab. “Nach eigenen Umfragen erhielten wir als Antwort, dass sich 80 Prozent der Zulassung innerhalb von zehn Minuten abarbeiten lassen”, so Marcus Olszok, Produktmanager von Kroschke GmbH. E-Kfz

biete die rechtliche Basis dafür und alle Informationen, die für eine Online-Zulassung nötig seien, seien auch bereits digital. Deshalb: Über die BlockchainTechnologie würden die Daten des Fahrzeugs bereitgestellt und online immer weitergegeben werden – nicht fälschbar. Dadurch könne online die An-, Ab- und Ummeldung sicher folgen.

Software zu kompliziert? Aber neue Lösungen und Updates sorgen oft für Verwirrung und Startschwierigkeiten. “Die neuen Technologien müssen für jeden Menschen nutzbar sein, ohne dreiwöchige Schulungen”, betonte Hartmut Hahn, Geschäftsführer von userlane. Heutzutage werde oft noch wie früher geschult. Statt Bücher seien es nun PDF-Dokumente, statt Videos nun YouTube und oft auch noch die klassischen Schulungen. “Wir haben eine Technologie entwickelt, die sich in jede Software, die browserbasiert ist, einbauen lässt”, erläutert Hahn. Sie sei interaktiv und würde neue Software schrittweise erläutern. Dabei sei sie individuell modellierbar, um unterschiedliche Aspekte zu erklären. Daneben präsentierten sich noch 1000° Bot, welche Chatbots für Behörden entwickeln, und Viderum, die Verwaltungen helfen, Open-Data zu ermöglichen.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Oktober 2018

Zusammenspiel ausweiten

H

ans-Jürgen Niemeier, seit Anfang August dieses Jahres Chief Executive Officer (CEO) und Vorsitzender der Geschäftsführung der BWI GmbH, verwies auf die Erfahrung seines Unternehmens mit Konsolidierungsprozessen: “Als IT-Dienstleister der Bundeswehr haben wir mit dem Projekt Herkules die Konsolidierung der nicht-militärischen Bundeswehr-IT umgesetzt.” Auf dem Weg zu einem Systemhaus des Bundes gelte es nun, diese Erfahrungswerte in die IT-Konsolidierung Bund einzubringen. Eine wichtige Voraussetzung sei, die “heterogenen IT-Landschaften unserer Kunden aus anderen Bundesressorts bestmöglich zu verstehen und durch kundennahe Lösungen zu konsolidieren und weiterzuentwickeln”. Das die BWI bei den hohen Anforderungen im Rahmen der IT-Konsolidierung Bund ihren Kunden Bundeswehr nach wie vor bestmöglich betreue und das IT-System der Bundeswehr gemeinsam mit dieser auch im Hinblick auf die Unterstützung einsatznaher IT weiterentwickele, stehe dabei außer Frage. “Wir sehen uns als Partner auf Augenhöhe mit Bundeswehr und Bundesressorts”, so Niemeier. Eine erfolgreiche Digitalisierung Bund funktioniere nur im engen Zusammenspiel der beiden IT-Dienstleister BWI und ITZBund, denn für einen ITDienstleister alleine seien die Aufgaben und Anforderungen im Rahmen der IT-Konsolidierung zu komplex und in einem angemessenen Zeitrahmen nur schwer zu bewältigen. So erbringe die BWI verschiedenste Unterstützungsleistungen für das ITZBund wie z. B. Personalleistungen für IT-Entwicklung oder IT-Betrieb. Gemeinsame Themen beispielsweise bei der Kundenschnittstelle förderten gezielt die Zusammenarbeit. Auch

Auf dem Weg zu breiterem Dialog und mehr Standards (BS/Guido Gehrt) Kommunikation und Kooperation sind – neben einer adäquaten finanziellen Ausstattung – die Grundpfeiler einer erfolgreichen IT-Konsolidierung des Bundes. Dies zeigten auch die Diskussionen des 3. Bonner Executive Forums, welches der Behörden Spiegel mit der Unterstützung des IT-Systemhauses Bechtle Ende September auf dem Petersberg in Königswinter veranstaltete. beim Bundesclient arbeite man eng zusammen, denn dieser solle ja schließlich für alle Bundesressorts gleichermaßen eingesetzt werden. “Entscheidend für den Erfolg ist es allerdings, ob es gewollt ist, den IT-Dienstleister als Generalunternehmer für das jeweilige Ressort fungieren zu lassen”, erklärte Niemeier. Das Bundesprojekt der ITKonsolidierung sei kein Dienstleister-Projekt, sondern ein gemeinsames Projekt zwischen IT-Dienstleistern und Bundesressorts. Es gehe darum, über die gesamte Zeit des Bundesbehördenprojektes in einem engen partnerschaftlichen Verhältnis ein Zielbild zu definieren. Je besser die Zusammenarbeit am Anfang sei, desto besser werde der Projektverlauf sein. Aber es müsse auch deutlich gesagt werden, dass bei einer Konsolidierung und Veränderung nicht alles von vornherein “wie geschmiert” laufen werde. BWI und ITZBund als IT-Dienstleister auf der einen und die zu konsolidierenden Bundesressorts auf der anderen Seite müssten einander kennen- und verstehen lernen und gemeinsam das Projekt IT-Konsolidierung vorantreiben.

Gute Zusammenarbeit im Leistungsverbund Die gute Zusammenarbeit im Leistungsverbund unterstrich auch Elias Paraskewopoulos, Leiter der Abteilung IT-Steuerung im ITZBund. Er zeigte sich zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Anfang 2016 begonnenen

sich für neue Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Blockchain in den Behörden öffnen. Beim BAMF seien heute bereits 21 Robots bei der Bearbeitung der Post im Einsatz. Ein Robot ersetze dabei die Arbeitskraft von acht Angestellten. Durch die angestrebte vollständige Digitalisierung des Posteingangs ließe sich so der Einsatz von 1.000 Mitarbeitern ersetzen, die sich dann wiederum anderen Aufgaben zuwenden könnten. Bislang nutze man die KI in ersten Prozessen nur als Assistenzsystem. Zukünftig werde man diesen Diskutierten Gegenwart und Zukunft der IT-Konsolidierung des Bundes Einsatz aber ausweiten. Bei der (von links): Felix Zimmermann (ZIB), Hans-Jürgen Niemeier (BWI), Moderator­ Blockchain sei aktuell ein PilotR. Uwe Proll (Behörden Spiegel), Elias Paraskewopoulos (ITZBund) und projekt mit Sachsen angelaufen. Dr. Markus Richter (BAMF). Hier liegen für Richter die AnFoto: BS/Lilge wendungsfälle insbesondere im IT-Konsolidierung. Ende dieses dieser agilen Teams sei nun auch Bereich der Register, um deren Jahres laufe nun das “Ertüchti- komplett aus der Hierarchie der Datenqualität zu verbessern. gungsprojekt” aus. Behörde herausgenommen wor- Zudem könne man Blockchainden, wie Richter erklärte. “Das ist Technologie zukünftig auch zum Behörden müssen in unseren Strukturen gar nicht ID-Tracking nutzen, um Identitäagiler werden so einfach zu bewerkstelligen”, ten sicher feststellen zu können. Mit Blick auf die Konsolidierung Mehr Mut bei der Digitalisie- räumte er ein. Dieses Vorgehen rung forderte Dr. Markus Richter, biete dem Team jedoch noch bes- forderte Richter, sich für KoopeVizepräsident des Bundesamtes sere Möglichkeiten, “neue Prozes- rationen zu öffnen, sowohl mit für Migration und Flüchtlinge se zu denken” und an innovativen anderen Behörden als auch mit (BAMF). “Wir – die Bundesverwal- Lösungen zu arbeiten. Wenn es Unternehmen. In diesem Zusamtung – sind heute oftmals noch zu nicht gelinge, für die Digitali- menhang verwies er auf das Netzpassiv und verstecken uns hinter sierung in den Behörden einen werk NExT (www.next-netz.de), rechtlichen Rahmenbedingungen, “Bypass zu legen”, würde es zu welches als ressortübergreifendes um etwas nicht zu tun”, so Rich- disruptiven Entwicklungen der- Netzwerk im März 2018 gegrünter. Er sprach sich hier für mehr gestalt kommen, dass beispiels- det wurde, um einen ganzheitlich “positiven Aktionismus” aus: “Wir weise Verwaltungsleistungen wie erprobten Werkzeugkasten für die müssen es nur machen.” Beim das Kfz-Meldewesen komplett Digitalisierung der Verwaltung BAMF setze man in der Zwischen- durch private Dienstleister (etwa zu entwickeln. Hierzu werden im zeit in der Software-Entwicklung Autoversicherungen) übernom- Rahmen von sechs thematischen sehr stark auf Agilität. So gebe es men werden könnten. Werkstätten konkrete Maßnahdort ein Agilitätslabor und auch Um einer solchen Entwicklung men pilotiert und auf ihre Machverschiedene agile Teams. Eines entgegenzutreten, müsse man barkeit überprüft, um ähnliche

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Projekte in anderen Behörden durchzuführen. Wichtig sei dabei die aktive Mitarbeit der NetzwerkMitglieder, so seien, wie Richter ausführte, auch schon Mitglieder wegen Passivität wieder aus NExT ausgeschlossen worden. Generell brauche man in der Bundesverwaltung “mehr Schnellboote”, um auf Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen kurzfristiger reagieren zu können. Hierzu habe man einen Verein für die Kooperation mit Start-ups gegründet, bei dem es einerseits um konkrete Projekte, aber andererseits auch darum gehe, einen besseren Einblick in die Arbeitsweise dieser jungen Unternehmen zu bekommen. Einen Einblick in die Beschaffungskonsolidierung gab Felix Zimmermann, Abteilungsleiter der Zentralstelle IT-Beschaffungen (ZIB) im Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums. Die ZIB sei im vergangenen Jahr als “Single Point of Contact” für ITBeschaffungen in der unmittelbaren Bundesverwaltung errichtet worden und habe in der ersten Stufe die Ausschreibung von Rahmenverträgen für Hardware, Software, Informations- und Kommunikationstechnik sowie IT-Dienstleistungen übernommen und Anfang Februar 2018 eine Rahmenvertrags-Roadmap aufgebaut. In der zweiten Stufe soll die ZIB zukünftig auch die Ausschreibung von Einzelvergaben übernehmen. Auch für die ZIB sei der enge Informationsaustausch für die Bedarfsermittlung in den Behörden einerseits sowie für die Übersicht über die Angebote des Marktes andererseits ein essenzieller Bestandteil ihrer Aufgabe. Eine große Herausforderung für Zimmermann sind hierbei die sehr heterogenen Anforderungen der Behörden, die eine Standardisierung häufig erschwerten.


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B

Informationstechnologie

Plattform für kommunale Digitalisierung

Behörden Spiegel / Oktober 2018

ehörden Spiegel: Herr Dr. Krischke, die Firma cloudeo bietet Daten mit Geobezug der unterschiedlichsten Anbieter über ein einfach zu bedienendes Portal an. Kann man es verkürzt so sagen? (BS) Geodaten werden heute in vielfältigster Weise in der öffentlichen Verwaltung genutzt und spielen insbesondere in den Planungsvorhaben

die vergleichbare Qualität. Auch ist der Prozess, an sie heranzukommen, nicht immer einfach. Man kann sich auch an einen der kommerziellen Vertreiber von Satellitendaten wenden und dort ein Bild bestellen. Dies wird der Kommunalverwaltungen oftmals eine zentrale Rolle. Den kommunalen Anwendern dabei die Nutzung der Geodaten einfach, komfortabel und in der Regel aber erst mit begleichzeitig kostengünstig zu ermöglichen, ist Anspruch und Geschäftsmodell des Unternehmens cloudeo aus München. Über die Angebote des stimmten Abnahmemengen und Unternehmens für kommunale Kunden sprach der Behörden Spiegel mit Dr. Manfred Krischke, Mitbegründer und Geschäftsführer der cloudeo AG. zu einem deutlich höheren Preis verkauft. Man landet dann sehr punkten in der schnell im Bereich von mehreren bzw. teuer als Einzelbestellung “Cloudeo hat mit seiner cloudGemeinde aus fest- tausend Euro. Auch könnte man erworben werden müssen. Hier bietet sich unser Produkt Showstellen zu können. eine Luftbefliegung beauftragen, basierten Plattform ein ÖkoAuch hier erfolgt die natürlich noch wesentlich MySite an. Dies ist ein sehr einsystem geschaffen, in dem man der Zugriff über aufwendiger ist. Mit unseren fach zu bedienender, browseralles als Service beziehen kann, unsere Web-App Services kann jeder zu sehr basierter Webservice, der auf das weltgrößte Archiv des führenden was man für die Digitalisierung und man wählt geringen Preisen, sehr einfach einfach den ge- und schnell an hochqualitaSatellitenbetreibers DigitalGlobe von ortsbezogenen Informatio- wünschten Stand- tive Informationen kommen. online zugreift. Man kann sich nen und Prozessen benötigt.” ort auf der Karte sehr einfach und komfortabel aus und bekommt die jeweiligen Bilder mit 30 cm Behörden Spiegel: Seit wann Auflösung aufrufen, beziehungsdann die Informa- ist cloudeo am Markt aktiv und Dr. Manfred Krischke ist Mitbegründer und Geschäftsführer der cloudeo AG. weise Gebiete eingrenzen und tion, von wo aus wie sehen ihre Pläne für die für wenige Euro pro Bild anetwaige Industrie- weitere Entwicklung aus, insFoto: BS/cloudeo schauen bzw. herunterladen. anlagen sichtbar besondere mit Blick auf die KomIm Vergleich dazu kostet ein wären und von wo munen? herkömmlich erworbenes Bild vermessungen oder der dauer- man über die Web-App Zugriff aus eben nicht. Dies kann ein Krischke: Wir haben bereits über 1.000 Euro und braucht hafte Kauf solcher Modelle und auf die stets aktuellsten Bildern, nützlicher Arbeitschritt in der der Verarbeitungssoftware, die sowie das Archiv des Satelliten- Planung solcher Anlagen sein. 2012 mit der Entwicklung der einiges an Lieferzeit. Des Weiteren bieten wir einen sehr kostenintensiv sind. cloudeo Plattform begonnen. betriebers hat und jedes Bild zweiten Service, der große VorBehörden Spiegel: Wie erlan- Ich selbst habe mich, nachdem mit Zeitstempel versehen ist. So teile für die Gemeinden birgt. Behörden Spiegel: Wo liegt der ist es Gemeinden beispielswei- gen die Mitarbeiter in den Kom- ich bereits 1998 meine erste Dieser bietet die Möglichkeit, konkrete Nutzen für die kommu- se möglich, den Baufortschritt munen Zugriff auf die Daten? Satellitenfirma (RapidEye) geebenfalls über einen einfach zu nalen Anwender? gründet habe, mit der wir fünf größerer Bauprojekte oder die bedienenden Webservice, online Krischke: Der Weg dahin ist Satelliten finanziert, gebaut und allgemeine Flächenentwicklung Krischke: Wie bereits erwähnt, über Zeit zu beobachten. Hier eigentlich sehr einfach. Der Mit- betrieben haben, immer mit der Analysen bezüglich der Topografie der Gemeinde durchführen zu kann man auf beide Services ist es ein großer Vorteil, dass im arbeiter der Kommune kann sich Entwicklung von günstigen komkönnen. Will man feststellen, ob ganz einfach über einen Webser- Gegensatz zu anderen, üblichen über unsere auf die Bedürfnisse merziellen Informationsdienstman von bestimmten Punkten vice zugreifen. Das funktioniert Datenarchiven, deren Aufnah- der Kommunen zugeschnitte- leistungen beschäftigt. Die dabei aus bestimmte Objekte sehen sehr einfach, wie man das von men teilweise zehn Jahre alt ne, deutschsprachige Home- gemachten Erfahrungen führkann, z. B. zur Planung von anderen Web-Apps gewohnt ist, sind, durch die Bildaquise in page www.kommune.cloudeo. ten zu der Erkenntnis, dass bis Windenergieanlagen, lokalen über einen Nutzer-Login und regelmäßigen Zyklen auch sehr de registrieren und online den heute große Eintrittsbarrieren WLAN-Netzen oder einfach für schon hat man von jedem ge- aktuelle Bilder zur Verfügung gewünschten Service erwerben. bestehen, wirklich günstige und Sichtbarkeiten von Industriean- wünschten Gerät aus Zugriff stehen. Die hochauflösenden Selbstverständlich kann auch leistungsfähige Dienstleistungen lagen, kann man diese Analysen auf die Daten. Die Web-App ist Bilder eignen sich übrigens auch einfach unser Kundenservice anzubieten. Dies war die Grundmit unserem Produkt NEXTMap sehr minimalistisch und über- sehr gut für Präsentations- oder kontaktiert werden, falls eine erkenntnis, die zur Gründung Analytics sehr einfach durch- sichtlich gehalten, sodass die Marketingzwecke. individuelle Beratung zu den und Mission von cloudeo geführt führen. Auch dieser Service Nutzer hier auch ohne großes Unser Service NEXTMap Ana- einzelnen Produkten erwünscht hat. Seitdem haben wir uns zum greift online auf einen extrem Vorwissen ganz intuitiv ihre lytics kann beispielsweise dafür ist. Es werden unterschiedliche führenden, innovativen Anbieter großen und genauen Datensatz Bilder und Daten finden und eingesetzt werden, um in einer Pakete für den jeweiligen Bedarf von solchen Datendienstleistunvon sogenannten digitalen Hö- herunterladen können. Gemeinde ohne großen Aufwand angeboten. Die Bezahlung er- gen entwickelt. Wir arbeiten daIm Falle von ShowMySite ist die Sichtbarkeit einer Industrie- folgt normalerweise einfach über bei mit fast 100 anderen Firmen henmodellen zu. Die Alternative hier wären aufwendige Boden- einer der großen Vorteile, dass anlage von verschieden Stand- PayPal, Kreditkarte und auch zusammen, welche größtenteils über Rechnungs- die Daten anbieten. Die zwei stellung, falls er- oben genannten Produkte sind wünscht. Danach dabei nur die ersten, die speziell kann der Service für Gemeinden von Interesse einfach an jedem sein können. Wir erwarten, dass Computer im Rah- hier noch eine ganze Reihe von men des erworbe- interessanten Informationsnen Pakets genutzt produkten kommen werden. werden. Werden Wir freuen uns auch auf die mehr Daten ge- Gespräche mit den Gemeinden braucht, lässt sich und Kreisen bezüglich des Bedas Paket jederzeit darfes nach neuen Leistungen erneuern bzw. er- und neuen Ideen für Produkte. weitern. Unser Behörden Spiegel: Der Komdeutscher Kundendienst steht munalbereich ist auf der Einda auch immer kaufsseite stark geprägt von gerne helfend zur Vergaberecht und Haushalt. Seite. Sollte bei Ge- Wie sprechen Sie die Verwalmeinden dazu In- tungen an und in welchem Rahteresse bestehen, men bewegen sich die Aufwänkönnen wir auch de für den Bezug von Daten? gerne einen Printservice anbieten, Krischke: Grundsätzlich beWer eine der auf den Fotos bei dem die Bilder wegen wir uns mit den durchabgebildeten Gemeinden und Analyseergeb- schnittlichen Kosten für den Beerkennt, kann Kontakt zu nisse professionell zug von Daten und auch Bildern cloudeo aufnehmen, um eiim Grossformat im Rahmen des sogenannten nen kostenfreien Ausdruck in A0-Format zu erhalten: ausgedruckt und “Direktkaufs” nach der Untermarketing@cloudeo.group zugesandt werden. schwellenvergabeordnung (UV Fotos: BS/DigitalGlobe gO), welcher ja bekanntlich bei Behörden Spie- 1.000 Euro ohne Umsatzsteuer gel: Was ändert liegt. Wir lagen aber auch schon sich für die Kom- nach der alten Vergabe- und munen im Vergleich Vertragsordnung für Leistungen zu vorherigen We- (VOL) mit der entsprechenden gen, an Daten zu Wertgrenze von 500 Euro im Bereich des Direktkaufs. Wir gelangen? haben dazu unsere HausaufKrischke: Wie gaben gemacht und werden von vorhin bereits er- Experten aus dem Bereich der wähnt, ist es heute Vergabe öffentlicher Auftragnormalerweise gar geber beraten. An dieser Stelle nicht so einfach, möchte ich noch erwähnen, an solche Daten in dass wir uns auch auf dem dieser hohen Auf- 5. Deutschen Vergabetag am lösung zu kom- 25. und 26. Oktober in Berlin men. Es gibt be- präsentieren. Gerne zeigen wir stimmte staatlich den Besuchern aus dem Komerhobene Daten, munal- und öffentlichen Sektor die den Gemein- dort unser Leistungsspektrum. den auch zuste- Wir sind auf dem Stand der hen, diese werden Precision Landing GmbH im aber nur seltener Ausstellungsbereich zu finden erhoben und bie- und freuen uns auf rege Disten oft auch nicht kussionen.

Der neue Weg durch webbasierte Geoinformationsdienstleistungen

Krischke: Das ist grundsätzlich richtig, aber beschreibt eigentlich nur einen kleinen Teil von dem, was cloudeo ausmacht. Cloudeo hat mit seiner cloud-basierten Plattform ein Ökosystem geschaffen, in dem man alles als Service beziehen kann, was man für die Digitalisierung von ortsbezogenen Informationen und Prozessen benötigt. Dies umfasst Satellitendaten der Mehrheit der verfügbaren Satellitenbetreiber, Prozessierungskapazitäten, Analysesoftware, direkt einsetzbare, veredelte Datenprodukte und thematische Karten. Für den Endkunden bedeutet dies, dass er bereits zu extrem niedrigen Einstiegskosten hochmoderne Informationsdienstleistungen beziehen kann, die einfach und schnell über das Internet abgerufen werden können. Behörden Spiegel: Geodaten spielen insbesondere im kommunalen Kontext eine zunehmend wichtigere Rolle. Welche Leistungen stellen Sie in Ihrem Portfolio für die Kommunen bereit? Krischke: Kommunen stehen vielfältigen Aufgaben gegenüber, bei denen die Fähigkeit, die Gemeinde- und Nachbargebiete von oben umfassend und aktuell betrachten und vermessen zu können und dabei auch historische Veränderungen feststellen zu können, entscheidende Vorteile birgt. Viele Gemeinden nutzen auch schon Luft- und Satellitenbilder, welche allerdings den Nachteil haben, dass sie nicht häufig genug erhoben werden


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Oktober 2018

DAISY entwickelt

D

as Bundesverwaltungsamt ist der zentrale Dienstleister für Bundesministerien und -behörden. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Entwicklung innovativer Software-Anwendungen, etwa in der ZfA, wo das “Deutsche-Auslandsschularbeits-Informations-System” (DAISY) als Anwendungslandschaft nun nach und nach die alte Anwendung ersetzt. DAISY wird im Endausbau rund zehn Fachanwendungen sowie etwa gleich viele Querschnittsanwendungen umfassen, um alle Prozesse der ZfA zu unterstützen, u. a. die Schulaufsicht des Bundes, Fachverfahren für Lehrerauswahl, Stellenhaushalt, Bewerbung, Förderung von Schulen und Lehrern, Beihilfen sowie das deutsche Sprachdiplom.

Software-Architektur nach IsyFact Das msg-Team übernahm in Zusammenarbeit mit der zuständigen Projektgruppe im BVA die Neukonzeption, Realisierung und Migration der Altverfahren auf DAISY. Die Software-Architektur sollte auf Basis der BVA-eigenen Referenzarchitektur IsyFact erfolgen. IsyFact ist ein Vorgehen und eine Referenzarchitektur für den Bau betrieblicher Informationssysteme für die öffentliche Verwaltung. Sie gibt den Architekturrahmen vor, dokumentiert und strukturiert die Beziehungen aller Komponenten untereinander und macht detaillierte

BVA und msg bauen neue Anwendung für deutsches Auslandsschulwesen (BS/Andreas Raquet*) Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) des Bundesverwaltungsamtes (BVA) betreut im Auftrag des Auswärtigen Amts und unter Mitwirkung der Länder mehr als 140 deutsche Auslandsschulen und rund 1.100 Sprachdiplomschulen personell, finanziell und pädagogisch. Das BVA beauftragte msg mit der Konzeption und Entwicklung einer neuen Fachanwendungslandschaft zur Unterstützung der fachlichen Prozesse der ZfA. Vorgaben zur Implementierung. DAISY, dessen erste Anwendung im März 2017 in Betrieb ging, hat eine Laufzeit von sechs Jahren und umfasst 20.000 Personentage. Insgesamt arbeiten an dem Projekt über 50 verschiedene Mitarbeiter. Trotz der Tutorials und Handbücher kommt es im Alltag zu Verstößen gegen die Regeln – für die Qualitätssicherung (QS) eine echte Herausforderung.

Qualitätssicherung in der Programmierung Gewöhnlich erfolgt die QS mittels manueller Code-Reviews im Rahmen eines Continuous-Integration-Prozesses. Diese traditionellen Ansätze skalieren jedoch nicht, sind bei einem Projekt wie DAISY mit tausenden Code-Zeilen pro Monat zeitaufwendig und oftmals auch nicht zuverlässig. Über die Zeit häufen sich schleichend immer mehr Architekturverstöße. Man spricht hier von Architekturerosion. Auf Dauer birgt diese immer mehr Risiken und steigende Kosten für Wartung und Implementie-

rung neuer Komponenten. Im Ex­tremfall kann die Weiterentwicklung nicht mehr wirtschaftlich erfolgen und das System wird abgelöst.

Einsatz des Werkzeugs jQAssistant Msg und das BVA entschieden sich daher für den Einsatz des Werkzeugs jQAssistant (jQA) – einer neuen und frei verfügbaren Lösung der automatisierten Architektur-Überprüfung. Im Entstehungsprozess setzt sie an derselben Stelle an wie Unit-Tests und statische Code-Analysen. “Die Idee hinter jQAssistant (jQA) ist, bei jedem Build-Vorgang eines Projekts automatisch zu prüfen, ob alle Architekturregeln eingehalten werden und Entwicklern unmittelbares Feedback zu geben”, beschreibt der Dresdner Java-Experte Dirk Mahler, Senior Consultant bei der buschmais GbR, die Funktionsweise des Open-Source-Werkzeugs, das sich einer wachsenden Community aus Anwendern und Entwicklern erfreut. jQA ist dafür in das Build-Management-Tool Ma-

Berlin will Digitalisierungsstrategie entwickeln alle teilnehmenden Senatsverwaltungen eine Bestandsaufnahme ihrer digitalen Maßnahmen und Projekte erarbeiten, die in einem Statusbericht zur Digitalisierung (Grünbuch) festgehalten werden.

Aus diesem soll in einem zweiten Schritt eine Gesamtstrategie für Berlin (Weißbuch) entwickelt werden. Die Bürger sollen die Möglichkeit bekommen, sich am Strategieprozess zu beteiligen.

Digitalisierter Unsinn bleibt Unsinn Digitalisierungsstrategie durch Prozessmanagement aufbauen (BS/Detlef Bäumer*) Die Digitalisierung ist in aller Munde: Bürgerservices sollen künftig digital angeboten werden und der demografische Wandel fordert die Dokumentation von vorhandenem Fachwissen. Im Laufe der Jahre scheiden zunehmend ältere Mitarbeitende altersbedingt aus. Oft kann eine unmittelbare Einarbeitung neuer Mitarbeitender nicht umgesetzt werden, wodurch wichtiges Fachwissen verloren geht. Viele Verwaltungen wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie kann einen Lösungsbeitrag liefern. Anhand von PICTURE PROMPT, entscheidende Basis für einen einer Prozessmanagement-Po- realisierbaren Maßnahmenplan. “Nach kurzer Überlegung stand tenzialanalyse der PICTURE GmbH, schufen die drei Kommu- fest: Wir brauchen einen Plan, nen Emsdetten, Gütersloh und der Hand und Fuß hat und uns Wuppertal die Grundlage für ei- langfristig entlastet. Der Abne nachhaltige Digitalisierungs- gleich von Zielvorstellungen und strategie ihrer Prozesse. Mithilfe vorhandenen Ressourcen sowie der Analyse wird zunächst die der anschließende strukturierte aktuelle Situation behördenspe- Aufbau eines Prozessregisters zifisch erfasst. Dabei können die hilft uns, das Wissen langfristig Ausgangssituationen und Trei- zu erhalten.”, so Brigitte Knebelberthemen sehr unterschiedlich Richter, Fachdienstleiterin Strasein. Ob Wissensmanagement tegie, Kommunikation & Interne oder E-Government – Ziel ist Dienste der Stadt Emsdetten. es, ein Konzept zu schaffen, das Hierfür hat die Stadt EmsdetPlanungssicherheit gibt. Die Or- ten die Stelle eines Prozessmaganisationen bekommen u. a. nagers geschaffen, der bei der auf Basis eines strukturierten Umsetzung der DigitalisierungsFragenkatalogs ein konkretes strategie hilft und anhand der Bild davon, an welcher Stelle Planungs-, Priorisierungs- und noch angepackt werden muss. Steuerungsmöglichkeiten der “Zunächst gibt es eine Menge PICTURE-Prozessplattform den konzeptionelle Fragen, die ge- Gesamtüberblick behält. klärt werden wollen”, räumt Prozessmanagement ist das Carsten Schlepphorst, Fachbe- Bindeglied zwischen Digitalireichsleiter Personal und Organi- sierung und Wissensmanagesation der Stadt Gütersloh, ein. ment. Dokumentierte Prozesse “Doch die Beantwortung der ca. ermöglichen eine gleichbleiben140 Fragen hat sich gelohnt und de Qualität der Leistungen und einige weiße Flecken in unseren versetzen Verwaltungen in die Überlegungen offengelegt und Lage, den Ist-Zustand kritisch bereits zum Start viel Klarheit zu hinterfragen. Eine Digitalisiegeschaffen”. rung ohne vorherige AuseinanNach der Datenerhebung er- dersetzung mit Prozessen und folgt die Auswertung und Po- Abläufen nützt nichts. “Wenn tenzialanalyse, die das weitere ich Unsinn digitalisiere, wird Vorgehen bestimmt. Die Gegen- es digitalisierter Unsinn, aber überstellung von verfügbaren es bleibt Unsinn”, so Dr. Lars Ressourcen und den Erwartun- ­A lgermissen, Geschäftsführer gen von Mitarbeitenden und Po- der PICTURE GmbH, “Hier schaflitik an Umfang, Zeitpunkt und fen wir mit der Potenzialanalyse Qualität der Ergebnisse ist dabei ein Stück Planungssicherheit für

ven integriert. Stellt es Verstöße gegen die Regeln fest, erhält der verantwortliche Entwickler eine E-Mail, in der ihm der Regelverstoß mitgeteilt wird. Er korrigiert seine Programmierfehler und die Prüfung erfolgt erneut. Zusätzlich lässt sich jQA so konfigurieren, dass der Build-Vorgang bei auftretenden Verstößen abgebrochen wird. Über die Ergebnisse der Analysen erstellt der jQA automatisch einen Bericht, den er im XML-Format zur Verfügung stellt. Die automatische Rückmeldung von jQA an die Programmierer bedeutet an sich schon eine enorme Verbesserung in der Entwicklungsqualität. Die jQABerichte sollten jedoch auch in SonarQube integriert werden, um alle Aspekte der Qualitätssicherung in einem Tool zu organisieren. Erst dadurch wird eine Überwachung der gesamten Codebasis durch Architekten und Qualitätssicherer praktikabel. SonarQube ist ein ebenfalls Java-basiertes Analyse-Tool zur Überwachung der Qualität eines IT-Systems anhand zahlreicher

Regeln und Metriken. Das msgTeam entwickelte deshalb 2017 kurzerhand auf Grundlage einer veralteten Lösung ein neues Sonar-jQAssistant-Plugin und integrierte damit die jQA-Analyseberichte in die SonarQubePlattform. Auf deren Dashboard erhalten die Qualitätssicherer nicht nur Auswertungen und Testergebnisse über die aktuellen Codes, sondern überblicken gleichzeitig auch die Einhaltung oder Abweichungen von den Architekturregeln. Durch die kontinuierlich im Hintergrund ausgeführte Prüfung seitens jQA wird die Architekturkonformität im laufenden Prozess gesichert. Manuelle Reviews sind dadurch seltener erforderlich. Die Qualität in jedem Build steigt, der Erosion der Architektur wird entgegengewirkt. “Vor allem für langjährige Software-Projekte wie DAISY mit sehr vielen verschiedenen und wechselnden Programmierern stellt die automatisierte Überwachung der Architekturregeln einen großen Fortschritt dar”, erläutert Ralf Leonhard, Chef-

architekt der IsyFact beim BVA. “Erweiterungen unserer Anwendungslandschaften erfolgen in gleichbleibender Qualität und ohne Beeinträchtigung der Gesamtarchitektur. Der Wartungsaufwand sinkt.” Dadurch steigt die Zuverlässigkeit bei Weiterentwicklungen oder neuen Komponenten, die Risiken sinken. Damit lassen sich ebenso die Kosten reduzieren. “Es ist uns wichtig, die Standards einzuhalten, um die langfristige Aufrechterhaltung der Architektur und Wartbarkeit sicherzustellen”, sagt Edgar Borchers, Gesamtprojektleitung der Projektgruppe DAISY beim BVA.

Mehrwert für Software-Entwicklung Für Ralf Leonhard bringt jQA zusammen mit dem SonarjQAssistant-Plugin einen echten Mehrwert für die Software-Entwicklung. “Damit können wir in unseren IT-Systemen die Regeln der IsyFact durchsetzen. Für das BVA bedeutet dies, Software kontinuierlich und insbesondere vor der endgültigen Abnahme schneller und effektiver prüfen zu können. Ich kann mir daher vorstellen, dass wir diese Lösungen zum Standard im BVA weiterentwickeln und in die IsyFact aufnehmen.” *Andreas Raquet ist Principal IT Consultant und verantwortet das BVA-Projekt als technischer Chef-Architekt bei msg.

Die neue digitale Verwaltung

MELDUNG

(BS/gg) Der Berliner Senat hat die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie für die Hauptstadt beschlossen. Der Strategieprozess soll zweistufig verlaufen. Zunächst sollen

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die Digitalisierungsvorhaben.” Die Stadt Wuppertal, eine der digitalen Modellkommunen in NRW, hat erste Maßnahmen ergriffen, um ihr digitales Angebot auszuweiten. “Wir arbeiten an einem digitalen Bürgeramt. Online-Antragsmanagement und mobile Bürgerdienste sind für uns ebenfalls Thema. Eine strukturierte Prozessdatenbank mit der Möglichkeit, Potenziale aufzudecken und unsere Digitalisierungsprojekte anhand ihres Nutzwertes zu priorisieren, hilft uns bei der schrittweisen Umsetzung”, so Daniel Heymann, Amtsleiter Informationstechnik und Digitalisierung der Stadt Wuppertal. Zusammenfassend ist eine Digitalisierungsstrategie für Kommunen aller Größenklassen nützlich. Die Praxis zeigt, dass in großen Städten wie Wuppertal, mittelgroßen Städten wie Gütersloh und kleineren Städten wie Emsdetten individuelle Konzepte erfolgreich zum Tragen kommen. Neben Kommunalbehörden nutzt auch eine Reihe von Landes- und Bundesbehörden die vorgestellte Potenzialanalyse. Insgesamt profitieren Verwaltungen jeglicher Art von der Planungssicherheit durch eine Digitalisierungsstrategie, die langfristig sowohl eine finanzielle als auch zeitliche Entlastung mit sich bringt. *Detlef Bäumer ist Kundenberater bei der PICTURE GmbH.

Mit Nutzerfokus in die OZG-Themenfeldplanung (BS/Dirk Stocksmeier) Digitale Services der Verwaltung gibt es in Deutschland bereits einige. Diese sind jedoch zumeist nicht flächendeckend verfügbar, sondern beschränkt auf einzelne Bundesländer oder Kommunen. Dadurch bleiben wichtige Potenziale ungenutzt, Leistungen für Bürger modern und komfortabel zu erbringen und die Kontakte mit den Unternehmen effektiv auszugestalten. Im internationalen Vergleich steht Deutschland deshalb vergleichsweise schlecht da. Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) soll dies geändert werden. Die Verwaltung ist nunmehr verpflichtet, sich in Richtung Bürger und Wirtschaft vollständig zu digitalisieren – und das in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum, nämlich bis Ende 2022. Bund, Länder und Kommunen haben erkannt, dass diese Aufgabe nur gemeinsam bewältigt werden kann, denn für viele Leistungen der Verwaltung besteht eine ebenenübergreifende Arbeitsteilung. In den meisten Fällen werden die Gesetze, aus denen sich die Regeln für den Vollzug ergeben, vom Bund verantwortet. Landesspezifische Ergänzungen oder Konkretisierungen bilden dann den Gestaltungsrahmen für den Vollzug in den Ländern und Kommunen. Um alle Verwaltungsleistungen bis Ende des Jahres 2022 digital anzubieten, wurde vom Bundesinnenministerium in einem ersten Schritt ein OZGUmsetzungskatalog erarbeitet, der sämtliche umzusetzenden Leistungen der Verwaltung auflistet und die Arbeitsgrundlage für die nächsten Schritte bildet.

Primat der Nutzerorientierung In der Diskussion zwischen den Experten aus Bund, Ländern und Kommunen wurde schnell deutlich, dass ein grundsätzlicher Perspektivwechsel erforderlich ist, damit wirklich attraktive digitale Services für Bürger und Unternehmen entstehen und hohe Nutzungszahlen erreicht werden können. Bei der Digitalisierung der Leistungen darf nicht mehr die territoriale oder organisatorische Zuständigkeit leitend sein. Stattdessen müssen die Services vom Nutzer her konzipiert und entlang dessen Lebenslagen – bei Unternehmen entsprechend Geschäftslagen – ausgestaltet werden. Was für die Verwaltung hier ein Novum ist, ist bei digitalen Angeboten der Privatwirtschaft heute zumeist Normalität. So verknüpfen etwa Reiseportale die Buchungen von Flügen, Hotels, Mietwagen einschließlich deren Versicherung und vieles mehr zu attraktiven Angeboten. Es

kennbar ist, dass zwei Leistungen zumeist zeitgleich beantragt werden, soll dies Dirk Stocksmeier ist CEO der ]init[ AG und berät die auch digital zuVerwaltung strategisch bei sammen erfolgen der Umsetzung des Onlinekönnen, damit etzugangsgesetzes. wa die Nutzer die gleichen Daten Foto: BS/]init[ AG nicht mehrfach eingeben müssen. liegen also viele “Blaupausen” Weiterhin soll die Umsetzung von aus der Plattformökonomie vor, Anfang an flächendeckend gedie durch die Verwaltung genutzt plant werden, damit tatsächlich alle Bürger in Deutschland gleiwerden können. chermaßen profitieren können. Gemeinsame Vergleichbare PlanungsgrupUmsetzungsplanung pen erarbeiten parallel dazu die Dies hat die verantwortlichen Digitalisierung in den acht weiAkteure ermutigt, einen neu- teren Themenfeldern für Bürger en Planungsansatz zu wagen: und in vier Themenfeldern für Bund, Länder und Kommunen die Unternehmen. Ein weiteres wollen die Umsetzung der digi- Themenfeld beschäftigt sich mit talen Services in einer neuen den Leistungen, die übergreiForm der Zusammenarbeit ge- fend benötigt werden – etwa der meinsam ausgestalten: Jeweils Ausstellung der Geburtsurkunein Bundesressort, zwei Länder de, die häufig von Bürgern für und eine größere Gruppe von die Beantragung von LeistunKommunen planen – stellvertre- gen als Nachweis benötigt wird, tend für die gesamte deutsche und Vergleichbarem im Bereich Verwaltung – einen Teilbereich der Unternehmen wie etwa dem der Digitalisierung. Dazu wurden Handelsregisterauszug. Ziel ist es die Leistungen der Verwaltung dabei, zukünftig in erster Linie aus der Nutzer- statt aus Verwal- interne Schnittstellen der Vertungsperspektive in Lebens- und waltung zur Übermittlung dieser Geschäftslagen gebündelt und Nachweise zu verwenden und diese in insgesamt 14 Themen- damit die Nutzerfreundlichkeit felder zusammengefasst. deutlich zu erhöhen. Im Themenfeld “Familie & Kind” Mit dem neuen Planungsansatz plant zum Beispiel das BMFSFJ berücksichtigt die Verwaltung in gemeinsam mit den Ländern einem wesentlich größeren UmBremen und Saarland sowie fang als bisher Erfolgsfaktoren Kommunen auch aus anderen der Plattformökonomie sowie die Bundesländern sämtliche digi- Anforderung der Nutzer bei der talen Leistungen für Familien Verwendung von digitalen Servi– also zum Beispiel Kindergeld, ces. Die Verantwortlichen haben Elterngeld, Kinderzuschlag, Un- sich in vergleichsweise kurzer terhaltsvorschuss, Geburtsan- Zeit mit Blick auf die wesentzeige und Vaterschaftsanerken- lichen Erfolgsfaktoren auf ein nung. Zwei besonders wichtige neues Zusammenarbeitsmodell Leitlinien sind dabei: Die Lö- einigen können, was auch für die sungen sollen vom Nutzer her nächsten Schritte optimistisch konzipiert werden. Wenn also er- stimmt.


Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Oktober 2018

Auf dem Marktplatz der Daten

Mit den Bürgern Schritt halten

Handlungsoptionen gegen Oligopolbildung

Niedersachsen legt NDIG-Entwurf vor

(BS/stb) Wenn Daten der wichtigste Rohstoff der Zukunft sind, dann sind funktionierende Datenmarktplätze die Basis für die Wirtschaft von morgen. Derzeit steuern die digitalen Märkte jedoch auf die Bildung von Oligopolen zu. Zwischen den großen, erfolgreich Daten sammelnden Plattformanbietern aus den USA und Asien kommt aus Europa nur wenig Konkurrenz. Und die hat es zunehmend schwerer gegen die Datenriesen, die ihre Angebote durch Weiterentwicklung oder durch Fusionen zu ganzen Ökosystemen ausbauen.

(BS/gg) Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat im Kabinett ein Gesetz über digitale Verwaltung und Informationssicherheit (NDIG) vorgelegt. Das Gesetz verpflichtet die Behörden des Landes und weitgehend auch die Kommunen zur Einführung der digitalen Verwaltung. Es berücksichtigt dabei die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes (OZG) des Bundes und regelt dessen systematische Umsetzung in Niedersachsen.

So bietet Suchmaschinenanbieter Google mittlerweile eine Komplettlösung für die Navigation mitsamt Routenplaner für Auto, Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel. Der Onlineversand-Händler Amazon bietet Streamingdienste für Video und Musik. Beide versuchen, ihre Sprachassistenten als zentrales Steuerelement für die smarten und zunehmend vernetzten Domizile und Fahrzeuge der Nutzer zu etablieren. Die Strategie: Nutzer durch häufig kostenlose Angebote binden, eine möglichst breite Palette an digitalen Diensten miteinander verknüpfen und die Hürde zum Wechsel zu anderen Ökosystemen hochhalten. Die Zusammenführung über viele eigene Dienste macht die gesammelten Daten der Nutzer umso wertvoller – sowohl für die stetige Verbesserung und Ausweitung des eigenen Angebots als auch für die zielgerichtete Werbung. Aus wettbewerbspolitischer Sicht besteht Handlungsbedarf, weil die Märkte zunehmend auf wenige Marktteilnehmer aufgeteilt werden und Neueinsteiger gegen die Ökosysteme nicht konkurrenzfähig sind. In einer Sitzung der Arbeitsgruppe Innovativer Staat der Initiative D21 wurde über Handlungsoptionen der Aufsichtsbehörden diskutiert. Weitgehend Einigkeit herrschte darüber, dass aktive Eingriffe grundsätzlich nötig sein werden, um die Märkte offen für Teilnehmer und langfristig auch für Innovationen zu halten und Missbräuchen vorzubeugen. Angesprochen wurde

aus ihnen ziehen zu können, schlug Prof. Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) vor, den Staat in Zukunft als einen Manager von Datenmarktplätzen zu verstehen. Ziel sei es dabei, Ressourcen des Staates mit denen beteiligter ­Stakeholder intelligent zu verknüpfen, um Mehrwerte zu schaffen. Konkret machte Parycek den Ansatz anhand eines Modells für die digitale Abwicklung von Verwaltungsdienstleistungen. “Heute ist der Bürger häufig für den Transport von Daten zustänRegte in einer Sitzung der AG Innova- dig – in vielen Fällen sogar in zwei tiver Staat von Initiative D21 an, den Richtungen”, sagte Parycek. So Staat in Zukunft auch als Manger von erforderten alltägliche Vorgänge Datenmarktplätzen zu verstehen: ÖFIT- wie das Mieten einer Wohnung Leiter Prof. Peter Parycek. oder der Kauf eines Fahrzeugs Foto: BS/Dombrowsky eine Herausgabe von Daten zum einen an ein Unternehmen und die Schwierigkeit, dass Verfah- zum anderen an die zuständige ren und Untersuchungen der Meldebehörde. Paryceks VorMarktaufsicht in Deutschland schlag: “Warum sollte nicht der und Europa so langwierig seien, Verkäufer oder Vermieter mit den dass in den schnelllebigen und ohnehin vorliegenden Daten die dynamischen digitalen Märkten Anmeldung von Wohnung oder die Konkurrenz im Zweifel schon Kfz veranlassen?” gestorben sei, bevor Maßnahmen Der Bürger könnte seine strukgreifen können. Abhilfe könne ein turierten Daten aus dem Dateneher präventiver Ansatz bieten, safe seines Bürgerkontos über so ein Vorschlag. Statt nur auf eine technische Schnittstelle zur Ebene der Einzeldienste zu ver- digitalen Vertragserstellung dem gleichen, seien die Ökosysteme Unternehmen zukommen lassen als Ganzes zu betrachten. Dann und im selben Zuge der automakönne beispielsweise der strate- tischen Meldung beim Einwohgische Aufkauf von Unternehmen nermeldeamt oder der Kfz-Zuunterbunden werden, die erst in lassungsstelle zustimmen. Eine Zukunft Konkurrenten würden. eigene technische Infrastruktur wäre für dieses Szenario nicht Datenmarktplätze im vonnöten, es müssten nur die öffentlichen Sektor? entsprechenden Schnittstellen in Auch für den digitalen Staat den aktuellen und zukünftigen spielen Daten eine zunehmend Projekten mitgeplant werden, wichtige Rolle. Um mehr Nutzen erklärte Parycek.

OZG intensiviert Kooperation Kommunen fordern Geld für Mehrkosten (BS/gg) Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) wird die ebenenübergreifende Zusammenarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen mit den Kommunen vor neue Herausforderungen stellen und weiter intensivieren. Dies erklärte NRW-CIO Hartmut Beuß auf dem diesjährigen ÖV-Symposium in Münster. CIO Beuß lobte auf der Veranstaltung in der Halle Münsterland die generell “gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit” von Land und Kommunen, um gemeinsam “etwas zu bewegen”. Mit Blick auf das Land gab er einen kurzen Überblick über die Aktivitäten der vergangenen zwölf Monate. Das Servicekonto.NRW sei eingerichtet und werde auch genutzt. Seit Anfang des Jahres stehe zudem die (Online-)-Zugangsdrehscheibe zur Verfügung. Hinsichtlich der Umsetzung der E-Akte befinde man sich gegenwärtig in der Testphase und somit im Zeitplan. Das E-Rechnungsgesetz sei verabschiedet worden. Die entsprechende Rechtsverordnung sei in Vorbereitung. Beim Portalverbund – der Verknüpfung des Landesportals mit den Portalen der Kommunen – arbeite man derzeit an einem Proof of Concept. Beim Thema Open Government habe man einen Leitfaden für Kommunen veröffentlicht. Beuß ging auch auf die sogenannten “neuen Technologien” ein. Die Initiative Blockchain in der öffentlichen Verwaltung zu etablieren, werde maßgeblich von NRW mitgetragen. Auch mit den Möglichkeiten des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz (KI) müsse man sich beschäftigen. Auch wenn das OZG die Behörden nur verpflichte, Verwaltungsdienstleistungen online bereitzustellen, so könne es eine sinnvolle Umsetzung des Gesetzes nur ge-

Dr. Uda Bastians vom Städtetag NRW forderte in Münster finanzielle Unterstützung der Kommunen bei der OZGUmsetzung.

ben, wenn man parallel auch die internen Prozesse digitalisiere. Dr. Uda Bastians, Beigeordnete des Städtetags NRW und dort Leiterin des Dezernats Recht und Verwaltung, machte deutlich, dass die digitale Zukunft in den Kommunen vor Ort gestaltet werde. Hier müssten als Ziel sowohl das Once-Only-Prinzip als auch der Grundsatz “digital first” implementiert werden. Mit Blick auf die Zusammenarbeit Land-Kommunen lobte sie das gemeinsame Servicekonto.NRW ausdrücklich als “Erfolgsgeschichte”. Bastians machte jedoch auch deutlich, dass man sich zwar in die Umsetzung des OZG seitens der Kommunen gerne einbringe, andererseits jedoch erwarte, dass die in diesem Zusammenhang entstehenden Mehrkosten der Kommunen ausgeglichen würden. Mehr Unterstützung des Landes wünscht sie sich auch beim Thema IT-Sicherheit in den Kommunen, etwa beim Aufbau eines Kommunalen CERTs (Computer Emergency Response Team) oder der Kooperation mit dem CERT des Landes. Eine finanzielle Beteiligung des Landes an der kommunalen IT-Sicherheit sei in anderen Ländern durchaus üblich und auch für NRW wünschenswert.

Hartmut Beuß wird auch einer der Referenten auf dem VerwalNRW-CIO Hartmut Beuß sieht die tungskongress “e-nrw” (www.eZusammenarbeit zwischen Land und nrw.info) sein, den der Behörden Kommunen auf gutem Weg. Spiegel am 8. November 2018 in Fotos: BS/Materna Neuss veranstaltet.

Das NDIG trifft darüber hinaus weitere Regelungen. So verpflichtet der Landesgesetzgeber die niedersächsischen Behörden nicht nur dazu, im Internet über ihre Verwaltungsleistungen ausführlich zu informieren und Online-Verfahren für Anträge über ein zentrales niedersächsisches Verwaltungsportal bereitzustellen. Die Behörden des Landes werden vielmehr auch dazu verpflichtet, ihre verwaltungsinternen Prozesse mit IT-Verfahren zu unterstützen. Insbesondere leitet das NDIG den schrittweisen Wechsel von der klassischen physischen Akte zur elektronischen Aktenführung in niedersächsischen Behörden ein. Auf Arbeitsplätzen, auf denen Verwaltungsleistungen über das Niedersächsische Verwaltungsportal erbracht werden, muss die elektronische Aktenführung bereits bis 2023 eingeführt sein, in den übrigen Bereichen bis 2026. Weiterhin trifft das NDIG Regelungen zur Informationssicherheit in der Verwaltung, um das Landesdatennetz auch in Zukunft gegen Angriffe zu wappnen. Die bisherigen technisch-organisatorischen Abwehrmaßnahmen müssen stets modernen Bedrohungsszenarien angepasst werden. Bislang schützen Firewall-Systeme oder

Um die Finanzierung der im NDIG Niedersachsens Innenminisvorgegebenen Diter Boris Pistorius wird auch gitalisierung der am 22. Oktober als EröffVerwaltung zu genungsredner des Cyber-Siwährleisten, sind cherheitstags Niedersachsen bereits entsprein Hannover über das NDIG chende Mittel im berichten. Sondervermögen Digitalisierung Foto: BS/Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport eingeplant. Die Landesregieauch Schadsoftwareerkennungs- rung hat im Juli und August programme die IT-Systeme. Diese 2018 eine Verbandsbeteiligung technischen Maßnahmen werden dieses Gesetzentwurfs durchgedurch umfangreiche Regelungen führt und 18 Stellungnahmen eines Informationssicherheits- erhalten. Darin wird die Gesetmanagements sowie Veranstal- zesinitiative im Grundsatz sehr tungen zur Sensibilisierung der begrüßt. Die Anregungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verbände wurden geprüft und haben zu Anpassungen des Gedes Landesdienstes ergänzt. Das neue Gesetz verpflichtet setzentwurfs geführt. Der niedersächsische Minisinsbesondere dazu, geeignete Maßnahmen gegen mögliche ter für Inneres und Sport, Boris Cyber-Attacken auf die IT-Sys- Pistorius, erklärte anlässlich der teme in der Landesverwaltung Gesetzesvorlage: “Knapp 80 Prozu ergreifen und an die jeweils zent der Menschen in Deutschaktuellen Entwicklungen anzu- land nutzen ein Smartphone. passen. Zu diesem Zweck enthält Es ist deshalb entscheidend, es die Ermächtigung, moderne dass die Verwaltung mit dieser Erkennungs- und Abwehrtech- Entwicklung Schritt hält und nologien einzusetzen, damit zu sich mit ihren Angeboten und ihjedem Zeitpunkt ein hochaktu- rem Service bürgernah aufstellt. elles Gefahrenabwehrsystem im Die Menschen in Niedersachsen Landesnetz eingesetzt werden haben diesen Anspruch an die kann. Vergleichbare Regelungen Verwaltungen und das wollen finden sich in den meisten bis- wir in den kommenden Jahren herigen E-Government-Gesetzen durch die konkreten Vorgaben des NDIG weiter vorantreiben.” anderer Länder noch nicht.

“Digitallese” 2018 Strategiebasis für mehr? (BS/Wilfried Kruse*) Am baldigen Ende des Jahres 2018 ist es Zeit und Gelegenheit, auf “e-nrw” in der Neusser Stadthalle ein erstes Fazit zur von der Landesregierung im Koalitionsvertrag 2017 angekündigten “Digitalisierungsoffensive” für NRW, für Land und Kommunen, zu ziehen. Was ist im zurückliegenden Jahr auf den Weg gebracht worden? Was haben die verantwortlichen Akteure mit Blick auf die kommenden Jahre bislang konkret zustande gebracht? Was steht 2019 oben auf der Agenda? Seit der Jahresmitte gibt es die Förderrichtlinien, mit der die NRW-Landesregierung die angekündigten 91 Mio. Euro an Fördervolumen in den kommunalen Bereich transferieren will. Auf dieser Grundlage formieren sich und arbeiten z. T. aktuell schon die Projektbüros in den “auserkorenen” Kommunen, sind die kommunalen Akteure vor Ort und auch ihre IT-Dienstleister auf der Suche nach Ideen und Konzepten, welche die Anforderungen der Förderrichtlinien nach Innovationsgehalt, Übertragbarkeiten pp. letztlich “entscheidungshart” für das letztentscheidende Ministerium machen (sollen). Auf e-nrw werden Bürgermeister und weitere Verantwortliche aus der kommunalen Szene darüber aktuell und aus erster Hand berichten – dies dürften hochinteressante Beiträge und Impulse auch für “Nichtgeförderte” sein. Die medienbruchfreie Gewerbeanmeldung – endlich nach langen Jahren durchgesetzt – wird Unternehmensgründungen in NRW erleichtern, schließlich “leiden” Gründer bislang angeblich am meisten unter der “umständlichen” Verwaltung. Auch dies ist ein Thema auf e-nrw, ebenso wie die dringend notwendige Prozessmodernisierung der Verwaltung “im digitalen Anspruchszeitalter” von Bürgern und Unternehmen im Weiteren. “Once Only”, die einmalige Datenerhebung für alle zukünftigen Kontakte und Services der öffentlichen Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen, seine Chancen und Restriktionen, auch durch den in Deutschland verfassten und organisierten Datenschutz, ist ein weiteres

Und mit Blick auf die kommunale IT-Landschaft in NRW: Vielleicht lassen sich aus der ebenfalls auf “e-nrw” zu erwartenden Fusionsberichterstattung zu den kommunalen IT Dienstleistern in Baden-WürtFoto: BS/privat temberg Lehren auch für NRW ziehen – der Blick “über den Zaun” lohnt sich bekanntlich bei Gelegenheit. Dieser “geweitete Blick” wird umso eindrucksvoller und facettenreicher werden, weil – als Kongressgabe für alle Teilnehmer – erstmalig der neue Almanach “Deutschland Digital 2019” erscheinen wird, der in gemeinsamer Aktion von Behörden Spiegel und IVM² die vier zurückliegenden Digitalkongresse des Behörden Spiegel – “enrw 2017” sowie die diesjährigen Veranstaltungen “Zukunftskongress Bayern”, “Digitaler Staat” und “Baden-Württemberg 4.0” mit ihren wesentlichen Höhepunkten, Ideen und Impulsen dokumentieren wird.

Wilfried Kruse, Geschäftsführender Gesellschafter IVM 2, ist fachlicher Leiter und Moderator des Verwaltungskongresses “e-nrw”, den der Behörden Spiegel am 8. November in Neuss veranstaltet. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.e-nrw.info

hochaktuelles Thema, wenn sich Staat, Gesellschaft und Wirtschaft im globalen Wettbewerb für die digitale Zukunft nachhaltig erfolgreich aufstellen wollen. Dass NRW-Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart aktuell das Land mit “Künstlicher Intelligenz” aufstellen und für die Zukunft öffnen und fit machen will, wie sich dies mit großen Chancen, aber auch Vorbehalten und Ängsten darstellt, wird sicher einen zentralen Platz in seiner Eröffnungsansprache einnehmen, ebenso wie in den weiteren Foren und Diskussionen auf dem Kongress – auch zum Thema KI ist deshalb für große Spannung gesorgt.

Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen 8. November 2018 Düsseldorf / Neuss


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Oktober 2018

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Ohne Verantwortung kein Bewusstsein

Rechtsunsicherheit bremst

Der Faktor Mensch und die IT-Sicherheit

Die Umsetzung der DSGVO stockt bei Unternehmen und Behörden

(BS/Bastian Fermer*) Es gehört inzwischen zu den Binsenweisheiten der Informationssicherheit, dass der (BS/stb) Seit Mai dieses Jahres ist die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) anzuwenden. Im Mensch das schwächste Glied in der Sicherheitskette ist. Umfragen und Indizes führen bis zu 95 Prozent vollen Umfang tun das bisher die wenigsten Unternehmen und öffentlichen Stellen. Auch die Aufsichtsbehöraller Sicherheitsvorfälle auf menschliche Fehler zurück. Hierbei sind nicht einmal die Fehler an der Software den werden noch Zeit brauchen, bis sie sich in ihre neue Rolle eingefunden haben. berücksichtigt, die Sicherheitslücken darstellen und ebenfalls von Menschenhand gemacht sind. An welchen Stellen das Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeiter geschärft werden muss, lässt sich unter anderem am Alter festmachen. Generalisiert gesagt: Die über 50-Jährigen fallen leichter auf Phishing-E-Mails herein als ihre jüngeren Kollegen; die Gruppe der 35–50-Jährigen kennt zwar sowohl die Fallstricke der IT als auch die Richtlinien, aber ignoriert sie in der falschen Annahme, es selber am besten zu wissen. Die Gruppe der jungen Mitarbeiter, zum Teil “Digital Natives”, stellt eine Gefahr dar, weil sie schlicht so vollständig technologiebasiert arbeitet und dabei eigene Apps oder gar eigene Devices verwendet, dass die zentrale IT hier die Kontrolle über die eigentlich beruflichen Daten zu verlieren droht. Insofern ist es logisch, dass Sicherheitsexperten wie Bruce Schneier feststellen: “Nur Amateure greifen Maschinen an, Profis beschäftigen sich mit Menschen. Und jeder Versuch zur Lösung des Problems muss sich mit Menschen auseinandersetzen, nicht mit der Technik.”

IT-Service-Gedanke falsch verstanden Dass der Mensch als Einfallstor für Cyber-Angriffe gilt und häufig auch erfolgreich für die Zwecke von Cyber-Kriminellen instrumentalisiert werden kann, hat auch mit einem falsch verstandenen Service-Gedanken in der IT zu tun, der sich im Ansatz äußert: “Kümmere dich um nichts, die IT macht das schon!” Diese Herangehensweise hat sich nicht nur in der IT eingenistet. In unserer Kultur der Fremdversorgung und Arbeitsteilung besteht beim Einzelnen oft weder Interesse noch Einsicht in die Notwendigkeit, einen Überblick über Hintergründe und Funktionsweisen zu gewissen Grundlagen zu haben. Dazu zählt auch die Kommunikationstechnik. Ihre Abstraktheit und Komplexität wird hingenommen und gilt zugleich als guter Grund, sich nicht

damit beschäftigen zu müssen. Das sorgt aber eben auch dafür, dass ihre Nutzung nicht mit eigener Verantwortlichkeit verbunden wird. Dabei braucht es genau das: Verantwortung, um IT-Sicherheit als Faktor für das tägliche Handeln zu begreifen. Leider liegt es in der Natur der IT, dass der Zusammenhang zwischen fahrlässigem Handeln und Sicherheitsvorfall beim Einzelnen anders als zum Beispiel im Straßenverkehr kaum zu erkennen ist. Wenn etwas Fatales passiert (was noch relativ selten vorkommt beziehungsweise erst gar nicht bemerkt wird), kann das Tage, Wochen, Monate, gar Jahre von der falschen Entscheidung entfernt sein. Welche Auswirkungen eigene Fehler haben, ist so den Nutzern schwer zu vermitteln.

Verantwortungsbewusstsein stärken In der sächsischen Landesverwaltung arbeiten wir daran, das Verantwortungsbewusstsein der Menschen für die Funktionstüchtigkeit der IT zu stärken. So organisiert der Beauftragte für Informationssicherheit des Landes (CISO) seit dem Jahr 2012 landesweite Großveranstaltungen namens INFOSIC, bei denen ein Live-Hacking zur Veranschaulichung von Gefahren und Verantwortlichkeiten im Mittelpunkt steht. Mit gutem Erfolg: Bis heute haben mehr als 12.000 Mitarbeiter an einer solchen Veranstaltung teilgenommen. Mit dieser Zahl belegt der Freistaat Sachsen im Bundesvergleich einen Spitzenplatz. Da bei rund 40.000 Computerarbeitsplätzen allein in der sächsischen Landesverwaltung allerdings nicht alle Mitarbeiter an einer Präsenzveranstaltung teilnehmen können, wurde in Zusammenarbeit mit der TU Dresden ein elektronisches Fortbildungsangebot entwickelt, das von jedem Computerarbeitsplatz einer Behörde erreichbar ist. Ein knappes halbes Jahr

nach Start haben auch hier bereits über 1.000 Mitarbeiter den sogenannten Sächsischen Informationssicherheitsschein erhalten. Zudem baut der CISO des Freistaates zusammen mit dem CERT ein Sicherheits-Cockpit für die Führungsebene auf: eine Web-Oberfläche, auf der leicht ablesbar die zentralen Sicherheitskennzahlen für die IT in der Landesverwaltung sichtbar sein sollen. Schließlich sagt nicht nur die sächsische Leitlinie für Informationssicherheit, dass die Führung die Verantwortung für die Informationssicherheit hat. Auch hier muss die Sensibilisierung und Schaffung eines Verantwortungsbewusstseins noch deutlich ausgebaut werden. Neben diesen zielgruppenspezifischen Sensibilisierungsvarianten wird es in Zukunft immer wichtiger, technische Sicherheitsmaßnahmen ausreichend zu erklären und bestenfalls Alternativen zum Beispiel zu unsicheren Softwarelösungen anzubieten. Ähnlich wie die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Theorie des “Nudgings” besagt, wird der Mensch nicht durch strenge Regeln oder Verbote zu verantwortungsvollem Handeln geführt, sondern durch ein Verstehen seiner Bedürfnisse. So wurden in Sachsen in manchen Ressorts nach einer ausgiebigen Nutzeranalyse externe Onlinespeicherdienste gesperrt, da von ihnen ein Risiko der Infizierung mit Schadsoftware ausgeht. Um den vom Staatsbetrieb Sächsische Informatikdienste angebotenen Datenaustauschdienst SIDAS als sichere Alternative zu befördern, wird dieser interne Cloud-Dienst in vielen Behörden nunmehr in Outlook komfortabel eingebettet und dort als gut sichtbare Alternative zur Schatten-IT positioniert.

Nur etwa ein Viertel der deutschen Unternehmen gibt an, die DSGVO vollständig umgesetzt zu haben. Das geht aus einer Studie des Verbands der Digitalbranche Bitkom hervor. Als eine der entscheidensten Hürden nannten die Befragten die große Rechtsunsicherheit. “Der Verordnungstext ist an vielen Stellen auslegungsbedürftig und noch ist nicht absehbar, welche Rechtsauffassungen sich an der einen oder anderen Stelle durchsetzen werden”, erklärt Susanne Dehmel, Bitkom-Geschäftsleiterin Recht und Sicherheit. Die Befragten wünschen sich schon jetzt Nachbesserungen bei der DSGVO. Vor allem sollen Informations- und Auskunftspflichten praxisnäher gestaltet und kleinere Organisationen entlastet werden.

Auch für öffentliche Stellen ist die Umsetzung der DSGVO längst nicht überall abgeschlossen. Zahlen zum Stand der Dinge gebe es aber nicht, wie Barbara Thiel dem Behörden Spiegel mitteilt. “In dem Bereich muss dringend eine Evaluation erfolgen”, fordert die Landesbeauftragte für den Datenschutz des Landes Niedersachsen. Einblick gab Thiel aber in Bezug auf die Situation der Aufsichtsbehörden. Im Mai sei die Zahl der Anfragen im Land Niedersachsen regelrecht explodiert. So hätten sich die Eingaben vom ersten zum zweiten Quartal 2018 von 1.300 auf 4.300 mehr als verdreifacht. Zwar habe es deutlich mehr Beschwerden und auch Meldungen von Datenpannen gegeben, “ein Großteil der Mehrarbeit entfällt aber auf Beratungen”, so Thiel

weiter. “Die Frage, wie wir das knappe Personal auf unsere eigentlichen Aufsichts- und Kontrolltätigkeiten einerseits und auf die Beratung verteilen, wird uns noch beschäftigen.” Streng genommen gehöre die allgemeine Beratung im neuen Datenschutzrecht nicht mehr zu den Aufgaben der Aufsichtsbehörden. Mit einem deutlichen Abflauen des Arbeitspensums rechnet Thiel in der nächsten Zeit nicht. Rechtssicherheit erwartet die Landesdatenschutzbeauftragte erst in drei bis fünf Jahren. Zukünftig sieht sie die Priorität ihrer Arbeit bei der Bearbeitung von Beschwerden. “Die DSGVO hat zu einer zusätzlichen Sensibilisierung geführt, sodass auch langfristig von einer höheren Zahl von Beschwerden auszugehen ist.”

Digitalisierung medizinischer Einrichtungen vs. IT-Security von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security

In keinem anderen Bereich als dem Gesundheitswesen schreitet die Digitalisierung so rasant voran, werden neueste Technologien für das Wohl und die Gesundheit der Menschen in der Praxis um- und eingesetzt. Medizinische Geräte werden vernetzt, Daten unterschiedlichster Fachrichtungen untereinander ausgetauscht und damit die die Diagnosen schneller, genauer und eindeutiger. Doch gerade während der

Umstellung auf digitale Technologien, bei der parallel noch ältere Systeme mit verbunden sind, kommt es oft zu eklatanten Sicherheitsproblemen. Und das mit fatalen Folgen. Raub von Patientenakten, Manipulation medizinischer Geräte, wie Röntgenapparate oder Infusionspumpen, bis hin zum kompletten Stillstand ganzer Krankenhäuser sind leider keine Science-Fiction, sondern Science-Fakten.

Gerade deshalb sind die permanente Überwachung und Bewertung aller Prozesse in Echtzeit das Gebot der Stunde! Die neuen Sicherheitstechnologien stehen zur Verfügung und haben ihre Wirksamkeit bereits eindrucksvoll bewiesen. Handeln Sie, bevor Sie behandelt werden müssen. Nur so schaffen Sie sich das Vertrauen bei Ihrem Patienten! Ihr Jan Lindner

*Bastian Fermer ist Referent im Referat “Informationssicherheit in der Staatsverwaltung, Cybersicherheit” in der Sächsischen Staatskanzlei.

Informationssicherheit für jede Behörde IT-Dienstleister der Bundesländer setzen auf DocSetMinder Hannover Congress Centrum (hcc), Niedersachsenhalle Theodor-Heuss-Platz − , Hannover

(BS/Krzysztof Paschke*) Eine Vielzahl von Migrationsprojekten und die große Nachfrage nach dem GSTOOLNachfolger DocSetMinder zeigen eine hohe Akzeptanz des modernisierten IT-Grundschutzes und auch des ISIS12 in der öffentlichen Verwaltung. Im Rahmen der durchgeführten Ausschreibungen bekam die GRC Partner GmbH mit ihrer Compliance-Management-Software DocSetMinder den Zuschlag des Staatsbetriebes Sächsische Informatik Dienste (SID) und des ITDienstleistungszentrums Saarland (IT-DLZ), die in Sachsen und im Saarland Verfahren und Anwendungen für die jeweilige Landesverwaltung hosten und betreiben. Entscheidend für die Erteilung des Zuschlags waren die vollständige Erfüllung der Ausschreibungskriterien sowie der angemessene Preis und der erforderliche Funktionsumfang. DocSetMinder bildet mit dem Modul “IT-Grundschutz” konsequent alle Anforderungen und die Methodik des modernisierten ITGrundschutzes ab. Durchdachte Softwarefunktionen unterstützen die Anwender aktiv in jeder Phase des Sicherheitsprozesses, von der Planung über die Umsetzung bis hin zum Audit. Die IT-Grundschutz-Kataloge und das IT-Grundschutz-Kompendium können, ähnlich wie das Schichtenmodell des alten und

neuen Grundschutzes, parallel verwendet werden. Durch die konfigurierbare Auswahl der Vorgehensweise (Basis-, Kernund Standard-Absicherung) und der Sicherheitsanforderungsstufe (Basis-, Standardanforderung und erhöhter Schutzbedarf) eignet sich DocSetMinder für den Einsatz in Behörden jeder Größe. Die Effizienz der Software zeigt sich insbesondere in der gleichzeitigen Umsetzung der BSI-Standards 200-2/-3, der EU-DSGVO

und des BSI-Standards 100-4 sowie in der gemeinsamen Durchführung der Strukturanalyse, Risikoanalyse und Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen. DocSetMinder bietet somit eine hervorragende Grundlage, um Behörden nicht nur sicher, sondern auch “Ready for Audit” zu machen. *Krzysztof Paschke ist Geschäftsführer der GRC Partner GmbH.

#cyberNDS Die Veranstaltung:

Mit der Digitalisierung rückt die Sicherheit in der Cyber-Welt in den Fokus, sei es mit Blick auf Internetkriminalität, Wirtschaftsspionage, Informationssicherheit, Datenschutz oder auch den Schutz Kritischer Infrastrukturen. Es ist eine der zentralen Aufgaben des Staates, diese Veränderungsprozesse im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit der Wirtschaft und weiteren Akteuren zu bewerten, aktiv zu gestalten und die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um diese Veränderungsprozesse weiterzuentwickeln. Auf dem Niedersächsischen Cyber-Sicherheitstag soll das an Facetten reiche Thema der Sicherheit im Cyber-Raum aus verschiedenen Perspektiven vorgestellt werden. Eine gemeinsame Veranstaltung von

und

Kontakt Programm: S. Thiel, Kontakt Ausstellung: S. Bauer Telefon: 0228 / 970 970

Anmeldung unter:

www.sicherheitstag-niedersachsen.de


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Behörden Spiegel / Oktober 2018

PITS 2018 Sicher digitalisieren

I

n der Eröffnungsrede im prall gefüllten Hauptsaal stellte der Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben, Prof. Helge Braun, die überragende Rolle der Digitalisierung für Deutschland und Europa fest. Ein hoher Datenschutzstandard und eine Konzentration auf Schlüsseltechnologien für die Cyber-Sicherheit könnten das Zünglein an der Waage sein, um den USA und Asien in Zukunft die Stirn im Wettbewerb bieten zu können (mehr dazu im Artikel unten auf dieser Seite). Die Diskussionen des ersten Tages zeigten, dass IT-Sicherheit nicht nur ein Aspekt unter vielen sein darf, sondern Digitalisierungsvorhaben – sei es von einzelnen Abteilungen, Organisationen oder gar Staaten – im Ganzen durchdringen muss. Besonders deutlich machten das die beiden Digitalminister Prof. Andreas Pinkwart für Nordrhein-Westfalen und Christian Pegel für Mecklenburg-Vorpommern, die jeweils die Rolle der IT-Sicherheit für die Digitalisierungsstrategie ihres Landes hervorhoben (siehe Seite 35). Weitgehend einig waren sich die Kongressteilnehmer, dass Sicherheit kein fixer Zustand ist, sondern eine Daueraufgabe. Und zwar sowohl auf strategischer als auch auf operationeller Ebene. Letztlich müssen Risiken erkannt und angemessen gemanagt werden. Nirgendwo wird das deutlicher als im Bereich der Kritischen Infrastrukturen, deren Resilienz gegen CyberAngriffe Thema einer großen

Jubiläum im Adlon (BS/stb) Die sichere Gestaltung der Digitalisierung in Staat und Verwaltung sowie der Gesellschaft im Ganzen war eines der Topthemen der zehnten Public-IT-Security (PITS) und zog sich wie ein roter Faden durch das Hauptprogramm und die flankierenden Gespräche des Kongresses. An zwei Tagen tauschten sich im Berliner Hotel Adlon wieder Fachleute aus Staat und Verwaltung sowie Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft über brennende Fragen zur Cyber-Sicherheit aus.

Zum zehnten Mal lud der Behörden Spiegel zur Public-IT-Security (PITS). Über 800 Teilnehmer folgten dem Ruf und nutzten das reichhaltige Programm und die Gespräche in den Pausen, um sich bei der Cyber-Sicherheit in Staat, Verwaltung und Gesellschaft auf den neuesten Stand zu bringen. Fotos: BS/Dombrowsky

Podiumsrunde war (Seite 37). Doch auch die Netze und ITSysteme der Verwaltung selbst sind durchaus als kritisch anzusehen. Der Schutz sensibler Informationen und Bürgerdaten muss gewährleistet sein. Nur so kann auch das nötige Vertrauen der Bevölkerung in den digitalen Staat aufgebaut werden. Eine gute Zusammenfassung dessen, was die Teilnehmer in den Gesprächen am ersten Kongresstag am meisten beschäftigt

hatte, lieferte der Bundesvorsitzende des DBB Beamtenbunds und Tarifunion Ulrich Silberbach am Rande der Veranstaltung: “Vernetzung und Vereinheitlichung der öffentlichen IT-Systeme sind unabdingbar, aber sie machen die digitale Infrastruktur auch angreifbarer. Dabei ist sie ebenso existenziell wie Strom- oder Wasserversorgung. Entsprechend sollten wir auch in die Sicherheit dieser Netze investieren. Dafür müssen verwal-

tungsintern mehr Kompetenzen aufgebaut werden, damit der Staat sich nicht in die Abhängigkeit von Dritten begibt.“

Vernetzen, vertrauen, verteidigen Das Programm des zweiten Tages stand ganz im Zeichen der grenzüberschreitenden Betrachtung des Themas. So leitete Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und CIO des Bundes, den großen

Euro-Cyber-Sicherheitsgipfel und diskutierte mit Vertretern aus Dänemark, Liechtenstein, Niederlande, Österreich und Schweiz über deren Herangehensweise an die Digitalisierung und Perspektiven der engeren Zusammenarbeit auf Basis gegenseitigen Vertrauens (Seite 37; zur Vernetzung in Deutschland auch Seite 35). Um Vertrauen ging es auch Dr. Thomas Fitschen, Sonderbeauftragter für Cyber-Außenpolitik und Cy-

ber-Sicherheit des Auswärtigen Amts, der die Teilnehmer zum zweiten Kongresstag begrüßte. Er sprach über den langwierigen und zuweilen zähen Prozess zur Einigung der internationalen Staatengemeinschaft auf gemeinsame Verhaltensregeln im Cyber-Raum (S. 36). Den Abschluss der PITS 2018 bildete ein Themenblock zur Cyber-Verteidigung. Hier wurde ein Zwischenfazit zur laufenden digitalen Ertüchtigung im Verteidigungsressort gezogen. Brennende Fragen zum Innovationsmanagement, zur Personalgewinnung und zu Perspektiven einer aktiven Gegenwehr – auch Hack Back genannt – wurden in der Abschlussrunde mit hochrangigen Vertretern aus Nato, EU, Bundeswehr und Verteidigungsministerium diskutiert (S. 36). Insgesamt erwarteten die rund 800 Teilnehmer der Jubiläumsausgabe der PITS allein im Hauptprogramm über 40 Referenten. Fachspezifischen Input boten darüber hinaus 20 Expertenrunden. In den Pausen luden 50 Austeller zum weiteren Austausch auch über technische Lösungen und Beratungs- und Schulungsmöglichkeiten im Bereich der Cyber-Sicherheit.

JETZT VORMERKEN!

PITS 2019 9.–10. September 2019 www.public-it-security.de

Mit Sicherheit zum Vorreiter werden

Vorbereitet sein

Ohne erfolgreiche IT-Sicherheit scheitert die Digitalisierung

Operative Fähigkeiten aufbauen

(BS/stb/wim/jf) “Die größte Herausforderung in der IT-Sicherheit ergibt sich nicht aus der schieren Anzahl der Angriffe. Die größte Herausforderung ergibt sich aus der zunehmenden Professionalität, mit der die Angreifer heute vorgehen”, sagte der Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben, Prof. Dr. Helge Braun, in seiner Keynote zur Eröffnung der diesjährigen PITS. Beim Wettlauf zwischen Angriff und Verteidigung, dürfen Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft nicht das Nachsehen haben.

(BS/gg) “Es wird Angriffe geben”, ist sich Stefan Krebs, Chief Digital Officer (CDO) und Chief Information Officer (CIO) der Landesregierung Baden-Württemberg, sicher. Man benötige daher operative Fähigkeiten, um in solchen Fällen entsprechend reagieren zu können, erklärte der Ministerialdirektor auf der PITS.

Dazu müsse auch erreicht werden, dass Sicherheitslücken in Hardware und Software schneller durch die Hersteller geschlossen würden. “Wir werden politisch schwierige Diskussionen führen müssen – auch über Fragen der Haftung für Schäden durch IT-Sicherheitsvorfälle”, stellte Braun fest.

Wettbewerbsfähig werden FürdieDigitalisierungwünschte sich der Bundesminister eine Vorreiterrolle von Deutschland und Europa. Nachdem man anfangs hinter den USA und Asien zurückgestanden habe, müsse man in Bereichen wie Industrie 4.0 und autonomes Fahren auf bisherige Stärken aufbauen. “In diesen Bereichen müssen wir besonders gut sein”, forderte Braun, “und das beinhaltet im besonderen Maß die IT-Sicherheit.” Wichtig sei es, schneller zu werden – nicht nur bei der Förderung und Umsetzung neuer digitaler Technologien, sondern auch bei der Gestaltung des Rechtsrahmens. In diesem Sinne habe die Bundesregierung die Datenethikkommission eingesetzt. Diese soll in zehn Monaten Empfehlungen für ein Datenrecht vorlegen. Bei Bedrohungen im Bereich der IT-Sicherheit sollte es strategisch nicht nur um die reine

Beim digitalen Wettlauf zwischen Angriff und Verteidigung dürfen Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft nicht das Nachsehen haben. Darum will Bundeskanzleramtschef Prof. Dr. Helge Braun zum einen bei der Förderung und Umsetzung neuer Technologien zulegen, und zum anderen auch bei der aktiven Ausgestaltung des Rechtsrahmens. Foto: BS/Dombrowsky

Erarbeitung von Gegenmaßnahmen, sondern insbesondere auch um die konkrete Gestaltung von Sicherheit gehen, wie Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), im Rahmen der Diskussionsrunde “Sicherheit und Risiko – Strategien für eine erfolgreiche Digitalisierung” erläuterte. Schönbohm sieht die IT-Sicherheit als zentrale Voraussetzung für ein Gelingen der Digitalisierung und fordert hierfür mehr Zusammenarbeit: “Wir müssen gemeinsam ein Verständnis für die Risiken der digitalen Welt

erarbeiten und das Maß des Risikomanagements sinnvoll darauf ausrichten.”

Verständnis ist die Basis In der Diskussion wurde zudem die Notwendigkeit deutlich, die Komplexität der IT-Sicherheit in ein verständliches Deutsch zu übersetzen, damit das Thema endlich in den Chefetagen ankomme. Nur so könne ein umfassender Verbraucherschutz bei der Cyber-Sicherheit aufgebaut und perspektivisch gewährleistet werden, sagte Joanna Schmölz, Vize-Direktorin im Deutschen Institut für Ver-

trauen und Sicherheit im Internet (DIVSI): “Ich kann ein Risiko nur einschätzen, wenn ich überhaupt verstehe, was im Hintergrund passiert. Auf die Vernunft der Menschen zu setzen, ist wichtig, aber viele Manager und Anwender wissen schlicht gar nicht, welche Risiken es gibt.” Ein besonderes Augenmerk müsse zudem laut Dr. Ralf Schneider, dem Group CIO der Allianz, auf der Schnittstelle zwischen Maschinen und Menschen liegen, insbesondere auf den Administratoren. Wenn diese korrumpierbar seien und das eigene System angriffen, dann helfe das beste Sicherheitssystem nicht weiter. “Deshalb müssen Sie strikt zwischen IT-Überwachung und IT-Governance trennen”, riet Schneider. Einig war man sich in der Diskussionsrunde, dass es für eine sinnvolle IT-Sicherheit besonders auf einen gesunden Realismus ankomme: “Einen umfassenden Gesamtschutz, der einhundert Prozent abdeckt, kann es nicht geben. Daher braucht es vor allem weitere vorbeugende Maßnahmen wie resiliente Strukturen, um Angriffe möglichst gut abfedern zu können”, so Dir. und Prof. Dr. Siegfried Hackel aus dem Fachgebiet Digitalisierung in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt.

In Baden-Württemberg ist man derzeit dabei, ein Informationssicherheitsmanagementsystem einzurichten. Hierfür seien im vergangenen Jahr 30 neue Stellen im Bereich der IT-Sicherheit ausgeschrieben worden, die auch alle hätten besetzt werden können, erklärte Krebs. Nach Abschluss der Neukonzeption des Computer Emergency Response Teams (CERT-BWL) soll dieses als zentrale Kontaktstelle die “Drehscheibe” der ITSicherheit für die Landesverwaltung werden. Hierzu werden in der neuen Struktur auch das Landeskriminalamt, der Landesverfassungsschutz und die “Cyberwehr” in das CERT integriert.

Cyberwehr hilft KMUs Krebs machte in Berlin deutlich, dass für ihn resp. für die Landesregierung der Fokus bei der IT-Sicherheit insbesondere der Wirtschaft bzw. auf dem Schutz der zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) im Lande liegt. Mit der Cyberwehr will man zukünftig flächendeckend im Land Anlaufstellen schaffen, an die sich diese Unternehmen im Falle eines Cyber-Angriffs o. Ä. wenden können. Im Raum Karlsruhe wird das Konzept derzeit anhand eines Pilotprojektes getestet.

Baden-Württembergs CDO/CIO Stefan Krebs will insbesondere auch die KMUs unterstützen.

Mit Blick auf Kooperationen unterstrich Krebs das Erfordernis der Zusammenarbeit der Länder mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), um die Verfahren möglichst aufeinander abzustimmen. In diesem Zusammenhang haben etliche Länder, so auch Baden-Württemberg, entsprechende Kooperationsvereinbarungen unterzeichnet. Ein Novum ist jedoch, dass das BSI, wie Krebs berichtete, zukünftig eine Landesstelle in Stuttgart einrichten wird, um die vertiefte Kooperation vor Ort voranzutreiben.


PITS 2018

Behörden Spiegel / Oktober 2018

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Veränderung, Mut, Disruption

“Auf Nummer sicher gehen”

IT-Sicherheit soll Digitalisierung nicht aufhalten

Die Anwendungsschicht im Blick

(BS/gg) Mut zur Veränderung im Rahmen der Digitalisierung und ein damit verknüpfter Kulturwandel der öffentlichen Verwaltung standen im (BS/kh) Vor dem Hintergrund der Digitalisierung wird die “ApplikationsZentrum der Rede von NRW-Digitalisierungsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart. Mecklenburg-Vorpommerns Digitalisierungsminister Christian sicherheit viel stärker in den Vordergrund rücken müssen”, ist sich der Pegel sieht in der Digitalisierung auch eine gute Möglichkeit, diesen Neuanfang zugunsten des Wirtschaftsstandorts im Nordosten zu nutzen. Leiter des Bereichs IT-Sicherheit in der Bundesagentur für Arbeit (BA), Eugen Bayerlein, sicher. Grund hierfür sei, dass ein Großteil der Cyber“Die Digitalisierung der Verwalin den disruptiven Prozessen des Angriffe heute nicht auf der Netzwerkebene stattfinde, sondern auf der tung ist vor allem ein Changedigitalen Wandels, die dazu führ- Applikationsebene – also der Anwendungsschicht. Prozess”, erklärte Minister Pinkwart. Man brauche daher ein Gesamtkonzept für diesen Transformationsprozess, der u. a. Meilensteine definiere und die Einbindung der Mitarbeiter strukturiere. Wichtig war Pinkwart in diesem Zusammenhang: “Wir müssen in diesem Prozess auch Fehler zulassen, um daraus zu lernen.” Hiermit tue sich die öffentliche Verwaltung bislang schwer. Um andere Akteure davor zu bewahren, die gleichen Fehler zu machen, müssten diese zudem öffentlich gemacht werden – ein Novum in der Verwaltung. Unter dem Strich brachte es Pinkwart auf die Forderung: “Wir brauchen einen grundlegenden Kulturwandel.”

Nicht von Ängsten beherrschen lassen Mit Blick auf die IT-Sicherheit machte Pinkwart klar: “Wir dürfen uns nicht von den Ängsten beherrschen lassen.” Dennoch müsse man die Bedrohungen durch Cyber-Angriffe ernst nehmen und geeignete Maßnahmen ergreifen. Das Land sei gegenwärtig dabei, auf der Grundlage einer IT-Sicherheitsleitlinie ein Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) zu installieren. Ganz wichtig ist ihm dabei die

NRW-Digitalisierungsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart wünscht sich für die erfolgreiche Digitalisierung der Verwaltung die Etablierung einer Fehlerkultur in den Behörden.

Schulung und Sensibilisierung der Mitarbeiter, etwa über Kampagnen wie “Na sicher! NRW”. Pinkwart unterstrich hierbei die Rolle der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Austauschs. So habe man etwa mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Angesichts der Bedrohungslage müsse man auch bereit sein, mit Rückschlägen zu leben. “Wichtig ist, dass wir in der Lage sind, auf Angriffe entsprechend zu reagieren”, so der Minister. Anderer-

Der Bund als Anbieter Ein weiteres Angebot macht der Bund ab 2019 beim Netzbetrieb. Mit der Übernahme des Betriebs der Netze des Bundes (NdB) durch die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) sollen die Länder und Kommunen die sicheren und hochverfügbaren Netzinfrastrukturen mitnutzen können. Mit den Ländern werde

Fotos: BS/Dombrowsky

seits machte er deutlich: “Wir dürfen über die erforderlichen Maßnahmen der IT-Sicherheit nicht die notwendige Digitalisierung der Verwaltung aufhalten.”

Basis-Infrastruktur schaffen Für Christian Pegel, Minister für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, bietet die Digitalisierung ein großes Potenzial für die Wirtschaft im eher industrieschwachen nordöstlichen Bundesland. Große Chancen sieht er dabei insbesondere

Die BA selbst befinde sich derzeit in einer “großen, digitalen Transformation”, wie Bayerlein erläutert. Für das Jahr 2017 nennt er Zahlen von rund 120 Millionen Besuchern auf der Online-Plattform der Arbeitsagentur, 800.000 Anträgen auf Arbeitslosengeld, die online gestellt wurden, und 276 Millionen Besuchern auf dem Online-Stellenportal “Jobbörse”. Die Gesamtausgaben der Behörde betrugen circa 100 Milliarden Euro. Große Teile davon wurden in die zweigeteilte Informationstechnik investiert: zum einen IT und digitale Prozessentwicklung in der Zentrale und zum anderen die IT-Systemhäuser in den besonderen Dienststellen. Da die BA auch teilweise Zugriffe auf ihre Daten von außen zulassen müsse, stelle die Datensicherheit eine zunehmende Herausforderung dar. “Die BA befindet sich in großer digitaler Transformation”, betont Bayerlein. Die Bundesagentur für Arbeit führe deshalb bei allen IT-Verfahren Sicherheitsanalysen durch – besonders hinsichtlich ihrer Zahlungsströme und Finanzsysteme, betont Bayerlein. ERP-SAP sei das zentrale System bei der Abwicklung von Zahlungen jeglicher Art. Eine SAP-Sicherheitsanalyse habe ergeben, dass der

Keiner kommt darum herum

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n dem Maße, in dem wir uns technisch vernetzen, werden wir uns auch strukturell noch stärker vernetzen müssen”, so der Abteilungsleiter weiter. Der Bund habe eine Steuerungs- und Bündelungsfunktion. Beim ITBetrieb komme er dem schon länger im IT-Planungsrat nach. Die Länder sähen den Bund aber auch bei der Cyber-Sicherheit in besonderer Pflicht, wie die Innenministerkonferenz 2016 deutlich gemacht habe. Dazu soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) weiter zur zentralen Stelle für die Zusammenarbeit ausgebaut werden. “Das BSI muss in der Fläche präsent sein”, betonte Könen. Grundlage für die verstärkte Kooperation ist eine Änderung der Gesetzesgrundlagen, die es der Cyber-Sicherheitsbehörde erlaubt, den Ländern auch Produkte und Dienstleistungen anzubieten.

Mecklenburg-Vorpommern plant die Einrichtung einer “Schnellen Eingreiftruppe”, wie Christian Pegel, Digitalisierungsminister des Landes, auf der PITS erklärte.

ten, dass “alle bei Null anfangen”. Bei den Digitalisierungsmaßnahmen im Lande steht aktuell der Breitbandausbau als “zentraler Schlüssel” für eine erfolgreiche Digitalisierung im Mittelpunkt. Derzeit werden in MecklenburgVorpommern unter der Koordination des Landes 93 kommunale Projektgebiete mit Fördermitteln von Bund und Land in Höhe von insgesamt über 1,3 Mrd. Euro ausgebaut. Bis 2021 will man eine 50-MBit-Abdeckung von 95 Prozent des ländlichen Raumes erreicht haben, bislang liegt man hier nur bei 20 Prozent. Ab 2025 soll dann der Glasfaserausbau beginnen. Angesichts dieser Herausforderungen und des aktuellen Entwicklungsstandes erklärte Minister Pegel dann auch unumwunden: “Der Aufbau der Infrastruktur ist bei uns aktuell wichtiger als die Frage der IT-Sicherheit.” Dennoch ist man auch hier nicht untätig. So plant man mit Blick auf die lokale Wirtschaft Angebote, um die Sensibilität für dieses Thema in den Unternehmen zu erhöhen. Zudem soll in Kooperation mit universitären Einrichtungen eine “Schnelle Eingreiftruppe” entstehen, welche die Unternehmen im Falle eines Cyber-Angriffes kurzfristig unterstützen soll.

Cyber-Sicherheit vernetzter und umfassender denken (BS/ab/stb) “Digitalisierung funktioniert nicht ohne IT-Sicherheit”, bekräftigte Andreas Könen, Leiter der Abteilung Cyber- und Informationssicherheit im Bundesinnenministerium. Auch Akteure, die früher nicht angesprochen gewesen seien, müssten sich heute damit auseinandersetzen. “Kein Sektor, keine Organisation und kein Mitarbeiter kommt in Zukunft darum herum”, so Könen. in Kürze eine neue Netzstrategie 2030 abgeschlossen. Auch im Nationalen Cyber-Abwehrzentrum (Cyber-AZ) sollen Bund und Länder zukünftig zusammenarbeiten. “Wir wollen das Lagezentrum so aufstellen, dass es uns befähigt, in Krisensituationen schnell und zielgerichtet reagieren zu können sowie gegebenenfalls auch zügig die Abwehr einzuleiten”, erklärte der Abteilungsleiter. Mit dem Ausbau zum “CyberAbwehrzentrum Plus” sollen auch Sicherheitsbehörden der Länder eingebunden werden.

Wissensaustausch operationalisieren Vernetzung ist das Gebot der Stunde – aber nicht nur für Sicherheitsbehörden, sondern für alle Akteure. “Niemand ist in der Lage, das Thema CyberSicherheit allein zu stemmen”, sagte Dr. Andreas Rohr, CTO bei der Deutschen Cyber-Sicherheitsorganisation (DCSO), “insbesondere, weil die nötigen Talente nicht reich genug gesät sind.” Zusammenarbeit könne aber noch mehr: Unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen sowie ein vertrauensvol-

Eine Expertenrunde zu Cyber-Sicherheitsstrategien diskutierte über Vernetzung und Austausch in der täglichen Praxis. Stephan Elsner (zweiter von rechts), Leiter der AG Cyber-Sicherheit in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres, mahnte, es dürfe nicht nur bei Papieren und Willensbekundungen bleiben.

ler Austausch über Misserfolge und Sicherheitsvorfälle könnten zu einem besseren Gesamtbild führen, von dem alle Beteiligten profitierten, so Rohr weiter. Der Wissensaustausch müsse aber operationalisiert werden und auch in der Praxis nutzbar gemacht werden. Ein regelmäßiger Gesprächskreis auf strategischer Ebene reiche da nicht. Dazu ergänzte Stephan Elsner, Leiter der AG Cyber-Sicherheit in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin, es mangele nicht am Willen zur Zusammenarbeit in der Verwaltung. “Aber die Vernetzung muss auch mit nutzbringenden Projekten angereichert werden und darf nicht bei Konzepten und Strategiepapieren stehen bleiben.” Derzeit sei die Landschaft der für die CyberSicherheit zuständigen Akteure kaum überschaubar. “Wissen ist durchaus vorhanden, wird aber nicht ausreichend schnell und effizient geteilt”, so Elsner. “Keiner hat ein abrufbares, akkurates Lagebild zur Verfügung.”

BMI-Abteilungsleiter Andreas Könen sprach über Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bei der Cyber-Sicherheit.

aus bestehenden Technologien für sich herausziehen, um bei Erkennung und Abwehr besser zu werden? Unter anderem die neue

Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) fordert Maßnahmen nach dem “Stand der Technik”. Dieser sei jedoch undefiniert,

Nimmt die Applikationssicherheit in den Blick: Eugen Bayerlein, Leiter IT-Sicherheit bei der BA.

größte Anteil (63 Prozent) von Sicherheitsbefunden in der BA im Bereich Berechtigung zu finden sei. Da die Behebung solcher Schwachstellen hochkomplex sei, erfordere der Umgang mit ihnen externe Unterstützung. Als langfristiges Zielbild der BA beschreibt der Leiter der IT-Sicherheit ein Drei-Phasen-Modell: erstens Prävention, zweitens Detektion und drittens Reaktion. Alle Anwendungen von externen Herstellern müssten dabei nochmals analysiert werden, um “auf Nummer sicher zu gehen”, aber “Sie brauchen externe Unterstützung”, hebt Bayerlein hervor.

wie Peter Morwinski, Leiter ITSicherheit bei Bechtle, anmerkt. “Trotzdem werden Sie daran gemessen und müssen diesem genügen”, zeigte er den Widerspruch und damit das Dilemma auf. “Die neuste Technologie auf dem Markt ist zugleich ein Unsicherheitsfaktor”, nahm er jenen, die darauf bauen, den Wind aus den Segeln. Sie sei ungeprüft und unerprobt. Morwinskis Vorschlag deshalb: Auf in der Fachpraxis bewährte und anerkannte Regeln und Prozesse setzen. “Gleichzeitig sollte dreimal im Jahr der Stand der Technik neu bewertet werden.” Entscheidend sei die Abwägung, inwiefern Technologien finanziell, aber auch vom Sicherheitsaspekt her, angemessen seien. Die Grundfrage laute, so wiederum Elsner: “Welche Risiken sichere ich eigentlich ab und welche Risiken bin ich bereit zu tragen?” Die Sicherheitsmaßnahmen hätten sich nach den konkreten Anforderungen in der Organisation zu richten.

Mit Isolation auf der sicheren Seite Grenzen der Erkennung

Dem Stand der Technik auf den Fersen

(BS/stb) Die Zahl der Schadcodevarianten, die über E-Mails, Webseiten oder USB-Sticks verbreitet werden, steigt Tag für Tag. Einen großen Teil davon können klassische Virenscanner, Mail-Filter und Firewalls abfangen. Sie schützen aber nur vor Bedrohungen, die schon zuvor aufgetreten und damit wiedererkennbar sind. Um auch vor den neuesten Viren, Würmern und Trojanern gefeit zu sein, braucht es neue Herangehensweisen.

Vernetzung ist Trumpf bei der Cyber-Sicherheit. Aber ohne solide Technik nützt auch aller Austausch nichts. “Mehr als 80 Prozent der Angriffe könnten problemlos abgewehrt werden, wenn nur die Technologie vernünftig zum Einsatz käme, die es schon gibt”, so Prof. Michael Waidner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie (SIT) und Chief Digital Officer (CDO) von Darmstadt. Noch dauere es hierzulande im Schnitt 99 Tage, bis ein Angriff erkannt werde. Das sei schon eine deutliche Verbesserung, aber immer noch deutlich schlechter als zum Beispiel in den USA. Doch wie kann man das beste

Vielversprechend scheinen Ansätze, die auf Machine Learning setzen. Die Idee: Man versucht, Schädlinge nicht mehr nur am charakteristischen Code, sondern an ihrem Verhalten in den IT-Systemen zu erkennen. Das klappt aber leider nicht von heute auf morgen. Der Machine-LearningAlgorithmus muss erst lernen, welche Vorgänge in bestimmten Geschäftsumgebungen normal sind und welche mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Bedrohungen hindeuten. Je sensibler das System arbeitet, desto mehr Falschmeldungen werden gerade zu Beginn auftreten. “Das ist wie bei einer Grenzkontrolle, wenn

ich als Zöllner eine verdächtig aussehende Person kontrolliere und sich herausstellt, dass nichts zu beanstanden war.” So veranschaulicht Jochen Koehler, Regional Director DACH bei Bromium, das Problem im Interview mit dem Behörden Spiegel. (Das vollständige Interview lesen Sie auf www. behoerdenspiegel.de unter dem Suchwort “Jochen Koehler”.) Bromiums Lösung soll diesem grundsätzlichen Dilemma bei der Erkennung entgehen. Alle potenziell gefährlichen Vorgänge, vom Surfen im Web über das Downloaden von Dokumenten bis hin zum Öffnen von Links in E-Mails, werden in isolierter

Umgebung durchgeführt. “Ich speise sozusagen alle Prozesse, auch die legitimen, in virtuellen Maschinen ab”, so Koehler. “Dort sind sie voll funktionsfähig. Sollte sich aber herausstellen, dass ein Prozess doch nicht legitim ist, dann kann dieser sein Unwesen nur in der abgespaltenen Umgebung treiben und nicht auf dem Rechner.” Sobald der Vorgang beendet, also der Browsertab oder das Dokument geschlossen wird, löscht sich die virtuelle Maschine mitsamt dem möglicherweise gestarteten Schadcode. So soll der Rechner sauber bleiben – egal, ob ein Virenscanner die Bedrohung erkannt hätte oder nicht.


PITS 2018

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Behörden Spiegel / Oktober 2018

Rennen statt Walken

Auf Vertrauen bauen

Noch Luft nach oben bei Cyber Defence und Digitalisierung im Verteidigungsressort

Cyber-Raum ist noch immer völkerrechtliches Neuland

(BS/kh/stb) Anderthalb Jahre nach Aufstellung des neuen Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum (CIR) in der Bundeswehr sei man “positiven Mutes”, so Generalmajor Michael Vetter, Chef des Stabes des Kommandos Cyber- und Informationsraum (KdoCIR). Beim Kompetenz- und Personalaufbau ist man aber noch längst nicht am Ende.

(BS/stb) Was dürfen Staaten im digitalen Raum, was müssen Sie unterlassen? Wer haftet für Schäden infolge von Cyber-Angriffen, die von fremdem Staatsgebiet ausgehen? Das sind zentrale Fragen der Cyber-Außenpolitik. Zu verbindlichen Antworten ist es noch ein weiter Weg, wie Dr. Thomas Fitschen zur Eröffnung des zweiten Kongresstages der PITS 2018 erläuterte.

Die Frage sei nicht mehr, ob Angriffe erfolgt, sondern nur noch wann und wie schwerwiegend diese ausfielen, illustrierte Vetter die Lage. Immer kürzere Innovationszyklen und die Zunahme von hybriden Angriffsformen machten es einfacher, unklare Zuständigkeiten bei den Betroffenen auszunutzen. Das erfordere ein “neues Denken”, stellte Vetter klar – nämlich das des Cyber- und Informationsraums als Operationsraum. Dieser sei bereits heute von entscheidender Bedeutung in Konflikten, ergänzte Konteradmiral Dr. Thomas Daum, Chef des Stabes NATO Communications and Information Agency (NCIA). “Ein Cyber-Angriff kann durchaus den Bündnisfall auslösen”, so Daum weiter. Bei den Streitkräften ziele die Cyber-Sicherheit vor allem auf die Aufrechterhaltung der Command-and-Control-Strukturen und den Schutz vernetzter Informationssysteme, Fahrzeuge oder Waffen. Neben der Absicherung der IT und Ausrüstung spiele ebenfalls die “Awareness” der Mitarbeiter eine wichtiger werdende Rolle, betonte wiederum Vetter. “In diesem Bereich investieren wir momentan sehr viel”, so der Generalmajor, der seinen Organisationsbereich als “Treiber der Digitalisierung in der Bundeswehr” sieht.

Innovation braucht Investition Dieses Potenzial sah auch Brigadegeneral Dr. Michael Färber, Stellvertretender Abteilungsleiter Cyber/Informationstechnik (CIT) im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). “Die Einrichtung des neuen Organisationsbereichs mit weitreichender struktureller und Personalverantwortung ist ein bedeutender Schritt.” Er räumte aber ein: “Derzeit ist man noch eher beim Walken als beim Rennen.” Auch in der BMVg-Abteilung CIT, die vor zwei Jahren eingerichtet wurde, werde noch organisatorisch nachgesteuert. Hier konzentriere man sich darauf, die IT-Beschaffung durch Lebenszyklusbetrachtung flexibler und innovationsfreudiger zu gestalten. Deutlich mehr In-

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uch wenn insbesondere jugendliche Kriminelle dies so wahrnehmen – der Cyber-Raum ist keine rechtsfreie Zone und war auch noch nie eine. Verstöße werden ähnlich wie in der realen Welt verfolgt und geahndet. Die vielbeschworene Anonymität, und damit der Schutz vor Strafverfolgung, ist im Internet nicht automatisch gegeben. Eine Herausforderung kann jedoch ein Anfangsverdacht für Ermittlungen oder gar eine Anzeige von Betroffenen darstellen. Ist nichts von beidem gegeben, fehlt oft die Grundlage zur Aufnahme von Ermittlungen. Daher ist Betroffenen immer zu raten, bei einem Schaden auch wirklich Anzeige zu erstatten. Ohne diese sind den Strafverfolgungsbehörden oftmals die Hände gebunden.

Auch Cyber-Kriminelle ­machen Fehler Im Gegensatz zur realen Welt ist Anonymität im Internet relativ einfach zu bewerkstelligen, insbesondere, wenn man sich auf die rein technischen Aspekte beschränkt. Geschlossene Foren oder Anonymisierungswerkzeuge wie TOR erlauben es auch tech-

Weitgehend einig waren sich die Teilnehmer der High-RankingDiskussion zum Thema Cyber Defence darüber, dass zwar offensive Fähigkeiten aufgebaut werden müsst. Noch gelte aber: “Abwehr ist die beste Verteidigung.”

Offensive Fähigkeiten: Ja, aber ...

Wünscht sich ein handlungsfähigeres Nationales Cyber-Abwehrzentrum: Generalmajor Michael Vetter, Chef des Stabes des Kommandos Cyberund Informationsraum der Bundeswehr. Foto: BS/Dombrowsky

vestitionsbereitschaft vor allem auch in die “Themen von Übermorgen” forderte Dr. Gundbert Scherf. “Die Digitalisierungsbemühungen müssen deutlich über die reine Bedarfsdeckung hinausgehen, sonst riskiert man einen “Sputnik-Moment” im internationalen Wettlauf.” Für eine durchgehende Digitalisierung im Verteidigungsbereich veranschlagte der McKinsey-Partner rund 130 Mrd. Euro. Investitionen braucht es aber nicht nur in die Technik von heute und morgen. Eine weitere große Herausforderung stellt das Gewinnen und Halten von hart umkämpften IT-Fachkräften dar. “Dabei geht es gar nicht um die Zahl der Köpfe, sondern um die Qualität allein”, so Dr. Hans-Joachim Popp, Principal bei der Inhouse-Beratung der Bundeswehr BwConsulting. Es gebe nur “eine Handvoll” hochqualifizierter Spezialisten für die Cyber-Abwehr. “Die Motivation dieser Leute muss unbedingt aufrechterhalten werden”, forderte Popp. Dabei dürfe aber nicht das Personalmanagement der Bundeswehr im Ganzen vernachlässigt werden, merkte Färber an. “Es wäre das falsche Signal, wenn wir sagen, wir wollen Masse durch Qualifikation ersetzen.”

Dr. Reinhard Brandl (MdB, CSU), Hauptberichterstatter Einzelplan 14 im Haushaltsausschuss des Bundestages, warnte vor der unsachgemäßen Verkürzung der Diskussion, wenn man vom “Hack Back” spreche. “Es geht nicht um das Zurückschlagen oder gar um Rache”, so Brandl, “sondern darum, im Krisenfall adäquat reagieren zu können.” Dazu gehörten zum Beispiel Mittel, um Server zu identifizieren, von denen Angriffe ausgingen, und herauszubekommen, ob es noch weitere Betroffene gebe. Schließlich müsse man andauernde, existenzbedrohende Angriffe auch unterbinden können. Die Vorstellung eines Gegenschlages im Cyber-Raum sei irreführend, fand auch Popp: “Eine Cyber-Gruppe kann man nur mit einem kinetischen Angriff außer Gefecht setzen.” “Offensive Fähigkeiten sind notwendig. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es auch diplomatische Antworten auf Cyber-Aktivitäten gibt”, erinnerte Oberst Dipl.-Ing. Magister Heinrich Krispler. Der Deputy CIS/Cyber Director und Branch Chief Policy and Requirements European Union Military Staff beim European External Action Service (Auswärtiger Dienst der EU) wies auf die “Cyber Diplomacy Toolbox” der Europäischen Union hin, die politische Optionen bis hin zu Sanktionen zur friedlichen Lösung von Konflikten vorsieht. In Deutschland müsse die Priorität zunächst bei der Weiterentwicklung des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums liegen, forderte Brandl. Und auch KdoCIR-Stabschef Vetter bekräftigte: “Aus unserer Sicht ist das Cyber-Abwehrzentrum noch nicht operabel genug.” Dies könne sich allerdings auch nicht ohne gesetzliche Anpassungen ändern.

Unter Beteiligung der Bundesregierung bemühen sich die Vereinten Nationen seit Jahren um Normensetzung, so der Sonderbeauftragte für Cyber-Außenpolitik und Cyber-Sicherheit des Auswärtigen Amts. “Es muss nicht unbedingt ein neues, digitales Völkerrecht geschaffen werden”, stellte er klar. Ein Konsens auf die Durchsetzung des bestehenden Völkerrechts im Digitalen erscheine zurzeit als greifbarere Option. Tatsächlich wurde schon 2013 und 2015 durch Expertengruppen der Vereinten Nationen festgestellt, dass das Völkerrecht im Cyber-Raum anwendbar sei. In dem Zuge waren auch freiwillige Normen beschlossen worden. “So sollen keine IT-Aktivitäten durchgeführt werden, die zur Schädigung von Kritischen Infrastrukturen führen könnten”, erläuterte Fitschen. “Außerdem hatte man sich auf gegenseitige Hilfeleistung bei schweren, IT-bedingten Krisen verständigt.” Zur nächsten Expertenrunde 2017 hatte man große Hoffnungen gehegt, auf Basis dieser noch eher unkonkreten Erklärungen bei dem Thema weiterzukommen. Doch es konnte keine Einigung erzielt

Betonte die Entschlossenheit der Bundesregierung, weiterhin auf Rechtssicherheit und Vertrauen in der internationalen CyberPolitik hinzuarbeiten: Dr. Thomas Fitschen, Sonderbeauftragter für Cyber-Außenpolitik und Cyber-Sicherheit des Auswärtigen Amts. Foto: BS/Dombrowsky

werden. Der Grund: Die großen Cyber-Mächte konnten sich nicht über Regeln zum Einsatz von Cyber-Wirkmitteln verständigen. “Das war ein ziemlicher Dämpfer”, erinnert sich Fitschen. “Noch im Herbst dieses Jahres will sich die Generalversammlung aber über für eine Wiederaufnahme der Gespräche starkmachen.” Zumindest in Europa bekommt die Cyber-Außenpolitik aber noch von anderer Seite Aufwind. Die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) hat mehrere Pakete

Transformationen sicher gestalten Cyber-Angriffe gefährden Produktivität und Resilienz (BS/Dr. Volker Strecke*) Wir befinden uns derzeit in einer komplexen Phase von Transformationen. Diese betrifft die großen Themen Digitalisierung, IT-Infrastrukturen, Arbeitsbereiche und auch IT-Sicherheit in allen Organisationen, Behörden und Unternehmen. Zunehmende Vernetzung und Interkonnektivität erzeugen stets neue Bedrohungsszenarien und infolgedessen auch neue Anforderungen an das Risikomanagement. Hinzu kommt die Big-Data-Herausforderung – das massive Datenwachstum hinsichtlich Umfangs, Geschwindigkeit und Vielfalt. Es sind neue Strategien und zukunftsfähige Lösungsszenarien für möglichst viele Geschäftsprozesse vonnöten: Sichtbarkeit, Transparenz, Risikomanagement, Netzwerkverkehr, Analysen, Endpoints, Richtlinien oder Identitäten. Wichtige Bestandteile einer Business-orientierten Sicherheitsstrategie sind: • Identity & Access Management, • Governance, Risk & Compliance, • Threat Detection & Response, • Fraud & Risk Intelligence. Um Sicherheitsvorfälle besser

und schneller erkennen und darauf reagieren zu können, bedarf es einer Sichtbarkeit der Vorgänge in den Infrastrukturen (On-Premise, Cloud, Mobility), einer Erkennungs-, Analyseund Korrelationsfähigkeit dieser Vorgänge sowie einer Orchestrierung von Systemen und Prozessen. Auf der diesjährigen PITS konnten sich die IT-Experten aus Staat und Verwaltung bei Arrow über Ansätze von CyberSicherheitsstrategien informieren. Im Fokus stand die Frage,

Darknet – Crime und Terrorismus in der digitalen Welt Strafverfolgung in Zeiten von TOR und Bitcoin (BS/Udo Schneider) Ob im Cyber-Raum oder der realen Welt – Verbrechen und Terrorismus werden überall verfolgt. Interessanterweise unterscheiden sich einerseits die zur Aufklärung genutzten Methoden nur geringfügig. Andererseits gibt es im Cyber-Raum sowohl Möglichkeiten für Kriminelle, sich besser zu verstecken, als auch für Strafverfolger, Kriminelle effizienter zu verfolgen. Über diese Aspekte durfte ich im Rahmen der PITS 2018 diskutieren – mit einigen für viele Teilnehmer durchaus überraschenden Wendungen. in der realen Welt nachverfolgt werden können? Das kann schon etwas so Banales wie das Einloggen in das eigene FaceUdo Schneider ist Security Evangelist bei Trend Micro. book-Konto über eine anonymisierFoto: BS/Trend Micro te Verbindung sein. Schon gibt es eine Verbinnisch wenig versierten Kriminel- dung zwischen der anonymen len, anonym zu agieren. Richtig Identität und einer echten Perangewendet machen sie eine son. In der Realität ist die strenNachverfolgung fast unmöglich. ge (auch gedankliche!) Trennung Während sich das öffentliche In- zwischen der eigenen Person und teresse auf das “Brechen” dieser einer anonymen Identität auf Anonymitätswerkzeuge konzen- Dauer schwer durchzuhalten. triert, liegen die Chancen zur Verfolgung oft eher bei Fehlern Im Zweifel dem Geld folgen von Nutzern. Denn was nützen Bei der Berichterstattung über die besten Anonymisierungs- allgegenwärtige Verschlüssewerkzeuge, wenn aus Versehen lungstrojaner drängt sich der dann doch einmal Informatio- Verdacht auf, dass moderne nen hinterlassen werden, die Kryptowährungen wie Bitcoin

mit vertrauensbildenden Maßnahmen zur Verminderung von Konfliktrisiken im Cyber-Raum beschlossen. Dabei geht es um schnellen und effizienten Austausch über nationalstaatliche politische Vorhaben und Strategien sowie Konsultationsmechanismen für Zwischenfälle mit Konfliktpotenzial. Auch das klingt nicht besonders spektakulär, wie auch Fitschen einräumt. “Aber es ist ein Anfang. Es zeigt, dass die Bereitschaft besteht, sich zu verständigen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.”

völlig anonym sind. Dies würde sie natürlich zum perfekten Werkzeug für Cyber-Kriminelle machen. Allerdings könnte nichts weiter fernab der Realität sein. Bei modernen Kryptowährungen werden alle Transaktionen in Blockchains gespeichert. Jede einzelne Transaktion, inklusive Absender, Empfänger und Betrag, ist dadurch öffentlich einsehbar. Das einzige was die Bezeichnung “anonym” rechtfertigt, ist die Tatsache, dass Absender und Empfänger nicht direkt bekannt sind. Vielmehr werden Transaktionen zwischen virtuellen Brieftaschen (Wallets) getätigt. Es gibt dabei zunächst keine Verbindung zwischen einer natürlichen Person und der virtuellen Brieftasche. Ist allerdings auf anderem Weg, beispielsweise durch einen Fehler des Kriminellen, einmal eine solche

Verbindung erfolgt, lässt sich jede Transaktion nachverfolgen und auch beweisen. Ein anderer Aspekt ist, dass man sich mit virtuellen Währungen direkt wenig kaufen kann. Am Ende steht deshalb oft die Umwandlung von Kryptowährungen aus kriminellen Machenschaften in sauberes und echtes Geld – also klassische Geldwäsche. An dieser Stelle greifen wieder bewährte Ermittlungsmethoden, denn das Nachverfolgen von Zahlungsströmen stellt ein Verfahren dar, das seit Jahrzehnten kontinuierlich optimiert wird.

Nutzung von Daten aus der Wirtschaft Cyber-Kriminelle stehen nicht nur im Fokus von Strafverfolgungsbehörden. Auch ITSicherheitsunternehmen aus der Wirtschaft haben diese im Visier. Dabei lassen sich, ab-

wie Organisationen, Behörden und Unternehmen weltweit die komplexesten Herausforderungen in Sachen Cyber-Sicherheit und Geschäftsrisikomanagement mithilfe einer Business-orientierten Sicherheitsstrategie managen sowie skalierbare Sicherheitsvorgaben durch geeignete Technologien umsetzen können. *Dr. Volker Strecke ist Senior Business Development Manager bei Arrow ECS AG und war als Ansprechpartner für RSA auf der PITS vertreten.

hängig vom Geschäftsmodell der Firmen, zwei Extreme beobachten. Auf der einen Seite stehen Geschäftsmodelle, die sich ausschließlich auf den Schutz der Kunden konzentrieren. Bei diesen Modellen fallen jedoch für die Strafverfolgung relevante Informationen unter Umständen “nebenbei” an. Auf der anderen Seite des Spektrums finden sich Modelle, die sich ausschließlich auf die Informationsbeschaffung über Akteure, Taktiken, Techniken und Vorgehensweisen fokussiert sind. Diese Informationen sind wiederum nur für wenige Kunden interessant, die etwa angegriffen oder deren Daten entwendet wurden. Die dabei gesammelten Informationen sind daher auch sehr zielgerichtet. Die meisten Unternehmen befinden sich zwischen diesen Extremen. Durch sie gewonnene Informationen sind dabei grundsätzlich für Strafverfolgungsbehörden interessant. Die Details bezüglich der Anfrage und Übermittlung der Informationen, anfragende Stellen, aber auch mögliche monetäre Kompensation sind jedoch im Einzelfall zu klären.


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insichtlich der Analyse sind sich alle einig: Angriffe durch “WannaCry” und “NotPetya” sowie kaum behebbare Lücken wie “Spectre” und “Meltdown” zeigen, die Anzahl und die Heftigkeit nehmen zu, ebenso wie die Verletzbarkeit. Für Deutschland ergibt sich daraus die allgemeine Erkenntnis, sich nicht auf den Gesetzesbeschlüssen der vergangenen Legislatur auszuruhen. “Wir müssen das Cyber-Abwehrzentrum weiterentwickeln, damit jederzeit ein aktuelles Lagebild verfügbar ist”, sagt Klaus Vitt, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Außerdem müsse das IT-Sicherheitsgesetz fortentwickelt werden, indem u. a. Meldepflichten bis auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ausgeweitet werden.

Fokus auf Prävention Alles Maßnahmen, die nicht verkehrt seien. Allerdings dürfe nicht nur die Retro-Perspektive bei Angriffen eingenommen werden, mahnt Posch. Künftig müssten der Datenschutz und die “Sicherheit by Design” in Entwicklungskonzepten mitgedacht werden. Spätestens in zehn Jahren kämen pro Sekun-

Wie ein “Emmentaler mit Löchli” Bestandsaufnahme und anzugehende Maßnahmen für die IT-Sicherheit in Europa (BS/Jörn Fieseler) Gesetzesbeschlüsse dauern in großen Ländern oder auf europäischer Ebene sehr viel länger, als dies in kleineren Ländern der Fall ist. Auch beim Thema Cyber-Sicherheit. Aber: “Cyber-Angriffe warten nicht auf Gesetzesbeschlüsse”, wie Österreichs CIO der Bundesregierung, Prof. Dr. Reinhard Posch, feststellte. Trotzdem wird der Blick nach Europa geworfen. Nicht nur, um einheitliche Lösungen zu erarbeiten, sondern auch, um überhaupt gegen Cyber-Attacken bestehen zu können. de 50.000 neue Internetdevices auf den Markt, die meisten aus Fernost. “Diese Produkte müssen zertifiziert sein, sonst können wir den Markt nicht mehr regulieren.” Und natürlich müsse man auf die Wünsche der Bürger reagieren. In Österreich wollten fast 70 Prozent ihre Anliegen via Handy erledigen. Deshalb habe die Verwaltung im Rahmen einer IT-Sicherheitsstrategie die eIDAS auch auf Handys übertragen. Auch in Dänemark ist eine Cyber- und IT-Sicherheitsstrategie verabschiedet worden, mit drei wesentlichen Zielen: die Kompetenzen der Bürger und Unternehmen zu stärken, die physikalische Infrastruktur und Technik besser zu schützen und die Zusammenarbeit in der Verwaltung zu verbessern, wie Marianne Sørensen, stellvertretende Generaldirektorin der dänischen Agentur für Digitalisierung erläuterte. Die Strategie gleicht

Diskutierte mit fünf Männern über Cyber-Sicherheit in Europa: die einzige Frau in der Runde, Marianne Sørensen (2.v.r.), stellvertretende Generaldirektorin der dänischen Agentur für Digitalisierung. Fotos: BS/Dombrowsky

von den Schwerpunkten der niederländischen Roadmap für Hard- und Software-Sicherheit, die von Jos de Groot, Direktor für den Bereich Digitalisierung im Niederländischen Wirtschaftsministerium bereits am Vortag der zweitägigen Public-IT-Security

vorgestellt wurde. Dennoch gebe es einige Länder, die weiter seien als andere. Und warum? “Das hat mehrere Gründe, vor allem aber hatten diese Länder schon eine Krise zu bewältigen”, berichtet Dr. Sebastian Stern. Krisen seien Events, die zu einer

diskontinuierlichen Aufstellung der Cyber-Kompetenz führten, erklärt der Senior Partner und Leiter Public Sector Practice bei McKinsey. Doch nicht alle Länder können diese Entwicklung nachzeichnen: “Wir setzen auf Europa”, sagt Martin Matt, Amtsleiter für Informatik der Liechtensteinischen Landesverwaltung. Schließlich sei ein einheitlicher digitaler europäischer Markt die einzige Lösung für einen Staat, der 2.000-mal kleiner sei als Deutschland. Ähnlich betrachten die Eidgenossen im Nicht-EU-Mitglied Schweiz die Situation. CyberSicherheitslücken ließen sich vergleichen mit einem “Emmentaler-Käse mit Löchli”, so Pascal Lamia, Leiter der Melde- und Analysestelle Informationssicherung MELANI, Eidgenössisches Finanzdepartement EFD, Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB der Schweiz. Man sei

Fokus nicht nur auf IT setzen

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o verlangte Burkard Dregger, Vorsitzender der CDUFraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, auch Lieferketten in den Blick zu nehmen und diese effektiv zu sichern. Das gelte etwa im Bereich der Strom- und Gasversorgung. Zuspruch für diese Feststellung erhielt Dregger von Dr. Michael Littger. Der Geschäftsführer von “Deutschland sicher im Netz” erklärte: “Es geht um die Resilienz der gesamten Gesellschaft.” Nur wenn diese gestärkt werde, könne auch die Ausfallwahrscheinlichkeit Kritischer Infrastrukturen verringert werden. Hierfür sei es aber zwingend erforderlich, die KRITISBetreiber zu sensibilisieren und sie überhaupt zur Resilienz zu befähigen. Eine Achillesferse benannte der ehemalige Berliner Landesbranddirektor Wilfried Gräfling. Er kritisierte, dass die Möglichkeit von Attacken auf Netze bei der Diskussion um IT-Sicherheit oft vernachlässigt werde. Dies sei aber nicht förderlich. Denn: “Die Netze sind deutlich angreifbarer als die Rechenzentren.” Wenn es flächendeckend gezielte Angriffe auf diese Infrastruktur gebe, werde deren Wiederherstellung mehrere Tage in Anspruch nehmen. Währenddessen entstünden

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Gesamte Gesellschaft muss resilient sein (BS/Marco Feldmann) Bei der Resilienz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) gehe es nicht nur um Informationstechnologie. Vielmehr brauche es eine ganzheitliche Betrachtung. Darin waren sich mehrere Diskutanten einer Debattenrunde zu Blackout-Gefahren einig. Es wurde aber auch eine besondere Lücke identifiziert. massive Schäden und Störungen der Lieferketten, da keine Kommunikation mehr möglich sei, warnte Gräfling. Um dies zu verhindern, brauche es eine optimale Vernetzung der zuständigen Behörden in den verschiedenen Staaten. Schließlich seien KRITIS-Betreiber heutzutage oftmals in mehreren Ländern aktiv, berichtete Isabel Münch. Die Fachbereichsleiterin für präventive Cyber-Sicherheit und Kritische Infrastrukturen im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zeigte sich gleichwohl überzeugt: “KRITIS in Europa sind gut aufgestellt und abgesichert.” Ihre Betreiber könnten Cyber-Attacken abwehren und abfedern.

Stromversorgung darf nicht zusammenbrechen Auf eine weitere besondere Kritische Infrastruktur wies Benjamin Sommer, Fachgebietsleiter für Informations- und Kommunikationstechnologie beim Verband

Debattierten über die Resilienz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) und die Gefahren eines Blackouts (v.l.n.r.): Burkard Dregger, Isabel Münch, Reinhold Harnisch, Wilfried Gräfling, Magister Walter Unger (Moderator), Benjamin Sommer, Dirk Arendt, Steffen Rieck und Dr. Michael Littger (am Rednerpult).

kommunaler Unternehmen, hin. Als solche identifizierte er die Stromversorgung. Der Grund: von ihrer Funktionalität hingen mehrere andere KRITIS ab, zum Beispiel die Wasserversorgung. Bisher müsse sich hier jedoch noch niemand Sorgen machen. Die Versorgungssicherheit sei durchgängig gewährleistet. Das

liege auch an den Anbieterstrukturen. Im deutschen Stromversorgungssystem seien viele kleinere Unternehmen unterwegs, so Sommer. Damit gingen allerdings auch Probleme einher, erwiderte Steffen Rieck. Der geschäftsführende Gesellschafter der Umbrella Unternehmensberatung bemängel-

te, dass jeder KRITIS-Betreiber sein Netz selbst betreibe. Dies erschwere die Verknüpfung zwischen unterschiedlichen Netzen und Infrastrukturen. Aus diesem Grunde forderte Rieck den Bund auf, seine Netze für KRITIS-Betreiber zu öffnen. Dies würde eine Kommunikation zwischen Staat und den Unternehmen einerseits

zwar froh, wenn der Konkurrent betroffen sei, aber aus solchen Vorfällen gebe es keine “Lessons learned”. Er plädiert für einen viel intensiveren Austausch über Angriffe und deren Vorgehen. “Es ist eine staatliche Aufgabe, diese Angriffe öffentlich zu machen.” Allerdings mangle es am gegenseitigen Vertrauen. Dies sei nicht nur zwischen den Staaten in Europa, sondern schon innerhalb der Staaten ein Problem.

Aktive zivile Abwehr im Bund Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten aber auch gezeigt, eine rein defensive Abwehr reiche nicht mehr aus. “Wir brauchen eine aktive zivile Abwehr, Prävention allein reicht nicht mehr”, so der Staatssekretär. Derzeit würden die rechtlichen und politischen Regelungen und Rahmenbedingungen im BMI geprüft werden. Dabei gehe es vor allem um zivile Handlungsmöglichkeiten, Regelungskompetenzen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Welche Kompetenzen für aktive Abwehrmaßnahmen bei welcher Behörde seien. “Am Ende müssen alle an einem Strang ziehen, nur so ist der Wettlauf zwischen Angreifern und Verteidigung zu gewinnen”, so Vitt. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa.

und andererseits zwischen den Firmen untereinander gewährleisten. Dieser Idee gegenüber aufgeschlossen zeigte sich BSIVertreterin Münch. Sie sagte: “Darüber sollten wir diskutieren.”

Netzwegeplan erarbeiten Eine andere Forderung erhob Reinhold Harnisch. Der Geschäftsführer im Kommunalen Rechenzentrum MindenRavensberg/Lippe forderte die Erstellung eines Netzwegeplans in Deutschland. Bisher existiere eine solche Bestandsaufnahme noch nicht. Aber: “Ich kann nur das schützen, was ich kenne.” Ansonsten leide das Schutzniveau. Und der Leiter Public Sector und Government Relations bei Check Point, Dirk Arendt, kritisierte: “Bei einem Großteil der deutschen Gesellschaft ist das Thema IT-Sicherheit noch gar nicht angekommen.” Er verlangte: “Wir müssen zu einer anderen Diskussion über IT-Sicherheit kommen.” Digitalisierung und IT-Sicherheit müssten Themen in den Schulen werden. Eines müsse sich jedenfalls definitiv ändern, schloss Arendt: “IT-Sicherheit darf nicht immer die hässliche Schwester der Digitalisierung sein.”


PITS 2018 / Endpoint Protection

Seite 38

Behörden Spiegel / Oktober 2018

Ransomware auf dem Rückzug?

Hard- oder Software?

Zwischen Wohlfühlphase und Anspannung

Zwischen unerwünscht und notwendig

(BS/ab) “Wir haben durchaus einen Rückgang von Ransomware-Angriffen wie WannaCry zu verzeichnen”, merkte Dominik Helble aus dem Referat (BS/ab) “80 Prozent der Apps sind leicht zu manipulieren”, betont Dr.Cyber Crime beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg an. Aber diese “Wohlfühlphase” könne auch darauf zurückzuführen sein, dass die Ing. Kpatcha Mazabalo Bayarou, Mobile Systems und Mobile Networks Täter ihre Technik verfeinerten. Aber wie verhält man sich “richtig”, wenn der Rechner mit einer altbekannten oder neuen Bedrohung infiziert ist? im Fraunhofer SIT. Aber die Lösungen bleiben umstritten. Gleichzeitig würde solche Schadsoftware nicht mehr breit angreifen, sondern gezielt auf Firmen gerichtet. Vier Gründe führt Helble für den Rückgang von Ransomware an: “Zum einen fruchten die Awareness-Kampagnen, die Nutzer vor Spam-E-Mails, welche die Hauptangriffsmethode darstellen, warnen und sensibilisieren.” Zum anderen sei die Back-up-Infrastruktur in Unternehmen besser geworden. Außerdem existiere mittlerweile genügend kostenlose De-Krypto-Software, die infizierte Rechner wieder reinige. “Schließlich wissen viele Opfer, dass sie mit der Zahlung des Geldes nichts zurückerhalten und lassen sich meistens nicht mehr erpressen”, schloss er ab. Eine aktuell zunehmende Bedrohung sei hingegen das Mining. “Statt Opfer zu erpressen, drucken sich die Täter ihre Währung wie Bitcoins selbst.” Hierfür würden die Rechner infiziert, um die digitale Währung im Hintergrund zu schürfen. Dies könne jedoch das System zerstören.

Makros aktivieren. Wenn diese ausgeführt werden, fängt die Schadsoftware an zu arbeiten.” Neben Sandbox-Architekturen und Spamfilter-Erweiterung sei ein mitarbeiterzentrierter Lösungsansatz wichtig. “Es ist unerlässlich, die hochrangigen Mitarbeiter wie Administratoren besonders zu schützen.”

Nicht in Panik verfallen

Dominik Helble aus dem Referat Cyber Crime beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg sprach über den Rückgang von Ransomware, aber auch über eine neue Bedrohung. Foto: BS/Dombrowsky

Sollte das Kind jedoch in den Brunnen gefallen sein – also eine ATP bzw. ein Trojaner wurde erkannt, dann rät Münch dazu, nicht in Panik zu verfallen. “Die Angreifer können bereits seit längerer Zeit in ihrem Netz sein, deshalb hilft Panik nicht weiter.” Es gehe dann darum, dass rekonstruiert werde, was passiert sei und was getan werden soll. Panik führe zu Fehlern wie etwa dem zu frühen Bereinigen der Rechner, wodurch Spuren verwischt würden. Denn: Das Interesse des Täters sei es nicht, spektakulär ein System zu vernichten, sondern unentdeckt zu bleiben. Ihr Rat: “Wenn jemandem etwas faul vorkommt und die Anwendung oder der Prozess nicht rückverfolgbar ist, dann darf nicht gezögert werden. Es ist keine Schande, sich Hilfe zu holen.”

Dabei vertritt Dr. Christoph Erdmann als Geschäftsführer von Secusmart die Meinung, dass es weitere Maßnahmen brauche, denn viele Mitarbeiter nutzten ihre privaten mobilen Geräte auch dienstlich, wodurch große Sicherheitslücken entstünden. Oft wird in diesem Zusammenhang das Mobile Device Management (MDM), eine Mobilgeräteverwaltung, als Lösung präsentiert. Damit können Administratoren virtuelle Container erstellen. Diese werden dann genutzt, um private und dienstliche Bereiche voneinander zu entkoppeln. Somit wären die dienstlichen E-Mails, Kalender und Kontakte von den privaten Anwendungen wie WhatsApp getrennt. “Beispielhaft hierfür steht unsere Lösung SecurePim, es ist eine reine Container-Lösung”, merkt Günter Junk, CEO bei Virtual Solution AG, an.

Trotzdem seien Advanced Persistent Threats wie WannaCry nicht zu unterschätzen, betonte Jan Lindner, Vice President

Northern Continental Europe bei Panda Security. “Die Angriffe nehmen ab, aber deren Qualität nimmt zu.” Isabel Münch, Fachbereichsleiterin für Präventive Cyber-Sicherheit und Kritische Infrastruktur im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), erläuterte entscheidende IT-Sicherheitsmaßnahmen: “Wichtig sind und bleiben die Patches für Programme, aber auch die Betriebssysteme. Hilfreich ist auch eine App-Whitelist, die das Star-

“B

Wirtschaftsstandort Deutschland im Visier

Schutz vor Cyber-Gefahren

ei der Cyber-Sicherheit in der Industrie sehen wir zwar einen positiven Trend. Gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen besteht aber noch deutlicher Handlungsbedarf.” So Thomas Haldenwang, Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Gerade in der Industrie würden staatliche Aktivitäten eine erhebliche Rolle spielen. “Anders als in Deutschland haben fremde Nachrichtendienste häufig den staatlichen Auftrag, die Wirtschaft anderer Länder auszuspionieren, um mit den gewonnenen Erkenntnissen ihre eigene Wirtschaft zu stärken”, so Haldenwang weiter. In den letzten Jahren habe sich der Fokus chinesischer Cyber-Spione von den USA und Japan stärker auf Deutschland und Europa verlagert. Doch es gehe nicht immer nur um das Abschöpfen von Infor-

W

ährend früher die einzigen Endpunkte Windowsbasierte Desktop-PCs waren, müssen heute vielfältige Geräte geschützt werden: Windows, Mac oder Linux; Server, Virtuelle Maschine, Desktop, Laptop oder auch Smartphones und Tablets. Erschwerend kommt noch eine ganze Reihe an verschiedenen Sicherheitstechnologien dazu, von denen je nach Gerät und Einsatzzweck verschiedene Kombinationen genutzt und administriert werden müssen. Zwei beispielhafte Szenarien:

1. Server-Workloads “Den” klassischen Server gibt es heute kaum noch. Bricht man einen Server in seine Essenz auf, so hat man eine Komponente, die einen Dienst bereitstellt. Ob diese Komponente nun physikalisch im Rack im eigenen Rechenzentrum (RZ) steht, virtualisiert auf einem Pool von Hardware läuft oder sogar in der Cloud in Form von Containern oder Serverless-Umgebungen ihren Dienst versieht, die Sicherheitsmechanismen sollten in allen diesen Formfaktoren funktionieren. Man muss sogar noch einen Schritt weiter gehen und sicherstellen, dass auch ein dynamischer Wechsel zwischen

ten nachladender Malware verhindert. Schließlich sollten Sie noch die Zugriffe beschränken und Netzwerke segmentieren, wenn Sie diese nicht ausreichend sichern können.” Markus Grüneberg, Sr. Security Evangelist bei Proofpoint, zeigt Verständnis für PC-Nutzer: Diese würden aufgrund der sehr überzeugenden Layouts der Dokumenten-Anhänge eben diese öffnen und ausführen. “Vielfach sind dort sogenannte EnableButtons wie bei Word, welche die

72 Prozent nutzen es “Gleichzeitig befinden sich die Verwaltungsmitarbeiter in dem Spannungsfeld zwischen Regelkonformität und Benutzerfreundlichkeit beziehungsweise Effizienz. Dementsprechend nutzen 72 Prozent der Mitarbeiter ihre Privatgeräte für

Hohe Schäden durch Cyber-Kriminelle und -Spione (BS/stb) Die deutsche Wirtschaft erleidet Jahr für Jahr Schäden in Milliardenhöhe durch Cyber-Angriffe. Während Kriminelle grundsätzlich alle privaten und öffentlichen Organisationen sowie Privatpersonen ins Visier nehmen, zielen Cyber-Spione mit wirtschaftspolitischer Agenda häufig speziell auf Industrieunternehmen. Angriffe richten sich dabei in erster Linie auf die Endgeräte der Nutzer und Mitarbeiter. mationen. “Neben der klassischen Wirtschaftsspionage beschäftigen uns vermehrt Attacken, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass Schadsoftware mit dem Ziel in IT-Systeme eingebracht wird, Sabotage-Akte vorzubereiten”, so der BfV-Vize.

Täter werden professioneller Auch in Bezug auf die CyberKriminalität ist die Lage angespannt. “Der Wirtschaftsstandort Deutschland bleibt ein bevorzugtes Gebiet für Hacker”, stellte Pe-

ter Henzler, Vizepräsident des Bundeskriminalamts (BKA) zur Vorstellung des Bundeslagebilds Cyber Crime 2017 fest. Zudem würden die Täter immer professioneller. Die Qualität der Angriffe nehme stetig zu. Im vergangenen Jahr habe allein das BKA rund 86.000 Fälle von Cyber-Kriminalität im engeren Sinne festgestellt – eine Zunahme von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dagegen sei der dabei verursachte Schaden um 40 Prozent auf über 70 Millionen gestiegen.

Achim Berg, Präsident des Bitkom, sieht den Industrie-Mittelstand durch Cyber-Kriminelle und Spione besonders gefährdet. Einer aktuellen Umfrage des Digitalbranchenverbands zufolge waren 73 Prozent der mittelständischen Industrieunternehmen in den letzten zwei Jahren von Datendiebstahl, Spionage oder Sabotage betroffen. Weitere 23 Prozent vermuten, betroffen gewesen zu sein. Bei großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern waren immerhin

60 Prozent sicher und weitere 28 Prozent vermutlich betroffen. Insgesamt seien der deutschen Industrie dadurch ganze 43 Mrd. Euro Schaden entstanden. “Viele Unternehmen nehmen das Thema Sicherheit noch zu sehr auf die leichte Schulter, auch weil ihnen das entsprechende Know-how fehlt”, erklärte Berg.

Endpoints im Kreuzfeuer Ein Großteil der Cyber-Angriffe auf die Industrieunternehmen richtete sich direkt gegen die

Zeitgemäße Endpunkt-Sicherheit Endgeräte und Server-Infrastrukturen sicher im Griff (BS/Udo Schneider) Früher war alles einfacher. Um die Sicherheit von PCs zu gewährleisten, genügte ein einfacher Virenscanner. Vielleicht noch ein bis zwei Mal pro Woche die Signaturen via Diskette und Turnschuh-Netzwerk auf den neusten Stand bringen – fertig! Diese Zeiten sind lange vorbei. Der Schutz heutiger Endpunkte ist in mehr als einer Dimension komplexer geworden. Sicherheitsmechanismen zu beachten. Dazu gehört auch, dass Udo Schneider ist Security das SicherheitsniEvangelist bei Trend Micro. veau nicht von der Infrastruktur abFoto: BS/Trend Micro hängen darf. Deep Security stellt sicher, dass abhängig vom Umfeld, diesen Umgebungen abbildbar in dem der Dienst läuft, immer ist. Sicherheitsmechanismen, die die passende Security zum Trabeim Umzug vom RZ in die Cloud gen kommt: Läuft der Dienst im (oder zurück) einen manuellen eigenen RZ auf VMware, kann Eingriff erfordern, sind heute we- zum Beispiel der Hypervisor die der zeitgemäß noch ökonomisch Sicherheit übernehmen. Zieht der Dienst in die Cloud um, so sinnvoll. Trend Micros Deep Security au- übernimmt die Workload selbst tomatisiert, dank der Integration die Sicherheitsaufgaben. Sicherheitseinstellungen lasin verschiedene lokale und cloudbasierte Verwaltungswerkzeuge, sen sich also unabhängig von diese Umzüge – bei Bedarf auch der Infrastruktur treffen, werden vollautomatisch. Neben diesen aber jeweils optimal auf diese Infrastrukturanforderungen sind abgebildet. Den Mindest-Sichernoch Kernanforderungen an die heitsstandard für Server bilden

heute Mechanismen wie Firewall, IDS/IPS mit Virtual Shielding, Integritätsüberwachung für System und Dateien, Logüberwachung, aber natürlich auch Antivirus oder Reputation für Webzugriffe.

2. Laptops und Desktop-PCs Für den klassischen Endpunkt gibt es eine ganze Reihe an Technologien. Angefangen bei signaturbasierter Virenerkennung, Verhaltensanalyse, Makroschutz, Reputationsdienste, Sandboxing und Whitelisting bis zu Machine Learning und künstlicher Intelligenz. Und auch wenn einem viele Marketingabteilungen etwas anderes einreden wollen: “Die” einzelne heilbringende technologische Wunderwaffe, die alle Probleme löst, gibt es nicht. Jede der einzelnen Technologien ist für sich alleine genommen nicht gegen das Potpourri von Werkzeugen moderner Cyber-Kri-

mineller gewappnet. Jede Technologie hat Schwächen, mittels derer sie umgangen werden kann. Aber kombiniert stellen sie einen fast unüberwindbaren Wall für Schadsoftware dar. Bei aller Technologie darf aber der Faktor Mensch, insbesondere die Administration, nicht in Vergessenheit geraten. Wenn also ein buntes Sammelsurium verschiedener Produkte zur Abdeckung der verschiedenen Technologien zum Einsatz kommt, kann sehr schnell der Überblick verloren gehen. Mitunter wichtige Informationen gehen dann zuweilen unter oder können aufgrund der nicht vorhandenen Korrelation von Daten aus verschiedenen Quellen erst gar nicht bereitgestellt werden. Trend Micro kombiniert verschiedenste Technologien in einer gemeinsamen Endpunktlösung und bietet somit optimalen Schutz unter einem Dach.

dienstliche Zwecke”, erläutert Junk. Er definiere dabei jedes Gerät per se als unsicher. Denn durch heruntergeladene Apps könnten die Einstellungen der Geräte verändert werden und dies werde mittels der Container-Lösung verhindert. “Die Container setzen oberhalb des Betriebssystems auf. Damit spielt es auch keine Rolle, ob sich etwas an der Hardware ändert. Notfalls muss es nur nachkonfiguriert werden”, erläutert der CEO das Prinzip dahinter. Durch den Container werde auch das Private vom Beruflichen getrennt. Die Privatsphäre werde geachtet. Aber hierbei merkt Erdmann kritisch an, dass trotzdem Verschlüsselungen notwendig seien, damit durch die Apps und Netze keine Malware eindringen könne. Denn die Systeme seien in sich nicht sicher. Bedingt durch veraltete Technik oder Apps, die nicht mehr gepatcht würden, könnten Angreifer eindringen. “Wenn die Systeme unsicher sind, dann nützen ihnen darauf aufgebaute Lösungen wie virtuelle Container nichts”, kritisiert er. Mittels einer Smartcard könne ein Kryptochip implementiert werden, wodurch nahezu alles verschlüsselt werde.

Endgeräte von Mitarbeitern. Am häufigsten waren Infizierungen – knapp ein Viertel der Schadensfälle ging auf die Kappe von Viren, Trojanern und anderer Schadsoftware. In jeweils 16 Prozent der Fälle wurden direkt Software-Schwachstellen ausgenutzt oder Mitarbeiter mittels Phishing-Mails zur Herausgabe von Login- oder anderen Informationen gebracht. Nach den zukünftig größten Bedrohungen befragt, verwiesen die meisten Unternehmen auf öffentlich unbekannte Sicherheitslücken und auf klassische Schadsoftware. Ein großes Risiko wird auch in der zunehmenden Anzahl der vernetzten Geräte im Industrieumfeld gesehen. Denn je mehr Endgeräte über Netzwerke erreichbar sind, desto mehr Angriffspunkte stehen den Hackern zur Verfügung.

Neben der reinen Aufgabe der Erkennung bekommt neuerdings der Aspekt der Reaktion (Response) eine gewichtige Rolle. Angriffe, die einzeln am Endpunkt nicht erkannt werden, können durchaus bei der Korrelation von Daten aus dem Netzwerk, von Servern, aber auch vom Endpunkt selbst erkannt werden. Erkennt eine Breach-DetectionLösung im Netzwerk Kommunikation von einem Endpunkt zu einem C&C-Server, so ist die Zuordnung am Endpoint zu einem laufenden Prozess essenziell. Für diesen Prozess kann dann dynamisch eine Erkennung erzeugt und in der gesamten Infrastruktur verteilt werden. Dies ist natürlich nur möglich, wenn diese Informationen am Client auch erfasst werden. Diese Anforderungen sind in Trend Micros “Connected-Threat-Defense”Strategie optimal umgesetzt. Verschiedene Komponenten kommunizieren untereinander (und mit Drittanbietern) und geben dem Verantwortlichen damit eine konsolidierte Sicht auf Ereignisse in der Umgebung. Bei Bedarf sogar mit der automatisierten Erstellung von Erkennungen, die auf alle beteiligten Komponenten ausgerollt werden.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Oktober 2018

BOS fordern Frequenzen im 450-MHz-Band

KNAPP Digitale Einsatztruppen gestartet

Nicht zu bekommen, was man will, ist manchmal besser

(BS/Gerd Lehmann) 5G-Breitbandkommunikation ist die Zukunft des Digitalfunks der Sicherheitsbehörden, so lautet die Devise der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden (BS/mfe) Baden-Württemberg und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) und auch weltweit. Wann diese Zukunft für die deutschen BOS von heute aus betrachtet beginnt, ist offen. Entscheidend ist, hat als erstes Bundesland ein welcher Weg letztendlich eingeschlagen wird. “Virtual Operations Support

A

m schnellsten ginge es bei einer Mitnutzung der kommerziellen Mobilfunknetze. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen bis Ende 2022 alle Bundesautobahnen und Bundesstraßen sowie 98 Prozent aller Haushalte mit 5G und mobilen Datengeschwindigkeiten von mindestens 100 Megabit in der Sekunde (Mbit/s) von den Netzbetreibern ausgestattet werden. Den Bedarf an Breitbandversorgung decken viele BOS schon heute durch Nutzung des kommerziellen Mobilfunks. Der längste, mühsamste und der zugleich mit erheblichen Risiken behaftete Weg wäre der Aufbau eines dezidierten 5G-Funknetzes der BOS. Legt man die Historie des BOS-Digitalfunks zugrunde, würde der Startschuss für das Breitbandprojekt frühestens im Jahre 2032 fallen. Die erste Befassung mit dem Digitalfunkthema erfolgte bekanntlich Anfang 1992. Der Zuschlag im Vergabeverfahren zur Beschaffung der Systemtechnik für den BOSDigitalfunk wurde im August 2006 erteilt.

Dezidiertes BOS-Breitbandfunknetz im Visier Die Feststellung der Notwendigkeit der Bereitstellung eines ausreichenden Frequenzspek­ trums für die Innere Sicherheit durch die Ministerpräsidentenkonferenz als auch die Digitale Agenda der Bundesregierung impliziert die Annahme, dass der Aufbau und Betrieb eines dezidierten Breitbandfunknetzes für die BOS oder zumindest eine Hybridlösung in Erwägung gezogen wird und andere in den einschlägigen Studien aufgezeigten Optionen á la longue nicht weiterverfolgt werden. Verstärkt wird diese Annahme durch die jüngste Forderung der BDBOS, für die mobile Breitbandkommunikation der Sicherheits- und Rettungskräfte in Deutschland neben den im 700-MHz-Bereich bereits zur Verfügung stehenden 2 x 8 MHz im 450-MHz-Bereich 2 x 10 MHz für die BOS bereitzustellen. Der Frequenzbereich 450 bis 470 MHz ist international und national dem Mobilfunkdienst auf

Um gut miteinander kommunizieren zu können, sind die Kräfte der Behörden und Organisationen mit Sicherheits­ aufgaben (BOS) auf eine ausreichende Funkabdeckung angewiesen. Dafür braucht es genügend Funkmasten. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de

-Frequenzspektren als im 400 MHz-Bereich möglich beziehungsweise verfügbar sind. Endgeräte für den mobilen und breitbandigen Consumer-Markt werden künftig in den dafür in Betracht kommenden Frequenzbändern zwischen 700 MHz und 3,4 bis 3.8 GHz entwickelt. Einmal abgesehen von den Kompatibilitätsproblemen mit den im 700-MHz-Bereich zugeteilten Frequenzen gingen den BOS bei Nutzung des 400-MHz-Bereichs alle positiven Skaleneffekte des Consumer-Marktes verloren. Sie wären wieder einmal abhängig von Sonderentwicklungen der Infrastrukturhersteller des PMRMarktes. Nicht zu bekommen, was man will, dürfte in diesem Fall wohl besser sein.

Eins nach dem anderen

Aus der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) kommen Forderungen, für die mobile Breitbandkommunikation der Sicherheits- und Rettungskräfte weitere Frequen­ zen zur Verfügung zu stellen. Foto:BS/©benjaminnolte, Fotolia.com

primärer Basis zugewiesen und im Frequenzteilbereich 451 bis 455,74 MHz/461-465,74 MHz bislang dem drahtlosen Netzzugang von Telekommunikationsdiensten gewidmet. In diesem Teilbereich werden derzeit drei Träger mit jeweils 2 x 1,25 MHz Kanalbandbreite betrieben. Deren Zuteilung endet zum 31.Dezember 2020.

BNetzA favorisiert Vergabe an Kritische Infrastrukturen Ab dem 1. Januar 2021 stehen in diesem Bereich inklusive gegebenenfalls erforderlicher Guard Bands 2 x 4,74 MHz für die Einführung von LTE-Netzen zur Verfügung. Laut Bundesnetzagentur (BNetzA) ist der Frequenzbereich in besonderer Weise für Anwendungen Kritischer Infrastrukturen geeignet. Als kritisch werden Infrastrukturen zur Versorgung der Allgemeinheit angesehen, deren Ausfall oder Beeinträchtigung zu erheblichen Versorgungsengpässen oder zur Gefährdung des Gemeinwohls führen können. Im Vordergrund steht einerseits die Notfallkommunikation zum Beispiel im Falle eines Blackouts der Stromversorgung durch Cyber-Attacken und anderseits die Sicherheit der Stabilität der Netze auf der regionalen Verteilebene etwa durch Messung der Stromeinspeisung durch die Vielzahl dezentraler Solar- und Windkraftanlagen. Der vergleichsweise geringe Bedarf der Energiewirtschaft an Spektrum – übermittelt werden zumeist kleinere Daten- und Kommunikationspakete – und die physikalischen Ausbreitungsbedingungen des 450 MHz-Bereiches ermöglichen eine sichere, schnelle und zuverlässige deutschlandweite Funkversorgung. Im Rahmen einer Bedarfsanfrage der BNetzA für die zukünftige Nutzung der Frequenzen im Bereich der 450-MHz sind 49 Bedarfsmitteilungen und Stellungnahmen eingegangen, die derzeit von der BNetzA geprüft

werden. Ein besonderes Problem der Frequenzzuteilung bereitet die Forderung der BDBOS, die frei werdenden Frequenzen exklusiv und national für die BOS und die Bundeswehr zu widmen. Diesen Konflikt wird wohl nur das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) in Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) lösen können.

Forderung der BDBOS nicht fundiert Aus Sicht von Experten ist die Forderung der BDBOS als unbegründet zurückzuweisen. Bund und Länder haben bislang noch keine Entscheidung über die mobile Breitbandversorgung der BOS getroffen. Zur Disposition stehen: der Aufbau eines eigenen BOS-Breitbandnetzes zur Alleinnutzung, die Anpassung und Mitnutzung kommerzieller Netze und/oder eine Hy­ bridlösung (Zusammenführung kommerzieller Netze mit einem BOS-Breitbandnetz). Offen sind damit auch Entscheidungen über Optionen für den Aufbau und Betrieb eines BOS-Breitbandnetzes (Behörden-, Generalunternehmer-, Koordinierungs- oder Wettbewerbsmodell) und die Finanzierung. Frequenzen sind nämlich nicht die einzige Voraussetzung für die Errichtung eines dezidierten Breitbandfunknetzes. Ohne Moos ist bekanntlich nix los.

Hohe Kosten zu erwarten Neben der Schlüsselressource Frequenzen ist die Sicherung der milliardenschweren Finanzierung des Projektes Grundvoraussetzung für dessen Realisierung. Die Schätzungen für ein flächendeckendes 5G-Netz in Deutschland belaufen sich auf 50 bis 60 Milliarden Euro. Ob und wann sich Bund und Länder der offenen Fragen annehmen und Entscheidungen treffen, steht in den Sternen.

Einige Länder haben bereits heute das Problem, die Haushaltsmittel für den laufenden Betrieb des BOS-Digitalfunks und die eingeleiteten Modernisierungsmaßnahmen zur Sicherstellung der Funktionalität und des Werterhalts des TETRANetzes für die nächsten fünf bis zehn Jahre aufzubringen. Der Kostendruck bietet ihnen kaum Spielraum für nachhaltig wirkende Innovationen.

Frequenzbedarf nicht verfügbar Im Übrigen steht der von der BDBOS geforderte Bedarf von 2 x 10 MHz im freiwerdenden 450-MHz-Bereich überhaupt nicht zur Verfügung. In diesem Bereich kann kein für mobile Breitbanddienste auf der Basis von LTE/5G benötigter Träger von fünf, zehn, 15 oder 20 MHz implementiert werden. Möglich sind lediglich Träger mit drei MHz und/oder 1,4 MHz, mit denen aber nur geringe Datenvolumen übertragen werden können. Unbeschadet dessen dürfte eine Zuteilung dieser Frequenzen an die BOS auch nicht mit den Grundsätzen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vereinbar sein. Die knappe und nicht zu vervielfältigende Ressource Frequenzen bliebe auf unbestimmte Zeit, unter Umständen mehr als zehn Jahre oder gar auf Dauer, ungenutzt. In der Regel ist mit der Nutzung einer Frequenz innerhalb eines Jahres nach der Zuteilung zu beginnen. Bei Nichtnutzung kann die Zuteilung der Frequenz widerrufen werden.

Positive Skaleneffekte gehen verloren Die BOS sollten die Nutzung des gesamten 400-MHz-Bereichs mit 5G auch aus technologischen und wirtschaftlichen Gründen nicht weiterverfolgen. Um eine hohe Breitbandkapazität je Quadratkilometer zu realisieren, braucht es eine größere Anzahl an Funkstationen mit MIMO-Antennen und breitere

Was ist zu tun? Zunächst einmal sind die Anforderungen der BOS an den zukünftigen breitbandigen Datenfunk in fachlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht fortzuschreiben und Nutzungsmodelle zu entwickeln. Auf dieser Basis sind Einführungskonzepte für die verschiedenen Lösungsalternativen zu erarbeiten, in denen die jeweilige Einführungsstrategie, die Kosten und erforderlichen Maßnahmen dokumentiert sind. Die Konzepte sind Bund und Ländern zur Entscheidung vorzulegen. Um bei der Entwicklung der Nutzungsmodelle auf Erfahrungen zurückgreifen zu können, bietet sich an, die den BOS zugeteilten Frequenzen im 700-MHz-Bereich zu nutzen. Von den zugeteilten 2 x 8 MHz sind 2 x 3 MHz Teil des standardisierten Band 20 und könnten kurzfristig in Kooperation mit kommerziellen Netzbetreibern zum Einsatz gebracht werden. Gleiches gilt für die 2 x 5 MHz, die als Band 68 ebenfalls für LTE/5G standardisiert sind. Der über die bereits zugeteilten Frequenzen hinausgehende Bedarf der BOS sollte in Abhängigkeit von den ausstehenden Entscheidungen des Bundes und der Länder über die mobile Breitbandversorgung der BOS und deren Finanzierung im Rahmen der in den kommenden Jahren anstehenden Frequenzzuteilungen gesichert werden.

Besonders geeignet Vorstellbar ist eine weitere Zuteilung über die bestehenden 2 x 8 MHz im 700-MHzBereich hinaus im Rahmen einer Digitalen Dividende III im 600-MHz-Bereich. Dieser soll künftig weltweit für Mobilfunk und mobile Breitbanddienste mit LTE/5G standardisiert werden. Im Falle der Entscheidung für den Aufbau eines dezidierten BOS-Breitbandfunknetzes oder eines Hybridnetzes in Kooperation mit kommerziellen Mobilfunkbetreibern wäre dieser Bereich ein technisch und wirtschaftlich geeignetes Spektrum für die BOS. Die Widmung von Frequenzen im 600-MHz-Bereich für die LTE/5G-Funktechnolgie dient zugleich auch der Schließung von Versorgungslücken in Deutschland.

Team” aufgebaut. Dieses besteht aus 40 Personen, die ehrenamtlich im Bevölkerungsschutz tätig sind. Sie sollen bei Großschadenslagen oder im Katastrophenbeziehungsweise Krisenfall die Sozialen Medien beobachten, analysieren und ihre Ergebnisse dem jeweiligen Katastrophenschutzstab zur Verfügung stellen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) zeigte sich überzeugt, dass die Arbeit des Teams “eine ganz entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Lagebewältigung im digitalen Zeitalter” sei. Erstmals zum Einsatz kommen soll es bei der länder- und ressortübergreifenden Krisenmanagementübung LÜKEX Ende November.

Bodycam-Einsatz ausgeweitet (BS/mfe) Bei der niedersächsischen Polizei werden Körperkameras künftig landesweit Anwendung finden. Bisher war dies nur im Rahmen eines Pilotversuchs der Fall. Die Landes­ datenschutzbeauftragte Barbara Thiel kritisiert die Ausweitung. “Es ist sehr bedauerlich, dass die Körperkameras jetzt landesweit rechtswidrig eingesetzt werden sollen.” Sie sei nicht grundsätzlich gegen den Einsatz der Geräte. Diese dürften jedoch “nicht an Recht und Gesetz vorbei betrieben werden”. Sie finde es völlig unverständlich, dass dieser Schritt vor der Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes unternommen werde, so Thiel. “Der Gesetzentwurf enthält bei all seinen Schwächen zumindest eine Rechtsgrundlage für Bodycams, was ich ausdrücklich begrüßt habe.”

Fregatte “Hessen” half Ostsee-Fähre (BS/por) Vor dem litauischen Hafen Klaipeda geriet eine Fähre Anfang Oktober mit 335 Personen in Seenot. Die deutsche Fregatte “Hessen” übernahm die Koordinierung der Seenotrettung vor Ort und war auf eine mögliche Evakuierung vorbereitet. An Bord der dänischen Autofähre “Regina Seaways” war es zu starken Rauchentwicklungen gekommen und hierdurch wurde Feueralarm ausgelöst. Per Funk erhielt die “Hessen” den Notruf der Fähre und machte sich sofort auf den Weg zum Unglücksort. Niemand der betroffenen Passagiere und Besatzungsmitglieder soll verletzt worden sein.

Superjet F-35 in den Schlagzeilen (BS/por) Ende September flogen Flugzeuge des Typs F-35 “Lightning II” erstmals Kampfeinsätze: F-35B des U.S. Marine Corps (USMC) griffen Ziele in Afghanistan an. Nur einen Tag nach diesen Einsätzen stürzte die erste “Lightning”, eine F-35B des USMC, nahe der Air Station Beaufort in South Carolina ab; der Pilot konnte sich retten. Das aktuell teuerste Kampfflugzeug der Welt, entwickelt von Lockheed Martin, gilt als eine marktverfügbare Option für die “Tornado”-Nachfolge bei der Bundeswehr.


Innere Sicherheit

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Noch viel Harmonisierungsbedarf

MELDUNGEN

Polizeiliche IT-Infrastrukturen heterogen und inkompatibel

Neue Dienstpistole ausgeliefert (BS/mfe) Die ersten Beamten der bayerischen Polizei haben neue Dienstwaffen erhalten. Bis Ende kommenden Jahres sollen alle rund 33.500 Waffenträger der Sicherheitsbehörde die Pistole SFP9-TR von Heckler & Koch erhalten. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) geht von Gesamtkosten in Höhe von bis zu 30 Millionen Euro aus. Erworben werden circa 40.000 neue Dienstpistolen nebst Zubehör, darunter

auch Reserve- und Trainingswaffen sowie Schnittmodelle für die Aus- und Fortbildung. Darüber hinaus müssen die polizeieigenen Waffenwerkstätten umgerüstet werden. Herrmann sagte zu der Beschaffungsentscheidung: “Unsere neue Dienstpistole hat mit 15 Schuss eine beinahe doppelt so hohe Magazinkapazität wie die bisherige P7 mit acht Schuss, ein möglichst geringes Gewicht, eine einfache

und sichere Bedienung sowie ein auf die jeweilige Handgröße des einzelnen Polizeibeamten flexibel anpassbares Griffstück.” Neben der moderneren Pistole erhalten die Polizisten im Freistaat auch neue Holster. Diese verfügen über zwei Sicherungsmechanismen, welche unter anderem ein Entreißen erschweren beziehungsweise unmöglich machen. Das dient dem besseren Eigenschutz der Beamten.

Bundeszuständigkeit schaffen (BS/mfe) Für die Erteilung von Aufstiegsgenehmigungen Unbemannter Luftfahrzeuge sollte

Behörden Spiegel / Oktober 2018

künftig der Bund verantwortlich sein. Die bisherige Zuständigkeitenzersplitterung in diesem Be-

reich mache keinen Sinn, meint Prof. Klaus-Dieter Scheurle. Zudem plädiert der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Flugsicherung (DFS) für eine verschärfte Registrierungspflicht von Drohnen. Sie sollten nicht mehr nur mit einer Plakette gekennzeichnet werden, sondern mit einem Transponder. Dafür müsste jedoch die Drohnenverordnung reformiert werden. Scheurle will, dass dies noch in der aktuellen Legislaturperiode erfolgt. Offen für eine solche Novellierung der Rechtsverordnung zeigt sich der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Steffen Bilger (CDU). Er betonte: “Wir wollen zu Verbesserungen kommen.” Gar für eine EUweit einheitliche Regelung der Drohnennutzung spricht sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Arno Klare aus. Zudem komme es darauf an, dass es der Politik gelinge, den Bürgern die Inhalte der Drohnen-Regulierung zu vermitteln. Verbesserungsbedarf sehen auch Ralph Schepp, Vice President Program- & Project Management der Group Technology bei der Deutschen Telekom, sowie Dr. Tilman Reisbeck, Leiter Ingenieurbau bei der DB Netz AG.

(BS/Marco Feldmann) Den deutschen Polizeibehörden fehlt es an einer einheitlichen und modernen ITArchitektur. Daran ändert grundlegend auch das vom Bundeskriminalamt (BKA) angestoßene Projekt mit dem Arbeitstitel “Polizei 2020” nichts. Zu oft machen die Landespolizeien bezüglich ihrer Fallbearbeitungs- und Fahndungssysteme noch ihr eigenes Ding. Das kritisierte der niedersächsische Landespolizeipräsident Axel Brockmann. Zugleich merkte er auf dem Hannoveraner Polizeitag, den der Behörden Spiegel gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) veranstaltete, jedoch an, dass sein Bundesland bei der Digitalisierung der Polizeiarbeit bereits weiter sei als andere. So existiere in Niedersachsen mit NIMes schon ein eigener Messengerdienst für die Landespolizei. Außerdem solle die Online-Wache weiterentwickelt und modernisiert werden. Zudem sei die Einführung eines behördeneigenen Sozialen Netzwerkes geplant, so Brockmann.

Niedersachsen plant “Polizei TV” Das Soziale Netzwerk solle wie Facebook funktionieren und wie ein Intranet arbeiten, ergänzte Mathias Schröder aus dem Hannoveraner Landespolizeipräsidium. Auch die Einbindung einer Art Wikipedia und die Entwicklung eines “Polizei TV” seien vorgesehen. Schröder unterstrich, dass die niedersächsische Polizei bereits heute Facebook, Twitter und Co. ausgiebig nutze. Die Präsenz dort sei inzwischen Alltag und nicht mehr wegzudenken. Denn: “Die neue Währung heißt Information und Daten.” Zugleich müsse aber auch berücksichtigt werden, dass ITKompetenz künftig nicht mehr zu den heutigen Preisen zu haben sein dürfte, zeigte sich Schröder überzeugt. Aus diesem Grunde müssten zusätzliche Investitionen in diesem Bereich vorgenommen werden. Schließlich müsse die Kraft der Digitalisierung auch von der Polizei genutzt werden, verlangte Gwendolin von der Osten. Und das sowohl nach innen als auch nach außen, forderte die Leiterin der Polizeiinspektion Mitte bei der Polizeidirektion Hannover. Dann könne etwa die derzeit noch vorherrschende Präsenzkultur der Vergangenheit angehören, meinte die Sprecherin des Arbeitskreises “Höherer Dienst” der GdP Niedersachsen. In diesem Zusammenhang gab Schröder jedoch zu bedenken,

Kritisierte die Vielzahl unterschiedlicher Fallbearbeitungs- und Fahndungssysteme: der niedersächsische Landespolizeipräsident Axel Brockmann. Foto: BS/Feldmann

dass mittlerweile der Grundsatz “Taktik bestimmt Technik” immer weiter aufweiche. Auf die potenziellen Gefahren der Digitalisierung ging Martin Hellweg ein. Der Vorsitzende des Polizeihauptpersonalrates Niedersachsen forderte, dass dieser Prozess nicht zu einer Verhaltens- und Leistungskontrolle bei den Beschäftigten führen dürfe.

Angleichung dringend erforderlich Reformbedarf zeigte der niedersächsische GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff auf. Er verlangte eine Angleichung der Polizeigesetze, kritisierte, dass sich die Bundesländer hierauf noch nicht hätten einigen können und hat Zweifel, ob das noch gelingt. Änderungen des niedersächsischen Polizeigesetzes, ein Entwurf wird derzeit im Hannoveraner Landtag diskutiert, widmete sich schließlich eine Diskussionsrunde von Abgeordneten. Dort verlangte Belit Onay von Bündnis 90/Die Grünen: “Das Polizeigesetz in Niedersachsen muss reformiert und auf den Stand der Zeit gebracht werden.” Aber: “Der Reformentwurf der Regierungsfraktionen geht über das notwendige Maß hinaus.” Diesen Vorwurf wollte Thomas Adasch, Vorsitzender des Innenausschusses im niedersächsischen Landtag, nicht auf sich sitzen lassen. Er sagte: “Wir haben durch Terrorismus eine neue Lage in Deutschland

und in Niedersachsen. Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) müssen sowohl personell als auch hinsichtlich ihrer Kompetenzen gestärkt werden.” Adasch versprach: “Wir werden alles tun, um ein rechtlich einwandfreies Gesetz zu verabschieden.” Auch Karsten Becker, Innenausschussmitglied für die Sozialdemokraten, betonte: “Die Gefahrenabwehrbehörden brauchen neue Befugnisse.” Ansonsten müssten schwere bis schwerste Straftaten hingenommen werden. Das wolle jedoch niemand und sei der Bevölkerung auch nicht zu vermitteln. Dietmar Schilff schließlich mahnte eine sachliche Debatte über das neue niedersächsische Polizeigesetz an: “Emotionalität bringt uns nicht voran.”

Moderne Technik vorgestellt Darüber hinaus wurde der Polizeitag zur Präsentation neuester Technik genutzt. So stellte Lothar Schuster von der Ulbrichts Witwe GmbH Einsatzhelme aus Titan vor. Norbert Boß von secunet widmete sich den Möglichkeiten der mobilen Identitätsfeststellung und Christian Scherf von Axon der Entlastung der Polizei durch moderne Technik. Adrian Jochum von der KRD Sicherheitstechnik GmbH erläuterte den Fahrzeugschutz im europäischen Vergleich. Und Peter Zontek von Cellebrite ging auf Möglichkeiten der Extraktion digitaler Quellen sowie der Analyse von Massendaten ein.

Ausgezeichnet werden herausragende Abschlussarbeiten aus den Fachhochschulbereichen Polizei, Jus zvollzug und Sicherheitsmanagement sowie der kriminologischen Ins tute der Universitäten.

Voraussetzung für eine Bewerbung ist die Empfehlung einer abgeschlossenen Arbeit durch den betreuenden Dozenten. Jetzt bewerben! Die Bewerbungsunterlagen finden Sie unter www.europaeischer-polizeikongress.de/

Bewerbungsschluss ist der

zukun spreis-polizeiarbeit

31. Oktober 2018.


Innere Sicherheit

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Behörden Spiegel / Oktober 2018

Hack Back durch Sicherheitsbehörden – ja oder nein? Eine Pro- und Contra-Diskussion zur aktiven IT-Abwehr (BS) Die Frage, ob deutsche Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) bei einem Cyber-Angriff zurückschlagen dürfen, ist im politischen Raum äußerst umstritten. Während die Gegner meinen, ein solcher Schritt habe keinen Mehrwert für die Sicherheit, sehen das die Befürworter ganz anders. Diskutiert wird auch darüber, welche staatliche Stelle die Befugnis zur aktiven IT-Abwehr erhalten sollte. Im Gespräch sind mehrere Bundesbehörden. Eine konkrete Entscheidung steht noch aus.

Der Staat muss Schritt halten

(BS/Armin Schuster) CyberAttacken auf IT-Infrastrukturen in Deutschland nehmen stetig zu. Sie verursachen der Wirtschaft jährlich Milliardenschäden. Hacker sind wiederholt in Netzwerke der öffentlichen Verwaltung, der Bundesregierung und Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) eingedrungen. Auch russischen und chinesischen Nachrichtendiensten werden immer wieder Hackerangriffe zugeschrieben. Kriminalität im digitalen Raum ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine reale, stetig wachsende Bedrohung der Inneren Sicherheit. Wer nicht versteht, dass der Rechtsstaat Cyber-Kriminalität genauso hart bekämpfen muss wie Kriminalität in der analogen Welt, der riskiert den Vertrauensverlust Millionen deutscher Internetnutzer. Bislang beschränken sich die Gegenmaßnahmen der Bundesbehörden auf Prävention und Schutz von IT-Systemen sowie die schnelle Reaktion auf Hackerangriffe. Diese Abwehrmechanismen sind richtig und bleiben essenzielle Säulen der IT-Sicherheit. Sie reichen angesichts der heiklen Gefahrenlage aber nicht mehr aus. Der Staat muss mit den Angreifern Schritt halten können. Neben den bestehenden passiven Abwehr- und Schutzmechanismen braucht es deshalb eben auch die Befugnisse zur aktiven Abwehr, also Daten und Server sichern, in feindliche Systeme eindringen und als Ultima Ratio Server abschalten zu können. Wichtig ist nun, wo nötig, die gesetzlichen Grundlagen schnellstmöglich anzupassen. Die Handlungsmöglichkeiten der Bundesbehörden sind bis hin zur aktiven Cyber-Abwehr unter den gebotenen hohen rechtlichen Hürden festzuschreiben. Die gesetzlichen Möglichkeiten zur Abwehr von Cyber-Angriffen lassen sich anhand von fünf Eskalationsstufen beschreiben. Stufe eins beschreibt die

D

arüber hinaus hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag zur aktuellen Legislaturperiode weitere 7.500 Planstellen für die Sicherheitsbehörden vereinbart, von denen die Bundespolizei mit 5.100 Planstellen und Stellen am stärksten partizipieren soll. Nach Abschluss dieses Stellenzulaufs im Jahr 2021 wird die Bundespolizei um insgesamt rund 12.500 zusätzliche Planstellen und Stellen gegenüber dem Stand im Jahr 2015 verstärkt worden sein. Dies entspricht einem bislang in der Geschichte der Bundespolizei beziehungsweise der Vorgängerorganisation Bundesgrenzschutz beispiellosen Stellenaufwuchs von rund 26 Prozent innerhalb von sechs Jahren (Stand 2015: rund 38.200 Stellen; Stand 2021: voraussichtlich rund 50.700 Stellen). Die massive Stärkung des Personalkörpers der Sicherheitsbehörden des Bundes insgesamt und vor allem bei der Bundespolizei ist richtig und wichtig. Insbesondere durch die Migrationslage, terroristische Bedrohungen und durch das zunehmende Auslandsengagement der Bundespolizei bei Frontex und

Armin Schuster (CDU) ist Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) im Deutschen Bundestag und Obmann seiner Fraktion im Innenausschuss. Foto: BS/Chaperon

Vorsorge. Dazu gehören mit Hilfestellung, Schutz und Absicherung die aktuellen Aufgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Zur Stufe zwei gehören die Früherkennung, das Umlenken und Auswerten von Cyber-Angriffen. Auf dieser Stufe sind neben dem BSI auch heute schon Strafverfolgungsbehörden oder Nachrichtendienste tätig. Stufe drei beschreibt die Maßnahmen des Eindringens beim Angreifer, der Rückverfolgung von Angriffen und des Aufklärens, wer hinter einem Cyber-Angriff steht. Auch auf dieser Stufe werden die Strafverfolgungsbehörden und die Nachrichtendienste heute schon tätig, etwa im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung oder Online-Durchsuchung. Bis zur Stufe drei sind also nach Expertenmeinung aus dem Bundesinnenministerium (BMI) die aktuellen Rechtsgrundlagen ausreichend. Nötig sind Gesetzesänderungen, wenn es um die Stufen vier – das Verändern von Datenströmen – und fünf – das Eingreifen und im äußersten Fall Abschalten ausländischer IT-Systeme – geht. Abgesehen vom militärischen Bereich überschreiten die Bundesbehörden die Schwelle der aktiven Intervention in fremden IT-Systemen zur Gefahrenabwehr derzeit nicht. Gefahrenabwehr im Internet ist bislang ausschließlich Ländersache. Eine Grundgesetzänderung könnte erforderlich werden, damit etwa

das Bundeskriminalamt (BKA) im Auftrag anderer Behörden zentral koordiniert tätig werden darf. Der Ruf nach Unterstützung durch den Bund wird angesichts der zersplitterten deutschen Cyber-Behördenlandschaft immer lauter. Man darf also hoffen und dafür werben, dass neben dem Bundestag auch die Länder einer Grundgesetzänderung mehrheitlich zustimmen würden. Mit den Befugnissen zur Stufe vier müssten sinnvollerweise alle Bundessicherheitsbehörden gemäß ihren jeweiligen Aufgaben ausgestattet werden, damit das BKA zentral in ihrem Auftrag handeln kann. Für Stufe fünf muss die Befugnis geschaffen werden, dass der Bund als Ultima Ratio ausschließlich bei gravierenden Angriffen selbst in ausländische IT-Systeme eingreifen und sie notfalls abschalten kann. Die Begrifflichkeit “HackBack” bleibt höchst ungeeignet, staatliches Handeln auf dieser fünften Stufe zu beschreiben. Dem Rechtsstaat geht es nicht um Vergeltungsschläge, sondern um gleiche Werkzeuge bei Rechtsdurchsetzung und Gefahrenabwehr in der digitalen wie in der realen Welt. Ein solches Szenario für aktive Cyber-Abwehr wäre etwa denkbar bei erheblicher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Aufgrund der hochsensi­ blen Aufgabenstellung erscheint es sinnvoll, dass nur eine einzige Behörde entsprechende Befugnisse erhalten sollte. Welche der Sicherheitsbehörden dafür am besten geeignet ist, muss noch abschließend geklärt werden. Für die Union steht fest, dass ohne aktive Cyber-Abwehr den Bundessicherheitsbehörden weiterhin ein immens wichtiger Baustein für die Gewährleistung der Inneren Sicherheit fehlen würde. Es ist längst überfällig, die nötigen Gesetzänderungen gemeinsam mit der SPD in der laufenden Wahlperiode auf den Weg zu bringen.

Kein Mehr an Sicherheit

(BS/Stephan Thomae) Nicht nur der jüngste Angriff auf das Datennetzwerk des Bundes und der Sicherheitsbehörden zeigt, dass sich durch die Entwicklungen im Cyber-Raum neue Bedrohungsszenarien entwickelt haben. Um auf diese neuen Bedrohungen reagieren zu können, wird vermehrt auf die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für einen sogenannten Hack Back gedrungen. Dieser stellt neben Prävention, Aufklärung und Datenumleitung im Rahmen des Fünf-Stufen-Plans zur Cyber-Sicherheit des Bundesverteidigungs- und Bundesinnenministeriums (BMI) als aktive Reaktion auf einen Cyber-Angriff eine deutlich intensivere Maßnahme dar. So sehen die Stufen vier und fünf vor, Sicherheitslücken vorerst geheim zu halten und im Falle eines Angriffs selbst dafür zu nutzen, auf fremden Servern Daten zu löschen oder sogar die Hardware, also den von Hackern genutzten Server, zu zerstören. Während es auf den ersten Blick logisch und erforderlich erscheinen mag, sich auch im Cyber-Raum gegen einen Angriff mit aktiven Mitteln verteidigen zu können, zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass durch einen Hack Back kein Mehr an Sicherheit gewonnen wird. Allein schon die Frage, wer für die Durchführung von Hack Backs zuständig sein soll, stößt in diesem technisch und rechtlich, aber auch innen- und außenpolitisch hochkomplexen Bereich schnell an ihre Grenzen. So scheiden die originär für die Gefahrenabwehr zuständigen Polizei- und Sicherheitsbehörden der Länder aufgrund der territorialen Beschränkung ihrer Hoheitsbefugnisse ebenso aus wie der als reiner Inlandsnachrichtendienst konzipierte Verfassungsschutz. Eine Verteidigung gegen einen ausländischen Aggressor ist durch sie schlichtweg nicht möglich. Das seit nahezu 70 Jahren die Staatspraxis prä-

Stephan Thomae ist stellvertretender Vorsitzender der FDPFraktion im Deutschen Bundestag und Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr). Foto: BS/Monka Rohlmann

gende und jedenfalls faktisch über Verfassungsrang verfügende Trennungsprinzip zwischen Polizei und Nachrichtendiensten verbietet auch eine Ausweitung der nachrichtendienstlichen Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes um digitale Gegenschläge. Die Vergangenheit hat gezeigt, welches Missbrauchspotential in der Vermengung von polizeilicher und geheimdienstlicher Sphäre liegt. Von den klassischen Behörden käme daher allenfalls das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) infrage. Dieses würde sich dann aber fortan stets in einem inneren Zielkonflikt befinden: Entweder würde es die Sicherheitslücken schließen müssen, um seinen Abwehrauftrag zu erfüllen, oder aber das Wissen hierüber zurückhalten, um im Ernstfall zum Gegenschlag ausholen zu können. Hieran würde auch eine Ausgliederung aus dem Organisationsbereich des BMI wenig ändern. Ungeachtet dieser offenkundigen Probleme bei der Kompetenzabgrenzung liegen Hack Backs auch zwei grundlegende Fehlvorstellungen zugrunde. Nach dem offenbar von Spionagethrillern geprägten Bild der Hack-Back-Befürworter ist ein Gegenangriff innerhalb weniger Minuten möglich. In der Realität hingegen dauert es bereits oft Monate, bis ein Angriff durch kleinteilige Ermittlungsarbeit überhaupt erst festgestellt wird. Teilweise wird ein Angriff sogar

Bundespolizei gefordert wie noch nie Personalzuwachs erfordert große Kraftanstrengungen auf allen Ebenen (BS/Dagmar Busch*) Die Bundespolizei wird bis zum Jahr 2023 zur größten deutschen Sicherheitsbehörde aufwachsen. Lassen Sie mich hierzu zwei Zahlen nennen, die derzeit immer wieder erwähnt werden, um den gegenwärtigen und den zukünftigen Personalzuwachs bei der Bundespolizei zu verdeutlichen: 7.500 und 5.100. Die Zahl 7.500 steht für die Anzahl der Planstellen und Stellen, mit denen die Bundespolizei sukzessive vom Haushaltsjahr 2015 an bis zum Haushaltsjahr 2020 verstärkt wurde und wird. internationalen Polizeimissionen ist die Bundespolizei gefordert wie nie zuvor. Bevor die neuen Kollegen jedoch überhaupt in den Dienststellen ankommen, müssen sie angeworben, ausgewählt und schließlich bis zu drei Jahre lang ausgebildet werden. Allein 2018 gingen 21.417 Bewerbungen für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst ein. Eine sehr erfreuliche Zahl. Rund die Hälfte dieser Bewerber wurde in einem Eignungsauswahlverfahren geprüft, bevor letztlich 2.831 (davon allein zum 1. September 2018 1.562 Anwärter im mittleren und 547 im gehobenen Polizeivollzugsdienst) von ihnen eingestellt wurden. Sie sind damit Teil der aktuell insgesamt über 7.800 Nachwuchskräfte, die sich derzeit, verteilt über die verschiedenen Einstellungs-

jahrgänge und Laufbahnen des mittleren, gehobenen und höheren Dienstes, in einer Ausbildung beziehungsweise in einem Studiengang der Bundespolizei befinden. Das Interesse an der Bundespolizei ist dabei ungebrochen hoch. Auch in den nächsten Jahren hoffen wir daher auf eine vergleichbar hohe Zahl an Bewerbungen und Neueinstellungen. Mit der Eröffnung des sechsten Aus- und Fortbildungszentrums der Bundespolizei in Bamberg im September 2016 und der Bundespolizeiausbildungsstätte in Diez im September 2017 sowie der Erweiterung der Bundespolizeiakademie in Lübeck Anfang Januar dieses Jahres wurden die Kapazitäten der Ausbildungsorganisation der Bundespolizei in beeindruckend kurzer Zeit erweitert. Eine ganz erhebliche Kraftanstrengung, die wir dem

großen Engagement aller Beteiligten zu verdanken haben. Darüber hinaus wurde die Bundespolizeiakademie seit dem Jahr 2016 um 437 Lehrkräfte verstärkt. Ziel war und ist, unter Wahrung der hohen Qualität der Ausbildung diese beispiellose Einstellungs- und Ausbildungsoffensive und die damit einhergehenden enormen organisatorischen und logistischen Herausforderungen zu bewältigen. Letztlich ist dabei jedoch nicht nur die Ausbildungsorganisation selbst gefordert, sondern die Bundespolizei in ihrer Gesamtheit. So wird den Auszubildenden und Studierenden allein aufgrund der Größe der Jahrgänge gegenwärtig ein noch höheres Maß an Eigenverantwortung und Eigeninitiative abverlangt. Sie müssen im wahrsten Sinne des Wortes “enger zusammenrücken”. Waren

beispielsweise die vorsichtigen Überlegungen zur Doppelbelegung bisheriger Einzelzimmer auf dem Campus der Hochschule des Bundes in Brühl oder die Prüfung der Möglichkeit der Unterbringung eines Teils der Studierenden in anderen Liegenschaften außerhalb von Brühl anfangs noch eher “kreative” Ideen, sind diese schneller als gedacht inzwischen längst zur Realität geworden. Und damit nicht genug: Eine Vielzahl der Beschäftigten der Bundespolizei unterstützt zudem direkt oder indirekt die Ausbildungsorganisation, indem sie sich als Ausbilder, Dozenten oder aber als Mitglied in einem der Prüfungsausschüsse der Bundespolizeiakademie zur Verfügung stellen. Deren Anzahl und Aufwand haben sich aufgrund der höheren Teilnehmerzahlen an den Laufbahnprüfungen seit

erst nach dessen (erfolgreichem) Abschluss entdeckt. Die Ermittlung der Verantwortlichen dauert sodann nochmals eine lange Zeit an, sofern der Urheber überhaupt festgestellt werden kann. Hierin liegt das eigentliche Kernproblem des Hack Backs. Es ist ohne Weiteres möglich, dass der Angreifer sich eines fremden Servers bedient. Einem Hack Back ist also stets das Risiko immanent, einen unschuldigen Dritten zu treffen. Solange nicht mit hundertprozentiger Sicherheit geklärt werden kann, woher ein Angriff kommt, darf deshalb auch nicht zielgerichtet zurückgeschlagen werden. Denn sonst könnten zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kindergärten und Kraftwerke in völlig unbeteiligten Ländern zur Zielscheibe einer Gegenoffensive werden, wenn deren Rechner gekapert worden sind. Die Gefahr, dass es dabei gewissermaßen zu einem “Cyber-Kundus” kommt, ist viel zu groß und die Bundesregierung wäre gut beraten, ihre eigenen Netze und Daten besser zu schützen und Sicherheitslücken nicht zurückzuhalten, anstatt riskante Pläne für Gegenschläge zu verfolgen. Denn durch einen Cyber-Gegenangriff lassen sich Daten weder “zurück-klauen”, noch ein zukünftiger Angriff verhindern – ganz zu schweigen von den möglichen Kollateralschäden. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, das Deutschland im Anschluss an einen Hack Back selbst Ziel eines Gegenangriffs wird und sich schnell in einer Eskalationsspirale wiederfindet. In der Gesamtschau betrachtet können Hack Backs nicht die richtige Antwort auf die Bedrohungen aus dem Cyber-Raum sein. Vielmehr muss sich die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland auf effiziente Schutz- und Verteidigungssysteme konzentrieren. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf, den wir gemeinsam angehen müssen.

2017 mehr als verdoppelt. Dass der regelmäßige befristete Ausfall dieser Beschäftigten dann von den Kollegen in den Dienststellen vor Ort aufgefangen wird, ist Tatsache, jedoch nicht selbstverständlich. Es zeigt aber, wie sehr jeder Einzelne bereit ist, für eine Entspannung der Personalsituation der Bundespolizei gewissermaßen in Vorleistung zu gehen. Zum Glück sehen wir auch “Licht am Ende des Tunnels”: Ab 2019 werden die ersten Absolventen der einstellungsstarken Jahrgänge der Organisation zulaufen. Die Wirkung des Personalzuwachses wird dann nach und nach spürbar werden und sich die Personalsituation sukzessive entspannen. Spätestens dann werden die jungen Kollegen mit berechtigten Fragen zu Ausstattung und Unterbringung auf uns zukommen. Die Herausforderung “Personalzuwachs” wird die Bundespolizei also auch weiter in Atem halten. *Dagmar Busch ist Abteilungsleiterin für Angelegenheiten der Bundespolizei im Bundesinnenministerium (BMI).


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

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Behörden Spiegel / Oktober 2018

Für das Grundgesetz eintreten

Der Behördenbedarf steigt

GdP-Bundesvorsitzender will wehrhafte Demokratie erhalten

Konvergente Breitbandlösungen als App-Plattform

(BS) Der Einsatz für die Durchsetzung verfassungsrechtlich normierter Werte und gleichzeitig die Aufrechterhaltung von Bürgernähe durch die Polizei sind für ihn keine Gegensätze: Oliver Malchow. Im Behörden Spiegel-Interview spricht der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) unter anderem über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit und die Realisierungschancen eines neuen Musterpolizeigesetzes. Die Fragen stellten R. Uwe Proll und Marco Feldmann.

(BS/Bettina Francke*) Schnelle Sprach- und Datenübertragung mit lückenloser Abdeckung trotz schwieriger Umgebung: Das sind an­ spruchsvolle Anforderungen an den Professionellen Mobilfunk (PMR). Und der Bedarf nach individuellen und leistungsstarken Datenanwendungen steigt stetig.

Behörden Spiegel: Herr Malchow, im November steht der ­Ordentliche Bundeskongress der Gewerkschaft der Polizei an. Dort wollen Sie für vier weitere Jahre als Bundesvorsitzender gewählt werden. Welche Themen stehen auf Ihrer Agenda? Malchow: Es gibt einen Perso­ nalvorschlag des Vorstandes, darin werde ich erneut als Bundes­ vorsitzender vorgeschlagen. Auf meiner Agenda stehen sowohl Themen für den Innenbereich als auch für die öffentliche Wahrnehmung der Gewerkschaft der Polizei nach außen. Wir brauchen weiter eine positive Mitgliederentwicklung, so wie sie uns in den letzten Jahren gelungen ist. Wir sind auf dem Weg, die Marke von 190.000 Mitgliedern zu überschreiten. Ich hoffe, das schaffen wir in den nächsten Jahren dann auch tatsächlich. Dazu müssen wir die Vielfältigkeit und die Kompetenz unserer Mitglieder nutzen. Behörden Spiegel: Das sind innergewerkschaftliche Angelegenheiten. Wie sieht es nach außen hin aus? Malchow: Da ist es mir wichtig, dass die Gewerkschaft der Polizei weiterhin als sachlich und fachlich kompetenter Ansprechpartner in Fragen der Inneren Sicherheit gilt. Ich glaube, dass dies in der jetzigen Situation und der aktuellen Debattenlage sehr wichtig ist. Wir müssen die Möglichkeiten und die Grenzen polizeilichen Handelns deutlich machen und das Vertrauen der Bürger in die Polizei erhalten. Die Polizei muss weiterhin als Bürgerpolizei wahrgenommen werden. Dann finden wir auch Unterstützung, die Arbeitsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen zu verbessern. Behörden Spiegel: Sie sprachen Grenzen des polizeilichen Handelns an. Wo liegen die? Malchow: Diese Grenzen beziehen sich immer auf die Frage des Verhältnisses zwischen Sicherheit und Freiheit. Natürlich ist der Blick auf den Wert der Freiheit wichtig. Momentan muss der Schwerpunkt aber auf der Sicherheit liegen, denn nur so wird die Freiheit garantiert. Das wollen die Bürger so. Wir müssen den Blick auf eine handlungsfähige Polizei richten. Es muss immer um Rechtsstaatlichkeit und die wehrhafte Demokratie gehen. Dafür müssen wir für die Werte unseres Grundgesetzes eintreten und dürfen keinen Rattenfängern hinterherlaufen. Behörden Spiegel: Zahlreiche Bundesländer wollen ihre Polizeigesetze reformieren oder haben das bereits getan. Da geht es immer um mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Wie bewerten Sie diesen Trend? Malchow: Wir fordern schon lange ein Musterpolizeigesetz. Es kann nicht angehen, dass

die polizeilichen Instrumente sich in den einzelnen Bundesländern derart stark unterscheiden, wie es bisher der Fall ist. Da braucht es dringend eine Harmonisierung. Die Innenministerkonferenz hat sich eigentlich darauf verständigt, ein neues Musterpolizeigesetz anzugehen. Auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist es vorgesehen. Insofern ist es schade, dass manche Bundesländer nun derart vorpreschen und damit einen starken Widerstand innerhalb der Bevölkerung erzeugen. Kritikpunkte der Bürger kann ich sogar nachvollziehen. Bisher ist leider nicht vermittelt worden, dass wir eine Angleichung der Polizeigesetze an das benötigen, was wir auf Basis der Strafprozessordnung schon immer im Bereich der Terrorbekämpfung getan haben. Das muss in den einzelnen Ländern deutlicher kommuniziert werden. Behörden Spiegel: Ist die Chance vertan, ein bundeseinheitliches Musterpolizeigesetz zu schaffen? Malchow: Ich glaube, leider ja. Man hätte sich auf ein Musterpolizeigesetz einigen müssen, bevor die einzelnen Bundesländer ihre Gesetzgebungsverfahren gestartet haben. Selbst jene Länder, deren Polizeigesetze gerade im Reformprozess sind, haben sich ja nicht auf einen gemeinsamen Standard geeinigt. Und die Länder, die mit einer Reform noch warten, werden sich nicht zwangsläufig an Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen orientieren. Ungeachtet dessen brauchen wir aber dringend eine Harmonisierung. Es kann nicht sein, dass etwa die Dauer des Gewahrsams in den einzelnen Bundesländern so unterschiedlich ist. Das verstehen die Bürger nicht. Behörden Spiegel: Was muss sich noch ändern? Malchow: Ermächtigungen, die die Polizeien im Bereich der Strafverfolgung in der analogen Welt hat, müssen dringend in die digitale Welt “übersetzt” werden. Das gilt etwa für die Telekommunikationsüberwachung. Das Auslesen von Messengerdiensten muss zum Standard werden. Wir müssen die moderne Welt in den Polizeigesetzen abbilden. Behörden Spiegel: Gab es Versäumnisse bei der Vermittlung der Notwendigkeit einer Reform der Polizeigesetze? Malchow: Ja, definitiv. Wenn die Polizei Mittel nutzt, die bei der Bevölkerung nicht auf Akzeptanz stoßen, hat sie ein großes Pro­ blem. Das erschwert die Beziehung zwischen Polizei und Bürgern.­Die Polizei muss aber

Oliver Malchow ist seit Mai 2013 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der P ­ olizei (GdP). In diesem Amt möchte er nochmals bestätigt werden. Foto: BS/GdP-Bundesvorstand

immer einen Vertrauensvorschuss haben. Es muss besser und stärker erklärt werden, weshalb die neuen Polizeigesetze notwendig sind. Wir müssen deutlich machen, dass Veränderungen nötig sind. Anderenfalls kann die Polizei künftig erst aktiv werden, wenn die Straftaten bereits begangen wurden. Und das ist sicherlich nicht im Sinne der Bürger. Behörden Spiegel: Wie lassen sich eigentlich das Konzept der bürgernahen Polizei und die Aufrüstung, die aufgrund der Terrorgefahr erforderlich ist, in Einklang bringen? Malchow: Im Alltag muss die Polizei so auftreten, wie sie es gerade tut. Sie muss aber auch so ausgestattet sein, dass sie robust auftreten und sich selbst schützen kann. Hier braucht sie einfach eine gewisse Flexibilität. Aus diesem Grunde sehen wir die Anschaffung neuer gepanzerter Fahrzeuge und die Wiedereinführung von Langwaffen auch nicht kritisch. Was wir als problematischer betrachten, ist die Frage, ob die Polizeien tatsächlich Maschinengewehre oder Handgranaten benötigen. Das wollen wir eigentlich nicht, weil das zu nah am Militär ist. Behörden Spiegel: Was glauben Sie: Kommt das Thema militärisch-polizeiliche Zusammenarbeit nach der GETEX-Übung nochmal auf oder ist das erledigt? Malchow: Wir sehen Bundeswehreinsätze im Innern sehr skeptisch. Die Festnahme von Straftätern und die Gefahrenabwehr sind klassische Aufgaben der Polizei. Dafür muss sie gut ausgestattet sein. Bundeswehrsoldaten sollten im Inland keine Vollzugsaufgaben wahrnehmen. Aber natürlich hat die Bundeswehr Fähigkeiten, die wir als Polizei nicht haben, die aber dennoch erforderlich sind. Das gilt etwa für die Bundeswehrkrankenhäuser oder den ABCSchutz. Es muss schon möglich sein, im Rahmen der Amtshilfe auf diese Fähigkeiten zurückzugreifen. So verstehen wir auch eine Zusammenarbeit. Behörden Spiegel: Was halten Sie von speziellen Ausbildungen, etwa bei der Kriminalpolizei oder für Cyber-Spezialisten? Malchow: Wir benötigen Menschen mit Fachkenntnissen im IT-Bereich. Das müssen nicht alles Polizisten sein. Der Weg,

auf studierte Informatiker oder Techniker zurückzugreifen, ist durchaus gangbar. So könnten wir auch relativ zügig die Personallücke in diesem Bereich schließen. Wie man das dann genau ausgestaltet, ist eine Frage, die die Länder selbst beantworten müssen. Entscheidend ist, dass wir auf diese Kompetenzen zurückgreifen können. Auch die Universitäten sind hier gefordert. Behörden Spiegel: Für wie realistisch halten Sie die Einführung einer einheitlichen IT für die deutsche Polizei, unabhängig von der föderalen Struktur? Malchow: Ich glaube nicht, dass wir so viel Einheitlichkeit hinbekommen werden. Zentralisierung ist nicht immer der richtige Weg. Außerdem müsste dafür sehr viel Geld in die Hand genommen werden. Das haben nicht alle Bundesländer. Sinnvoller wäre es, wenn bestimmte Aufgaben im Sicherheitsverbund von jeweils einem Bundesland übernommen und organisiert würden. Die Gesamtsteuerung könnte dann beim Bundeskriminalamt liegen. Behörden Spiegel: Sogenannte arabische Familien, mafiaähnliche libanesisch-türkische Clans, stellen den Staat in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bremen mittlerweile restlos infrage, damit auch die Polizei. Welche Antwort müssen Staat und Polizei darauf geben? Malchow: Solche Clans sind ein großes Problem, bei dem in der Vergangenheit zu oft weggeschaut wurde. Hilfreich wäre eine Intensivierung der Vermögensabschöpfung. Es geht darum, Finanzströme zu unterbrechen. Außerdem muss die Polizei viel konsequenter und mit mehr Personal einschreiten. Man darf nicht vergessen: Es geht um Organisierte Kriminalität. Schon kleinste Verstöße von Angehörigen solcher Gruppierungen müssen polizeilich geahndet werden. Dafür braucht es mehr Präsenz und intensive Ermittlungen, gemeinsam mit Staatsanwaltschaft und Gerichten. Behörden Spiegel: Gewalt gegen Polizisten hat trotz Strafverschärfung nicht nachgelassen. Was ist zu tun? Malchow: Auffällig ist, dass wir im polizeilichen Alltag mehr Gewalt haben. Das Strafgesetzbuch ist ja erst im letzten Jahr angepasst worden. Insofern müssen wir noch abwarten, ob die Strafverschärfung bei Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte Wirkung zeigt. Aber das Strafrecht allein kann gesellschaftliche Entwicklungen nicht verändern. Gewalt gegen Angehörige des Öffentlichen Dienstes ist ein Thema, das eine gesamtgesellschaftliche Diskussion braucht. Eine schnelle Lösung wird es da nicht geben. Gesellschaftliche Tendenzen sind schwer umkehrbar.

Vor allem Organisationen aus dem Bereich der öffentlichen Sicherheit sowie Versorgungsund Transportunternehmen benötigen zunehmend breitbandige Datenanwendungen, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen und Betriebsabläufe zu optimieren. Breitbanddatendienste bilden das Fundament für alle Arten mobiler Datenanwendungen. Im Bereich der öffentlichen Sicherheit erhalten Einsatzkräfte vor Ort oder in der Leitstelle ein besseres Bild über die aktuelle Lage, wenn hochauflösende Fotos oder Live-Videos zur Verfügung stehen. Dank schneller Breitbandverbindungen über LTE oder Wi-Fi können Unternehmen verschiedenster Branchen ihre Effizienz und Produktivität durch funkgesteuerte Produktions- oder Versorgungssysteme erhöhen. Änderungen an Produktionsraten und an der technischen Überwachung sind mithilfe von Machine-to-Machine-(M2M)oder Internet-of-Things-(IoT)Daten in Echtzeit möglich. Dabei bleibt eine stabile und vor allem sichere Sprachübertragung – das Hauptleistungsmerkmal von traditionellen PMR-Netzen wie DMR und TETRA – weiterhin eine unverzichtbare Grundvoraussetzung für die einsatzkritische Kommunikation.

Kombination von Schmalund Breitband Die Kombination von Schmalund Breitbandkommunikation ist für einsatzkritische Anwendungen ideal. Das Multi-Mode Advanced Radio von Hytera (PTC760) vereint beides in nur einem Gerät: Es bietet eine konvergente Plattform für die HighEnd-verschlüsselte Übertragung kritischer Sprachkommunikation und von LTE-Breitbanddiensten. Das Funkgerät wird so zum unverzichtbaren Helfer für Einsatzkräfte oder Betriebspersonal. Seine volle Funktionalität und Leistungsfähigkeit spielt das Multi-Mode-Gerät innerhalb von Integrated-Command-&-Control-(ICC)-Systemen aus (siehe Infokasten). Sprachübertragung (Schmalband) und Video-Streaming (Breitband) erfolgen in Echtzeit und hoher Qualität in beiden Richtungen: vom Funkgerät zur Zentrale und umge-

kehrt. Darüber hinaus bietet Radio-over-IP (RoIP) höchste Flexibilität. Mit dem Multi-Mode-Funkgerät hat Hytera eine Plattform für unzählige Applikationen auf Android-Basis mit grenzenlosen Möglichkeiten geschaffen: Beispielsweise profitieren Einsatzkräfte aus dem Bereich der öffentlichen Sicherheit unter anderem von Secure Messaging, Video-Streaming und Datenerfassung. In der Industrie dagegen sind smarte Lösungen für optimale Workflows gefragt. Die Einsatzfelder reichen dabei von einfach bis anspruchsvoll. IoT-Lösungen, wie die digitale Steuerung von Maschinen oder das Monitoring von Sensordaten lassen sich per App auf dem Multi-Mode-Funkgerät einbinden.

Breitband-PMR im Einzel­ handel Auch außerhalb einsatzkritischer Bereiche nimmt die Bedeutung von Applikationen zu – zum Beispiel im Einzelhandel: Neben der Sprachkommunikation gibt es einen steigenden Bedarf an Datenanwendungen, die bei der täglichen Arbeit unterstützen – besserer Service durch aktuelle Lagerbestände, Kamera-Scans und vieles mehr. Auch für Bereiche ohne Notwendigkeit zur hochverschlüsselten Kommunikation wie Sicherheitsunternehmen und Baustellen stellt eine Funklösung mit reinen LTE-Geräten eine gute und kostengünstige Alternative dar. Das neue PNC370 von Hytera bietet gute Sprachübertragung über Push-to-talk-over-Cellular (PoC) und ist gleichzeitig wie das Multi-Mode-Funkgerät eine flexible Plattform für Breitbandanwendungen. *Bettina Francke ist Marketing Manager bei der Hytera Mobilfunk GmbH.

Flexibel mit Hyteras Handfunkgeräten PTC760 und PNC370 Foto: BS/Hytera

ICC-System von Hytera Das ICC-System von Hytera ermöglicht die umfassende und sichere Notrufsteuerung in Städten und ist für den Einsatz innerhalb vielfältiger industrieller Szenarien geeignet, in denen beispielsweise eine Zentrale benötigt wird, um Anrufe entgegenzunehmen, Personal für die Abwicklung zu entsenden und die Abwicklung zu überwachen. Weitere Einsatzszenarien für das ICC sind: staatliche Hotlines, Produktionssicherung, Ölindus­ trie, Sicherheitsaufsicht, Flughäfen, Eisenbahnen, medizinische Notfallhilfe und Städtemanagement.

MELDUNG

Bundeszuständigkeit schaffen MELDUNG

Werbetafeln als Warnmittel (BS/mfe) In der Hamburger Innenstadt können Zivil- und Katastrophenschutzwarnungen künftig über Werbetafeln verbreitet werden. Dieses neue Warnmittel wurde nun unter anderem vom Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

(BBK), Christoph Unger, und dem Hamburger Innensenator, Andy Grote (SPD), vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt von BBK, Hansestadt und den Betreibern digitaler Anzeigetafeln. Es ergänzt die Warnung über mobile Endgeräte. Technisch ist nunmehr

das Hamburger Lagezentrum an das Modulare Warnsystem (MoWaS) angebunden. Dieses wurde vom BBK entwickelt. In Zukunft können die Mitarbeiter des Lagezentrums Warnmeldungen unmittelbar an die Betreiber der digitalen Anzeigetafeln übermitteln. Aufgestellt sind die Tafeln

insbesondere an viel befahrenen Straßen in der Innenstadt. Über die Anzeigen sollen vorerst nur Warnungen der höchsten Warnstufe eins visualisiert werden. Ziel des BBK ist es, Warnungen auf Anzeigetafeln bundesweit mit dem gleichen Design herausgeben zu können.

(BS/mfe) Für die Erteilung von Aufstiegsgenehmigungen Unbemannter Luftfahrzeuge sollte künftig der Bund verantwortlich sein. Die bisherige Zuständigkeitenzersplitterung in diesem Bereich mache keinen Sinn, meint Prof. Klaus-Dieter Scheurle. Zudem plädiert der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Flugsicherung (DFS) für eine verschärfte Registrierungspflicht von Drohnen. Sie sollten

nicht mehr nur mit einer Plakette gekennzeichnet werden, sondern mit einem Transponder. Dafür müsste jedoch die Drohnenverordnung reformiert werden. Offen für eine solche Novellierung der Rechtsverordnung zeigt sich der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Steffen Bilger (CDU). Er betonte: “Wir wollen zu Verbesserungen kommen.”


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Oktober 2018

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Neues aus der Wehrtechnik Auftrag aus Polen

Trennung von Airbus abgeschlossen

Raytheon

Hensoldt

(BS) Wie vom US-Verteidigungsministerium Ende September angekündigt, wird Raytheon vier Feuereinheiten des integrierten Luftverteidigungssytems vom Typ “Patriot” für Polen bauen und ausliefern. Die U.S. Army hat dem Konzern einen entsprechenden Auftrag über 1,5 Milliarden US-Dollar erteilt. Der Auftrag umfasst zudem die Versorgung mit Ersatzteilen sowie Unterstützungsleistungen und Ausbildung. “Das Patriot-Luftverteidigungssystem wird die Sicherheit Polens, Europas und der NATO stärken und gleichzeitig neue Arbeitsplätze in Polen und den USA schaffen”, sagte dazu Tom Laliberty, Vice President von Raytheon Integrated Air and Missile Defense. “Patriot” bildet das Rückgrat der Verteidigung Europas und der NATO gegen ballistische Raketen und Marschflugkörper sowie gegen fortschrittliche Flugzeuge und Drohnen. Neben Polen betreiben 15 weitere Staaten dieses Luftverteidigungssystem. Dazu zählen neben den USA auch sechs europäische Staaten: Deutschland, Griechenland, die Niederlande, Spanien, Rumänien und Schweden.

A

uf der größten europäischen Rüstungsmesse, der Eurosatory bei Paris, war eine der Weltpremieren in diesem Jahr die Präsentation des mobilen Flugabwehrsystems Oerlikon “Skyranger Boxer”. Auf Basis des achträdrigen Gepanzerten Transport-Kraftfahrzeugs (GTK) “Boxer” besitzt der Flakpanzer eine 35-mm-Revolverkanone sowie eigene Such- und Zielverfolgungssensorik (früher Oerlikon, jetzt Rheinmetall Air Defence mit Sitz in Zürich). Bekämpft werden können damit Drohnen, Raketen, Artillerie- und Mörsergeschosse. Bei einer Kampfentfernung von 4.000 Metern hat die Kanone eine – theoretische – Kadenz von 1.000 Schuss in der Minute.

LeFlaSys und MANTIS Der Nah- und Nächstbereichsschutz sei “schon immer eine Kernkompetenz von Rheinmetall” gewesen. Das erklärte Hubert Saur, Programmbereichsleiter “Bodengebundene Luftverteidigung Deutschland” der Rheinmetall Electronics GmbH in Bremen, gegenüber dem Behör-

In Fernost nutzen Japan, Südkorea und Taiwan “Patriot”, in Nahost sind es Israel, SaudiArabien, Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Eine “Patriot”-Feuereinheit der Der Produktions- US-Streitkräfte Foto: BS/Portugall vertrag dient der ersten Phase von Polens zweistufigem Beschaffungsprogramm “WISLA” für ein integriertes Luft- und Raketenverteidigungssystem mittlerer Reichweite. In der zweiten Phase soll es Polen ermöglichen, fünf weitere “Patriot”-Feuereinheiten zu beschaffen. Die Regierung in Warschau hat zudem Interesse an Galliumnitrid-basierten 360-GradRadaren mit aktiver elektronischer Abtastung (AESA) und an “Sky-Ceptor”-Abfangraketen signalisiert. Mehr Informationen unter www.raytheon.com

(BS) Der Verteidigungselektronik-Anbieter Hensoldt hat den Prozess zur Abtrennung von seiner früheren Muttergesellschaft Airbus Group SE im September abgeschlossen. Nach dem Rückkauf der restlichen 25,1 Prozent der Geschäftsanteile von Airbus konzentriert sich das nun völlig unabhängige Unternehmen auf die globalen Sensormärkte. Airbus hatte sein Verteidigungselektronikgeschäft vor zwei Jahren an die weltweit tätige Beteiligungsgesellschaft KKR verkauft, jedoch einen Anteil von 25,1 Prozent zur Sicherung eines reibungslosen Geschäftsübergangs behalten. Nach der Integration des Hensoldt-Geschäfts in Frankreich kennzeichnet die jetzt abgeschlossene physische Trennung aller Standorte von Airbus nun den letzten Schritt in die Unabhängigkeit. “Ich bin sehr stolz, dass wir die Trennung schon zehn Monate vor dem Zeitplan geschafft haben”, sagte Hensoldt-CEO Thomas Müller. “Ich möchte den Airbus-Kollegen, die alle in einem außerordentlich konstruktiven Geist mit uns zusammengearbeitet haben, herzlich danken. Das gibt uns zusätzlichen Antrieb für unsere Mission als

unabhängiger und hochinnovativer Lösungsanbieter. Mit dem Aufbau neuer Beziehungen zu Plattformherstellern weltweit werden wir unser Geschäft in Die Fassade der Niederlassung den kommenden am Standort Ulm Jahren signifiFoto: BS/Hensoldt kant ausweiten”, so Müller. Das Elektronikunternehmen liefert Streitkräften und Sicherheitsbehörden Sensorlösungen für luft-, see- und landgestützte Anwendungen. Hierzu gehören der Schutz Kritischer Infrastrukturen, die Flugabwehr, der Selbstschutz fliegender Plattformen, die Signalaufklärung und DatenLinks sowie Wärmebildgeräte und optronische Zielvorrichtungen. Mehr Informationen unter www.hensoldt.net

Bodengebundene Luftverteidigung “Kernkompetenz im Nah- und Nächstbereichsschutz” (BS/Dr. Gerd Portugall) Bei der bodengebundenen Luftverteidigung der Bundeswehr existiert seit der Ausmusterung der Flugabwehrsysteme “Gepard” (Kanone) und “Roland” (Lenkflugkörper) eine Fähigkeitslücke im mobilen Nah- und Nächstbereichsschutz (NNbS). Zur Schließung dieser Lücke positioniert sich die Rheinmetall AG als Systemanbieter auch mit dem Flak-Radpanzer Oerlikon “Skyranger Boxer”. den Spiegel. Dabei verwies der Luftwaffen-Oberst a. D. der Bundeswehr auf das mobile Leichte Flugabwehrsystem (LeFlaSys) und auf MANTIS (“Modular, Automatic and Network capable Targeting and Interception System”). LeFlaSys verfügt über einen Aktionsradius von bis zu sechs Kilometern mit dem LuftlandeWaffenträger “Wiesel 2” in der Variante “Ozelot”, der die Flugabwehrrakete “Stinger” des USHerstellers Raytheon verschießt. Dessen Fähigkeitserhalt soll bis 2025 sichergestellt sein. Das Nächstbereichs-Schutzsystem (NBS) C-RAM (“Counter-Rocket, -Artillery, -Mortar”), das unter dem Namen MANTIS bei der Bundeswehr eingeführt wurde,

Foto: Bundeswehr

Praxisseminare Sicherheit und Verteidigung Belasteten und traumatisierten BOS-Einsatzkräften begegnen 25.10.2018, Berlin Vergabe verteidigungs- und sicherheitsspezifischer Aufträge 26.11.2018, Berlin Rüstungsbeschaffung nach novelliertem CPM 06.12.2018, Hamburg Preisrecht und Preisprüfung bei Verteidigungsaufträgen 09.04.2019, Hamburg www.fuehrungskraefte-forum.de

satz bei der UN-Friedensmission MINUSMA in Mali. Mit der Inbetriebnahme des Systems “aus übergeordneten Gründen”, so der Rheinmetall-Manager, in der Konfiguration “Sense and Warn” wird der Schutz des Personals im deutschen Feldlager Camp Castor sowie im angrenzenden UN-Camp in Gao gewährleistet. Der Sensor, so Hubert Saur, sei so gut, dass die Warnfunktion allein schon “einen taktischen Wert” habe.

Luftverteidigung, so Saur. Beide Unternehmen würden aber kein “industriepolitisches Gegenlager” zu Lockheed Martin und MBDA beim zukünftigen Taktischen Luftverteidigungssystem (TLVS) der Bundeswehr darstellen. Die Kooperation zwischen Rheinmetall und Raytheon bei der Luftverteidigung, so der Capture Manager von Rheinmetall, sei ausschließlich fähigkeits- und technikgetrieben. Schließlich sei die integrierte Luftverteidigung die richtige Antwort auf die teils erweiterten,

Natürlicher Partner Raytheon Der Flak-Radpanzer Oerlikon “Skyranger Boxer” auf der Eurosatory 2018 Fotos: BS/Portugall

besitzt mit seiner 35-mm-Kanone eine Reichweite bis etwa 3,5 Kilometer. Aufgabe dieses ortsfesten Flugabwehr-Waffensystems ist der Schutz von Objekten und Einrichtungen gegen jede Art von Bedrohungen aus der Luft. Da LeFlaSys absehbar ersetzt werden muss, hat das Planungsamt der Bundeswehr (PlgABw) bereits das entsprechende Dokument “Fähigkeitslücke und Funktionale Forderung (FFF)”

im Rahmen des CPM (Customer Product Management) erstellt. Rheinmetall habe bereits konkrete Vorstellungen für ein neues System entwickelt, so Saur. Der Konzern betreibe stets iterative Planungsprozesse zur Annäherung an effektive und effiziente Lösungen. Eine MANTIS-Feuerstellung dient der Ausbildung im Inland, die andere befindet sich – ohne Effektor, d. h. ohne Geschütz – aktuell im Auslandsein-

Zusammen decken die Unternehmen Rheinmetall und Raytheon 100 Prozent der existierenden bodengebundenen Luftverteidigung für die deutschen Streitkräfte ab. Für die untere Abfangschicht des Fernbereichs ist das FlugabwehrRaketensystem “Patriot” des US-Konzerns zuständig, dessen Flugkörper der Upgrade-Version PAC-3 (“Patriot Advanced Capability”) eine wesentlich größere Reichweite hat als LeFlaSys und MANTIS. Raytheon sei ein “natürlicher Partner” bei der

Hubert Saur, Programmbereichsleiter “Bodengebundene Luftverteidigung Deutschland” bei Rheinmetall

teils neuen Bedrohungen aus der Luft in Europa, erläuterte Saur. Zu diesen komplexen Bedrohungen zählten u. a. Überschallwaffen, Minidrohnen und Schwarmtechniken. Dies mache einen “ganzheitlichen Systemblick” für komplementären Schutz nötig. Jeder einzelne Effektor – sei es u. a. das System “Kanone”, sei es das neue System “Laser” – könne nur jeweils ein Element in einem Systemverbund sein. Produkte müssten sich an den konkreten Bedrohungen ausrichten – “und nicht umgekehrt”, betonte der pensionierte Stabsoffizier. Das Thema “Rüstungsexport” stelle kein Problem für die wehrtechnische Kooperation zwischen beiden Unternehmen dar, machte der RheinmetallManager deutlich. Es gebe “kaum Unterschiede” zwischen den deutschen Endverbleibsregeln und den amerikanischen ITARVorschriften (“International Traffic in Arms Regulations”). Dass beide Partner mit “Black Boxes” arbeiteten, sei “nichts Schlimmes”. Schließlich würde damit “geistiges Eigentum geschützt”, damit keine Nachentwicklung durch Konkurrenten erfolgen könne. Entscheidend sei letztlich die “bereitgestellte Fähigkeit zum Schutz”.


Zahlen & Fakten

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Behörden Spiegel / Oktober 2018

Auslandseinsätze der Bundeswehr (BS/por) Die Bundeswehr ist seit den 1990er-Jahren eine “Armee im Einsatz”. Mit der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ostukraine ist die Landes- und Bündnisverteidigung für die NATO im Allgemeinen und für Deutschland im Besonderen wieder in den Fokus gerückt worden. Damit haben sich die Auslandseinsätze jedoch nicht erledigt – im Gegenteil: Sie bleiben der Bundeswehr personell wie finanziell als zusätzliche Belastung erhalten. Wo sich die nächste Mission ergeben wird, ist im Vorfeld so gut wie nicht vorhersagbar.

1

Aktuelle Einsatzgebiete der Bundeswehr KFOR

7

Operation Sophia

8

3

MINURSO

9

4

MINUSMA

10 Counter Daesh

5

EUTM Mali

11 Atalanta

6

UNAMID

12 UNMISS

2

Kosovo [seit Juni 1999]

Sea Guardian

Mittelmeer [seit Oktober 2016]

UNIFIL

Libanon [seit September 2006]

Mittelmeer [seit Juni 2015]

Westsahara [seit Oktober 2013]

Resolute Support

Afghanistan [seit Januar 2015]

Syrien, Irak [seit Dezember 2015]

Mali, Senegal [seit Juli 2013]

Somalia, Äthiopien, Dschibuti und Eritrea [seit Dezember 2008]

Mali [seit März 2013]

Sudan, Darfur [seit November 2007]

Südsudan [seit Juli 2011]

Quelle: BS/Bundeswehr, Einsatzführungskommando; Bundeszentrale für politische Bildung; Stand: September 2018

Ausgaben für Bundeswehreinsätze (in Millionen Euro) 1 | Kfor 2 | Operation Sophia

Einsatzstärken und Mandatsobergrenzen Mandatsobergrenze Einsatzstärken

7,4

3 | MINURSO 0,2 24,1 4 | MINUSMA 5 | EUTM Mali 43,8 6 | UNAMID 3,3 7 | Sea Guardian 19,1 8 | UNIFIL 9 | Resolute Support 10 | Counter Daesh 0,09 11 | Atalanta

1.300

3.392

1.100

1.200

950

800

800

812

650

396 315,3

350 450,3

Quelle: BS/Bundeswehr, Einsätze, Überblick: Die “Armee im Einsatz”; Stand: Dzember 2017

236 98

1

410

300

298

12 | UNMISS 4,1

600

2

20 3

3

4

143

300

5

6

131

8

7

8

73

Tote bei Auslandseinsätzen

Unfall

SFOR

Natürliche Ursache, Suizid, unbekannte Ursache

(1996–1999)

Feindeinwirkung

6

8

KFOR

Kosovo

(seit 1999)

12

17

ISAF

Afghanistan (2001–2014)

14

6

35

Quelle: BS/Bundeswehr, Todesfälle im Einsatz; iCasualties.org, OEF, Germany; Stand: September 2018

Illustration: BS/Liesegang unter Verwendung von © Ivan Mogilevchik, adobe.stock.com; © Puckung, adobe.stock.com; © irina, Fotolia.com Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.

14

9 10 11 12

Quelle: BS/Bundeswehr, Einsätze, aktuelle Stärke; Stand: September 2018

Bosnien und Herzegowina

50


Verteidigung

Behörden Spiegel / Oktober 2018

N

ach Jahren des Schrumpfens der Bundeswehr wurde von der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, jüngst die Trendwende “Personal” eingeleitet. Bereits 2014 startete die Agenda “Attraktiv. Aktiv. Anders. – Bundeswehr in Führung” mit einer Vielzahl von Maßnahmen, angefangen beim betrieblichen Gesundheitsmanagement bis hin zur zeitgemäßen Ausstattung von Kasernenunterkünften. Die “Agenda” verfolgt das Ziel, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu machen. Mit der 2017 veröffentlichten Personalstrategie soll zudem die Grundlage für eine moderne, nachhaltige und demografiefeste Personalpolitik geschaffen werden. Dabei ist die Personalbedarfsdeckung nicht erst seit Aussetzung der Wehrpflicht ein zentrales Thema. Auch davor bestand das Gros des Personals aus freiwillig sich länger verpflichtenden Soldaten und Soldatinnen und aus Berufssoldaten und -soldatinnen mit beamtenähnlichem Status. Kritiker der Freiwilligenarmee fordern die Rückkehr zur Wehrpflicht vor allem unter dem Hinweis, dass die staatsbürgerliche Pflichterfüllung zunehmend ökonomischen Handlungsantrieben für einen Dienst an der Waffe weichen würde. Der hauptamtliche Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Sigurd Rink, spitzte die Debatte in einem am 5. März 2018 erschienen Zeitungsartikel zu. Die Bundeswehr sei auf dem Weg in die Söldnerarmee und vor allem sozial Benachteiligte, so der Bischof, wählten den Dienst an der Waffe: “Wir delegieren Militäraktionen an die Armen. Die soziale Ungleichheit unseres Landes bildet sich in der Armee ab.” Welche Rolle spielt die soziale und regionale Herkunft, welches Bildungsniveau bringen die Bewerber- und Bewerberinnen mit

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Auf dem Weg zur “Söldnerarmee”? Fakten zur Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber (BS/Dr. Gregor Richter*) Spätestens seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 steht die Bundeswehr vor der schwierigen Aufgabe, den Personalbedarf auf allen Ebenen mit ausreichend qualifiziertem Personal zu decken. Dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform verpflichtet, soll die Personalstruktur einer Freiwilligenarmee weiterhin ein Spiegel der gesamten deutschen Gesellschaft sein. Kritiker der Aussetzung der Wehrpflicht beschwören jedoch einen Trend zu einer “Söldner- bzw. Unterschichtenarmee” herauf. Sozialwissenschaftliche Studien tragen zur Versachlichung dieser Debatte bei. und vor allem: Was sind die Motive junger Menschen für eine Bewerbung für den Freiwilligen Wehrdienst oder für eine Karriere als Berufssoldat bzw. -soldatin? Studien des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam widmen sich seit Jahren Fragen dieser Art. In einer 2014 veröffentlichen Studie wurden Freiwillig Wehrdienst Leistende (FWDL) in zwei Befragungswellen in den Jahren 2011 und 2012 befragt. Die Zusammensetzung der Stichprobe von 6.389 Probanden bei der Erstbefragung zum Dienstzeitbeginn zeigt beispielsweise hinsichtlich des Bildungsniveaus nur leichte Abweichungen von einer gleichaltrigen Vergleichsgruppe aus der Gesamtbevölkerung (FWDL-Befragung: Hochschulreife 35 Prozent, Fachhochschulreife 13 Prozent, Realschulabschluss 30 Prozent, Hauptschulabschluss 21 Prozent, kein Schulabschluss ein Prozent; Vergleichsgruppe 18- bis 29-Jährige in der Gesamtbevölkerung: Hochschulreife 36 Prozent, Fachhochschulreife acht Prozent, Realschulabschluss 31 Prozent, Hauptschulabschluss 18 Prozent, kein Schulabschluss sieben Prozent). Auch hinsichtlich der regionalen Herkunft zeigen sich nur geringfügige Abweichungen: 20 Prozent der Personen in der FWDL-Befragung kommen aus Ostdeutschland, in der Vergleichsgruppe sind es 25 Prozent. Unter den FWDL in der Studie sind somit weder niedrig Gebil-

Für mich ist die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber

2013

2016

14 %

trifft zu

24 %

25 %

trifft eher zu

35 %

39 %

teils/teils

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trifft eher nicht zu

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trifft nicht zu

3%

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5

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Entwicklung der Arbeitgeberattraktivität

dete überrepräsentiert noch hoch Gebildete unterrepräsentiert. Gleiches gilt für Ostdeutsche.

Attraktivität als Arbeitgeber Wie steht es um die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber? Eine repräsentative Befragung von 3.197 militärischen und zivilen Bundeswehrangehörigen aus dem Jahr 2016, die als Zwischenevaluation der Attraktivitätsagenda konzipiert war, zeigte einen signifikanten Anstieg der Arbeitgeberattraktivität von 2013 auf 2016 (s. Grafik). Für 2019 ist eine weitere Befragungswelle geplant. Auch die seit nunmehr fast 20 Jahren von unabhängigen Umfrageinstituten durchgeführ-

15

20

25

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35

40

Grafik: Liesegang, Behörden Spiegel-Gruppe; Quelle: BS/ZMSBw

te Bevölkerungsbefragung des ZMSBw, zuletzt aus dem Jahr 2017, lässt die Bundeswehr in einem nicht allzu schlechten Licht erscheinen: 19 Prozent halten die Bundeswehr für einen sehr attraktiven Arbeitgeber für junge Menschen und 50 Prozent für eher attraktiv. Die Daten lassen also Zweifel an dem unterstellten Trend zur Unterschichtenarmee aufkommen. Vielmehr zeichnen interne Umfragen wie auch die externe Perspektive ein durchaus positives Bild der Arbeitgeberattraktivität der Bundeswehr. Fast noch entscheidender ist in der Söldnerdebatte die Motivlage junger Bundeswehrangehöriger. Einem

Söldner wird gemeinhin unterstellt, dass Einkommensziele der zentrale, wenn nicht einzige Antrieb für den Dienst an der Waffe sind. Betrachtet man beispielsweise die berufsbezogenen Interessen junger Zeitsoldaten und -soldatinnen (SaZ), so stehen sogenannte Wachstumsziele, z.B. dass die berufliche Tätigkeit mit den eigenen Wertvorstellungen vereinbar ist, dass man sich entfalten und entwickeln und dass man beständig neue Dinge lernen kann, im Vordergrund. Soldaten auf Zeit können vor Ablauf ihrer vier-, acht- oder auch mehrjährigen Verpflichtungszeit einen Antrag auf Übernahme zum Berufssoldaten bzw. -soldatin

stellen. Die Antworten der 1.344 SaZ, die an der Befragung 2016 teilgenommen haben, wurden auch genutzt, um die Entscheidungsgrundlagen für deren Weiterverpflichtungsbereitschaft zu eruieren. Ergebnis: Wichtigstes Kriterium für die Personalbindung ist die Identifikation mit den Organisationszielen und dem Auftrag der Bundeswehr. Bemerkenswerterweise spielen der statistischen Analyse zufolge Bezahlung und Arbeitsplatzsicherheit keine Rolle bei der Entscheidungsfindung für oder gegen eine längerfristige Karriere bei der Bundeswehr – Söldner würden wohl eine andere Motivlage aufweisen! Diejenigen, die die Bundeswehr aus freien Stücken verlassen, tun dies also, weil sie sich mit den Zielen der Bundeswehr nicht identifizieren können bzw. weil sie zu wenig Rückhalt in der Bevölkerung für ihren Dienst wahrnehmen. Im Gegenzug bleibt man aber auch nicht wegen des Geldes beim Bund. Der Soldatenberuf ist kein Beruf wie jeder andere – so viel steht fest. In einer modernen Arbeitsgesellschaft dient der Beruf selbstverständlich der Sicherung des Lebensunterhalts; dies ist auch bei Soldaten und Soldatinnen der Fall. Dass sich trotz einer recht positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahren und trotz der besonderen Entbehrungen und Gefahren, die der Dienst in der Bundeswehr mit sich bringt, weiterhin viele junge Menschen für diesen Beruf entscheiden, liegt – das zeigen diverse Studien – nicht an deren söldnermäßiger Gesinnung und auch nicht an deren vermeintlich niedrigem sozialen Status. *Dr. Gregor Richter, Wissenschaftlicher Direktor, ist Projektleiter am ZMSBw. Alle angeführten Studien sind auf der Seite zmsbw. de als PDF herunterladbar.

Wohin steuert die Türkei?

Jubiläumsveranstaltung 2019

Gefahr für das Nordatlantische Bündnis

Erinnerung an die Berliner Luftbrücke vor 70 Jahren

(BS/por) Während Deutschland sich neuerdings um eine Wiederannäherung an den NATO-Partner Türkei bemüht, verschlechtern sich die Beziehungen zwischen den USA, d. h. der Führungsmacht der Atlantischen Allianz, und dem Verbündeten am Bosporus dramatisch. Offizieller Grund des Streits zwischen den Präsidenten Trump und Erdogan ist der Streit um den unter Hausarrest festgehaltene US-Pastor Andrew Brunson. Schon wähnen Auguren das Ende der türkischen NATO-Mitgliedschaft.

(BS/por) Kirsten Lühmann, SPD-Abgeordnete des Deutschen Bundestages, ist im Mai dem Förderverein für die Erinnerungsstätte Luftbrücke Berlin e. V. in Faßberg im niedersächsischen Landkreis Celle beigetreten. Bereits zuvor war der verstorbene ehemalige Verteidigungsminister Dr. Peter Struck dort Vereinsmitglied gewesen. Paul Hicks vom Förderverein war nach Celle zum Lisa-Korspeter-Haus gekommen, wo die Bundestagsabgeordnete ihr Wahlkreisbüro unterhält, um ihr den Mitgliedsausweis zu überreichen.

Von besonderer Bedeutung für die NATO ist die geostrategische Lage Anatoliens zwischen Europa, Zentralasien und dem Nahen Osten. In diesem Zusammenhang ist besonders der Luftwaffenstützpunkt Incirlik im Süden des Landes zu erwähnen. Größter Nutzer ist seit der Errichtung dieses Fliegerhorstes in den 1950er-Jahren die United States Air Force, die hier nach dem 11. September 2001 ihr wichtigstes Drehkreuz zur Versorgung der amerikanischen Streitkräfte im Irak und in Afghanistan eingerichtet hatte. Dabei sind die Meerengen zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer nicht zu vergessen. Genau deshalb hat das Land an Bosporus und Dardanellen eine relativ starke Verhandlungsposition gegenüber der Europäischen Union (EU) in Bezug auf die Flüchtlingsproblematik.

die Lieferungen der modernen Flugabwehr-Raketensysteme S-400 auf den Juli 2019 – und nicht, wie zuvor angekündigt, im Jahre 2020 – vorverlegt worden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Vertrag gerade einmal zwei Jahre, nachdem die türkische Luftwaffe im Grenzgebiet zu Syrien ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen hatte, zustande kam. Darüber hinaus nahm Staatspräsident Erdogan im September dieses Jahres medienwirksam am Gipfeltreffen zum Syrienkonflikt mit seinen Amtskollegen Putin und Hassan Rohani in Teheran teil.

Stärke der türkischen Armee Mit 511.000 aktiven Soldaten stellt die Türkei – nach den USA – die zweitgrößte Armee im Atlantischen Bündnis. Zum Vergleich: Die Bundeswehr verfügt aktuell

über 180.000 aktive Soldaten. Die türkischen Landstreitkräfte haben rund 3.600 Kampfpanzer in ihrem Bestand, davon sind allerdings die meisten ältere Modelle. (Das deutsche Heer hingegen bringt es nur auf 328 Stück, wenn auch diese hochmodern sind.) Auf türkischer Seite kommen rund 300 Kampfflugzeuge sowie 40 Kriegsschiffe hinzu. (Für die Bundeswehr lauten die Vergleichszahlen 225 fliegende und 32 schwimmende Einheiten.)

Fazit Gleichwohl kommt der Türkei nicht mehr die gleich große Bedeutung für die NATO zu wie während des Kalten Krieges. Würde sie die Allianz verlassen, wäre sie militärisch ganz auf sich alleine gestellt, d. h. die Staatsführung in Ankara hätte letztlich mehr zu verlieren als das Nordatlantische Bündnis.

“Wir freuen uns sehr, dass wir mit Frau Lühmann nun wieder einen prominenten Zugang haben, der nicht nur unsere ehrenamtliche Arbeit bereits seit vielen Jahren unterstützt, sondern auch die Interessen des Luftbrückenmuseums Faßberg vertritt”, sagte Hicks. Den Fliegerhorst Faßberg nutzte nach Ende des Zweiten Weltkrieges die British Air Force of Occupation. In den Jahren 1948 und 1949 war der nunmehr als “RAF Fassberg” bezeichnete Flugplatz eine wichtige Drehscheibe der Berliner Luftbrücke. Die Sowjetunion unter Josef Stalin hatte die Land- und Wasserwege zu den drei Westsektoren der Stadt blockiert. Mehr als ein Jahr lang hatten ausschließlich Propellerflugzeuge über zwei Millionen Tonnen Hilfsgüter nach WestBerlin geflogen. Mehr als 270.000 Flüge waren hierzu notwendig.

Annäherung an Russland

Erinnerung

Für Irritationen in der NATO hat der Umstand gesorgt, dass die Türkei und Russland im vergangenen Dezember in Ankara einen Vertrag über die Lieferung des bodengebundenen mobilen Luftverteidigungssystems S-400 “Triumf” unterzeichneten. Wie der Vizechef des Sekretariats für Verteidigungsindustrie der Türkei, Ismail Demir, nach dem Treffen von Präsident Recep Tayyip Erdogan mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Ankara mitteilte, sind

Auf dem Gelände des Fliegerhorstes Faßberg wird mit der Erinnerungsstätte Luftbrücke Berlin (ELB) die Militärgeschichtliche Sammlung des Technischen Ausbildungszentrums der Luftwaffe (TAusbZLw), vormals Technische Schule der Luftwaffe 3, präsentiert. Das TAusbZLw wird unterstützt durch den Förderverein für die Erinnerungsstätte Luftbrücke Berlin und durch die Stiftung Luftbrückendank, eine Einrichtung des Landes Berlin. Paul Hicks ist auch Mitglied im

Die Türkei zeigt der NATO die Zähne – hier eine McDonnell Douglas F-4E “Phantom II” der türkischen Luftwaffe. Foto: BS/Portugall

Paul Hicks mit Kirsten Lühmann vor dem Lisa-Korspeter-Haus in Celle mit dem überdimensionalen Mitgliedsausweis Foto: BS/Martin Sagehorn

Beirat des Fördervereins Luftbrücke Berlin 70 e. V. Dieser plant für Juni des nächsten Jahres eine große Erinnerungsveranstaltung zum 70. Jubiläum der Luftbrücke. Die historischen “Rosinenbomber” der Typen Douglas DC3/C-47 “Dakota” und Douglas DC-4/C-54 “Skymaster” wollen sich von den unterschiedlichsten Plätzen der Welt zum “Big Lift” auf den Weg nach Berlin machen. Zu den Zusagen gehören Maschinen aus ganz Europa sowie 15 aus den Vereinigten Staaten. Sogar ein Besitzer aus Australien will sein Bestes tun, um mit seiner Maschine dabei sein zu können. Zwei DC-4 sollen aus Südafrika dazustoßen. Und auch die immer noch flugtaugliche Junkers Ju 52 der Lufthansa ist eingeplant. Neben Berlin selbst sind als weitere Veranstaltungsorte dieses

“Sternfluges” die Flugplätze in Faßberg, Wiesbaden-Erbenheim, Jagel in Schleswig-Holstein und Schönhagen südlich von Berlin vorgesehen. Der ehemalige Inspekteur Luftwaffe, Generalleutnant a. D. Karl Müllner, engagiert sich als “Ambassador” bei der Jubiläumsveranstaltung. Als Unterstützer dieses Events werden vom Förderverein Luftbrücke unter anderem das Auswärtige Amt, das Bundesministerium der Verteidigung, das Militärhistorische Museum der Bundeswehr – Außenstelle Flugplatz Berlin-Gatow, der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) sowie die Messe ILA Berlin, die alle zwei Jahre die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung in der Hauptstadt veranstaltet, genannt.


Die letzte Seite

Behörden Spiegel / Oktober 2018

E

r ist 48 Jahre alt, wirkt aber deutlich älter und hat sich seinen Wunschberuf – nämlich Polizist zu werden – anders vorgestellt. Jetzt hängt er hier fest. Schwerer hätte es für den Polizeioberkommissar nicht kommen können, hier aufrecht Dienst tun zu müssen. “Viele junge Männer aus den sechs polizeibekannten türkisch-arabischen Großfamilien lassen sich nichts sagen”. Besonders schwer hätten es Polizistinnen. “Da werden Anweisungen, die die Kolleginnen geben, einfach missachtet.” Manchmal täten sie sogar so, als seien die Kolleginnen nicht einmal vor Ort präsent und behandelten sie wie Luft. Frauen sind in dieser autoritären Männergesellschaft einfach nicht existent. “Noch schlimmer ist es, wenn wir jemanden festnehmen müssen. Dann rotten sich urplötzlich 30- bis 50 Mann zusammen und versuchen, den Verhafteten zu befreien.” Dann komme es auch zu körperlichen Attacken, erzählt K. “Große Gefahr droht aber vor allem in alltäglichen Einsatzsituationen. Schon die Aufnahme eines einfachen Verkehrsunfalls ohne Personenschaden kann plötzlich eskalieren. Dann werden wir bedrängt, beschimpft, einfach so gefilmt und manchmal angegriffen.” Aus Selbstschutz fahren drei Streifenwagen zu solchen Situationen, um entsprechend Präsenz zu zeigen und abschreckend zu wirken. Doch selbst das hilft heute nicht mehr. Der Gang gehört die Straße und die verteidigen sie gegen jeden Wettbewerber, auch gegen die Polizei.

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“Die haben keinerlei Respekt vor uns” Kriminelle Clan-Mitglieder scheren sich nicht um deutsche Gesetze (BS/R. Uwe Proll/Marco Feldmann) Die Karl-Marx-Straße im Berliner Bezirk Neukölln: Türkische Friseure und Gemüseläden reihen sich an Spielhallen, Shisha-Bars und Etagen-Bordells. Fast ausnahmslos alle Anwohner haben einen Migrationshintergrund. Eigentlich kein Pflaster für Andreas K.* (*Name von der Redaktion aus Sicherheitsgründen geändert) vom Abschnitt 54 der Berliner Polizei.

Revision eingestellt”, erzählt K. Zudem könnten sich die Clans sehr gute Strafverteidiger leisten. Dies erschwere Verurteilungen erheblich. “Dabei ist es eigentlich hinlänglich bekannt, dass die arabischen Clans, die international gut vernetzt sind, Millionenbeträge durch Raub, Erpressung, Drogenhandel und Prostitution verdienen”, berichtet der Beamte. Die Mittel würden unter anderem zur Unterstützung von Verwandten im Ausland oder für Investitionen in Immobilien in Berlin selbst verwendet.

Zahlreiche “Schrottimmobilien” erworben

Die Polizei hat es in Vierteln mit einem hohen Migrantenanteil oft nicht leicht. Gerade junge Männer weigern sich in zahlreichen Fällen, den Anweisungen der Beamten Folge zu leisten. Das gilt selbst für alltägliche Einsatzsituationen, wenn es etwa darum geht, Tatorte abzusperren (Foto). Ganz besonders schwer haben es Polizistinnen. Foto: BS/L. C. Berendsen, stock.adobe.com

der “Schmiere” sei. Darüber hinaus seien verdeckte Ermittler eine kostspielige Angelegenheit, da sie zunächst eine komplette Eindringen kaum möglich Legende bräuchten: neue Papiere “Wir bemerken noch etwas”, sagt auf einen falschen Namen, der K. “Schon junge Clan-Angehörige Nachprüfungen durch die Clans fahren regelmäßig mit teuren standhalte. Auch bestehe bei Mietwagen – Lieblingsmodell A6 einem längeren Einsatz die Ge– durch Neukölln. Woher sie die fahr des “Überlaufens”. Er selbst dafür notwendigen mindestens habe bereits Fälle erlebt, in de1.200 Euro im Monat haben, nen verdeckte Ermittler so mit können wir nicht ermitteln. Dass dem Milieu verwachsen waren, die Barmittel aus legalen Quel- dass sie ein Teil dessen wurden len stammen, und die Seitbezweifle ich.” en wechselten, berichtet K. Denn: diese Per“Die Großfamilien Außerdem hätsonen beziehen leben in ihrer eigenen ten verdeckte Hartz IV und Welt.” Ermittler mit andere Sozialleistungen. Vorbehalten in “Die Großfamider eigenen Belien leben in ihrer eigenen Welt”, hörde zu kämpfen. Und: Eine solkonstatiert der Beamte. Eines der che Tätigkeit gelte polizeiintern wenigen erfolgversprechenden nicht gerade als karriereförderMittel, um in die Strukturen lich. Doch die größte Gefahr sei einzudringen, sei die Telekom- die interne: die Indiskretion, der munikationsüberwachung (TKÜ). Verrat. Doch das gelinge besonders in Berlin wegen des richterlichen Parallele Strukturen errichtet Vorbehalts nicht immer. Verdeckte Ermittler hingegen ließen Die Clans in Deutschland lebsich nicht erfolgreich einschle- ten in voll funktionstüchtigen usen. “Dafür sind die Familien, Parallelgesellschaften mit eigenderen Mitglieder als angeblich em Bezahl- und Bankensystem. staatenlose palästinensische Beim “Hawala-Banking”, das hiFlüchtlinge Anfang der 1980er- erzulande ohne Genehmigung Jahre aus dem Libanon nach der Bundesanstalt für FinanzDeutschland kamen, schlicht dienstleistungsaufsicht (BaFin) zu verschlossen.” Sie merkten stattfindet, wird mit Stroh- und zu schnell, wenn jemand von Vertrauensmännern gearbeitet,

die das meist illegal erlangte Bargeld hin und her transferieren und schleusen. Außerdem gebe es selbsternannte Friedensrichter, die alle Konflikte meist durch Geldzahlungen der Clans untereinander lösen. Für ein totes Clan-Mitglied werden 150.000 Euro gezahlt. “Wenn einer von denen dann mal vor Gericht steht, werden Zeugen und andere Prozessbeteiligte massiv eingeschüchtert”, sagt der Polizist. “Außerdem wird oftmals Schweigegeld gezahlt.” Das führe dann zu plötzlichen Erinnerungs­ lücken. “Wir hatten einen türkischen Imbissbesitzer so weit,

dass er aussagen wollte, weil er sei bekannt geworden, dass der kein Schutzgeld zahlen wollte. Richter sein Auto in einer WerkEr erhielt alle Sicherheitszusa- statt hatte reparieren lassen, gen. Dann haben sie ihm wohl die einem Mitglied einer dieser gedroht, seinen Großfamilien gehörte. Es gab Laden abzufackeln und seine “Wir müssen Zeichen ein internes Kinder bedroht.” setzen. Das gilt auch für Revisionsverfahren. Er habe Plötzlich habe er die Richter.” doch nicht wissich an nichts mehr erinnern sen können, können. “Er ist dass diese dann weggezogen”, berichtet K. Werkstatt einem der Clan-MitDer Polizeibeamte erinnert sich glieder gehöre, argumentierte der aber auch an einen Fall, der ihn Richter. Er habe sich aber auch dann doch resigniert wirken nicht über den Preis gewundert, lässt. Bei einem Jugendstrafver- gab der Jurist an. “Endergebnis fahren gegen ein Clan-Mitglied des internen Verfahrens: interne

Familie ist für Clan-Mitglieder alles

Die Karl-Marx-Straße im Berliner Bezirk Neukölln gilt als hartes Pflaster. Und das betrifft nicht nur den U-Bahnhof. Foto: BS/Vesna Middelkoop, CC BY 2.0, flickr.com

Kriminelle Großfamilien als “delinquente Subkultur” (BS/mfe) Das Bundeskriminalamt (BKA) hat die Gefährlichkeit der Clans erkannt. Im aktuellen “Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2017” heißt es wörtlich: “Kriminalität von Angehörigen türkisch- und arabischstämmiger Großfamilien zeichnet sich durch eine grundsätzlich ethnisch abgeschottete Familienstruktur aus”. Diese bilde unter “Missachtung der vorherrschenden staatlichen Strukturen, deren Werteverständnis und Rechtsordnung eine eigene, streng hierarchische, delinquente Subkultur.”. Im Vergleich zu 2016 sei die Anzahl solcher Gruppierungen aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) angestiegen. Gleichwohl muss das BKA auch einräumen: “Eine exakte Auswertung dieser OK-Verfahren kann aufgrund fehlender Erfassungskriterien bislang nicht erfol-

Die Clans haben in den letzten Jahren im Kiez hunderte soge­nannter “Schrottimmobilien” aufgekauft. Die vermieten sie dann zur Unterbringung von Flüchtlingen an den Berliner Senat oder an die neuen Ausländer selbst. Bis zu zehn Personen leben dort in einem Zimmer. Die Flüchtlingskrise war ein “Gold Rush” für diese Clans. Zudem: Die Minderjährigen aus den Flüchtlingsfa­milien werden für billiges Geld als Drogenkuriere oder -verkäufer oder zur Prostitution angeworben. Hinsichtlich des Geldes und Immobilien bietet sich nach gesetzlichen Reformen jedoch möglicherweise ein Anknüpfungspunkt für die Ermittler. Schließlich sollen inzwischen nicht mehr sie einem Beschuldigten nachweisen, dass Bargeld oder anderes Vermögen durch eine Straftat erlangt wurde oder daraus stammt. Vielmehr trägt nunmehr der Beschuldigte die entsprechende Beweislast. Kann er diese nicht erfüllen, ist eine Vermögensabschöpfung möglich. Zuletzt geschah dies mit 77 Immobilien der Großfamilie Remmo. Die Anwälte der Beschuldigten haben Beschwerde eingelegt. Über diese ist noch nicht ent­schieden. Der Clan fühlt sich sicher, zumal der Großteil der Familien­angehörigen über deutsche Pässe verfügt. Sie residieren in einer prächtigen Villa in Alt-Buckow, einem Ortsteil von Neukölln. Das “Schlösschen”, wie K. es nennt, gehört allerdings zu den zuletzt konfiszierten Gebäuden. In Lichtenrade haben sie vor einer anderen Immobilie wie zur Ironie im Vorgarten gleichwohl weithin sichtbar eine Deutschland-Fahne gehisst.

gen.” Dennoch habe festgestellt werden können, dass die Mitglieder der kriminellen Großfamilien insbesondere im Bereich des Rauschgifthandels und -schmuggels aktiv waren. Ebenfalls auffällig wurden sie mit Straftaten aus dem Phänomenbereich der organisierten Eigentums- und Wirtschaftskriminalität. Insgesamt gibt es in Deutschland mindestens zwölf arabische Clans, alleine sechs davon in Berlin. Weitere Schwerpunkte sind Dortmund, Essen, Duisburg sowie Niedersachsen und Bremen. Alle Familien stehen in Verbindung zueinander. Generell erfasste das BKA im vergangenen Jahr 572 OK-Verfahren. Das waren neun mehr als 2016. Dabei konnten rund 8.300 Tatverdächtige ermittelt werden. Von ihnen waren 67,5 Prozent nichtdeutscher Herkunft. Der durch die Gruppie-

rungen verursachte, polizeilich erfasste Schaden belief sich auf 209 Millionen Euro. Dieser könne jedoch “nicht als abschließende Größenordnung für das tatsächliche Bedrohungs- und Schadens­ potenzial angesehen werden, das von in Deutschland tätigen OK-Gruppierungen ausgeht”, heißt es im Lagebild. Es gebe ein großes Dunkelfeld. Die Summe der festgestellten kriminellen Erträge, die vor allem aus der Rauschgiftkriminalität stammen, betrug 145 Millionen Euro. Vorläufig von den Strafverfolgungsbehörden gesichert werden konnten in 146 Ermittlungsverfahren Vermögenswerte in Höhe von 24 Millionen Euro. Das sind allerdings nur 16,6 Prozent an den insgesamt erwirtschafteten Erträgen.” Aus diesem Grunde räumt das BKA ein: “Der niedrige Anteil ist auch ein Indiz dafür,

dass es für die Polizei immer schwieriger wird, die Verschleierungsmaßnahmen der OK-Gruppierungen auch hinsichtlich ihrer inkriminierten Vermögenswerte aufzudecken.” Die meisten einschlägigen Verfahren wurden von Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen (111), Bayern (76) und Berlin (68) geführt. Hinsichtlich neu ermittelter Tatverdächtiger gab es insbesondere bei libanesischen (plus 111 Prozent) und rumänischen Staatsangehörigen (plus 148 Prozent) deutliche Anstiege. Während 2016 noch 43 libanesische Staatsbürger als neu ermittelte OK-Tatverdächtige verzeichnet wurden, waren es im vergangenen Jahr schon 91. Auch die Zahl der einschlägigen Gruppierungen, in denen Libanesen dominieren, stieg im Bundesgebiet zuletzt im Jahresvergleich von elf auf 14.

Für alle Clan-Mitglieder gelte: “Die Familie ist das Wichtigste.” Deren Ehre würden sie aufgrund ihrer absoluten Loyalität mit allen Mitteln bewahren. Gefängnisaufenthalte würden in diesem Zusammenhang nicht als Strafe, sondern eher als Reifeprozess aufgefasst. Reue zeigten die Beschuldigten nie. Vielmehr seien sie schlicht nicht bereit, die hiesige Rechtsordnung und die ihr zugrunde liegenden Gesetze zu akzeptieren. Ungeachtet dessen hält K. den verstärkten und vor allem bundesweiten Aufbau von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, wie es sie im Bereich von Korruptionsdelikten bereits gibt, für ein probates und vielversprechendes Mittel. Der Kiez ist etwas Besonderes, der auch K. nicht aus dem Bann lässt. Doch er hat sich längst angewöhnt, in zivil zum Dienst zu gehen und diesen auch so wieder zu verlassen. Allerdings nimmt er nach jeder Schicht einen anderen Weg heim. “Bei Kollegen haben sie schon mit ihren A6 vor der Haustür gestanden, ja sogar vor den Schulen der Kinder meiner Kollegen.” Vielleicht geht künftig trotzdem K.’s Wunsch in Erfüllung: “Wir müssen Zeichen setzen. Das gilt auch für die Richter.” Seine Ehefrau, seine Kinder und seine Enkel haben aber auch einen Wunsch: Er soll an Leib und Leben unversehrt bleiben.


BSC

Berlin Security Conference

17 t h C o n g r e s s o n E u r o p e a n S e c u r i t y a n d D e f e n c e

27. – 28. November 2018 Vienna House Andel’s Berlin

European Security and Defence – remaining Transatlantic, acting more European Partnerland BSC 2018: Königreich der Niederlande Highlights im Hauptprogramm, u. a.: > ERÖFFNUNG DER KONFERENZ » Stef Blok (1), Außenminister der Niederlande 1 » Dr. Ursula von der Leyen (2), Bundesministerin der Verteidigung

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> KEYNOTE-ANSPRACHEN

» Dr. Karin Kneissl (3), Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres von Österreich

» Alexander Gruschko (4), Stellvertretender Außenminister, Russische Föderation

» Patricia Zorko (5) Stellvertretende nationale Koordinatorin für Sicherheit und die Bekämpfung

3 des Terrorismus, Ministerium für Justiz und Sicherheit der Niederlande » Admiral Rob Bauer (6), Befehlshaber der Niederländischen Streitkräfte 4

» General Eberhard Zorn (7), Generalinspekteur der Bundeswehr » Generalleutnant Martin Schelleis (8), Inspekteur der Streitkräftebasis

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> FORUM ZUKÜNFTIGE STREITKRÄFTE

» Botschafter Jir̆ í S̆edi vý  (9), Ständiger Vertreter Tschechiens bei der NATO

» Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Beyerer (10), Vorsitzender Fraunhofer-Verbund Verteidigungs- und Sicherheitsforschung

» Ron Cook (11), Geschäftsführer L3 Technologies UK

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» Jorge Domecq (12), Generalsekretär der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) » Dr. Thomas H. Killion (13), Leitender Wissenschaftler der NATO » Vizeadmiral Arie Jan de Waard (14), Direktor Defence Materiel Organization (DMO) und Rüstungsdirektor des Niederländischen Verteidigungsministeriums

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Weitere Informationen und Anmeldung  www.euro-defence.eu Veranstalter

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Fotos: Dombrowsky; Bundeswehr 2014, BPA, Kugler; © Georges Schneider, BMEIA; Jacqueline de Haas

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