Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. X / 34. Jg / 41. Woche
Berlin und Bonn / Oktober 2018
G 1805
www.behoerdenspiegel.de
Mit Chancengleichheit zum Erfolg
Moderne Mobilität in Niedersachsen
Lotse der Verwaltung
Helene Wildfeuer zum digitalen Wandel .............................. Seite 4
Dr. Bernd Althusmann über die Chancen der Digitalisierung ������������������������������������ Seite 21
Peter Adelskamp zur Digitalisierung der Stadt Düsseldorf.................................. Seite 28
Europäisches E-Government
(BS/kh) Ab sofort gilt die EU-weite Anerkennungsverpflichtung für die Online-Ausweisfunktion des deutschen Personalausweises und des elektronischen Aufenthaltstitels. “Die Integration sicherer Authentisierungsmethoden in digitale Dienste ist ein wichtiger Schritt zur Prävention vor Cyber-Angriffen zum Beispiel auf Passwortdatenbanken. Mit der Online-Ausweisfunktion steht allen Inhabern nun europaweit ein Mittel zur Verfügung, das durch Zwei-Faktor-Authentisierung eine einfache und sichere Identifizierung im Internet ermöglicht”, lobt der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm. Deutschland sei der erste EUMitgliedsstaat, dessen gemäß eIDAS-Verordnung notifiziertes Identifizierungsmittel für Verwaltungsleistungen der europäischen Mitgliedsstaaten genutzt werden könne.
Bremen schiebt Riegel vor (BS/kh) Der Bremer Senat stoppt künftig Arbeitsverträge im Öffentlichen Dienst mit sachgrundloser Befristung. Bürgermeisterin Karoline Linnert (Bündnis 90/Die Grünen) zur Senatsentscheidung: “Wir wollen keine sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse; im Interesse der Beschäftigten und unserer Profilierung als attraktive Arbeitgeberin.” Der Senat verzichtet damit auf die Nutzung rechtlich zulässiger Verfahren. In begründeten Einzelfällen kann er allerdings davon abweichen. Zudem bittet der Senat seine Aufsichtsratsmitglieder in Aktiengesellschaften, im Rahmen ihrer Tätigkeiten darauf hinzuwirken, dass sachgrundlose Befristungen keine Anwendung finden.
Opferentschädigung: Reform geplant
Werden wir gut regiert? Mehr auf die Wirkung fokussieren (BS/Adrian Bednarski/Jörn Fieseler) 140 Jahre lang wurden Gesetze gemacht, ohne die Konsequenzen zu kennen oder sich darüber Gedanken zu machen. Heute existiert nicht nur eine Folgeabschätzung, sondern es wird auch der Erfüllungsaufwand für Wirtschaft, Verwaltung und Bürger gemessen und sogar die demografischen Auswirkungen werden in den Blick genommen. Deutlich mehr als die frühere Formulierung: “Alternativen: keine.” Dennoch bleibt der Eindruck, dass manche Gesetze am Leben der Bürger vorbeigehen. Dabei liegt der Fehler eher in der Herangehensweise. Gesetze sind mit dem Vorwurf belastet, Kompromisslösungen zur Streitbeilegung zwischen den Parteien zu sein. Im schlimmsten Fall würden sie nachts zwischen den Berichterstattern “zusammengezimmert”, wie es Thomas Heilmann (CDU) beschreibt. Oder sogar zwischen den Parteivorsitzenden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete spricht sich stattdessen für genaue Analysen und die Übertragungen von Praxisbeispielen aus. Beispielsweise bei den Ankerzentren: “Wir hätten uns diese von den Niederländern ansehen und das Positive daraus übertragen sollen, anstatt eine Kompromisslösung zu generieren.” Doch solche Kompromisse stärken die Zweifel in der Bevölkerung, die Politik sei nicht imstande, gut zu regieren. Das zeigte sich nicht nur bei manchem Gesetzesentwurf, sondern auch bei Personalien. Gutes Regieren ist laut Weißbuch “Europäisches Regieren” der Europäischen Kommission durch fünf klare Prinzipien bestimmt: Offenheit, Partizipation, Verantwortlichkeit, Kohärenz und Effektivität. Während es um die ersten vier Prinzipen in Bund- und Landesparlamenten gut bestellt ist, gibt es bei der Effektivität noch reichlich Optimierungsbedarf.
mitunter hilfreich, wenn in den Ministerien nicht nur Juristen, sondern auch Praktiker an den Normen mitarbeiten würden. Außerdem solle der Dialog mit jenen geführt werden, für die das Gesetz gedacht sei, rät Ludewig. Zwar werden schon beim Referentenentwurf und auch zwischen den ersten beiden Lesungen im Parlament verschiedene Organisationen, Institutionen oder Verbände zur Stellungnahme aufgefordert, doch bleibt es häufig auf der rechtlichen Ebene. Der NKR-Vorsitzende verweist zudem auf die Europäische Kommission. Die beginne zuerst mit einem Eckpunktepapier, zu dem alle betroffenen Akteure Stellung nehmen könnten. Einfacher ist es, einzelne Problemlagen in kleineren Projektgruppen zu thematisieren und gezielt nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Die sogenannten “Einfacher-zu”-Projekte Sie dienen dem Deutschen Volke, doch manches Gesetz, das von den Parlamentariern beschlossen wird, erweist sich des NKR waren ein richtiger Anals kaum praxistauglich. Foto: BS/karlherl, pixabay.com satz. Diesen gilt es wieder aufzunehmen und weiterzuverfolgen. Die Effektivität zielt einerseits Etwa beim Kindergeld. Das An- ben”, schlägt Ludewig vor, nicht Wem dieses Vorgehen zu aufwenauf die nachhaltige Wirkung der tragsverfahren ist alles andere als nur mit Blick auf die steuerliche dig ist oder zu lange dauert, der Gesetze ab. Andererseits fällt einfach. Entsprechend kritisiert Ausgleichszahlung. Er spricht kann im Nachhinein die Wirkung hierunter auch der Gedanke Dr. Johannes Ludewig, Vorsitzen- sich dafür aus, dass die Tauglich- eines Gesetzes prüfen lassen. der Subsidiarität – zur Lösung der des Nationalen Normenkon- keit eines Gesetzes ausreichend Evaluierungsklauseln sind mögeines Sachverhalts das einfachs- trollrates (NKR), dass es keine getestet werden muss: “Wenn ein lich, wie etwa die Gesetzgebung te Mittel anzuwenden. Aber: Es Phase gebe, wo Gesetze praktisch Minister es austestet, es versteht zum Verbraucherschutz zeigt. existierten kaum “klare Vorstel- erprobt würden. “Besser wäre es, und es funktioniert, dann ist es Sie müssen aber zur Pflicht werlungen, was ein Gesetz in der erst das Formular und dann das vernünftig konzipiert und um- den und nicht lediglich zur Kür Praxis bedeutet”, so Heilmann. dazugehörige Gesetz zu schrei- gesetzt worden.” Hierbei wäre es gehören.
Kommentar
Digitalisierung: Chance – nicht Risiko
(BS) Das Potenzial zu gesellschaftlichen Umwälzungen hatten bisher weder die Atomkraft noch der Ausstieg, weder das Wald- oder das Fischsterben, nicht der Rinderwahn BSE oder die Vogelgrippe, auch nicht die de(BS/mfe) Das Recht der sozialen mografische Entwicklung – viele Alte/wenig Kinder – nicht einmal die “Mutter aller Probleme” – die Migration. Entschädigung in Deutschland Sie alle bargen keine revolutionäre Sprengkraft, die aber die bevorstehende “totale” Digitalisierung aller soll novelliert werden. Hierfür ist Lebens- und Arbeitsbereiche in sich hat. die Einführung eines neuen Sozialgesetzbuches XIII vorgesehen, heißt es aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Auch das bisher eigenständige Opferentschädigungsgesetz soll in die neue Rechtsvorschrift überführt werden. Der Referentenentwurf wird in den kommenden Monaten erwartet. Vorgesehen sind laut Ministerium unter anderem eine stärkere Ausrichtung an den Bedarfen von Gewaltopfern sowie deutliche Erhöhungen der Entschädigungszahlungen. Außerdem sollen künftig auch Opfer psychischer Gewalt Anspruch auf derartige finanzielle Leistungen haben. Bisher gilt dies nur für tätlich Angegriffene.
Allen Regierungen und Behörden wäre dringend geboten, sich dieser Entwicklung anzunehmen und auf jeder Sitzung, bei jeder Debatte und bei jedem Papier dies Thema als Nummer eins zu setzen. Die industrielle Revolution begann mit den verteufelten Dampfmaschinen. Auch hier gab es aussichtslose Rückzugsgefechte. Notwendig wäre stattdessen eine die weitere Entwicklung antizipierende Strategie. Wer gestalten will, muss führen. Heute experimentieren bereits Behörden wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Bots, noch “dummen”, also noch nicht mit Künst-
licher Intelligenz (KI). Doch schon zeigt sich, dass tausende zusätzliche Sachbearbeiter notwendig wären, um gleiches Tempo und Menge zu erzeugen. Doch dies ist erst der Anfang. Zudem: Wo keine Empathie, kein sozialer Kontakt oder persönliche Fürsorge notwendig sind, lässt sich ein solcher Einsatz von “Verwaltungsrobotern” durchaus legitimieren. Staat und Behörden könnten Vorreiter dieser Entwicklung werden: Die Massen alltagsbedingter Abgänge in den nächsten Jahren im Öffentlichen Dienst sollte nicht versucht werden, eins zu eins durch neues Personal zu ersetzen, sondern durch automa-
tisierte Systeme. Deren Kontrolle wäre dann durch das vorhandene und natürlich weiterqualifizierte Personal zu lenken. Das jedoch ist für die bisherigen “Stakeholder” ein Verständnisproblem, denn die Verwaltungsbots brauchen keine Planstellen, keine Beauftragten für dies und das, das Amt lässt sich nicht mehr in der Größe seiner Personalstärke (“Mannstärke”) wahrnehmen und die Bots brauchen auch keinen Personalrat und keine Gewerkschaft. Doch diese Entwicklung wird kommen und keiner bereitet sich darauf vor!
R. Uwe Proll
So weit die Füße tragen