Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. IX / 34. Jg / 36. Woche
Berlin und Bonn / September 2018
G 1805
www.behoerdenspiegel.de
“Kein ehrfürchtiger Stillstand”
Schluss mit den Solitären
Nötige Kapazitäten stehen bereit
Andreas Scheuer zum Gigabit-Ausbau in den Kommunen................................... Seite 27
Randolf Stich über Digitalisierung in Rheinland-Pfalz �������������������������������������� Seite 30
Dr. Alfred Kranstedt zu effizientem und sicherem Rechenzentrumsbetrieb....... Seite 40
Videobeobachtung wird ausgebaut
(BS/mfe) Das Bundesinnenministerium (BMI) erweitert zusammen mit Bundespolizei und Deutscher Bahn kontinuierlich das Netz an Videokameras in Bahnhöfen. Auch werden die Anlagen fortlaufend erneuert. Bisher werden bundesweit rund 900 Bahnhöfe mit mehr als 6.000 Kameras überwacht. Ihre Zahl soll in den kommenden Jahren steigen, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion. Hierfür existiert ein Zehn-Jahres-Programm. In dessen Rahmen wurden bisher etwa 40 Mio. Euro bereitgestellt. Davon trug die Bundespolizei 15 Mio. Euro. Die Ausstattung eines großen Bahnhofs mit Videobeobachtungstechnik schlägt durchschnittlich mit rund 1,5 Mio. Euro zu Buche.
Freiwillige Probenentnahme (BS/ab) Die Badegewässerrichtlinie der Europäischen Union verlangt eigentlich keine Untersuchungen auf antibiotikaresistente Bakterien. Deshalb existieren bisher wenige Erkenntnisse dazu. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW hat dennoch 30 Proben aus zehn Badegewässern entnommen. Bei zwei Proben sind geringe Mengen antibotikaresistenter Bakterien entdeckt worden. In deren Fall bestand keine Gefahr. “Dies sind erfreuliche Zwischenergebnisse. Aber das Thema wird uns in den kommenden Monaten weiter begleiten. Zum einen sind die Probenahmen an den Badegewässern noch nicht abgeschlossen”, sagte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Zum anderen würden die Untersuchungen im kommenden Jahr auf andere Gewässerbereiche ausgeweitet.
Erstes Breitband-Upgrade
(BS/ab) Der Keis Warendorf aus dem Münsterland erhält als erster Kreis das Förder-Upgrade vom Bundesverkehrsministerium (BMVI). Breitbandprojekte, die bereits eine Förderung erhalten haben, konnten durch eine neue Förderrichtlinie zu Glasfaserausbau-Projekten aufgestockt werden. Der Kreis erhält hierfür 60 Mio. Euro, um damit eine Versorgung mit Glasfaser bis in die Gebäude zu ermöglichen. Gleichzeitig wird eine Kofinanzierung mit dem Land NRW angestrebt, wodurch nochmals 48 Mio. Euro übernommen werden sollen. “Wir haben als Erste in Deutschland einen Änderungsantrag nach der novellierten Richtlinie gestellt – und jetzt sind wir auch die Ersten, die einen Änderungsbescheid erhalten haben”, freut sich Landrat Dr. Olaf Gericke. 2019 solle mit dem Ausbau begonnen werden.
Quereinsteiger: in sieben Tagen Lehrer Leistungsabfall als Integrationsrisiko (BS/R. Uwe Proll) Die Woche hat sieben Tage, die Lehrerausbildung in Berlin nun auch. Zum neuen Schuljahr kamen erstmals “Blitzpädagogen”, denen in einem siebentägigen “Intensivkurs” das “Zeug” zum Lehrerberuf vermittelt worden ist, so sieht es zumindest die Senatsverwaltung für Bildung, zum Einsatz. Manchem kommt das nicht wie quer, sondern eher wie queer vor. Bleiben wir bei den Lehrern in Berlin: Es fehlten für dieses Schuljahr alleine 1.300 Grundschullehrer und -lehrerinnen. Kein Bedarf, der vom Himmel fiel. Sicherlich auch eine Folge des Flüchtlingszustroms aus den Jahren 2015/2016, aber nicht nur, denn Kinderkriegen ist im Kiez seit Jahren wieder hip. Zumindest der generelle Trend hätte sich berechnen lassen. Doch das gelingt erstaunlicherweise den wenigsten Bundesländern, obwohl demografische Vorhersagen keine Geheimwissenschaft sind.
Aufwendiges Studium und Referendariat Berlin handelte nun wie folgt: 362 eingestellte Lehrer erfüllen tatsächlich die formalen Voraussetzungen an einen Elementarpädagogen; 389 sind Quereinsteiger, die dann berufsbegleitend ein Referendariat durchlaufen sollen; 489 sind “Lovls” (Lehrer ohne volle Lehrbefähigung). Sie werden nur befristet eingestellt, in Fächern mit besonders hohem Bedarf. Es entsteht der Eindruck, dass durch solche Crash-Kurse das aufwendige Lehramtsstudium mit anschließendem Referendariat als bisher völlig überbewertet erscheinen muss. All die erbrachten Anstrengungen derjenigen, die heute Lehrerinnen und Lehrer sind, um dies früher zu werden, erfahren durch eine solche “Notstandspolitik” eine
dung ihrer rot-grünen Vorgängerin zum Turboabitur in acht Jahren rückgängig gemacht hat und wieder neun Regeljahre eingeführt hat. Egal ob richtig oder falsch, solch politische Eingriffe in die Schulstrukturen verschlechtern den Bildungserfog. Doch in keiner anderen Schulform ist die Misere so dramatisch wie in der Primarstufe.
Warum nicht auch Blitzrichter Die Grundschulen leiden neben dem Personalmangel zudem unter einer “Ballung von Problemen”, Inklusion und Immigration nennt der Deutsche Lehrerverband hier. Auch der gemeinsame Unterricht von ersten und zweiten sowie von dritten und vierten Klassen verschlechtere die Lernbedingungen. Wenn der Anteil der nicht oder nur schlecht Deutsch sprechenden Schüler größer werde, komme Lehrer stehen im Dienstalltag vor großen Herausforderungen. Neben den fachlichen Inhalten müssen sie ihren Schülern es zu einem weiteren radikalen auch soziale Kompetenzen vermitteln. Nicht alle sind diesem Druck gewachsen. Besonders hoch ist die Abbrecher- und Leistungsabfall und damit zu Kündigungsquote bei Quereinsteigern. Foto: BS/© WavebreakMediaMicro, stock.adobe.com einem Scheitern der Integration. Nimmt man das Beispiel der Entwertung, die nicht nur am durchzuführen. Das mag in einer tralistischer Staat, doch warum Lehrer Berlins, dann könnte man Berufsethos nagt, sondern auch katastrophen- oder kriegsbeding- lässt sich das in Deutschland demnächst auch bei auftretenmanchen persönlich kränkt. ten Situation temporär legitim nicht auf Länderebene herun- dem Personalmangel einen RichNachvollziehbar, denn das pä- erscheinen, doch nicht in einer terbrechen? ter in zehn Wochen oder einen dagogische Engagement scheint Zeit, in der dieses planbar war. Nicht nur die mangelhafte Be- Arzt in zwölf Wochen mithilfe In Frankreich übrigens lässt darfsplanung belastet beson- eines Crash-Kurses in die Lage manchem durch die Schnellre sich das problemlos planen, ders die Grundschulen, auch die versetzen, seine Aufgaben zu krutierung karikiert. dort wird von Jahr zu Jahr auf Gymnasien in Nordrhein-West- erfüllen. Daran wird deutlich, wie Planen auf Basis der Zahlen Basis demografischer Zahlen falen haben gerade Probleme. Es unsinnig diese Maßnahme des Für Kinder und Bildungser- genau vorhergesagt, welche Fä- fehlen tausende von Unterichts- Sieben-Tage-Kurses für Lehrer in folg ist es der falsche Weg, in cher wieviel neues Lehrpersonal räumen, weil die schwarz- gelbe Bezug auf die ihnen anvertrauten der Not Schnellrekrutierungen benötigen. Zugegeben: ein zen Landesregierung die Entschei- Schülerinnen und Schüler ist.
Kommentar
Die richtige Mischung finden (BS) Knapp 50 Mio. Euro fehlen laut KfW-Bank allein für die Instandsetzung der Schulen und Schwimmbäder. Politisch unbestritten sind die Investitionen in die Schulgebäude. Anders bei den Schwimmbädern. Sie zählen zu den sogenannten freiwilligen kommunalen Aufgaben. Das macht es jedoch nicht einfacher. Seit den 1980er-Jahren haben Stadt- und Gemeinderäte entsprechend der konjunkturellen Lage in Infrastrukturprojekte investiert. Nicht immer sind die richtigen Entscheidungen getroffen worden. Aber der lokale Stolz musste oftmals befriedigt werden. Es galt, in jedem Dorf eine Festhalle oder ein Dorfgemeinschaftshaus zu errichten und zu unterhalten. Im Gegenzug wurden kleinere Sanierungsarbeiten bei anderen Einrichtungen zurückgestellt. Das rächt sich heute. In den letzten zehn bis zwölf Jahren sind zahlreiche Badeanstalten geschlossen worden (siehe Seite 14). Entsprechend laut ist der Ruf nach dem Erhalt der übrigen Frei- und Hallenbäder.
Aber ist er bei jedem einzelnen Bad auch gerechtfertigt? Einerseits ist es eine Frage des Geldes. Wenn die Sanierungskosten höher sind als die Kosten für einen Neubau, sollte über diese Alternative nachgedacht werden. Andererseits kommt es auf die regionale Verteilung an. Am Beispiel einer nordhessischen Kommune wird dies deutlich. Diese hat gerade einmal 5.000 Einwohner, verteilt auf neun Ortsteile, aber zwei Schwimmbäder. Dabei sind im Umkreis von 17 Kilometern fünf weitere Frei- und Hallenbäder zu erreichen. Aber: Die Bäder existieren seit über 60 Jahren. Sie sind für die Einwohner ein Stück Heimat. Weshalb sich die Bürger in den 2000er-Jahren per Bürgerent-
scheid gegen die Schließung eines der beiden Bäder ausgesprochen haben. Die gehören zur regionalen Identität, wenn nicht sogar zur kulturellen Identität. Das wiederum ist der Titel eines Referats in der neuen Heimatabteilung im Bundesinnenministerium (BMI). Das BMI kann nicht nur, sondern muss hier die Städte und Gemeinden unterstützen. Denn obwohl die Frei- und Hallenbäder zu den freiwilligen Leistungen der Kommunen zählen, gehört das Schwimmen zum festen Fächerkanon der Schulen. Schwimmen ist ein Bestandteil des Bildungsauftrags. Folglich müssen genügend Orte zur Verfügung stehen, damit die Schüler schwimmen lernen können! Jörn Fieseler
Im Spiegel der Gesellschaft