Behörden Spiegel September 2018

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. IX / 34. Jg / 36. Woche

Berlin und Bonn / September 2018

G 1805

www.behoerdenspiegel.de

“Kein ehrfürchtiger Stillstand”

Schluss mit den Solitären

Nötige Kapazitäten stehen bereit

Andreas Scheuer zum Gigabit-Ausbau in den Kommunen................................... Seite 27

Randolf Stich über Digitalisierung in Rheinland-Pfalz �������������������������������������� Seite 30

Dr. Alfred Kranstedt zu effizientem und sicherem Rechenzentrumsbetrieb....... Seite 40

Videobeobachtung wird ausgebaut

(BS/mfe) Das Bundesinnenministerium (BMI) erweitert zusammen mit Bundespolizei und Deutscher Bahn kontinuierlich das Netz an Videokameras in Bahnhöfen. Auch werden die Anlagen fortlaufend erneuert. Bisher werden bundesweit rund 900 Bahnhöfe mit mehr als 6.000 Kameras überwacht. Ihre Zahl soll in den kommenden Jahren steigen, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion. Hierfür existiert ein Zehn-Jahres-Programm. In dessen Rahmen wurden bisher etwa 40 Mio. Euro bereitgestellt. Davon trug die Bundespolizei 15 Mio. Euro. Die Ausstattung eines großen Bahnhofs mit Videobeobachtungstechnik schlägt durchschnittlich mit rund 1,5 Mio. Euro zu Buche.

Freiwillige Probenentnahme (BS/ab) Die Badegewässerrichtlinie der Europäischen Union verlangt eigentlich keine Untersuchungen auf antibiotikaresistente Bakterien. Deshalb existieren bisher wenige Erkenntnisse dazu. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW hat dennoch 30 Proben aus zehn Badegewässern entnommen. Bei zwei Proben sind geringe Mengen antibotikaresistenter Bakterien entdeckt worden. In deren Fall bestand keine Gefahr. “Dies sind erfreuliche Zwischenergebnisse. Aber das Thema wird uns in den kommenden Monaten weiter begleiten. Zum einen sind die Probenahmen an den Badegewässern noch nicht abgeschlossen”, sagte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Zum anderen würden die Untersuchungen im kommenden Jahr auf andere Gewässerbereiche ausgeweitet.

Erstes Breitband-Upgrade

(BS/ab) Der Keis Warendorf aus dem Münsterland erhält als erster Kreis das Förder-Upgrade vom Bundesverkehrsministerium (BMVI). Breitbandprojekte, die bereits eine Förderung erhalten haben, konnten durch eine neue Förderrichtlinie zu Glasfaserausbau-Projekten aufgestockt werden. Der Kreis erhält hierfür 60 Mio. Euro, um damit eine Versorgung mit Glasfaser bis in die Gebäude zu ermöglichen. Gleichzeitig wird eine Kofinanzierung mit dem Land NRW angestrebt, wodurch nochmals 48 Mio. Euro übernommen werden sollen. “Wir haben als Erste in Deutschland einen Änderungsantrag nach der novellierten Richtlinie gestellt – und jetzt sind wir auch die Ersten, die einen Änderungsbescheid erhalten haben”, freut sich Landrat Dr. Olaf Gericke. 2019 solle mit dem Ausbau begonnen werden.

Quereinsteiger: in sieben Tagen Lehrer Leistungsabfall als Integrationsrisiko (BS/R. Uwe Proll) Die Woche hat sieben Tage, die Lehrerausbildung in Berlin nun auch. Zum neuen Schuljahr kamen erstmals “Blitzpädagogen”, denen in einem siebentägigen “Intensivkurs” das “Zeug” zum Lehrerberuf vermittelt worden ist, so sieht es zumindest die Senatsverwaltung für Bildung, zum Einsatz. Manchem kommt das nicht wie quer, sondern eher wie queer vor. Bleiben wir bei den Lehrern in Berlin: Es fehlten für dieses Schuljahr alleine 1.300 Grundschullehrer und -lehrerinnen. Kein Bedarf, der vom Himmel fiel. Sicherlich auch eine Folge des Flüchtlingszustroms aus den Jahren 2015/2016, aber nicht nur, denn Kinderkriegen ist im Kiez seit Jahren wieder hip. Zumindest der generelle Trend hätte sich berechnen lassen. Doch das gelingt erstaunlicherweise den wenigsten Bundesländern, obwohl demografische Vorhersagen keine Geheimwissenschaft sind.

Aufwendiges Studium und Referendariat Berlin handelte nun wie folgt: 362 eingestellte Lehrer erfüllen tatsächlich die formalen Voraussetzungen an einen Elementarpädagogen; 389 sind Quereinsteiger, die dann berufsbegleitend ein Referendariat durchlaufen sollen; 489 sind “Lovls” (Lehrer ohne volle Lehrbefähigung). Sie werden nur befristet eingestellt, in Fächern mit besonders hohem Bedarf. Es entsteht der Eindruck, dass durch solche Crash-Kurse das aufwendige Lehramtsstudium mit anschließendem Referendariat als bisher völlig überbewertet erscheinen muss. All die erbrachten Anstrengungen derjenigen, die heute Lehrerinnen und Lehrer sind, um dies früher zu werden, erfahren durch eine solche “Notstandspolitik” eine

dung ihrer rot-grünen Vorgängerin zum Turboabitur in acht Jahren rückgängig gemacht hat und wieder neun Regeljahre eingeführt hat. Egal ob richtig oder falsch, solch politische Eingriffe in die Schulstrukturen verschlechtern den Bildungserfog. Doch in keiner anderen Schulform ist die Misere so dramatisch wie in der Primarstufe.

Warum nicht auch Blitzrichter Die Grundschulen leiden neben dem Personalmangel zudem unter einer “Ballung von Problemen”, Inklusion und Immigration nennt der Deutsche Lehrerverband hier. Auch der gemeinsame Unterricht von ersten und zweiten sowie von dritten und vierten Klassen verschlechtere die Lernbedingungen. Wenn der Anteil der nicht oder nur schlecht Deutsch sprechenden Schüler größer werde, komme Lehrer stehen im Dienstalltag vor großen Herausforderungen. Neben den fachlichen Inhalten müssen sie ihren Schülern es zu einem weiteren radikalen auch soziale Kompetenzen vermitteln. Nicht alle sind diesem Druck gewachsen. Besonders hoch ist die Abbrecher- und Leistungsabfall und damit zu Kündigungsquote bei Quereinsteigern. Foto: BS/© WavebreakMediaMicro, stock.adobe.com einem Scheitern der Integration. Nimmt man das Beispiel der Entwertung, die nicht nur am durchzuführen. Das mag in einer tralistischer Staat, doch warum Lehrer Berlins, dann könnte man Berufsethos nagt, sondern auch katastrophen- oder kriegsbeding- lässt sich das in Deutschland demnächst auch bei auftretenmanchen persönlich kränkt. ten Situation temporär legitim nicht auf Länderebene herun- dem Personalmangel einen RichNachvollziehbar, denn das pä- erscheinen, doch nicht in einer terbrechen? ter in zehn Wochen oder einen dagogische Engagement scheint Zeit, in der dieses planbar war. Nicht nur die mangelhafte Be- Arzt in zwölf Wochen mithilfe In Frankreich übrigens lässt darfsplanung belastet beson- eines Crash-Kurses in die Lage manchem durch die Schnellre­ sich das problemlos planen, ders die Grundschulen, auch die versetzen, seine Aufgaben zu krutierung karikiert. dort wird von Jahr zu Jahr auf Gymnasien in Nordrhein-West- erfüllen. Daran wird deutlich, wie Planen auf Basis der Zahlen Basis demografischer Zahlen falen haben gerade Probleme. Es unsinnig diese Maßnahme des Für Kinder und Bildungser- genau vorhergesagt, welche Fä- fehlen tausende von Unterichts- Sieben-Tage-Kurses für Lehrer in folg ist es der falsche Weg, in cher wieviel neues Lehrpersonal räumen, weil die schwarz- gelbe Bezug auf die ihnen anvertrauten der Not Schnellrekrutierungen benötigen. Zugegeben: ein zen­ Landesregierung die Entschei- Schülerinnen und Schüler ist.

Kommentar

Die richtige Mischung finden (BS) Knapp 50 Mio. Euro fehlen laut KfW-Bank allein für die Instandsetzung der Schulen und Schwimmbäder. Politisch unbestritten sind die Investitionen in die Schulgebäude. Anders bei den Schwimmbädern. Sie zählen zu den sogenannten freiwilligen kommunalen Aufgaben. Das macht es jedoch nicht einfacher. Seit den 1980er-Jahren haben Stadt- und Gemeinderäte entsprechend der konjunkturellen Lage in Infrastrukturprojekte investiert. Nicht immer sind die richtigen Entscheidungen getroffen worden. Aber der lokale Stolz musste oftmals befriedigt werden. Es galt, in jedem Dorf eine Festhalle oder ein Dorfgemeinschaftshaus zu errichten und zu unterhalten. Im Gegenzug wurden kleinere Sanierungsarbeiten bei anderen Einrichtungen zurückgestellt. Das rächt sich heute. In den letzten zehn bis zwölf Jahren sind zahlreiche Badeanstalten geschlossen worden (siehe Seite 14). Entsprechend laut ist der Ruf nach dem Erhalt der übrigen Frei- und Hallenbäder.

Aber ist er bei jedem einzelnen Bad auch gerechtfertigt? Einerseits ist es eine Frage des Geldes. Wenn die Sanierungskosten höher sind als die Kosten für einen Neubau, sollte über diese Alternative nachgedacht werden. Andererseits kommt es auf die regionale Verteilung an. Am Beispiel einer nordhessischen Kommune wird dies deutlich. Diese hat gerade einmal 5.000 Einwohner, verteilt auf neun Ortsteile, aber zwei Schwimmbäder. Dabei sind im Umkreis von 17 Kilometern fünf weitere Frei- und Hallenbäder zu erreichen. Aber: Die Bäder existieren seit über 60 Jahren. Sie sind für die Einwohner ein Stück Heimat. Weshalb sich die Bürger in den 2000er-Jahren per Bürgerent-

scheid gegen die Schließung eines der beiden Bäder ausgesprochen haben. Die gehören zur regionalen Identität, wenn nicht sogar zur kulturellen Identität. Das wiederum ist der Titel eines Referats in der neuen Heimatabteilung im Bundesinnenministerium (BMI). Das BMI kann nicht nur, sondern muss hier die Städte und Gemeinden unterstützen. Denn obwohl die Frei- und Hallenbäder zu den freiwilligen Leistungen der Kommunen zählen, gehört das Schwimmen zum festen Fächerkanon der Schulen. Schwimmen ist ein Bestandteil des Bildungsauftrags. Folglich müssen genügend Orte zur Verfügung stehen, damit die Schüler schwimmen lernen können! Jörn Fieseler

Im Spiegel der Gesellschaft


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / September 2018

Zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben schafft der Staat die geeigneten institutionellen Strukturen. In dem Maße, in dem sich Anforderungen an Administration, Ordnung und Daseinsvorsorge verändern oder neu hinzukommen, müssen auch die entsprechenden Verwaltungsstrukturen und Zuständigkeiten neu geordnet werden. Gerade wenn dabei Kompetenzen über Ressort-, Ebenen-, oder Sektorengrenzen neu verteilt werden, geht das nicht immer reibungslos vonstatten.

Foto: BS/© Richard Cote, stock.adobe.com

Strukturen und Kompetenzen Wechselwidrigkeiten

Der Staat macht agil

Im Gründerfieber

Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und FernstraßenBundeamt: Gründung noch im Herbst 2018 �������������� Seite 3

Neue Wege für eine schnellere Digitalisierung ������������������������������������������������������������ Seite 29

Digitalisierung: Agenturen, Räte und Kommissionen ���������������������������������������������������� Seite 39

Auf den höchsten Gipfeln

Ein Querschnittsthema über alle Ressorts

BSI und Berlin kooperieren

Nehmen der Glasfaserausbau und 5G an Fahrt auf? �������������������������������������������������������� Seite 26

Interview mit Österreichs Digitalisierungsministerin Dr. Margarete Schramböck ���������������������������������������� Seite 32

Stärkere Zusammenarbeit beim Schutz Kritischer Infrastrukturen vereinbart �������������������������� Seite 42

Eine echte Lösung? Jein.

Niedersachsen beschließt Masterplan

Paukenschlag an Deutschlands Flughäfen?

DigiNetz-Gesetz darf Akteure nicht ausschließen ����������������������������������������������������� Seite 27

Land will bis 2022 über eine Milliarde in Digitalisierung investieren ������������������������������������� Seite 34

Verantwortung für Passagierkontrollen könnte auf Flughafenbetreiber übergehen ���������������������������� Seite 47

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Praxisseminare im Herbst 2018

Aus der Praxis für die Praxis

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Kommunikation, Auftrittspräsenz und Selbstmarketing

Europäische Sicherheit Die BSC 2018 wirft ihre Schatten voraus (BS/por) “European Security and Defence – remaining Transatlantic, acting more European” – unter dieser Überschrift steht die diesjährige Berliner Sicherheitskonferenz (Berlin Security Conference – BSC), die der Behörden Spiegel am 27. und 28. November im Vienna House Andel‘s Berlin veranstaltet. Nach Schweden im letzten Jahr sind die Niederlande dieses Mal Partner und werden den Kongress mit zahlreichen hochrangigen Referenten unterstützen.

Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Mitarbeitergespräche effizient und nachhaltig führen

„Ihr Auftritt bitte“ – Auftrittspräsenz und Selbstmarketing

Mitarbeiterkommunikation, -information und Feedback machen eine gute Führung aus und das nicht nur, wenn es sich um schwierige Arbeitssituationen handelt. In diesem Seminar werden die wichtigsten Gesprächssituationen von Führungskräften dargestellt, diskutiert und praktisch eingeübt.

Führung basiert in der Hauptsache auf Kommunikation. So wichtig die fachliche Auseinandersetzung ist, so entscheidend ist auch der Auftritt vor kleinem Publikum oder auf großer Bühne. Ziel ist es, den selbstbewussten, sympathischen und kompetenten Auftritt weiterzuentwickeln.

17. – 19. September 2018, Berlin

16. – 17. Oktober 2018, Berlin

Augenschule für Bildschirmarbeit

Professionelle Korrespondenz

Die hohe und einseitige Belastung der Augen durch das Starren auf Smartphones und Bildschirme führt zu nachlassender Sehkraft und Ermüdungserscheinungen. In diesem Seminar lernen Sie, Ihre Augen gesund zu halten und für die Herausforderungen des Alltags zu stärken. Ihre Sehfähigkeit wird gefördert, Ihre Augen lernen wieder, aktiv zu sehen.

Überzeugende E-Mails und empfängerorientierte Briefe sind die Visitenkarte einer Organisation. Nicht immer findet man sofort die richtigen Worte. Gerade wenn es schnell gehen soll, greift man auf bekannte Floskeln zurück, die oft weder zeitgemäß noch empfängerorientiert sind. In diesem Seminar üben Sie, wie Sie kurz, prägnant und empfängerorientiert schreiben.

25. Oktober 2018, Bonn

06. – 07. November 2018, Bonn

Deeskalation – sicher umgehen mit schwierigen Kunden

Gelungene Kommunikation für die Assistenz

Mitarbeiter/-innen im Öffentlichen Dienst treffen im Rahmen ihres Kundenkontaktes oft auf aufgebrachte Menschen. Gerade in Ämtern, bei denen negative Bescheide, Anhörungen oder Bußgelder zum Alltag gehören, stellen diese eine Herausforderung dar. Ziel dieses Seminars ist, dass Sie lernen, sicher mit dieser Art von Kunden umzugehen.

Im Sekretariat laufen viele Fäden zusammen, hier ist die Drehscheibe für Information und Kommunikation. Auch in schwierigen Kommunikationssituationen gilt es zu überzeugen. In diesem Seminar dreht sich alles um die Kommunikation – egal ob verbal oder nonverbal. Sie üben Gesprächstechniken, die wirken.

15. – 16. November 2018, Hamburg

27. – 28. November 2018, Bonn

Detaillierte Information und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

Im Laufe der Jahre hat sich diese Konferenz – diesmal mit 145 nationalen und internationalen Mitwirkenden in einem hochaktuellen Hauptprogramm, drei High-Level-Foren im Plenum und 14 Panels – zu einer der größten Veranstaltungen für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik entwickelt. Auch in diesem Jahr kann wieder ein anspruchsvolles Programm angeboten werden. Herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Industrie, Militär und Wissenschaft werden vortragen – und diskutieren, auch mit dem Publikum. Wie in den Vorjahren, so werden wieder zahlreiche Teilnehmer aus einer Vielzahl von Staaten – darunter Angehörige der Parlamente, der Ministerien, der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), der Streitkräfte, aber auch aus der Industrie erwartet. 2017 kamen mehr als 1.000 Besucher aus über 50 Ländern zur BSC. Eröffnet wird die Konferenz durch Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung, und Stef Blok, Außenmister der Niederlande. Weitere Top-Referenten sind Dr. Karin Kneissl, Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres von Österreich – das den EUVorsitz im zweiten Halbjahr 2018 innehat, und Niels Annen MdB,

Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen. Aus militärischer Sicht werden u. a. Admiral Rob Bauer, Befehlshaber der Niederländischen Streitkräfte, und General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr, vortragen. Die einzelnen Fachforen dieses 17. Kongresses zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung beschäftigen sich unter anderem mit den Themen PESCO (Permanent Structured Cooperation der Europäischen Union), CyberSicherheitsarchitektur, Personal, Resilienz (wie werden mehrstufige Bedrohungen bewältigt?) und nationale militärische Beschaffungen.

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonder­korrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzei­ genpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Weitere Informationen zum Programm der BSC 2018 auf der Kongress-Website www.eurodefence.eu

Beilagenhinweis In Teilauflagen des Behörden Spiegel finden Sie im September eine Beilage der Technischen Akademie Wuppertal. Und der Gesamtauflage des Behörden Spiegel liegt in diesem Monat eine Broschüre der Cyber Akademie bei.

Satz Spree Service und Beratungsgesell­schaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:

Fotoquellen Seite 1 Foto I: BS/BMVI Foto II: BS/MdI, Torsten Silz Foto III: BS/ITZBund, Joppen


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Berlin und Bonn / September 2018

Wechselwidrigkeiten

KNAPP

IGA- und FBA-Gründung noch im Herbst 2018 / Zeitplan in Verzug / Keine Empfehlung möglich (BS/Jörn Fieseler) Die Gründungen der Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen (IGA) und des Fernstraßen-Bundesamtes (FBA) stehen kurz bevor. Doch bis beide mit Personal aufgestockt werden, wird noch einige Zeit verstreichen. Nicht nur, dass im Entwurf des Bundeshaushaltes für das FBA nur sehr wenige Stellen für das kommende Jahr vorgesehen sind. Auch zahlreiche Details vom Gesellschaftsvertrag der IGA bis zum Übergang des Personals aus der Auftragsverwaltung der Länder sind noch ungeklärt. Das fängt bei der Erhebung von Personaldaten an und hört beim Standortkonzept auf. Im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sind alle Aktivitäten auf den Gesellschaftsvertrag der IGA ausgerichtet. Ziel ist, dass die für Verkehr und Haushalt zuständigen Ausschüsse im Deutschen Bundestag diesen Vertrag beschließen. “Unmittelbar darauf erfolgt die Gründung der Gesellschaft”, heißt es aus dem BMVI. Die Gründung des Fernstraßen-Bundesamtes ist auf den 1. Oktober 2018 datiert. Doch der Vertrag ist nicht unumstritten. Besonders von Gewerkschaftsseite hagelt es Kritik. “Ohne ein grundsätzliches Entgegenkommen der Arbeitgeberseite in den wichtigen Fragen wird eine tragbare Lösung der vielen und komplexen Einzelprobleme beim Übergang der Beschäftigten auf den Bund nicht möglich sein”, betont Volker Geyer, Fachvorstand Tarifpolitik und stellvertretender Bundesvorsitzender im DBB Beamtenbund und Tarifunion. Geyer sowie Vertreter mehrerer Fachgewerkschaften im DBB sowie Vertreter von Verdi sind Mitglieder einer ständigen Arbeitsgruppe im BMVI, die ein Eckpunktepapier für sämtliche Personal- und Übergangsfragen erarbeiten soll, das anschließend Grundlage für weitere Tarifverhandlungen ist. Bislang hat der Bund sich verpflichtet, mit Blick auf das Standortkonzept eine Arbeitsortgarantie mit sozialverträglichen Kriterien zu verhandeln. Strittig sind mehrere Punkte: Einerseits die paritätische Besetzung des Aufsichtsrates mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Bislang ist diese nicht geplant. Gemäß Betriebsverfassungsgesetz ist eine paritätische Besetzung ab 2.000 Beschäftigten vorgesehen. Diese Beschäftigenzahl werde die IGA auf jeden Fall

Auf dem Weg zur Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und zum Fernstraßen-Bundesamt gibt es noch manche Baustelle zu beseitigen. Für die Beschäftigen sind die Folgen des Wechsels noch nicht absehbar. Gut möglich, dass sie am Ende in der alten, hier linken, Spur bleiben. Foto: BS/©leiana, stock.adobe.com

erreichen, ist man sich auf Gewerkschaftsseite sicher. Deshalb müsse die paritätische Besetzung sofort im Vertrag festgeschrieben werden. Andererseits diskutieren beide Seiten über eine Zustimmungspflicht von Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung zu Tarifverträgen, die zwischen der Geschäftsführung und den Gewerkschaften abgeschlossen werden. Dass es für die IGA eigenständige Tarifverträge geben soll, ist schon ein Novum. Denn für alle anderen Gesellschaften und Anstalten gilt der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD). Für die Infrastrukturgesellschaft müsste dann jeweils separat verhandelt werden. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Für Fachkräfte im Baubereich könnten so spezielle und womöglich attraktivere Vereinbarungen

getroffen werden, losgelöst vom TVöD. Doch genau darin liegt der Nachteil. Und die Zustimmungspflicht? “Die ist mit der Tarifautonomie nicht vereinbar”, erklärt ein Gewerkschafter. Bis Ende Oktober soll die ständige Arbeitsgruppe Ergebnisse vorlegen. Das nächste Treffen ist auf den 25. September 2018 datiert. Parallel sind die Länder gesetzlich verpflichtet, bis zum 1. Januar 2019 ergänzende Angaben an das BMVI melden. Mindestens eine Auflistung aller Beschäftigten der Länder, Landesbetriebe und sonstigen Behörden im Betrachtungszeitraum, die Aufgaben der Straßenbaulast an den Bundesautobahnen ausschließlich, überwiegend oder teilweise wahrgenommen haben und darin deren beschäftigungsrelevante Daten sowie Angaben zum Arbeitsplatz und zum Ar-

beitsort und zur Wechselbereitschaft enthalten, heißt es aus dem Haus von Minister Andreas Scheuer (CSU). Letzteres schließt einen Verwendungsvorschlag mit ein, bei dem die Beschäftigten entscheiden können, ob sie als Beamte oder Arbeitnehmer in ein Dienst- bzw. in ein Arbeitsverhältnis mit dem Bund wechseln oder im Rahmen einer Zuweisung oder Personalgestellung im Dienst des Landes bleiben und gegen Erstattung der Kosten vom Land der Bundesgesellschaft bzw. dem Fernstraßenbundesamt als Beschäftigte zur Verfügung gestellt werden. Aber: Der Bund hat die entsprechende Abfrage noch nicht eingeleitet, wie mehrere Länder dem Behörden Spiegel bestätigten. Daher sei die Zeitschiene sehr ambitioniert. Zudem beklagen sie, dass die Wechselbereitschaft

sich derzeit nicht seriös einschätzen lasse, weil eben wesentliche Informationen des Bundes über die Struktur der Gesellschaft, aber auch über Vergütungsstrukturen sowie jegliche weitere entscheidungsrelevante Grundlage fehlen. Damit sei es nicht möglich, mit den Beschäftigen konkrete Gespräche über deren Wechselbereitschaft zu führen. Entsprechend sehen sich auch die Arbeitnehmervertretungen nicht in der Lage, derzeit eine Empfehlung für einen Wechsel auszusprechen. Deshalb werde die Datenerhebung derzeit vorbereitet, heißt es etwa aus Mecklenburg-Vorpommern. In Sachsen wiederum sind für September an allen Standorten der Straßenbauverwaltung Informationsveranstaltungen geplant. Im Anschluss daran soll die Abfrage erfolgen. Mit großen Fluktuationen hin zum Bund dürfte im kommenden Jahr eh nicht zu rechnen sein. Im Haushaltsentwurf des Bundes für 2019 sind nur 24 Stellen für das FBA vorgesehen. Zwölf mehr als für dieses Jahr. Dabei dürfte es sich vor allem um einen Arbeitsstab mit Unterbau handeln. Der höchste Posten ist mit der Besoldungsstufe A16 dotiert. Zudem ist die Frage der sächlichen Betriebsmittel noch nicht geklärt (siehe Seite 6). Doch einige Bauingenieure wollen überhaupt nicht zwischen Bund und Land hin- und hergeschoben werden und suchen bereits nach anderen Jobs in der kommunalen Bauverwaltung. So haben in Bayern mindestens acht Ingenieure diesen Schritt schon gewagt. Auch in Hessen und Niedersachsen soll es entsprechende Wechsel gegeben haben. Von einem signifikanten Trend ist jedoch nirgendwo die Rede.

Vorteilsschmelze

(BS/jf) In Berlin hat der Hauptpersonalrat (HPR) eine Vorlage der Senatsverwaltung für Finanzen abgelehnt, mit der die Bezahlung von Ärzten im Landesdienst teilweise außertariflich erfolgen sollte. Laut Vorlage sollten Ärzte in der Entgeltgruppe 15 in den Genuss kommen, ab dem vierten Berufsjahr ein außertarifliches Entgelt zu bekommen. Dieses sollte dem Gehalt der mittleren Gruppe für Fachärzte an Universitätskliniken (Ä2) entsprechen. Im Gegenzug sollten die Arbeitszeit erhöht und die Jahressonderzahlung nicht mehr gezahlt werden. Auch eine weitere Gehaltsentwicklung über die Ä2 hinaus wäre nicht mehr möglich. Aber: Laut HPR führe schon die Verlängerung der Arbeitszeit von 39,4 auf 42 Wochenstunden (entspricht einer Erhöhung um 6,59 Prozent) zu einer erheblichen Reduzierung zwischen der bisherigen Bezahlung und dem gemachten Vorschlag. Würde dann die wegfallende Jahressonderzahlung berücksichtigt, schmelze der vermeintliche Vorteil weiter zusammen.

In eigener Sache (BS/jf) In der August-Ausgabe haben sich auf dieser Seite zwei Fehler eingeschlichen: Im Artikel “Übernahme bei Schlägen”, haben wir über Regelungen der Länder zur Übernahme von Schmerzensgeldansprüchen berichtet und die verschiedenen Wertgrenzen thematisiert: Dabei ist eine Formulierung zu Bayern falsch interpretiert worden. Anders als dargestellt, verzeichnet das Land keine Null-Euro-Grenze, sondern übernimmt Schmerzensgeldansprüche erst ab einer Grenze von 500 Euro. Im Gegenzug ist der Hinweis zu Sachsen verrutscht. Das Land wiederum übernimmt Schmerzensgeldansprüche ab dem ersten Euro. Dies geht auch aus der Übersicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes hervor. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Vom Ankommen zur Integration

Fachforum Flucht, Migration und Integration

6. November 2018, Maritim Bonn

Themen der Veranstaltung sind unter anderem: • Integration als Chance – nicht nur für NRW

• Zwischen Verheißung und Verhinderung: Integration – das große Missverständnis? • Kommunales Integrationsmanagement:

Lösungsansätze für nachhaltige berufliche Integration von Migrantinnen und Migranten

• Vergabe von Betreuungsleistungen im Rahmen des SGB VIII für minderjährige, unbegleitete Jugendliche • Alternative freiwillige Ausreise: Überblick der Ausreiseprogramme und Auswirkung auf die aktuellen Flüchtlingszahlen

• Aktueller Stand des Asyl- und Ausländerrechts

• Das Ehrenamt als unverzichtbare Ebene: Strategien zur nachhaltigen Weiterentwicklung der ehrenamtlichen Strukturen

• Mehrwert interkultureller Öffnungsprozesse – Herausforderungen und Hindernisse im beruflichen Alltag von Behörden

Eine Veranstaltung des

www.fluechtlingskongress.de


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Von der Pflicht zur Kür

W

er Zeit hat, macht mal eine Fortbildung. Wer wichtig ist, hat keine Zeit. Selbst manifestierte Fortbildungspflichten ändern daran nichts. Dienstliches Fortkommen ist noch längst nicht zwingend mit dienstlicher Fortbildung verknüpft. Zudem zieht die durchschnittliche Fortbildungsveranstaltung schon aus didaktischen Gründen nur einen spärlichen Erfolg nach sich. Die Verwertung des Gelernten, die kryptisch als Qualitäts- und Transfersicherung den großen Fortbildungserfolg im Nachhinein sicherstellen soll, scheitert so bereits oft am falschen Ansatz. Auch werden zu viele Fortbildungsveranstaltungen wahllos unters Volk gebracht. Für die gezielte Vergabe mangelt es vielerorts an gelebten Personalentwicklungskonzepten. Zufällig zusammengewürfelte Gruppen kommen an teils abgelegenen Orten zusammen und werden oft tagelang von in der Regel einsam kämpfenden Dozierenden beschult. Nicht selten wenig begeistert schalten die Teilnehmer schnell auf Durchzug. Folglich gibt es sie also doch noch: die vielgescholtene Fortbildungsdienstreise”.

Wer rastet, der rostet Damit kein Zweifel aufkommt: Fortbildung wegen Ineffizienz einzustellen, wären die schlechteste Lösung. Schließlich ist es bei

Behörden Spiegel / September 2018

Bildung im Öffentlichen Dienst

freude herumspricht. Mehr Nachfrage erhöht automatisch auch das Ansehen der Fortbildung und somit den Fortbildungswert.

Es lohnt sich für den Staat

(BS/Volker Amler*) Der Bedeutung dienstlicher Fortbildung wird heute mehr denn je das Wort geredet: lebenslang, also erst recht im Alter, für Die Zeit ist günstig, aus der Führungskräfte sowieso. Seminare, E-Learning, Workshops, Coachings und sogar besondere Studiengänge werden den öffentlich Bediensteten Fortbildungspflicht eine Kür geboten. Oder doch eher aufoktroyiert aufgrund knapper werdender Ressourcen, zunehmender Anforderungen sowie angesichts erster Ausläufer zu machen. Eine effiziente Zueiner bedrohlichen demographischen Entwicklung? sammenarbeit der Bildungsaller Kritik doch unbestritten, dass selbst gutes Personal auf nur einem Ausbildungsbein nicht gut stehen kann. Darum soll die qualifizierte Fortbildung als quasi großer Bruder einer guten Ausbildung als zweites Standbein über den Berufseinstieg hinaus ein ganzes Arbeitsleben lang den Beschäftigten Stabilität und Auftrieb bringen. Und das Ganze mit einem begehrenswerten, begeisterungsfähigen und zugleich finanzierbaren Fortbildungsangebot.

Akademiepersonal muss auf der Höhe der Zeit sein Begehrenswert ist jede anerkannte und vor allem nicht inflationäre Fortbildung. Weniger Leute durch bessere Angebote durchzuschleusen, erhöht gewiss auch die Akzeptanz in den entsendenden Stellen. Um diese Veranstaltungen kreieren zu können, muss das Personal der Akademien immer auf der Höhe der Zeit sein. Der Kontakt mit den Kundenhäusern muss verinner-

licht sein. Gute und engagierte Kräfte müssen als Referenten und Sachbearbeiter ihre Energie dem Ausbildungsträger zur Verfügung stellen.

Lohnend lernen durch Begeisterung Fortbildung muss wertvoll sein. Eine Teilnahmebescheinigung nur zum Abheften in der Personalakte reicht nicht. Zertifizierung sollte mindestens sein. Besser noch wäre es, wenn das berufliche Fortkommen zunehmend konkret an Fortbildungsschritte gekoppelt würde. Die Ausbildung als Laufbahneinstellungsvoraussetzung ist streng reglementiert, warum dann nicht auch den weiteren Berufsweg mit leistungsfördernden Hürden versehen? Fatal wirken sich mühevolle Fortbildungen wie z. B. zusätzliche Master-Studiengänge, längere Auslandsaufenthalte oder aufwendige Hospitationen in anderen Einrichtungen aus, deren Sinn und Zweck sich nicht zumindest in der weiteren Ver-

wendung niederschlägt. Gute Personalentwicklungskonzepte, konsequent umgesetzt, könnten da sehr hilfreich sein. Lebenslang Lernen, und das auch noch im Alter und dabei schon längst im Endamt? Bislang eine Illusion. Das Lebensalter ist dabei nur von sehr relativer Bedeutung, das Problem sind fehlende Motivation und Begeisterung. Nur ein begeistertes Gehirn entfaltet Lernfähigkeit und nur ein belohntes Lernen macht letztlich wahre Freude. Stumpfe “Entkalkungsseminare” werden sich auch in Zukunft schlecht verkaufen lassen. Fortbildung muss im Idealfall für den einzelnen Beschäftigten zu erkennbaren Vorteilen führen, egal ob es sich um Beförderung, Aufstieg, Prämie, bessere Position oder einfach mehr Verantwortung und Freude handelt.

Für gesteigerten Lernerfolg Auch auf die Fortbildungsinhalte kommt es an. Dabei können diese zum großen Teil durch-

aus traditionell sein. Die Überschriften jedoch müssen dem Zeitgeist folgen. Kein Spielraum für Abstriche jeglicher Art gibt es bei Methodik und Didaktik. Aber: Findet die methodisch-didaktische Evaluation überhaupt noch statt? Seit wie vielen Jahren stehen jetzt schon die immer gleichen Unterrichtshilfen in den Seminarräumen der Bildungseinrichtungen? Abwechslung und stetige Neuerung ist gefragt. Der allgemein mit zehn bis 30 Prozent taxierte Lernerfolg einer durchschnittlichen Fortbildungsveranstaltung wird dem Anspruch der immer wieder neu ausgerufenen “Bildungsrepublik” wohl kaum gerecht. Der dienstlichen Fortbildung gebührt ein angemessener Platz in den Laufbahnen des Öffentlichen Dienstes. Nicht als mehr oder weniger lästiges Anhängsel sollen die Beschäftigten sie begreifen, sondern um ihrer selbst wegen erleben. Die Fortbildungsnachfrage wird sich schnell erhöhen, wenn sich erlebte Fortbildungs-

einrichtungen könnte zudem die Ressourcen frei machen, die gesteigerte Ansprüche und Facettenreichtum der Inhalte beanspruchen werden. Auch die Quantität der Veranstaltungen könnte zugunsten zielgenauer, besonders qualitativer Angebote durchaus zurückstehen. Wichtig ist eben nicht, tausende Beschäftigte immer mal wieder durch eine Fortbildungsmaßnahme zu schleusen, sondern hochmotiviert Zurückkehrende jedes Alters in ihren Verwaltungen als Multiplikatoren wirken zu lassen. Führungskräfte geraten bei diesem Ansinnen in ganz besonderem Maße in den Fokus des Interesses. Staatsdiener kosten den Steuerzahler viel Geld. Gebildet, motiviert und gesund zahlen sie am besten zurück. *Volker Amler arbeitet als Referatsleiter im Bundesinnenministerium und war von 2008 bis 2011 Lehrgangsgruppenleiter bei der Bundesaka­demie für öffentliche Verwaltung (BAköV).

“26 Prozent zu viel”

Von Kernthemen und Grenzgebieten

Zwischen Licht und Schatten im Öffentlichen Dienst

Veranstaltung thematisiert zahlreiche Aspekte aus dem Dienstrecht

(BS/ab) 26 Prozent aller abhängig beschäftigten Frauen wurden bereits selbst einmal sexuell belästigt oder haben sexistisches Verhalten in Deutschland erlebt. Dies ergab die jährliche Bürgerumfrage des DBB Beamtenbunds und Tarifunion, in der Staat und Staatsdiener bewertet werden. Trotzdem zeigen sich auch positive Entwicklungen hinsichtlich der Wahrnehmung der Verwaltungsarbeit.

(BS) Am 21. und 22. November findet in Bonn der dritte Kongress “Zukunft Dienstrecht” statt. Grund genug, mit dem fachlichen Leiter und Moderator, Rechtsanwalt Dr. Jürgen Kutzki, auf die Veranstaltung und die wesentlichen inhaltlichen Aspekte im Tarif- und Beamtenrecht einzugehen. Die Fragen stellte Jörn Fieseler.

Ein Thema, welches viele überrascht hat, ist das der sexuellen Belästigung im Öffentlichen Dienst. Auch sechs Prozent der Männer gaben an, bereits einmal sexuell belästigt worden zu sein. “Wir waren davon überrascht, wir dachten, dass der Unterschied zur Privatwirtschaft größer und eher zum Vorteil des Öffentlichen Dienstes ausfalle. Insbesondere bei den Frauen zeigt sich, dass es 26 Prozent zu viel sind”, so der DBB-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach. Ein Fakt, der nun genauer analysiert würde, um dagegen gezielter vorgehen zu können.

erkennen und zu unterbinden”, so Wildfeuer.

Ein schwieriger Balanceakt Die durch das Forsa Institut durchgeführte Umfrage kam noch zu anderen Ergebnissen: 79 Prozent der Befragten befürworten einen starken Staat. “Hierbei sollen keine Missverständnisse entstehen. Ein “starker” Staat braucht nicht nur mehr Sicherheitskräfte. Sondern es geht vielmehr um einen stabilen und leistungsfähigen Öffentlichen Dienst”, erläutert der DBB-Bundesvorsitzende. Der Öffentliche Dienst sei dabei mitverantwortlich, dass ein halbes Jahr ohne eine neue Regierung trotzdem regiert werden konnte.

Weniger Bürokratie gefordert

Ulrich Silberbach, DBB-Bundesvorsitzender, stellte die DBB-Bürgerumfrage 2018, die vom Forsa Institut durchgeführt wurde, mit vor. Er warf einen Blick auf die Licht- und Schattenseiten des Öffentlichen Dienstes. Foto: BS/Bednarski

Deutlicher wird Helene Wildfeuer, Vorsitzende der Bundesfrauenvertretung im DBB: “Das Thema muss raus aus der Tabuzone. Wir müssen vor Ort in den Dienststellen offen über gezielte Maßnahmen zur Förderung einer diskriminierungs- und sexismusfreien Behördenkultur sprechen.” Dazu würden ebenso niedrigschwellige Hilfsangebote und die gezielte Sensibilisierung der Führungskräfte gehören. “Letztere müssen ermutigt und ermächtigt werden, sexistisches Verhalten und geschlechtsspezifische Diskriminierung früh zu

Im Gegenzug kritisieren 61 Prozent die vermehrte Bürokratie und die damit einhergehenden Beschränkungen. Aber auch die Kollegen im Staatsdienst würden unter der Bürokratie und Überregulierung leiden, so Silberbach. “Wir werden weiterhin mit der Politik in den Dialog treten und Analysen sowie Aufgabenkritik fortsetzen”, fuhr er fort. Die passende Balance zwischen einem starken Staat und zu viel Regulierung wird dementsprechend noch gesucht. Im Ranking der beliebtesten Berufe zeigt sich ein deutlicher Trend. Während Feuerwehrleute (94 Prozent) weiterhin die Favoriten sind, haben Müllwerker (63 auf 75 Prozent) und Beamte (von 27 auf 39 Prozent) in den letzten zehn Jahren zugelegt. “Die Bevölkerung schätzt die Menschen zunehmend wert, die sich in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Über drei Viertel der Bundesbürger schreiben den Beamten inzwischen überwiegend positive Eigenschaften wie “pflicht- und verantwortungsbewusst” oder “zuverlässig” zu, kommentiert Silberbach die Entwicklung.

Behörden Spiegel: Herr Kutzki, was erwartet die Teilnehmer beim diesjährigen Kongress Zukunft Dienstrecht? Kutzki: Wir haben ja mit dem Kongress im Jahre 2016 begonnen und es war immer mein Bestreben, “die Fachleute” auf ihrem Gebiet nach Bonn einzuladen, um aktuelle und wichtige Zukunftsthemen für den Öffentlichen Dienst aufzugreifen und zu diskutieren, sei es mit hohen Richterinnen oder Richtern oder Rechtsprofessoren. Trotz der erfreulich großen Teilnehmerzahl bieten wir ausreichend Gelegenheit, um einen Austausch mit den Gästen zu ermöglichen. Ich glaube, auch im Jahre 2018 ist uns dies mit dem fertigen Programm gut gelungen. Erwähnen möchte ich nur einige: Karin Spelge vom sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG); sie wurde kürzlich zur Vorsitzenden Richterin beim BAG “befördert” und ist damit die höchste Richterin in Deutschland, was den Bereich des TVöD/TV-L anbelangt. Auf der anderen Seite habe ich einen jungen wissenschaftlichen Mitarbeiter von der Uni München, Dr. Nico Herold, eingeladen, der sich in seiner Dissertation mit dem Thema “Whistleblowing” beschäftigte. Ich kenne seinen Vortrag und dieser ist sehr anschaulich, praxisrelevant und zukunftsweisend. Prof. Dr. Rüdiger Krause von der Uni Göttingen wird sich mit der Datenschutzgrundverordnung befassen – ein leidiges, aber wichtiges Thema. Dabei sein wird auch wieder der Vorsitzende Richter des zweiten Senats des Bundesverwaltungsgerichts, Ulf Domgörgen, also der Experte im Beamtenrecht. Dr. Eberhard Natter, der Präsident des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (LAG BW), wird sich mit dem “kantigen” Thema der arbeitsrechtlichen Konkurrenten-Klage befassen – ein sehr unterschätztes Thema. Aber die Höhergruppierungen durch die Arbeitgeber werden

Beamtenrecht – vom Gesetzgeber – nicht kommen. Schön wäre es, wenn im Bundesrecht ein neues Personalvertretungsrecht in Kraft treten würde. Das alte aus dem Jahre 1974, wenn auch in der Fassung des Jahres 2016, ist nicht mehr zeitgemäß. Gerade im Vergleich zu den modernen Gesetzen in Bayern und BadenWürttemberg. Prägend war sicherlich die Entscheidung des BVerfG im Beamtenrecht zum “Streikrecht” der Beamtinnen und Beamten. Behörden Spiegel: Wie ist ihre persönliche Meinung zu diesen Neuerungen/Änderungen? Moderiert seit 2016 den Kongress Zukunft Dienstrecht: Rechtsanwalt Jürgen Kutzki, Dipl.-Verwaltungswirt und Mediator in Karlsruhe. Hier zu sehen beim letztjährigen Kongress mit Referentin Prof. Dr. Svenja Karb von der Fachhochschule des Bundes. Foto: BS/Fieseler

nicht zunehmen, daher versuchen viele Beschäftigten sich mit der arbeitsgerichtlichen Konkurrenten-Klage durchzusetzen – ein schwieriger und steiniger Weg... Aber auch “Grenzgebiete” sollen nicht zu kurz kommen: Das Sozialversicherungsrecht, die “kleine Schwester” des Arbeitsrechts, wird vom Vorsitzenden Richter am Bayrischen Landessozialgericht (LSG) München, Stephan Rittweger, erläutert. Auch konnten wir noch zwei Tarifexperten gewinnen, Wolfgang Gundel vom Arbeitsgericht in Freiburg und Klaus Klapproth, Hauptgeschäftsführer der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA); also ein Referent, der die Tarifverhandlungen führt. Erlauben Sie mir kurz einen kleinen Ausblick auf das Jahr 2019: Dort habe ich bereits die Zusage von Prof. Dr. Udo Di Fabio, Uni Bonn (ehemals Richter am Bundesverfassungsgericht), er wird sich mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums befassen – also ein Thema, was gerade Thema im Behörden Spiegel war. Des Weiteren haben wir die Zusagen von drei Vorsitzenden Richter-/ innen des BAG.

Behörden Spiegel: Was waren in den vergangenen zwölf Monaten aus Ihrer Sicht die größten Veränderungen im Tarifrecht? Kutzki: Meiner Einsicht war es das Umsetzen und Einführen der “neuen” Entgeltordnung für die Kommunen, also die TVöDVKA-EntGO. Ich war bei der “Geburt” des TVöD im Jahre 2005 als Experte dabei; niemand hätte gedacht, dass der Reformprozess erst durch das neue Eingruppierungsrecht für die Kommunen abgeschlossen wird, zwölf Jahre später... Damit ist die Reformierung des Beschäftigten-Rechts abgeschlossen, der BAT ist endgültig abgelöst. Mal sehen, wie es in der Praxis ankommt. Behörden Spiegel: Und im Beamtenrecht? Kutzki: Ich glaube, das Beamtenrecht “leidet” (noch?) unter der Föderalismus-Reform. Es gibt das BeamtenstatusG, der Bund sorgt für eine Vereinheitlichung, und dann gibt es 16 Ländergesetze, die das Besoldungs- und Versorgungsrecht “eigenständig” regeln können. Die großen Würfe werden da im

Kutzki: Ich finde es sehr erfreulich, dass der Reformprozess im Tarifrecht des TVöD jetzt durch das “neue” Eingruppierungsrecht für die Kommunen abgeschlossen ist. Allerdings finde ich das Tarifrecht des Öffentlichen Dienstes insgesamt zu komplex: Man “jammerte” immer über die vielen Paragrafen im BAT – jetzt haben wir die Sparten-Tarifverträge, einen TVöD für Bund und die Kommunen, einen TV-L und den TV Hessen – ein bisschen “too much”; vor allem für beratende Anwälte. Als weiteres Problem sehe ich, dass die Tarifvertragsparteien in den Verhandlungen Tarif-Verträge aushandeln – dann kommen die “gefürchteten” Rundschreiben (BMI oder VKA) und man hat den Eindruck, man sei in einer anderen Tariflandschaft angekommen. Im Beamtenrecht wird sicherlich über die hergebrachten Grundsätze nachgedacht werden. Im Jahre 2019 wird im Übrigen der Disziplinar-Experte Dr. Franz Werner Gansen bei uns im Kongress der Frage nachgehen, ob das Disziplinarrecht noch zeitgemäß ist – man denke an die Bundesbürger, die Beamtinnen oder Beamten sind und plötzlich sind sie “Reichbürger”....? Wie geht man mit diesem Phänomen rechtlich, vor allem disziplinarrechtlich um?



Bund / Länder

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Behörden Spiegel / September 2018

Zahlreiche Überstunden

Bund ist Herr des Verfahrens

Bundestagsverwaltung stark beansprucht

Bei Straßenmeistereien und Betriebsmitteln sind noch viele Details zu klären

(BS/mfe) Bei einigen Mitarbeitergruppen des Deutschen Bundestages hat sich ein großer Berg an Mehrarbeit aufgetürmt. Besonders betroffen sind die Beschäftigten im Plenar- und Ausschussassistenzdienst (“Saaldiener”) sowie die Stenografen. Hauptgründe für die Überstunden sind die gestiegene Zahl an Abgeordneten im Vergleich zur vorherigen Wahlperiode sowie längere Sitzungen des Plenums.

(BS/jf) Bei der Einrichtung der Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen (IGA) und des Fernstraßen-Bundesamtes (FBA) geht es nicht nur um die Verschiebung von Personal (siehe Seite 3), sondern auch um die Übernahme von Standorten und sächlichen Betriebsmitteln. Hier zeigt sich: Wer aus Effizienzgründen Bundes- und Landesaufgaben vermischt hat, muss nun aufwendiger trennen.

Hierzu tragen offenbar auch die Abgeordneten der AfD-Fraktion nicht unwesentlich bei. Entgegen den parlamentarischen Gepflogenheiten sollen sie in den späteren Abendstunden ihre Reden nicht wie ihre Kollegen der anderen Fraktionen zu Protokoll geben. Vielmehr bestünden sie darauf, diese tatsächlich zu halten, heißt es. Da kann es nicht verwundern, dass von den 46 Plenarsitzungen der derzeitigen Wahlperiode acht nach 22 Uhr endeten. Bei fünf von ihnen wurde die Sitzung sogar erst nach Mitternacht geschlossen. Die AfD-Fraktion selbst gab keine Stellungnahme ab.

Generell gilt: Soweit Grundstücke oder sächliche Betriebsmittel vom Bund erworben worden sind, sind sie nach den gesetzlichen Regelungen des FernstraßenÜberleitungsgesetzes (FernstrÜG) im Eigentum des Bundes. Dies treffe vor allem auf die Autobahnen zu. Entsprechend wenige Abgrenzungsschwierigkeiten verzeichnet nach eigenen Angaben beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern. Für die für Autobahnen zuständigen Straßenmeistereien gibt es eigene Standorte. Nur an zwei Stellen betreuten diese “geringfügist” zweispurige Bundesstraßen mit, erklärte ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Auch im Landesamt für Straßenbau und Verkehr gebe es eine eigene Autobahnabteilung für die Planungs- und Verwaltungstätigkeiten. Lediglich im Bereich der zentralen Dienste gebe es Mischverwaltungseinheiten, etwa im Landesamt für Personalverwaltung, bei Haushaltsfragen, im Justiziariat, bei der Planfeststellung sowie im Fernmeldebereich. Entsprechend leicht ließen sich die Fragen zur Verteilung von Grundvermögen und Sachmitteln klären. Anders beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, wo sämtliche Verwaltungsgebäude im Besitz des Landes sind und anschließend vom Landesbetrieb Straßenbau NRW gemietet werden. Da der Landesbetrieb auch weiterhin an den Standorten bleibt,

Keine Differenzierung nach Wahlperioden Aus der Bundestagsverwaltung heißt es, dass man derzeit 59 “Saaldiener” und 32 Stenografen beschäftige. Von den Mitarbeitern im Plenar- und Ausschussassistenzdienst seien 24 verbeamtet, bei den übrigen handele es sich um Tarifbeschäftigte. Unter den Stenografen seien 28 Beamte und vier Angestellte. Für sie seien bisher mehr als 1.100 Überstunden verzeichnet, pro Mitarbeiter also durchschnittlich rund 35. Noch heftiger ist die Situation – wenn man die absoluten Zahlen betrachtet – bei den Saaldienern. Sie haben bereits fast 1.800 Überstunden angesammelt. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Diese Mehrarbeit kann noch aus der

Die Sitzungen des Deutschen Bundestages (Foto) dauern immer länger. Das hat Folgen für seine Verwaltungsmitarbeiter: Sie müssen viel Mehrarbeit leisten. Foto: BS/B. Dach

letzten Wahlperiode resultieren. Die Bundestagsverwaltung räumt ein, dass sowohl die Stenografen als auch die “Saaldiener” in den jährlich etwa 21 Sitzungswochen besonders gefordert seien. Die sitzungsfreie Zeit biete gleichzeitig aber ausreichend Gelegenheit, die angefallene Mehrarbeit möglichst zeitnah abzubauen. Darüber hinaus seien die Beschäftigten des stenografischen Dienstes kürzlich bereits entlastet worden. Das Protokoll des nächtlichen Teils der Plenarsitzung müsse nicht mehr am Freitag der Sitzungswoche, sondern erst am Dienstag der Folgewoche erscheinen. Zudem kündigte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) an, noch strikter auf die Einhaltung der jeweiligen Redezeit zu achten. Und auch für die Mitarbeiter im Plenar- und Ausschussassistenzdienst werde nach Entlastungs-

möglichkeiten gesucht. Hier fänden derzeit noch Gespräche mit dem Personalrat statt.

Parlament braucht mehr Mitarbeiter Wolfgang Pieper, Mitglied des Bundesvorstandes von Verdi, jedenfalls fordert: “Die geltenden Arbeitszeitregelungen müssen gerade bei steigenden Anforderungen zwingend eingehalten und Mindestruhezeiten gewährt werden.” Darauf hätten die Beschäftigten tarifvertragliche und gesetzliche Ansprüche. Zudem sei es auch im Sinne des Arbeits- und Gesundheitsschutzes unerlässlich. Da auch die Belastungen in den Ausschüssen zugenommen hätten, müsse der Bundestag entsprechend mehr Personal einstellen, um überlange Arbeitszeiten und hohe Gesundheitsrisiken zu reduzieren, verlangt Pieper.

Nicht alle Straßenmeistereien gehen automatisch in den Besitz des Bundes über: Insbesondere bei Mischstandorten müssen bilaterale Abstimmungen mit den Ländern getroffen werden. Foto: BS/blende11.photo, stock.adobe.com

die vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) als Standorte für die Infrastrukturgesellschaft auserkoren wurden, müsse nun bilateral mit dem Bund geklärt werden, wer welche Gebäude in welchem Umfang nutze. Ähnlich ist es bei den Betriebsmitteln. Sämtliche Sachmittel (kein Umlaufvermögen) mit einem Anschaffungswert von mehr als 800 Euro netto beziehungsweise 952 Euro brutto müssen von den Ländern bis spätestens 31. Dezember 2018 erfasst werden. Zusätzlich müssen auch die Sachmittel aufgelistet werden, die in der Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2020 beschafft werden. Lediglich die Mittel oder Gebrauchsgegenstände, die bis zum 31. Dezember 2020 ausgesondert werden, brauchen nicht registriert zu werden.

Bis zum 1. Januar 2021 sollen die dann benötigten Mittel in das Eigentum der Infrastrukturgesellschaft oder des Fernstraßen-Bundesamtes überführt werden. Hinsichtlich der Verträge beispielsweise zu Immobilien, Sachmitteln oder Projekten trete der Bund in die Rechte und Pflichten aus den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Vertragsverhältnissen ein. Ebenso trete die Infra­strukturgesellschaft dann im Rahmen der ihr zur Ausführung übertragenen Aufgaben in die Vergabe- und Gerichtsverfahren sowie in sonstige Verfahren und Rechtspositionen ein. Sofern die Länder die Betriebsmittel mit eigenem Geld beschafft haben, erstattet der Bund dem Land den jeweiligen Buchungswert. Aber: Für die Auswahl ist allein der Bund der Herr des Verfahrens.

Eklat um Luftreinhaltung

Digitaler Nachweis in Berlin

Zwangshaft für Ministerpräsident Markus Söder?

Notfallrettungsdienst und Krankenhäuser werden miteinander vernetzt

(BS/ab) Die bayerische Landesregierung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) vor (BS/mfe) Künftig wird es in Berlin für Rettungssanitäter und Notärzte der Feuerwehr einfacher sein, zu ereineinhalb Jahren dazu verpflichtet, Fahrverbote in den Luftreinhalteplan der Stadt München zu schreiben. kennen, ob Krankenhäuser voll belegt sind oder noch über freie Kapazitäten verfügen. Möglich macht das Passiert ist bisher nichts. Nun könnte eine neue Eskalationsstufe drohen. der Interdisziplinäre Versorgungsnachweis (IVENA). Diese digitale Plattform ermöglicht die Verknüpfung zwischen Berliner Feuerwehr und den Aufnahmekrankenhäusern. Dieser Entscheidung des Gerichts ist ein jahrelanger Rechtsstreit vorausgegangen. Bereits im Oktober 2012 verurteilte das Verwaltungsgericht München den Freistaat Bayern, Maßnahmen gegen die Überschreitungen der Stickoxidgrenzen (NO²) einzuleiten. Kläger war und ist weiterhin die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Im November 2017 hatte diese nach dem Urteil des BayVGH vor dem Verwaltungsgericht München erneut einen Antrag auf Verhängung eines Zwangsgelds oder notfalls Zwangshaft gestellt. Grund hierfür: Der Freistaat schreibt weiterhin keine Diesel-Fahrverbote in den Luftreinhalteplan der Stadt München hinein, obwohl das Bundesverwaltungsgericht im Februar 2018 diese ebenso als legitim für die Luftreinhaltung betrachtet hatte.

Bayern ist Autoland Fünf Monate nach dem Antrag legte die Landesregierung ein Konzept vor – wieder ohne Fahrverbote. Dabei hat bereits der BayVGH am 27.02.2017 niedergeschrieben, dass ein Luftreinhalteplan Diesel-Fahrverbote umfassen solle, um die NO²-Belastung schnellstmöglich zu verringern [BayVGH Aktenzeichen 22 C 16.1427]. Am 15. Juni 2018 äußerte sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) diesbezüglich und kündigte an, dass keine Fahrverbote erfolgen würden, weil Bayern ein Autoland sei.

Vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) In einem aktuellen Schreiben an die DUH vom BayVGH hat sich das Gericht geäußert und

Die Diskussion um Diesel-Fahrverbote nimmt in Bayern eine neue Eskalationsstufe an. Gegenüber dem Ministerpräsidenten Markus Söder sowie Teilen der Landesregierung soll geprüft werden, inwieweit diese in Zwangshaft genommen werden können. Foto: BS/©joerg hackemann, Fotolia.de

sieht in der Erzwingungshaft das letzte Mittel, “da sich das rechtskräftig verurteilte Bundesland sowohl gegenüber den Gerichten als auch öffentlich – und dies u. a. durch seinen ranghöchsten politischen Mandatsträger … – dahingehend festgelegt hat, dass es die rechtskräftige, zu vollstreckende gerichtliche Entscheidung nicht befolgen wird.” Da jedoch die Zwangshaft im deutschen Recht nicht vollständig vorhanden ist, aber im europäischen Recht sehr wohl, werde das BayVGH dem EuGH die Frage zur Klärung vorlegen, ob die Zwangshaft vollzogen werden kann. Im Oktober wird der BayVGH dies weiterleiten, wenn die Landesregierung bis Ende September keine Stellungnahme abgibt. Die DUH kündigt an, dann ein beschleunigtes Eilverfahren zu beantragen. Sodass der

EuGH, wenn er dieses zulässt, innerhalb von circa drei Monaten entscheidet. Wobei die Zwangshaft auf mehrere Politiker und Entscheidungsträger abzielt.

Landesregierung bleibt entspannt Auf Nachfragen des Behörden Spiegel äußerte sich Staatskanzleiminister Dr. Florian Herrmann zur Entscheidung des BayVGH im Zwangsvollstreckungsverfahren Luftreinhaltung: “Wir sehen die Entscheidung des Gerichts mit großer Gelassenheit. Die Drohung mit Zwangshaft für Beamte und Politiker hat im deutschen Recht keine Rechtsgrundlage und ist daher unverständlich und absurd. Man muss sich schon sehr darüber wundern, wie das Gericht hier die Grenzen des Rechtsstaats im Übermaß auslotet.”

Die Kliniken können mithilfe von IVENA einzelne, komplett belegte Stationen direkt über ein internetbasiertes System bei der Feuerwehrleitstelle abmelden. Bisher musste das telefonisch oder per Fax erfolgen. Auf die neue Lösung haben sowohl die Feuerwehr als auch alle anderen Berliner Krankenhäuser mit Rettungsstelle Zugriff. Die Anwendung ermöglicht es den Leitstellenmitarbeitern, detaillierte Informationen über die Ressourcensituation eines Krankenhauses zu erhalten und gegebenenfalls an die Kräfte der Notfallrettung weiterzugeben. Auch Klinikbetreiber können eventuelle Engpässe aufzeigen.

Anwendung wird weiterentwickelt IVENA wird kontinuierlich fortentwickelt. Es soll noch mindestens zwei weitere Phasen geben. In der ersten davon ist geplant, dass Patienten, die sich in einem kritischen Zustand befinden und deshalb eine besonders rasche und intensive medizinische Behandlung benötigen, über den digitalen Versorgungsnachweis den einzelnen Kliniken zugewiesen werden. Bisher geschieht dies noch direkt vom Rettungswagen aus. Seine Besatzung muss dabei derzeit zunächst erst noch ein aufnahmebereites Krankenhaus

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte zu dem Projekt: “Wir schreiben Zukunft: Der Rettungsdienst wird digitalisiert.” Bei der schnellen Versorgung von Patienten müssten alle Beteiligten Hand in Hand arbeiten. Schwere Verletzungen oder kritische Gesundheitszustände erforderten zügiges und reibungsloses Agieren. “Mit IVENA können Patienten ohne Zeitverzug in das

nächstgelegene, geeignete und aufnahmebereite Krankenhaus gebracht werden.” Dafür biete das System stadtweit einen Überblick über die klinischen Versorgungsmöglichkeiten. Und das nahezu in Echtzeit, so der Ressortchef. Karsten Göwecke, Ständiger Vertreter des Landesbranddirektors, ergänzte: “IVENA wird es uns ermöglichen, neue Qualitätsansprüche bei der Patientenübergabe zu setzen.” Alle Zuweisungen in dem System würden sich an aktuellen notfallmedizinischen Leit- und Richtlinien und Empfehlungen ausrichten und dadurch eine bestmögliche Versorgung garantieren. “Auch in der Suche nach der nächstgelegenen und geeigneten Klinik werden unsere Einsatzkräfte durch IVENA hervorragend unterstützt.” Und Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) betonte: “Mit IVENA stellen wir die Berliner Notfallversorgung auf neue Füße.” Durch die Digitalisierung der Schnittstelle zwischen Rettungsdienst und Krankenhaus beschleunige sich die Suche nach dem bestmöglichen Krankenhaus. Zugleich entlaste man die stark frequentierten Notaufnahmen durch eine gleichmäßigere und bedarfsgerechtere Patientenzuweisung.

können die Bäume kein Harz bilden – die natürliche Abwehrmaßnahme gegen den gefräßigen Käfer. Deshalb fordert der Landesverband des Bundes

Deutscher Forstleute einen Krisengipfel Wald, um nach politischen Wegen zum Ausgleich der Belastungen für Waldbesitz und Forstpersonal zu suchen.

finden. Von IVENA, mit dem die Zuweisung dem Personal in der Notaufnahme direkt auf einem separaten Monitor angezeigt wird, versprechen sich die Verantwortlichen in dieser Ausbaustufe einen Zeitgewinn. In einer dritten Phase sollen die Rettungswagen und Notarzt­ einsatzfahrzeuge schließlich mit Tablets ausgestattet und so direkt an den digitalen Versorgungsnachweis angeschlossen werden. Dann soll die Zuweisung der Notfallpatienten nicht mehr über die Feuerwehrleitstellen erfolgen, sondern dezentral und eigenständig durch die Besatzungen der Rettungswagen. Diese könnten dann auch die Belegung jeder Klinik einsehen und rasch erkennen, wo sich das nächste geeignete Krankenhaus mit freien Kapazitäten befindet.

Überblick fast in Echtzeit

MELDUNG

Krisengipfel Wald (BS/jf) In Brandenburg haben Brände zahlreiche Quadratmeter Wald vernichtet, in Niedersachsen ist der Borkenkäfer schuld. Aufgrund des Wassermangels


Finanzen

Behörden Spiegel / September 2018

H

inter der E-Rechnung steckt die logische Konsequenz einer kaufmännischen Buchführung, die eine vollständige Digitalisierung sämtlicher Prozesse des Finanz- und Rechnungswesen vorsieht. Ein wichtiger Baustein war die Einrichtung eines zen­ tralen Rechnungseingangs (ZRE) in der Kasse.Hamburg, dessen Hauptaufgabe in der zentralen Annahme, Sortierung und Digitalisierung von Rechnungen liegt. Bevor alle Rechnungen auf einem digitalen Weg eingehen, werden die verbleibenden Papierrechnungen von Fachkräften gescannt und digital an die Verify-Software weitergeben. Hier

Kein Ersatz für freundliche Mitarbeiter Personalentwicklung in Zeiten der E-Rechnung (BS/Henning Mahncke) Hamburg nutzt die Chancen der Digitalisierung, um Bürgern sowie Unternehmen bestmögliche Serviceleistungen anzubieten. Ein Teil der Digitalisierungsstrategie der Finanzbehörde ist die Einführung der elektronischen Rechnung. Die Vorreiter-Position der Freien und Hansestadt im Bereich E-Rechnung ist kein Zufall. Genauso wenig wie die Personalpolitik und -entwicklung, die proaktiv gestaltet wird, um die Mitarbeiter digital fit zu halten und sie Hamburg-weit einzusetzen.

fitiert der ZRE auch von einer Kooperation mit den Elbe-Werkstätten, die eine Außenarbeitsgruppe von rund 25 Menschen mit Behinderung einbringen und bei allen anfallenden Tätigkeiten unterstützen. Das gewünschte Wachstum im Bereich der ERechnung führt aber auch dazu, dass viele der bisherigen Tätigkeiten, die bei der Digitalisierung von Henning Mahncke ist der Papierrechnungen Bereichsleiter K3 der “Kasse.Hamburg” der Finanz­ angefallen sind, behörde Hamburgs und künftig wegfallen. operativer Projektleiter. Die Herausforderung für uns liegt Foto: BS/Finanzbehörde Hamburg somit nicht nur im technischen Beprüfen Sachbearbeiter die au- reich, sondern auch im Bereich tomatisch erfassten Daten und Personalentwicklung. ordnen die Rechnungen den pasZwei Strategien senden Behörden zu. Andre Wirkus, Hamburgs VerWir verfolgen grundsätzlich zwei triebsbeauftragter für die E- strategische Optionen. Einerseits Rechnung, hat dafür gesorgt, nutzen wir das erlernte Knowdass Hamburg seit 2015 eine how der Beschäftigten an anrasante Entwicklung von 350 deren Stellen, die bisher mit der E-Rechnungen im Jahr 2015 Digitalisierung noch nicht so weit bis auf heute über 80.000 E- fortgeschritten sind. Andererseits Rechnungen/Jahr genommen ermöglichen wir auch Chancen hat. Aktuell verarbeitet Hamburg auf dem internen Arbeitsmarkt. PDF- und ZUGFeRD-Rechnun- Wir erproben in Pilotanwendungen, ist aber auch auf den neuen gen z. B. die Übernahme einX-Rechnung-Standard sehr gut zelner Prozesse aus anderen vorbereitet. Perspektivisch ist die Arbeitsbereichen, wie die ÜberE-Rechnung Teil eines komplett nahme von Melderegisterauselektronischen Beschaffungs- künften, Prozessunterstützung prozesses, in dem die Kommu- in der Vollstreckung, die gesamte nikation, soweit möglich, immer Verarbeitung der Eingangspost vollständig elektronisch ablaufen von Behörden und vieles mehr. Dadurch, dass Mitarbeiter des wird. Der ZRE beschäftigt aktuell ZRE bei ihrer täglichen Arbeit rund 70 Personen. Hierbei pro- mit sämtlichen Behörden Ham-

Milliardenüberschuss Berlin will weiter konsolidieren und investieren (BS/gg) Berlin hat auf Basis der Halbjahreszahlen Ende August den aktuellen Statusbericht über die Haushaltslage vorgelegt. Demnach wird das Land das laufende Haushaltsjahr voraussichtlich mit einem rechnerischen Finanzierungsüberschuss von 1,178 Mrd. Euro abschließen. Der Statusbericht prognostiziert bereinigte Einnahmen in Höhe von rund 28,6 Mrd. Euro bis zum Jahresende – 129 Mio. Euro mehr als erwartet. Diese Mehreinnahmen seien im Wesentlichen konjunkturell bedingt und resultierten insbesondere aus Steuermehreinnahmen. Bei den Personalausgaben liege Berlin mit 8,727 Mrd. Euro ebenso unter den ursprünglich angesetzten Ausgaben wie bei den konsumtiven Sachausgaben, da hier die veranschlagte zentrale Risikovorsorge nicht in Anspruch genommen werden müsse. Entsprechend zufrieden zeigte sich Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz: “Es wird bereits das siebte Jahr in Folge mit einem Überschuss – und das dritte in Folge mit einem Überschuss von über einer Milliarde Euro. Auf diesen Erfolg wollen wir weiter aufbauen. Die nach wie vor guten konjunkturellen Rahmenbedingungen ermöglichen uns notwendige Investitionen, um den Herausforderungen der kontinuierlich wachsenden Stadt zu begegnen. Einen großen Anteil hat daran auch das Sondervermögen SIWANA, mit dem wir die Investitionen an den gestiegenen Bedarf beim Schulbau oder der sozialen Infrastruktur anpassen. Wie in den Vorjahren bleibt der Schuldenabbau von zentraler Bedeutung.” Die gesamten Investitionsausgaben sollen mit 1,9 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr vor-

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aussichtlich um 249 Mio. Euro steigen. Zusätzlich werden voraussichtlich Investitionen von mehr als 238 Mio. Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (SIWANA) finanziert. Investitionsmittel, die im laufenden Jahr nicht ausgegeben werden können, sollen in das SIWANA fließen, um weiterhin für Investitionen zur Verfügung zu stehen. Berlin hat sich als Konsolidierungsland verpflichtet, sein strukturelles Defizit bis zum Jahr 2020 auf null zurückzuführen. Dabei ist die Einhaltung der Defizitobergrenzen Voraussetzung dafür, dass Berlin die vereinbarten 80 Mio. Euro Konsolidierungshilfen nicht zurückzahlen muss. Für das Haushaltsjahr 2018 ist für das strukturelle Defizit eine Obergrenze von 402 Mio. Euro vereinbart. Zudem hat der Senat einen vorzeitigen Abbau des strukturellen Defizits bereits bis zum Jahr 2019 vereinbart. Aus der stark konjunkturell getriebenen Haushaltsentwicklung, aber auch aus der Zielvorgabe des Senats, das strukturelle Defizit vorzeitig abzubauen, ergebe sich ein voraussichtlicher Tilgungsbetrag von 800 Mio. Euro. Einschließlich der besonderen Finanzierungsvorgänge sind es 900 Mio. Euro. Somit sollen für die Zuführung an das SIWANA Mittel in Höhe von 378 Mio. Euro zur Verfügung stehen.

burgs in Kontakt treten, ist es nicht verwunderlich, dass die Einarbeitung in neue Projekte überwiegend reibungslos funktioniert. Die gut ausgebildeten Mitarbeiter des ZRE sind unser Kapital und ihnen dient in vielen Fällen der ZRE auch als Sprung-

brett für Karrieren in anderen Behörden.

Erster Eindruck täuschte Björn Rabe, ein ehemaliger Mitarbeiter von uns, dem – nachdem er einmal pro Woche die Hamburger Kundenzentren un-

terstützte – eine Vollzeitstelle im Kundenzentrum angeboten wurde, blickt gerne auf seine Zeit im ZRE zurück: “Was im ersten Moment nach wenig abwechslungsreicher Sachbearbeitung klang, entpuppte sich als eine spannende und immer wieder

herausfordernde Beschäftigung, bei der ich Einblick in viele Hamburger Behörden erhalten habe und diese tatkräftig unterstützten konnte und mich dabei weiterentwickeln konnte.” Auf die Frage, ob er glaubt, dass die Digitalisierung negative Auswirkungen auf die Mitarbeiter der Stadt hat, gibt er sich gelassen: “Letztendlich bleiben die Behörden ein Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt – und ich kann mir kaum vorstellen, dass der Tag kommen wird, an dem ein Computer für komplexe Nachfragen gegenüber einem freundlichen Mitarbeiter bevorzugt wird.”


Vergaberecht

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Eckpunkte stehen fest

qanuun-aktuell Was man wissen sollte

Berlin will Vergabegesetz novellieren

von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Mitte August erschien in der ZEIT eine Liste von hundert Werken, vor allem Bücher , die der Mensch des 21. Jahrhunderts kennen sollte. Von Ästhetik bis Religion wurde Vieles genannt, von dem – bei guter Allgemeinbildung – das meiste bekannt sein dürfte. Was aber sagt diese Liste über unsere Kultur und Rechtsverständnis aus? Kann man mit einer Kurzfassung der Bibel und dem Grundgesetz den mitteleuropäischen Wertekanon von Staat und Gesellschaft wirklich verstehen? Zweifel sind erlaubt und auch berechtigt. Das Alte Testament, mit einem stets zürnenden Gott, ist dem modernen aufgeklärten Menschen fremd, aber ohne dieses ist das Neue nicht zu verstehen. Und auch das Grundgesetz, das die Würde und Freiheit des Menschen sowie seine Gleichheit beschwört, bleibt bei bloßer Lektüre abstrakt. Ohne das grundlegende Verständnis, das nicht nur rational, sondern durch aufmerksames Vorleben vermittelt werden muss, bleibt das ethische Miteinander inhaltsleer. Warum eine unabhängige Justiz und eine kompetente sowie gemeinwohlorientierte Exekutive für einen beständigen Staat ge-

(BS/jf) Rechtssicher, mit mehr ökologischen und sozialen Aspekten bei weniger Bürokratie: So lassen sich die Ziele für die Reform des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes (BerlAVG) zusammenfassen. Im Senat wurde ein entsprechendes Eckpunktepapier diskutiert. Auf dieser Grundlage soll nun fortgefahren werden. Ungeteilte Freude löst das Papier nicht aus.

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

braucht werden und warum das Zusammenspiel zwischen allen staatlichen Gewalten wohl austariert sein muss, ist nur zu verstehen, wenn man das Gegenteil kennt, zumindest theoretisch. Umgekehrt sind Selbstverständlichkeiten ebenfalls riskant. Was immer schon gut geklappt hat, kann doch gar nicht anders sein, oder? Menschen aus Staaten, in denen Korruption an der Tagesordnung ist, können von all dem ein Lied singen und sie tun es auch. Zugleich sollten wir darüber nachdenken, dass nicht alles, was wir als selbstverständlich begreifen, es auch ist. Daran ändern die Bibel und das Grundgesetz im heimischen Regal nichts.

Fünf Punkte verfolgt der Senat mit der Novellierung: Erstens sollen Struktur und Inhalt des BerlAVG anwenderfreundlicher werden und eine rechtssichere Anwendung ermöglichen. Zweitens ist beabsichtigt, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zu ermöglichen. Drittens ist die Vergabe öffentlicher Aufträge an ökologische, soziale und geschlechtergerechte Kriterien zu knüpfen, um die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt zu unterstützen. Viertens soll der Bürokratieaufwand für Unternehmen möglichst gering gehalten werden, indem nur solche Anforderungen formuliert werden, die tatsächlich von Unternehmen erfüllt und von den Vergabestellen auch kontrolliert werden können. Und fünftens soll die Einhaltung der Maßgaben besser kontrolliert werden. Außerdem sind ab dem 18. Oktober 2018 Vergaben sowohl von Bauleistungen als auch von Liefer-und Dienstleistungen ab einem Auftragswert von 25.000 Euro verpflichtend über die elektronische Vergabeplattform des Landes abzuwickeln. Damit greift die Hauptstadt der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vorweg, die diesen Schritt für Ver-

MELDUNG

Neue Geschäftsführerin bei der ABSt SH (ABSt SH). Die 56-Jährige war zuletzt in der Investitionsbank Schleswig-Holstein zuständig für die vergaberechtliche Prüfung der IB-Förderprojekte.

Sie löst den bisherigen Geschäftsführer Volker Romeike ab, der nach 18 Jahren in dieser Funktion in den wohlverdienten Ruhestand gehen wird.

Vergaberecht und Vergabemanagement Praxisseminare im Herbst 2018

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Datenschutz im Vergaberecht

Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen

Dieses Seminar stellt die Regelungen des neuen Datenschutzrechts und seine Auswirkungen auf das Vergabeverfahren vor. Rechtliche Risiken werden ausgeleuchtet und praktische Lösungen aufgezeigt. Neben den Grundzügen des neuen Datenschutzrechts wird das Seminar auch speziell auf die Besonderheiten der Vergabe von datensensiblen Leistungen eingehen.

Das Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen stellt einen eigenen Normkomplex neben dem Vergaberecht dar. Ziel ist die Durchsetzung marktwirtschaftlicher Grundsätze auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens. Dieses Seminar stellt den Geltungsbereich und die Zielsetzung des Preisrechts vor.

21. September 2018, Düsseldorf

2. Oktober 2018, Bonn

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(BS/jf) Zum 1. Oktober 2018 übernimmt Diplom-Ingenieurin Sabine Tauber die Geschäftsführung der Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein e. V.

Behörden Spiegel / September 2018

gaben bis zum EU-Schwellenwert erst ab 2020 vorsieht. Ferner sollen die bisherigen Erfahrungen berücksichtigt werden. Einerseits, indem eine Bagatellgrenze von 1.000 Euro festgesetzt wird. Unterhalb dieser Grenze ist der Direkteinkauf möglich. Andererseits ist beabsichtigt, eine Härtefallregelung und Ausnahmeregelungen für bestimmte öffentliche Aufträge einzuführen, bei denen die öffentliche Hand vom Auftragnehmer vorgegebene Vertragsbedingungen anerkennen muss, zum Beispiel bei Flug- oder Bahnreisen. “Nach nunmehr acht Jahren BerlAVG wird die überfällige Härtefallklausel ausdrücklich

begrüßt”, sagt Johannes Höper, Mitglied im Regionalvorstand Berlin-Brandenburg des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME). “Wir befürchten aber aufgrund der vorgeschlagenen Einführung zusätzlicher Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften – wie etwa der Absenkung der VwVBU-Wertgrenze auf 1.000 Euro, der Ergänzung der ILONormen oder der Kopplung des Mindestlohns an Entgeltgruppen des Öffentlichen Dienstes – unter dem Strich mehr statt weniger Bürokratieaufwand für die Vergabestellen und noch größere Probleme, Angebote von Lieferanten zu bekommen.”

Breitband, Elektromobilität, Smart City Diskussionen und Entscheidungen in kommunalen Gremien (BS/Dr. Harald Goetze) Neben den klassischen Anträgen für Genehmigungen aller Art, Bestellung von Wirtschaftsprüfern, Gutachtern usw. prägen aktuelle Themen aus politischen Vorgaben die Arbeit der kommunalen Gremien. In letzter Zeit stellen mehr und mehr Städte und Gemeinden interessante Informationen auf den eigenen kommunalen Webseiten zur Verfügung oder sie erlauben den Zugriff auf ihre Ratsinformationssysteme. Die Auswertung dieser Medien geben Hinweise auf die Agilität einzelner Kommunen, d. h. sie sind ein Indiz dafür, wie ehrgeizig und stringent die Ziele für die Modernisierung unserer Gesellschaft durch die politisch verantwortliche Exekutive vorangetrieben und umgesetzt werden. Um die Informationen aus den kommunalen Sitzungen für Interessenten nutzbar zu machen, hat die Berliner Agentur AuftragSelect spezielle Suchmaschinen und Analysetools entwickelt und stellt die Ergebnisse in Listenform und als Newsletter zur Verfügung. Zurzeit werden bei der Informationsanalyse 426 Städte und Gemeinden berücksichtigt und diese Anzahl wird stetig erweitert. Im Baubereich sind die Schwerpunktthemen immer noch im Vordergrund, die sich mit der Modernisierung von Bildungseinrichtungen und mit dem Neubau von Kinderbetreuungseinrichtungen befassen. Im Bereich der Administration und Dienstleistung sind die Themen “Breitband, Elektromobilität, Smart City” Inhalt vieler Planungsbestrebungen, die natürlich dann auch am Ende mit investiven Maßnahmen für Handwerk und Bau verbunden sind. Nicht alle diese Planungen münden in öffentliche Ausschreibungsverfahren, sondern die meisten werden zusammen mit Partnern umgesetzt, die auch schon die Planungsphasen

intensiv begleitet haben. Eine gewaltige Herausforderung für die Modernisierung werden sicherlich auch die juristisch einwandfreien formalen Vorgänge unseres Rechtsstaates mit ihren langen Entscheidungsprozessen werden. Über die formaljuristische Vorgehensweise besteht nicht immer Einigkeit, aber im Sinne einer zügigen Umsetzung zum Wohle des Gemeinwesens kann ein gewisser Pragmatismus durchaus hilfreich sein. Die Historie der kommunalen Entscheidungsfindung öffentlich zu machen, war die Basis für die Entwicklung des Portals www.deutsches-gemeindeblatt. de. Dort werden vom Anfang der Diskussion bis hin zu den Beschlussfassungen die Mitteilungen aus deutschen Städten und Gemeinden kurz und gebündelt dargestellt. Das Portal steht in seinen Grundfunktionen allen Interessenten kostenfrei

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen

Neuauflage der UfAB: der Praxisleitfaden für den gesamten IT-Beschaffungsprozes

Mit der richtigen Leistungsbeschreibung zum optimalen Bewerber

Dieses Seminar soll einen Überblick über Aufbau, Inhalt und Neuerungen der UfAB 2018 bieten und mit dem Vorgehen bei der Beschaffung von Informationstechnologie vertraut machen. Zudem erfolgt eine vertiefte Auseinandersetzung mit IT-spezifischen und vergaberechtlichen Themen.

Wie komme ich an den richtigen Bewerber? Nur über den Preis sicherlich nicht. Zutreffende Eignungsanforderungen sind schon der erste Schritt, aber: Nichts ist so beständig im Vergaberecht wie der Wandel. In diesem Seminar werden Kenntnisse dazu vermittelt und die Regelungen verständlich strukturiert erläutert.

11. Oktober 2018, Düsseldorf

16. Oktober 2018, Berlin

Richtiger Umgang mit schwierigen Bietern in Konfliktsituationen

Ausschreibung von Versicherungsdienstleistungen

Durch das Seminar sollen Sie in die Lage versetzt werden, auch schwierige und strei„ tige Auseinandersetzungen gegen aggressive“ Bieter gewinnen zu können. Fallstricke werden aufgezeigt, Tipps und Tricks werden dargestellt, mit denen ein Verfahren erfolgreich zu Ende geführt werden kann.

Wenn Behörden Versicherungen ausschreiben, können die Beiträge teils sehr stark gesenkt werden. Nicht jede Ausschreibung ist aber sinnvoll. Ist dann die Entscheidung für die Ausschreibung getroffen, ist zu prüfen, welche Versicherungen überhaupt sinnvoll und notwendig sind.

17. Oktober 2018, Berlin

22. Oktober 2018, Hamburg

Detaillierte Information und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

Ähnlich die Reaktion der IHK: Die IHK Berlin befürwortet das Ziel der Zugangserleichterung zu öffentlichen Aufträgen für KMU durch Entbürokratisierung. “Leider fehlt dem Vorschlag jedoch die nötige Konsequenz”, sagte Henrik Vagt, Geschäftsführer Wirtschaft & Politik der IHK Berlin. “Die erneut geplante Anhebung des Mindestentgelts ohne Abstimmung mit Brandenburg sehen wir kritisch. Auch die Einführung von Öffnungsklauseln erschwert KMU und Start-ups den Zugang zu öffentlichen Aufträgen und belastet in der Konsequenz die öffentliche Hand. Anstelle dessen sollte das Land die Chance nutzen, Innovationen zu fördern.”

Dr. Harald Goetze ist Geschäftsführer der Auftrag-Select GmbH mit Sitz in Berlin. Foto: BS/privat

zur Verfügung. Die Nutzung umfasst die Bildschirmsuche nach den enthaltenen Informationen durch Angabe von Filterkriterien. Außerdem steht ein kostenfreier Newsletter zur Verfügung, der individuell erstellt wird, d. h. sein Inhalt richtet sich nach dem Interessenbereich des jeweiligen Nutzers - bei der Anmeldung ist ein Newsletter-Profil zu bestimmen. Unter dem Begriff “Smart-City” treiben die Kommunen ihre Modernisierung voran. Angefangen bei der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED-Systeme mit intelligenter Lichtsteuerung bis hin zum angestrebten Ziel der papierlosen Verwaltung. Das Thema ist so komplex, dass es zunächst einer pragmatischen Strukturierung bedarf, um alle Teilbereiche systematisch bearbeiten zu können. In allen Fällen steht aber die IT-Branche als zentrale Schnittmenge im Mittelpunkt – dabei nicht zu vergessen ist der Datensicherheitsaspekt. Diese zentrale Bedeutung der IT-Branche führte zu der Entwicklung des IT-Weekly, einer wöchentlichen Zusammenstellung von Projekten, Ausschreibungen und Auftragsvergaben für den IT-Bereich. Sie wird von der Berliner Agentur als ExcelDokument an jedem ersten Werktag einer Woche versandt und beinhaltet die Ergebnisse aus den Ratsinformationssystemen und die Archivdaten der Agentur aus der vergangenen Woche (s. a. www.IT-weekly.de). Durch die systematische Darstellung im Tabellenformat eignen sich die Auflistungen besonders zur Archivierung und individuellen Auswertung sowie zum Informationsaustausch der Kommunen untereinander.


KOINNO

Behörden Spiegel / September 2018

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Themenseite in Kooperation mit:

Mit Strategie zur innovativen Beschaffung Das Ziel des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung (KOINNO) ist es, die öffentlichen Auftraggeber beim Aufbau bzw. bei der Umstrukturierung ihres Einkaufsbereichs hin zu einer effizienten, innovativen und strategischen Beschaffungsstelle zu unterstützen. Mit welchen Herausforderungen und Hindernissen die Beschaffungsstellen dabei konfrontiert werden, erklärt Matthias Berg, Leiter KOINNO. Ein Schwerpunkt der KOINNO-Aktivitäten sind kostenfreie Beratungsprojekte für öffentliche Auftraggeber. Wie viele Beratungsprojekte hat das KOINNOTeam bisher betreut? Aktuell starten wir unser 27. Beratungsprojekt. Die Beratung selbst bieten wir im dritten Jahr an. Das Spannende ist und bleibt das breite Spektrum unserer Auftragsgeber. Wir beraten Bundeseinrichtungen, öffentliche Auftraggeber aus dem kommunalen Umfeld, regionale Versorger, Kliniken sowie Institute und Häuser aus dem Bildungs- und Wissenschaftsumfeld. Wir sehen hierdurch viele unterschiedliche Strukturen und Organisationsformen, aber auch viele Gemeinsamkeiten bei den Hindernissen und He­ rausforderungen. Welche Themen bzw. Schwerpunkte wurden dabei abgedeckt? Die Themen variieren sehr stark. Grundsätzliche Beratungen sind zu allen Fragen rund um den innovativen Einkauf möglich, z. B. Bestandsanalyse der Einkaufsorganisation und Ableitung von Handlungsempfehlungen, Optimierung von Beschaffungsprozessen oder Begleitung bei der Durchführung eines konkreten Beschaffungsvorhabens zum Einkauf eines innovativen Produktes.

wir deutlich und erkämpfen gemeinsam eine klare Aufwertung z. B. für eine stärkere Innovationsorientierung und eine frühzeitige Einbindung des Einkaufs.

Leitet das Kompetenzzentrum Innovative Beschaffung (KOINNO): Matthias Berg vom Bundesverband Materialwirtschaft Einkauf und Logistik (BME) e. V. Foto: BS/KOINNO

Ausganspunkt für viele Beratungen ist die Frage, wie aus der betreffenden Institution konkret eine innovative Beschaffungsstelle werden kann. Weitere Schwerpunkte sind die Umsetzung strategischer und komplexer Beschaffungs- und Vergabeinstrumente, wie Innovationspartnerschaft, wettbewerblicher Dialog, Verhandlungsverfahren, oder auch der vorkommerziellen Auftragsvergabe. Viele Institutionen suchen nach Unterstützung bei Struktur- und Prozessanpassungen bzw. konkreten Beschaffungsprojekten mit Fokus auf innovativen Produkten und Dienstleistungen. Die Projekte haben deshalb auch sehr unterschiedliche Laufzeiten und Intensitäten. Die Dauer variiert zwischen vier Wochen bis hin zu zwei Jahren. Welchen Herausforderungen müssen sich die Beschaffungsstellen bei einer Umstrukturierung stellen? Allen Anfragen ist gemein, dass wir zunächst die bestehenden Strukturen – Strategie, Prozesse, Richtlinien, Ressourcen, Einbindung etc. – beleuchten und stets an einer stärkeren Präsenz und Mandatierung der Beschaffung in den Häusern arbeiten. Denn hier liegt meist das größte Defizit, da häufig strategische Titel zu finden sind, aber weder klare Strategien oder eineindeutige Aufträge dahinterliegen. Im schlimmsten Fall ist die Beschaffung mehr Servicestelle und Abwickler als innovative Beschaffungsstelle. An diesem Bild feilen

Welche Schlüsse können aus den Erfahrungen des KOINNO-Teams mit den Projekten gezogen werden? Nur über eine innovativ-strategische Beschaffungsstelle können kontinuierlich und wiederholt Mehrwerte geschaffen und Ziele, wie eine stärkere Innovationsorientierung oder die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten, erreicht werden. Zwar können auch operativ arbeitende Beschaffungsstellen über traditionelle Prozesse, z. B. offene Ausschreibung und Leistungsverzeichniserstellung, innovative Ziele erreichen – jedoch in deutlich geringerem Maße. Was muss sich bei öffentlichen Beschaffungsstellen konkret ändern, damit diese effizienter und wirtschaftlicher werden? Auf der Leitungsebene muss zunächst grundsätzlich das Potenzial der Beschaffung erkannt werden. Eine innovative und effiziente Beschaffung zeichnet sich nicht durch eine hohe Quantität an Angeboten und Vergaben aus. Es geht vielmehr um das Erschließen von Bündelungs- und Standardisierungspotenzialen bei einfachen und wenig werthaltigen Produkten, um Raum für komplexe Produkte und Dienstleistungen zu bekommen. Nur wenn Beschaffer über entsprechende Expertise und Ressourcen verfügen, können sie die Warengruppen mit einer Strategie belegen, alte Ausschreibungsroutinen umstellen, in eine aktive Marktforschung gehen und somit den Bedarfsträgern innovative Produkte und Dienstleistungen vermitteln. Dann können sie Finanzmittel optimal einsetzen und die prozessualen Herausforderungen minimieren. In den Häusern muss daher ein klarer Auftrag und Anspruch an die Beschaffer gestellt werden. Sie müssen ein Mandat erhalten und mit den erforderlichen Ressourcen ausgestattet werden.

Hilfsmittel zur Anwendung der innovativen Beschaffung jetzt als Toolbox Der innovative öffentliche Einkauf stellt die Beschaffungsstellen vor zahlreiche Herausforderungen, zu deren Überwindung Ideen, Konzepte und Hilfsmittel erforderlich sind. Die Erarbeitung und Bereitstellung diverser Hilfsmittel zur Anwendung der innovativen Beschaffung ist deshalb ein zentraler Bestandteil des KOINNO-Leistungsspektrums. Dazu zählen u. a. • die frühzeitige Einbindung der Einkaufsfunktion in den Beschaffungsprozess • die E-Vergabe, • die Anwendung betriebswirtschaftlicher Methoden wie der Lebenszykluskostenrechnung, • die Professionalisierung der Beschaffungsfunktion und der Einkäufer. Da die Hilfsmittel häufig miteinander verzahnt sind, führt der Einsatz eines Instrumentes oft zu einer Kombination verschiedener innovativer Ansätze. So ist für eine frühzeitige Einbindung der Beschaffungsfunktion, die entscheidend für das Erreichen strategischer Ziele ist, eine Veränderung des Fokus im Vergabeprozess und in der Wahrnehmung des durchführenden Einkäufers unerlässlich. Um öffentlichen Auftraggebern einen Überblick über die diversen Hilfsmittel zu erleichtern und diese zu erläutern, hat das

KOINNO-Team in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum für Recht und Management öffentlicher Beschaffung der Universität der Bundeswehr München eine sogenannte Toolbox zusammengestellt. Die Toolbox beinhaltet Arbeitshilfen für die verschiedenen Zielgruppen in der öffentlichen Beschaffung. Die rund 100 in diesem strukturierten Werkzeugkasten enthaltenen Instrumente werden der strategischen bzw. operativen öffentlichen Beschaffung zugeordnet. Damit soll verdeutlicht werden, welches Instrument in welchem Prozessschritt auf welcher Ebene (strategisch/operativ) zur Anwendung kommt. Die Arbeitshilfen werden steckbriefartig erfasst und vertieft dargestellt. Weiterhin gibt es Anwendungshinweise bzw. Checklisten für Entscheidungsträger von Beschaffungsstellen, damit die Toolbox zur innovativen öffentlichen Beschaffung in die jeweiligen Institutionen eingeführt und dort verankert werden kann. In der Box ist auch der Lebenszykluskosten-Tool-Picker enthalten, der bisher einzeln auf der KOINNO-Webseite zum Download bereitstand. Die Toolbox wird kontinuierlich an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst und erweitert. Die Toolbox steht kostenfrei zur Verfügung unter www.koinno-bmwi.de .

Die Fragen stelle Bianka Blankenberg, BME

Award für Spitzenleistungen öffentlicher Auftraggeber Beispielhafte Leistungen öffentlicher Auftraggeber im Bereich Beschaffung zeichnet der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) mit dem Award “Innovation schafft Vorsprung” aus. Prämiert werden herausragenden Projekte bei der Beschaffung von Innovationen (Produkte und Dienstleistungen) und der Gestaltung innovativer Beschaffungsprozesse. Der Award, um den sich Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen sowie öffentliche Unternehmen und Institutionen bewerben können, steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Potenzielle Bewerber können bei Bedarf ihr konkretes Beschaffungsprojekt mit dem KOINNO-Team besprechen. Sie erhalten Hilfestellung bei der Zusammenstellung der erforderlichen Informationen für eine Bewerbung. Um die besonderen Herausforderungen zu würdigen, die mit dem Engagement zur Innovationssteigerung durch öffentliche Institutionen verbunden sind, erhalten die Sieger im Wettbewerb jeweils einen Gutschein für Beratungsleistungen in Höhe von 10.000 Euro. Verfahren Die unabhängige Jury trifft die Vorauswahl der besten Konzepte. Die Bewerber mit den innovativsten Lösungen werden zur Präsentation nach Eschborn eingeladen (Termin: 27. November 2018). Aus diesem Kreis ermittelt die Jury den Sieger. Die offizielle Preisverleihung findet im Rahmen des “Tages der öffentlichen Auftraggeber” in Berlin statt.

Aktuelle Veranstaltungen

Dr. Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer BME (links), und Matthias Berg, Leiter KOINNO (rechts), mit den Vertretern der Siegerprojekte 2018 der Berliner Stadtreinigung (v.l.n.r.): Nadia Mittelstädt, Gruppenleitung Serviceleistungen Einkauf; Marc Papenburg, Geschäftseinheitenleiter Zentraler Einkauf; André Lange, Gruppenleiter Kommunaltechnik – Zentraler Einkauf; Mehmet Ali Özcan, Gruppenleiter Technik und Innovation – Müllabfuhr Foto: BS/Marotzke, BME

Teilnahme Jeder Teilnehmer kann entweder ein Konzept zu innovativen Beschaffungsprozessen oder zur Beschaffung innovativer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen einreichen. Voraussetzung ist, dass das eingereichte Konzept in der Praxis verwirklicht wurde und dauerhaft zur Optimierung und Effizienzsteigerung beigetragen hat. Es zeichnet sich aus durch seine Übertragbarkeit auf andere vergleichbare Institutionen bzw. Organisationen der öffentlichen Hand. Der praktische Einsatz der innovativen Produkte, Verfahren und Dienstleistungen sollte die Produktivität und Effizienz – etwa unter finanziellen, prozessualen

und/oder umwelttechnischen Aspekten – nachweislich deutlich verbessert haben. Formalien Die Arbeit muss in deutscher Sprache verfasst sein und sollte 20 Seiten nicht überschreiten. Das Manuskript darf nicht veröffentlicht sein. Einsendeschluss: 12. Oktober 2018 Das Konzept ist als druckfähiges PDF einzusenden an: E-Mail: bianka.blankenberg@bme.de Amtierender Preisträger sind die Berliner Stadtreinigungsbetriebe. Übersicht der Sieger aus den vergangenen Jahren: www.koinno-bmwi.de

KOINNO-Regionalkonferenz Süd “Strategische Beschaffung als Innovationstreiber” Neben der Vorstellung des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung (KOINNO) sind Hemmnisse und der Mehrwert innovativer öffentlicher Beschaffung das Thema der Veranstaltung. Außerdem werden Praxisbeispiele innovativer öffentlicher Beschaffung aus der Region vorgestellt. Die Veranstaltung ist für öffentliche Auftraggeber kostenfrei. Termin: 25. September 2018, Würzburg Weitere Infos: E-Mail: peter.schloesser@bme.de KOINNO-Seminar “EVB-IT-Verträge beim IT-Einkauf der öffentlichen Hand” Bei den EVB-IT (Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik) handelt es sich um Einkaufsbedingungen und Musterverträge der öffentlichen Hand. Das Seminar führt die Anwender in die Systematik und Anwendungsbereiche dieser Vertragsvorlagen unter Berücksichtigung der BGB-Vertragstypen ein. Es macht sie mit dem Wechselspiel zwischen Vertragstext und den ergänzenden AGB bekannt und schafft Verständnis für die jeweiligen Interessenslagen

der Vertragspartner. Ziel ist der erleichterte Umgang mit den Vorlagen. Zielgruppe der Veranstaltung sind ITEinkäufer der öffentlichen Hand, Mitarbeiter der Rechnungsprüfung Die Veranstaltung ist für öffentliche Auftraggeber kostenfrei. Termin: 19. Oktober 2018, Bonn Weitere Infos: E-Mail: peter.schloesser@bme.de Tag der öffentlichen Auftraggeber 2019 KOINNO-Experten und Praktiker informieren über die neuesten Handlungshilfen, Instrumente und Best Practice zur innovationsorientierten öffentlichen Beschaffung. Die Veranstaltung bietet den Beteiligten eine Plattform, um sich über die Herausforderungen und Chancen moderner, digitalisierter Beschaffungsprozesse auszutauschen und ihre Erfahrungen zu teilen. Zielgruppe der Veranstaltung sind Fach- und Führungskräfte der öffentlichen Beschaffung. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Termin: 19. Februar 2019, Berlin Weitere Infos: E-Mail: susanne.kurz@bme.de Anmeldung zu den Veranstaltungen: www.koinno-bmwi.de


Beschaffung / Vergaberecht

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Behörden Spiegel / September 2018

Keine Angst vor Gebraucht-Software

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Kategorischer Ausschluss nicht möglich ► AUFHEBUNG

Führungswechsel Neuer Chef – neue Technik? In der Immunhistologie gibt es zwei Typen von Analysegeräten: halb- und vollautomatische. Während der Vakanz der Chefarztstelle schrieb ein Institut derartige Geräte aus, und zwar in der vollautomatischen Variante. Gleichzeitig erfolgten Bewerbergespräche für die freie Chefarztposition. Der präferierte Bewerber um den Chefarztposten wehrte sich aber nachdrücklich gegen die Verwendung von Vollautomaten. Diese seien im Vergleich zu den Halbautomaten unwirtschaftlich. Letztlich machte er die Annahme seiner Berufung unter anderem von dieser Geräteausstattung abhängig. Das Institut hob daher das Vergabeverfahren für die Vollautomaten auf. Wirksam zwar, aber zu Unrecht, wie die Vergabekammer feststellt. Die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Vollautomaten und die besonderen Wünsche des Chefarztkandidaten sind alle der Verantwortungssphäre des Auftraggebers zuzurechnen. Richtigerweise hätte er die Stellenneubesetzung abgewartet, bevor er sich auf eine Gerätevariante festlegt. Wirksam bleibt die Aufhebung dennoch, weil inzwischen auch der widerspenstige Arzt für den Posten nicht mehr zur Verfügung steht und das Institut nun vorläufig gar keine neuen Geräte beschaffen will. VK Brandenburg (Beschl. v. 11.10.2017, Az.: VK 8/17)

► LEITPRODUKT

Vergleichbare Möbel Holzdekor kaum beschreibbar Ahorn ist Ahorn. Das jedenfalls meint die Bieterin um einen Auftrag für Büromöbel, die sich nach dem Willen des Auftraggebers optisch in die bisherige Möblierung einpassen sollen. Dies im Detail zu beschreiben, war dem Auftraggeber zu kompliziert. Wie auch sollte man die Holz-Maserung erklären: “Keine Astlöcher”? “Breite Jahresringe”? “Starke Kontrastierung”? “Helle Holzfarbe”? Das alles wäre am Ende doch nicht eindeutig. So wählte er einen anderen Ansatz: Er gab die Bestandsmöblierung als Leitprodukt vor und ließ die Gleichwertigkeit mit dem Leitprodukt durch eine Jury bewerten: Wie gut bzw. unauffällig passt das angebotene Produkt zum Bestand, war die Frage an die Juroren. Das Dekor der streitenden Bieterin fiel bei dieser Prüfung durch. Es war im Vergleich zu dunkel. Damit wollte sich die Bieterin nicht abfinden. Sie sah schon in der Vorgabe des Leitproduktes einen Vergabeverstoß. Es sei innerhalb der gesetzten Fristen schlicht nicht möglich, exakt zum Leitprodukt übereinstimmende Dekore zu beschaffen, zumal das Leitprodukt selbst gar nicht mehr hergestellt werde. Damit blieb sie erfolglos. Die Vergabekammer billigt das vom Auftraggeber gewählte Verfahren. In Anbetracht der Schwierigkeiten, ein Holz-Dekor zu beschreiben, sei die Vorgabe eines Leitproduktes nebst Zulassung gleichwertiger Alternativen zu rechtfertigen. Die Beurteilung durch eine Jury sei grundsätzlich sachgerecht. Nachdem die Kammer die unterschiedlichen

Dekore selbst in Augenschein genommen hat, hielt auch die Ausschluss-Entscheidung der Jury ihrem kritischen Blick stand. VK Bund (Beschl. v. 29.01.2018, Az.: VK 2-160/17)

► EIGNUNG

Positive Prognose möglich ... ... trotz unwirksamer Bekanntmachung Immer hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) bisher den Sanitätsdienst fürs Münchner Oktoberfest gestellt. Jetzt ist es in der Ausschreibung für die nächsten vier Jahre einem privaten Konkurrenten unterlegen, der mit höherem kalkulatorischen Risiko einen wesentlich niedrigeren Preis geboten hat. Lehrreich ist an diesem Fall (neben der Sorglosigkeit des Vorauftragnehmers) der Umgang mit den Eignungskriterien. Die hatte die Stadt München nämlich nur online in den Vergabeunterlagen versteckt und damit nicht wirksam bekannt gemacht. Das nahm das BRK zum Anlass, die gesamte Eignungsprüfung (insbesondere natürlich die der Konkurrenz) in Zweifel zu ziehen, um die Zuschlagsentscheidung zu Fall zu bringen. Doch die Vergabekammer kommt zu einem anderen Schluss. Ein Ausschluss eines Bewerbers mangels Eignung sei nicht möglich, wenn die Kriterien nicht wirksam bekannt gemacht worden waren. Hier aber liegt der Fall anders herum: Die streitenden Bewerber waren beide als geeignet angesehen worden. Die Stadt hatte die Prüfung anhand der (unwirksamen) Kriterien vollständig durchgeführt. Sie konnte also durchaus ermitteln, ob Leistungsfähigkeit und Fachkunde der Bewerber gegeben waren. Es bestehe also nicht die Gefahr der Auftragserteilung an ein ungeeignetes Unternehmen. Das Verfahren zurückzuversetzen und mit wirksamer Kriterienbekanntmachung zu wiederholen, würde also für das BRK zum selben abschlägigen Ergebnis führen. Dass das BRK über 130 Jahre Erfahrung mit dem Oktoberfest hat, der private Konkurrent aber nur wesentlich weniger Referenzen aufbieten konnte, spielte letztlich keine Rolle. VK Südbayern (Beschl. v. 05.06.2018, Az.: Z3-3-3194-112-04/18)

► SCHWELLENWERT

Ein Bauabschnitt mehr Überschreitung durch Erweiterung Ursprünglich hatte die Gemeindeverwaltung mit relativ einfachen Mitteln nur einen neuen Ganztags-Kindergarten neben die Grundschule bauen wollen, mit dessen Planung ein Büro freihändig beauftragt wurde. Nachdem die ersten Entwürfe vorlagen, fiel einem Mitglied des Gemeinderates auf, dass man an diese KiTa ganz bequem noch einen zweiten Abschnitt anbauen könnte, der die bisherigen Container auf dem Schulhof ersetzt, in denen die Ganztagsbetreuung der Grundschüler stattfindet. Das würde viel Synergien erzeugen, zum Beispiel bräuchte man nur einen Aufzug, um auch das Obergeschoss barrierefrei zu erreichen. Gesagt,

getan, dem Architekten wird mitgeteilt, dass er noch solch einen zweiten Abschnitt hinzufügen solle. Da hat aber der Bürgermeister die Rechnung ohne die Konkurrenz gemacht: Die Planer, die seinerzeit die Schule errichtet hatten, verlangen nun im Wege der Nachprüfung ein offenes Vergabeverfahren: Der Bau überschreite nunmehr den Schwellenwert. Damit haben sie Erfolg. Die Vergabekammer sieht eine wesentliche Erweiterung des ursprünglichen Planungsvertrages, gestützt sowohl auf das wesentlich größere Bauvolumen als auch darauf, dass der zweite Abschnitt das Doppelte des ersten kosten werde. Das Vorhaben sei eindeutig als ein einheitliches Gebäude zu bewerten (unter anderem wegen des gemeinsamen Aufzuges!). Auch dass es mit unterschiedlichen Haushaltsmitteln finanziert und sukzessive errichtet werden wird, kann diesen Befund nicht aufheben. VK Baden-Württemberg (Beschl. v. 07.06.2018, Az.: 1 VK 10/18)

► GAEB-DATEI

Fax genügt Änderungen am LV wirksam Beim Schulneubau hatte der Auftraggeber übersehen, dass seine Deckenkonstruktion nicht diejenigen Schallabsorptionswerte erreichen kann, die er vorausgesetzt hatte. Dies bemängelte ein Bieter, worauf der Auftraggeber das Leistungsverzeichnis dieses Unterschwellenauftrages überarbeitete und allen Bietern vier Austauschseiten per Fax zukommen ließ. Den Eingang des Faxes haben alle Beteiligten bestätigt. Der Auftraggeber wollte darüber hinaus per E-Mail eine entsprechend geänderte GAEB-Datei versenden. Ob diese E-Mail bei den Beteiligten angekommen ist, war später nicht mehr zu klären. Ausgerechnet der aufmerksame Bieter verwendete nun die alte GAEB-Datei für die Erstellung seines Angebotes, zumal die Ordnungsnummern im alten wie im geänderten LV gleich blieben. Mit seiner Unterschrift unter dem Formblatt 213 glaubte er, die Änderungen anerkannt zu haben. Die Vergabestelle sah dies anders. Sie war sich nicht mehr sicher, was denn nun der Inhalt des Angebotes sein sollte, weil ja die textlichen Beschreibungen zu den Ordnungsnummern noch den alten Inhalt hatten. Deswegen schloss sie das Angebot aus. Zu Recht, wie die Vergabekammer Sachsen-Anhalt feststellte. Eine Kurzfassung, die nur die Ordnungsnummern enthalten hätte, wäre eindeutig gewesen. Die Langfassung mit veralteten Texten ist es hingegen nicht. Der Bieter konnte sich auch nicht darauf berufen, keine neue GAEB-Datei erhalten zu haben, denn ihm lag ja die gefaxte Änderung vor. Diese Seiten händisch auszufüllen und auszutauschen, wäre ihm also möglich gewesen. VK Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 21.12.2017, Az.: 3 VK LSA 93/17)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

(BS/Dr. Daniel Taraz) Mit sogenannten gebrauchten Softwarelizenzen können Behörden ihren Bedarf oftmals genauso passgenau decken wie mit neuen Lizenzen und dabei regelmäßig erheblich sparen, was ganz im Sinne des Grundsatzes des Vergaberechts der Wirtschaftlichkeit ist. Angst vor der Inanspruchnahme durch den Softwarehersteller muss genauso wenig bestehen wie ein grundsätzlicher Ausschluss gebrauchter Softwarelizenzen in einem Vergabeverfahren zulässig sein dürfte. Die öffentliche Beschaffung beruht auf den Grundsätzen Wettbewerb, Nichtdiskriminierung, Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Ferner sind mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund bieten sich die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung auf Basis bestehender gesetzlicher Regelungen etablierten Möglichkeiten des Erwerbs gebrauchter Software (-lizenzen) förmlich an. Denn regelmäßig kann im Zuge dessen durch vergleichsweise günstigere Preise der Wirtschaftlichkeit im besonderen Maße Rechnung getragen werden und gleichzeitig damit der oftmals im mittelständischen Bereich angesiedelte Handel mit solchen Softwarelizenzen gefördert werden. Was aber hält so manche Behörde gleichwohl von einer Ausschreibung unter Berücksichtigung gebrauchter Softwarelizenzen weiterhin noch ab bzw. lässt zumindest Zweifel oder Ängste in diesem Zusammenhang fortbestehen?

Gebrauchte Lizenzen müssen berücksichtigt werden Das fragte sich auch die Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster (Beschluss vom 1. März 2016, Az.: VK 1 - 02 /16) im Jahre 2016 anlässlich einer Ausschreibung, die sich u. a. auf von Microsoft autorisierte Händler begrenzte. Zunächst sah die Vergabekammer keine Gründe für ein Abweichen vom weiteren vergaberechtlichen Grundsatz der produkt- und hier bieterneutralen Ausschreibung. Insbesondere die Befürchtung, vom Hersteller der Software bei der Verwendung von Gebrauchtlizenzen von einem nicht autorisierten Händler auf Unterlassung oder Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, sei vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und Bundesgerichtshofs (BGH) unbegründet.

Erschöpfungsgrundsatz Denn im Jahre 2012 traf der EuGH (Urteil vom 03.07.2012 – C-128/11) nach Vorlage durch den BGH eine Grundsatzentscheidung für den Weiterverkauf von Computerprogrammen. Demnach kann sich ein Hersteller dem Weiterverkauf von per Download im Europäischen Wirtschaftsraum (erstmalig) von ihm im Wege der Veräußerung in Verkehr gebrachter StandardSoftware und der damit verbundenen Lizenzen grundsätzlich nicht widersetzen. Sein Verbreitungsrecht sei insoweit vielmehr

insoweit fehle es bereits an Hinweisen, dass mit einem Verstoß geDr. Daniel Taraz LL.M. gen Schutzrechte ist Rechtsanwalt und Gedurch Bieter von schäftsführer der JENTZSCH GebrauchtlizenIT Rechtsanwaltsgesellzen und daher schaft mbH. mit einer erfolgreichen InanFoto: BS/privat spruchnahme durch den Softerschöpft und (nach Ansicht des ware-Hersteller aufgrund der BGH) ein Recht des Nacherwer- gefestigten höchstrichterlichen bers zur bestimmungsgemäßen Rechtsprechung zu rechnen sei. Benutzung gesetzlich begründet, Grundsätzlich dient ein solsofern der Ersterwerber seine ches Audit dazu, eine korrekte Programmkopien im Zeitpunkt Lizenzierung zu beurteilen. Gedes Verkaufs unbrauchbar ge- brauchte Lizenzen – wenn sie in macht hat. ausreichender Zahl vorliegen Im Jahre 2014 wurde die Er- – sind jedoch genauso rechtens schöpfung explizit auch für soge- wie neue. nannte Volumenlizenzen einzeln durch den BGH bestätigt, ohne Absicherung dass hier eine unzulässige AufDie Vergabekammer erkannte spaltung vorläge (BGH, Urteil schließlich zutreffend, dass die vom 11.12.2014, Az. I ZR 8/13). Anforderungen an das Vorliegen Infolge dieser ausgeprägten der Erschöpfung vom BGH zwar höchstrichterlichen Rechtspre- sehr hoch angesetzt wurden, chung sei vom BGH die “Recht- gleichwohl aber die Möglichkeit mäßigkeit des Gebrauchtsoft- bestehe, sich umfassend in einer ware-Handels” nach Ansicht der Leistungsbeschreibung abzusiVergabekammer im Grundsatz chern und bestimmte Anfordebestätigt. Damit sei der Grund, rungen den Händlern abzuverkeine gebrauchte Lizenz wegen langen. Eine solche Absicherung Regressansprüchen des Herstel- wäre im Lichte des BGH nach lers zu erwerben, entfallen. Die Ansicht der Vergabekammer Abweichung vom vorgenannten gerechtfertigt. Beispielsweise Vergabegrundsatz einer pro- könne dies nach Ansicht der dukt- und hier bieterneutralen Vergabekammer durch eine FreiAusschreibung sei daher nicht stellungsvereinbarung erreicht werden. Manche Gebrauchtsoftgerechtfertigt. ware-Händler bieten überdies Kein Unterschied zur eine positive – vorgangsbezogene Neufassung – Bestätigung des Vorliegens der Auch das durchaus sachliche Erschöpfungsvoraussetzungen Argument eines (mangelnden) durch einen Wirtschaftsprüfer “Downgrade-Rechts” wurde ver- an, was entgegen allgemeiner worfen, da gebrauchte Lizenzen Zertifizierungen der IT oder sonsnicht von der Neufassung zu un- tiger Strukturen des Händlers terscheiden seien. Enthielte also selbst nochmals einen Zugedie Neufassung ein Downgrade-­ winn an Absicherung darstelRecht, dann ermögliche dies len dürfte. Schließlich nutzen auch die gebrauchte Software. Hersteller im Rahmen von AuDie Gebrauchtlizenz biete also dits regelmäßig gerade selbst dieselben Nutzungsrechte wie die Wirtschaftsprüfer. ursprüngliche Lizenz und ginge 1:1 auf den Zweiterwerber über. Fazit Hinzu kommt, dass es schon in Gerade Behörden, die typider Sache bedarfsmäßig verfehlt scherweise eher ältere Softsein dürfte, eine neuere Versi- wareversionen im Einsatz haben on einer Software zu erwerben, dürften, können von gebrauchter um dann gerade nur deren Vor- Software und den damit verbunversion zu nutzen, wenn diese denen möglichen Ersparnissen (gebraucht) noch verfügbar ist. im Sinne des Gemeinwohls profitieren und gleichzeitig den auf Keine Angst vor europäischen Grundfreiheiten Drohgebärden begründeten Handel durch mitAuch das im Rahmen von telständige Unternehmen unAudits durch den Software- terstützen. Auch der NachhalHersteller vom Antragsgegner tigkeit kann durch die Nutzung befürchtete rechtliche Risiko, anderweitig – oftmals ebenfalls dass die Rechtmäßigkeit der Nut- in mittelständischen Unternehzung der gebrauchten Lizenzen men – nicht mehr benötigter bestritten würde und daher der Softwarelizenzen gedient sein. Nachweis der Erschöpfung zu Ein kategorischer Ausschluss erbringen wäre, überzeugte die solcher Lizenzen ist indes zu Vergabekammer nicht. Denn verwehren.

Mehr zum Thema (BS) Andreas E. Thyen, Präsident des Verwaltungsrats der LizenzDirekt AG, bestätigt: “Behörden sollten sich nicht von Herstellern vorschreiben lassen, welche Software-Version sie kaufen. Gebrauchte Lizenzen bieten stattdessen die Möglichkeit, genau das zu erwerben, was man auch benötigt. Ein guter Anbieter dokumentiert exakt, woher die Lizenzen stammen, die er kauft und wieder verkauft. Er kennt die rechtlichen Rahmenbedingungen genau und liefert dem Käufer alle erforderlichen Dokumente mit. Außerdem bietet er seinen Kun-

den Haftungsfreistellung.” Weitere Informationen zur rechtssicheren Beschaffung gebrauchter Software finden sich im Leitfaden “Grundsätze der Beschaffung gebrauchter Software-Lizenzen durch öffentliche Auftraggeber.” Dieser steht zum Download bereit unter: www.behoerden spiegel.de , Stichwort “Sonderpublikationen” in der oberen Menüleiste. Zudem findet am 27. November 2018 das Seminar “Gebrauchte

Softwarelizenzen für Behörden” in Berlin statt. Anmeldung unter: www.fueh rungskraefte-forum.de, Suchwort “gebrauchte Software”.


Personelles

Behörden Spiegel / September 2018

Seite 11

Finanzbehörde Hamburg

PA Präsidialabteilung Nils Grohmann

KfB-VS Kommission für Boden­ ordnung -1838 Heike Heuer Behördliche InSiBe Fr. Mallesch

IR Innenrevision Dr. Ben Diettrich

Behördl. Datenschutzbeauftragter Hr. Dr. Schleif -2027

FR Abteilung Bund-Länder-Finanzbeziehungen (Finanzreferent) Frank Schmitz -2163

-1845

Senator Dr. Andreas Dressel Foto: BS/FB

V Staatsrätin Bettina Lentz

Amt 1 Interner Service und Steuerung

Amt 2 Haushalt und Aufgabenplanung

Amtsleitung (zugl. BfH) Dr. Barbara Jacobs -1524

Amtsleitung Hinrich Coorssen -1591

11 Personal Torsten Bannasch

12 Organisation und IT Gerrit Weise

13 Finanzen Jan Hendriok

14 Recht Mataswitha Stacke

15 Infrastruktur Brigitte Cedzich

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: FB Stand: September 2018

Amt 3 Vermögens- und Beteiligungsmanagement Amtsleitung Dr. Sibylle Roggencamp -1676

Amt 4 Hamburgweite Dienste und Organisation

PR Personalrat Antje Brandt

-2719

Präsidial- und Parlamentsangelegenheiten -1479 Anja Fischer Persönliche Referentin Kerstin Wilmes -2033 Pressesprecher Claas Ricker -1662

VP Vertrauensperson d. Schwerbehinderten -1847 Petra Rubow

Projekt Neuorganisation der Kunden­zentren Jan Schoenrock -2600

VP/SV Vertrauensperson der Schwerbehinderten der Steuerverwaltung Jens Christiansen -2359

Gleichstellungsbeauftragte -2654 Britta Hansen

BHS Betriebsinternes HilfeSystem -1382 Rosmarie Klöppner

PR Personalrat Steuerverwaltung Vorsitzender: -2353 Jan Asmussen

Amt 5 Steuerverwaltung

Amt 6 Bezirksverwaltung

Amtsleitung Ernst Stoll

Amtsleitung Harald Fritze -2427

-1441

Amtsleitung N.N.

21

31

41

51

Allgemeine und grundsätzliche Fragen des Haushaltswesens, volks- und betriebs­wirtschaftliche Fragen, Aufstellung des Haushalts und Haushaltscontrolling, Finanz- und Haushaltspolitik, Finanzplanung, Haushaltsund Kassenrecht, Haushaltssystematik, Internes Kontroll­­system (IKS), Jahres- und Konzernabschluss, Haushaltsrechnung, Personalkosten, Stellenwirtschaft (Stellenplan, personalwirtschaftliche Regelungen), Recht des Öffentlichen Dienstes, Einzelpläne 1.1 und 9.2 Lars Kastning -1451

Grundsatzund Querschnittsaufgaben des Beteiligungsmanagements Andreas Bolenz -1715

Grundsatzangelegenheiten der Organisation, Verwaltungsmodernisierung Markus Brockmann -1547

32

42

Betriebs- und finanzwirtschaftliche Angelegenheiten der Beteiligungen Rüdiger Hintze -1694

Vergaberecht, Gebühren, Vergabekammer, Enteignungsbehörde N.N. -2462

Allg. Rechtsang., Abgabenordnung und Nebengesetze, Finanzgerichtsordnung, UmsatzSt, Zölle u. Verbrauchsteuern, Verfassungsrecht, Straf- und Bußgeldsachen, Betriebsprüfung, Umsatzsteuersonderprüfung, Steuerfahndung, Servista, IFG, Datenschutz N.N. -1465

33

43

Vermögensmanagement Sven Padberg -1667

Hamburgweite Dienste Hans Randl -1572

340 Vorprüfungsstelle Thomas Rademacher -2036

-1850

52

61 Bezirksangelegenheiten: Jus­­ti­­ziariat u. Fachamts­ angelegenheiten Hans-Jürgen Behncke -1550

62 Ressourcen und Strukturen Ulrike Reinert -1535

63 Anliegerbeiträge Britt-Marie Fenske

-4331

Lohn-, Einkommen- und KirchenSt, BilanzsteuerR, UmwandlungssteuerR, Fördergesetze, Prämienrecht, Beschwerdemanagement Michael Wagner -1447

53

22 Einzelpläne 2, 4, 5 und 8.1, Projekt EPSAS Rainer Braun -1586

23 Einzelpläne 1.0, 3.1, 3.2, 3.3 und 9.1, Diepo, Besondere finanzpolitische Aufgaben Dr. Matthias Woisin -1435

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

KörperschaftSt, GemeinnützigkeitsR, UmwandlungsStG (§§ 1 – 19 UmwStG), GewerbeSt, ErbschaftSt, Bewertung, VerkehrSt, Landes- u. KommunalSt, LuftVStG, Finanztransaktionsteuer, Internationales SteuerR, RHAngelegenheiten -1507 Tim Segebrecht

54 Organisation, Automation (IT-Planung), Haushalt, Beschaffung Karsten Dames -1436

24 Einzelpläne 1.2 – 1.8, 6.1, 6.2 und 7, “Projekt Aufbau Steuerbüro” Uwe Voss -1588

55 Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen -LIG 1Thomas Schuster -4000

Kasse.Hamburg -KLJan Schoenrock

Finanzbehörde Gänsemarkt 36 20354 Hamburg Tel. erreichbar über den Telefonischen HamburgService 428 28 – 0 Direktdurchwahl: 428 23 – (App.)

-2600

Hamburgische Münze -MRalph Thiemann -428 41 6920

Landesbetrieb Gebäude­ reinigung Hamburg -LGH 1Thorsten Holtz -428 12 1000

Personalangelegenheiten, Verwaltungssteuerung, Ausu. Fortbildung, SteuerberatungsR, Beratungsstelle – Impulse für Arbeit und Gesundheit Hr. Heinz -2360

SBH | Schulbau Hamburg -GF 1Hr. Rowohlt -6000 -GF 2Fr. Herrmann -6700


Diplomaten Spiegel

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“H

eute”, so Botschafter Kasimov “sind wir ein modernes, sich dynamisch entwickelndes, marktwirtschaftlich orientiertes Land, reich an natürlichen Ressourcen, hochqualifizierten Fachkräften und, seit dem Amtsantritt von Präsident Shavkat Mirziyoyev vor zwei Jahren, eines mit weitreichenden Reformen. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Stärkung der Zivilgesellschaft, Nichtregierungsorganisationen (NGO) und Medien gelegt, das Justiz- und Rechtssystem reorganisiert und ein Anti-Korruptions-Gesetz verabschiedet.”

Behörden Spiegel / September 2018

Usbekistan: ein junger, moderner Staat Ein Gespräch mit seinem Botschafter Nabijon Kasimov in Berlin (BS/ps) Die Nachbarn gehörten, außer Afghanistan, alle bis 1991 der ehemaligen UdSSR an: Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Turkmenistan. Mit 447.000 Quadratkilometern ist Usbekistan um 91.000 Quadratkilometer, das entspricht der Fläche Portugals, größer als die Bundesrepublik. Die 32 Millionen Einwohner des bevölkerungsreichsten Landes Zentralasiens sind im Durchschnitt gerade mal 23 Jahre alt. Hierzulande liegt der Altersdurchschnitt mit 42,1 Jahren, nach Italien und Japan, weltweit am höchsten. Mit 48 Jahren ist Nabijon Kasimov, als er 2017 Botschafter in Berlin wird, daher “nur” voll im europäisch-demografischen Trend. 1996 kommt er, 24-jährig, nach der Hochschule in Kiew in den diplomatischen Dienst und von 1999 bis 2003 erstmals an die usbekische Botschaft in Bonn bzw. Berlin. Das neue Gebäude, früher “Ballhaus Tiergarten”, ist seit 2011 in der neuen Hauptstadt der repräsentative Rahmen, um in diesem September die 27-jährige Souveränität der Republik mit einer fast 3.000-jährigen Geschichte zu feiern.

Der Präsident ist online Und auch das Internet findet in diesem Zusammenhang mehr und mehr Beachtung und Bedeutung. Derzeit gibt es dort, wo einst die sagenumwobenen Seidenstraße verlief, mehr als 20 Millionen Nutzer des WWW. Mit einer steigenden Tendenz von jährlich 36 Prozent. Vor diesem Hintergrund und um die Effizienz und Transparenz des sich modernisierenden Staates präsent und für alle offen zu machen, gibt es ein eigenes Interaktionssystem. Damit können sich die “User” nicht nur mit Beschwerden und Aussagen, sondern auch mit Vorschlägen zu aktuellen Fragen an die “Obrigkeit” wenden. Sogar der usbekische Präsident ist online... “Dies führt zu einer spürbaren Zufriedenheit unserer Menschen und verbessert im Übrigen die staatlichen Entscheidungen. Es ist bemerkenswert, dass Usbeken laut einer aktuellen GallupStudie (USA) zu der Frage “Bewertung positiver Gefühle” zu den optimistischsten und am positivsten denkenden der Welt gehören”, unterstreicht Kasimov. Und das alles seit Langem in friedlicher Koexistenz, zwischen sunnitischen Muslimen, russisch-orthodoxen Christen, sonstigen christlichen Konfessionen und Schiiten. Alles in allem gehören sie über 100 Völkern an, 71 Prozent davon dem Usbekischen. Die übrigen sind Russen, Tadschiken, Karakalpaken, Kasachen, Tataren, Koreaner, Wolgadeutsche und etwa 24.000 Deutsche, die in den Großstädten des Landes eigene Kulturzentren und Kirchen haben.

Friedliche Koexistenz “Wir sind stolz, dass sie alle friedlich zusammenleben und ihren Beitrag zum Aufbau eines demokratischen und wirtschaftlich prosperierenden Usbekistans leisten”, sagt der amtierende Botschafter Usbekistans in Berlin. Mit Erfolg, wie sich zeigt. Hinzu kommen deutliche Verbesserungen der sozialen Sicherheit, in den Bereichen Bildung, Gesundheit,

ways Konkurrenz. Was ja wiederum das Geschäft beleben soll... Aber das ist eine andere Geschichte. “Im Weiteren ist auch die Teilprivatisierung des Energiesektors geplant sowie ein Verfahren zum Erwerb von Grund und Boden durch elektronische Auktionsgebote per Computer auf einer virtuellen Handelsplattform. Hierbei sind wir sehr daran interessiert, deutsches Know-how zu bekommen. Grundsätzlich könnten deutsche Unternehmen sich auch an usbekischen in irgendeiner Rechtsform beteiligen”, erzählt Kasimov weiter. Mit ihrem “New Deal” versucht die Regierung schrittweise, Staat und Gesellschaft zu reformieren – ohne dabei das “alte Haus” abzureißen, bevor das neue nicht gebaut ist. Durch diese eher evolutionäre Politik konnte die Regierung in der Hauptstadt Taschkent im Weiteren eine Reihe von strittigen Grenzproblemen mit seinen Nachbarn lösen und auch für die Nutzung grenzüberschreitender Flüsse Einvernehmen erzielen.

Zum zweiten Mal in Deutschland

Seit 24 Jahren im diplomatischen Dienst Usbekistans: Seine Exzellenz Botschafter Nabijon Kasimov.

Jugend sowie in der Rentenpolitik. Ferner werden das Steuerund Zollsystem reformiert, ein ausgeglichener Haushalt, die freie Konvertierung der Währung erreicht und, nach und nach, Hindernisse für Außenhandel und Investitionen beseitigt. 2017 liegt das Wirtschaftswachstum bei knapp sechs Prozent.

Deutschland im Fokus “Die Wirksamkeit all dieser Maßnahmen wird von der Weltbank bestätigt”, berichtet Kasimov. Und weiter: “Danach gehören wir zu den “Top Ten” der Reformstaaten bei der Schaffung günstigster Bedingungen für Investoren. Im letzten Jahr wurden hierzulande zwölf freie Wirtschafts- und 45 Indus­triezonen eingerichtet, um die Entwicklung unserer Regionen zu beschleunigen. In naher Zukunft sollen 50 weitere folgen.” Und weil Deutschland einer der wichtigsten Partner Usbekistans in den Bereichen, Kultur, Wirtschaft, Technologie und Tourismus überhaupt sei,

stehe es deshalb ganz oben auf Kasimovs Agenda. “Zusammengefasst sehe ich meine Aufgabe darin, dass Deutschland bei uns die größtmögliche Präsenz bekommt. Natürlich möchte ich auch, dass möglichst viele Deutsche mein Land kennenlernen, Städte wie Samarkand (Weltkulturerbe Stadt, 750 v. Chr. als Afrasiab gegründet), Buchara an der alten Seidenstraße oder die Oasenstadt Chiwa besuchen, unsere Kultur und Traditionen kennenlernen und ggf. Geschäftspartner und Freunde finden. Heute arbeiten in Usbekistan knapp über 100 deutsche Firmen und es werden hoffentlich bald noch viele mehr sein”, so Kasimov.

Teilweise Öffnung für den Wettbewerb Derweil gehe die Privatisierung staatseigener Betriebe zügig voran. “Präsident Shavkat Mirziyoyev unterzeichnete einen Erlass, der den Verkauf von Staatsobjek-

Als Diplomat nach Hause

Teil der usbekischen Kultur im Botschaftsgarten: Aiwan bzw. Pavillon im Stil einer orientalischen Teestube

ten für ihre spätere Verwendung zu unternehmerischen Zwecken vereinfacht und beschleunigt. Darunter eine dreijährige Ratenzahlung und Vereinfachungen beim Erwerb. Dies betrifft natürlich nicht die Schlüssel-

Botschafters Rezept PLOV (FÜR 6 PERSONEN) Zutaten (4 Portionen): 1 kg Lammfleisch, 5 Karotten, geraspelt, 4 kleine Zwiebeln fein gewürfelt, 600 g Reis, 1 kl. Dose Kichererbsen, 25 g Berberitzen, alternativ Rosinen oder getrocknete Aprikosen, 4 Knoblauchzehen, etwas Tomatenmark, 4 TL Salz, 2 TL Paprikapulver edelsüß, 1 1/2 TL Zucker, 1 1/2 TL Kreuzkümmel, 1 TL Chiliflocken, 1 1/2 TL Kümmel, 1 TL Kurkuma, 1 Msp. frischen Koriander, 1 1/2 TL Koriander, gemahlen, 5 Lorbeerblätter, 5 Pimentkörner, 1 L Wasser, Sonnenblumenöl zum Anbraten.

Einer der prächtigsten Plätze an der Seidenstraße: Der Registan-Platz in Samarkand als Zentrum der islamischen Wissenschaft mit drei Schulen (arabisch: Madrasa): im Bild die Ulug’bek-Madrasa (links) und die Sher-Dor-Madrasa (rechts). Zum Trio wird das Ensemble durch die Tilya-Kori-Madrasa (nicht im Bild). Foto: BS/Botschaft Usbekistan, Anvar Ilyasov, Nachrichtenagentur “Dunyo”

Fotos: BS/Dombrowsky

Zehn Monate ist Nabijon Kasimov Botschafter in Berlin, er spricht unsere Sprache, kennt sich aus mit Land und Leuten, und wenn es in der Diplomatie einen “break-even point” wie bei den Wirtschaftswissenschaften gäbe, so hat er ihn gut und gerne erreicht. Gefragt, ob ihm hierzulande schon das typisch Deutsche aufgefallen ist, meint er, dass hierauf wahrscheinlich viele antworten, dies seien für sie “die gemütlichen Kleinstädte, Autobahnen, Würstchen, Bier oder Fußball. Für mich sind das allerdings die Deutschen selber, mit ihrem Fleiß, Sinn für Ordnung, ihrer Pünktlichkeit, Pragmatik und Gesetzestreue.”

Zubereitung: Das Lammfleisch in ca. 2–3 cm große Würfel schneiden und im Sonnenblumenöl anbraten. Die geraspelten Möhren zusammen mit den fein gewürfelten Zwiebeln und dem Knoblauch hinzufügen. Dann sämtliche Gewürze drüberstreuen, etwas Tomatenmark dazu und etwa 20 Min. unter gelegentlichem Rühren schmoren. Danach die Kichererbsen, die Berberitzen und den Reis gleichmäßig drüberstreuen und das Wasser vorsichtig angießen, sodass sich nichts vermischt. Nicht umrühren! Kurz aufkochen und bei niedriger Hitze so lange mit aufgelegtem Deckel kochen, bis der Reis gar ist und sämtliches Wasser aufgenommen hat. Jetzt erst umrühren – fertig. Dazu einen Salat aus ganz dünn geschnittenen Tomaten, sehr fein gehackten Zwiebeln mit etwas Öl und Salz servieren. Mit dem einen und anderen Bier und Wein dazu.

industrien, wie z. B. Gold- und Ölgewinnung, die unter staatlicher Kontrolle bleiben.” Privaten Unternehmen wird aber der Zugang zum Luftfahrtsektor ermöglicht. So bekommt die staatliche Uzbekistan-Air-

Letzte Frage. Dieses Jahr wird Kasimov 24 Jahre, also fast ein Viertel Jahrhundert, die Hälfte seines bisherigen Lebens, im diplomatischen Dienst seines Landes stehen und es aller Voraussicht nach noch weitere 20 Jahre können. Möchte er da nicht doch noch mal was ganz anders tun? “Jein. Mein Job ist sehr interessant, vielseitig und befriedigend. Um all den verschiedenen Menschen mit ihren Anliegen gerecht zu werden, bin ich manchmal Arzt, Baumeister, geistiger Beistand, Landwirt, Lehrer oder Soldat und doch Diplomat, um allen irgendwie helfen zu können. Andererseits liebe ich meine Heimat, meine Familie und die Freunde, die dort leben – von daher “zieht” es mich schon nach Hause. Aber eben als Diplomat.”

Vorschlag angenommen Zimmermann im VN-Menschenrechtsausschuss (BS/jf) Als einer von 18 unabhängigen Experten ist Prof. Dr. Andreas Zimmermann, Universität Potsdam, zum Mitglied des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen ernannt worden. Auf Vorschlag des Auswärtigen Amtes wählten die Vertragsparteien des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte den gebürtigen Tübinger in das Gremium. Zimmermann ist seit Oktober 2009 Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, insbesondere Staatsrecht, Europarecht und Völkerrecht sowie Europäisches Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsvölkerrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam. Der 57-Jährige ist seit 2010 zugleich Mitglied des völkerrechtswissenschaftlichen Beirates des Auswärtigen Amtes, Direktor des Potsdamer Menschenrechtszentrums und Deutscher Ad-hoc-Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

“Wir freuen uns, dass mit ihm ein ausgewiesener Völkerrechtsexperte mit langjähriger praktischer Erfahrung in der völkerrechtlichen Beratung sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene im VN-Menschenrechtsausschuss mitwirken wird”, sagte eine Sprecherin von Bundesaußenminister Heiko Maas. Zimmermann folgt auf das bisherige deutsche Mitglied des Ausschusses Prof. Dr. Anja Seibert-Fohr. Seine Benennung diene auch dem Ziel, das Ansehen und die Autorität des Gremiums zu erhöhen.


Gesundheit

Behörden Spiegel / September 2018

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Abschluss ohne Tarifvertrag

Bei vier bis fünf

Schlichtung an Unikliniken in NRW abgeschlossen

GdS-Bundesvorsitzender zum Stand der Digitalisierung bei der Sozialversicherung

(BS/jf) Über sechs Monate dauerte der Konflikt zwischen den Unikliniken Düsseldorf und Essen aufseiten der Arbeitgeber und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi). Am Ende hat die Schlichtung ein für alle Seiten akzeptables Ergebnis hervorgebracht: mehr Personal, ein Ausfallmanagement und Vorgaben zur Regelbesetzung. Und eine Gefühlsmischung aus Freude, Erleichterung und Hoffnung. Doch damit nicht genug.

(BS) “In der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung wird es immer Menschen geben, die für die Versicherten da sind”, ist Maik Wagner überzeugt. Mit dem Behörden Spiegel sprach der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS) über die Digitalisierung bei den Trägern, ihre Auswirkungen auf die Beschäftigten und ihre Karrieremöglichkeiten sowie wie die GdS diesen Prozess begleiten will. Die Fragen stellte Jörn Fieseler.

Die Freude ist in erster Linie aufseiten der Gewerkschaft. “Die Vereinbarung ist ein Meilenstein für die Entlastung von Beschäftigten in Krankenhäusern”, sagte Verhandlungsführer Wolfgang Pieper, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand und zuständig für die Tarifpolitik des Öffentlichen Dienstes. Im Ergebnis schaffen beide Häuser zeitlich gestaffelt 180 neue Stellen, davon 140 für die Pflege am Krankenbett und 40 weitere für die übrigen Bereiche, zum Beispiel den Krankentransport. Die ersten 50 Stellen sollen jeweils noch in diesem Jahr eingerichtet werden, weitere 65 bis zum 30. Juni 2019 und nochmals 65 bis zum 31. Oktober 2019. Zudem werden innerhalb von 18 Monaten für alle Pflegebereiche Personalbedarfsermittlungsverfahren durchgeführt, Regelbesetzungen für jede Schicht bestimmt und ein verbindliches “Ausfallmanagement” eingerichtet, das den Umgang mit Personalengpässen regelt. Für die Ausbildung gilt: Auszubildende werden nicht als Ersatzkräfte, sondern als zusätzliches Personal geplant. Für jeden Azubi ist eine direkte Zusammenarbeit unter Aufsicht einer Fachkraft des angestrebten Ausbildungsberufes sicherzustellen. Das Paket ist eine rechtlich verbindliche Vereinbarung zwischen den Tarifparteien, aber kein eigenständiger Tarifvertrag. Diesen Umstand anzuerkennen, habe maßgeblich zur Lösung des Konfliktes beigetragen, erklärte ­Ekkehard Zimmer, Kaufmännischer Direktor und stellvertretender Vorsitzender des Uniklinikums Düsseldorf. Das Ergebnis sei zwar ein erster, großer Schritt, gleichwohl ersetze es nicht die gesetzlichen Vorgaben zur Personalausstattung für eine gute und sichere Patientenversorgung, mahnt Syl­ via Bühler, ebenfalls Mitglied im Verdi-Bundesvorstand und für den Fachbereich Gesundheitswesen zuständig. “Wir verspüren alle hier am

Für die Pflege am Krankenbett oder wie hier auf der sogenannten Frühchenstation gibt es in den Unikliniken Düsseldorf und Essen je 140 neue Stellen. Foto: BS/travisdmchenry, pixabay.com

Universitätsklinikum Essen große Erleichterung”, betont unterdessen Prof. Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen. Und sein Düsseldorfer Kollege, Prof. Dr. Benedikt Pannen, stellvertretender Ärztlicher Direktor, ergänzt: “Wichtig ist nun, dass die Einschränkungen für die Patienten aufgrund des Streiks schnell beendet werden.” Zudem ist man in der NRW-Landeshauptstadt zuversichtlich, dass die seit 2016 eingeschlagene Konsolidierungsstrategie trotz der Personalsteigerung von 15 Prozent fortgesetzt werden kann. Werner sieht das Ergebnis aber auch als Signal und Auftrag an die Politik: “Überarbeitete Pflegekräfte und Arbeitsverdichtung sind nicht nur ein Essener Pro­ blem. Der Pflegenotstand hat sich seit mehr als zehn Jahren angebahnt. Derzeit werden die neuen Stellen nur dann umgehend besetzt werden können, wenn Personal aus anderen Krankenhäusern verschoben werden würde. Die Politik muss deshalb für die Zukunft entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, die den Pflegeberuf attraktiver machen und die Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern.”

MELDUNG

Diakonie startet Kampagne (BS/jf) 77,5 Prozent aller diakonischen Krankenhäuser bilden in der Krankenpflege aus. Diese Zahl nannte der Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland e. V. (VdDD) zum Start einer neuen Kampagne. “Durch die Ausbildung in gesundheitlichen und sozialen Berufen leisten diakonische Unternehmen einen unverzichtbaren Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung der gesamten Bevölkerung”, betont VdDD-Vorstandsvorsitzender Christian Dopheide. Damit würden die Unternehmen aktiv dem Fachkräftemangel in

der Branche entgegenwirken und durch ihre sozialen Angebote gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Mit der Kampagne will der Verband den Blick auf das gesellschaftliche und unternehmerische Leistungspotenzial diakonischer Einrichtungen richten. Schließlich seien die Sozialunternehmen mit mehr als einer halben Mio. Beschäftigten bedeutende Akteure im deutschen Arbeitsmarkt und zentraler Pfeiler der Wirtschaft und Gesellschaft, so Dopheide. Gleichzeitig soll so der Blick der Politik geschärft werden.

B

ehörden Spiegel: Herr Wag­ ner, wie ist es um die Sozial­ versicherung, ihre Träger und die dortigen Beschäftigten bestellt? Wagner: Die Sozialversicherungsträger in Deutschland sind gut aufgestellt. Sowohl was die Beschäftigtenquote betrifft als auch die Ausbildung. Wir haben hier gut qualifizierte Kräfte. Trotz aller Änderungen in der Renten-, Unfall- oder Krankenversicherung in den letzten Jahren ist das gegliederte System gut aufgestellt. Natürlich wird es bei den Krankenkassen weitere Fusionen geben. Derzeit haben wir 112 Krankenkassen, vereinzelt haben diese 2.000 Mitglieder. Hier wird es zu Zusammenschlüssen kommen und die GdS wird die betroffenen Mitarbeiter schützend begleiten. Behörden Spiegel: Inwiefern wird die Digitalisierung Ände­ rungen im System erforderlich machen? Wagner: In der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung wird es immer Menschen geben, die für die Versicherten da sind. Die Arbeitsprozesse werden sich allerdings verändern. Vor allem einfache Arbeiten, die bisher von Menschen gemacht werden, fallen weg und werden von Maschinen übernommen. Wenn ein Arbeitnehmer seine Rente berechnet haben möchte, wird dieser Schritt in Zukunft rein maschinell erfolgen, die dafür relevanten Daten werden laufend eingepflegt. Auch Abrechnungsprozesse werden natürlich digitalisiert. Dafür werden andere Tätigkeiten neu entstehen, in der Beratung, aber auch im Service der Körperschaften. Das werden wir als Gewerkschaften nicht aufhalten. Aber wir müssen diese Weiterentwicklung begleiten und die Rahmenbedingungen gestalten. Vor allem für die Beschäftigten bei den Trägern. Auf der anderen Seite geht es in der Beratung um hochsensible Sozialdaten, da müssen auf beiden Seiten Menschen im Mittelpunkt stehen. Es gibt Entwicklungen, auch in diesem Bereich auf Online-Angebote umzustellen und das Personal zurückzufahren. Davor kann ich nur warnen! Für die jüngere Generation ist der Umgang mit dem Internet kein Problem. In der Regel treten jedoch ältere Menschen mit den Sozialversicherungsträgen in Kontakt, die nicht so internetaffin sind. Deshalb muss das Sozialrecht in Menschenhand bleiben und gelebt werden. Behörden Spiegel: Und was ist mit den Personalkosten? Wagner: Die sind zu vernachlässigen. Die Krankenkassen haben einen durchschnittlichen Satz für Verwaltungskosten von insgesamt fünf Prozent. Das um-

spielt neben der Qualifikation der Mitarbeiter auch der Beschäftigtenschutz eine wichtige Rolle. Bei allen technischen Behörden Spiegel: Wo ist die Möglichkeiten darf Sozialversicherung bei der Digita­ es nicht zum glälisierung auf einer Skala von null sernen Mitarbeiter (am Anfang) bis zehn (komplett kommen. Wir sollten umgesetzt)? aber nicht alles Wagner: Bei vier bis fünf. Sie ist s c h l e c h t r e d e n . auf dem Weg und im Vergleich Die Digitalisierung bietet große zum Öffentlichen Dienst relativ Chancen, Prozesse neu zu denweit. Sicherlich ist längst noch ken und bisherige Arbeitsabläufe nicht alles umgesetzt, was tech- zu verändern. Nehmen sie nur nisch möglich ist. Wir dürfen aber die Frage des Arbeitsortes. Das nicht außer können wir auch tarifAcht las“Wir als GdS sind dabei, mit regeln. sen, dass den Tarifpartnern die Digitali- lich Wenn ein sich die K u n d e n / sierung in unseren Tarifverträ- Mitarbeiter die Versinur noch gen zu gestalten.” cherten, geelektrorade bei der Unfall- und Kranken- nisch arbeiten will, ohne Papierversicherung, Hilfe brauchen und akten, dann muss er den Zugang individuelle Beratung suchen. ins Netz haben, ob durch einen Das geht nur mit ausreichendem Telearbeitsplatz oder durch mobiund gut qualifiziertem Personal. les Arbeiten ist dabei zweitrangig. Das kostet, aber das sind die Das Personal bei den SozialverTräger den Versicherten schuldig. sicherungsträgern leistet gute Außerdem wird noch einiges auf und effiziente Arbeit, die müssen uns zukommen, was heute noch wir erhalten. Wir wollen mit alnicht absehbar ist. Insgesamt len unsern Tarifpartnern diese gehe ich davon aus, dass die An- technische Weiterentwicklung zahl der 370.000 Beschäftigten in tarifvertraglich begleiten. dieser Größenordnung bestehen Behörden Spiegel: Neue Auf­ bleibt. Ich erwarte jedoch von den Arbeitgebern, dass die Beschäf- gaben und dafür notwendige tigten für die neuen Herausforde- Qualifizierungen bedeuten mög­ rungen qualifiziert werden, damit licherweise einen Aufstieg. Wie sie die neuen Aufgaben auch be- sind die Karrieremöglichkeiten in wältigen können. Da können wir der Sozialversicherung? uns noch verbessern. Wagner: Die Krankenkassen Behörden Spiegel: Was wäre haben ein sehr durchlässiges Verfahren. Man kann nach Ausdafür notwendig? bildung, Fortbildung oder StudiWagner: Vor allem die Technik. um einsteigen. Es gibt sehr gute Die Kolleginnen und Kollegen Aufstiegsmöglichkeiten, wenn höheren Alters müssen technik­ der Job erfolgreich erledigt wird. affiner werden, damit die EDV Bei der Renten- und Unfallverwirklich als Hilfsinstrument ge- sicherung ist es etwas strenger. nutzt wird. Und eine stetige Aus- Dort gibt es höhere Beamtenund Weiterbildung. Vor allem, zahlen und damit auch mehr wenn gesetzliche Änderungen Vorgaben zum Beurteilungs- und kommen. Letzteres haben die Beförderungswesen. Ansonsten Versicherungen auf der Agenda. kann man relativ zügig und mit Ich erlebe immer wieder, dass die erfolgreicher Tätigkeit Karriere Arbeitgeber ein großes Interesse machen. Aber man muss Verhaben, ihre Beschäftigten zu qua- änderungsfähig und -willig sein. lifizieren. Weil sie wissen, dass Ich sage jugendlichen Auszubildie veränderten Aufgaben auch denden: Ihr habt gute Aufstiegsbewältigt werden müssen. Die möglichkeiten, wenn ihr wollt. besten Beispiele dafür waren das Behörden Spiegel: Reichen für letzte Rentenpaket und die Rente mit 63. Das Paket ist damals am Qualifizierung und Weiterbildung 23. Dezember im Bundesrat be- die Kapazitäten? schlossen worden und am 1. Januar mussten die Beschäftigten Wagner: Natürlich sollte man die Neuerungen umsetzen. Und nie zufrieden sein mit dem, was das haben sie gemacht. Natürlich man hat. Die Körperschaften hamit Anweisung von Überstunden ben ihre eigenen Ausbildungs-, und Samstagsarbeit – aber so Weiter- und Fortbildungssystesind wir aufgestellt. Natürlich me. Hier ist in den vergangenen wurden auch mehrere 1.000 Jahren nicht in den GrößenÜberlastungsanzeigen bei der ordnungen gespart worden wie Deutschen Rentenversicherung andernorts. Natürlich gibt es bei Bund gestellt. Im Ergebnis hat dem einen oder anderen Unteralles funktioniert. Selbst die Ein- nehmen Verbesserungsbedarf, führung der Pflegeversicherung im Großen und Ganzen sind die 1996 haben wir geschafft, obwohl Träger der Sozialversicherung wir kein Personal dafür hatten. aber gut aufgestellt. Natürlich haben sich auch die Behörden Spiegel: Und wie Ausbildungsberufe verändert, begleiten Sie als Gewerkschaft gerade mit der Digitalisierung wird auch noch ein gewisser den Prozess? Markt auf uns zukommen. Zum Wagner: Wir als GdS sind dabei, Beispiel hinsichtlich des Datenmit den Tarifpartnern die Digi- trägeraustausches zwischen talisierung in unseren Tarifver- Krankenhäusern und -kassen trägen zu gestalten. Ein Beispiel: und Verbänden. Ich kenne keiWenn durch Zentralisierungen nen Sozialversicherungsfachanan einem Standort bestimmte gestellten, der arbeitslos ist. Aufgaben entfallen, dann müssen Behörden Spiegel: Wie essenzi­ dort Ausgleichsarbeiten verortet werden. Diese müssen auch ein ell ist die elektronische Patienten­ bestimmtes Niveau haben, damit akte für Krankenversicherungen die Beschäftigten auch gefordert und wird es mehr Einzellösungen werden. Arbeit darf nicht ent- wie bei der Techniker Kranken­ wertet werden. Und natürlich kasse geben? fasst persönliche und sächliche Ausgaben. Auch bei den anderen Sozialversicherungsträgern sind sie gering. Gemessen an den Gesamtausgaben sind das marginale Werte.

Seit sechs Jahren Bundesvorsitzender der GdS: Maik Wagner Foto: DBB, Marco Urban BSI

Wagner: Generell halte ich es für sinnvoll, dass auf der Versichertenkarte alles gespeichert wird, was den Versicherten direkt betrifft: Krankheitsbilder, dauerhaft einzunehmende Medikamente, Allergien etc. So können die Daten im Notfall bei einer Einlieferung ins Krankenhaus sofort eingelesen werden. Das ist unbestreitbar ein Vorteil für Versicherte und Behandelnde. Für die gesetzlichen Kassen ist die elektronische Patientenakte weniger relevant, da sie nicht mit dem Versicherten abrechnen, sondern mit den Vertragspartnern. Es gibt aber nach wie vor zahlreiche Bedenken, zum Beispiel wenn die Karte verloren geht und ob dann ein Datenmissbrauch möglich ist. Das gleiche Pro­ blem haben wir bei der EC- oder Kreditkarte. Dort kann ich die Karte bei Verlust einfach sperren lassen. Zudem glaube ich nicht, dass Versichertenkarten häufiger verloren werden als Bankkarten. Die Zielsetzung muss sein, nur eine Lösung für alle Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung vorzuhalten. Ich kann aber nicht sagen, bis wann das der Fall sein wird. Die Krankenkassen haben dafür schon sehr viel Geld in die Hand genommen. Deshalb ist es schade, dass wir da noch nicht weiter sind. Behörden Spiegel: Wird am Ende der Bund die Umsetzung und deren Kosten übernehmen? Wagner: Das wäre denkbar. Wahrscheinlich würden dann Gelder im System umgeschichtet, zum Beispiel Zuschüsse an anderer Stelle gekürzt. Behörden Spiegel: Im Mai ist die EU-Datenschutzgrundverord­ nung (DSGVO) in Kraft getreten. Auf kommunaler Ebene hat man den Eindruck gewonnen, dass dort noch viel zu tun ist. Wie sieht es in der Sozialversicherung aus? Wagner: Die Sozialversicherungsträger waren schon immer besonders sensibilisiert. Deswegen war die EU-DSGVO in der Sache nichts Neues. Was das Sozialdatengeheimnis betrifft, waren die Versicherungen sehr weit. Natürlich gibt es jetzt Überlegungen, ob ein Versicherter telefonisch zurückgerufen werden kann. Aber das war vorher auch schon so. Das ist nicht das Problem. Es wird jetzt ein bisschen komplizierter, aber es wird schon praktiziert. Behörden Spiegel: Was ist mit den Nachfragen von Versicherten, welche Daten eine Stelle über sie sammelt? Wagner: Den Versicherten ist bekannt, welche Daten von ihnen vorgehalten werden. Ansonsten halten wir keine Daten vor, die für die Versicherung des Einzelnen nicht notwendig sind. Also Einkommen, Beiträge werden gemeldet, in den Krankenkassen noch die Krankheitsbilder.


Zahlen & Fakten

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Behörden Spiegel / September 2018

Partielle Schließungen bei freiwilligen Leistungen (BS/jf) Deutsche Städte und Gemeinden haben in den letzten 30 Jahren oft zu wenig investiert. Dies rächt sich vor allem bei freiwilligen Leistungen wie Schwimmbädern oder Büchereien. Wegen Baufälligkeit oder weil das Personal fehlt, sind in den vergangenen zehn Jahren über 500 Schwimmbäder und mehr als 600 öffentliche Bibliotheken geschlossen worden. Die Theater wiederum sind nicht betroffen. Dafür verzeichnen sie einen enormen Zuwachs bei einzelnen Veranstaltungsformaten.

Schwimmbäder in Deutschland Schwimmbadarten 2018

6.800 Bestand gesamt

6 715 6.715

Schulschwimmbäder

6.600

Freibäder Hallenbäder

6.400

Theater inQuelle: Deutschland BS/Deutscher Bühnenverein Spielzeit 15/16

Spielzeit 2005/06

Anzahl der Theater

1.000

6.200

2.275

6.000

5.975

35

2.700

32

5.800 2018

Quelle: BS/BäderAtlas der Deutschen Gesellscha für das Badewesen

22

23 15

15

16

18

21

20

2000

Quelle: BS/Sportstä ensta s k der Sportministerkonferenz

26

27

25

5.600

28

28

30

30

Entwicklung der Veranstaltungen

10

Quelle: BS/Deutscher Bühnenverein

5

6.689 6.780 5.922 5.774

Opern

0

1.000.000

500.000 bis unter 1.000.000

200.000 bis unter 500.000

100.000 bis unter 200.000

50.000 bis unter 100.000

unter 50.000

Anzahl der Einwohner

Mehrträgerscha 35

2015 2016

25 20

2005 2006

2015 2005 2016 2006

2005 2015 2006 2016

23.274 23.108 23.359 22.557 10.717 10.714

Kinder- und Jugendtheater 2005 2006 2015 2016

2015 2005 2016 2006

0 0

Figurentheater

2.332 2.347 5.900 6.924 5.982 6.326

sonst. Veranstaltungen

5

6.040 6.638

theaternahes Rahmenprogramm > 1.000.000

500.000 bis unter 1.000.000

200.000 bis unter 500.000

100.000 bis unter 200.000

50.000 bis unter 100.000

unter 50.000

Anzahl der Einwohner

Sachinves onen der Gemeinden von 1980 bis 2017 Sachinves onen

14.170 14.413

2.770 2.827 3.400 3.333

Konzert

10

0

2.420 2.239 2.605 2.458

Musical

2015 2016

15

Spielzeit 2015/16

Schauspiel

2005 2006

30

Spielzeit 2014/15

1.500 1.317 925 886

Opere e

Land

Gemeinde

Spielzeit 2005/06

2.452 2.526 2.605 2.662

Tanz/Balle

TheaterQuelle: nach Trägern BS/Deutscher Bühnenverein

Spielzeit 2004/05

0

5.000

13.229 14.519

10.000

15.000

20.000

25.000

Öffentliche Bibliotheken (ÖB) in Deutschland

davon Baumaßnahmen

Angaben in Mio. Euro 35.000

30.000

3.500

3.660

4.000

4.275

4.500

3.000 25.000

Quelle: BS/DBS – Deutsche Bibliothekssta s k 1.771

1.500

2.251

2.024

2.000

20.000

1.889

2.500

1.000

15.000

2005

500 10.000 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 Quelle: BS/Sta s sches Bundesamt

0

2016 Anzahl ÖB mit mit ÖB mit neben-/ insgesamt hauptamtlicher ehrenamtlicher Leitung Leitung

Illustration: BS/Wedemeyer; unter Verwendung von Grafiken von © kutukupret, © Vector Tradition, © andrew_rybalko, © Guan, © Gstudio Group, © vmaster2011 und © MegaShabanov, stock.adobe.com Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.


Kommune Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / September 2018

Den Abgasen zum Trotz

KNAPP

130 Millionen für Modellstädte zur Luftreinhaltung

Premiere für DIPAS

(BS/Adrian Bednarski/Katarina Heidrich) Die fünf vom Bund ausgewählten Modellstädte, in denen Verkehrskonzepte zur Luftreinhaltung gefördert werden, haben selbige vorgelegt. (BS/mfe) In Hamburg ist erstDie Ideen sind nicht neu, werden aber mit 130 Millionen Euro bezuschusst. Trotzdem müssen zwei Aspekte dringend geklärt werden: Langzeitfinanzierung und Personalbeschaffung. mals das geodatenbasierte Mannheim, Bonn, Essen, Reutlingen und Herrenberg, die auch als Modellstädte für den kostenlosen ÖPNV diskutiert wurden, sind nun die Auserwählten. Alle fünf setzen im Kern zunächst auf preiswertere NahverkehrTickets für Busse und Bahnen. Darüber hinaus sollen neue Linien entstehen beziehungsweise die bestehenden besser getaktet werden. Ziel ist, den ÖPNV attraktiver zu gestalten, damit ihn mehr Einwohner nutzen und das Auto öfter stehen lassen. Damit schließlich die Fahrverbote verhindert werden können. “Wir unterstützen die Modellstädte mit 130 Millionen Euro dabei, den Öffentlichen Personennahverkehr vor Ort noch attraktiver zu machen und die Luftqualität in den Innenstädten zu verbessern”, erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei der Präsentation der Konzepte.

Beste Ergebnisse werden übertragen Nachdem im kommenden Jahr die Wirksamkeit der Maßnahmen ausgewertet wird, sollen die praktikabelsten von anderen Städten übernommen werden. Hierzu planen die Modellstädte verbilligte Familien- und Tagestickets im ÖPNV sowie ansprechendere Angebote für Jobtickets. Bonn und Reutlingen führen etwa ein Ticket nach dem “Wiener Modell” ein; eine Jahreskarte für 365 Euro. Reutlingen will zudem hundert neue Bushaltestellen sowie zehn neue Linien entstehen lassen. Mannheim und Herrenberg entwickeln neue Mobilitäts-Apps, die den Fahrgast effizienter ans Ziel bringen sollen. Erstgenannte Stadt will zusätzlich einen Umschlagplatz für Paketfirmen errichten, während die zweitgenannte auf eine digitale Verkehrsplanung mit flexiblen Geschwindigkeitsbeschränkun-

Wobei dies in keiner der Modellkommunen mehr diskutiert werde.

Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Auch wenn es kein kostenloser ÖPNV wird, so haben sich fünf Modellkommunen bereit erklärt, verschiedene Maßnahmen, die vom Bund gefördert werden, zu testen. Das Ziel: Sich den Abgasen und der Luftverschmutzung wacker entgegenzustellen, ihnen zu trotzen und schließlich als Vorbilder zu dienen. Foto:BS/©Fernando Cortés, stock.adobe.com

gen setzt. Essen möchte hingegen Prämien an Neukunden zahlen und Fahrradstraßen ausbauen. Eine bessere Taktung der öffentlichen Verkehrsmittel streben alle fünf Städte an. Dies bedeutet allerdings, dass mehr Fahrzeuge eingesetzt werden müssen.

Gratis-ÖPNV vom Tisch Wenn gleichzeitig aber nicht die Elektromobilität plus dazugehöriger Infrastruktur gefördert und weiterhin auf Diesel-Nachrüstungen verzichtet wird, könnten sich die Konzepte langfristig als Luftnummer entpuppen, befürchten Kritiker. Direktere Töne kommen seitens der Opposition: “Das Mo-

dellprojekt zur Reduzierung von Ticketpreisen im ÖPNV zielt in die richtige Richtung, ist aber viel zu klein gedacht”, kritisiert Andreas Wagner, Sprecher für ÖPNV der Bundestagsfraktion Die Linke. Durch Luftverschmutzung und Staus müssten alle Kommunen in die Förderung aufgenommen werden, so der Abgeordnete. Die Linke fordert in dem Kontext ein stufenweises Absenken der Ticketpreise bis hin zum Nulltarif, Hierfür solle der Bund einen Milliardenfonds anlegen. Scheuer sieht dies jedoch kritisch und merkt an, dass ein völlig kostenfreier ÖPNV zwölf Milliarden Euro kosten würde, was schwierig umzusetzen sei.

Mit der Finanzierungsfrage des ÖPNV wird jedoch auch ein grundlegendes Thema aufgeworfen: Wie sollen die Projekte langfristig finanziert werden und woher kommt das notwendige Personal? Es stehen Zweifel im Raum, dass die günstigen Tickets von Dauer sein können. Genauso wie die hohe Taktzahl der Busse eingehalten werden kann, wenn sich keine Fahrer mehr finden lassen, weil auch dort der Fachkräftemangel zu spüren ist. Aber die Städte müssen sich Gedanken machen, wie es nach 2020 weitergehen soll. “Eine Anschlussförderung nach Ablauf ist derzeit nicht vorgesehen”, heißt es seitens der Bonner Stadtverwaltung. Die meisten Modellstädte sehen die weitere Finanzierung erst mal kritisch. In der Stadt Mannheim werde unter anderem das Gutachten des baden-württembergischen Landesverkehrsministeriums abgewartet, in dem neue ÖPNV-Finanzierungsansätze untersucht werden. Hinsichtlich der Personalfrage setzt die dort angesiedelte Rhein-Neckar-Verkehr GmbH auf unterschiedliche Maßnahmen: Neben einer Ausbildungsoffensive und einer Arbeitgeberkampagne, um die eigene Attraktivität in der Region zu stärken, kooperieren die Verkehrsbetriebe mit der Bundesarbeitsagentur. Langzeitarbeitslose sowie geflüchtete Menschen sollen durch diese Kooperation eine Chance erhalten. Auch werde der Kontakt zu Hochschulen gesucht, um die notwendigen Absolventen zu gewinnen. Daneben werde auf moderne Lehre

gesetzt, die u. a. einen digitalen Fahrsimulator beinhaltet, aber auch eine neugebaute Ausbildungswerkstatt für gewerbliche Berufe.

Auch die Wirtschaft muss mit Dennoch seien weitere Anstrengungen erforderlich, denn mit der Wirkung der nun vom Bund geförderten Projekte sei erst im Jahr 2020 zu rechnen, so Ulrike Hotz, Erste Bürgermeisterin der Stadt Reutlingen. “Die Luftreinhaltung bleibt weiterhin eine Herausforderung, die die Städte alleine nicht meistern können”, fuhr die Stellvertreterin der Oberbürgermeisterin fort. Weder die kommunale Verkehrspolitik noch die kurzfristig geförderten Maßnahmen von Bund und Land könnten Dieselfahrverbote ausschließen. Deshalb seien alle Akteure gefragt, auch die Automobilindustrie. “Zu einer breit angelegten Strategie gehört neben der Softwarenachrüstung eben auch die kurzfristige Hardwarenachrüstung”, betonte Hotz. Ein Aspekt, den sie mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) teilt: “Aber nur, wenn wir für saubere Luft sorgen, können wir auch Fahrverbote vermeiden.” Die Richtung des Weges stimme, aber das Ziel sei noch nicht erreicht. Mit den jetzigen Maßnahmen leiste der Staat einen weiteren Beitrag zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern. “Es ist an der Zeit, dass die Autohersteller ihrer Verantwortung nun auch endlich gerecht werden.” Bundeskanzlerin Angela Merkel hat verkündet, im September eine Entscheidung hinsichtlich der Dieselnachrüstungen zu fällen. Es bleibt spannend, ob die Autoindustrie stärker in die Pflicht genommen wird. Genauso spannend wie die Ergebnisse der fünf Modellstädte ausfallen werden.

Partizipationsverfahren DIPAS genutzt worden. Es ermöglicht die interaktive Nutzung von Karten vor Ort. Außerdem können mithilfe der Lösung per Internet eingereichte Vorschläge eingebunden werden. Die nun verwendete Basisstufe entstand im Rahmen einer Zusammenarbeit des Landesbetriebs Geoinformation und Vermessung mit der Stadtwerkstatt. Über sie kann mithilfe mobiler Datentische auf zahlreiche städtische Geodaten zugegriffen werden. Dazu gehören etwa Bebauungspläne oder ein digitaler Stadtplan, die interaktiv genutzt werden können. Erstmals verwendet wurde DIPAS im Rahmen eines Bürgerdialogs zum Bezirksentwicklungskonzept Bergedorf. Zwei weitere Piloteinsätze sind in Planung. Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt (SPD) sagte: “DIPAS ist ein gutes Beispiel dafür, wie mit neuartigen Technologien die Digitalisierung als Chance für eine bürgernahe Stadtentwicklung genutzt werden kann.”

Informationen per App (BS/mfe) Im baden-württembergischen Weil am Rhein erhalten Eltern wichtige Termine und Nachrichten künftig direkt auf ihre Mobiltelefone. Das ist der Fall, wenn ihr Nachwuchs die städtischen Kindertagesstätten besucht. Erziehungsberechtigte, die keine App verwenden möchten, werden künftig per E-Mail informiert. Die Smartphone-Anwendung soll kostenlos, werbefrei und datenschutzrechtlich unbedenklich sein. Auch würden keine Daten, wie etwa private Handynummern, an kommerzielle Anbieter weitergegeben. Die fünf katholischen Kitas in der Stadt mit rund 30.000 Einwohnern nutzen die App bereits länger.

www.oeffentliche-infrastruktur.de Veranstalter

13. Bundeskongress

Öffentliche Infrastruktur 2018

Infrastruktur mit Zukunft – effizient, nachhaltig, digital 4. D 4 Dezember b 2018 2018, H Hotel t l Adl Adlon B Berlin li Themen auf dem Kongress u.a. » Bildungsinfrastruktur und Schulsanierung – Leistungsphase 0, Wirtschaftlichkeit, Entwicklung » Smart Cities, smarte Kommunen » Entwicklung von Maut und Bundesinfrastrukturgesellschaft » Infrastruktur und Budget » Flächendeckende Infrastrukturen für Mobilität Themenpartner

» Immobilienmanagement der öffentlichen Hand – Trends und Tendenzen » Bundesverkehrswegeplan 2030 – Masterplan für die Verkehrsinfrastruktur? » Kommunikationsinfrastruktur – Glasfasernetze und Mobilfunkstandard 5G » Planen, Bauen, Betreiben – Zukünftige Anforderungen meistern

Fotos: © j mel, fotolia.com

» Bauen 4.0 – effizient, nachhaltig, digital


Kommunalpolitik

Seite 16

Behörden Spiegel / September 2018

Rostock will Hitzeplan

Prozesse ziel- und ergebnisorientiert steuern

Stadtverwaltung verfolgt ganzheitlichen Ansatz

Worauf Führungskräfte zu achten haben

(BS/mfe) In Rostock wird bis zum kommenden Jahr ein Hitzeplan erstellt. Dadurch soll die Hansestadt auf wahrscheinlich wiederkehrende Dürreereignisse sowie längere Perioden mit sehr hohen Temperaturen vorbereitet werden. Berücksichtigt werden sowohl städtebauliche als auch infrastrukturelle, gestalterische und organisatorische Elemente.

(BS/Claudia Christine Siegel) Viele Organisationen und ihre Führungskräfte träumen! Sie träumen davon, die internen und externen Kundenanforderungen angemessen zu erfüllen und dabei den Geschäftsverteilungsplan beziehungsweise die Strategie erfolgreich umzusetzen. Doch kann dieser Traum angesichts der Realität vieler Herausforderungen im konkreten Alltagshandeln jemals Wirklichkeit werden?

Dazu soll zunächst die bereits bestehende Arbeitsgruppe Klimawandelanpassung einberufen werden, erklärten die Rostocker Senatoren Dr. Chris Müller-von Wrycz Rekowski und Holger Matthäus. In ihr seien unterschiedliche Behörden vertreten. Darunter unter anderem das Umwelt-, das Forst-, das Gesundheits- und das Ordnungsamt. Hinzu kämen die Kommunalbetriebe, so Matthäus. Im geplanten Dokument sollen kurz- und mittelfristige Aktionen benannt werden. In der Stadtplanung seien etwa die Frischluftbahnen zu aktualisieren, Grünflächen vorzusehen und Bäume zu pflanzen. Besonders von Hitze betroffene Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen oder Kindertagesstätten müssten bezüglich ausreichender Kühlmöglichkeiten überprüft und gegebenenfalls nachgerüstet werden, so die beiden Politiker.

Neues Konzept dringend erforderlich Auf jeden Fall erforderlich sein werde eine Überarbeitung des Bewässerungskonzeptes der 23.000 Rostocker Straßenbäume sowie der etwa 50.000 Parkbäume. Diese könnten künftig möglicherweise mithilfe von Wassersäcken gewässert werden, die ihren Inhalt sukzessive abgeben.

Denkbar seien zudem Einsätze der Stadtentsorgung zur Befeuchtung von Verkehrsflächen oder die Installation öffentlicher Sprinkleranlagen, meinen Müller-von Wrycz Rekowski und Matthäus. Außerdem müssten öffentliche unbeschattete Flächen auf geeignete Maßnahmen zur Verbesserung des Mikroklimas hin überprüft werden.

Trinkwasserspender und weitere Brunnen möglich “Es gibt verschiedene Zielrichtungen des Plans. Dazu gehören die menschliche Gesundheit, die Stadtgrünerhaltung und die mittelfristige Stadtplanung, erläuterte Matthäus gegenüber dem Behörden Spiegel. Zudem gebe es Überlegungen, gemeinsam mit der Schweriner Landesregierung spezielle Förderprogramme so aufzulegen, dass für Kühlung kluge Konzepte mit regenativer Energie genutzt werden. Des Weiteren würden die Aufstellung von Trinkwasserspendern und neue Brunnenstandorte geprüft und eine Verschattung durch Bäume optimiert. Gleiches gelte für den Gewässerschutz und das Pflanzen neuer Bäume, berichtete der Senator. Bereits 2012 hatte die Rostocker Bürgerschaft ein Rahmenkonzept zur Anpassung an den Klimawandel beschlossen.

Diese Frage lässt sich eindeutig mit “Ja” beantworten, wenn die handelnden Personen ihre Ziele, Aufgaben, Schnittstellen und vor allem das Zusammenwirken von Wertbeiträgen kennen. Eine wesentliche Methode zur Vermittlung funktionell getrennter, aber prozessual zusammengehöriger Aufgaben und Befugnisse von Mitarbeitern ist das Prozessmanagement. Denn das Prozessmanagement beschäftigt sich mit der Identifikation, Gestaltung, Dokumentation, Implementierung, Steuerung und Verbesserung von Geschäftsprozessen. Hierbei werden nicht nur technische Fragestellungen, sondern auch organisatorische Aspekte wie die strategische Ausrichtung und die Organisationskultur oder die Einbindung und Führung von Prozessbeteiligten adressiert. Insoweit ist die zentrale Fragestellung: “Wer macht was, wann, wie und womit?”

Zielorientierte Einbindung aller Insoweit ist die zielorientierte Einbindung aller Mitarbeiter in die Aufgaben der Organisation und des eigenen Verantwortungsbereiches durch den Einsatz von definierten Prozessstrukturen zentrales Führungsinstrument. So wichtig die Gestaltung und Bereitstellung von Prozessen aber ist, so entscheidend ist auch die konsequente Umsetzung von Pro-

inwieweit das Zusammenspiel zum vorherigen oder nächsten Claudia Christine Siegel Prozessschritt ist professionelle Managegestört ist. Auch ment-Beraterin und Inhadie Anwendung berin der Siegel4Success von Kennzahlen Managementberatung. unterstützt eine Vergleichbarkeit Foto: BS/privat von Soll- und Ist-Werten im zessen, die sich an den vorgege- Prozess. Bei der Auswahl der benen Zielen und Ergebnissen Prozesskennzahlen sollte jedoch orientieren. nicht nur darauf geachtet werFührungskräfte können bereits den, dass Soll- und Ist-Werte bei der Prozessgestaltung über vergleichbar sind, sondern dass die konkrete Zielsetzung für die Kennzahlen die Zielerreichung den jeweiligen Prozess und die unterstützen. Hierbei geht es in einzelnen Schritte einen Hand- erster Linie nicht darum, möglungsrahmen für ihre Mitarbeiter lichst viele Kennzahlen zu idenbestimmen, innerhalb dessen sie tifizieren, sondern darum, die sich bewegen können und müs- relevantesten für den Prozess sen. Dieser Handlungsrahmen zu finden. beinhaltet zugleich die Messkriterien für die Beurteilung, ob Prozesslandkarte als Hilfe die am Prozess Beteiligten den Während des Prozesses können Erwartungen an Vorgehensweise, sich unvorhergesehene BedinTermintreue, Zuverlässigkeit und gungen ergeben, die den erfolgQualität entsprechen. Weiterer reichen Abschluss des Prozesses wichtiger Bestandteil ist, wie und damit die Zielerreichung und ob Prozessschwachstellen gefährden. In diesem Fall sind identifiziert und diese vermieden von der Führungskraft Handwerden können. lungsoptionen und Maßnahmen Zur Verbesserung der Pro- zu ergreifen, um den Prozess konzessabläufe und zielorientier- sequent zu begleiten, zu überwaten Steuerung helfen zudem chen und gegenzusteuern. InsProzessindikatoren, die einen besondere hilft eine bereits im Anhaltspunkt dafür geben, wel- Vorfeld sorgfältig ausgearbeitete cher Prozessschritt nicht erwar- und hinreichend definierte Protungsgemäß umgesetzt wird bzw. zesslandschaft bzw. -karte, damit

Mehr zum Thema Alles Wissenswerte rund um die Prozessteuerung für Führungskräfte thematisiert die Autorin in einem Seminar des Behörden Spiegel vom 4. bis 5. Dezember 2018 in München. Programm und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefteforum.de, Suchwort “ergebnisorientiert steuern”.

PR-Konzepte für Behörden

MELDUNG

Leichteres Vergaberecht gefordert

Wie sich zwei Welten durch Pragmatismus vereinigen lassen

(BS/jf) Ein neues Maßnahmenpaket für Investitionen in Infrastrukturen fordert der Deutsche Städte- und Gemeindebund von Bund und Ländern. Damit soll dem zunehmenden Verfall von Schulen, Sportstätten und insbesondere Schwimmbädern entgegengewirkt werden. “Der Investitionsrückstand im Bildungsbereich und bei Schwimmbädern und Sportstätten wächst immer mehr an. Er hat in diesem Jahr einen traurigen Höchststand von insgesamt 56 Milliarden Euro erreicht”, bilanziert DStGB-Präsident Dr. Uwe Brandl. Das Paket müsse ähnlich wie das damalige Konjunkturpaket II ausgestattet sein und bürokratische Hürden abbauen sowie das Vergaberecht vereinfachen. Bis zu einer Auftragshöhe von zwei Millionen Euro im Baubereich und 150.000 Euro im Liefer- und Dienstleistungsbereich solle eine beschränkte Vergabe ohne vorherige Ausschreibung ermöglicht werden. Aufträge bis zu einem Wert von 250.000 Euro im Baubereich und 100.000 Euro im Liefer- und Dienstleistungsbereich sollen zukünftig freihändig vergeben werden.

(BS/Mathias Kempf ) Kommunikationsleitlinien, PR-, Medien- oder Kommunikationskonzepte – die Definitionen sind so vielfältig wie die Bezeichnungen. Die einfachste Gemeinsamkeit, die sich feststellen lässt: Es geht um die Strategie hinter der Kommunikation. Dabei ist es egal, ob sich diese Strategie auf die Kommunikation einer Behörde im globalen Sinne oder auf einzelne Kampagnen und Projekte bezieht. Die grundsätzliche Frage, ob eine Behörde ein solches, wie auch immer benanntes, Konzept braucht, ist damit schnell beantwortet: Wenn ein Konzept Ausdruck einer Strategie im Bereich der Kommunikation ist, dann kann die Antwort nur “Ja!” lauten. Das Thema PR und Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur ausreichend Stoff für bibliotheksfüllende Stapel an Büchern, sowohl wissenschaftlicher als auch praktischer Ausrichtung. Es füllt auch diverse Studiengänge an verschiedenen Formen von Hochschulen. Da mag sich der ein oder andere Pressereferent innerhalb einer Behörde mit der Anforderung an ein Kommunikationskonzept schnell überfordert vorkommen – und der bequeme Ausweg in ein “Brauchen wir nicht!” ist im Normalfall verstellt.

Besonderer Bereich Behörde Gleichzeitig stammen die Begriffe “PR” und “Behörde” in den Köpfen vieler aus zwei beinahe miteinander unvereinbaren Welten. Tatsächlich muss sich ein PR-Konzept einer Behörde oder Kommune an einigen maßgeblichen Punkten von dem eines Unternehmens unterscheiden. Dass die PR von Unternehmen, bei aller Social Responsibility und mitarbeiterfreundlichen Unternehmenskultur, in letzter

Stadtverwaltung, das Landratsamt? Glücklich der, dessen Budget die Beauftragung einer Agentur erMathias Kempf ist Presselaubt, die sich sprecher des Landkreises nicht nur mit dem Rottal-Inn. professionellen Erstellen von PRFoto: BS/privat Konzepten auskennt, sondern Konsequenz immer (auch) der auch noch ausreichend Ahnung Umsatzsteigerung und dem Ver- von den besonderen Anforderunkauf von Produkten dient, ist hier gen einer Behörde mit einbringt. nur der offensichtlichste Unter- Selbst die Suche nach und das schied. Zwar ist auch der Bereich Verhältnis zu Agenturen hat in der Non-Profit-PR ein mittlerweile der Vergangenheit ausgereicht, genauestens untersuchtes und Ratgeber-Bücher zu füllen. Das somit erschlossenes Gebiet. Doch ist nicht weiter verwunderlich, auch die klassische Non-Profit- denn es ist unabdingbar, dass PR, wie wir sie insbesondere aus ein Vertreter der Behörde – und Bereichen wie Umweltschutz und meistens trifft es, sofern vorhanFundraising kennen, lässt sich den, die Pressestelle – zumindest nur bedingt mit den Zwängen ein gewisses Basiswissen von der und Anforderungen einer Behör- Thematik besitzt. Dieses muss de oder Kommune vergleichen, ausreichen, um die Qualität der alleine wenn man die Ziel- und Arbeit einer von Steuergeldern Dialoggruppen in Betracht zieht. bezahlten Agentur bereits in der Wie also entsteht nun das PR- Vorschlagsphase zu beurteilen, Konzept für die Behörde, die und nicht erst dann, wenn eine

Zukunft Dienstrecht

Arbeits-, tarif- und beamtenrechtliche Entwicklungen

21. – 22. November 2018, Maritim Hotel, Bonn

§

die operativen Prozesse ziel- und ergebnisorientiert ablaufen können. Dies umfasst, neben der Etablierung von Prozessketten, Prozessorganisation und dem Prozessmanagement selbst, auch ein permanentes Prozesscontrolling und eine gesteuerte kontinuierliche Prozessverbesserung. Fazit zum Prozessmanagement: Das Prozessmanagement ist ein wichtiges Führungsinstrument zur Erreichung des an den (Kunden-)Anforderungen ausgerichteten Leistungsergebnisses. Damit Prozesse effektiv ablaufen, sind nicht nur der reibungslose Ablauf, sondern auch eine kontinuierliche Überwachung der Ziele und deren Steuerung unerlässlich. Das Prozessmanagement liefert Führungskräften hierfür zahlreiche Methoden und Kennzahlen, die dies unterstützen.

Mit Beiträgen u. a. von: Prof. Dr. Rüdiger Krause, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Universität Göttingen, skizziert die neue Datenschutz-Grundverordnung und erklärt, welche Auswirkungen diese auf die Praxis hat.

Karin Spelge, Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht (6. Senat), informiert Sie über die aktuellen Entscheidungen zum TVöD/TV-L.

Weitere Informationen zur Tagung „Zukunft Dienstrecht“ sowie das Anmeldeformular finden Sie unter: www.zukunft-dienstrecht.de

Dr. Eberhard Natter, Präsident des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, berichtet über die Konkurrentenklage im Arbeitsrecht.

Eine Veranstaltung des

Evaluation unbefriedigende Ergebnisse zeigt. Häufig genug aber müssen strategische Kommunikationskonzepte auch ohne externe Hilfe geplant und umgesetzt werden. Das mag ideologische Gründe haben, wenn beispielsweise eine (interne) Kommunikationsleitlinie oder ein Kommunikationskonzept nicht externen Beratern überlassen werden sollen. Das wird sehr häufig Budget-Gründe haben, aber auch zeitlich-pragmatische. Denn nicht für jedes kleinere Projekt der Bürgerbeteiligung, der Stadtentwicklung oder des Change-Managements kann oder darf auf die Hilfe eines externen Dienstleisters zurückgegriffen werden. Gleichzeitig wird die Anzahl der studierten oder profund ausgebildeten PRFachleuten, in den Pressestellen von Behörden eher gering sein. Wie ist dieses Dilemma zu lösen? Denkt man insbesondere an die Entscheidung, ob externe Dienstleister hinzugezogen werden sollen, kann es keine Standartantworten geben. Die Notwendigkeit ist hier immer vom Einzelfall abhängig. Das Know-how zur Erstellung von PR-Kampagnen für Einzelprojekte, für grundsätzliche Kommunikationsleitlinien (im Alltag wie auch im Krisenfall) und das notwendige Wissen zur Qualitätsbeurteilung von Dienstleistern können sich Behördenmitarbeiter aneignen.

Lösung liegt im Basiswissen Ab dann gilt es, mit einem vernünftigen Pragmatismus an die Sache heranzugehen. Dafür braucht es kein zusätzliches Bachelor-Studium, sondern vor allem die in dieser Funktion ohnehin notwendige Fähigkeit zu

strategischem Denken. Dafür braucht es weiter eine Reduzierung der umfassenden Thematik PR- und Öffentlichkeitsarbeit auf die wichtigsten und vor allem für die Behörde relevanten Bausteine – stets im gleichzeitigen Bewusstsein, dass das Feld der Möglichkeiten eigentlich unendlich ist. Schließlich sollte der PR- oder auch Öffentlichkeitsarbeit-Schaffende an sich ja ohnehin zur Gruppe der “Kreativen” zählen. Und genau hierin liegt der Lösungsweg. Ein gewisses, ausreichendes Grundwissen ist unverzichtbar. Wer in der Stadt oder dem Landkreis für das PRKonzept (mit-)verantwortlich ist, muss sich dieses Basiswissen aneignen, egal, ob er das Konzept letztlich selbst erstellt oder eine Agentur beauftragt. Die inhaltliche und organisatorische Strategieplanung, die Kernbotschaften einer Kampagne, die Ausgestaltung der dazu gehörigen Events können dann aber mit zielorientierter Kreativität, viel eigener Initiative und einem vernünftigen Augenmaß mit Sicherheit sehr gut bewältigt werden.

Save the Date Wie aktive PR-Arbeit zu betreiben ist und so Ziele und Zwänge von Behörden aktiv und positiv in die Öffentlichkeit zu transportieren sind, erläutert der Autor in einem Seminar des Behörden Spiegel am 12. und 13. März 2019 in Berlin. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www. fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “PR Konzepte”.


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / September 2018

Seite 17

Neuregelung zu Mietzuschüssen wirkt

Mehr Wohnraum, weniger Ideologie!

Berlin: Ausführungsvorschrift wird weiter angepasst

Einkommensschwächere in den Mittelpunkt stellen

(BS/Katarina Heidrich) Seit dem 1. Januar 2018 gibt es im Land Berlin Neuregelungen die Kosten für Unterkunft (BS/kh) Eine durch den Zentralen Immobilien Ausschuss e. V. (ZIA) in Auftrag gegebene Umfrage zeigt die und Heizung betreffend, die von den Jobcentern und Sozialämtern übernommen werden. Die Senatorin für Missstände auf dem deutschen Wohnungsmarkt auf. Demnach fordern die Deutschen einen rigideren Umgang Integration, Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach, zieht nach dem ersten halben Jahr eine positive Bilanz. mit Fehlbelegungen und Unterstützung seitens der Politik auch für die private Immobilienwirtschaft. Der ZIA kritisiert zudem die Kommunen. Neben der Anpassung der Richtwerte und Wohnflächen wurden weitere Änderungen in die Ausführungsvorschrift Wohnen (AV-Wohnen) aufgenommen. Wie zum Beispiel eine Ausweitung der Härtefalltatbestände und die Einführung eines Umzugsvermeidungszuschlags. “Wir haben realistischere Werte bei der Übernahme der Mietkosten zur Grundlage der neuen AV-Wohnen genommen. Angesichts des galoppierenden Mietenmarkts wollten wir dafür sorgen, dass auch Leistungsbeziehende in ihren Wohnungen bleiben und eine Wohnung anmieten können”, erläutert Breitenbach. Dies sei eine elementare Voraussetzung für die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung. Auch die gesellschaftliche Vielfalt in den Vierteln hänge davon ab.

Anstieg auf 68 Prozent Noch im letzten Jahr lag nur knapp weniger als die Hälfte der Mieten von SGB-II-Leistungsberechtigten innerhalb der Richtwerte. Diese sind jetzt um rund acht bis 17 Prozent gestiegen. Nun seien es über 68 Prozent Leistungsempfänger, deren Mieten vollständig vom Jobcenter übernommen würden. Fast 50.000 Bedarfsgemeinschaften profitierten also von der Anpassung, so die Senatorin. Bei den Alleinerziehenden mit einem Kind habe sich die Zahl der Fälle, die innerhalb der Richtwerte liegen, seit letztem Jahr von 3.750 auf 13.500 fast vervierfacht.

10.000 Kostensenkungsverfahren weniger Zudem könnten viele der circa 81.000 Bedarfsgemeinschaften, die immer noch oberhalb der Richtwerte liegen, von den neuen Härtefall- und Sondertatbeständen profitieren. So könne der Bruttokaltmietrichtwert bei Vorliegen eines solchen Tatbestands um bis zu zehn Prozent überschritten werden. Etwa wenn eine Modernisierung vorliege oder bei

“Mehrere Politiker haben bezahlbaren Wohnraum als soziale Frage unserer Zeit bezeichnet. Das zeigt die hohe Relevanz dieses Themas. Viele Menschen haben Probleme, eine Wohnung in den angespannten Märkten zu finden. Hier herrscht dringender Handlungsbedarf. Wir als Branche müssen bessere politische Rahmenbedingungen erhalten und brauchen weniger Regulierung und Ideologie, um schneller, effizienter und intelligenter bauen zu dürfen”, erklärt Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA.

Klaren Zielgruppen droht Verdrängung In Marzahn-Hellersdorf liegt die Quote der vollen Anerkennung der Wohnkosten durch das Jobcenter über dem Gesamt-Durchschnitt in Berlin. Foto: BS/Horst Schröder, pixelio.de

Vorliegen eigener Pflegebedürftigkeit – aber auch, wenn nahe Angehörige gepflegt würden. Darüber hinaus sei eine Absenkung der längeren Wohndauer von 15 auf zehn Jahre erfolgt. Aufgrund der Anpassungen seien im ersten Halbjahr 2018 in rund 10.300 Fällen kein Kostensenkungsverfahren (“Stoppmiete”) eingeleitet worden, obwohl die Miete den Richtwert überschritten habe.

Nachholbedarf bei Paar-Haushalten Neu sei auch, dass neben einfachen nun mittlere Wohnlagen einbezogen würden, da es immer weniger einfache Wohnlagen in Berlin gebe, so die Senatorin. Zudem finde ebenfalls eine Einbeziehung aller Wohnungsgrößen statt. Das heißt, auch Wohnungen kleiner als 40 Quadratmeter würden berücksichtigt, die in Berlin besonders begehrt, aber teuer seien. Damit werde mit der AV-Wohnen auf aktuelle Entwicklungen in der Hauptstadt reagiert. “Die Zahl der Umzüge konnte halbiert werden. Wir wollen, dass die Menschen in ihrem angestammten Wohnumfeld bleiben können. Unserem Ziel, den sozialen Zusammenhalt in dieser

Stadt zu stärken, sind wir mit der neuen AV-Wohnen einen wichtigen Schritt nähergekommen”, lobt Breitenbach. Noch nicht zufriedenstellend sei allerdings die Situation der Paar-Haushalte. Nur knapp 47,1 Prozent der Mieten von Eheleuten, Lebenspartnern oder nichtehelichen Lebensgemeinschaften lägen innerhalb der Richtwerte. Über 16.250 Bedarfsgemeinschaften hingegen lägen oberhalb. Die Sozialsenatorin fordert für die nächste Aktualisierung der AV-Wohnen deutliche Verbesserungen auch für diesen Personenkreis, etwa durch Wohnflächenerhöhung auch für Paarhaushalte. Die neue AV-Wohnen wird voraussichtlich Mitte nächsten Jahres kommen, nachdem im Mai oder Juni der neue Heizkostenspiegel veröffentlicht wird. Daran könnten dann die Heizkostenrichtwerte angepasst werden. Zudem sei geplant, dass Transferleistungsempfänger Beiträge erhalten, um sich eine Mitgliedschaft in einem Mieterverein leisten zu können. Hierfür sei rund eine halbe Million Euro eingeplant, gibt Breitenbach bekannt.

Neue Förderkonditionen für den Städtebau Bund und Freistaat wollen Verwaltungsvereinbarung unterzeichnen (BS/kh) Im Freistaat Sachsen werden die Konditionen für die Bewilligung umfangreicher Finanzhilfen der Bund-Länder-Programme zur Städtebauförderung neu geregelt. Hierzu hat das Kabinett die seitens des Staatsministeriums des Innern überarbeitete Richtlinie über die Förderung der Städtebaulichen Erneuerung in Sachsen beschlossen. Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller betont: “Eine bürokratisch entschlackte Neuauflage der Richtlinie war nötig geworden. Schließlich wollen wir den Wandel unserer Städte auch künftig so gestalten, dass sie attraktive und lebenswerte Orte zum Wohnen und Arbeiten sowie für Freizeitaktivitäten bleiben.” Zudem müsse man mit den sich wandelnden Bedürfnissen der Men-

schen Schritt halten. Eine daran ausgerichtete Städtebauförderung wirke sich positiv auf die Entwicklung ganzer Stadtteile aus, fördere die Identifikation der Bevölkerung mit ihrem Viertel und im besten Falle auch den Zuzug junger Menschen und Familien. Durch die Änderungen der Richtlinie erhoffe man sich mehr Gestaltungsfreiheit für die Städte, so Wöller.

Die Änderungen der Richtlinie versprechen bessere Förderkonditionen und mehr Gestaltungsfreiheit für Sachsens Städte, wie hier Dresden. Foto: BS/ Allie Caulfield, CC BY 2.0, flickr.com

Die wesentlichen Anpassungen umfassen etwa die Fördersätze für Gemeinbedarfseinrichtungen (wie Schulen, Kita, soziale oder kulturelle Einrichtungen), die von bisher 60 Prozent auf 75 Prozent erhöht werden. Des Weiteren werden die Einsatzmöglichkeiten von Verfügungsfonds auf alle Programme der Städtebaulichen Erneuerung erweitert, vor allem in den “Soziale-Stadt-Fördergebieten”. Beim Bau kommunaler Straßen, Wege, Plätze und sonstigen Erschließungsmaßnahmen kann künftig ohne Förderobergrenze bis zur Grenze dessen gefördert werden, was nicht durch Beiträge, Gebühren oder Entgelte von Nutzern refinanziert werden kann. Das gesamte Förderverfahren soll zudem entbürokratisiert und vereinfacht werden. Auf Grundlage der neuen Richtlinie wird der Bund voraussichtlich im September mit dem Freistaat Sachsen die Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung abschließen. Daraus folgt die Freigabe von Bund- und Landesmitteln für den Zeitraum 2018 bis 2022.

Laut der repräsentativen Umfrage befinden sich derzeit 14,7 Prozent der Befragten auf Wohnungs- beziehungsweise Haussuche. Besonders in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen ist der Anteil der Wohnungssuchenden mit 30,5 Prozent sehr hoch. Zudem sind “Arbeitslose/ Nichterwerbspersonen” im Vergleich häufig auf der Suche – hier 27,6 Prozent. “Daraus können wir bereits sehr gut die Zielgruppe von neuem Wohnraum ablesen, nämlich bezahlbare Wohnungen für einkommensschwächere Haushalte sowie junge Familien und Berufseinsteiger”, betont Rolf Buch, Vorsitzender des ZIAAusschusses Wohnen. Diesen Zielgruppen drohe durch das mangelnde Angebot die Verdrängung. “Aus diesem Grund setzen wir uns für eine lebendigere Grundstückspolitik der Kommunen, effizientere Prozesse

und mehr Freiheiten in der Projektentwicklung ein”, so Buch weiter. Damit ließe sich die Anzahl fertiggestellter Wohnungen in allen Regionen Deutschlands deutlich erhöhen.

Mehr Mietzuschüsse statt sozialem Wohnungsbau Jeder vierte Umfrageteilnehmer (25,2 Prozent) hält eine Subjektförderung, also Mietzuschüsse, für geeigneter als die alleinige Objektförderung, also den sozialen Wohnungsbau. 11,6 Prozent befürworten sowohl Objekt- als auch Subjektförderung. Jeder dritte Erwerbslose (34,8 Prozent) hält die reine Subjektförderung für das beste Instrument. “Diese Zielgruppe ist es, die durch den einseitigen Fokus der Politik auf sozialen Wohnraum nachhaltig beeinträchtigt wird. Bezahlbaren Wohnraum gibt es auch im freifinanzierten Wohnungsbau. Eine gezieltere Subjektförderung kann helfen, diesen Wohnraum für Transferleistungsempfänger zugänglich zu machen”, meint Mattner.

Kommunen nutzen nicht alle Möglichkeiten 53,6 Prozent der Befragten fordern eine Zusatzabgabe eines Mieters in einer Sozialwohnung, wenn sich dessen Haushaltseinkommen entsprechend erhöht. 27,5 Prozent würden sogar bei einer solchen Fehlbelegung das Mietverhältnis kündigen. Als Hauptgrund für die Mietpreisanstiege in den Großstädten geben 86,9 Prozent ein zu gerin-

ges Wohnungsangebot an. 80,3 Prozent sehen zudem zu hohe Bau- und Grundstückskosten. Dazu Mattner: “Allerdings gibt es zahlreiche Instrumente wie die Konzeptvergabe von Grundstücken, serielles, länderübergreifendes Bauen und digitales Planen, um die Kosten zu reduzieren.” Diese Angebote würden aber aktuell von zu wenigen Kommunen genutzt.

Auch private Immobilienwirtschaft unterstützen Darüber hinaus fordern 51,9 Prozent der Befragten, dass die Politik neben der öffentlichen auch die private Immobilienwirtschaft beim Bau von bezahlbarem Wohnraum unterstützen sollte. “Dafür braucht es nicht immer Subventionen, sondern vielmehr gleiche Möglichkeiten etwa bei der Vergabe von Grundstücken und der Genehmigung von Planungen und Bauvorhaben”, ergänzt der ZIA-Präsident. Viele Kommunen seien zudem aufgrund eines Personalabbaus in den letzten Jahren mit den Herausforderungen überlastet. “Wir müssen zwingend besser zusammenarbeiten”, mahnt Mattner an. Der ZIA Zentrale Immobilien Ausschuss e. V. ist Themenpartner des Behörden Spiegel beim Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur 2018, der am 4. Dezember in Berlin stattfindet. Weitere Informationen gibt es unter: www.oeffentliche-infra struktur.de .


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Personelles

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Kommunalpolitik / Personelles

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MELDUNG

Neuer Leiter im Deutschen Institut für Urbanistik (BS/kh) Prof. Dr. Carsten Kühl ist neuer Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) mit Sitz in Berlin und Köln. Der 56-jährige Honorarprofessor im Fach Finanzwissenschaft an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer folgt auf Prof. Dipl.-Ing. Martin zur Nedden, der das größte Stadtfor-

schungsinstitut im deutschsprachigen Raum seit 2013 leitete. Nach seiner Tätigkeit als Finanzwissenschaftler wandte sich Kühl administrativen Tätigkeiten in der Verwaltung und Politik in verschiedenen obersten Landesbehörden des Landes RheinlandPfalz zu. Bis 2014 war er dort Finanz- und Bauminister. Nach

dem Ausscheiden aus der aktiven Politik kehrte er beruflich wieder zur Wissenschaft zurück und trat unter anderem eine Honorarprofessur in Speyer an. “Das Difu schafft eine einmalige Verbindung zwischen wissenschaftlicher Forschung und kommunaler Praxis. Als Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung, Fortbildung und praktischer Beratung ist das Institut für die Städte ein wichtiger Ansprechpartner. Für diese Schnittstelle ist Carsten Kühl die perfekte Besetzung. Wir wünschen ihm viel Freude und gutes Gelingen für sein neues Amt. Der Städtetag ist dem Institut von Beginn an sehr verbunden”, begrüßt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Kühls Berufung zum Leiter.

Neuer Difu-Institutsleiter: Prof. Dr. Carsten Kühl Foto: BS/privat


Kommunaler Haushalt

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Weiterhin positiv

An der Steuerschraube gedreht

Entwicklung der kommunalen Finanzlage bis 2021

Grund- und Gewerbesteuer in mehr als jeder zweiten Kommune erhöht

(BS/gg) Die kommunalen Spitzenverbände rechnen in ihrer aktuellen Prognose zur Finanzlage der Städte, Landkreise und Gemeinden in den Jahren 2018 bis 2021 für das laufende Jahr mit einem Überschuss von 7,6 Milliarden Euro. In den Folgejahren werden Finanzierungsüber­schüsse zwischen fünf und sechs Milliarden Euro erwartet.

(BS/gg) 53 Prozent der Kommunen haben hierzulande in den letzten fünf Jahren die Gewerbesteuer angehoben, sogar 60 Prozent haben die Grundsteuer mindestens einmal heraufgesetzt. Im gleichen Zeitraum stiegen die Einnahmen der Kommunen aus der Grundsteuer um 17 Prozent, die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sogar um 25 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zur Entwicklung der Grundsteuer-B- und Gewerbesteuerhebesätze aller deutschen Kommunen in Die kommunalen Spitzenver- kommenden Jahren werde – mit gnosedaten sagten die Präsiden- den Jahren 2005 bis 2017.

bände gehen im Jahr 2018 von kommunalen Einnahmen von 253,6 Mrd. Euro aus (plus 4,0 Prozent). Sie rechnen mit Ausgaben von 246,0 Mrd. Euro (plus 5,1 Prozent). Für 2019 wird eine Steigerung der kommunalen Einnahmen um 3,5 Prozent erwartet. Deutliche Steigerungen ergeben sich bei den Gewerbesteuereinnahmen im Jahr 2020. Dann laufen erhöhte Gewerbesteuer­ umlagen zur Beteiligung der Kommunen an den Kosten der Deutschen Einheit aus. Die kommunalen Spitzenverbände gehen auch für das Jahr 2018 von einem positiven Finanzierungssaldo der Gesamtheit der Kernhaushalte der Städte, Landkreise und Gemeinden aus. Das Vorjahres­niveau werde jedoch nicht erreicht. In den

Ausnahme des Jahres 2020 – mit sinkenden Finanzierungssalden zu rechnen sein. Die Kassenkredite in den Kernhaushalten der Kommunen beliefen sich laut vorläufigen Zahlen zu Jahresbeginn auf 44,2 Mrd. Euro. Bei den kommunalen Ausgaben für soziale Leistungen erwartet die Prognose – ausgehend von einem sprunghaft angestiegenen Niveau im Jahr 2016 und einer leichten Gegenbewegung im Jahr 2017 – Steigerungen gegenüber dem Vorjahr von 3,6 Prozent. Bei den Investitionen geht man für das laufende Jahr mit einem Wachstum von 7,8 Prozent auf 26,3 Mrd. Euro aus, das sich in den kommenden Jahren abgeschwächt fortsetzen werde. In einem Statement anlässlich der Veröffentlichung der Pro­

ten des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Oberbürgermeister Markus Lewe, Münster, Landrat Reinhard Sager, Kreis Ostholstein, und Bürgermeister Uwe Brandl, Abensberg: “Schuldenabbau und Investitionen müssen jetzt Vorrang haben. Denn – das zeigt jede Erfahrung – eine gute wirtschaftliche Entwicklung dauert nicht ewig an. Daran sollten Bund und Länder denken, trotz der positiven Entwicklung bei den öffentlichen Haushalten. Eine Diskussion über höhere Leistungen, etwa im Sozialbereich, ist nur dann zu verant­worten, wenn klar benannt und geregelt wird, wie diese in wirtschaftlich schlechteren Zeiten noch finanziert werden können.”

“Wirtschaftlichkeit”

Größennachteile kleiner Kommunen von Dr. Ulrich Keilmann

Die Wirtschaftlichkeit einer Kommunalverwaltung hängt ganz maßgeblich von dem dort beschäftigten Personal ab. Vor diesem Hintergrund sind wir der Frage nachgegangen, welche Bedeutung die Gemeindegröße für die (finanzielle) Leistungsfähigkeit hat. Einbezogen haben wir die Daten von vier Vergleichenden Prüfungen. Insgesamt waren es 107 Gemeinden, fast ein Viertel aller hessischen Kommunen. Die Einwohnerzahl der geprüften Gemeinden reichte von unter 1.000 bis knapp über 10.000 Einwohner. Konkret wurden vier Einwohnergrößencluster gebildet. Innerhalb der Cluster wurde zunächst geprüft, wie viele Vollzeitäquivalente (VZÄ) in der Allgemeinen Verwaltung eingesetzt werden. Die VZÄ wurden jeweils ins Verhältnis zu den Einwohnern gesetzt, da größere Gemeinden natürlich auch mehr Personal haben. Das Aufgabenspektrum war mit der Allgemeinen Verwaltung klar definiert. Die gebildete Kennzahl “Personalausstattung je 1.000 Einwohner” ist geeignet, diesen Größeneffekt zu bereinigen. Im Anschluss an die Prüfung innerhalb der Cluster wurde der Zusammenhang zwischen VZÄ und Einwohnerzahl cluster­ übergreifend beleuchtet. Die Ansicht verdeutlicht, dass die kleineren Gemeinden (z. B. der 175. Vergleichenden Prüfung – blau) im Schnitt mehr Personal je 1.000 Einwohner in der Allgemeinen Verwaltung einsetzen als die größeren Ge-

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

meinden (z. B. der 152. Vergleichenden Prüfung – rot). Im Median haben wir bei der 175. Vergleichenden Prüfung 2,5 VZÄ je 1.000 Einwohner vorgefunden, bei der 152. Vergleichenden Prüfung waren es 2,2 VZÄ je 1.000 Einwohner. Noch anschaulicher verdeutlicht das Ergebnis die Regressionsgerade. Danach gilt: Je kleiner eine hessische Gemeinde unter 10.000 Einwohnern ist, desto mehr Mitarbeiter je 1.000 Einwohner sind bei der Allgemeinen Verwaltung im Einsatz. Mit dieser umfänglichen Reihenuntersuchung hat die Überörtliche Prüfung einen Zusammenhang zwischen Einwohnerzahl und VZÄ in der Allgemeinen Verwaltung festgestellt. Dabei war auffällig: Je kleiner die Kommune, desto steiler ist der Kurvenlauf der Regressionsgeraden, wobei sich der Kurvenverlauf ab 7.500 bis 8.000 Einwohnern bei etwa 2,1 VZÄ je 1.000 Einwohner verstetigt. Somit wird deutlich, dass eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit in der Allgemeinen Verwaltung gerade bei kleineren Gemeinden früher an Grenzen stößt. Dagegen können größere Gemeinden Skaleneffekte generieren und im

Verhältnis zu den Einwohnern eher Personalkosten einsparen. Ab 7.500 bis 8.000 Einwohner kann eine Verwaltung durchaus wirtschaftlich arbeiten. Unterhalb dieser Größenordnung können punktuelle Formen der interkommunalen Zusammenarbeit – insbesondere in der Finanz- und Personalverwaltung – helfen, die Relation zwischen Verwaltungsmitarbeiter und Einwohnerzahl zu verbessern. Freiwillige Zusammenschlüsse in Form von Gemeindeverwaltungsverbänden oder Fusionen sollten ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Prominentes Beispiel für Hessen ist die Fusion der bisherigen Stadt Beerfelden mit den Gemeinden Hesseneck, Rothenberg und Sensbachtal im Odenwaldkreis zur neuen Stadt Oberzent zum 1. Januar 2018. Mit mehr als 10.000 Einwohnern liegt die neu entstandene Stadt über dem berechneten Wert, ab dem ein effizienter Betrieb der Allgemeinen Verwaltung möglich ist. Daneben profitiert die neue Stadt u. a. auch einnahmeseitig über den Kommunalen Finanzausgleich von einer höheren Einwohnerveredlung. Lesen Sie mehr zum Thema “Größennachteile bei kleinen Kommunen” im Kommunalbericht 2015, Hessischer Landtag, Drucksache 19/2404 vom 12. November 2015, S. 117 ff. Der Bericht kann kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de heruntergeladen werden.

Durch die Grundsteuer B (bebaute und bebaubare Grundstücke ) nahmen die Kommunen in Deutschland im vergangenen Jahr insgesamt knapp 14 Milliarden Euro ein – 13 Prozent der gesamten Steuereinnahmen. Die Gewerbesteuer spülte als wichtigste Einnahmequelle der Städte und Gemeinden 2017 44,2 Milliarden Euro in die kommunalen Kassen und machte damit immerhin 42 Prozent der gesamten Steuereinnahmen der Kommunen aus.

Grundsteuer steigt fast doppelt so stark Insgesamt betrachtet, waren die Kommunen bei der Erhöhung der Gewerbesteuer laut der EY-Studie seit 2012 auch deutlich zurückhaltender als bei der Grundsteuer. So stieg der bundesweite durchschnittliche Hebesatz von 347 auf 362 Prozent, also nur um 15 Prozentpunkte. Die Grundsteuer hingegen stieg im gleichen Zeitraum um 29 Prozentpunkte und damit fast doppelt so stark. “Gerade hochverschuldete Kommunen in strukturschwachen Regionen mussten zum Teil massiv an der Steuerschraube drehen, um überhaupt die Chance auf einen ausgeglichenen Haushalt zu haben”, erklärt Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Partner bei EY und Leiter des Bereichs Government & Public Sector für Deutschland, die Schweiz und Österreich. Pros­ perierende Regionen gerade im Süden Deutschlands hätten in

den vergangenen Jahren dagegen weitgehend auf Steuererhöhungen verzichten können, so Lorentz weiter. Gerade in NordrheinWestfalen, wo die Hebesätze inzwischen deutschlandweit am höchsten seien, hätten die Steuererhöhungen der vergangenen Jahre durchaus Wirkung gezeigt. So hätten die NRW-Kommunen ihre Einnahmen aus Grund- und Gewerbesteuer im vergangenen Jahr um neun Prozent steigern können und sogar einen Finanzierungsüberschuss von drei

Milliarden Euro – den höchsten bundesweit – erwirtschaften können, räumt Lorentz ein. Bei den Steuererhöhungen gibt es allerdings erhebliche regionale Unterschiede: So stieg der durchschnittliche Grundsteuerhebe­satz in Hessen in den vergangenen fünf Jahren um 51 Prozent und in NRW sowie dem Saarland immerhin noch um etwa ein Viertel. Für Bürger in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen stiegen die jeweiligen Durchschnittssätze um weniger als fünf Prozent.


Forderungsmanagement

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I

n der Vergangenheit war jeder Fachbereich der bezirklichen Verwaltung im Rahmen der Mittelbewirtschaftung auch für die Bearbeitung überfälliger Forderungen, d. h. Forderungen, deren Zahlungsfristen nach erfolgter Mahnung fruchtlos verstrichen sind, verantwortlich. In einem in den Jahren 2014 und 2015 mit den Ämtern und der Serviceeinheit Facility Management durchgeführten Erfahrungsaustausch über die individuell praktizierte Bearbeitungsweise der Beitreibung von Forderungen wurde die Zusammensetzung der offenen Forderungen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich analysiert. Hierbei konnten überfällige Forderungen identifiziert werden, deren Weiterbearbeitung durch eine Dienstleistungseinheit gebündelt erfolgen könnte.

Gebündeltes Know-how Einheitliche Forderungsbearbeitung im Bezirk Marzahn-Hellersdorf (BS/Kay Döring*) Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf befasst sich verstärkt seit dem Jahr 2010 mit den Möglichkeiten zur Verbesserung des Verfahrensablaufs der bezirklichen Forderungsbearbeitung. Nach durchgeführten Projekten zur Erprobung eines Forderungsverkaufs sowie zu den Möglichkeiten und Chancen des Einsatzes eines Inkassounternehmens als Verwaltungshelfer führt der Bezirk gegenwärtig ein von der Senatsverwaltung für Finanzen gefördertes Projekt zur Bearbeitung von Forderungen des Bezirkes in einer spezialisierten Dienstleistungseinheit durch.

Dienstleistungseinheit “Forderungsmanagement” Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf von Berlin beschloss daraufhin im August 2015 die Einrichtung einer im Rechtsamt angesiedelten Dienstleistungseinheit “Forderungsmanagement” innerhalb eines Modellprojektes und die Durchführung einer Werkstattphase bis zunächst zum 31. Dezember 2017. Zur Absicherung der Werkstattphase wurden Beschäftigungspositionen eingerichtet, die aus den von der Senatsverwaltung zur Verfügung gestellten Mitteln finanziert wurden. Die Werkstattphase wurde nunmehr bis zum 31. Dezember 2018 verlängert. Ziel des aktuellen Projektes sind insbesondere die Entwicklung eines “aktiven” Forderungsmanagements durch eine verstärkte direkte Schuldneransprache so-

Die Höhe der gebuchten offenen Forderungen des Berliner Bezirks Mahrzahn-Hellerdorf ist erheblich gesunken ist. Auch die Höhe der “aktiven” offenen überfälligen Forderungen reduzierte sich seit Beginn der gebündelten Forderungsbearbeitung im Januar 2016 bis Dezember 2017 um rund 50 Prozent. Foto: BS/© made by nana, Fotolia.com

wie eine Bündelung von Fachkenntnissen zur weiteren Verbesserung der Bearbeitungsqualität. Die weitere Verbesserung der im Zusammenhang mit der bezirklichen Forderungsbearbeitung ablaufenden Prozesse soll einen möglichst kurzfristigen Zahlungseingang fördern und eine schnelle Reaktionsmöglichkeit auf Veränderungen sowie ein adressatengerechteres Mahnwesen gewährleisten. Darüber hinaus unterstützt die gebündel-

MELDUNG

Giffey: Mehr Unterhaltsvorschuss zurückholen (BS/gg) Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey will zukünftig unwilligen Unterhaltszahlern “die Daumenschrauben anziehen”. Dies erklärte sie anlässlich Vorlage des Berichts über den Ausbau des Unterhaltsvorschusses im Bundeskabinett. Es ist sei gut, dass der Staat einspringe, wenn Eltern ihren Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkämen, so Giffey. Viele von ihnen seien auch tatsächlich nicht in der Lage, Unterhalt zu zahlen. “Zugleich gibt es aber die Unwilligen, die zahlen könnten, sich aber davor drücken. Hier

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wollen wir die Daumenschrauben anziehen und mehr Geld als bisher zurückholen. Bund und Länder haben vereinbart, gemeinsame Standards zu entwickeln, um die sogenannte Rückholquote zu verbessern“, so die Ministerin. Diesen Prozess werden man zügig vorantreiben und dabei auch auf unkonventionelle Methoden zurückgreifen, wie beispielsweise Fahrverbote für Unterhaltssäumige – nach dem Motto: Wer nicht zahlt, läuft. Dem Bericht zufolge erhielten zum Stichtag 31. März 2018 rund 714.000 Kinder und Jugendliche Unterhaltsvorschuss.

te Forderungsbearbeitung durch eine Aufgabenverlagerung die Konzentration der Ämter auf die Kerntätigkeit und fördert somit die Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung. Schließlich soll durch das Projekt eine Stärkung der Einnahmesituation erfolgen sowie einem weiteren Anstieg der offenen bezirklichen Forderungen auf zuletzt 11,8 Millionen Euro (Stand 16. März 2015) entgegengewirkt werden.

Schnittstellenstrukturen schaffen Der seit Januar 2016 erfolgenden Forderungsbearbeitung in der Dienstleistungseinheit gingen zunächst Gespräche mit den bezirklichen Ämtern vo­raus. Neben der Identifizierung von Schnittstellen dienten diese Besprechungen dazu, Daten zum Umfang des zu bearbeitenden Forderungsvolumens zu gewinnen und auf dieser Grundlage Schnittstellenstrukturen abzustimmen. Als Ergebnis dieser Gespräche wurde vereinbart, dass eine Überleitung der titulierten Forderungen (vollstreckungsfähiger Bescheid, Urteil, Vollstreckungsbescheid) an die Dienstleistungseinheit “Forderungsmanagement” nach automatisierter Mahnung bei

fruchtlosem Ablaufen der in der Mahnung gesetzten Zahlungsfrist erfolgt. Die übergeleiteten Vorgänge werden regelmäßig in Auftragswirtschaft bearbeitet. Gegenwärtig werden durch die Dienstleistungseinheit rund 2.300 laufende Forderungsakten mit einem Forderungsvolumen von insgesamt 2,87 Millionen Euro bearbeitet. Die Akten umfassen bezirkliche Forderungen auf privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Grundlage. In dem Bereich sind vier sachbearbeitende Beschäftigte sowie eine Gruppen- und Projektleitung tätig. Für die Forderungsbearbeitung wird auch auf eine elektronisch geführte Akte zurückgegriffen. Hierdurch ist ein kurzfristiger Zugriff jedes Beschäftigten auf die aktuellen Informationen zum Vorgang gewährleistet, sodass z. B. bei Telefonaten mit den Bürgerinnen und Bürgern eine kompetente und zuverlässige Bearbeitung gewährleistet ist.

Höhe der offenen Forderungen deutlich gesunken Die bisher im Projekt gemachten Erfahrungen bestätigen die Annahme, dass eine spezialisierte Forderungsbearbeitung einem weiteren Anstieg der überfälli-

gen bezirklichen Forderungen entgegenwirken kann. Es ist festzustellen, dass die Höhe der in ProFiskal gebuchten offenen Forderungen des Bezirks erheblich gesunken ist. Auch die Höhe der “aktiven” offenen überfälligen Forderungen reduzierte sich seit Beginn der gebündelten Forderungsbearbeitung im Januar 2016 bis Dezember 2017 um rund 50 Prozent. Unter “aktiven” Forderungen werden in diesem Zusammenhang alle gebuchten überfälligen Forderungen verstanden, die nicht niedergeschlagen sind oder deren Beitreibung nicht ausgesetzt ist. Diese Ergebnisse sind unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass nunmehr eine gleichförmige Bearbeitung der Vorgänge erfolgt und gerade bei älteren Forderungen die bestehenden Instrumente der befristeten und unbefristeten Niederschlagung einheitlich genutzt werden. Für die vorübergehend nicht einziehbaren Forderungsvorgänge wird in der Dienstleistungseinheit unter Nutzung eines einheitlichen Wiedervorlagesystems eine konsequente langfristige Überwachung sichergestellt. Ferner konnte durch die gebündelte

Bearbeitung der Forderungen aus verschiedenen Bereichen des Bezirks für diese Vorgänge eine aktuelle Übersicht zu den für eine erfolgreiche Forderungsbearbeitung erforderlichen Kennzahlen geschaffen werden. Somit kann bereits jetzt festgestellt werden, dass die Beseitigung der Zersplitterung der Forderungsbearbeitung sich positiv auf den Erfolg auswirkt. Durch eine Zusammenfassung des Forderungsmanagements in einer beim bezirklichen Rechtsamt angesiedelte Organisationseinheit konnten Fachkenntnisse gebündelt werden. Die Spezialisierung der Beschäftigten der Dienstleistungseinheit sowie eine aufgrund der zu bearbeitenden Fallzahlen zu erwartende Bearbeitungsroutine unterstützt eine effizientere Forderungsbearbeitung.

Positive Erfahrungen werden geteilt Gegenwärtig wird auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse ein Abschlussbericht des Projektes gefertigt. Es ist geplant, diesen zum Ende des Jahres 2018 der Senatsverwaltung für Finanzen zur Verfügung zu stellen. Da­ rüber hinaus bringt der Bezirk seine Erfahrungen bereits jetzt in die von der Senatsverwaltung für Finanzen initiierten Arbeitsgruppe “AG Landesweites Forderungsmanagement Unterhaltsvorschuss (LFU)” ein. *Kay Döring ist Leiter des Rechts­ amtes im Bezirksamt MarzahnHellersdorf von Berlin.

Wachsendes Vertrauen BA setzt Zusammenarbeit mit EOS fort (BS/Michaela Wittmann*) Das Vertrauen in Unterstützungsleistungen durch private Dienstleister wächst. Dieser Tage nutzt die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Option zur Vertragsverlängerung mit EOS Deutscher Inkasso-Dienst (EOS). Bereits seit Juli 2016 unterstützt das Inkassounternehmen die BA in der Bearbeitung von Rückforderungen aus SGB-IIILeistungen. Mit Erfolg, wie die Vertragsverlängerung zeigt. Nicht zuletzt die Ausschreibung der BA im Jahr 2015 deutete auf einen positiven Trend für Verwaltungshelfer hin: Die BA hatte sich entschlossen, auf Unterstützung aus der Privatwirtschaft zurückzugreifen, um Außenstände aus der Überzahlung von Entgeltersatzleistungen zu reduzieren. Im Juli 2016 begann die Zusammenarbeit zwischen der BA und EOS, die nun aufgrund der guten Realisierungsquote und der professionellen Zusammenarbeit fortgeführt wird. Die übergebenen Fälle umfassten insbesondere Forderungen aus den Jahren 2006 bis 2010. Maßnahmen wurden nur an ehemalige Empfänger gerichtet, die nicht mehr im Leistungsbezug standen. Etwa ein Jahr vor der Ausschreibung der BA nahm EOS die Stimmung in der öffentlichen Hand noch anders wahr: Eine repräsentative EOS-Befragung der öffentlichen Hand aus dem Jahr 2014 stellte heraus, dass die Mehrheit der Städte zukünftig keine Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister im Forderungsmanagement in Erwägung ziehen würde. Umso mehr sprangen Vorreiter wie die Stadt Wiesbaden oder Berlin-Marzahn-Hellersdorf ins Auge, die sich bei der Bearbeitung öffentlich-rechtlicher Forderungen Unterstützung durch Inkassounternehmen einholten.

Offenheit nimmt zu Rückblickend fanden in den vergangenen Jahren viele spannende und kontroverse Gespräche mit Kommunen und Behörden statt. “Dieses Sparring, dieser fachliche Austausch, hat beide Seiten bei der Einwertung der Möglichkeiten geholfen, hat aber auch die rechtlichen Grenzen der Verwaltungstätigkeit aufgezeigt.

Wir konnten Missverständnisse klären und Formen der effektiven Zusammenarbeit hervorheben”, so Jürgen Borgartz, Geschäftsführer der EOS Deutschland GmbH. Die Offenheit in der öffentlichen Hand gegenüber einer Einbindung von privaten Dienstleistern – wie es in anderen Bereichen durchaus üblich ist – nimmt auch im Forderungsmanagement zu. Heute kommen immer mehr Landkreise und Städte zu der Entscheidung, beispielsweise bei der Bearbeitung von Forderungen aus Gebührenbescheiden oder von Rückforderungen aus Unterhaltsvorschussleistungen Unterstützung einzuholen. “Neben der BA zählen wir u. a. die Stadt Essen, den Landkreis Wittenberg und den Landkreis Karlsruhe zu unseren Auftraggebern”, erläutert Borgartz. “Wir befinden uns mit weiteren Kommunen in konkreten Gesprächen. Der Austausch geht weiter.” Die Einwertung von EOS ist klar: In der Zusammenarbeit mit privaten Dienstleistern liegt nicht nur eine Chance für öffentliche Einrichtungen, sondern auch eine Pflicht, da die Auslagerung an private Anbieter nach der Bundeshaushaltsordnung zu prüfen ist, um alle ihr geschuldeten Geldeingänge vollständig zurückzufordern. “Und ich bin fest davon überzeugt, dass EOS mit mehr als 40 Jahren Erfahrung im Forderungsmanagement einen Mehrwert bringen kann. Nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern eben auch in der Funktion als Verwaltungshelfer bei der Bearbeitung öffentlich-rechtlicher Forderungen”, so Borgartz. *Michaela Wittmann ist Director Public Sector bei EOS Deutsch­ land.


Forderungsmanagement

Behörden Spiegel / September 2018

Drei in einem

MELDUNGEN

Fallen Inkassodienstleistungen unter den Datenschutz? (BS/jf) Mehrere Landesdatenschutzbehörden haben Verarbeitungstätigkeiten benannt, bei denen eine Datenschutz-Folgeabschätzung durchgeführt werden muss. Insgesamt fünf Mal sind ausdrücklich Inkassodienstleistungen aufgeführt worden. Für die Unternehmen würde dies zwangsläufig den Aufbau von Bürokratie nach sich ziehen. Und auch öffentlichen Verwaltungen müssten dies berücksichtigen.

Im Zuge der DatenschutzFolgeabschätzungen müssen die Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten benennen. Bei Klein- und Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern eine “unverhältnismäßige Belastung”, kritisiert der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen­ e. V. (BDIU). Rund ein Drittel der Inkassounternehmen würden aber zu dieser Gruppe gehören. Der Verband wehrt sich mit

einer Stellungnahme gegen eine solche Regelung, wie sie in einem Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 enthalten ist. Bleibt es am Ende bei der Norm, müssten öffentliche Auftraggeber, die Inkassoleistungen einkaufen, dies künftig bei der Ausschreibung berücksichtigen.

Sachsen bestätigt Rechtskonformität (BS/jf) Der Softwareanbieter und -entwickler DATEV hat allen Grund zur Freude: Die sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (SAKD) hat das Softwarepaket DATEVkommunal zertifiziert. Das Programm erfülle alle rechtlichen Vorgaben für eine kommunale Finanzsoftware. Damit kann die Lösung in allen sächsischen Städten und Gemeinden in der Finanzverwaltung zum Einsatz kom-

men. Im Einzelnen wurden verschiedene Module für das kommunale Rechnungswesen wie Anlagenbuchführung, Finanzrechnung, Forderungswesen, Mittelbewirtschaftung und Haushaltsplanung geprüft. Laut Prüfbericht werden sämtliche Kriterien erfüllt. Die Zertifizierung ist in § 59 Abs. 1 und 2 der sächsischen Gemeindeordnung festgeschrieben. In der rund 9.000 Einwohner großen Stadt Lauter-Berns-

bach im Erzgebirgskreis im Süden des Freistaates Sachsen ist die Software bereits im Einsatz. Der aktuelle Haushalt wurde bereits mit diesem Programm erstellt, ebenso laufen die Kasse und das Mahnwesen erfolgreich im Regelbetrieb. Dazu wurden alle Daten aus den Altverfahren erfolgreich übernommen und die Datensätze schnell und reibungslos bereinigt, teilte das Unternehmen mit.

Gegen den Sanierungsstau (BS/jf) Rund 50 Mrd. Euro fehlen zur Sanierung der Schulen in Deutschland. Der Deutsche Städte- und Gemeinde­ bund fordert ein Maßnahmenpaket ähnlich dem Konjunkturpaket II (siehe Seite 16 in dieser Ausgabe). Demgegenüber bietet der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) Entlastung an anderer Stelle. “Die jetzt bekannt gewordenen Zahlen zum Sanierungsstau an unseren Schulen werfen ein dramatisches Schlaglicht auf die angespannte Situati-

on der kommunalen Verwaltungen. Angesichts steigender Aufgaben stoßen Städte und Gemeinden immer öfter an ihre personellen und finanziellen Kapazitätsgrenzen. Die öffentliche Hand kann jede Hilfe gebrauchen, damit sie ihre wichtigen Zukunftsaufgaben auch weiterhin bewältigt”, sagte Kirsten Pedd, Präsidentin des BDIU. Vor allem beim Forderungsmanagement könnten die Verwaltungen im Wege der Verwaltungshilfe auf externe Dienstleister zurückgreifen.

“Wir fordern die Kämmerer dazu auf, diese Möglichkeit zu nutzen”, so Pedd weiter. Die Vorteile lägen auf der Hand: Für die Haushalte würde eine solche Kooperation Mehreinnahmen bedeuten. Zudem würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlastet und könnten sich so auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Insgesamt würden die rund 550 Mitgliedsunternehmen des Verbandes jährlich zwischen fünf und zehn Milliarden Euro an ausstehenden Forderungen realisieren.

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“Public Risk & Compliance 2018” am 17. und 18. Oktober 2018 in Bonn (BS/Dr. Stephanie Lejeune/Dr. Björn Weisse*) Der thematischen Fusion von Risikomanagement, Korruptionsprävention und Compliance in öffentlichen Institutionen widmet sich erstmals ein Bundeskongress des Behörden Spiegel. Die zweitägige Tagung spricht Vertreterinnen und Vertreter der öffentlichen Verwaltung an, die sich für eines dieser Themen interessieren oder die Einzelbetrachtung überwinden und die Zusammenhänge der drei methodischen Ansätze erkennen wollen. Der Kongress bietet zudem eine gute Möglichkeit, sich auf den neusten Stand von Wissenschaft und Praxis bringen zu lassen. Jene, die sich im öffentlichen Sektor mit Risiko- oder Compliance-Management befassen, trennen oft sorgsam zwischen diesen unterschiedlichen Ansätzen der Risikobewältigung. Häufig wird dabei noch die Korruptionsprävention als Teilmenge der Compliance angesehen, da Letztere die Rechts- und Regeltreue in einem umfassenden Sinn im Blick hat. Unklar ist aber das Verhältnis zwischen Compliance und dem Management sonstiger Risiken. Der Bundeskongress befasst sich deswegen nicht nur mit den einzelnen Managementansätzen, sondern beleuchtet auch deren Zusammenspiel. Erfahrene Praktiker aus Bundes- und Kommunalverwaltungen, Vertreter aus Wissenschaft und beratenden Berufen, die an beiden Tagen zu Wort kommen, sind sich einig, dass das Management allgemeiner Risiken nicht ohne Compliance und Compliance nicht ohne das Management sonstiger Risiken gedacht werden kann. Die daraus zu entwickelnden Präventionskonzepte sollten vielmehr miteinander in Bezie-

Kontrollsysteme müssen künftig zusammengedacht und verzahnt werden. Foto: BS/©Sikov, Fotolia.com

hung stehen. Einigkeit besteht zudem dahingehend, dass die öffentliche Verwaltung sich im Hinblick auf ihre wachsenden Aufgaben einerseits und den anspruchsvoller werdenden Rahmenbedingungen, die von nationaler wie europäischer Seite diktiert werden, andererseits den Themen Risiko- und Compliance-Management nicht mehr verschließen kann. Diskutiert wird in der Praxis demzufolge vor allem, wie man die unterschiedlichen Ansätze beider Kontrollsysteme miteinander in Einklang bringen oder zumindest Synergien nutzen kann, um eine möglichst effektive und effiziente Prävention für öffentliche Institutionen sicherzustellen. Da der Bundeskongress erstmals in dieser thematischen Konstellation stattfinden wird, werden grundlegende Fragen diskutiert, wie etwa jene, ob und warum man Compliance oder eine Good Governance für

die öffentliche Hand überhaupt braucht. Es werden Praktiker von ihren Erfahrungen mit der Implementierung eines Korruptionspräventionssystems, Internen Kontrollsystems, Hinweisgebersystems und mit Dienstanweisungen zur Korruptionsprävention berichten. Zudem wird das Three-Linesof-Defence-Modell vorgestellt, das alle Kontrollsysteme in ein Gesamtkonzept bringen kann. Bei alle dem soll natürlich nicht verschwiegen werden, dass es ein längerer Weg sein kann, Führungskräfte, Mitarbeiter und politische Vertreter von manchen Notwendigkeiten zu überzeugen. * Dr. Stephanie Lejeune, Staatssekretärin a. D., ist Rechtsanwältin bei Hülsen Michael Hauschke Seewald. Dr. Björn Weisse arbeitet als Fachberater bei Weisse & Kollegen. Beide übernehmen die fachliche Leitung der Konferenz.


Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

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ie Dynamik demografischer und wirtschaftlicher Entwicklungen, Effizienzgewinne in der Wassernutzung durch technologische Neuerungen sowie Änderungen der Verbrauchsgewohnheiten und Auswirkungen des Klimawandels sind mit Unsicherheiten behaftet. Unterschiedliche Entwicklungen in verschiedenen Teilen einer Kommune (z. B. Wanderung in attraktive Ortsteile) können eine Umplanung der öffentlichen Wasserversorgung erfordern. Im Falle einer angespannten Ressourcensituation ist es vorteilhaft, mögliche Substitutionspotenziale für bestimmte Nutzungen zu erkennen und einzuplanen. Dies gelingt mit einem integrierten und kleinräumlich differenzierten Prognosemodell, wie es das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung – erstmalig für den Wasserversorger “Hamburg Wasser” entwickelt hat.

Integrierte Wasserbedarfsprognosen Herausforderungen für die Bedarfsabschätzung in Kommunen (BS/Dr. Oliver Schulz/Dr. Stefan Liehr/Dr. Jörg Grossmann*) Die sichere Wasserversorgung von Kommunen erfordert eine langfristige Planung des Bedarfs. Der Wasserbedarf der unterschiedlichen Verbrauchergruppen ist von einer Vielzahl von Einflüssen abhängig, wobei Kenntnisse über deren Relevanz, Zusammenwirken und zukünftige Entwicklung auf der lokalen Ebene kaum vorliegen. Bundesweite Durchschnittswerte zu Verbräuchen der Haushalte und der Wirtschaftssektoren bilden in der Regel die lokale Situation nicht ab.

Methodisches Vorgehen Das Vorgehen bei der Wasserbedarfsprognose gliedert sich in eine Reihe von Analyse-, Entwicklungs-und Integrationsschritten, die nachfolgend beschrieben werden: • Analyse der aktuellen Verbrauchssituation, • Identifikation der wichtigsten Einflussgrößen, • Szenarienentwicklung, • Verbrauchsabschätzung mit einem integrierenden Modell, • Ergebnisdarstellung und -bewertung.

Analyse des Status quo Eine Analyse des aktuellen Wasserbedarfs legt die Nutzungsstrukturen des Bedarfs in der Kommune offen. Zunächst werden für ein Basisjahr die Verbrauchsmengen nach Sektoren, wie private Haushalte, Gewerbe/Industrie und öffentliche Einrichtungen, differenziert. Je nach Datenverfügbarkeit und

Behörden Spiegel / September 2018

Evidenzbasierte und gleichzeitig vorausschauende Wasserversorgung in der Kommune: Möglich macht dies das intergierte Bedarfsprognosemodell des ISOE. Foto: BS/ISOE

gewünschter Detailinformation erfolgt danach die räumliche Zuordnung und Analyse von Zusammenhängen mit sozialstrukturellen, ökonomischen und städtebaulichen Informationen bis zur Quartiersebene und darunter in einem Geografischen Informationssystem (GIS). Grundlagen hierfür bieten die Verbrauchsstatistiken des Wasserversorgers und kleinräumige amtliche Geoinformationsdaten, gegebenenfalls gekoppelt mit einer telefonischen Kundenbefragung zu Infrastruktur und Nutzungsgewohnheiten in den Haushalten beziehungsweise Unternehmen. Liegt beim Wasserversorger eine Klassifikation nach Ver-

brauchsstellenarten vor (Einfamilien- bzw. Mehrparteienhaus, Unternehmen nach Wirtschaftszweigen), wird die Zuordnung des Verbrauchs zu einer Nutzungsart genauer; das verbessert wiederum die Identifikation von bestimmenden Einflussgrößen und die Berechnung des spezifischen (Pro-Kopf-)Bedarfs. Mittels statistischer Regressionsanalyse und eines multivariaten Ansatzes werden nun die Haupteinflussgrößen identifiziert und die Auswirkung von Änderungen dieser Größen auf den spezifischen Wasserbedarf im Basisjahr der Prognose bestimmt. Im Beispiel der Hamburger Haushalte waren die wichtigsten Einflussgrößen auf den spezifischen Bedarf:

• Modernisierungsgrad der Sanitäranlagen und Waschmaschinen, • Haushaltsgröße (Personenzahl), • spezifische Wohnfläche, • bewässerungsrelevante Grundstücksfläche eines Haushalts. Für die anderen Verbrauchergruppen in Hamburg wurde in der Analyse der spezifische Bedarf der Beschäftigten in den Hauptwirtschaftszweigen ermittelt.

Szenarienentwicklung und Modellintegration Die statistischen Zusammenhänge bilden die Basis für die Abschätzung des zukünftigen jährlichen Bedarfs unter den Bedingungen des gesellschaftlichen sowie des Klimawandels.

In Szenarien werden Spannbreiten für die Entwicklung der Einflussgrößen festgelegt. Aus offiziellen Quellen werden dazu regionalisierte Schätzungen der zukünftigen Bevölkerungsund Erwerbstätigenzahl sowie die lokale Flächennutzungs-, insbesondere die Wohnungsbauplanung heran­g ezogen. Expertenschätzungen zu erwarteten Effizienzsteigerungen in der Wassernutzung durch technologische Entwicklungen und deren Marktdurchdringung werden ebenso berücksichtigt wie auch mögliche Änderungen der Nutzungsgewohnheiten. Alle grundlegenden Daten und Parameter sowie die datentechnische Umsetzung verschiedener Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklungen werden transparent in einem Excel-basierten Modell zusammengeführt, das sowohl Teile der Analyse als auch die Szenarienrechnung und grafische Ergebnisdarstellung übernimmt. Dabei integriert das Modell die Ergebnisse für die einzelnen Verbrauchergruppen und stellt die zukünftigen Entwicklungen räumlich differenziert dar, in Hamburg zum Beispiel auf der Ebene von Stadtteilen und Versorgungszonen. Mit einem ergänzend entwickelten Tagesmengenmodell können mögliche Spitzenwasserbedarfe und die Bandbreite der witterungsbedingten Variation des Jahreswasserbedarfs abgeschätzt werden. Eine Übertragbarkeit und Anpassung des Modells je nach lokaler Situation und Datenver-

Baumpflege mit Qualitätsausweis

fügbarkeit ist durch den modularen Aufbau und eine passende Methodenauswahl möglich. Bereits die Ergebnisse der räumlich und nach Verbrauchergruppen differenzierten ersten Wasserbedarfsprognose für Hamburg nach dem hier vorgestellten Modellansatz waren richtungsweisend. 2014 konnten sie in der Aktualisierung bestätigt werden. Die Ergebnisse der Bedarfsprognose bilden zusammen mit den Zahlen zum Grundwasserdargebot die Grundlage für die Planungen der Behörden zur Sicherstellung der (Trink-)Wasserversorgung der Metropolregion Hamburg. Die Operationalisierung liegt beim Wasserversorger. Hier fließt die räumlich differenzierte Prognose in die Steuerung der Verteilung des Trinkwassers aus 16 Werken in die verschiedenen Versorgungszonen ein. Die jährliche Fortschreibung des Modells mit der aktuellen Bevölkerungsentwicklung dient auch als Grundlage für die Planung beziehungsweise Prognose des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses von Hamburg Wasser Mittels einer Optimierung des Tagesmengenmodels soll eine unterjährige Präzisierung der Ergebnisprognose möglich werden. Die Ergebnisse des Tagesmengenmodells dienen auch zur vorausschauenden Bereitstellung ausreichender Förder- und Aufbereitungskapazitäten sowie zur Planung des Leitungsnetzes. Weitere Informationen erhalten Sie unter: www.isoe.de/wasser bedarf-hamburg . *Dr. Oliver Schulz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am ISOE. Dr. Stefan Liehr leitet den Forschungsschwerpunkt Wasserressourcen und Landnutzung am ISOE. Dr. Jörg Grossmann ist Leiter der Abteilung Grundwassermanagement bei Hamburg Wasser.

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Zahl von Baumpflegebetrieben mit RAL-Gütezeichen wächst – gut für öffentliche Auftraggeber

Zahlreiche Zuschläge

(BS/Arne Neuendorff*) Für die Vergabestellen von Städten und Gemeinden sind sie gefragte Partner bei der Pflege kommunaler Baumbestände: Die Baumpflegebetriebe, die zum (BS/jf) Die Windenergie an Land Ausweis ihrer Leistungsqualität regelmäßig die umfangreiche RAL-Prüfung absolvieren. Der entscheidende Punkt aus der Sicht der öffentlichen Auftraggeber: Das RAL-Gütezeichen ist wird weiter ausgebaut. Die Buneine zuverlässige Orientierungshilfe bei der Auswahl geeigneter Fachfirmen für anspruchsvolle Baumarbeiten in Grünanlagen und im Straßenraum. desnetzagentur hat im Rahmen Das Kürzel ist denkbar nüchtern: GZ-248. Die Buchstabenkombination steht für Gütezeichen, die Zahl 248 weist im Verzeichnis des “RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung” die Gütegemeinschaft Baumpflege e. V. aus. Hinter der knappen Abkürzung verbergen sich aktuell mehr als 150 Fachbetriebe in ganz Deutschland.

Hohe Anforderungen an Mannschaft und Gerät Die Angebotspalette dieser Unternehmen kann sich sehen lassen: Sie umfasst den gesamten Bereich der Baumpflege ebenso wie die Baumbegutachtung und Baumkontrolle. Darüber hinaus unterstützen die Betriebe ihre Kunden dabei, Baumstandorte anzulegen und zu sanieren sowie erforderliche Maßnahmen der Baumpflege präzise zu planen. Mit den genannten Leistungen sind anspruchsvolle Aufgabenstellungen verbunden. Die Unternehmen müssen nicht nur über die fachliche Expertise bei der Bewirtschaftung der Baumbestände etwa in Parks, auf Friedhöfen, kommunalen Grundstücken und entlang von Straßen verfügen. Für die Arbeiten benötigen die Firmen auch einen geeigneten Maschinenpark und ausgewiesene Erfahrungen im Einsatz der Geräte. Gerade die Pflege großer Bäume ist zudem eine gefährliche Angelegenheit, etwa durch die Arbeiten in großer Höhe und die vielfach gegebenen Arbeitssituationen im öffentlichen Raum.

Das Thema Arbeitssicherheit hat damit eine hohe Priorität.

zu schnelleren und effizienteren Ausschreibungsprozessen. Das Ergebnis der Ausschreibungen ist die Auswahl zuverlässiger und leistungsstarker Fachbetriebe für die kommunalen Baumpflegeaufgaben. Diese Betriebe arbeiten auf der Grundlage eindeutiger Lieferbedingungen – auch das ein Resultat der in den Kriterien RAL Gütegemeinschaft Baumpflege festgelegten Qualitätsstandards.

Klarer Trend Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen an die Leistungsstärke und Qualität von Baumpflegebetrieben ist ein Trend klar erkennbar: Immer mehr Vergabestellen suchen für die Umsetzung von Baumpflegearbeiten gezielt die Zusammenarbeit mit RAL-geprüften Firmen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die öffentlichen Auftraggeber können sich darauf verlassen, dass diese Firmen die baumtechnischen und fachlichen Kompetenzen nachweisbar erfüllen. Die RAL Gütegemeinschaft Baumpflege hat einen weitreichenden Kriterienkatalog definiert, um ein Qualitätssiegel für die Fachbetriebe zu schaffen. Die Einhaltung dieses Katalogs müssen die Firmen der Gütegemeinschaft in einer strengen Eignungsprüfung nachweisen. Externe Sachverständige prüfen darüber hinaus in regelmäßigen zeitlichen Abständen, ob die Unternehmen die Qualitätskriterien dauerhaft erfüllen. Dadurch hat das RAL-Gütezeichen als Qualitätsnachweis tatsächlich eine hohe Aussagekraft.

Umfassende Leistungsanforderungen Zu den Leistungsanforderungen der RAL Gütegemeinschaft Baumpflege gehört neben den handwerklichen Leistungen auch die Ausstattung der Firmen. Und die betriebliche Organisation

Kooperation mit professionellen Partnern Für eine leistungsstarke Pflege von Bäumen steht das RAL-Gütezeichen GZ-248.

der Unternehmen ist ebenfalls maßgeblicher Bestandteil der RAL-Prüfung. Für öffentliche Auftraggeber spielt es beispielsweise eine große Rolle, dass ein beauftragter Baumpflegebetrieb die sichere Abwicklung von Baustellenabläufen gewährleistet. Zudem muss der Auftragnehmer die Arbeitsabläufe und die erbrachten Leistungen korrekt und vollständig dokumentieren. Die RAL-geprüften Unternehmen integrieren die festgelegten Standards der RAL Gütegemeinschaft als zentrale Arbeitsbasis in ihre betrieblichen Abläufe. Auf diese Weise gewährleisten die Mitgliedsbetriebe auch die Transparenz ihrer Leistungen für die Kunden aus dem öffentlichen Bereich. In immer mehr Vergabestellen setzt sich nicht nur die Erkenntnis durch, dass die Unternehmen der RAL Gütegemeinschaft Baumpflege hervorragende Ar-

Foto: BS/Jens Prüfe

beit leisten. Die öffentlichen Auftraggeber stützen sich auch bei Ausschreibungen von Aufgaben zur Baumbewirtschaftung zunehmend auf die Güte- und Prüfbestimmungen der Gütegemeinschaft. Das macht Sinn, denn zum einen beschreiben diese Bestimmungen umfassend die vielfältigen Anforderungen an Baumpflegearbeiten – sie entsprechen beispielsweise dem aktuellen Stand der Technik und gehen oftmals sogar über gesetzliche Normen und Regelungen hinaus. Zum anderen können die ausschreibenden Behörden das RAL-Gütezeichen als Beleg der Bieterqualifikation und der Lieferbedingungen nutzen. Zusätzliches Plus: Dieses Verfahren erfüllt sämtliche Vorgaben des Vergaberechts. Die klaren Qualitätskriterien, wie sie im Kriterienkatalog der RAL Gütegemeinschaft festgelegt sind, führen in vielen Fällen

Schon jetzt ist erkennbar, dass die Bewirtschaftung der kommunalen Baumbestände in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Im Bestreben, die Lebensqualität in Städten und Gemeinden weiter zu verbessern und eine “grüne” Stadtentwicklung zu fördern, wächst der Stellenwert einer nachhaltigen Planung und Pflege von Bäumen und Grünflächen. Mehr denn je sind die öffentlichen Auftraggeber damit auf die Kooperation mit professionellen Partnern angewiesen, die ihre Expertise in den Schutz und die langfristig orientierte Bewirtschaftung der “Grünen Lungen” im kommunalen Raum einbringen. Die Mitgliedsbetriebe der RAL Gütegemeinschaft Baumpflege sind hier erste Adressen. Weitere Informationen unter: www.ral-baumpflege.de *Arne Neuendorff ist Vorsitzender der RAL Gütegemeinschaft Baumpflege e.V.

der dritten Ausschreibung die Zuschläge erteilt. 91 Gebote mit einem Volumen von 709 Megawatt sind bei der Budnesbehörde eingegangen, die 670 Megawatt ausgeschrieben hatte. Die meisten Zuschläge gingen an Bieter in Brandenburg (23 Zuschläge, 136 Megawatt), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (12 Zuschläge, 100 Megawatt) und Schleswig-Holstein (16 Zuschläge, 95 Megawatt). Aus Sicht der Bundesnetzagentur besonders erfreulich sind die Zuschläge im Süden der Bundesrepublik: sechs Bieter in Baden-Württemberg (72 Megawatt) und drei in Bayern (31 Megawatt) waren mit ihren Angeboten ebenfalls erfolgreich. Damit befinden sich etwa 23 Prozent der bezuschlagten Menge der Projekte südlich der Mainlinie. Die Gebotswerte reichten von 4,00 ct je Kilowattstunde (kWh) bis zum Höchstwert 6,30 ct/ kWh. Der durchschnittliche Zuschlagswert liegt bei 6,16 ct/ kWh, teilte die Agentur weiter mit. In den vorhergehenden Ausschreibungsrunden im Mai 2018 lagen die Zuschläge im Durchschnitt bei 5,73 ct/kWh, im Februar 2018 bei 4,73 ct/ kWh. Diese Preissteigerungen könnten Ausdruck des mangelnden Wettbewerbs sein. “Die Runde war leicht überzeichnet, trotzdem hat jedes zugelassene Gebot einen Zuschlag erhalten”, sagte Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. Fünf Gebote mit einem Volumen von 42 Megawatt waren nicht zugelassen worden.


Kommunale Infrastruktur / Mobilität

Behörden Spiegel / September 2018

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Täglich grüßt die Signalstörung

Ene, mene, miste…

Wie die DB den Schienenverkehr revolutioniert

Was bleibt von den Fahrverbotskontrollen?

(BS/Adrian Bednarski) Ob Winter, Frühling, Sommer oder Herbst: Sie kommen regelmäßig vor. Die Rede ist von Signalstörungen. Praktisch alles kann eine auslösen und sorgt dann für Verspätungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Sehr zum Ärger der Reisenden. Aber mittels eines europäischen Standards und den digitalen Möglichkeiten arbeitet die Deutsche Bahn (DB) an einer Lösung für ihre eigenen Verspätungen. Diese könnte sogar den Kommunen helfen.

(BS/ab) In der Hamburger Max-Brauer-Allee sowie in der Stresemannstraße dürfen Diesel der Euro-5-Norm und darunter nicht mehr fahren, dies verbietet die Durchfahrtsbeschränkung, die umgangssprachlich als Fahrverbot betitelt wird. Eine Großkontrolle wurde durchgeführt, um den politischen Willen dahinter zu zeigen und die Wirkung der Maßnahme zu überprüfen. Aber deren Ergebnisse sind ernüchternd.

Die Kölner Verkehrsbetriebe verbuchten 2017 insgesamt 2.665 Signalstörungen, bei denen extra der Entstördienst ausrücken musste. Das Vorhalten von Schichtdiensten und Rufbereitschaften zur Reduktion der Reaktionszeit, die Erneuerung von Altanlagen wie Stellwerken und die Entwicklung einer vorausplanenden Instandhaltungsstrategie sollen hierbei hilfreiche Instrumente zur Lösung des Problems sein, heißt es seitens der Verkehrsbetriebe. In Berlin waren es bei den Straßenbahnen 185 Signalstörungen im Jahr 2017. Die U-Bahn kam im gleichen Jahr wiederum auf 726 Ausfälle, wobei diese nicht eindeutig auf Signal- oder Stellwerkstörung zurückzuführen waren, weil diese nicht gesondert erhoben werden. In Stuttgart vermeidet die Stadtbahn Signalstörungen, indem sie wenig mit Blocksignalen arbeitet und die Fahrt auf Sicht nutzt. Für die Großstadt habe sich dies als leistungsfähiger herausgestellt, so heißt es aus der Stuttgarter Straßenbahn AG. Jedoch sei dies nicht unbedingt übertragbar.

Bahn geht neuen Weg Dass die Deutsche Bahn, die selbst eine hohe Unpünktlichkeitsstatistik anführt, nun dieses Problem in den kommenden Jahren in den Griff bekommen könnte, basiert auf einem neuen Standard: dem European Train Control System (ETCS). Dieses ist die Basis für ein einheitliches Eisenbahnverkehrssystem, welches in den kommenden Jahren in Europa aufgebaut wird. Durch Standardisierung sollen die Signaltechnik vereinfacht sowie der Sicherheitsstandard der Infrastruktur erhöht werden. Bis jedoch ETCS einheitlich in Deutschland in den Zügen und Strecken verbaut ist, werden nach Schätzungen zehn bis 15 Jahre vergehen. In diesem Zu-

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it der Plattform von Andes werden Arbeitsprozesse in Behörden, welche sich mit Genehmigungsverfahren im öffentlichen Raum beschäftigen, optimal abgestimmt und abgewickelt. Dabei hilft dies nicht nur den Kollegen der Straßenverkehrsbehörde, sondern auch Versorgungsunternehmen, Netzverwaltern, Sicherheitsdiensten und Bürgern. Es wird jede Genehmigungsanfrage, sowohl von Betrieben als auch Bürgern, effizient und digital unterstützt wie beispielsweise Veranstaltungen im öffentlichen Raum oder der Aufbruch öffentlicher Verkehrsflächen. Wie die Plattform zum Einsatz kommen kann, erläutert Sebas­ tian Höller, Baustellenmanager von der Stadt Bergisch Gladbach.

Mihilfe des European Train Control Systems (ETCS) und der Digitalisierung möchte die Deutsche Bahn mehr Züge auf die Strecke bringen und weniger Verspätungen ermöglichen. Dabei könnten auch die Kommunen davon profitieren. Foto: BS/jurec, pixelio.de

sammenhang solle jedoch die Technik digitalisiert werden und damit würden die Kommunikation beziehungsweise die Signale der Züge mit dem Bahnsystem über Funk erfolgen. Alle Komponenten würden in einem IP-Netz agieren und verbunden sein. Damit wären 160.000 Signalanlagen und rund 400.000 Kilometer Kabel nicht mehr nötig. Damit sollen die Zeiten der Signalstörungen der Vergangenheit angehören. Außerdem würden mittels der Funkverbindung die Züge präziser lokalisiert und könnten im Bremsabstand zueinander fahren, wodurch mehr Züge auf die Schiene passten als bisher. ETCS kann umgesetzt werden, aber die Prozesse dahinter sind noch unter anderem mit dem Bund abstimmungsbedürftig.

ETCS in der Kommune Dabei zeigt sich, dass ETCS auch für die Kommunen hilfreich sein kann. “Es kann im städtischen Nahverkehr sowohl bei S- als auch U-Bahnen angewendet werden. Ein Beispiel dafür bildet die Berliner S-Bahn. Hier kommt eine auf die Belange des städtischen Nahverkehrs angepasste Version von ETCS zum Einsatz”, erläutert Pauline Maître, Sprecherin des Verbandes der

Bahnindustrie in Deutschland (VDB). Für die Straßenbahnen sei es technisch nicht unmöglich, jedoch “vorerst fraglich”. “Automatisierung in einem Mischverkehr mit Autos ist deutlich komplexer”, fuhr sie fort. Vor allem rechtlich seien noch einige Hürden zu nehmen. Auch wenn dies Zukunftsmusik ist, so nimmt die DB Milliarden Euro in die Hand, um das ETCS bundesweit einzuführen, wovon auch insbesondere die S-Bahn und Regionalzüge – die viele Pendler nutzen – profitieren können.

Hierbei zeigt sich dann auch der Unterschied zwischen einer Durchfahrtsbeschränkung und einem Fahrverbot. “Bei einer Durchfahrtsbeschränkung können jene Autofahrer – auch mit einem Diesel unterhalb der Euro6-Norm – durchgelassen werden, wenn sie ein Anliegen haben, wie Anwohner und Anlieferer. Bei einem ausgesprochenen Verbot dürfte niemand mehr durchfahren”, erläutert Harald Becke, Sachbearbeiter für Grundsatzfragen bei der Verkehrsdirektion der Hamburger Polizei. Ergo: Eine klare Schranke kann nicht aufgestellt werden, sondern es bleibt eine jeweilige Einzelfallentscheidung der Polizisten, wenn sie den Wagen zur Kontrolle rauswinken. Bei der Großkontrolle wurden 603 Fahrzeuge überprüft. 165 Beamte wurden eingesetzt, die zusammen 1.169 Personalstunden gesammelt haben. Gegen 173 Fahrzeugführer – also 29 Prozent – sind dabei Verfahren eingeleitet worden, weil sie gegen die Beschränkung verstießen. Insgesamt sind ungefähr 330.500 Dieselautos in Hamburg unterwegs, wovon 207.000 unterhalb der Euro-6-Norm liegen. Im direkten Vergleich zu der Gesamtzahl der kontrollierten Pkws und Lkws scheint dies eine gerin-

ge Erfolgsquote zu sein. Dabei ist die Erklärung dahinter menschlicher Natur: Schon die Unterscheidung zwischen Diesel und Benziner falle schwer. Zwischen einem Euro-5- und einem Euro6-Diesel werde dies nochmals erschwert, weil der kontrollierende Polizist sich dafür hinsichtlich der Autohersteller und Modelle sowie der dazugehörigen Jahrgangszahlen auskennen müsse. “Die Kontrollen durchzuführen, ist dementsprechend aufwendig und schwieriger als bei einer “normalen” Kontrolle“, erläutert Becker. Könnte eine Form der blauen Plakette, wie sie von vielen Politikern abgelehnt wird, den Polizisten in der Praxis nicht doch

Bei 603 durch 165 Polizeibeamte kontrollierten Fahrzeugen verstießen 173 gegen die Durchfahrtbeschränkung. Die Kontrollen von Diesel-Fahrzeugen sind schwerer als normale. Gibt es eine Abhilfe dagegen?

Foto: BS/Picture Factory, fotolia.de

MELDUNG

ÖPNV-Kundenbarometer 2018 (BS/ab) Den ersten Platz hinsichtlich der Globalzufriedenheit teilen sich die Stadtwerke Münster sowie die Dresdner Verkehrsbetriebe (beide 2,28) bei den Verkehrsunternehmen. Dies geht aus dem 20. ÖPNVKundenbarometer hervor. Aber einen klaren Favoriten, der in allen Sparten dominierte, gab es dabei nicht. Dr. Henning Müller-Tengelmann von den Stadtwerken Münster äußert sich zufrieden mit dem

Ergebnis, für ihn ist dies ein wichtiger Schritt zu einer grüneren Innenstadt: “Junge Menschen unter 29 Jahren gehören zu den zufriedensten Fahrgästen. Wenn diese dem öffentlichen Nahverkehr auch auf Dauer treu bleiben, ist das langfristig ein wichtiger Schritt hin zu weniger Autos auf der Straße.” Bei den Verkehrsverbünden gewinnt die Oberelbe (VVO) (2,38) vor dem Hamburger Verkehrsverbund (2,58) hinsichtlich der

Globalzufriedenheit. “Es freut mich, dass es uns gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen gelingt, das gute Niveau unseres Angebotes dauerhaft zu halten. Besonders die überdurchschnittliche Gesamtbewertung zeigt, dass die Fahrgäste die Arbeit der Verkehrsunternehmen, des Verbundes, der Kommunen und des Freistaats schätzen”, äußerte sich VVO-Geschäftsführer Burk­ hard Ehlen. 40 Leistungsmerkmale gab es

Digitalisierung in der Straßenverkehrsbehörde Baustellenmanager steht Rede und Antwort (BS/Albert Rempel*) Für Behörden ist es eine tägliche Herausforderung, die Erreichbarkeit, Sicherheit und Lebensqualität der Städte und Gemeinden sicherzustellen. Gute Abstimmung und Zusammenarbeit ist darum von wesentlicher Bedeutung und die LTC-Plattform vereinfacht diese.

ist die Anzahl der Anträge stetig gestiegen. Trotz zusätzlicher personeller Kapazitäten konnte eine zeitnahe Bearbeitung von Anträgen nicht mehr gewährleistet werden. Auch für die erforderlichen Kontrollen im Außendienst verblieb kaum bis keine Zeit mehr. Aus diesem Grund sollte durch eine digitale Lösung der Arbeitsablauf effektiver gestaltet und beschleunigt werden. Dies sollte nach Möglichkeit schon bei der Dateneingabe durch den Antragsteller beginnen. Durch die Online-EinbinRempel: Was war für Bergisch dung von anzuhörenden Stellen Gladbach der Anlass, nach einer kann auch die Beteiligung z. B. Lösung zur Digitalisierung der von Polizei und StraßenbaubeArbeiten im öffentlichen Raum zu hörden für beide Seiten effeksuchen? Warum war es wichtig, tiver gehandhabt werden. Die die Arbeitsweise zu ändern? automatisierte Erstellung von Bescheiden und die Erhebung Höller: In den letzten Jahren von Gebühren beschleunigt und vereinfacht die Sachbearbeitung. Für die Stadt Bergisch Gladbach war es wichtig, durch Der Baustellenmanager der Stadt Bergisch Gladbach, eine neue IT-LöSebastian Höller, steht sung nicht nur Rede und Antwort rund um Vorteile für die die Plattformlösung. interne Sachbearbeitung zu Foto: BS/Andes GmbH schaffen, sondern

helfen? “Eine Blaue Plakette würde helfen, das Problem der Fahrverbotskontrollen wesentlich zu erleichtern. Jetzt muss die Polizei bei jeder Kontrolle den Fahrzeugschein einsehen, die Plakette wäre unübersehbar. Das ist auch der Grund, warum die Umweltminister aus Bund und Ländern, auf Antrag des Hamburger Umweltsenators Jens Kers­ tan hin, in einem einstimmigen Beschluss die Einrichtung einer “Blauen Plakette” auf den Weg gebracht haben. Der Bund soll und muss jetzt dafür die rechtliche Grundlage schaffen. Der Ball liegt in Berlin”, sagte Björn Marzahn, Sprecher der Umweltbehörde Hamburg.

zur Auswahl, die auf einer Skala von eins für “vollkommen zufrieden” bis fünf für “unzufrieden” bewertet werden konnten. Dazu gehörten unter anderem die Beurteilung des Angebots, die verkehrsbezogenen Merkmale, die Tarifbeurteilung, die Haltestellen, die Sicherheit sowie die Kundenbeziehung. Zwölf der 39 Teilnehmer erreichten bei der Gesamtzufriedenheit ein “sehr gutes” Ergebnis mit Werten von 2,49 oder besser.

das Kassenprogramm übertragen werden. Im digitalen Zeitalter war dies kein effektives Arbeiten. Bei Kontrollen im Außendienst standen die Daten nicht vor Ort zur Verfügung. Rempel: Welche Verbesserun­ gen erwarten Sie für Bergisch Gladbach aufgrund der Nutzung von LTC-Baustellenmanagement?

Das Baustellenmanagement mittels der LTC-Plattform grafisch dargestellt und angepasst für die Stadt Bergisch Gladbach. Grafik: BS/Andes GmbH

den Arbeits- und Zeitaufwand auch für die Antragsteller zu verkürzen. Rempel: Können Sie etwas zu dem Erwerbungsverfahren sa­ gen? Wer war daran beteiligt (Interne/ Externe/ Abteilungen)? Höller: Die Überprüfung von digitalen Lösungen zur Verwaltung von Arbeitsstellen, Veranstaltungen und Sondernutzungen wurde hauptsächlich durch die Abteilung Baustellenmanagement gemeinsam mit den Sachbearbeitern der Straßenverkehrsbe-

hörde betrieben. Die Produkte verschiedener Anbieter wurden begutachtet und teilweise im Einsatz bei anderen Kommunen beobachtet. Zusätzlich waren Kollegen vom Fachbereich Verkehrsflächen beteiligt, um eine Einbindung der bestehenden Aufbruchsverwaltung zu klären. Vonseiten der städtischen IT-Abteilung kamen technische und finanzielle Vorgaben. Auch die vertraglichen Aspekte wurden nach der Freigabe durch den städtischen Datenschutzbeauftragten zentral durch die IT-Abteilung abgewickelt.

Rempel: Auf welche Weise hat Bergisch Gladbach vor der LTCPlattform gearbeitet? Höller: Die Arbeitsstellen, Veranstaltungen und Sondernutzungen wurden “manuell” verwaltet. Alle Maßnahmen wurden mit den jeweiligen Daten in einer Excel-Tabelle von Hand erfasst. Die Bescheide wurden auf Basis einer Word-Vorlage erstellt. Hier mussten die Daten ebenfalls per Hand eingetragen werden. Für die Erhebung der Verwaltungsgebühren mussten die identischen Daten erneut händisch in

Höller: Die Stadt Bergisch Gladbach erwartet für alle Beteiligten im Prozess eine schnellere und effektivere Abwicklung von Maßnahmen. Unnötige Mehrfacheingaben von Daten entfallen. Firmen können nach dem Login auf Stammdaten zurückgreifen. Zu beteiligende Stellen können schnell und einfach eine Rückmeldung geben. Insgesamt gehen wir davon aus, dass durch die technische Unterstützung ein effektiverer Arbeitsablauf mit entsprechender Zeitersparnis realisiert werden kann. Die gewonnene Zeit kann für eine verbesserte Vorplanung der Maßnahmen sowie regelmäßigere Kontrollen genutzt werden. Auch für die Darstellung von Maßnahmen und die damit verbundenen Verkehrsstörungen nach außen hin z. B. für die Öffentlichkeitsarbeit erwarten wir bessere Darstellungsmöglichkeiten. *Albert Rempel ist der Account Manager Öffentliche Auftraggeber von Andes.


Kommunale Infrastruktur

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Auf den höchsten Gipfeln

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is zum 31. Dezember 2022 gehört zu den Zielen, dass der jeweilige Netzinhaber “eine Abdeckung von mindestens 98 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland mit einer Übertragungsrate von mindestens 100 Mbit/s im Downlink erreichen muss”. So sieht es das Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur (BNetzA) vor. Weil dies jeder Inhaber erfüllen muss, geht die Bundesnetzagentur davon aus, dass mehr als 98 Prozent der Haushalte versorgt würden. Aber: Bei dem 100 Mbit/s-Ziel reiche es aus, wenn der Haushalt die Datenrate zur Verfügung habe, nicht, ob er sie komplett erhalte. Dementsprechend könnte bei einer hohen Auslastung der Netze die eigene Internet-Geschwindigkeit teils stark abweichen. Kritik an der Versorgung äußert Christian Haase, MdB und Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV): “Die bisher vorliegenden Planungen der Bundesnetzagentur zum G5-Ausbau reichen nicht aus, um die Verabredungen des Koalitionsvertrages umzusetzen.” Aus dem Koalitionsvertrag gelte die Vorgabe, dass es neue Frequenzen nur gegen flächendeckende Versorgung gebe. “Der Präsident der Bundesnetzagentur ignoriert diese Vorgabe und behauptet, dass die zur Vergabe anstehenden 5G-Frequenzen für eine weitergehende Flächenversorgung nicht geeignet seien”, merkt Haase an. Gleichwertige Lebensverhältnisse würden so nicht geschaffen. “Wir fordern den Präsidenten der Bundesnetzagentur auf, sich den politischen Vorgaben des Koalitionsvertrages unterzuordnen”, betont der KPVVorsitzende. Positiv wird es für die Pendler. Für die stark befahrenen Strecken soll bis Ende 2022 eine mobile Breitbandversorgung von 50 Mbit/s im Antennensektor bereitgestellt werden. Zudem soll der 5G-Ausbau mit vielen Basis-

Behörden Spiegel / September 2018

Nehmen der Glasfaserausbau und 5G an Fahrt auf? (BS/Adrian Bednarski) Die ersten Bedingungen für die Auktion der Zukunftstechnologie 5G 2019 sind nun bekannt und werden kritisiert. Gleichzeitig verharrt 5G in den Startlöchern, solange der Glasfaserausbau stagniert. Wieder stehen die Forderungen nach mehr Regulierung, finanziellen Mitteln und weniger Bürokratie im Raum. Folgen auf die Lippenbekenntnisse Taten? stationen vorangetrieben werden: “Jeder Zuteilungsnehmer im Bereich 3,6 GHz ist verpflichtet, 500 “5G-Basisstationen” bis zum 31. Dezember 2022 in Betrieb zu nehmen”, heißt es im Eckpunktepapier. Es offenbart sich ein weiterer Haken: Kleinere Mobilfunkanbieter, die kein eigenes Netz besitzen, könnten benachteiligt werden. Denn eine Verpflichtung zum nationalen Roaming ist bisher nicht eingeplant. Bei diesem könnten Anbieter, die in einer Region kein eigenes Netz besitzen, jenes der Konkurrenten gegen ein Entgelt mitbenutzen. Obwohl die BNetzA das nationale Roaming für Neueinsteiger im Rahmen des Wettbewerbs- und Telekommunikationsrechts begrüßt, möchte sie es nicht vorschreiben, weil keine “beträchtliche Marktmacht” vorliege. Sollte es zu einer Diskriminierung kommen, dann würde die Behörde notfalls in den Wettbewerb eingreifen.

Alle an einem Tisch Nicht nur bei 5G zeichnet sich ein neuer Kurs ab. Mittlerweile hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) viele der großen Akteure aus der Telekommunikationsbranche an einen Tisch gerufen, um vor allem den schleppenden Breitbandausbau, die 4G-Mobilfunklücken und das kritische DigiNetz-Gesetz (mehr zum DigiNetz-Gesetz lesen Sie auf Seite 27) zu diskutieren. Dies stieß auf positive Resonanz: “Grundsätzlich begrüßt es der VATM, wenn Politik und Wirtschaft sich zusammensetzen”, so Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbandes für Anbieter

Man muss aktuell nicht auf den höchsten Gipfeln in der Pampa stehen, um kein Empfang zu haben. Die Schließung der 4G-Lücken, die 5G-Versteigerung und die Tiefbaukapazitäten sind weiterhin Themen, die Deutschland hinsichtlich des schnellen Internets auf Trab halten. Foto: BS/Georg Thomas, CC BY 2.0, flickr.com

von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). Auch seitens der Telekom wurde der Vorstoß begrüßt, weil es “keine politischen Forderungen gab, sondern die Frage nach den Ursachen, wieso wir noch nicht so weit sind. Hierfür haben wir nach Lösungen gesucht”, so Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG.

Lösungen gefunden? Es geht vor allem um Regulierung und Kooperation. Der Bund selbst wird bis zum November 2018 eine Funkloch-Melde-App entwickeln und prüft, inwieweit die Mobilfunkanbindung in unrentablen Gebieten gefördert werden kann. Bundesländer sowie Kommunen sollen den Mobilfunknetzbetreibern unter anderem BOS-Standorte (spezieller nicht-öffentlicher Mobilfunk) zur Verfügung stellen. Zudem unterstützen sie diese bei der

Moderne Postkutsche? Neue Bus-Konzepte für den ländlichen Raum

geeigneten Suche für Mobilfunkmasten. Auch Genehmigungen bei Mobilfunkstandorten in Naturschutzgebieten und welche öffentlichen Standorte von den Ländern ausgebaut und von den Anbietern dann gemietet werden könnten, werden geprüft. Die Mobilfunkbetreiber hingegen werden die BNetzA unterstützen, eine detaillierte Karte über die Versorgungsdarstellung mit 2G-, 3G- und 4G-Anbindungen anzufertigen. Dadurch sollen Lücken und Funklöcher lokalisiert werden. Zudem sollen die Anbieter ab dem 1. Dezember 2019 den Bund im dreimonatigen Rhythmus über die geplanten neuen Standorte informieren, um die Entwicklung bei der Versorgung und die Schließung der Lücken effizienter beobachten zu können. Bis zum 31. Dezember 2020 sollen zudem 99 Prozent der Haushalte in ganz Deutschland mit 4G-Mobilfunkverbindungen versorgt werden. Zwei Jahre später soll jedoch bereits der neuen Standard 5G verfügbar sein. Dies scheint ein sehr eng gesetzter Zeitplan zur Realisierung.

(BS/ab) In der brandenburgischen Uckermark fährt der KombiBus, welcher mit weiteren 300.000 Euro für Kommunen sind erfreut Marktanalysen unterlegt wurde. Wohingegen Hessen mit dem Bürgerbus, als Ergänzung zum täglichen ÖPNV, An und für sich gehen den Komauf Altbewährtes setzt. munen die Mobilfunkanbieter Mittels der 300.000 Euro sollen die Busunternehmen Untersuchungen durchführen, wo auf den Strecken, zu welcher Zeit weniger Personen transportiert werden, um die Busse dann mit Gütern oder Briefen aufzufüllen. Die Idee hinter dem Konzept: Die Logistikunternehmen könnten zwar auch die abgelegeneren Orte befahren, aber es sei für sie kostenintensiv, für kleine Mengen diese anzusteuern. An dieser Stelle setze der KombiBus an und fülle diese Logistiklücke, indem er Paket- sowie Brieflieferungen mit dem Personentransport kombiniere. “Der KombiBus ist eine moderne Postkutsche und befördert Menschen und Güter in einem Fahrzeug. Er ist ein Beispiel für neue Mobilitätslösungen im Sinne der Mobilitätsstrategie. Wir brauchen für dünnbesiedelte Regionen Konzepte, die die Daseinsvorsorge in den kommenden Jahren gewährleisten”, so die brandenburgische Staatssekretärin Ines Jesse. Vor allem geht es um regionale Paketzustellungen. Hierbei wird mit den Empfängern vereinbart, welcher Bus das Paket oder den Brief mit sich befördert. Durch den Busfahrplan ergibt sich dann die Uhrzeit, zu der die Person da sein muss, um Brief oder Paket entgegenzunehmen. Auch können Briefe am Bus abgegeben werden, da die Busse geschlossene Briefkästen in sich tragen, die in den Orten mit einer Post

Die Kombination aus Güter- und Personentransport kommt in der brandenburgischen Uckermark zum Einsatz. Wie früher die alten Postkuschen, so soll die moderne Variante den ländlichen Raum mobiler und lebenswerter gestalten. In Hessen wird hingegen der Bürgerbus eingeführt, als Ergänzung zum normalen ÖPNV. Foto: BS/©NoraDoa, stock.adobe.com

dann entleert werden. Aber der KombiBus bedient die Tourismusbranche, indem er Gepäck transportiert, oder die Lebensmittelbranche, um regionale Produkte an die lokalen Vertriebe wie Restaurants zu bringen. Hierbei wird die Kühlkette durch Transportboxen bis zu 24 Stunden aufrechterhalten. Der Bus finanziert sich selbst und jeder Linienbus kann ein KombiBus sein.

Bürgerbus als Ergänzung Im hessischen Rabenau nördlich von Gießen wurde der erste Bürgerbus durch Wirtschafts-

und Verkehrsminister Tarek AlWazir übergeben. Er betonte dabei: “Die Bürgerbusse sollen den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nicht etwa ersetzen, sondern die bestehenden Mobilitätsangebote im ländlichen Raum ergänzen.” Initiativen, Gruppen, Vereine und Kommunen können einen Antrag auf die Förderung eines solchen Busses stellen. Manche Bürger möchten ohne Auto mobil sein. Hier setze der Bürgerbus an. “Durch bürgerschaftliches Engagement sorgen sie vielmehr für Verbindungen von kleinen Ortsteilen in die Kernstädte und steigern so die Lebensqualität vor Ort”, so AlWazir. Das Projekt baut dabei vor allem auf Ehrenamt, welches mit jeweils 1,2 Mio. Euro für 2018 und 2019 gefördert wird. Mit den finanziellen Mitteln können bis zu 60 Fahrzeuge beschafft werden. In Rabenau wurde das Projekt mitsamt eines Betriebskonzepts von dortigen Ehrenamtlichen vorangetrieben. Nun fährt der Bürgerbus vorerst an zwei Betriebstagen pro Woche und verbindet die Ortsteile Rabenau mit Allertshausen, Geilshausen, Kesselbach, Odenhausen, Rüddingshausen und Londorf. Ganz wichtig sei dabei die Beratung gewesen, so der Minister. Sie habe der Initiative hinter dem Bürgerbus geholfen, sich rechtlich abzusichern und wichtige Fragen wie die Routen und den Fahrturnus abzuklären.

und Netzbetreiber in der Regel beim Ausbau und der Versorgung mit schnellem Internet nicht weit genug. Dieses Mal zeichnet sich jedoch ein anderes Bild ab: “Wichtig ist für uns, dass die 4G-Lücken geschlossen und die

Vereinbarungen aus dem Mobilfunkgipfel eingehalten werden”, sagt Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB). Das eine gesetzliche Versorgungsauflage, wie sie bei der damaligen UTMS-Versteigerung geschaffen wurde, nicht für die 5G-Versteigerung existiere, begrüßt der DStGB. Sollte es sich abzeichnen, dass die Vereinbarungen der Mobilfunkanbieter mit dem Bund, den Ländern und den Kommunen nicht funktionieren, dann könnten erstere immer noch verpflichtet werden, so Handschuh. Die Kommunen seien sich ihrer Aufgabe, die geeigneten Standorte für die Mobilfunkmasten zu finden, bewusst. “Wir arbeiten bereits seit geraumer Zeit mit den Mobilfunkbetreibern diesbezüglich zusammen”, betonte er. Jedoch sei es hilfreich, dass durch die Zielvereinbarungen sich nun auch die Unternehmen festlegen mussten.

Landkreise haben leichte Zweifel “Für die ländlichen Räume können das aber aller Voraussicht nach nicht die am Markt befindlichen Unternehmen alleine leisten; hier braucht es auch Fördermittel für den Auf- und Ausbau von Funkmasten”, ergänzt Dr. Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag (DLT). Auch der VATM sieht die Politik in der Pflicht, mehr Unterstützung zu leisten. So betont Geschäftsführer Grützner: “Bekanntlich sind die letzten Prozent zugleich die teuersten. Wenn der Staat hier im Nachhinein seine Anforderungen bei der Abdeckung nach oben schrauben will, muss er auch einen entsprechenden Lösungsvorschlag machen.” Gleichzeitig positioniert sich der Landkreistag konträr zum DStGB hinsichtlich der Versorgungspflicht. In Bezug auf den Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes müsse die Bundesnetzagentur bei ihren anstehenden Entscheidungen darauf achten, dass sie Auflagen zur flächendeckenden Versorgung vorsehe. Bei 4G sei dies bislang nicht erreicht worden. “Das muss bei 5G vermieden werden, denn von immenser Bedeutung ist, dass es nicht zu einer digi-

talen Spaltung von Stadt und Land kommt”, betonte Mempel.

Ohne Glas nichts los “Beim Thema künftiger 5G-Mobilfunk darf keinesfalls außer Acht bleiben, dass 5G ohne eine ultraschnelle, direkte GlasfaserAnbindung der Mobilfunk-Standorte auch keine hochleistungsfähige Mobilfunkversorgung bieten kann”, so Mark Kessler vom Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO). Ziel müsse es daher sein, bis zum Rollout der 5G-Netze eine möglichst flächendeckende Versorgung mit Glasfaseranschlüssen bis in die Gebäude zu erreichen. Als Ursache für den langsam vorankommenden Breitbandausbau werden oft die geringen Tiefbaukapazitäten angesehen. Die Tiefbauunternehmen sind vielfach monatelang ausgebucht. Das Bundesverkehrsministerium arbeitet deshalb an einem Planungsbeschleunigungsgesetz, um damit die Bauprozesse zu vereinfachen. Zudem äußert sich der Verband der Deutschen Bauindustrie positiv gegenüber neuen Verlegetechniken. Aber: “Der Einbau von Breitband in vorhandene Infrastruktur muss sehr sorgfältig geplant und Folgekosten, wie sie beispielsweise beim Micro-Trenching entstehen, abgewogen werden”, betonte Peter Hübner, Präsident der Deutschen Bauindustrie. Er ergänzte, dass für einen zügigen Infrastrukturausbau eine höhere Kontinuität in der Planung, detaillierte Ausschreibungen und Vergabe sowie schnellere Genehmigungsprozesse von Bauanträgen nötig seien. Das geplante Gesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung.

Wie geht es weiter? Ein weiterer Schritt könnten die fünf Modellregionen, die noch gefunden werden müssen, für die 5G-Strategie sein. “Diese Modellregionen müssen jetzt möglichst schnell eingerichtet werden. In diesen sollte insbesondere aufgezeigt werden, wie eine tatsächlich flächendeckende Versorgung erreicht werden kann”, merkte Landrat Frank Vogel, Vizepräsident des DLT an. Zudem bewertet das Bundesverkehrsministerium die Gespräche positiv. Es sei beabsichtigt, einen weiteren Gipfel in Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium durchzuführen, um die Belange des Hochbaus und des Infrastrukturausbaus künftig wieder stärker zu verzahnen. Die Breitbandakteure müssen jetzt stärker an einem Strang ziehen.

Nicht das Ende der Fahnenstange Bremen möchte grüner werden (BS/ab) Sie sind im Trend: Masterpläne. Vielfach bauen sie auf Studien auf, sollen Entwicklungen anstoßen und neue Strukturen festigen. Bremen hat seinen Masterplan “Green City Bremen” vorgelegt, um grüner zu werden und vor allem um damit ein Zeichen gegen die Luftverschmutzung und Diesel-Skandale zu setzen. “Das Ziel des Green-City-Masterplans ist vor allem, Maßnahmen aufzuzeigen, die möglichst kurzfristig zu einer Senkung der zu hohen Stickoxidbelastungen führen. Diese Maßnahmen wurden bewertet und priorisiert”, betont Dr. Joachim Lohse, Senator für Umwelt, Bau und Verkehr der Hansestadt. Das Vorliegen eines Green-City-Masterplans sei zudem ebenso Voraussetzung, um sich beim Bund um Zuschüsse bewerben zu können. Ohne die Bundesmittel würde sonst für so manches nachhaltige Projekt das nötige Geld fehlen. Dabei ergänze der Plan den eigenen Verkehrsentwicklungsplan Bremen 2025. Ein Schwerpunkt liege darauf, Projektpartnerschaften vorzubereiten und zu entwickeln sowie die Busflotte zu elektrifizieren. Insgesamt seien es 81 vorgeschlagene Maßnahmen, durch die neue Technologien und Orga-

nisationsmodelle vorangetrieben würden. Vier Handlungsfelder sind dabei erkennbar: Carsharing und nicht-motorisierter Verkehr, Veränderungen durch Antriebe sowie Treibstoffe, Digitalisierung und Vernetzung im Verkehrssystem und automatisiertes Fahren.

Single-Sign-on-Prinzip “Die Wünsche und die Anforderungen der Menschen an die Mobilität haben sich geändert und ändern sich weiter”, betont Hajo Müller, Sprecher des Vorstandes der Bremer Straßenbahn AG (BSAG). Denn das Mobilitätsangebot wachse und mit ihm auch die Kombinationsmöglichkeiten. Vor allem das “Single-sign-on”-Prinzip sei für die Bürger wichtig. Statt mehrere Verträge mit unterschiedlichen Anbietern abzuschließen, um für sich das volle Angebot aus-

zuschöpfen, brauche es einen Anbieter, der mehrere Angebote gebündelt anbiete. Deshalb würden die Stadt Bremen, die BASG, aber auch der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen gemeinsam kooperieren und zusammen Projekte auf den Weg bringen. In dem erfolgten Austausch zwischen den umliegenden Städten zeige sich, dass ein starkes Interesse an der Förderung des Radverkehrs vorliege, heißt es aus dem Masterplan. In dem Radverkehr werde ein kurz- und mittelfristiges Instrument gesehen, um die Schadstoffbelastung zu senken. Aber die im nationalen Radverkehrsplan vorgesehenen Fördermittel würden voraussichtlich nicht ausreichen, um die empfohlenen Maßnahmen zu realisieren. Der Masterplan soll deshalb den Radverkehrsplan ergänzen. Somit ist er nicht das Ende der Fahnenstange.


Kommunale Infrastruktur / Breitband

Behörden Spiegel / September 2018

F

ür Deutschland ist das eine ganz entscheidende Frage. Wir sind auch deshalb eine starke Volkswirtschaft und eine freie Gesellschaft, weil wir seit jeher mit zwei absoluten Erfolgsfaktoren punkten: Innovation und Infrastruktur. Mit der Digitalisierung stehen wir jetzt an einem entscheidenden Punkt. Sie hat das Potenzial, alles Bisherige auf den Kopf zu stellen.

“Auf die Probe gestellt” Dieser Umbruch darf aber nicht zu ehrfürchtigem Stillstand führen. Deutschland hat immer wieder bewiesen, dass es He­ rausforderungen meistern kann. Unsere Geschichte zeigt, dass wir es stets geschafft haben, besser und lebenswerter aus schwierigen Phasen hervorzugehen. Industrialisierung, Elektrifizierung und Automatisierung haben uns beispielsweise in der Vergangenheit auf die Probe gestellt – und wir haben daraus Wachstum und Wohlstand gemacht. Jetzt geht es darum, die Digitalisierung zu unserem Vorteil zu nutzen – und zwar überall in Deutschland. Denn Deutschland lebt ökonomisch, kulturell und gesellschaftlich von seinen Regionen. Insbesondere für die Menschen und die Unternehmen in den ländlichen Räumen ist die Digitalisierung eine enorme Chance.

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“Kein ehrfürchtiger Stillstand” Verbesserter Gigabit-Ausbau in den Kommunen (BS/Andreas Scheuer) Es ist heute keine Frage mehr, ob die Digitalisierung Gesellschaft und Wirtschaft grundlegend verändert. Es ist auch keine Frage mehr, ob wir uns dafür rüsten müssen. Die Frage ist, um welche Geschwindigkeit es dabei geht: Wie schnell läuft der Veränderungsprozess ab? Wie schnell müssen die Netze sein? Und wie schnell müssen diese aufgebaut werden? Internetkonzerne mögen wissen, wie man Daten erhebt und vermarktet; unser Mittelstand aber hat den massiven Startvorteil, Daten sinnvoll in Produkte und Geschäftsmodelle integrieren zu können. Telemedizin und digitale Anwendungen revolutionieren Medizin und Pflege und bringen modernste gesundheitliche Versorgung in die Regionen. Multimodale, intelligente und digitale Mobilitätskonzepte aus Bahn, ÖPNV, Fahrrad und Auto machen unseren Verkehr sicherer, sauberer und effizienter – und schaffen noch mehr individuelle Mobilität gerade im ländlichen Raum. Das automatisierte und vernetzte Fahren verändert die Mobilität grundlegend. Mit Autopilot wird erstens das Pendeln zwischen Job und Zuhause von einer zweckgebundenen Notwendigkeit zu einem neuen, produktiven Zeitfenster. Zweitens ermöglicht der Fahrcomputer auch älteren

Andreas Scheuer, MdB und Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Foto: BS/privat, www.andreas-scheuer.de

Menschen individuelle Mobilität. Um diese Chancen zu nutzen, brauchen wir High-Speed-Netze. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb vereinbart, bis 2025

eine gigabitfähige, konvergente Infrastruktur flächendeckend in Deutschland zu errichten. Wir haben dafür eine umfassende Glasfaser-Strategie ins Leben gerufen und nehmen bis zu zwölf Milliarden Euro in die Hand. Grundsätzlich gilt dabei, dass der Ausbau unserer digitalen Infrastruktur an erster Stelle eine Aufgabe des Marktes ist. Deshalb haben wir 2014 mit der Netzallianz Digitales Deutschland eine Plattform der innovations- und investitionswilligen Unternehmen ins Leben gerufen, die jedes Jahr acht Milliarden Euro ins Turbointernet investiert haben. Dort, wo es Wirtschaftlichkeitslücken gibt, unterstützen wir und bringen die weißen Flecken ans Netz. Dafür haben wir 2015 das erste Bundesprogramm für superschnelles Breitband gestartet. Das Programm läuft auf Hochtouren. Insgesamt investieren wir bisher rund 3,5 Milliarden Euro in unterversorgte Gebiete. Damit bringen wir rund 2,5

Millionen Haushalte, 200.000 Unternehmen und 5.100 Schulen ans schnelle Internet und verlegen etwa 320.000 Kilometer Glasfaser.

Mega-Upgrade und Bürokratieabbau Das reicht aber noch nicht. Klar ist: Das bisherige Ziel der Förderrichtlinie von 50 Mbit/s kann nur ein Zwischenschritt gewesen sein. Hinzu kommt, dass der Mittelabfluss nur schleppend läuft und das Antragsverfahren zu komplex ist. Wir verleihen dem Gigabit-Netzausbau deshalb jetzt noch einmal deutlich mehr Dynamik. Wir haben dafür dem Breitbandförderprogramm ein MegaUpgrade verpasst. Damit bringen wir mehr Tempo auf Bundesseite rein. Weniger Bürokratie macht das Antragsverfahren erheblich schneller und effizienter. Die Kommunen sparen damit bis zu sechs Monate. Zukünftig gibt es auch keine Warteschlangen

Eine echte Lösung? Jein.

MELDUNGEN

In gemeinsamer Sache

DigiNetz-Gesetz darf Akteure nicht ausschließen (BS/ab) “Glasfaserausbau ist ein regionales Geschäft, die großen Unternehmen gehen da in der Regel nicht rein”, betont Dr. Stephan Albers, Geschäftsführer des Bundesverbands Breitbandkommunikation (BREKO). Insbesondere die momentane Anwendung des DigiNetz-Gesetzes ist für diese schädlich. Obwohl das Bundesverkehrsministerium (BMVI) darauf reagiert und es ändern möchte, ist sein Lösungsvorschlag nur eine Teillösung. “Die nächsten vier bis fünf Jahre werden wir noch einen Zuwachs bei den Glasfaserausbauern sehen, dann wird sich der Markt konsolidieren”, gibt Albers eine Prognose ab. Auch 5G bietet hierbei eine Chance. Es soll kommen und braucht als Basis viele An-

tennen und diese müssen an Glasfaserkabel angeschlossen sein. Dementsprechend kann es einen Push-Faktor darstellen. Mit dem neuen Glasfasernetz gehen aber ebenso neue regulatorische Maßnahmen einher. Denn im Kupfernetz ist die Telekom der

Marktführer, sie hat 80 Prozent der Anschlüsse. Dementsprechend wurde sie stark reguliert. Aber eine solche Regulierung funktioniert nicht im zukünftigen Glasfasernetz, wo kein wirklicher Marktführer existiert, weil es zu viele Wettbewerber gibt. Hierfür

7.000 Kilometer Glasfaserkabel Eines der größten Glasfaserbauprojekte (BS/Holger Haupt*) Mit dem gemeinsamen Spatenstich für die kommunalen Breitbandprojekte starteten vor Kurzem acht Städte und Gemeinden nach Monaten intensiver Vorbereitung und Planung zusammen mit dem Landkreis Börde, den lokalen Unternehmen und der DNS:NET als Kompetenzpartner für den Betrieb von Glasfaserinfrastruktur den Ausbau des größten zusammenhängenden Glasfasernetzes Sachsen-Anhalts. Zu den acht Kommunen, die im Landkreis Börde liegen, gehören Oebisfelde-Weferlingen, Verbandsgemeinde Flechtingen, Verbandsgemeinde Elbe-Heide, Niedere Börde, Barleben, Verbandsgemeinde Westliche Börde, Wanzleben – Börde und Oschersleben (Bode).

Kein Garant mehr Der Landrat des Landkreises Hans Walker begrüßte alle Beteiligten und Interessenten in Barleben: “Unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft “ARGEBreitband” unterstützt der Landkreis seine Kommunen durch kostenfreie Steuerungsaktivitäten. Die Koordinierung liegt in der Hand eines eigens durch den Kreis dazu ins Leben gerufenen Arbeitsstabes. Mit dieser Bündelungsfunktion ist der Landkreis Börde für die Beantwortung von Zukunftsfragen der Digitalisierung und des Glasfaserausbaus gut aufgestellt. Ein Autobahnanschluss allein ist heute kein Garant mehr für Standortentscheidungen der Wirtschaft. Deshalb lassen wir uns davon leiten, der Wirtschaft und den privaten Haushalten ein reines, zukunftsfähiges Glasfasernetz zur Verfügung zu stellen. Mit dem heutigen Spatenstich ist ein wichtiger Meilenstein erreicht, um unsere Region infrastrukturell für unsere Menschen und für ansässige und ansiedlungswillige Unternehmen zu ertüchtigen.”

Gemeinsamer Spatenstich unter Mitwirkung von Landrat, Vertretern der ARGE Breitband, den Bürgermeistern, Generalunternehmern und Vertretern der DNS:NET. Foto: BS/ARGE Breitband

Glasfaser soll auf Antrag in jedes Haus gelegt werden und es soll dabei keine Ausnahmen oder Lücken geben. Bei der Arbeitsgemeinschaft “ARGEBreitband” vereinen sich dabei alle organisatorischen Fäden für die Vorbereitung, Vergabe und den technischen Ausbau – die ARGE ist zentraler Anlaufpunkt für ein logistisches Großprojekt. Hier werden die acht Gemeinden, sechs Generalunternehmer, fünf Planer und viele weitere Akteure auf Bundes- und Regionalebene koordiniert.

Die Gesamtbauleistung Das Ziel ist ehrgeizig: Nach der Fertigstellung sollen 100.000 Einwohner, knapp 6.000 Unternehmen und alle öffentlichen Einrichtungen, insbesondere auch alle Schulen, in den Fördergebieten den Zugang zum

schnellsten und modernsten Glasfasernetz haben. 68 Prozent der Gemeindegebiete sind “weiße Flecken”. Realisiert werden 1.330 Kilometer Tiefbau. Knapp 2.600 Kilometer Leerrohre werden verlegt und fast 7.000 Kilometer Glasfaserkabel. Das entspricht etwa 580.000 Kilometern Fasern zur Datenübertragung. Die Glasfaser wird direkt ins Haus gelegt, vom kleinsten Ort mit 100 Einwohnern bis hin zur städtischen Größenordnung. Knapp 6.000 potenziell zu erschließende Unternehmen können auf ihren FTTB-Anschluss zählen, im ARGE-Gebiet befinden sich dabei 90 Prozent aller Unternehmen in Wohnlagen oder Mischgebieten und nur zehn Prozent in klassischen Gewerbegebieten. *Holger Haupt ist Breitbandbeauftragter der ARGE.

braucht es ein neues Regelwerk. Das BMVI hat erkannt, dass das DigiNetz-Gesetz ein zweischneidiges Schwert ist (mehr dazu im oberen Beitrag von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer).

DigiNetz-Gesetz ja, aber richtig Ursprünglich sollte es dazu dienen, wenn beispielsweise Leitungen (Wasser, Gas, Elektrizität) neu verlegt werden, gleichzeitig ein Glasfaserkabel in die offene Straße mitzuverlegen. Jedoch wurde es zweckentfremdet, weil das Gesetz diese Unschärfe bisher zulässt, sagen die Telekommunikationsverbände sowie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Bei Baumaßnahmen, die durch die öffentliche Hand finanziert oder gefördert wurden, wie etwa, wenn eine Kommune über ein Stadtwerk oder einen Netzbetreiber ein Glasfasernetz ausbaute,

mehr bei der Bewilligung von Mitteln. Und Kommunen, die bislang auf Kupferkabel gesetzt haben, können ihre Projekte noch bis Jahresende auf Glasfaser umstellen. Damit verbessern wir die Rahmenbedingungen für den Gigabit-Ausbau im ländlichen Raum. Insbesondere kleine und mittlere Gemeinden werden davon profitieren. Jetzt sind die Kommunen gefragt, rasch die Anträge zu stellen und die Projekte auf den Weg zu bringen. Startschuss für die Antragstellung war am 1. August. Wir bringen außerdem mit einem neuen Gesetzentwurf mehr Klarheit und Fairness in den Glasfaserausbau. Mit einer Änderung des Telekommunikationsgesetzes wollen wir potenzielle Investitionshemmnisse durch eine Doppelverlegung von Glasfaserkabeln künftig verhindern. Voraussetzung dafür ist, dass der zuerst investierende Anbieter einen offenen Netzzugang gewährt. Ich bin überzeugt: Mit dieser umfassenden Zukunftsoffensive machen wir Deutschland fit für das Gigabit-Zeitalter und bleiben eine Innovationsregion erster Güte. Ich freue mich, wenn insbesondere auch die Leserinnen und Leser des Behörden Spiegel daran mitarbeiten, diese Ziele zu erreichen.

kamen Wettbewerber, beriefen sich auf das DigiNetz-Gesetz und verlegten ihr Glasfaserkabel mit. Zum einen konkurrieren sie damit von Anfang an um die Endverbraucher und stören den Business-Plan des anderen Unternehmens. Zum anderen wurden die Kosten nicht immer zu gleichen Anteilen aufgeteilt, sodass dem Erstausbauer finanzielle Nachteile entstanden. Das BMVI möchte nachsteuern und hat einen Entwurf in den Bundestag eingereicht, welcher solchen “Doppelausbau” mittels eines Verbots verhindern soll. Jedoch wurde nicht eindeutig geklärt, was mit jenen Baumaßnahmen geschehen soll, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist – wie im Falle von Stadtwerken, die sehr aktiv im Glasfaserausbau sind. Diese könnten weiterhin Probleme haben. Es braucht eine Klarstellung. Aber wird das BMVI diese aufnehmen?

(BS/ab) Die 37 Ausbaugemeinden des Breitband-Zweckverbands Südliches Nordfriesland (BZSNF) möchten ihre “weißen Flecken” verschwinden lassen. Hierbei profitieren sie von einem Bundesförderprogramm, welches für jene Regionen auferlegt wurde, die bisher unterversorgt sind und keinen privatwirtschaftlichen Ausbau zu erwarten haben. Der Startschuss könnte, wenn alles gut läuft, 2019 fallen.

Reines Glasfasernetz (BS/ab) Der Landkreis Nordwestmecklenburg in MecklenburgVorpommern erhält ein reines Glasfasernetz. Den Ausbau übernimmt dabei ein regionales Unternehmen. Insgesamt sollen mit den 14 Projekten circa 35.700 Haushalte sowie knapp 5.000 Unternehmen angeschlossen werden. Hierfür sind 180 Mio. Euro geplant, von denen der Bund 113 Mio. Euro und das Land rund 43 Mio. Euro beisteuern. Die restlichen 24 Mio. Euro zahlt der Landkreis mittels eines kommunalen Fonds.


Kommunale Ordnung

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Behörden Spiegel / September 2018

Wann ist ein Raser ein Raser?

Kleinerer Evakuierungsradius

Die rechtliche Situation ist oft nicht eindeutig – Handy und Auto können Aufschluss geben

Bloedorn setzt Seecontainer als Splitterschutz ein

(BS/wim) Die Hauptursache für Verkehrsunfälle mit Todesfolge ist und bleibt zu schnelles Fahren. Und doch ist nicht jeder zu schnelle Autofahrer (BS/Marisa Lutter*) Im April dieses Jahres wurden im Rahmen von auch gleich ein Raser, wenn es nach deutschem Recht geht. Laut Dr. Dirk Teßmer, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main, kommt es beim Sondierungsarbeiten auf dem Gelände des Universitätsklinikums Essen Rasen nicht nur auf das objektiv feststellbare Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit an, sondern auch auf einige subjektive Faktoren. Hinweise auf einen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Zum Schutz der Patienten beauftragten Ordnungsamt und Feuerwehr “Der Begriff Raser ist in Deutschdürfen die Daten zur Einschät- der Stadt Essen die Bloedorn Container GmbH mit der Aufstellung von land nicht rechtlich definiert, wir zung der Tat durchgesehen Containern. Seecontainer lassen sich vielfältig einsetzen – etwa als haben aber mehrere aufsteigende werden. Gerade bei Herstellern Splitterschutz. Definitionen, die die moralische Verwerflichkeit bei einem Unfall wegen zu hoher Geschwindigkeit mit in die Rechnung aufnehmen”, erklärt der Richter. Besonders verwerflich sei dabei das Handeln aus “Eigensucht”, noch schlimmer das Handeln “aus Gleichgültigkeit ohne Hemmungen”. Definiert werden diese Stufen über die Motivlage der Tat, aus der sich herauslesen lasse, ob Schaden für den Fahrer selbst oder für andere wissentlich in Kauf genommen wurde: “Wir müssen möglichst nah an die Frage herankommen, was der Fahrer sich dabei gedacht hat. Dabei können uns beispielsweise Daten aus dem Fahrzeug, aber auch aus dem Handy und dem PC zuhause helfen.” Dies sind laut Teßmer die wichtigs-

Gerade an innerstädtischen Ampeln verabreden sich immer wieder Autofahrer spontan zu kurzen Straßenrennen. Oft geht das gut – wenn nicht, gibt es jedoch häufig auch unbeteiligte Todesopfer. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de

ten Quellen, um mehr über das Persönlichkeitsprofil zu erfahren. Allerdings würden sie viel zu selten ausgewertet: “Die Aussagen von Zeugen, Psychologen und Sachverständigen sind allesamt wichtig und gut, aber um wirklich einen Einblick in den Kopf des Fahrers zu bekommen, sind diese

Daten von mehr als 50 Kameras laufen zusammen Die logische Ergänzung war 2008 die Einführung eines zen-

Aus den Containern entstand eine Schutzmauer. “Das Ordnungsamt der Stadt Essen hat sich für diese Vorbereitungsmaßnahme entschieden. Denn sie hilft uns dabei, im Falle einer Evakuierung den Evakuierungsradius zu verkleinern”, sagte eine Sprecherin der Stadt. “Der Blindgängerfund befindet sich in einem sensiblen Bereich, in dem sich viele Personen mit unterschiedlichem Gesundheitszustand befinden. Hier ist es grundsätzlich nicht einfach, schnell zu evakuieren.” Kommt es zu einer Detonation, breitet sich der Explosionsdruck nach oben aus. Es braucht weder viel Aufwand noch hohe finanzielle Mittel, um Menschen bei einem Bombenfund zu schützen. Das Aufstel-

Videobeobachtung im Wandel der Zeit

B

ürgermeister Jean-Paul Bosland verfolgte mit der Einführung einer öffentlichen Videobeobachtung nicht nur das Ziel, Personen und Eigentum an Orten zu schützen, an denen aggressives Verhalten und Diebstähle verstärkt auftreten. Es geht auch um den Schutz von öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen, Verkehrsüberwachung und die Erkennung von Verkehrsverstößen. Zu Beginn des Projektes wünschte sich die Stadt Gaillard ein Überwachungskonzept mit einer sehr hohen Aufzeichnungssicherheit. 2007 war Dallmeier der einzige Hersteller, der ein RecorderBlade-Konzept präsentieren und sich so von anderen Herstellern abheben konnte. Über eine öffentliche Ausschreibung hat das Dallmeier-Konzept den Zuschlag bekommen. Das war der Startschuss für die Implementierung eines städtischen Videoüberwachungssystems, das sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt hat und weiterentwickeln wird.

persönlichen Daten noch viel wertvoller.” Bei der Auswertung von Daten im Fahrzeug, wie zum Beispiel des Bordcomputers oder des Navigationsgerätes, sieht die Datenschutzgrundverordnung vor, dass diese Informationen dem Fahrer gehören und nicht dem Fahrzeughersteller. Somit

deutscher Autos ist diese Vorgabe hilfreich, da sie zur Not per Gerichtsbeschluss gezwungen werden können, die Daten freizugeben. Liegen die Daten anderer Hersteller auf Servern im Ausland, können sie laut dem Richter mithilfe von Rechtshilfeersuchen ebenso durchgesehen werden. Ein klarer definiertes Recht gibt es inzwischen bei illegalen Straßenrennen. Diese gelten als Wettbewerb, bei dem möglichst Höchstgeschwindigkeiten erzielt werden sollen und normalerweise mindestens zwei Teilnehmer beteiligt sind. Zudem benötigt es ein Publikum. Im Straßenverkehr reicht dabei schon der Renngegner, man kann aber auch gegen sich selbst fahren, wenn man etwa auf Zeit rast und die Fahrt dabei filmt.

Von analoger Kameratechnik bis hin zu intelligenten Systemen (BS/Josua Braun*) Die französische Stadt Gaillard zählt heute 11.500 Einwohner aus 110 verschiedenen Ländern. Die Hauptverkehrsroute teilt sie sich mit der Schweizer Kommune Thonex. 40.000 Fahrzeuge durchqueren täglich die Stadt. Daher war der Stadtverwaltung bereits Anfang der 2000er-Jahre der Sicherheitsaspekt ein wichtiges Anliegen, und die Präventions- und Sicherheitspolitik nimmt von politischer Seite einen hohen Stellenwert ein. tralen und städtischen Überwachungszentrums, des Centre de Supervision Urbain (CSU), zur zentralen Verwaltung und Analyse der Kameras und der aufgezeichneten Daten. Im CSU, eingerichtet in den Räumlichkeiten der städtischen Polizei, bildet SeMSy®, das VideomanagementSystem von Dallmeier, die Basis für eine effektive und zentrale Steuerung der Systeme. Aktuell laufen insgesamt 51 Kameras beziehungsweise deren Daten im CSU zentral zusammen. Während der ersten Projektphasen hat unter anderem Thierry Plonka, Leiter der Stadtpolizei von Gaillard, das Dallmeier Factory Acceptance Test Center (FATCenter) in Regensburg besucht. Im FAT-Center wird die Videoanlage vor der Auslieferung an den Kunden komplett aufgebaut, um im simulierten Echtbetrieb ausgiebig getestet zu werden. So

nicht zwangsläufig kostenintensiv ausgetauscht werden. Je nach Einsatzbereich kommen zu den existierenden Kameras dann auch Full-HD-IPPTZ-Kameras zum Einsatz. Die spezifische Überwachung der Gewerbezone erfordert die Visualisierung der Kfz-Kennzeichen. Auch für diese Anwendung konnte Dallmeier die richtige Lösung mit Spezialkameras für Kennzeichenerkennung liefern. Im französischen Gaillard (r.) ist Kameratechnik von Dallmeier (l.) im Einsatz. Das Netz an Überwachungskameras in der französischen Stadt wird kontinuierlich erweitert. Fotos: BS/Dallmeier

Anwender mit Technik sehr zufrieden

konnten sich die Kunden von der Qualität und Zuverlässigkeit der Dallmeier-Produkte schon vor Inbetriebnahme überzeugen. Bis heute wurden in mehreren Projektphasen an vielen weiteren Stellen in der Stadt Überwachungskameras installiert und die Anlage kontinuierlich erwei-

Aktuell stellt der Einsatz des Multifocal-Sensorsystems Panomera® einen weiteren Meilenstein dar. Thierry Plonka zeigt sich von den Möglichkeiten, die Panomera® bietet, begeistert: “Eine Kameratechnologie, mit der man bis ins kleinste Detail in eine Szene zoomen kann und gleichzeitig einen Überblick über

tert. Ein wichtiger Meilenstein in der Weiterentwicklung des Projektes war ab 2011 die Umstellung von analoger Kameratechnik auf IP-Kameras. Aufgrund der offenen Systemarchitektur ist der zweigleisige Betrieb problemlos möglich und noch funktionierende analoge Kameras müssen

Seecontainer von Bloedorn können in zahlreichen Bereichen zum Einsatz kommen. Sie eignen sich auch als Splitterschutz. Foto: BS/Bloedorn Container GmbH

len von Seecontainern ist eine günstige Methode. Bloedorn liefert innerhalb weniger Tage. Der Paketpreis liegt bei unter 50.000 Euro. *Marisa Lutter ist bei WI Communications tätig.

das gesamte Sichtfeld bietet, ist einzigartig.” Seit mehr als einer Dekade arbeiten nun die Stadt Gaillard sowie Polizeichef Plonka mit Dallmeier zusammen und sie haben noch einige Pläne für die Erweiterung der Videoüberwachung. Das Fazit von Bürgermeister Bosland: “Seit zehn Jahren setzen wir Dallmeier-Produkte ein und die deutsche Qualität hat sich bewährt. Wir haben keinen Platz für Mittelmäßigkeit, das Bildmaterial muss tadellos und vor Gericht verwertbar sein, damit wir Verdachtspersonen/-situationen eindeutig identifizieren können.” Dallmeier sei ein Unternehmen mit Visionen und lege bei der Entwicklung seiner Produkte und Lösungen viel Wert darauf, dass diese über Jahre hinweg problemlos erweitert und skaliert werden könnten. Das schaffe eine hohe Investitionssicherheit. Bosland zeigt sich optimistisch: “Wir sind überzeugt, dass die Dallmeier-Technologie auch unseren zukünftigen Anforderungen gerecht wird.” *Josua Braun ist Senior Produkt Marketing Manager bei der Dallmeier electronic GmbH & Co.KG.

Bundeskongress

Kommunale Ordnung

26. − 27. September 2018 in Hamburg

Refe Referenten er Kongress u.a.:: auf dem d

C Christoph Balzer B Der Fachdienstleiter Sicherheit und Ordnung des Landkreises Ostholstein widmet sich den unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs „Kommunale Ordnungsdienste“.

C Christian S Specht Der Erste Bürgermeister Mannheims erläutert die neue und moderne Videoüberwachung in seiner Stadt.

Informationen und Anmeldung unter: www.kommunale-ordnung.de

Falko Droßmann Der Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte geht auf die Bedeutung kommunaler Sicherheit in der deutschen Sicherheitsarchitektur ein.

Eine Veranstaltung des


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn /September 2018

Der Staat macht agil

KNAPP NRW startet OnlineBeteiligung

Neue Wege für eine schnellere Digitalisierung (BS/Benjamin Stiebel) Bund und Länder wollen Digitalisierungslabore einrichten. Dort sollen in gelöster Atmosphäre schnell Ideen für moderne und nutzerfreundliche Online-Dienstleistungen entwickelt werden. Vorbild ist die Digitalbranche, die sich schon länger an flexiblen und agilen Arbeits- und Entwicklungsmethoden versucht. Für die öffentliche Verwaltung ist das Neuland. Der Wille, nachzuziehen, zeigt sich aber an vielen Stellen. Zumeist liegt der Fokus auf der Konzept- oder Prototypenentwicklung. Dabei könnte die Verwaltung auch bei der Produktivsetzung und Weiterentwicklung von Anwendungen von agileren Abläufen profitieren. Das erfordert aber auch entsprechend agile IT-Infrastrukturen. In 14 Digitalisierungslaboren sollen künftig interdisziplinäre Teams Konzepte für OnlineDienste erstellen. So wollen Bund und Länder Tempo in die Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes (OZG) bringen. Im Fokus steht die Perspektive des Nutzers. KlickDummys sollen zeigen, wie der Bürger komfortabel und intuitiv durch App oder Webanwendung geleitet werden kann (mehr zu den OZG-Digitalisierungslaboren auf Seite 36).

Unter Laborbedingungen Das ist nicht die einzige Initiative. Als Vorreiter bei der Verwaltungsdigitalisierung hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bereits im letzten Jahr einen eigenen agilen Arbeitsbereich mit Start-up-Flair eröffnet. Im IT-Labor im Nürnberger Hauptgebäude geht es anders als bei den OZG-Digitalisierungslaboren tatsächlich um SoftwareEntwicklung. Dort arbeiten Projektleiter, Entwickler und Scrum Master zusammen. Letztere sind die Herren über die Methode: regelmäßige Treffen, kurze Entwicklungsintervalle, schnelles Feedback. Das Labor unterstützt zunehmend den gesamten Innovationsprozess des BAMF (mehr dazu auf Seite 38). Zum Beispiel indem die Scrum Master den agilen Methodenkasten auch anderen Teams vermitteln. Das Kernanliegen bringt René Böcker, Leiter der Referatsgruppe Prozesse, Informationstechnik, Projektmanagement, so auf den Punkt: “Sie müssen mutig sein und einfach machen.” Der erste Lösungsaufschlag decke dann natürlich nicht alles ab. Dafür lerne man aus dem Feedback. Diese Herangehensweise muss natürlich systematisch unterstützt und gefördert werden.

Mit agilen Arbeitsmethoden will sich die öffentliche Verwaltung bei der Digitalisierung von Diensten Beine machen. Foto: BS/©master1305, stock.adobe.com

Angst vor Fehlern darf es nicht geben. “Digitalisierung hat im Kern nichts mit Technik zu tun”, sagt Böcker, “es ist eine Frage der Haltung.” Ein eigenes Labor ist aber nicht unbedingt notwendig. Soll nur Schwung in ein einzelnes Projekt kommen, kann ein Team sich auch zeitweise in ein Innovationszentrum einmieten. So ins Berliner Experience Studio von McKinsey, wo Start-up-Atmosphäre, ein direkter Draht zu Experten für Technologien und Methodik sowie strategische Beratung verzahnt werden. “Wir können die Kunden hier von der Formulierung einer ersten Produktidee bis zur Fertigstellung eines Prototypen begleiten”, sagt Simon Zoghlami, Leiter des Studios. Ob man in Zusammenarbeit mit Designern in wenigen Wochen Klick-Dummys konzipiert oder gleich über mehrere Monate

eine erste auf Kernfunktionen reduzierte Produktversion entwickelt: Das Studio stelle die Räumlichkeiten, Technik und Unterstützung zur Verfügung, erklärt Zoghlami. “Die Herangehensweise hat sich bewährt, um die Digitalisierung von Diensten zu beschleunigen”, ergänzt Sebastian Stern, Leiter der Public Sector Practice von McKinsey. “Mitarbeiter können mal aus ihrem gewohnten Umfeld heraustreten und in hohem Tempo etwas ausprobieren. Dabei lernen sie neue Arbeitsweisen kennen und machen Erfahrungen, die sie mitnehmen und in ihre Institution tragen.”

Suche nach Innovationen Beschleunigung erhofft sich die öffentliche Verwaltung aber nicht nur von Laboren für die Eigenentwicklung von Dienstleistungen. Die Bundesregierung gründet

gleich zwei neue Agenturen zur Förderung von Sprunginnovationen. Auch dort sollen Freiräume und Fehlertoleranz bei der Vergabe von Forschungsaufträgen zu schnelleren Ergebnissen führen (mehr dazu im Artikel auf Seite 39). Bereits im Sommer letzten Jahres wurde der Cyber Innovation Hub gegründet. Dieser soll als Schnittstelle zur Start-upSzene gezielt innovative digitale Produkte suchen, die sich zum Einsatz bei der Bundeswehr eignen könnten. An einer Verbindung der beiden Aspekte – Eigenentwicklung und Marktbeobachtung – versucht sich seit Anfang 2017 das Innovationsmanagement der BWI GmbH. Ein zwölfköpfiges Kernteam beobachtet gezielt den digitalen Markt und bringt technologische Potenziale mit den Bedarfen des IT-Dienstleisters selbst und seiner Kunden zusammen. Für interessante Technologien werden Anwendungsfälle durchgespielt. Die vielversprechendsten werden in kurzangelegten Experimenten als “minimum viable product” umgesetzt – als minimal funktionstüchtiges Produkt. Dafür mietet sich das Team auch in Innovationszentren ein und greift auf externe Kräfte zurück. Die Weiterentwicklung von erfolgreichen Experimenten wird dann anderen Einheiten in der BWI überlassen, die auf Dienstleistungen spezialisiert sind. Das Team solle Innovationskultur ins Unternehmen bringen und arbeite selbst nach agilen Methoden, erklärt der Leiter der Abteilung Innovation Management, Jens Muschner. Das umfasse auch die moderne Fehlerkultur. “Am Ende soll aber eine Wertschöpfung stehen. Wir messen uns an unseren erfolg-

reichen Umsetzungen”, stellt Muschner klar. Die Verwaltung wagt sich also immer mehr in agile Fahrwasser hinaus – sei es durch innovative Einrichtungen in den Behörden, sei es vermittelt über ihre Dienstleister und Agenturen. Meist geht es um digitale Starthilfe – KlickDummys, Prototypen, minimum viable products als schnell erreichbare Ziele.

Agil bis zum Schluss Doch wie weiter? Wenn die Agilität an dieser Stelle aufhört, wird eine Dienstleistung mit nichts als ihrer Basisfunktionalität diesen dürftigen Zustand nur langsam überwinden können. Außerdem muss das Produkt auch langfristig mit den Erwartungen der Nutzer mithalten können. Eine agile Arbeitskultur mit schnellen Intervallen und frühem Feedback täte auch im Betrieb und bei der fortlaufenden Weiterentwicklung von Diensten gut. Dieser nächste logische Schritt ist für die Verwaltung allerdings nicht trivial. Zum einen wird es ungleich schwerer sein, einen Kulturwandel in langfristig bestehenden Strukturen zu bewirken. Zum anderen müssen auch IT-Infrastrukturen geschaffen werden, die agiles Entwickeln an Diensten, die schon im Einsatz sind, überhaupt möglich machen. “Wenn man in kleinen, iterativen Schritten vorgehen möchte, müssen komplexe Anwendungen aus Microservices aufgebaut sein, die jeweils kleine Teilaufgaben erledigen”, erklärt Benjamin Dittwald, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut FOKUS. “Eine effiziente und schnelle Bereitstellung neuer Funktionen erfordert praktisch die Nutzung von containerbasierten Infrastrukturen.”

(BS/stb) Die Düsseldorfer Landesregierung lädt Interessierte ein, sich mit Ideen an der Strategie für das digitale NordrheinWestfalen zu beteiligen. Bürger, Unternehmen, Hochschulen und Verbände können online kommentieren, Themen gewichten oder Stellungnahmen einbringen. “Wir werben deshalb um Ihre Ideen und Anregungen, damit wir gemeinsam die Themen identifizieren, bei denen wir in Nordrhein-Westfalen in der digitalen Zukunft am meisten erreichen können”, erklärt dazu Digitalisierungsminister Prof. Andreas Pinkwart. Unter der Website www.digitalstrategie.nrw steht noch bis zum 7. Oktober der Entwurf der Landesregierung zur Diskussion. Die Ergebnisse sollen in die weitere Ausarbeitung einfließen. Die finale Fassung soll bis Jahresende beschlossen werden.

Bremen übernimmt alle Governikus-Anteile (BS/wim) Der Bremer Senat will die restlichen Anteile der Governikus GmbH & Co. KG kaufen und die Stadt damit zur alleinigen Eigentümerin machen. Bisher hatte die Stadt bereits 55,1 Prozent der Anteile der Bremer Beteiligungsgesellschaft gehalten, nun sollen die verbleibenden 44,9 Prozent für eine Gesamtsumme von 6,8 Millionen Euro übernommen werden. Die Anteile werden frei, weil die übrigen Teilhaber Telekom Deutschland (15 Prozent), die Sparkasse Bremen (15 Prozent) und die BREKOM (14,9 Prozent) ihre Anteile verkaufen wollen. Die Beteiligungsgesellschaft Governikus entwickelt Software im Bereich der IT-Sicherheit, die vom Bund und allen Bundesländern genutzt wird. Zu den Kunden zählen unter anderem auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und der IT-Planungsrat.


Informationstechnologie

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Schluss mit den Solitären

B

ehörden Spiegel: Herr Staatssekretär Stich, Rheinland-Pfalz hat in diesem Jahr mit der Digitalstrategie, der ITStrategie und mit dem Entwurf des E-Government-Gesetzes einiges auf den Weg gebracht. Was steckt hinter diesen vielfältigen Aktivitäten?

Stich: Der Weg von der Digitalstrategie, die unsere politischen Ziele im Zusammenhang mit der Digitalisierung beschreibt, über die IT-Strategie, die die digitale Verwaltung ermöglicht, hin zum E-Government-Gesetz, das die rechtlichen Voraussetzungen dafür schafft, zeigt den ganzheitlichen Ansatz der Landesregierung. Ausgangspunkt für die übergreifende Digitalstrategie war die Überlegung, digitale Strategien nicht mehr – ressortgebunden – als Solitäre in die Welt zu setzen. Bei der Strategie für das digitale Leben in Rheinland-Pfalz wurde von vornherein der Ansatz verfolgt, alle Ressort- und Lebensbereiche abzudecken, um, ausgehend von diesem Masterplan, die Teilstrategien der Ressorts umzusetzen. Unter diesen nimmt natürlich die IT-Strategie als Querschnittsstrategie nochmal eine Sonderrolle ein. Letztlich ist sie jedoch ein Teil der Gesamtstrategie. Die Digitalisierungsstrategie ist in ihrer Form auch Ausdruck dessen, dass Ministerpräsidentin Malu Dreyer in dieser Legislaturperiode die Digitalisierung zur Chefsache erklärt hat und u. a. das bundesweit erste Digitalisierungskabinett eingerichtet hat, um einen übergreifenden Handlungsleitfaden zu erarbeiten. Behörden Spiegel: Wie wurde gewährleistet, dass diese breit angelegte Strategie auch tatsächlich den Erwartungen und Anforderungen der Menschen im Lande gerecht wird? Stich: Wir haben bei der Digitalstrategie bewusst unsere Transparenzlinie fortgeführt. Wir haben sie nicht alleine in den Ministerien entwickelt, sondern bewusst die Bürgerinnen und

Rheinland-Pfalz verfolgt bei der Digitalisierung ganzheitlich-kooperativen Ansatz (BS) In Rheinland-Pfalz hat Ministerpräsidentin Malu Dreyer das Thema Digitalisierung in der laufenden Legislaturperiode zur Chefsache erklärt und ganz oben auf die politische Agenda gesetzt – und u. a. Deutschlands erstes Digitalisierungskabinett eingerichtet. Neben einer breit angelegten Digitalstrategie hat die Ampelkoalition im Lande in diesem Jahr auch eine IT-Strategie verabschiedet und ist derzeit zudem dabei, sich ein E-Government-Gesetz zu geben. Das ländlich geprägte Flächenland mit rund 2.000 Kommunen hat sich beim Breitbandausbau lange Zeit schwergetan, doch nun scheint hier der gordische Knoten dank einer Cluster-Lösung durchschlagen. Die Einführung der einheitlichen E-Akte in die Landesverwaltung nimmt langsam Fahrt auf. Zudem wird absehbar die IT-Kooperation mit den Kommunen auf ein neues Niveau gehoben. Ein guter Zeitpunkt somit, um diese Themen mit dem IT-Beauftragten (CIO) der Landesregierung, Randolf Stich, zu diskutieren. Das Interview mit dem Staatssekretär im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz führte Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt.

“Ausgangspunkt für die übergreifende Digitalstrategie war die Überlegung, digitale Strategien nicht mehr – ressortgebunden – als Solitäre in die Welt zu setzen.” E-Governments. Wie ist hier die Kooperation ausgestaltet?

Für den flächendeckenden Breitbandausbau hat man in Rheinland-Pfalz eine Cluster-Strategie entwickelt, in der die Ausschreibungen auf der Landkreis­ ebene zusammengeführt werden. Diese soll auch beim Gigabit-Ausbau fortgeführt werden. Foto: BS/©Silvano Rebai, Fotolia.com

denn unsere Aufgaben gehen weit über die Digitalisierung der Verwaltung hinaus. So haben wir in der Digitalstrategie zahlreiche Bereiche identifiziert, wo wir verwaltungsintern, aber auch in der Wirkung für Bürger, Wirtschaft und andere Akteure aktiv werden müssen. Wir haben insbesondere auch die Aufgabe, bei der Schaffung digitaler Strukturen dort zu unterstützen, wo es die

“Mir ist dabei ganz wichtig, dass wir eine Plattform schaffen, die nicht vom Land diktiert, sondern im Konsens und in enger Kooperation mit den Kommunen gemeinsam erarbeitet wird.” Bürger mitgenommen – nicht nur die Experten, sondern auch jeden Interessierten. Deshalb gab es zu Beginn der Strategieerstellung zunächst einen langen Konsultationsprozess, der schwerpunktmäßig über eine Online-Plattform durchgeführt wurde, aber auch durch zahlreiche Veranstaltungen vor Ort. Über beide Kanäle haben wir vielfältigen Input bekommen, auf dessen Grundlage anschließend in den Ressorts und unter Koordination der Staatskanzlei eine ganzheitliche Strategie entstanden ist. Gerade für die Verwaltung ist es wichtig, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen,

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Wirtschaft nicht leistet, beispielsweise beim Breitbandausbau im ländlichen Raum. Behörden Spiegel: Dieses Thema greife ich gerne auf. Wie läuft es beim Breitbandausbau in Rheinland-Pfalz? Hier gibt es ja – Sie deuteten es an – durchaus strukturell bedingte Herausforderungen. Stich: Wir wollen im Land bis Ende des Jahres 2020 eine Breitbandversorgung mit 50 Mbits flächendeckend realisiert haben. Beim Breitbandausbau haben wir einen bundesweit einmaligen Ansatz verfolgt. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es

nicht zielführend ist, wenn jede Kommune den Breitbandausbau einzeln ausschreibt. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass die Anbieter “Cherry Picking” betreiben und sich nur die wirtschaftlich lukrativen Teile aussuchen. Um dieses zu vermeiden, haben wir nach Wegen gesucht, die Ausschreibungen so zu bündeln, dass, mit der Unterstützung des neuen Bund-LänderFörderprogramms, unser Land Rheinland-Pfalz tatsächlich flächendeckend ausgebaut werden kann. Wir haben hierzu unser hausinternes Know-how genutzt – das Innenministerium ist sowohl für die IT als auch für die Kommunen zuständig – und eine Cluster-Strategie entwickelt, die gewährleistet, dass die kompletten Ausschreibungsverfahren nicht 2.000 Mal in jeder einzelnen Ortgemeinde durchgeführt werden, sondern flächendeckend auf Landkreisebene. Um diese Cluster-Strategie umsetzen zu können, mussten nicht nur die Landräte, sondern auch rund 2.000 Ortsbürgermeister überzeugt werden, ihre Zuständigkeiten über die 140 Verbandsgemeinden letztlich an die Landkreise zu übertragen. Diese Überzeugungsarbeit hat sich jedoch gelohnt, denn im Ergebnis haben wir nun im Rahmen der aktuellen Förderverfahren 22 große Ausbaugebiete in der Größenordnung eines Landkreises mit den entsprechenden Ausschreibungen. Ein Landkreis hat bereits ausgebaut. An dieser Cluster-Bildung wollen wir auch im Rahmen des Gigabit-Ausbaus festhalten, weil sie sich als das richtige Instrument erwiesen hat, um ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz entsprechend zu entwickeln. Einige Landkreise wollen sogar jetzt schon mit dem Gigabit-Ausbau starten. Unsere Strategie zahlt sich also aus. Behörden Spiegel: Die Kommunen sind nicht nur beim Breitbandausbau ein wichtiger Partner, sondern auch mit Blick auf die Weiterentwicklung des

Stich: Die Landesregierung hat bereits in der Koalitionsvereinbarung das Ziel formuliert, die staatlich-kommunale Zusammenarbeit im Bereich des E-Governments zukünftig auszubauen. Uns war schon vor der Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) klar, dass eine Verwaltungsebene allein im E-Government nicht die gewünschten Mehrwerte für Bürger und Unternehmen schaffen kann. Hier ist eine enge Kooperation mit den Kommunen unerlässlich, denn schließlich werden rund 70 Prozent der Leistungen auf kommunaler Ebene abgerufen. Dieser kooperative Ansatz ist nun auch in der Zielsetzung des OZG klar zu erkennen. Für dessen Umsetzung sitzen wir heute schon regelmäßig mit den kommunalen Spitzenverbänden zusammen. Zukünftig soll die Zusammenarbeit noch mehr Verbindlichkeit erfahren. Hierzu wollen wir ein gemeinsames Gremium schaffen, in dem Staat und Kommunen zusammen die IT und das EGovernment für Rheinland-Pfalz weiterentwickeln und vorantreiben. Diese Institution soll zukünftig der IT-Kooperationsrat sein, für dessen Einrichtung im E-Government-Gesetz die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden sollen. Dieses Gremium soll einerseits IT und E-Government weiterentwickeln, mir als CIO andererseits aber auch im Vorfeld von Beschlussfassungen des IT-Planungsrats Einschätzungen mitgeben. Letztlich soll und wird der IT-Kooperationsrat dazu beitragen, die Vertrauensbasis zwischen dem Land und den Kommunen weiter zu verbessern. Wir planen, eine Kooperationsvereinbarung mit den Kommunen zu schließen. Behörden Spiegel: Was soll Gegenstand dieser Vereinbarung sein? Stich: Die Kooperationsvereinbarung soll insbesondere die gemeinsame Nutzung von E-Government-Komponenten betreffen. Im Moment zeichnet sich ab, dass wir – Land und Kommunen – das OZG auf einer einheitlichen Plattform mit einheitlichen EGovernment-Komponenten umsetzen werden. Das Land wird dazu die Plattform zur Verfügung stellen und den Kommunen das Angebot machen, sich an diese anzubinden. Somit hätten wir ein in Rheinland-Pfalz landesweit einheitliches Portal. Zudem würden wir gerne ein einheitliches Servicekonto einsetzen und streben auch einheitliche E-Payment- und E-RechnungsKomponenten an. Im Rahmen der Kooperationsvereinbarung wollen wir mit den Kommunen

gemeinsam diese Komponenten festlegen, damit der Landesbetrieb Daten und Information (LDI) auf dieser Grundlage eine einheitliche Plattform aufsetzen kann. Mir ist dabei ganz wichtig, dass wir eine Plattform schaffen, die nicht vom Land diktiert, sondern im Konsens und in enger Kooperation mit den Kommunen gemeinsam erarbeitet wird. Behörden Spiegel: Eines der großen Digitalisierungsprojekte der Landesverwaltung ist die Einführung der einheitlichen E-Akte. Welche Meilensteine gibt es hier? Stich: Alle obersten Landesbehörden, also sämtliche Ministerien, werden bis Ende des Jahres 2019 sukzessive mit einer einheitlichen E-Akte ausgestattet. Dies betrifft annähernd 3.000

Stich: Im ersten Schritt beginnen wir mit der Einführung in drei Pilotressorts, der Staatskanzlei, dem Finanzministerium sowie dem Innenministerium. In jedem der drei Häuser gibt es zunächst jeweils eine Pilotabteilung. Diese Piloten sind im Juni gestartet, bislang reibungslos. Spannend wird es nun, wenn der Rollout der einheitlichen Lösung mit den verschiedenen Arbeitsabläufen in den Ministerien anläuft. Behörden Spiegel: Gerade mit Blick auf die Einführung der E-Akte heißt es immer, die Mitarbeiter müssten mitgenommen werden. Wie wird dies umgesetzt? Stich: Ich teile diese Forderung voll und ganz. Die frühzeitige und umfängliche Information der Mitarbeiter ist gerade bei E-Akte-Projekten von besonderer Bedeutung. In unserem Fall wurden diese von Anfang an immer durch zum Beispiel entsprechende Mitarbeiterbriefe der zuständigen Arbeitsgruppe über den aktuellen Stand des Verfahrens informiert. Wir haben im bisherigen Entwicklungsprozess des Projektes zudem festgestellt, dass es wichtig ist, die Mitarbeiter mit Blick auf die Schriftgutverwaltung auf einen einheitlichen Stand zu bringen. Hier gibt es zwar klare Regelungen, doch hat sich, insbesondere dort wo bislang gar keine E-Akte-Lösung im Einsatz war, im Laufe der Zeit eine gewisse Eigenständigkeit entwickelt. Daher haben wir uns dazu entschlossen, neben den E-Akte-Schulungen auch noch einmal Schulungen in Schriftgutverwaltung anzubieten, um das Basiswissen der Mitarbeiter hinsichtlich der Aktenführung nochmals aufzufrischen. Das ist ganz entscheidend, wenn man die Gewähr haben möchte, dass die E-Akte letztlich auch einheitlich in die Landesverwaltung geführt wird. Behörden Spiegel: Die E-Akte-Einführung bedeutet für eine Organisation demnach auch immer Grundlagenarbeit.

Stich: Absolut richtig. Unsere OrganisaRandolf Stich ist seit Juli 2015 als Staatssekre- tionsabteilung hat vor tär im Ministerium des Innern und für Sport in diesem Hintergrund Rheinland-Pfalz u. a. für die Themen IT-Manage- federführend das Proment, E-Government und Verwaltungsmoderni- jekt landeseinheitlisierung verantwortlich. cher Aktenplan forFoto: BS/MdI, Torsten Silz ciert, was über viele Jahre ein schwieriges “Wir haben uns nun Thema war. Uns war innerhalb der Landesregierung es jedoch wichtig, vor der E-Akte-Einführung auf eine Novellierung des zunächst einmal die orlandeseinheitlichen Aktenplans ganisatorische Grundlage sachgerecht anverständigt und damit zupassen. Wir haben eine tragfähige Grundlage uns nun innerhalb der geschaffen, auf welcher Landesregierung auf eine Novellierung des die E-Akte aufsetzen wird.” landeseinheitlichen Aktenplans verständigt Mitarbeiter in der Ministerialver- und damit eine tragfähige Grundwaltung. Im Zeitraum 2020 bis lage geschaffen, auf welcher die 2025 soll dann schrittweise die E-Akte aufsetzen wird. Anders Einführung in den nachgeordne- lässt sich das Ziel einer zwischen ten Bereichen erfolgen. Am Ende allen Häusern hochgradig interodes gesamten Prozesses werden perablen E-Akte in meinen Augen rund 30.000 Arbeitsplätze in der auch nicht erfolgreich umsetzen. Landesverwaltung die einheitliNicht weniger wichtig ist es, die che E-Akte eingeführt haben. E-Akte-Einführung durch ein Um diesen Prozess zu unterstüt- entsprechendes Geschäftsprozen, haben wir u. a. in der IT- zessmanagement zu begleiten, Zentralstelle ein entsprechendes um flexibel auf Erkenntnisse Referat. Zudem baut das LDI ein und Entwicklungen reagieren entsprechendes Service-Center zu können. Denn im Vorfeld, das auf, welches sowohl den Betrieb kann ich vor dem Hintergrund als auch einen Teil der Schulun- von zwanzig Jahren Erfahrung gen der Mitarbeiter übernehmen mit Einführungsprozessen sagen, wird. lassen sich nicht alle praktischen Auswirkungen eines solchen ProBehörden Spiegel: Wie gehen jektes exakt vorhersehen und in Sie an die Umsetzung heran? der Planung berücksichtigen.


ÖFIT

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Monatliche Themenseite in Kooperation mit:

KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

September 2018 beim Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme

Künstliche Intelligenz als Ordnungsstifterin? Das Kompetenzzentrum Öffentliche IT lädt am 18. Oktober zum Symposium “(Un)ergründlich. Künstliche Intelligenz als Ordnungsstifterin” ins silent green Kulturquartier Berlin ein.

E

xpert/-innen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft diskutieren darüber, ob in Zukunft Künstliche Intelligenz ergänzend zu Religion und Staat den Menschen Ordnung und Sinn zu stiften vermag. Die interdisziplinäre Veranstaltung geht diesen Fragen in drei thematischen Sessions nach, die KI aus der Perspektive gesellschaftlicher Ordnungssysteme, der Automatisierung von Entscheidungen und von sozialer Orientierung und Vertrauen betrachten. Die Keynote von Prof. Dr. Dirk Baecker eröffnet dieses Diskussionsfeld mit der grundsätzlichen Frage nach der (Un)Ordnung in der Gesellschaft (Session I).

dern. Die Systeme greifen so direkt in das Leben der Betroffenen ein und begrenzen ihre Lebenswelt. Wie Prof. Robert Geraci in seiner Keynote in Session II ausführen wird, unterliegt die Ausgestaltung solcher Entscheidungssysteme jedoch nicht universellen Prinzipien, sondern hat auch eine kulturelle Dimension.

“Intelligente” Lenkung Über die geläufigen Einsatzfelder wie das autonome Fahren und vernetzte städtische Infrastrukturen hinaus dringen KISysteme immer tiefer in die Lebenswelt der Bürger/-innen ein, u. a. mit Fortentwicklungen, die Verhaltensempfehlungen aussprechen. Dabei stellt sich auch die Frage nach dem Verhältnis von Staat und Bürger/-in neu, wenn es KI-Systeme sind, die Rechte gewähren und Pflichten einfor-

Maschinen entscheiden – Menschen vertrauen? Künstliche Intelligenz ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Methoden oder Spielarten maschinellen Assistierens und Entscheidens. Die größte Herausforderung für KI-Systeme ist die Interpretierbarkeit von Daten. Insbesondere die Sprach- und Bild­ erkennung von KI-Systemen ist weiterhin ein hochdynamisches Forschungsfeld. Das Symposium diskutiert die Chancen und

Grafik: BS/Kunst von Algorithmen basierend auf: Box Fitting Image, j.tarbell, May, 2004, Albuquerque, http://www.complexification.net/gallery/machines/boxFittingImg/New Mexico, complexification.net

Risiken maschinellen Problemlösens unter dem Gesichtspunkt, ob und wie sich Vertrauen in KI-Systeme herstellen lässt. Den Auftakt dazu gibt die Keynote von Prof. Dr. Dirk Helbing in Session III. Jetzt anmelden! Das interdisziplinäre Symposium kombiniert Vorträge mit Podiumsdiskussionen und bringt dem Publikum die abstrakten und komplexen Entwicklungen im Feld der KI anhand von Exponaten näher. Im Anschluss lädt Fraunhofer FOKUS zu einem Salonabend mit Performances ein, der von STATE Experience Science kuratiert wird. Alle Interessierten sind herzlich zur Teilnahme eingeladen. Weitere Informationen zu der Veranstaltung und eine Anmeldemöglichkeit unter: www.oeffentliche-it. de/veranstaltungen .

Programmüberblick: 9:45 Uhr

Begrüßung

10:00 Uhr

Session I. Was uns zusammenhält – KI als gesellschaftliches Ordnungssystem mit Prof. Dr. Dirk Baecker, Prof. Dr. Astrid Schwarz, Ingo Dachwitz, Tobias Wangermann u. a.

13:30 Uhr

Session II. Wer entscheidet – automatisierte Urteilskraft mit Prof. Robert Geraci PhD, Dr. Stefan Ullrich, Prof. Dr. Gerhard Wagner, Lorena Jaume-Palasí u. a.

15:30 Uhr

Session III. Woran wir glauben – in Maschinen vertrauen mit Prof. Dr. Dirk Helbing, Prof. Dr. Dr. Benedikt Paul Göcke, PD Dr. Andreas Sudmann, Lina Ehrig, Christian Kulick, Dr. Elsa Kirchner

Im Anschluss

Salonabend mit künstlerischer Performance Fraunhofer FOKUS unter Kuration von STATE Experience Science


Informationstechnologie

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ehörden Spiegel: Frau Ministerin, in Österreich haben Sie Wirtschaft und Digitalisierung nicht nur in einem Ministerium zusammengefasst, sondern Digitalisierung dabei an erste Stelle gesetzt. Warum diese Hierarchie der Begriffe?

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Ein Querschnittsthema über alle Ressorts Interview mit Österreichs Digitalisierungsministerin Dr. Margarete Schramböck

rium ist dann dafür zuständig, diese Projekte umzusetzen und die Synergien aktiv zu heben. Zusätzlich gibt es für das Thema IT-Sicherheit noch einen Chief Security Officer, den CISO. Dieser sitzt zentral im Innenministerium.

(BS) Im Zuge der Kabinettsbildung um den vergangenen Jahreswechsel wurde die Digitalisierung in Österreich fest mit dem Wirtschaftsministerium verknüpft und im Namen sogar vorne angestellt. Im Interview mit dem Behörden Spiegel erklärt die erste Digitalisierungsministerin des Landes, Dr. Margarete Schramböck, wie sie die Bürger und Unternehmen der Republik dabei unterstützen will, den Transformationsprozess hin zu einer Schramböck: Die Digitalisie- digitalen Gesellschaft möglichst gut umgesetzt zu bekommen und welche digitalen Ziele Österreich im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft Behörden Spiegel: Wie profitierung ist die treibende Kraft für verfolgt. Das Interview führte R. Uwe Proll. ren die Bürger in Österreich bei den Wirtschaftsstandort Österreich. Daher haben wir das Mi- da weniger Sorgen um die Leitbenisterium so benannt und mit triebe, die beim Thema Industrie den entsprechenden finanziellen 4.0 schon sehr gut unterwegs und personellen Ressourcen aus- sind. Aber Digitalisierung ist eben gestattet. Das Thema hat eine viel mehr als nur Industrie 4.0. Querschnittsfunktion über al- In Österreich profitieren wir vom le Ressorts hinweg. Nicht um- großen Anteil mittelständischer Unternehmen sonst kommt Prozent die Digitalisie“Wir zwingen niemanden –der98Unternehrung insgesamt dazu, das digitale Ange- men kommen mehr als 200mal in unserem bot anzunehmen, aber h i e r z u l a n d e Regierungsproaus dem Mitjeder kann es nutzen, gramm vor. Die telstand. In wenn er möchte.” klassischen Deutschland Themen, mit sieht es ja ähndenen der Wirtschaftsstandort lich aus. Bei dieser Wirtschaftsgestärkt werden soll, sind das struktur ist es wichtig, das Ökoprimäre Pflichtprogramm. De- system aus mittelständischen regulierung und Digitalisierung Unternehmen, Start-ups und sind dann die Kür, die dabei hilft, Leitbetrieben stabil und lebendig die Standortpflege noch intensi- zu halten, damit die Wirtschaft in einem guten, produktiven Mix ver zu betreiben. arbeiten kann. Zu diesem Zweck Behörden Spiegel: Die Wirt- haben wir im ersten Halbjahr schaft ist in der Digitalisierung schon einige Maßnahmen für oftmals weiter als die Verwal- die smarte Zukunft gestartet. So tung, weil die Produktivität digital haben wir beispielsweise eine Diverbessert werden kann. Warum gitalisierungsagentur gegründet. sollte daher eine Regierung die Digitalisierung der Wirtschaft noch Behörden Spiegel: Welche Zielzusätzlich forcieren? setzung verfolgt die Digitalisierungsagentur? Schramböck: Das ist eine große Schramböck: Die Agentur Aufgabe, allein schon wenn man nur an die unterschiedlichen Un- hat das Ziel, das Thema Digiternehmen denkt. Ich mache mir talisierung für die Wirtschaft,

de Generation und Maßnahmen für die ältere Generation. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, in dem wir alle mit in die digitale Zukunft nehmen wollen. Behörden Spiegel: Die Masse der Wirtschaftsleistung wird durch den Mittelstand erbracht, der mit der Verwaltung in Form von Anträgen und Genehmigungen viel Berührung hat. Wie kann man den Mittelstand mithilfe der Digitalisierung von “Bürokratie” entlasten?

Dr. Margarete Schramböck, die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Österreich, im Gespräch mit dem Chefredakteur des Behörden Spiegel, R. Uwe Proll. Foto: BS/Tasso

aber auch für Gesellschaft und Verwaltung voranzutreiben. Sie soll zur zentralen Anlaufstelle für mittelständische Unternehmen werden, die in digitalen Projekten Unterstützung brauchen. Ein zweiter Punkt, der mir ganz besonders am Herzen liegt, ist das Thema digitale Kompetenz. Fachkräftemangel ist ein riesiges Thema für Unternehmen. Da spielen digitale Kompetenzen

eine ganz wesentliche Rolle. Deswegen werden wir dieses Thema in Zukunft gezielt angehen. Wir starten im Sommer einen Pakt für digitale Kompetenz mit dem Bildungs- und einigen weiteren Ministerien sowie der Wirtschaft. Das geht vom Kindergarten bis ins hohe Alter und dabei gibt es unterschiedliche Maßnahmen wie digitale Bildung für die Jugend, Reskilling für die arbeiten-

ihren Verwaltungskontakten von der zunehmenden Digitalisierung der Verwaltung?

Schramböck: Das digitale Amt ist bei uns ein großes Thema. Es hat zwei Zielgruppen: die Unternehmen und den Bürger. Wir nehmen uns dafür die zehn wichtigsten Behördengänge und digitalisieren diese vollständig durch. Wenn beispielsweise ein Kind geboren wird, wird es in Österreich in Kürze möglich sein, alle Schritte für die Anmeldung auf digitalem Wege durchzuführen. Wir nennen unser Projekt “Vom E-Government zum Mobile Government”. Das heißt, dass man alles entweder über den Browser oder die App erledigen kann. Im ersten Schritt bekommt man die Dokumente dann noch zugeschickt, im zweiten Schritt sollen diese aber auch an einen persönlichen digitalen Tresor versandt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Freiwilligkeit. Wir zwingen niemanden dazu, das digitale Angebot anzunehmen, aber jeder kann es nutzen, wenn er möchte. Der Bürger kann sich frei aussuchen, ob er persönlich aufs Amt gehen will, ob er digital beginnen und anschließend persönlich hingehen will oder ob er den gesamten Verwaltungsakt durchgängig digital erledigen möchte.

Schramböck: In Österreich ist das Thema unter dem Dachbegriff “Digitalisierung in der Verwaltung am Wirtschaftsstandort” zusammengefasst. Bei uns im Digitalisierungsministerium sitzt der Chief Digital Officer des Bundes, die anderen Ministerien haben für ihre Häuser jeweils einen eigenen CDO. Die Task Force, die sich aus den CDOs zusammensetzt, arbeitet ganz konkret daran, die Verwaltung zu digitalisieren. Dabei agieren sie als Anlaufstelle für Wirtschaft und Bürger gleichermaßen. Das erste große Projekt ist dabei das Once-Only-Prinzip. Dabei sollen Firmen entlastet werden, indem sie uns ihre Daten nur einmal zur Verfügung stellen, anstatt Formulare jedes Mal neu ausfüllen zu müssen. Um diese Umstellung erfolgreich realisieren zu Behörden Spiegel: Österreich können, müssen wir drei Bedin- hat aktuell die EU-Ratspräsidentgungen erfüllen: Im technischen schaft inne. Welche Impulse zur Bereich müssen Schnittstellen Digitalisierung in Europa möchten definiert werden, da wir nicht Sie in dieser Zeit setzen? mit einer zentralen Datenbank arbeiten möchten. Zusätzlich Schramböck: Unser großer müssen im rechtlichen Bereich Schwerpunkt ist eine neue Indie Grundlagen für eine solche dustriepolitik für Europa, die Neustrukturierung gelegt wer- sich an den Digitalisierungstheden. Und drittens müssen die Un- men “Künstliche Intelligenz” und ternehmen mitspielen. Von denen “Robotics” orientiert. Unsere Pobrauchen wir jeweils die explizite litik hat das Ziel, Schlüsseltechnologien wieder Erlaubnis, dass nach Europa sie das Once“Unsere Politik hat das zurückzuhoOnly-Prinzip Ziel, Schlüsseltechlen, also die auch nutzen digitale Reinmöchten. Wenn nologien wieder nach sie das nicht dustrialisiewollen, müssen Europa zurück zu holen.” rung Europas. wir das akzepHier haben wir tieren. Dann müssen sie ihre schon Erfolge zu verzeichnen, Daten eben immer wieder neu zum Beispiel im Bereich der Chip-Industrie Werke für Leieingeben. terplatten und Halbleiter, die Behörden Spiegel: Sie haben wir wieder zurück nach Österden CDO des Bundes und die reich geholt haben, die wir schon CDOs der einzelnen Ressorts er- nach Asien oder Amerika verloren wähnt, nicht aber den Posten des geglaubt hatten. In Österreich CIOs. Ist der weggefallen oder wird nicht nur erforscht und entwickelt, sondern Halbleiter gibt es den auch noch? werden auch wieder produziert. Schramböck: Es gibt in jedem Das modernste und digitalisierte Ministerium einen IT-CIO, das ist Stahlwerk der Welt wird nicht der jeweilige IT-Leiter des Hauses. in China oder den USA gebaut, Die Aufgabenverteilung funktio- sondern bei uns in der Steierniert von der Struktur her wie in mark. Es gibt zahlreiche weitere privatwirtschaftlichen Unterneh- Beispiele in ganz Europa, die men. Bei uns haben die CDOs zeigen, dass die Digitalisierung zwei Aufgaben: Erstens sollen und die neuen Möglichkeiten der sie eine einheitliche Strategie Künstlichen Intelligenz für uns für die IT des Bundes kreieren, die Chance sind, diese Indus­ und zweitens Synergiepotenziale trie nach Europa zu holen und zwischen den Ministerien finden. somit Produktionsarbeitsplätze Der CIO im jeweiligen Ministe- im digitalen Bereich zu schaffen.

MELDUNG

Zentrales Online-Portal für Österreich (BS) Österreich bekommt eine zentrale Online-Plattform, die Bürgern und Unternehmen einen zentr­alen und einfachen Zugang zu den wichtigsten Verwaltungsleistungen auf digitalem Wege bieten soll. Die Plattform wird unter der Adresse oesterreich.gv.at erreichbar sein. Ein erster Prototyp soll

laut Regierungsangaben im 3. Quartal 2018 vorgestellt werden, der reguläre Betrieb der Plattform soll schließlich im 1. Halbjahr 2019 beginnen. Für das zentrale Angebot werden bereits bestehende Plattformen sowie weitere Anwendungen in den neuen Dienst integriert und vereinheitlicht.


Informationstechnologie

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Die nächste Entfesselung

What’s NExT?

Digitalisierung als Chance für wirklichen Bürokratieabbau?

Experten aus der öffentlicher Verwaltung vernetzen sich

(BS/Wilfried Kruse) Bürokratieabbau betreiben wir in Deutschland und insbesondere in NRW seit gefühlt “ewigen” Zeiten, genauer betrachtet ungefähr seit den 70er-Jahren des letzten Jahrtausends, also immerhin schon seit ca. 40 Jahren. Der Begriff der “Entfesselung” als weitergehendes Synonym solchen Strebens taucht in NRW erstmalig im Jahr 2005 auf – im Koalitionsvertrag der seinerzeitigen Landesregierung von CDU und FDP; und er ist jetzt wieder en vogue.

(BS/Dr. Hans-Günter Gaul) Die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung nimmt weiter an Fahrt auf. Viele Behörden und öffentliche Einrichtungen beschäftigen sich derzeit intensiv mit internen und behördenübergreifenden Abläufen und suchen nach Verbesserungspotenzialen, um diese Abläufe im Zuge einer weitgehenden Digitalisierung schneller, weniger fehleranfällig, medienbruchfrei, kundenfreundlicher und kostengünstiger neu zu gestalten.

In den Koalitionsverhandlungen 2005 war es – vor allem als Erfolg der kommunalen Vertreter aufseiten beider Koalitionäre – gelungen – zu den Themen Verwaltungsreform, Gemeindeordnung, Bürokratieabbau, Entfesselung, Innenpolitik pp. deutliche “Spuren” im damaligen Koalitionsvertrag zu hinterlassen, u. a. mit den Forderungen: “Wir wollen ein Entfesselungsprogramm” und “Wir stärken kommunale Kooperationen” und mehr.

Erste Entfesselung liefert immerhin Impulse Dass ein solches – gesamtkonzeptionelles – Entfesselungsprogramm dann nicht wirklich im vollen Umfang zustande gekommen ist, gehört zur ehrlichen Nachbetrachtung der damaligen fünfjährigen Regierungszeit von “Schwarz-Gelb”. Immerhin gab es als Impuls dazu die “Düsseldorfer Entfesselungsimpulse 2006” als Beitrag der Landeshauptstadt zum Entfesselungsprogramm, wozu die damalige Landesregierung ausdrücklich auch aufgerufen hatte, heute noch nachzulesen unter: www. ivmhoch2.de/resources/Entfes selungsimpulse+2006.pdf . Und noch ein weiterer Blick zurück: Ein parlamentarisches Steuerungsgesetz zum Bürokratieabbau wurde als Entwurf der seinerzeitigen FDP-Landtagsfraktion bereits 2001 im Landtag behandelt, es enthielt als zentrale Vorschläge u. a. ein stringentes Handlungs- und Zeitkorsett für Legislative und Exekutive, eine

“Entfesselungspaketen” wieder aufzunehmen, machen Mut und Hoffnung, dass es nun wirksamer und in gemeinsamer Anstrengung von Land, Kommunen und IT-Dienstleistern in neuer strategiFoto: BS/privat scher und operativer Ausrichtung gelingen wird, qualitative Fortschritte im Bürokratieabbau zu erreichen. Auf e-nrw am 8. November wird sicherlich der zuständige “Entfesselungs- und Digitalminister NRW”, Prof. Dr. Andreas Pinkwart, auch dazu in seinem Eröffnungsreferat einiges ausführen. Für den Nationalen Normenkontrollrat (NKR) im Bundeskanzleramt in Berlin wird dessen Mitglied, Staatssekretär a. D. Dr. Rainer Holtschneider, die Thematik aus Bundes- und EU-weiter Sicht beleuchten und notwendige Wege aufzeigen.

Wilfried Kruse, Geschäftsführender Gesellschafter IVM 2, ist fachlicher Leiter und Moderator des Verwaltungskongresses “e-nrw”, den der Behörden Spiegel am 8. November in Neuss veranstaltet. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.e-nrw.info

Beweislastumkehr mit automatischen Außerkrafttretensregelungen sowie weitere systematische Komponenten, die für wirkliche Fortschritte im Bürokratiedschungel und seinen Lichtungsaktivitäten unerlässlich notwendig sind; nachzulesen im Landtagsarchiv: Lt.Drs. 13/887 vom 14.03.2001.

Mut machende Aktivitäten Die erneuten Aktivitäten der jetzigen Landesregierung im Rahmen ihrer Digitalisierungsoffensive für NRW, auch das Thema “Entfesselung” mit mehreren

Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen 8. November 2018 Düsseldorf / Neuss

Obwohl die Prozesse in der eigenen Behörde und in der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen im Vordergrund dieser Veränderung stehen, kommen nicht selten Impulse dafür auch über neue Technologien. Diese können mitunter helfen, Denkbarrieren zu durchbrechen und das bisher unmöglich Scheinende doch möglich zu machen. Und genau um derartige Anstöße geht es in der neuen Veranstaltungsreihe “What’s NExT?”, die durch die Werkstatt “Neue Technologien” des Netzwerkes Experten digitale Transformation der Verwaltung, kurz NExT, ins Leben gerufen wurde. Ziel dieser Reihe ist es, Vordenker, Nachdenker und Macher zusammenzubringen, damit diese ihre Ideen, ihre positiven wie auch negativen Erfahrungen und ihr Wissen zum Einsatz neuer Technologien austauschen und damit einen Wertbeitrag für die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung leisten. Die Veranstaltungsreihe ist ein weiteres Element des Werkzeugkastens zur Digitalisierung, den die sechs Werkstätten der Initiative NExT Schritt für Schritt füllen. Die What’s-NExT?-Veranstaltungen stehen derzeit nur den Teilnehmern des Netzwerks NExT offen. Mit einer Auftaktveranstaltung Anfang Juni hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg die Reihe eröffnet. Unter dem Motto “What’s NExT? Blockchain!” haben sich 14 Behörden und öffentliche Einrich-

singulären Events sein. Vielmehr sind diese auch als Startpunkt von möglichen Dr. Hans-Günter Gaul ist CommunitiesIT-Direktor bei der Bundesof-Practice bzw. notarkammer und Werkstattleiter “Neue Technologien” Wissensnetzwerbei NExT. ken zu verstehen, in denen Foto: BS/Bundesnotarkammer die Diskussionen vertieft weitergeführt werden sollen. So wurde im Rahmen der Auftaktveranstaltung in Nürnberg eine Community Blockchain gegründet, die ihre tungen zu einem Potpourri aus Arbeit noch 2018 aufnehmen spannenden Vorträgen und in- wird, koordiniert durch eine der teressanten Diskussionen über teilnehmenden Behörden. Weitere Veranstaltungen dieser den Einsatz der BlockchainTechnologie in der öffentlichen Reihe haben bereits stattgefunVerwaltung ausgetauscht. Dabei den oder sind fest geplant. So hat stand nicht die Technologie selbst das Bundesverwaltungsamt am im Zentrum der Betrachtung, 27. Juni nach Berlin eingeladen, sondern vielmehr die Einsatz- um Erfahrungen und Ideen bei felder, für deren Digitalisierung der Entwicklung mobiler Anpraktikable Lösungen gesucht wendungen vorzustellen und zu wurden und werden. Schließ- diskutieren. Weiter geht es mit lich geht es ja nicht darum, das dem Themenkomplexen Cloud Problem zu identifizieren, für Computing, veranstaltet durch das die Blockchain-Technologie das Informationstechnikzen­trum möglicherweise eine Lösung sein Bund, und Data Analytics/Big könnte. Umgekehrt gilt es zu Data, zu dem erneut das Bunsondieren, ob nicht in bestimm- desamt für Migration und Flüchtten Einsatzfeldern die Nutzung linge einlädt. Weitere Themen, die 2019 auf von Blockchain-Technologien einen Mehrwert stiftet oder ob der Agenda stehen werden, sind tradierte Technologien vielleicht beispielsweise Künstliche Intelligenz, Elektronische Identifidoch vorteilhafter wären. Und die Veranstaltungen in der zierung, (Chat) Bots und einige What’s-NExT?-Reihe sollen keine mehr.


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inen starken Fokus legt der Masterplan auf eine leistungsfähige digitale Infrastruktur. Bis zum Jahr 2025 sollen alle Haushalte in Niedersachsen vollständig mit gigabitfähigen Anschlüssen versorgt sein. Bereits bis 2021 will man alle Schulen, Universitäten und Hochschulen, alle Gewerbegebiete und die niedersächsischen Seehäfen gigabitfähig machen. Um die gesteckten Ziele zu erreichen, setzt die Landesregierung auf vereinfachte Förderung, eine Entbürokratisierung des Netzausbaus und auf schnelle Ausbaumethoden. In diesem Jahr stehen 100 Millionen Euro für die Ausbauoffensive in Gigabitnetze zur Verfügung. Bis Ende 2020 will das Land mindestens 300 Millionen Euro in den Gigabitausbau investieren, bis Ende 2022 mindestens 500 Millionen Euro. Für Niedersachsens Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann ist eine flächendeckende Glasfaserinfrastruktur der Grundstein für eine gute Mobilfunkversorgung. So will das Land erstmals eigenes Geld in die Hand nehmen und in die Mobilfunkversorgung investieren, um die insbesondere in ländlichen und grenznahen Gebieten, auf Bahn- und Schiffverkehrswegen bestehenden Funklöcher schließen zu können. Durch Landesmittel in Höhe 20 Millionen Euro soll gemeinsam mit den Telekommunikationsunternehmen bis 2021 eine hundertprozentige 4G- beziehungsweise LTEVersorgung in Niedersachsen erreicht werden.

Ressortübergreifende Querschnittsaufgabe Mindestens ebenso wichtig wie eine gute Infrastruktur aber sei

Behörden Spiegel / September 2018

Niedersachsen beschließt Masterplan Land will bis 2022 über eine Milliarde in Digitalisierung investieren (BS/gg) Die niedersächsische Landesregierung hat Mitte August den Masterplan Digitalisierung beschlossen. Über eine Milliarde Euro will das Land Niedersachsen bis 2022 in den Ausbau der digitalen Infrastruktur und die Digitalisierung von Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und nicht zuletzt auch der Verwaltung investieren. es, so Ministerpräsident Stephan Weil, dass gerade junge Menschen lernten, kreativ, aber auch kritisch mit den Möglichkeiten der digitalen Welt umzugehen. Ein Schwerpunkt des Digitalisierungsprozesses liegt in der Intensivierung des Lehrens und Lernens in der digitalen Welt. “Mit dem Masterplan Digitalisierung legt die Landesregierung ihre Schwerpunkte für die nächsten Jahre fest. Wir betrachten die Digitalisierung als eine ressortübergreifende Querschnittsaufgabe, die für alle Ministerien eine herausgehobene Bedeutung hat”, so Weil anlässlich der Verabschiedung des Masterplans.

Masterplan zur digitalen Verwaltung Das Land Niedersachsen strebe mit dem Masterplan eine zielgerichtete, kontinuierliche Umsetzung von Maßnahmen an, um die Digitalisierung über alle Verwaltungsebenen voranzubringen, heißt es im Kapitel “Digitale Verwaltung”. Eine Handlungsgrundlage biete dabei auch das im August 2017 in Kraft getretene Onlinezugangsgesetz (OZG). Im Masterplan werden auch vier Ziele und acht Maßnahmen des Landes im Bereich der digitalen Verwaltung definiert: 1. Durchgängige Einführung weitgehend medienbruchfreier Verwaltungsprozesse und damit Digitalisierung aller Ar-

flächendeckendes Geschäftsprozessmanagement, Anwendungskataster), 7. Bereitstellung einer einheitlichen Basis für die Beschreibung von Verwaltungsprozessen sowie deren automatisierte Ausführung. (mit technischer Integration übergreifender Dienste für die Entwicklung und den Betrieb von Fachverfahren), 8. Aufbau von Basiskomponenten, die von vielen Anwendungen und Systemen in den Landesbehörden benötigt werden (z. B. elektronische Poststelle, E-Akte, elektronische Vorgangsbearbeitung), auch um die sichere Zusammenarbeit über Behördengrenzen hinweg zu ermöglichen.

Digitalagentur kommt

Mit dem Masterplan legt die Landesregierung ihre Strategie zur digitalen Transformation Niedersachsens vor. Foto: BS/©momius, Fotolia.com

beitsschritte (Transformation von der papiergebundenen zur elektronischen Verwaltung), 2. Senkung der Entwicklungsund Betriebskosten von ITgestützten Verwaltungsverfahren durch Konsolidierung, Modernisierung und Vervollständigung (Einführung standardisierter Verfahren), 3. Abfederung der Folgen der demografischen Alterung der Beschäftigten in den Landesund Kommunalverwaltungen durch eine verstärkte digitale Unterstützung (Aus- und Fortbildung im Umgang mit digitalen Medien), 4. Positionierung des Landes als attraktiver Arbeitgeber im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte.

Zur Erreichung dieser Ziele hat der niedersächsische IT-Planungsrat im April einen Handlungsplan beschlossen. Das konkrete Umsetzungsprogramm will die Landesregierung noch in diesem Sommer beschließen. Da der endgültige Mittelbedarf für die Umsetzung in den Jahren 2019 bis 2022 noch nicht abschließend feststeht, geht man derzeit für die Umsetzung des Handlungsplanes von einem Ausgabevolumen von bis zu 200 Millionen Euro aus. Zu den Maßnahmen des Handlungsplanes zählen: 1. Einbringung eines Niedersächsischen Gesetzes über digitale Verwaltung und Informationssicherheit (NDIG), 2. Einrichtung eines zentralen Verwaltungsportals für Nie-

dersachsen (Anschluss an den Portalverbund), 3. digitale Angebote für alle im zentralen Verwaltungsportal beschriebenen Verwaltungsleistungen, 4. (Weiter-)Entwicklung eines zentralen Online-Antragverfahrens mit Online-Assistenzsystem und elektronischen Formularen, 5. Erweiterung des zentralen Verwaltungsportals um Servicekonten mit Postfachfunktion, weitere elektronische Zugangsdienste und E-Payment-Verfahren, 6. Ausbau der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Landesministerien (landesweiter Katalog der Verwaltungsdienstleistungen,

Zu den im Masterplan adressierten Zielgruppen zählt u. a. naturgemäß die heimische Wirtschaft, insbesondere auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Um diese bei der Digitalisierung zu unterstützen, will das Land im Herbst 2018 eine “Digitalagentur Niedersachsen” einrichten, welche die bereits bestehenden Beratungsangebote für kleine und mittelständische Unternehmen koordinieren soll. Geplant ist zudem ein “Digitalbonus” für Mittelstand und Handwerk. Mit einem Gesamtfördervolumen von bis zu 15 Millionen Euro sollen dabei Unternehmen bei Investitionen in die Digitalisierung von Dienstleistungs- und Betriebsprozessen sowie bei der Einführung von ITSicherheitssystemen unterstützt werden können. Mehr zum Masterplan unter: www.digital.niedersachsen.de

Blockchain-Strategie des Bundes

Blockchain im Behördeneinsatz

Bund: Arbeiten daran sollen noch dieses Jahr beginnen

Technologie bietet Verwaltungen großes Potenzial

(BS/gg) Die Bundesregierung beabsichtigt, eine im Koalitionsvertrag geschlossene Vereinbarung umsetzend, eine Blockchain-Strategie zu verabschieden. Die Arbeiten daran sollen noch in diesem Jahr beginnen. Dies schreibt sie in einer Antwort (19/3817) auf eine Kleine Anfrage (19/3313) der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Hieraus geht ebenfalls hervor, dass die Regierung bislang keine Verwaltungsvorgänge mit der Blockchain umsetzt. Auch eine entsprechende Taskforce gebe es aktuell nicht.

(BS/Johannes Rosenboom*) Die Blockchain-Technologie revolutioniert den Austausch von Werten und Leistungen. Für die Verwaltung ergeben sich zahlreiche Anwendungsfelder. Materna realisiert BlockchainProjekte, wie beispielsweise eine Citizen Blockchain für die Beteiligung von Bürgern im kommunalen Umfeld.

Nach Angaben der Bundesregierung sind aber derzeit in den Bundesministerien und nachgelagerten Behörden insgesamt sechs Mitarbeiter hauptsächlich mit der Blockchain befasst – im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) sowie im Bundesamt für Mi­ gration und Flüchtlinge (BAMF) jeweils ein, im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) drei Mitarbeiter. Zudem beschäftigen sich im Bundesministerium der Finanzen (BMF) und dessen nachgeordneten Behörden verschiedene Mitarbeiter zu unterschiedlichen Zeitanteilen mit dem Thema. So habe zum Beispiel das BMWi in diesem Jahr zwei ExpertenWorkshops zu dem Thema ausgerichtet und das BMF einen Roundtable zu Initial Coin Offerings (ICOs) – einer Crowdfunding-Methode von Firmen, deren Geschäftsmodell auf Kryptowährungen basiert – veranstaltet.

für Öffentliche IT (ÖFIT), welches als unabhängige Denkfabrik für den Einsatz von IT in der Verwaltung in der Vergangenheit u. a. auch Studien zu Blockchain veröffentlicht habe.

Mögliche Einsatzfelder Die Bundesregierung schreibt, dass man die Diskussion zum Einsatz von Blockchain-Technologie im Bereich öffentlicher Register aufmerksam verfolge. Auch die Zollverwaltung begleite die Blockchain-Entwicklung mit Interesse und prüfe mögliche Einsatzfelder und ggf. Pilotierungsmöglichkeiten. Im Rahmen des Asylverfahrens hätte die Blockchain wegen der Vielzahl der dabei beteiligten Stellen das Potenzial, auf einfachem Wege einen gemeinsamen und revisionssicheren Informationsstand herzustellen. Dies habe eine vom BAMF durchgeführte

technische und rechtliche Machbarkeitsstudie ergeben. Zudem sieht die Regierung hierin Potenzial für die Verbesserung der behördenübergreifenden Kommunikation und Koordination. Konkret könnte durch den Einsatz der Austausch wichtiger Statusinformationen des Asyl- und Migrationsverfahrens schneller und sicherer vollzogen werden. Ob und in welchem Rahmen die Blockchain später im Rahmen des Asylverfahrens zum Einsatz komme, werde zurzeit eruiert. Entsprechende Pilotprojekte befänden sich in der konzeptionellen Phase. Zu den konkreten Einsparpotenzialen, die durch den Einsatz der Blockchain erzielt werden könnten, kann die Regierung derzeit noch keine Aussage treffen. Diese könne erst nach der Durchführung und Evaluation von Projekten beziffert werden.

Laufende Projekte Im BAMF seien Pilotierungen zum Einsatz der Blockchain vorgesehen, deren Budgethöhen allerdings noch nicht finalisiert seien. Das BSI erarbeite zurzeit einen Leitfaden zum Thema Blockchain, der die Auswirkungen der Blockchain-Technologie in Bezug auf die IT-Sicherheit aufarbeite und Empfehlungen für die Umsetzung von IT-Sicherheitsmaßnahmen in BlockchainLösungen geben solle. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Arbeit des Kompetenzzentrums

Beim Bund beschäftigen sich aktuell verschiedene Ministerien und nachgeordnete Behörden mit der Blockchain. Erste potenzielle Einsatzfelder wurden identifiziert – und ausgeschlossen. Denn für Wahlen hält die Regierung den Einsatz der Technologie derzeit nicht geeignet. Foto: BS/©profit_image, Fotolia.com

Die Blockchain-Technologie wird zur Protokollierung, Validierung und Abrechnung regelkonformer Transfers nativ digitaler und digitalisierter physischer Güter zwischen untereinander unbekannten Teilnehmern verwendet. Damit kann sie effizient und automatisiert zum Beispiel das sichere Übertragen von Eigentumsrechten und Werten ermöglichen. Dafür bildet die Blockchain eine Art digitales Kontobuch ab, das gleichzeitig alle Transaktionen enthält und diese manipulationssicher protokolliert. Werte können dabei in unterschiedlichster Form vorliegen: als Waren, Geld, Rechte oder Informationen. Auf Basis der Blockchain sind zum Beispiel Lösungen für den Austausch von Zertifikaten sowie die Bestätigung von Identitäten oder Dokumenten möglich. Es erfolgt eine sichere Verbriefung dieser Werte, sodass diese zu einer digitalen “Handelsware” werden, die zwischen Behörden und Bürgern sowie Unternehmen ausgetauscht werden können. Durch den hohen Automatisierungsgrad des Verarbeitungsprozesses ergeben sich Effizienzgewinne, mehr Agilität und Schnelligkeit, Transparenz und eine hohe Sicherheit. Für die öffentliche Verwaltung sind vielfältige BlockchainSzenarien denkbar. Prinzipiell ist die Technologie immer dort einsetzbar, wo eine universelle Beglaubigungstechnik benötigt wird. Daher sind grundsätzlich alle Registerformen für die Blockchain geeignet. Es geht jedoch nicht darum, die über 200 Register in Deutschland konsolidiert auf eine neue Infrastruktur zu heben. Vielmehr geht es darum,

einen effizienten “Transaktionsriemen” zwischen den einzelnen Registerverfahren aufzusetzen, um z. B. Identitäten zu validieren, eingetragene Rechte zu überprüfen und Veränderungen, Auskünfte oder Nachweise manipulationssicher abzuwickeln. Konkret bieten sich dazu Szenarien wie z. B. Grundbucheinträge, Verlängerungen von Ausweisen, Kfz-Register, Geburtsurkunden und Kindergeld an. Erste Verwaltungen in Europa haben die Blockchain bereits erfolgreich in ihren Grundbuchämtern realisiert. Darüber hinaus haben vernetzte Register weitere Vorteile. Denn: Bürger und Unternehmen müssen sich heute bei unterschiedlichen Behörden mit ihren persönlichen Daten häufig mehrfach – je nach Anliegen und Lebenslage – anmelden. Diese redundante Datenerfassung ist zeitaufwendig und bei der Weiterverarbeitung fehleranfällig und mit Mehrkosten behaftet. Deutlich effizienter wäre es, wenn ein Register auf bereits bestätigte Stammdaten nach dem “Once-only”-Prinzip an anderer Stelle zugreifen könnte. Die Identitäten – auch aus Bürger- und Geschäftskonten – könnten dabei über BlockchainVerfahren validiert und automatisiert weiterverarbeitet werden.

Blockchain unterstützt Bürgerbeteiligung Basierend auf Blockchain-Technologie lassen sich Datenlieferungen von Bürgern protokollieren und manipulationssicher ablegen. Beteiligungen von Bürgern an Initiativen, Prozessen und Projekten der öffentlichen Verwaltung sind ein wichtiges Element demokratischer

Strukturen. Materna hat einen Showcase für ein BlockchainProjekt für eine “FeinstaubLandkarte” entwickelt. In diesem “Datenzulieferungs”-Projekt können Bürger die Daten ihrer privaten Luftmess-Stationen bereitstellen und werden mit sogenannten Citizen Blockchain Tokens belohnt. Die gesammelten Tokens (digitalisierte Werte) können in einer App verwaltet und beim Einkauf in einem Online-Shop der Kommune eingelöst bzw. verwendet werden. Materna spricht mit Kommunen, Kreisen und Ländern, die bei diesem innovativen BlockchainProjekt mitmachen und so den Wert von Bürgerbeteiligungen auf ein nächstes Level heben möchten. Materna positioniert sich als Berater für den Einsatz der Blockchain-Technologie, führt Innovations-Workshops und Hackathons durch, unterstützt Kunden bei der Erschließung des Themas Blockchain und entwickelt Fach- und Geschäftsanwendungen auf Basis der BlockchainTechnologie. Im Blockchain Lab von Materna werden Ideen gemeinsam mit Kunden konkretisiert und anschließend in Prototypen umgesetzt. Materna konkretisiert und erarbeitet Use Cases in Design Thinking Workshop, setzt diese in agilen Umsetzungssessions wie z. B. Hackathons um und erprobt den Prototyp gemeinsam mit dem Kunden. Materna entwickelt für die Blockchain-Plattformen Ethereum und Hyperledger. *Johannes Rosenboom ist Leiter Business Development im Geschäftsbereich Government bei Materna.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / September 2018

Komplexität lösen

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as Internet durchzieht unseren Alltag in nahezu allen Belangen des Lebens. Eine wichtige Grundlage des Handelns ist dabei das digitale Ich. Im Netz verfügen wir allerdings, anders als in der analogen Welt, nicht nur über eine Identität, sondern über eine Vielzahl von Identitäten, die sich je nach Bedarf und Anforderung, der Schlüssel für verlässliches und vertrauenswürdiges Handeln, unterscheiden und an die meistens persönliche Daten gekoppelt sind. Die Heterogenität der IT-Systeme, in denen Identitäten und Berechtigungen in den unterschiedlichsten Facetten gespeichert und verwendet werden, macht das Management von Identitäten mit der Fülle von Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Einfachheit und Risikominimierung schier unmöglich. Zudem nehmen der Bedarf und auch der Anspruch an den Schutz personenbezogener Daten stark zu. Identitäts- und Datendiebstahl sind große Sicherheitsrisiken, die es zu verhindern gilt. Daraus ergibt sich die Forderung nach einer expliziten Berechtigungsstruktur für den Zugriff auf Daten, die wiederum auf gespeicherten Identitäten beruht. Betrachtet man darüber hinaus den Trend hin zu immer mehr Vereinfachungen der Anwendung aufseiten der Nutzer, ist

Wachsende Anforderungen im Umgang mit digitalen Identitäten

die Herausforderung an die ITArchitektur immens. Gleichzeitig steigt bei weiterer Globalisierung und Stärkung des europäischen Binnenmarktes die Erwartungshaltung an gegenseitiger Anerkennung der unterschiedlichen nationalen Identitätstoken bzw. -systeme. Mehr denn je bedarf es von daher einer intelligenten Vernetzung und somit Föderation von Systemen und verteilten Identitäten.

Identitätsmanagementlösung konzipiert und realisiert. Auch unter den Gesichtspunkten Single Sign-on, Interoperabilität und Anbindung unterschiedlichster Identitätstoken lassen sich sichere und föderierte Kommunikationsinfrastrukturen mit Governikus Autent umsetzen. Darüber hinaus wird im Kontext der eIDAS-Verordnung der Umgang mit europäischen Identitäten ermöglicht.

Multiauthentisierungsstrategie

Anerkennung notifizierter europäischer Identitäten

Neben dem sicheren Transport von vertraulichen Daten ist eine der Hauptanforderungen im EGovernment die Authentisierung der Kommunikationsteilnehmer. Für den Umgang mit elektronischen Identitäten, also dem sicheren Identifizieren sowie dem Zulassen berechtigter und der Verhinderung unberechtigter Zugriffe auf Inhalte und Dienstleistungen, wurde Governikus Autent als eine umfassende

Ab 29. September 2018 schreibt die eIDAS-Verordnung die verbindliche Akzeptanz notifizierter europäischer eIDs vor, wenn Sie die Nutzung der Online-Ausweisfunktion in Ihr Diensteangebot integriert haben. Governikus Autent wurde im Rahmen des von der

Bayern und Thüringen schließen IT-Kooperation Im zentralen Datenerfassungsund Scanzentrum der bayerischen Steuerverwaltung werden bisher jährlich schon rund 1,7 Millionen Steuererklärungen der Finanzämter von Bayern und Rheinland-Pfalz in elektronische Daten umgewandelt. Ab Januar 2019 kommen auch Steuererklärungen aus Thüringen dazu. Beide Länder wollen die IT-Zusammenarbeit auf weitere Bereiche ausweiten. Sie fixierten dies in einer entsprechenden Erklärung, einem sogenannten Letter of Intent. “Die Digitalisierung schafft neue Herausforderungen, sie bietet aber zugleich auch die Möglichkeit, schnell und effizient länderübergreifend zusammen zu arbeiten”, erklärte Reichhart.

Transparenzgesetz für Thüringen (BS/gg) Thüringens Innenminister Georg Maier hat im Kabinett den Entwurf eines Transparenzge-setzes für den Freistaat vorgelegt, welches das bisherige Thüringer Informationsfreiheitsgesetz ablösen soll. “In das neue Gesetz fließen nicht nur die Erfahrungen aus anderen Bundesländern, sondern auch mit dem Thüringer Informationsfreiheitsgesetz und dem Zentralen Informationsregister für Thüringen, kurz ZIRT, mit ein”, erklärte Maier. Thüringen verfügt bereits seit 2012 über ein Informationsfreiheitsgesetz, das auch proaktive Informationspflichten begründet. Es verpflichtet öffentliche Stellen, geeignete Informationen von Amts wegen für die Öffentlichkeit an zentraler Stelle nach international anerkannten Standards

zugänglich zu machen. Mit dem jetzt vorgestellten Gesetzentwurf zielt die Landesregierung auf eine weitere Verbesserung der Transparenz und Bürgerfreundlichkeit der Thüringer Verwaltung. Der freie Zugang zu Informationen soll, insbesondere durch die technische Weiterentwicklung des ZIRT zu einem Transparenzportal, weiter verbessert werden. Dadurch sollen die Möglichkeiten der Kontrolle staatlichen Handelns durch die Bürger und die demokratische Meinungs- und Willensbildung in der Gesellschaft weiter gefördert werden. Darüber hinaus sollen u. a. die Bildung eines Beirats beim Landesbeauftragten für die Informationsfreiheit und die Erweiterung seiner Befugnisse durch das neue Gesetz geregelt werden.

Deutsch-dänisches Onlineportal gestartet (BS/wim) Das Innenministerium Schleswig-Holstein hat Ende August gemeinsam mit den beiden dänischen Regionen Syddanmark und Sjælland das neue Onlineportal “Deutsch-Dänische Datenbank” freigeschaltet. Mit dem Portal sollen die Bürger beider Länder anhand von statistischen Daten, Karten, Grafiken und Analysen besser über die Potenziale der deutsch-dänischen Zusammenarbeit informiert werden. Die besondere Herausforderung der grenzüberschreitenden Datenbank liege laut

gen zu identifizieren. Mehrwert und Nutzen liegen auf der Hand: Nutzer können sich mit ihrem vertrauten Servicekonto bei allen Verwaltungsdienstleistungen in Deutschland und perspektivisch in der Europäischen Union identifizieren.

(BS/Petra Waldmüller-Schantz*) Die Herausforderungen im Umgang mit elektronischen Identitäten sind nicht neu. Bereits 1991 veröffentlichte das Magazin “The New Yorker” einen Cartoon von Peter Steiner mit dem Titel “On the Internet, nobody knows you’re a dog”. Der Cartoon über zwei im Internet surfende Hunde wurde zu einem der meistverbreiteten zum Thema elektronische Identitäten. Knapp 25 Jahre später ist eben Bayern und NRW pilotieren dieses Thema brisanter denn je und der Umgang mit eIDs ist zu einer komplexen Herausforderung geworden.

MELDUNGEN (BS/gg) Bayerns Finanzstaatssekretär Dr. Hans Reichhart und sein Thüringer Amtskollege und CIO Dr. Hartmut Schubert haben eine enge Kooperation beider Länder im IT-Bereich vereinbart. In einem ersten Schritt werden Steuererklärungen aus Thüringen, die in Papierform eingereicht wurden, in Zukunft im Scanzentrum in Wunsiedel digitalisiert. “Künftig werden die Steuererklärungen der Thüringer über die hochmoderne Scanstrecke in Wunsiedel verarbeitet. Denn trotz einer 70-prozentigen Quote bei elektronischen Steuererklärungen werden in Thüringen gegenwärtig noch Daten aus zirka 335.000 Steuererklärungen manuell erfasst”, so Schubert.

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Innenminister Hans-Joachim Grote darin, dass die jeweils vorliegenden statistischen Daten auf unterschiedlichen Definitionen und Messmethoden basierten. Um die erforderliche Vergleichbarkeit herzustellen, bedürfe es entsprechender Abstimmungen und einer “Bearbeitung” der nationalen Daten. Mit Einführung der deutsch-dänischen Datenbank liegen somit erstmals über die Grenzen hinweg miteinander vergleichbare Daten und Informationen für die Zusammenarbeit beider Länder vor.

EU geförderten Projekts TREATS (TRans-European AuThentication Services) so erweitert, dass künftig sämtliche notifizierten europäischen Identifikationsmittel unterstützt werden. Alle Erweiterungen werden direkt im Identitätsmanagementsystem umgesetzt und stehen sofort allen angeschlossenen Systemen zur Verfügung. Das Projekt öffnet der Verwaltung in Deutschland erstmals die eID-Infrastruktur des Personalausweises für den EU-weiten Zugang mit Identifizierungsmitteln anderer Mitgliedsstaaten. Das Projekt wurde als CEFVorhaben (Connecting Europe Facility der EU-Strategie Europa 2020) gefördert und unter der Konsortialführung von Governikus im November 2017 abgeschlossen.

Bereits im Herbst 2013 hat der IT-Planungsrat die “Strategie für eID und andere Vertrauensdienste im E-Government” verabschiedet, Beschlüsse zur Umsetzung getroffen und entsprechende Maßnahmen auf den Weg gebracht.

Unterstützung interoperabler Servicekonten Ein Schwerpunkt der eIDStrategie liegt im Bereich der Servicekonten. Immer mehr Behörden, Kommunen und Länder nutzen Servicekonten zur digitalen Bereitstellung ihrer Dienstleistungen. Mit dem sog. “interoperablen Servicekonto” soll Nutzern künftig die Möglichkeit geboten werden, sich über ein einmal eingerichtetes Konto für die Nutzung unterschiedlicher Verwaltungsdienstleistun-

Im Zuge der Konzeption sowie Umsetzung wurde Governikus Autent von Nordrhein-Westfalen zum Aufbau eines interoperablen Serviceskontos genutzt. In der ersten Ausbaustufe wurde das Servicekonto für natürliche Personen umgesetzt. Die Pilotierung der Interoperabilität erfolgte zwischen Nordrhein-Westfalen und Bayern.

Anwendung des IT-Planungsrates Governikus Autent ist Bestandteil der Anwendung Governikus des IT-Planungsrates und steht dem Bund, allen Ländern und ihren Kommunen über die Pflegeund Weiterentwicklungsverträge zur Nutzung zur Verfügung. *Petra Waldmüller-Schantz ist Director Communications bei der Governikus GmbH & Co. KG.


Informationstechnologie

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Bürgerdienste aus dem Labor

Gemeinsame Datenbank

Bund und Länder versuchen sich an agiler Entwicklung

Deutsch-dänische Kooperation gestartet

(BS/Benjamin Stiebel) In themenbezogenen Digitalisierungslaboren will die öffentliche Verwaltung agil an Konzepten für Online-Dienste arbeiten. (BS/gg) Das Innenministerium Schleswig-Holstein und die beiden Das ist als Starthilfe für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) gedacht. Zunächst werden Klick-Dummys – digitale Attrappen – als dänischen Regionen Syddanmark und Sjælland haben Ende August Referenzmodelle für die ganze Verwaltung erstellt. Ob auf dieser Basis dann Dienste gemeinsam entwickelt werden, bleibt abzuwarten. gemeinsam das neue Onlineportal “Deutsch-Dänische Datenbank” freigeschaltet. Durch die Datenbank sollen die Potenziale der deutschgestellt, die die Betreuung der dänischen Zusammenarbeit noch stärker nach außen sichtbar werden. Mit dem OZG hat sich die deutsche Verwaltung viel vorgenommen. Bis 2022 sollen alle Verwaltungsdienstleistungen online abgewickelt werden können. Um das nötige Tempo aufzunehmen, haben sich Bund und Länder geeinigt, Basiskonzepte in sogenannten Digitalisierungslaboren zu entwickeln. Dazu wurden 575 zuvor identifizierte Dienste auf 14 Themenbereiche aufgeteilt, die jeweils von einem Land im Tandem mit einem Bundesministerium bearbeitet werden. Das Besondere: In den Laboren sollen neben den wichtigen Akteuren aus der Verwaltung auch externe Experten und möglicherweise auch potenzielle Kunden, das heißt Bürger, sitzen. Alle sollen von Anfang an in informeller Atmosphäre gemeinsam an brauchbaren Ideen tüfteln: Projektleiter, Rechtsexperten, ­Fachexperten für Dienstleistungen und technische Standards, aber auch externe Berater, Entwickler und Designer. Sogenannte Agile Coaches oder Scrum Master können zusätzlich dafür sorgen, dass der frische Wind nicht aufhört zu wehen, indem sie die Laborarbeit methodisch steuern. Anforderungen werden aus Kundensicht formuliert. Statt mit einer detailgenauen Definition des Endprodukts zu beginnen, konzentriert man sich auf die wichtigsten Kernaspekte. In kurzen Intervallen werden Zwischenergebnisse präsentiert und überprüft. Was nach einem einleuchtenden Vorgehen klingt, ist gerade für die öffentliche Verwaltung bisher alles andere als üblich. Der Staatsaufbau

Wie eine Umgebung für agiles und flexibles Arbeiten aussehen kann, macht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit seinem IT-Labor vor (Foto). Ob die 14 OZG-Digitalisierungslabore von Bund und Ländern solche Räumlichkeiten spendiert bekommen, ist noch unklar. Foto: BS/BAMF

in der Bundesrepublik und die klassische Gremienarbeit sind bekanntermaßen nicht gerade auf Effizienz getrimmt. Oft würden sich Projekte verzögern, weil man sich zu Beginn zu sehr in technischen und rechtlichen Details und Zuständigkeitsfragen verliere, statt mit einer klaren Zielvorstellung voranzuschreiten und bei Details im Projektverlauf nachzubessern, so ist es aus dem BMI zu hören. Man müsse sich mehr Raum lassen und akzeptieren, dass sich auf dem Weg auch mal Anforderungen ändern oder sich einzelne Ideen als Sackgasse erweisen.

Frischer Wind durch Workshops Dass eine frische Herangehensweise Vorgänge beschleunigen kann, hat sich schon in der Vorbereitungsphase gezeigt. Im Herbst 2017 waren die Diskus-

sionen um die OZG-Umsetzung ins Stocken geraten. Auslöser waren technische Detailfragen zur geplanten Verknüpfung der Online-Portale von Bund und Ländern. Mit der eigentlichen Kernaufgabe, die Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren, hatte das nur wenig zu tun. Fortschritte konnten dann durch eine Reihe von Workshops erzielt werden, die mit Unterstützung eines ad hoc gebildeten Konsortiums aus McKinsey, ­Init und Capgemini durchgeführt wurden. Im Ergebnis gelang die Festlegung der Themenbereiche und Zuständigkeiten. Außerdem wurde das Konzept für die OZGDigitalisierungslabore erarbeitet, das von allen Beteiligten mitgetragen wird. Der Clou: Der Bund finanziert die Labore, die Umsetzung vor Ort obliegt den Ländern. Die externe Expertise wird von McKinsey und Init

14 Themenbereiche unter sich aufgeteilt haben. Die Länder haben also weitgehend freie Hand, was die Umsetzung angeht. Klar ist aber, was am Ende herauskommen soll: Ein Grobkonzept, das den Sollzustand für eine digitale Dienstleistung aus Nutzersicht darstellt. Mit einem sogenannten KlickDummy soll die Nutzerführung als App oder Web-Anwendung demonstriert werden. Im besten Fall dient dieser dann als Referenz für die Umsetzung. Die obliegt dann aber je nach Dienstleistung wieder Bund, Land oder Kommune in Eigenregie. Das BMI würde hier am liebsten gemeinsame Lösungen sehen. Gerade wenn praktisch identische Dienstleistungen unter identischen Rechtsvoraussetzungen geschaffen werden müssen, bietet sich eine Zusammenarbeit natürlich regelrecht an.

Labore zum Anfassen? Die Einrichtung neuer Räumlichkeiten ist nicht unbedingt notwendig. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit agilen Methoden kann theoretisch überall stattfinden. Das idealtypische Digitalisierungslabor würde aber schon durch seine Architektur und Einrichtung eine freigeistigere Herangehensweise an die Projektarbeit begünstigen. Innovative Digitalunternehmen setzen auf offene Bürolandschaften, schnell anpassbare Konferenzund Präsentationsräume, Zonen zur Erholung und Zerstreuung oder Sitzecken für schnelle Feedbackrunden.

Hierzu werden statistische Daten, Karten, Grafiken und auch Analysen bereitgestellt. Damit liegen erstmals grenzüberschreitend miteinander vergleichbare Daten und Informationen für die deutsch-dänische Zusammenarbeit vor. “Für eine zukunftsfähige Landes- und Regionalentwicklung gilt es, Vernetzung und Kooperation über administrative und nationale Grenzen hinweg weiter voranzutreiben. Dafür brauchen wir auch Daten ohne Grenzen, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit in der gesamten Region deutlicher sichtbar und damit einfacher zu machen”, erklärte Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit benötige für ihre Entwicklung datengestützte Informationen. Die große Herausforderung dabei ist nach Angaben des Innenministers, dass die jeweils vorliegenden statistischen Daten auf unterschiedlichen De-

finitionen und Messmethoden basieren. Um die erforderliche Vergleichbarkeit herzustellen, bedürfe es entsprechender Abstimmungen und “Bearbeitung” der nationalen Daten. Die deutsch-dänische Datenbank stellt zum Start diese homogenisierten Daten für die Bereiche Raumstruktur sowie Bevölkerungs- und Arbeitsmarktentwicklung bereit. Beispielsweise gibt es dort detaillierte Karten zur Bevölkerungsentwicklung in Schleswig-Holstein und Dänemark, zur Bevölkerungsdichte in den einzelnen Regionen und Orten, zu Wanderungsbewegungen oder der Entwicklung der Geburtenzahlen. Ergänzend dazu sind Analysen eingestellt. Das Angebot soll schrittweise ausgebaut und um zusätzliche Inhalte erweitert werden. Die Datenbank ist zu finden unter www.deutschdaenische datenbank.de bzw. www.dansk tyskdatabank.dk

MELDUNG

Angebote zusammengeführt (BS/mfe) In Niedersachsen führen alle vier Rechenzentren ihre Angebote im Bereich von Portallösungen zu einem gemeinsamen Standard zusammen. Dazu wurde eine gemeinsame Plattform von GovConnect und ihren vier Gesellschaftern HannIT, KDO, KDG und ITEBO geschaffen. Gesetzt wird auf pmOnline sowie das Bürgerportal OpenR@thaus.

Durch die Maßnahme sollen die Kommunen bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes unterstützt werden. Derweil nutzen nunmehr alle 36 Verbandskommunen des kommunalen Rechenzentrums Minden-Ravensberg/Lippe (krz) das Bürgerservice-Portal (BSP) der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB).

Drupal für E-Government 3. Anwendertag “Drupal in der Öffentlichen Verwaltung” (BS/Dr. Christian Knebel*) In einer digitalen Gesellschaft möchten Bürger Verwaltungsanliegen ohne viel Aufwand online erledigen. E-Government-Portale sind jedoch sehr komplex und benötigen eine stabile technische Basis. Verwaltungen greifen daher zunehmend auf das freie Content-Management-System (CMS) Drupal zurück. Die flexible Software eignet sich sowohl für Internetauftritte als auch für Portale oder IntranetAnwendungen. Wie sich das CMS sinnvoll für Behörden nutzen lässt, wird beim Anwendertag “Drupal in der Öffentlichen Verwaltung” in Düsseldorf erklärt. Bei der Veranstaltung am 27. September werden Einsatzmöglichkeiten und Best Practices vorgestellt. In der Privatwirtschaft hat sich Open-Source-Software wie beispielsweise das CMS Drupal bereits etabliert. Drupal ist modular aufgebaut und lässt sich je nach Anforderungen und Einsatzbereich erweitern. Wie alle Open-Source-Systeme profitiert es von einer großen EntwicklerGemeinschaft, die ständig neue Module erschafft, Funktionen erweitert und Sicherheitslücken schließt. Diesen Vorteil macht sich auch die Drupal-Distribution deGov zunutze. Die publicplan GmbH hat die Software gemeinsam mit den Firmen Reinblau und 1xINTERNET entwickelt und exakt auf den öffentlichen Sektor zugeschnitten. Das anpassbare CMS ist zudem die technische Basis für das System nrwGOV, das alle wichtigen Funktionen für EGovernment-Anwendungen in Nordrhein-Westfalen beinhaltet.

Drupal in der Umsetzung nrwGOV kam bereits bei verschiedenen Lösungen für die öffentliche Verwaltung zum Einsatz. Das CMS ist zum Beispiel Grundlage für das “GewerbeService-Portal.NRW”. Mit nur wenigen Klicks lassen sich dort Gewerbeanzeigen elektronisch an die zuständigen Gewerbe- und Ordnungsämter übermitteln. Die Anträge werden dadurch schneller bearbeitet und es entsteht eine effiziente und medienbruchfreie Kommunikation zwischen

Beim Anwendertag “Drupal in der Öffentlichen Verwaltung” geben Referenten aus dem öffentlichen Sektor Einblick in die praktische Umsetzung von deGov-Anwendungen. Nähere Informationen zum Tagesprogramm unter www.publicplan.de/anwendertag-2018 Grafik: BS/publicplan

Bürger und Behörde. Das System hat publicplan im Auftrag der d-NRW AöR für das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW umgesetzt. Das nordrhein-westfälische Ministerium des Innern setzt nrwGOV für ihren Internetauftritt ein. Ein großer Vorteil des Systems zeigt sich schon im Layout der Website: Die Distri-

bution beachtet das vom CIO empfohlene einheitliche Design des Landes. Um Inhalte einer möglichst großen Nutzergruppe zur Verfügung zu stellen, ist der Web-Auftritt außerdem barrierearm und kann mehrsprachig zur Verfügung gestellt werden. *Dr. Christian Knebel ist Geschäftsführer der publicplan GmbH.


Informationstechnologie

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Anwendungen mit Potenzial Künstliche Intelligenz in der Verwaltung (BS/Katharina Schmitt) Die Bundesregierung hat am 18. Juli 2018 die Eckpunkte für eine “Strategie Künstliche Intelligenz” beschlossen, die neben der Förderung von Forschung, Innovationswettbewerben und der Gründungsdynamik insbesondere auch die Nutzung von KI für staatliche Aufgaben als Handlungsfelder nennt. Der Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) stehen jedoch viele Behörden immer noch skeptisch gegenüber. Dabei existieren bereits zahlreiche Bereiche, in denen KI technisch ausgereift und ethisch unkritisch ist. Diese zeigen ein Potenzial der Technologie auf, das genutzt werden sollte. Mit den Eckpunkten für eine Strategie Künstliche Intelligenz setzt die Bundesregierung das Ziel, Kompetenzen für die Umsetzung von KI in der Verwaltung aufzubauen. Gleichzeitig müssen bei ihrem Einsatz die Transparenz, Überprüfbarkeit von Datenverarbeitung, Datenund Grundrechtsschutz und Diskriminierungsfreiheit gewährleistet sein. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Implementierung von KI hat der Gesetzgeber bereits 2017 mit § 35a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geschaffen, der die (voll-)automatisierte Abwicklung von Verwaltungsverfahren ausdrücklich erlaubt. Viele ethische und juristische Fragen sind beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in Verwaltungsvorgängen mit Beurteilungs- oder Ermessensspielraum gegenwärtig noch nicht geklärt. Ohne Zweifel müssen dazu Debatten von Politik- und Verwaltungswissenschaftlern im Dialog mit der Öffentlichkeit geführt werden. Darum aber gänzlich auf den Einsatz der Technologie und der damit verbundenen Chancen für mehr Effizienz zu verzichten, wäre jedoch kurzsichtig. Die aktuellen Rahmenbedingungen sind ausreichend, um die Implementierung von KI-Technologien im öffentlichen Sektor voranzutreiben.

Chatbots und automatische Dokumentenklassifizierung

gesteigerter Effizienz erzielt. Dies sind nur einige von vielen Möglichkeiten, wie schon jetzt KI in VerwalKatharina Schmitt ist Business Consultant Public bei tungsabläufen der msg systems ag. zur Anwendung gebracht werden Foto: BS/msg systems ag kann, um die Leistungen der Verwaltung aus Ein weiteres Einsatzgebiet von Sicht aller Beteiligten effizienter KI ist die Dokumentenklassifizie- und effektiver zu gestalten. Berung. Hierbei werden Dokumente hörden sollten daher aktiv weitere beispielsweise bei der Formu- Anwendungsfelder identifizieren larerfassung, -erkennung, -aus- und verfolgen, um die Potenziale wertung und der -verarbeitung von Künstlicher Intelligenz für automatisch inhaltlich analysiert die Verwaltung zu realisieren. und kategorisiert. Dies kann helfen, Verwaltungsentscheidungen vorzubereiten.

KI auf e-nrw 2018

Gute Vorbilder gibt es bereits Im Gebrauch ist KI bereits beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und in der Finanzverwaltung. Das BAMF nutzt eine Spracherkennungssoftware, die den Dialekt und Akzent der Asylsuchenden analysiert und so die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter dabei unterstützt, die Herkunft der Antragstellenden zu bestimmen. In der Finanzverwaltung können mittels lernender Algorithmen Steuererklärungen identifiziert werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit fehlerhaft sind, um anschließend von Hand gezielt überprüft zu werden. Dadurch werden bessere Ergebnisse bei

Der Verwaltungskongress e-nrw wird am 8. November 2018 in Düsseldorf/Neuss dem Thema “Künstliche Intelligenzen (KI) als digitale Helfer im Tagesbetrieb – Potenziale, Nutzen und Akzeptanz” ein Fachforum widmen. Zu den Vortragenden zählen u. a. Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW, Dr. Michael Neubauer, Geschäftsführer der KDVZ Citkomm, und Jana Clement, T-Systems Multimedia Solutions. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit unter: www.e-nrw.info

Chatbots können im öffentlichen Sektor vielfältig eingesetzt werden, insbesondere dort, wo es um Interaktion mit Verwaltungskunden geht: sei es für schnelle Antworten und Informationen zu häufig gestellten Fragen oder beim Auffinden von Anträgen und Formularen. Dies entlastet Beschäftigte der Verwaltung, sodass sie mehr Zeit für andere Aufgaben und die Sicherstellung reibungsloser Verwaltungsvorgänge haben. Anwendungsfelder Künstlicher Intelligenz im öffentlichen Sektor

Grafik: BS/msg systems ag

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

Nie mehr Formulare? Automatisierung in der öffentlichen Verwaltung (BS/Roland Dathe*) Da ist es wieder, dieses eine Formular, das Sie heute bereits zum fünften Mal ausfüllen und das Sie im Laufe dieser Woche noch viele weitere Male öffnen werden. Und wenn es dabei wenigstens bliebe, aber es warten noch weitere Aufgaben auf Sie, die immer nach dem gleichen Schema ablaufen und die Sie in- und auswendig kennen. Eine Deloitte-Studie stellte kürzlich heraus, dass Mitarbeiter/ -innen in der Verwaltung bis zu einem Viertel ihrer Arbeitszeit mit sich wiederholenden Routinetätigkeiten verbringen. Also mit Aufgaben, die immer wieder bestimmte Arbeitsschritte erfordern und – je nach Komplexität – eindeutige Handlungsanweisungen zur Folge haben oder eine entsprechend kompetente Bewertung vorsehen. Dazu zählen etwa die Beantwortung einfacher Anfragen, das Ausfüllen, Prüfen und Ausstellen von Formularen oder die Berechnung der Höhe staatlicher Leistungen. Solche Routineaufgaben könnten zukünftig immer häufiger Algorithmen oder eine Künstliche Intelligenz (KI) erledigen und eine merkbare Arbeitserleichterung mit sich bringen. Sie könnten das Funktionieren einer Verwaltung nachhaltig verändern und die Leistungen für Bürger/-innen effizienter und kostengünstiger gestalten. Das Interesse am Thema “Verwaltungsautomatisierung” ist groß, wie der hohe Andrang von Vertreter/-innen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung beispielsweise in der Arbeitsgruppe “Innovativer Staat” der Initiative D21 dazu zeigte. Aktuell setzt allerdings erst ein kleiner Teil der deutschen Behörden eine umfangreiche Automatisierung von Prozessen durch Algorithmen oder KI ein, wie vor Kurzem eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag ergab. Doch es finden sich auch einige sehr progressive Einsatzszenarien zur Verwaltungsautomatisierung, beispielsweise bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) oder dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Sowohl bei der BA als

25 %

Ein Viertel der Aufgaben in der Verwaltung ist repetitiv und bietet damit Potenzial für stärkere Automatisierung. auch beim BAMF brachte die Prozessautomatisierung erhebliche Effizienzsteigerungen, wie beispielsweise die Software zur Dialekterkennung von Geflüchteten. Dies machte sich nicht nur bei der Anzahl der bearbeiteten Fälle bemerkbar, sondern die Leistungsprozesse verbesserten sich auch qualitativ spürbar. Was aber bedeutet es für die Mitarbeiter/-innen, wenn ein so großer Teil ihrer Arbeit zukünftig durch Maschinen erledigt werden kann? Häufig schwingt bei der Diskussion um Automatisierung die Angst vor wegfallenden Aufgaben und damit dem Jobverlust mit. Die bisherigen Erfahrungen zeigen allerdings: Wo Aufgaben wegfallen, weil Maschinen sie erledigen können, da entstehen auch neue. Wichtig ist es, das Personal rechtzeitig für neue Aufgaben zu qualifizieren. In den genannten Beispielen führte die Automatisierung keineswegs dazu, dass Menschen durch Maschinen ersetzt wurden. Vielmehr verbesserte sich das Teamplay in den Verwaltungen durch die Unterstützung der Technik. Die Mitarbeiter/-innen nahmen die Automatisierung als großen Fortschritt wahr und empfanden sie sogar als Entlastung, da zeitintensive Routinetätigkeiten wegfielen und somit mehr Zeit für anspruchsvollere Aufgaben blieb. Also alles gut? Nun, der Weg dorthin ist nicht ohne Herausforderungen und alle Beteiligten

2018: Digitalisierungsoffensive 4.0 für NRW

müssen ihn gemeinsam gehen. Denn viele der Betroffenen begegnen diesen unbekannten Neuerungen naturgemäß mit einer gewissen Skepsis. Die Studie “D21-Digital-Index” zeigte kürzlich, dass viele Menschen Berührungsängste beim Gedanken an die Zusammenarbeit mit Maschinen haben. Es zeigt sich aber auch, dass die meisten Menschen, die solche Erfahrungen sammeln konnten, diese äußerst positiv bewerteten. Daher machten auch die Vertreter/-innen der beiden Beispiele BA und BAMF deutlich, dass die frühzeitige Einbeziehung der Personalvertretungen ein erfolgskritisches Schlüsselelement bei der Automatisierung darstellte. Es sei wichtig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frühzeitig über Veränderungen ihrer Aufgabengebiete und Tätigkeiten aufzuklären und ihnen dadurch die mögliche Angst und Skepsis vor neuen Technologien zu nehmen. Wenn diese Schritte eingehalten werden und die Erfahrungen der bisherigen Vorreiter einfließen, dann steht der Weg für eine Zukunft mit stärkerer Automatisierung der Verwaltungsaufgaben offen. Und so manch ein Mitarbeiter wird in einer ruhigen Minute schmunzelnd an die vielen Formulare denken, die er seither nicht mehr ausfüllen musste. *Roland Dathe ist Pressereferent bei der Initiative D21.

Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen

Land, Kommunen, Regionen, IT-Dienstleister – kooperative Modellakteure und innovative Treiber 8. November 2018 in Düsseldorf / Neuss Prof. Dr. Andreas Pinkwart Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen eröffnet den Kongress mit der Digitalisierungsoffensive 4.0 für NRW.

Anja Weber

Hartmut Beuß

Die Vorsitzende des DGB NRW beschreibt künstliche Intelligenzen als Gestaltungs- und/ oder Konfliktfeld für Personalräte.

Der Beauftragte der Landesregierung Nordrhein-Westfalens für Informationstechnik (CIO) reflektiert Ziele und Schwerpunkte der E-GovG-Projekte.

Ausführliche Informationen zum Programm und Anmeldung unter:

www.e-nrw.info Eine Veranstaltung des


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ehörden Spiegel: Herr Munsi, als erste Bundesbehörde stellen Sie Ihre IT im BAMF gerade auf eine Private CloudLösung um. Wie sind Sie zu dem Entschluss gelangt, ein solches Projekt anzugehen?

Informationstechnologie

Behörden Spiegel / September 2018

Die produktive Cloud BAMF stellt seine Serverarchitektur neu auf

(BS) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der Vorreiter der IT-Modernisierung in der öffentlichen Verwaltung entwickelt. Derzeit stellt die Behörde ihre Serverarchitektur um. Mithilfe des Bonner IT-Systemhauses von Bechtle soll ein Munsi: Bei der Entscheidung Großteil der bisher lokal betriebenen Server in eine private Cloud-Struktur verlagert werden. Im Interview mit dem Behörden Spiegel erklärt Kausik für eine Cloud-Lösung war für Munsi, der Leiter der Softwareentwicklung im BAMF, die Vorteile der neuen Serverstruktur. Das Gespräch führte Wim Orth.

werden können. Grundsätzlich müssen andere Behörden auch bereit sein, die Blockchain zu nutzen, denn am Ende kann so eine Technologie natürlich nur funktionieren, wenn die anderen Häuser auch von deren Nutzen überzeugt sind. Da ist momentan noch ein bisschen Überzeugungsarbeit zu leisten.

uns die Möglichkeit der Skalierbarkeit ausschlaggebend. Dies in einer privaten Domäne des Behörden Spiegel: Nach dem hängt auch mit den besonderen Bundes abgelegt ist. Das ist für Blick auf die Zukunftstechnologie BlockChain vielleicht noch ein Anforderungen und Erfahrun- uns natürlich ein ganz zentraBlick zurück: In den vergangenen gen unseres Hauses zusammen. ler Punkt, denn so behalten wir vier Jahren wurde das BAMF im Denn als wir im Zuge der stark zusammen mit dem Bund die Zusammenhang mit den stark steigenden Flüchtlingszahlen im absolute Hoheit über alle Daten gestiegenen Flüchtlingszahlen Jahr 2015 plötzlich eine Menge in dieser Cloud. mit ständig neuen Entwicklungen neuer Mitarbeiter einstellen und konfrontiert. Wie sind Sie dem Behörden Spiegel: Wie muss gleichzeitig die Daten von hunvonseiten der IT her begegnet? derttausenden Asylbewerbern man sich diesen schrittweisen bearbeiten mussten, sind die Prozess der Datenübertragung Munsi: In den Jahren 2014 und Anforderungen an die IT-Infra- in die Cloud vorstellen? 2015 mussten wir wegen der struktur natürlich enorm gestiestark ansteigenden Flüchtlingsgen. Aber irgendwann nimmt die Munsi: Aufgrund der gewaltiZahl der ankommenden Flücht- gen Datenmengen, mit denen im zahlen unsere Anforderungen an linge auch wiedie IT in kürzester Zeit mehrfach BAMF gearbeider ab, sodass aufs Neue um ein Vielfaches ertet wird, geht “Mittelfristig verfolgen wir dann in dieser Prozess höhen. Lassen Sie mich dies anwir das Ziel, etwa der Lage sein nicht in ein hand von ein paar Zahlen deutpaar Tagen, lich machen: Vor 2014 hatten müssen, das 80 Prozent unserer wir jedes Jahr ungefähr 30.000 System wieder IT-Anwendungen in die Wochen oder Kausik Munsi koordiniert als Leiter der Softwareentwicklung den Aufbau der neuen Serverstruktur im BAMF. schrittweise Monaten, son- Fotos: BS/Bechtle GmbH neue Flüchtlinge in DeutschCloud zu migrieren.” land. Dann kamen innerhalb herunterzudern wird sich Behörden Spiegel: Das BAMF nehmen würde. Diese Zeitspanne tionssicheren Datenaustausch von drei Jahren plötzlich mehr skalieren, um über mehrere nur die Leistungen zu beziehen Jahre erstrecken. Generell soll stellt in der Behördenwelt durch würde es uns nahezu unmöglich aufbauen. als 1,5 Millionen Menschen ins und zu bezahlen, die wir für ei- dabei aber auch nicht aus- den hohen, oft kurzfristig auftre- machen, auf aktuelle EntwickEinen ersten Proof of Concept Land. Allein durch diese Entnen effizienten Betrieb (ITZBund nahmslos alles in die neue Cloud tenden Skalierungsbedarf einen lungen zu reagieren. auf Basis des Open-Source- wicklung wurde es notwendig, gepackt werden. Mittelfristig ver- Sonderfall dar. Wie wird diese und BAMF) benötigen. Dienstes Ethereum haben wir dass wir unsere Infrastrukturen Dazu bedarf es aber auch ei- folgen wir das Ziel, etwa 80 Pro- Skalierbarkeit in der produktiven Behörden Spiegel: In modernen schon abgeschlossen und jetzt komplett erneuern, denn für solnes Lizenzmodells, welches diese zent unserer IT-Anwendungen in Cloud umgesetzt? Cloud-Systemen wird heutzutage bauen wir im Zuge des aktuellen che Flüchtlingszahlen war die Skalierung ermöglicht. In dieser die Cloud zu migrieren. Es wird in vielen Fällen mit der Blockchain Proof of Concept eine private alte Infrastruktur einfach nicht Blockchain auf der Basis von ausgelegt. Allein bei den interMunsi: Vergleichbare Anforde- gearbeitet. Beim BAMF auch? bedarfsgerechten Skalierbarkeit immer einen Restanteil geben, Hyperledger Fabric auf. Im Ok- nen Systemen ist die Zahl der und der damit verbundenen Ef- der in den physischen Servern rungen findet man wohl tatsächMunsi: Die Blockchain ist für tober erwarten wir erste Ergeb- Mitarbeiter im BAMF von 2.000 fizienz liegen eindeutige Vorteile bleibt, wie beispielsweise unsere lich in der gesamten deutschen auf etwa 10.000 angestiegen. Aus des Cloud-Modells, welches wir Analytic Services. Diese werden Behördenlandschaft – wenn uns noch relatives Neuland. nisse dazu. nun mit der Hilfe unserer Partner wir bis auf weiteres auf unse- überhaupt – nur äußerst selten. Wir arbeiten mit dieser Techdiesen Gründen mussten wir die Bechtle und Oracle umsetzen. rer On-Premise-Infrastruktur Deswegen ist es für uns beson- nologie aber aktuell im Rahmen Behörden Spiegel: Wenn Sie IT-Infrastruktur in allen BereiHätten wir uns für eine On-Pre- behalten, da in diesem Bereich ders wichtig, dass wir perma- von Proofs of Concept, um sie sagen, die Blockchain soll für chen massiv hochskalieren und mise-Lösung entschieden, wäre die Systemarchitektur auch nent die Möglichkeit haben, sehr näher kennenzulernen und auf den Austausch mit anderen unsere komplette Software auf schnell auf neue Entwicklungen mögliche EinBehörden opti- die neue Belastung anpassen. In zu reagieren und unsere Dienste satzszenarien “Im Grunde haben wir miert werden, dem Moment brauchten wir dann kann daraus natürlich Partner, die uns schnell hoch- und runterzuskalieren. z u p r ü f e n . aus dem Hause Bechtle am Ende dann und unkompliziert, innerhalb der Damit das funktioniert, haben Grundsätzlich schon immer unsere wir mit Bechtle ein Cloud-Credit- ist die Blockauch eine Bun- bestehenden Rahmenverträge System erarbeitet und dieses ver- chain für uns Infrastrukturlösungen des-BlockChain des Bundes, mit entsprechender traglich verankert. Dieses System aber ein sehr entstehen, an Hard- und Software versorgen bezogen.” versetzt uns in die Lage, verschie- wichtiger Baudie sich andere konnten. Und das alles nicht dene Produkte flexibel und ohne stein, da wir Behörden nach nur einmal, sondern aufgrund der diversen Neuskalierungen zeitaufwendige Ausschreibungen sehr viele Informationen mit an- Bedarf anschließen können? immer wieder aufs Neue. im Rahmen der geltenden Verträ- deren Behörden austauschen. Munsi: Zu Beginn sollen erstge nutzen zu können. Wenn ich Diese Kommunikation muss Behörden Spiegel: Mit dem also beispielsweise eine Software rechts- und revisionssicher erfol- mal alle Partner an das System im Einsatz habe, die auf eine ho- gen und stellt daher hohe Anfor- angeschlossen werden, mit de- Unternehmen Bechtle verbindet he Skalierung ausgelegt ist, und derungen an die Datensicherheit. nen wir hier beim BAMF zusam- Sie eine enge Partnerschaft. Was plötzlich kommen viel weniger Dabei geht es uns nicht darum, menarbeiten. In der BlockChain zeichnet diese aus? Daten rein, dann brauche ich wie bei digitalen Währungen al- braucht es zunächst ja einen Munsi: Mit Bechtle arbeiten wir Hintere Reihe, v.l.n.r.: Jan Wolsky (Key Account Manager Bechtle), Thomas schnell eine andere Software, um le Daten in allen Knotenpunk- digitalen Konsensmechanismus, Teitge (Leitung Key Account Management Bund Bechtle), Francisco Görz (Lei- effizient arbeiten zu können. Das ten neu abzulegen. Wir wollen der mit allen Beteiligten abge- schon seit langer Zeit zusamter CC Oracle); vordere Reihe, v.l.n.r.: Wim Orth (Redaktion Behörden Spie- Credit-System stattdessen nur stimmt und fixiert werden muss. men. Im Grunde haben wir aus gel), Uemit Aytekin (Sales Director Central Government Oracle), Kausik Munsi erlaubt es uns, “Allein bei den internen die ID-Services Dabei arbeiten wir momentan vor dem Hause Bechtle schon immer (Referatsleiter beim BAMF), Petra Liessmann (Executive Assistant Bechtle), in solchen Fälder Transakti- allem mit den Ausländerbehör- unsere Infrastrukturlösungen Systemen ist die Zahl Rainer Pilz (Berater) len einfach und onen in der den zusammen. Wir wollen uns bezogen. Vor gut zwei Jahren der Mitarbeiter im BAMF B l o c k c h a i n als Betreiber ausreichend Zeit haben wir diese Zusammenarbeit flexibel eine alspeichern. Das nehmen, damit am Ende auch weiter intensiviert. Besonders diese aufgrund der Kosten für nicht Cloud-fähig ist und eine ternative Softvon 2.000 auf etwa ist ein gravie- alles vernünftig funktioniert. wertvoll ist dabei für uns, dass Anschaffung und Unterhalt resp. Umstellung mit einem enormen ware zu bestel10.000 angestiegen.” render Unter- Sobald der Dienst stabil läuft das Unternehmen ein extrem len, um diese durch den ständigen Wartungs- Aufwand verbunden wäre. schied, da wir und wir sowohl die Technik als flexibler Partner ist, der uns in schnellstmögaufwand viel teurer gewesen als Behörden Spiegel: Wie führt lich einsetzen zu können. Dies mit einer Blockchain wie bei- auch die Abläufe besser kennen, allen Bereichen bei sämtlichen die jetzige Cloud-Lösung. Ein weiteres Argument für man innerhalb der Organisation ist für unsere alltägliche Arbeit spielsweise beim Bitcoin ganz werden wir ihn dann über die Wünschen und Problemen im die Cloud ist deren Agilität. denn On-Premise- und Cloud- umso wichtiger, da wir viele un- schnell datenschutzrechtliche Private Cloud anbieten, damit Rahmen der vertraglichen MögSie bietet uns einerseits eine Lösungen zusammen? terschiedliche Anforderungen an Probleme bekommen würden. auch andere Behörden unsere lichkeiten entgegengekommen enorm schnelle Infrastruktur unsere Software haben, die im- Daher soll unsere Blockchain BlockChain nutzen können. Hier- ist. Gerade in den letzten Jahren und dient uns andererseits auch Munsi: Damit der Gesamtver- mer wieder neue Plattform- und mehr eine Art “Private Chain” zu arbeiten wir gerade auch mit gab es durch die sich ständig als Entwicklungs-Plattform, auf bund aus On-Premise-Lösun- Infrastrukturdienste benötigen. zwischen untereinander ver- der BWI an einer sogenannten ändernden Entwicklungen imder wir neue Lösungen für das gen und Anwendungen in der Ohne das Credit-System müss- trauenswürdigen Domains von Public Key Infrastructure, auf mer wieder Situationen, in deBAMF erarbeiten können. Nur Cloud funktioniert, müssen wir ten wir für jedes Produkt einen Behörden und bestimmten Part- deren Basis dann die digitalen nen wir schnelle Hilfe brauchten. mit dieser Agilität können wir zunächst einmal beide Welten erneuten Beschaffungsprozess nern dieser Behörden sein. Mit Sicherheitszertifikate erstellt Da konnten wir uns auf unsere den zahlreichen und vielfältigen vereinen und alle Dienste in den durchlaufen, der zwischen zwei denen wollen wir dann einen werden, mit denen die Trans- Dienstleister, insbesondere auf Anforderungen, die sich aus der lokalen Servern Cloud-fähig ma- und sechs Monaten in Anspruch revisionssicheren und transak- aktionen überprüft und validiert Bechtle, immer verlassen. Arbeit des BAMF für uns erge- chen. Das heißt, dass wir aus alben, überhaupt gerecht werden. len Services kleine Bausteine auf Docker-Basis gemacht haben, Behörden Spiegel: Wie weit die sowohl in der privaten Cloud sind Sie denn aktuell mit dem laufen als auch in unseren loFlüchtlinge ist, dass sie praktisch alle Arbeits- von Geschäftsprozessen, insbesondere zu Aufbau der neuen Infrastruktur? kalen Lösungen. Dieses Gesamt(BS) Um die Vielzahl der Herausforderungen externen Partnern, wie beispielweise den zu bewältigen, initiierte das BAMF im Sommer bereiche der Behörde umfasst. Sukzessive konstrukt aus der Private Cloud und im laufenden Betrieb werden bestehende Verwaltungsgerichten. Hierfür wurden bereits 2016 die Digitalisierungsagenda 2020. Bis Munsi: Der Aufbau der Private und den On-Premise-Diensten digitale Lösungen umgesetzt, um aus den Anwendungen erweitert, neu implementiert, 2020 sollen die internen Abläufe mithilfe Cloud befindet sich aktuell auf bezeichnen wir im BAMF als “die vorhandenen IT-Anwendungen des Bundesmiteinander verknüpft und neu skaliert. Der von Informationstechnologie vereinfacht und der Zielgeraden. In den nächs- produktive Cloud”. Wir folgen Umfang der Digitalisierung macht das Bundes- amtes heraus mit anderen Behörden effizient beschleunigt werden. Die Mitarbeiter werden ten Wochen werden wir damit dabei dem Ansatz einer hybrizu kommunizieren und einen sicheren und amt in der Behördenlandschaft zum Vorreibei der Erfüllung ihrer Aufgaben zielgerichtet beginnen, unsere bestehende den Cloud, wo man eine Private aktuellen Datenaustausch zu gewährleisten. ter, was mehrere Auszeichnungen im Jahr unterstützt, indem die Prozesse in und zwiInfrastruktur nach und nach in Cloud eines bestimmten HerstelExemplarisch dafür steht der Austausch von schen den Geschäftsfeldern effizienter gestal- 2016 belegen. Die besondere Leistung der die neue Cloud zu überführen, lers nutzt und gleichzeitig lokale elektronischen Akten mit den Gerichten. Mitarbeitenden besteht darin, dass sie sich tet werden. Überdies will das Bundesamt die bevor das neue System dann On-Premise-Lösungen betreibt, Mit den erfolgreich umgesetzten Projekten der Kommunikation mit den Asylsuchenden sowie in einer außergewöhnlichen Situation nicht in den täglichen Betrieb geht. die theoretisch auch von einem Digitalisierung hat das Bundesamt bereits an auf schnelle Lösungen beschränkt haben. mit den Bürgern verbessern und zugleich Als Betreiber unserer Cloud- anderen Anbieter kommen könFlexibilität und Agilität gewonnen. Prozesse Vielmehr wurde die Chance genutzt, darüber Schnittstellen zu anderen Behörden verstärkt Lösung agiert dabei übrigens nen. Die On-Premise-Lösungen werden heute schon so gestaltet, dass sich hinaus zu denken und Weiterentwicklungen digitalisieren. das ITZBund in seiner Funktion sind dabei auf einem physischen auch künftige Herausforderungen bewältigen Das besondere an der Digitalisierungsagenda umzusetzen. als IT-Dienstleister der Bundes- Server im ITZBund, in dem wir lassen. Ein Ziel ist die vollständige Digitalisierung 2020 des Bundesamtes für Migration und behörden. Das bedeutet, dass eine Cloud-ähnliche Umgebung die gesamte Cloud-Infrastruktur aufgebaut haben.

Die Digitalisierungsagenda des BAMF


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / September 2018

Im Gründerfieber

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ie Koordination der Digitalisierung liegt nun im Bundeskanzleramt, bei dessen Chef, Bundesminister Dr. Helge Braun, politisch flankiert von Staatsministerin Dorothee Bär, Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, und administrativ auf dem “Fundament” einer neuen Abteilung 6 mit dem Titel “Politische Planung, Innovation und Digitalpolitik, Strategische IT-Steuerung” unter Leitung von Eva Christiansen. Das Kanzleramt will mit der Gruppe 62 mehr als bisher koordinieren und steuern, u. a. mit den Referaten Digitale Infrastruktur, Digitaler Staat, IT-Rat des Bundes. Digitalisierung findet dennoch weiterhin in den Ressorts statt, denn auch Fachpolitik wird digital, egal ob Außen-, Gesundheit oder Landwirtschaft. Nach wie vor stehen die Ressorts Innen-, Finanz- und Verteidigung wegen ihrer besonderen Rolle bei der Digitalisierung von Verwaltung selbst und dem Rechenzentrumsbetrieb besonders im Fokus. Um besser steuern zu können, trifft sich der IT-Rat, also die Ressorts der Bundesregierung, auf Anregung des Kanzleramtschefs auf Staatssekretärsebene. Der Wille ist spürbar und er kommt diesmal “von oben”. Wegen des verspäteten Starts in die laufende Legislaturperiode müssen die Akteure in der Administration sich noch in ihre Rollen ein- und vor allem dann auch zueinander finden. Hinzu kommt, dass mit dem IT-Planungsrat ein etabliertes föderales Gremium existiert, in dem Bund, Länder und Kommunen die Digitalisierung der Verwaltung koordinieren und vorantreiben wollen. Dies auf Basis des in der letzten Legislaturperiode verabschiedeten Online-Zugangs-Gesetzes (OZG), das vorschreibt, annähernd 500 öffentliche Dienstleistungen zu

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Digitalisierung: Agenturen, Räte und Kommissionen (BS/rup/stb/wim) Die “Digitale Agenda” war im letzten Koalitionsvertrag der dort meistgenannte Fachbegriff. Das Resultat am Ende der Legislaturperiode war allerdings ernüchternd. Nun haben sich CDU/CSU und SPD erneut zusammengefunden, um diesmal in Sachen Digitalisierung, bei der Deutschland nach allgemeiner Meinung eher im hinteren Wettbewerbsfeld liegt, mehr zu bewegen. digitalisieren und über ein einheitliches Portal zugänglich zu machen. Neben dieser bestehenden Struktur sind in den letzten Wochen zahlreiche neue Agenturen, Räte und Kommissionen geschaffen worden, deren einzelner Zielrichtung, soweit erkennbar, man anmerkt, dass ihre “Erfinder”, also die unterschiedlichen Autoren des Koalitionsvertrages, auch durchaus unterschiedliche Ziele im Sinn hatten. Ob aus dem Ganzen eine konzertierte Aktion wird, die auch noch einen konzertanten Wohlklang entfaltet, bleibt abzuwarten. Eine Architektur für die Digitalisierung muss nicht erst noch nachgezeichnet werden, das kann gelingen, wenn alle Akteure die Unausweichlichkeit der “völligen Digitalisierung” begreifen und sie nicht zum Selbstschutz – Datenschutzrecht, Arbeit 4.0, Mensch-MaschineKommunikation usw. – bremsen wollen.

Die digitalen Häuser und ihre Zuständigkeiten So hat das Bundeskabinett im August einen Digitalrat eingesetzt, um die Regierung in Zukunft zum Thema Digitalisierung zu beraten. Dabei sollen die zehn ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder regelmäßige Sitzungen abhalten und zwei bis drei Mal im Jahr mit der Bundeskanzlerin und anderen Regierungsmitgliedern tagen. Der Rat besteht aus Mitgliedern aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft und deckt laut Regierung das “gesam-

Der neu eingesetzte Digitalrat (hier mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Teilen des Kabinetts) ist eines der neuen Gremien, die der Bundesregierung und ihren Organen in Zukunft bei allen Fragen zur digitalen Welt mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen. Foto: BS/Bundesregierung, Steffen Kugler

te Spektrum der Digitalszene ab”. Es sei dabei ausdrücklich auch Kritik erwünscht, denn gerade darauf sei die Politik angewiesen, wenn sie Schritt halten und neue Entwicklungen in praktisches Regierungshandeln umsetzen wolle, so die Bundesregierung. Inwieweit das Gremium in zwei bis drei jährlichen Sitzungen allerdings tiefgreifende Beratungsarbeit leisten kann, muss sich im Laufe der Zeit erst noch zeigen. Ebenfalls im August hat das Kabinett zwei neue Agenturen zur Förderung innovativer Digitalprojekte gegründet. Die Agentur zur Förderung von Sprunginnovationen soll so aufgebaut werden, dass der disruptive Charakter von Innovationsakteuren eingefangen und gleichzeitig der finanzielle Weg bereitet wird, um innovative Ideen in die konkrete

Anwendung zu überführen. So soll die Agentur, die unter der Federführung von Bundesforschungsministerium und Bundeswirtschaftsministerium läuft, sogenannte Innovationsmanager mit kreativem und fachlichem Hintergrund anstellen, die für ihren Arbeitsbereich nach eigenem Gusto Entwicklungsvorhaben auswählen, steuern und je nach Verlauf beenden oder fortsetzen lassen. Die geförderten Projekte sollen schließlich im Rahmen der öffentlichen Beschaffung verwertet und in den Markt eingeführt werden. Neben der Agentur für Sprung­ innovationen wurde im Kabinett auch die Gründung einer Agentur für Innovation in der CyberSicherheit beschlossen. Damit wollen die Bundesministerien der Verteidigung und des Innern

Forschungsprojekte “anstoßen, fördern und finanzieren”, die sich ressortbezogen auf die Themen Äußere und innere Sicherheit beziehen. Innovativ soll es nach der Vorstellung des BMI auch bei der Digitalisierung der Verwaltung selbst zugehen. Mit der EGovernment-Agentur wird ein “Think & Do Tank” geschaffen. Der soll nicht nur Whitepaper und Konzepte produzieren (“Think”), sondern auch konkrete Lösungen und Produkte erarbeiten (“Do”). Die Innovationseinheit soll dicht am Bundes-CIO wirken und Projekte zur Digitalisierung der Bundesverwaltung mitentwickeln, finanzieren und begleiten. Projektweise soll auch mit Ländern und Kommunen zusammengearbeitet werden. Gleichzeitig soll sie ihre Fühler in den Markt ausstrecken, um kommerzielle E-Government-Lösungen und einschlägige zivilgesellschaftliche Projekte im Blick zu behalten. Es ist noch eine weitere Organisation im Aufbau, die sich als kleine Innovationsschmiede für die Digitalisierung der Verwaltung versteht: FITKO (Föderale IT-Kooperation), die als Unterstützungseinheit des ITPlanungsrats aufgebaut wird. Anders als die E-GovernmentAgentur wird FITKO von Bund und Ländern getragen und zielt von vornherein auf die Förderung gemeinsamer Lösungen im Rahmen einer ebenenübergreifenden Strategie. Wie die beiden Einrichtungen als Treiber der Verwaltungsdigitalisierung mit-,

gegen- oder aneinander vorbei arbeiten werden, bleibt also abzuwarten. Die Datenethikkommission soll ihrem offiziellen Auftrag nach “auf Basis wissenschaftlicher und technischer Expertise ethische Leitlinien für den Schutz des Einzelnen, die Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Sicherung des Wohlstands im Informationszeitalter entwickeln”. Unter den 16 Mitgliedern finden sich prominente Wissenschaftler, IT-Rechtler, Verbraucher- und Datenschutzexperten und Industrievertreter. Bis Sommer nächsten Jahres soll die Kommission dem Bundesinnen- und dem Bundesjustizministerium Empfehlungen an die Hand geben. In erster Linie soll ein Modell für ein neues Datenrecht erarbeitet werden. Das soll Klarheit über die Nutzungsbedingungen von Daten in heutigen und zukünftigen Geschäftsmodellen schaffen. Das Gründungsfieber hat auch vor der Legislative nicht Halt gemacht. Bis 2020 soll eine Enquete-Kommission aus 19 Bundestagsmitgliedern und 19 Sachverständigen Chancen und Risiken von Technologien auf Basis von künstlicher Intelligenz ausloten. Auch die Länder sind in ähnlicher Weise unterwegs, wie das Beispiel Hessen zeigt. Dort beschloss das Kabinett im August eine Reihe von neuen Projekten und Förderungen, mit denen Hessen zum digitalen Spitzenreiter in der Bundesrepublik werden will. Dabei wurde die Einrichtung eines Rates für Digitalethik, eines Zentrums für Künstliche Intelligenz sowie eines Zentrums zur “Verantwortungsvollen Digitalisierung für den Menschen” beschlossen. Auch die zukünftige Ausrichtung der digitalen Verwaltung in Hessen war Thema in der Sitzung.


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ehörden Spiegel: Was bedeutet die Betriebskonsolidierung für die RechenzentrumsStruktur des ITZBund? Kranstedt: Wir arbeiten schon seit Jahren auf eine klare Zielstruktur hin. Wir haben einen Rechenzentrumsverbund, der sich an drei weit auseinanderliegenden Orten in Deutschland konzentriert. So können wir Sicherheit und Verfügbarkeit garantieren. Wir sprechen von einer Dreibein-Strategie. Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren zwei moderne Rechenzentren neu aufgebaut. Dort haben wir Optionsflächen mit dem Eigner der Gebäude vereinbart. Damit haben wir Vorsorge getragen, dass wir die Aufgaben, die bis 2022 auf uns zukommen, in diesen Rechenzentren abbilden können. Die nötigen Kapazitäten für die Konsolidierung stehen bereit. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir nicht in den nächsten Jahren im Sinne eines Life-Cy­ cle-Managements auch noch alte Rechenzentren durch neue ablösen werden. Am dritten Standort wird dies zum Beispiel innerhalb der nächsten fünf Jahre fällig werden. Behörden Spiegel: Welche Vorteile bietet die Zusammenarbeit mit einem Betreiber? Kranstedt: Das gibt uns genau die Flexibilität, die wir brauchen. Betreiber wie e-Shelter stellen häufig einen ganzen Campus

Rechenzentren in der öffentlichen Verwaltung

Behörden Spiegel / September 2018

Nötige Kapazitäten stehen bereit Rechenzentrumsbetrieb beim ITZBund (BS) Im Zuge der IT-Konsolidierung des Bundes wird ein Großteil der IT-Systeme der Bundesbehörden sukzessive von wenigen IT-Dienstleistern übernommen. Vor allem die Generalunternehmer Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) und BWI GmbH müssen entsprechende Rechenzentrumskapazitäten vorhalten. Mit dem Direktor des ITZ-Bund, Dr. Alfred Kranstedt, sprach der Behörden Spiegel über die bisherige Ertüchtigung sowie über effizienten und sicheren Rechenzentrumsbetrieb. Die Fragen stellte Benjamin Stiebel. mit hochmodernen Rechenzentrumsgebäuden. Die sind in der Regel erweiterbar ausgelegt. Das heißt, der Betreiber hält schon Baugenehmigungen und die entsprechende Grundinfrastruktur bereit. Das gibt den Kunden die Möglichkeit, zu skalieren, also recht kurzfristig bei Bedarf zusätzliche Rechenzentrumsfläche zu mieten. Entsprechend müssen wir also nicht unwirtschaftlich große Flächen vorhalten, die vielleicht irgendwann mal genutzt werden. Dadurch, dass wir uns hier der Industrie bedienen, können wir uns auf unsere Kernaufgabe, den Betrieb der IT, konzentrieren. Wir müssen keine Architekten oder Bauingenieure unterhalten, wir müssen uns nicht mit Baugenehmigungsverfahren in den jeweiligen Kommunen auseinandersetzen. Das sind Dinge, die nicht zu unserem Kerngeschäft gehören und die uns nur belasten würden. Behörden Spiegel: Die GreenIT-Initiative des Bundes sieht vor, bis 2022 den Energieverbrauch der Bundes-IT bei 350 Gigawattstunden pro Jahr zu halten. Ist das zu schaffen?

Kranstedt: Eine genaue Prognose ist schwierig. Es ist ein permanenter Wettlauf: Auf der einen Seite nimmt der Energieverbrauch im Verhältnis zur Rechenleistung durch technische Fortentwicklung ständig ab. Auf der anderen Seite hat man mit der Digitalisierung einen kontinuierlich steigenden Bedarf an Rechenleistung. Das hält sich im Großen und Ganzen die Waage, obwohl es Phasen gibt, in denen der Verbrauch sprunghaft ansteigt und dann wieder Phasen, in denen er durch Effizienzgewinne heruntergeht. Ich denke, man sollte die Diskussion nicht nur auf die Energieaufnahme reduzieren. Im Rahmen der Green-IT-Initiative haben wir beispielsweise Maßnahmen ergriffen, die die Gesamtenergiebilanz des ITZBund verbessern. So beheizen wir in Frankfurt mit der Abwärme des Rechenzentrums das Hauptbürogebäude. Das spart natürlich enorm Energie, schlägt aber nicht unmittelbar auf die Energieaufnahme des Rechenzentrums nieder. Das heißt, man muss das Thema etwas ganzheitlicher betrachten. Dann sieht man schon einiges

Dr. Alfred Kranstedt ist seit Juli 2017 Direktor des ITZBund. Foto: BS/ITZBund, Joppen

an Potenzial, das wir dann auch ausschöpfen wollen. Das umfasst natürlich auch spezielle Techniken in den Rechenzentren, wie Kalthauseingang, explizite Stromsteuerung an den einzelnen Racks oder Wasserkühlung. Behörden Spiegel: Wie schützen Sie sich vor Cyber-Angriffen? Kranstedt: Tatsächlich haben wir schon seit Jahren ein 7x24-Stunden-Monitoring. Das

ist aber nicht ausschließlich für das Monitoring von möglichen Cyber-Angriffen zuständig, sondern auch für die Verfügbarkeit der gesamten IT. Wir haben also ein zentrales Lagezentrum, dass alle Rechenzentren rund um die Uhr überwacht. Dort sind wir auch eng verknüpft mit dem Lagezentrum des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und darüber hinaus auch mit den anderen Lagezentren des Bundes. Es fließen kontinuierlich Informationen in beide Richtungen. Wenn das BSI relevante Risiken feststellt, meldet es uns diese. Wenn wir Probleme in unseren IT-Strukturen feststellen oder Angriffe detektieren, dann melden wir das unmittelbar an das BSI. In der Vergangenheit handelte es sich dabei zumeist um DDoS-Angriffe, bei denen versucht wurde, Webseiten lahmzulegen. Behörden Spiegel: Wie weit sind Sie bereits mit der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) verkoppelt, die sich auf den Be-

trieb der Netze des Bundes (NdB) vorbereitet? Kranstedt: Im Vorgriff auf die Übernahme der NdB ist die BDBOS seit letztem Jahr Teil des Anbieterbeirats, in dem sich die IT-Dienstleister organisieren und ihr Angebot synchronisieren. Ich treffe mich auch regelmäßig mit dem BDBOS-Präsidenten Andreas Gegenfurtner zur Abstimmung. Wir hoffen, dass der Übergang dann nahtlos funktioniert und alle Serviceprozesse sauber auf die BDBOS schwenken. Behörden Spiegel: Wie sieht die Kompetenzverteilung zwischen den IT-Dienstleistern und der BDBOS aus? Kranstedt: Im ersten Schritt, also solange wir von NdB 1.0 reden, wird das unverändert bleiben. Bei NdB 1.0 ist ja das Leistungsportfolio der Netze und damit die Aufgabenverteilung klar geregelt. Alles, was dort an Netzdienstleistungen oder Netzanschlüssen zu erwarten ist, ist klar definiert. Das nutzen wir, um den Zugang der Kundenbehörden zu unseren Rechenzentren sicherzustellen. Das wird weiter so bleiben. Im Rahmen der Weiterentwicklung von NdB, wenn wir über NdB 2.0 und dergleichen reden, werden wir unsere Wünsche und Anforderungen formulieren. Sicherlich wird sich dort, wo wir heute selbst noch Netzbetrieb leisten, wie bei der Finanzverwaltung, noch einiges neu sortieren.

Vernetzte Plattform für die moderne Stadt

Intelligent kombiniert

Plattform verbindet Bürger, Unternehmen und Behörden als Social Community

Brandvermeidung Hand in Hand mit Energieversorgung

(BS/Romy Farber*) Viele Stadtverwaltungen wollen mit smarten Servicekonzepten das Leben und den Handel vor Ort verbessern sowie die Kommunikation und die Interaktion in dem Netzwerk “Behörde – Bürger – Unternehmen – Organisationen” vereinfachen und beschleunigen. Eine ganzheitliche Basis bildet die von BCT Deutschland mitentwickelte Digital-City-Plattform. Sie vernetzt die digitale Welt mit physisch präsenten Bürgern, Unternehmen, Organisationen und Behörden als Social Community.

(BS/Frederic Scharnhorst/Annika Westphal*) Die Hochverfügbarkeit der IT ist heute selbstverständlich. Überhitzung des technischen Equipments oder Kurzschlüsse stellen ein nicht unerhebliches Brandrisiko dar. Die hohe Dichte an elektrischen Bauteilen erhöht das Brandrisiko. Zu spät erkannte kleinste Brände können bereits zu großen Schäden führen, wenn Daten unwiderruflich zerstört werden.

Die webbasierte Plattform setzt sich aus drei zentralen Bereichen zusammen: Über ein digitales Handelsportal können Kommunen und Städte benötigte sowie ausgeschriebene Waren und Produkte automatisiert, effizient und vergabekonform erwerben. Für den digitalen und direkten Austausch der Bürger untereinander sowie mit lokalen Unternehmen und Organisationen sorgt wiederum ein Kommunikationsportal mit Social-Media-Elementen. User werden über die Plattform zielgerichtet durch die verschiedenen Angebote der Stadt geleitet. Zudem wird die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen lokal ansässiger Unternehmen ermöglicht. Der dritte Bereich umfasst die digitale Interaktion der Bürger mit ihrer Behörde – die digitalen Bürgerservices.

Digitale Bürgerservices Über diese können Bürger kommunale Dienstleistungen komfortabel, schnell und einfach über das Internet in Anspruch nehmen – zentral und digital über das Webportal der Stadt. So lassen sich zum Beispiel Anfragen, Anträge oder andere Anliegen, wie etwa Schadensmeldungen im öffentlichen Raum, direkt übermitteln. Bürger werden dadurch unabhängig von Öffnungszeiten und Wartenummern. Darüber hinaus sind Rückmeldungen und der jeweilige Bearbeitungsstatus jederzeit transparent über das Internet einsehbar. Auch der Behörde selbst wird das Arbeiten so leicht wie möglich gemacht. Unter Einbindung bereits vorhandener Systeme werden die verwaltungsinternen Prozesse mittels eines Informationsmanagements strukturiert und optimiert. Funktionalität und Features der digitalen Arbeitsumgebung sind dabei an die jeweiligen Zugriffsrechte

Die Digital-City-Plattform ist ein Informations-, Kommunikations- und Handels­ portal für Bürger, Unternehmen und Behörden. Grafik: BS/BCT Deutschland

und Informationsbedürfnisse der Mitarbeiter angepasst. Geht in einer zuständigen Abteilung etwa eine Schadensmeldung ein, wird die Anfrage automatisch als eigenständiger Vorgang in einer allgemeinen Aufgabenliste der Abteilung angelegt – inklusive aller relevanten Informationen. Ein freier Mitarbeiter kann diesen Vorgang in seiner persönlichen Aufgabenliste verwalten und hat Zugriff auf alle zur Bearbeitung notwendigen Angaben. Dank eines Monitorings ist er jederzeit über den Bearbeitungsverlauf aktueller sowie vergangener Vorgänge den Bürger betreffend und über die nachfolgenden Arbeitsschritte informiert. Statusmeldungen werden automatisch an den Bürger weitergegeben. Darüber hinaus kommuniziert die Plattform mit anderen Backoffice-Lösungen. Der Mitarbeiter kann so optimal Regie über alle Prozesse führen, die besondere Aufmerksamkeit erfordern – auch bei Urlaub oder Krankheit eines Kollegen. Die Qualität der Serviceangebote

für Bürger wird gesteigert und die administrativen Abläufe im Allgemeinen werden verbessert.

Fazit Durch eine smart agierende Verwaltung mit effizienteren internen Prozessen, größerer Transparenz und schnellen Reaktionszeiten schaffen Städte eine wichtige Grundlage für zufriedene Bürger und eine erfolgreiche Wirtschaft. Ermöglicht wird dies durch die Etablierung einer Digital-CityPlattform, einem webbasierten Informations-, Kommunikationsund Handelsportal. Der Bereich der digitalen Bürgerservices bietet dabei nach außen Bürgern eine digitale Anlaufstelle für Anfragen; innerhalb der Verwaltung steht er für die transparente technologische Arbeitsumgebung der Mitarbeiter. Weitere Informationen unter www.bctsoftware.com/de/digi talcity *Romy Farber ist Business Manager bei BCT Deutschland.

Oxeo EcoPrevent Brandvermeidungssysteme von Minimax bieten durch Einsatz von Stickstoff einen energieeffizienten Brandschutz auf höchstem Sicherheitsniveau. Sie schließen durch Sauerstoffreduktion Brände aktiv und präventiv aus; gleichzeitig bleibt der Schutzbereich begehbar. Die Systeme stehen für Verfügbarkeit, Flexibilität und Effektivität und sind damit die perfekte Lösung, wenn es um den Brandschutz von besonders sensiblen Bereichen wie Data Center geht. Eine Revolution ist die Sauerstoffreduktion mithilfe der VdSzertifizierten Brennstoffzellentechnologie. Oxeo EcoPrevent FC (Fuel Cell) bietet ein Höchstmaß an Sicherheit, ermöglicht einen Return on Invest und senkt dazu noch drastisch den CO2-Ausstoß um etwa 250 Tonnen pro Jahr. Das entspricht den CO2-Emissionen von ca. 100 Mittelklassefahrzeugen.

Während der Energieerzeugung produziert die Brennstoffzelle als Nebenprodukt saubere und stickstoffreiche Abluft. Diese Abluft fällt beim Betrieb dauerhaft und ganz ohne Zusatzkosten an und kann ideal für den Betrieb einer Sauerstoffreduzierungsanlage zur Brandvermeidung genutzt werden.

Bewährte Technologie nutzen Darüber hinaus kann der erzeugte Strom den konventionellen Strombezug deutlich reduzieren oder alternativ für eine Notstromversorgung eingesetzt werden. Das in der Brennstoffzelle entstehende Warmwasser kann in die Heizungsanlage integriert, in Produktionsprozesse eingebunden oder mittels Adsorbersystemen in Kälte umgewandelt werden. Brennstoffzellen erreichen bei der Umwandlung

von Erdgas zu elektrischer und thermischer Energie mehr als 90 Prozent Effizienz und sparen jährlich hunderte Tonnen CO2. Abhängig vom Nutzungsgrad kann bereits nach wenigen Jahren ein Return on Invest erreicht und sogar Gewinn erwirtschaftet werden! Die bereits bei Rechenzentren im Einsatz befindliche und bewährte Brennstoffzellentechnologie wurde zum Produkt des Jahres auf der Feuertrutz 2018 gekürt und belegte außerdem den 1. Platz bei dem Deutschen Rechenzentrumspreis 2018 in der Kategorie Sicherheitstechnik. *Frederic Scharnhorst ist Produktmanager für Special Hazard Fire Protection Systems bei der Minimax GmbH & Co. KG, und Annika Westphal ist im Marketing für das Unternehmen tätig.

Effizient durch Kombination mit Brennstoffzellen Bei klassischen Sauerstoffreduzierungsanlagen werden ein Druckluftkompressor, eine Druckluftaufbereitung und ein Stickstoffgenerator benötigt, um dauerhaft den Sauerstoffgehalt abzusenken. Das verursacht laufende Kosten, die bereits nach wenigen Jahren höher als die ursprüngliche Investition sein können. Deutlich wirtschaftlicher ist die exklusive Kombination mit einem Brennstoffzellensystem des Minimax Partners Fuji N2telligence. Brennstoffzellen erzeugen, ähnlich wie motorische Blockheizkraftwerke, gleichzeitig Strom und Wärme nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung. Dieser Prozess ist nahezu lautlos und durch die direkte Umsetzung der chemischen Energie des eingesetzten Gases sehr effizient.

Sicher, umweltfreundlich und ohne Zusatzkosten: Die Abluft des Brennstoffzellensystems kann in Rechenzentren für den Betrieb der Sauerstoffreduzierungsanlage zur Brandvermeidung genutzt werden. Foto: BS/Minimax


Behörden Spiegel / September 2018

“I

n unserem Organisationsbereich möchten etwa 50 verschiedene Hersteller via Internet auf installierte Systeme zugreifen, um diese aus der Ferne zu warten. Das ist unter KRITIS-Bedingungen eine große sicherheitstechnische Herausforderung”, beschreibt Tobias Birk, Leiter des Security-Bereichs der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (Dt. Re.Vers.) die Ausgangssituation. Die Träger der Deutschen Rentenversicherung aus fünf Bundesländern betreiben in Würzburg ein gemeinschaftliches Rechenzentrum. An den Standorten der Träger werden unterschiedlichste IT- und Techniklösungen betrieben, von der Laborausstattung in Kliniken über die Aufzugssteuerung in der Gebäudetechnik bis zur OfficeIT für die Versichertenadminis­ tration.

Anforderungen eines KRITIS-Unternehmens “Wir benötigen eine sichere Lösung, vergleichbar der in der analogen Welt”, nennt Birk die Herausforderung. Er erläutert dies am Beispiel des Vor-Ort-Einsatzes von Service-Technikern, wie er früher üblich war. Der Techniker musste sich persönlich zunächst beim Empfang melden. Ein IT-Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung überprüfte seine Identität und Berechtigung und begleitete ihn zur Anlage. Jeder Schritt des Technikers wurde persönlich überwacht. “Unberechtigte Personen hatten keine Chance. Auch wenn sie es bis zum Empfang geschafft hatten, konnten sie nicht unkontrolliert in das gut abgesicherte Haus hinein”, formuliert der IT-SecuritySpezialist den Anspruch für eine sichere Fernwartungs-Lösung. “Fernwartung über externe Netze oder durch Dritte ist besonders kritisch”, so das Bundesamt für

Rechenzentren in der öffentlichen Verwaltung

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Fernwartung für Kritische Infrastrukturen Mit Sicherheit machbar (BS/Martin Ortgies*) Fernwartung für eine Kritische Infrastruktur (KRITIS)? Eine heikle Sache. Die Deutsche Rentenversicherung zeigt, wie die Fernwartung für die als KRITIS klassifizierten IT-Systeme machbar ist und den höchsten Sicherheitsanforderungen gerecht wird.

Teile der IT-Systeme der Deutschen Rentenversicherung sind als Kritische Infrastruktur (KRITIS) klassifiziert und haben einen besonders hohen Schutzbedarf. Foto: BS/Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg

Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Kapitel “Absicherung von Fernwartung” des IT-Grundschutz-Katalogs. “Die BSI-Regeln waren für uns die Grundlage des Pflichtenhefts der Fernwartungs-Lösung. Auf die revisionssichere Aufzeichnung auch per Video und die Umsetzung eines Vier-Augen-Prinzips haben wir besonderen Wert gelegt. Außerdem soll unser Mitarbeiter die Fernwartungs-Session jederzeit unterbrechen können”, listet Birk die Forderungen auf. Es wurde zunächst eine Marktanalyse und Bewertung relevanter Fernwartungs-Lösungen durchgeführt. Am Ende blieben zwei Anbieter zur Auswahl. In einem Proof of Concept wurden die Lösungen der beiden Anbieter unter realen Bedingungen mit drei Mandanten simuliert und rund drei Monate lang getestet. Die Entscheidung fiel zugunsten der Fernwartungs-Lösung des deutschen IT-Sicherheitsunter-

nehmens genua GmbH. Die Tests hatten bestätigt, dass die Lösung alle Muss-Kriterien erfüllt und sich auch im Betrieb bewährt. Zentrales Sicherheitselement der Lösung von genua ist das sogenannte Rendezvous-Konzept. Dabei werden keine einseitigen Fernwartungs-Zugriffe in das Netz der Dt.Re.Vers. erlaubt. Alle externen Verbindungen erfolgen über einen Rendezvous-Server, der in einer Demilitarisierten Zone (DMZ) neben der Firewall installiert ist. Sowohl der externe Wartungs-Techniker als auch der interne Mitarbeiter der Dt.Re. Vers. bauen zu einem verabredeten Zeitpunkt Verbindungen zum Server auf. Diese werden als stark verschlüsselte und authentisierte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen über einen VPN-Tunnel erzeugt. Erst mit dem Rendezvous auf dem Server entsteht die durchgängige Wartungsverbindung. Eine direkte Netzkoppelung findet nicht statt. Durch die Ren-

dezvous-Lösung behält die Dt.Re. Vers. die vollständige Kontrolle über die Wartungszugriffe in ihre Netze.

Einheitliche Lösung “Mit dem genucenter als Management-Station administrieren wir alle Fernwartungs-Elemente an einer zentralen Stelle. So ist es relativ einfach, den Status im Blick zu behalten oder zusätzliche Hardware einzubinden”, berichtet Tobias Birk. Der ITSecurity-Spezialist arbeitet in Stuttgart, das Rechenzentrum befindet sich in Würzburg und die “fernzuwartenden Systeme” befinden sich in Bayern, BadenWürttemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen. Für diese verteilten Strukturen benötigte die Dt.Re.Vers. ein differenziertes Rollenkonzept, um die Erfordernisse mehrerer rechtlich eigenständiger Nutzer erfüllen zu können. So erhalten die einzelnen Sicherheits-

beauftragten bei einem Audit nur Zugriff auf die Daten ihres Mandanten. Für die Vervollständigung der Fernwartungs-Lösung hatte die Dt.Re.Vers. noch weitere Anforderungen. Dazu gehörte die Möglichkeit, die Option eines Datentransfers konfigurierbar zu gestalten, um hier flexibel zu sein. “Genua hat die Change Requests angenommen und nach unseren Wünschen umgesetzt”, so Birk. “Die Unterstützung und der Support von genua sind gut. Bei Bedarf haben wir immer einen Ansprechpartner und nicht nur ein anonymes Web-TicketSystem. Wenn es dringend ist, können wir weitere Eskalationsstufen nutzen.”

Volle Kontrolle Die beteiligten Mitarbeiter der Dt.Re.Vers. mussten sich zunächst mit dem neuen System vertraut machen. Der Tenor war schließlich sehr positiv, weil die neue Lösung für alle Anwendungen einheitlich ist. Zusätzlich können Admins einzelne Details regeln wie den Aufbau der SSHVerbindung über Tools wie Putty oder mit einem Viewer von genua. Der externe Wartungszugriff lässt sich über die ManagementStation zudem auf bestimmte Bereiche oder einzelne Systeme einschränken. “Das ist wie früher die Kontrolle durch den Wachdienst. Wir definieren ein elek­ tronisches Wachbuch und wissen jederzeit, wer noch anwesend ist und was er macht”, fasst Birk die Möglichkeiten zusammen. Der Betrieb dieser zentralen Lösung erfolgt innerhalb der Region

Süd/Südwest der Dt.Re.Vers. bzw. im RZW-Verbund gemäß dem hier vorherrschenden Kooperationsmodell. Der Kontakt zu den externen Herstellern und Dienstleistern wird über einen Single Point of Contact zur Verfügung gestellt. Das Konzept ist völlig transparent. Alle autorisierten Benutzer und ihre Berechtigungen sind in einer Auftragsdatenbank registriert. Die externen Partner reagierten auf die neue Lösung zunächst sehr zurückhaltend. Der Hinweis auf die KRITIS-Anforderungen sorgte für mehr Verständnis. Schließlich konnte die extrem schlanke Lösung überzeugen. “Hersteller und IT-Dienstleister müssen keine zusätzliche Software installieren. Sie laden einen “portable Client” herunter, spielen die seitens der Dt.Re.Vers. vordefinierte Konfiguration ein und der Client ist funktionstüchtig. Das war es schon”, so Birk. “Die Fernwartungs-Lösung ist schnell, einfach und sicher. Und wenn es einfach ist, wird es auch akzeptiert. Selbst wenn der Laptop eines externen Service-Technikers gestohlen wird, schafft er es sinngemäß nur bis auf den Parkplatz vor dem Gebäude. Das Innere des Gebäudes selbst ist sicher. Das ist Security by Default”, gibt der Leiter des Dt.Re. Vers.-Firewall-Kompetenzteams eine gute Bewertung der Security-Lösung. *Martin Ortgies ist freier Journalist. Weitere Informationen unter www.genua.de/kritis-fernwar tung

Digital macht Schule Mecklenburg-Vorpommern bringt Schulmanagementsystem auf den Weg (BS/stb) Die Schweriner Landesregierung will die Schulen, Schulträger und Ämter des Landes technisch aufrüsten. Damit will sie den Schwerpunkt Bildung aus dem Koalitionsvertrag umsetzen. Konkret soll ein integriertes Schulmanagementsystem für Mecklenburg-Vorpommern eingerichtet werden. Für die Umsetzung zeichnet der IT-Dienstleister des Landes, die DVZ M-V GmbH, verantwortlich. Mit dem neuen Managementsystem “ISY M-V” sollen Verwaltungsprozesse verschlankt und die Akteure von Schulen, Trägern und Ämtern besser miteinander vernetzt werden. Alle Daten sollen zukünftig in einem zentralen Datenbanksystem hinterlegt werden und über Einzelkomponenten des neuen Managementsystems verwaltet werden. Die informationstechnische Unterstützung betrifft unter anderem die Personalverwaltung und -planung, die Unterrichtsorganisation sowie den Abruf von Statistiken und Notenspiegeln. Derzeit sind noch unterschiedliche Systeme in der Schulverwaltung im Einsatz – ein Nachteil für

Skalierbarkeit, Nutzerkomfort und Funktionalität.

Verbessertes Serviceangebot “Eltern, Schülerinnen und Schüler profitieren langfristig, beispielsweise durch eine Vereinfachung der Schulanmeldung”, versichert Steffen Freiberg, Staatssekretär im Bildungsministerium. “Solche verbesserten Serviceangebote werden gelingen, weil das System Schulen, Schulämter und Schulträger bei notwendigen Verwaltungsaufgaben entlastet. Zudem werden sich künftig alle an Schule Beteiligten darauf verlassen können, ein System zu verwenden, das den aktuellen Datenschutzbe-

stimmungen entspricht.” Gemäß eines Rahmenvertrages wird die DVZ-MV GmbH die Rolle des Generalunternehmers mit Entwicklungs- und Ausschreibungsleistungen übernehmen. Dazu sagt DVZ-Geschäftsführer Hubert Ludwig: “Als Auftragnehmer liegt es nun in unserer Verantwortung, die Anforderungen aller Beteiligten und der späteren Nutzergruppen in ISY M-V umzusetzen und für das reibungslose Zusammenspiel zu sorgen, immer unter Wahrung der Datenschutzund IT-Sicherheitsvorgaben.” Das integrierte Schulmanagementsystem für MecklenburgVorpommern soll ab 2021 landesweit zur Verfügung stehen.

Hannover Congress Centrum (hcc), Niedersachsenhalle Theodor-Heuss-Platz − , Hannover

Die Veranstaltung:

Mit der Digitalisierung rückt die Sicherheit in der Cyber-Welt in den Fokus, sei es mit Blick auf Internetkriminalität, Wirtschaftsspionage, Informationssicherheit, Datenschutz oder auch den Schutz Kritischer Infrastrukturen. Es ist eine der zentralen Aufgaben des Staates, diese Veränderungsprozesse im Interesse der Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit der Wirtschaft und weiteren Akteuren zu bewerten, aktiv zu gestalten und die notwendigen Rahmenbedingungen zu

MELDUNG

schaffen, um diese Veränderungsprozesse weiterzuentwickeln. Auf dem Niedersächsischen Cyber-Sicherheitstag soll das an Facetten reiche Thema der Sicher-

C5-Testate auch für deutsche Anbieter (BS/stb/mfe) Der Cloud Computing Compliance Controls Catalogue (C5) des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) setzt sich auch in Deutschland zunehmend als Standard für sichere und datenschutzkonforme Cloud-Dienstleistungen durch. Bisher hatten überwiegend ausländische Großanbieter wie Amazon Web Services, Microsoft oder Alibaba die Sicherheit ihrer Cloud-Dienste nach C5-Anforderungskatalog nachweisen lassen. Nun wurden Angebote von SAP, der Deutschen Telekom sowie CANCOM Pironet testiert. Fabasoft hatte

als erster europäischer Anbieter schon 2017 vorgelegt. BSIPräsident Arne Schönbohm sagte: “Der C5-Anforderungskatalog ist zum Branchen-Standard für eine sichere Cloud geworden. Wir freuen uns, dass nun auch aus der deutschen IT-Industrie sichere Cloud-Angebote auf dem Markt vorhanden sind, die die Anforderungen des C5-Kataloges erfüllen.” Dies zeige, dass man auch in der Bundesrepublik über ausgeprägtes Know-how im Bereich der Informationssicherheit verfüge und neben den Weltkonzernen auch der Mittelstand sichere digitale Produkte anbieten

heit im Cyber-Raum aus verschiedenen Perspektiven vorgestellt werden. könne. “Diesen Weg müssen wir weiter beschreiten, um die Digitalisierung auch künftig sicher gestalten zu können”, meinte Schönbohm. Im C5-Katalog hat das BSI Anforderungen zusammengefasst, die Cloud-Anbieter unabhängig vom konkreten Anwendungskontext erfüllen sollten, um ein Mindestmaß an Sicherheit ihrer Dienste zu gewährleisten. Das Dokument ist ein Standard, der prüfbare Anforderungen beinhaltet. Es schreibt aber nicht vor, durch welche Maßnahmen diese Standards erfüllt werden müssen.

Eine gemeinsame Veranstaltung von

und

Kontakt Programm: S. Thiel, Kontakt Ausstellung: S. Bauer Telefon: 0228 / 970 970

Anmeldung unter:

www.sicherheitstag-niedersachsen.de


Schutz öffentlicher Infrastrukturen und Netze

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Behörden Spiegel / September 2018

“Sichere Wasserlage” im Fokus

BSI und Berlin kooperieren

Stärkere Beachtung der sicheren Wasserver- und -entsorgung dringend erforderlich

Stärkere Zusammenarbeit beim Schutz Kritischer Infrastrukturen vereinbart

(BS/Dr. Hans-Walter Borries) Anlässlich der Eröffnungsveranstaltung des neuen Bundesverbands für den Schutz Kritischer Infrastruktur BSKI e. V. im August in Berlin wurde von den neun KRITIS-Themenfeldern ausführlich die Thematik “Sicherheit der Wasserver- u. -entsorgung” behandelt. Bislang wurden auf Fachkongressen besonders die Gefahren eines langanhaltenden Ausfalles der Stromversorgung herausgestellt, die Auswirkungen eines länger andauernden Ausfalles der Wasserver- und -entsorgung wurden dagegen eher vernachlässigt.

(BS/stb) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und das Land Berlin wollen in Zukunft stärker in Fragen der IT- und Cyber-Sicherheit zusammenarbeiten. Dazu haben BSI-Präsident Arne Schönbohm und der Innensenator von Berlin, Andreas Geisel (SPD), eine Absichtserklärung unterzeichnet. Besonderer Fokus soll auf dem Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) liegen.

Gerade hier würden ein Ausfall oder eine Beeinträchtigung zu nachhaltigen Versorgungsengpässen führen, die Störungen der öffentlichen Sicherheit bedingen könnten. Zur Erinnerung: Der Mensch benötigt pro Tag rund 125 Liter – davon zwei bis vier Liter allein zum Trinken. Der “virtuelle” Wasserverbrauch (z. B. für die industrielle Produktion, Landwirtschaft etc.) wird bei 4.000 bis 5.000 Litern pro Kopf pro Tag angesiedelt. Das zeigt, dass das Thema “Sichere Wasserlage” eine zentrale Rolle für uns als Bundesbürger spielt.

Wassermangel hat weitreichende Folgen Kritische Infrastrukturen (KRITIS), wie z. B. kommunale Wasserver- und -entsorgungsunternehmen, werden durch die Digitalisierung immer häufiger und weitreichender miteinander vernetzt und dadurch in sich untereinander immer abhängiger. Das kann zu vielen neuartigen Risiken und Kaskadeneffekten führen. Der aktuelle Hitzesommer 2018 hat uns sehr deutlich gezeigt, wie wichtig eine sichere und geregelte Versorgung der Bevölkerung und von Unternehmen, u. a. auch von Energieerzeugern, mit Trink- und Brauchwasser wird. Ohne ausreichende Wassermenge in Flüssen und Kanälen bricht der Transport zur Versorgung von Kraftwerken mit Rohstoffen zusammen, niedrige Wasserstände und hohe Temperaturen von Flüssen machen zugleich auch eine Reduzierung der Leistung von Kraftwerken erforderlich. Auch die im August 2016 veröffentlichte Konzeption zur zivilen Verteidigung (KZV) spricht die aktuellen KRITIS-Gefahren und ihre Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland deutlich an und verweist auf die Notwendigkeit einer ausreichenden Bevorratung von Notverpflegungen. Kaum ein Bundesbürger kann sich heute eine Kontingentierung von Trinkwasser und die geregelte Notausgabe von Trinkwasser über sogenannte Notbrunnen vorstellen, erinnern uns diese Szenarien auf den ersten Blick an die Zeiten aus dem letzten Weltkrieg und die Überlegungsmuster des Kalten

I

n der IT-Sicherheit lag der Fokus lange auf reiner Prävention, also dem Verhindern von Angriffen. Viele Techniken wie Segmentierung, Firewalls, VPNs, aber auch Sicherheitsgateways für Mail und Webverkehr, entspringen diesem Konzept. Erst langsam hat sich die Idee durchgesetzt, dass man auch für den Fall planen sollte, dass ein Angreifer mit seinen Anstrengungen Erfolg hat. Dieser Gedankensprung fiel vielen Verantwortlichen sehr schwer. Man hatte viel Mühe in den Aufbau von “Mauern und Burggräben” gesteckt, sich aber keine Gedanken darüber gemacht, wie man vorgehen sollte, wenn die Angreifer schon “in der Burg” sind. Inzwischen tragen viele Sicherheitskonzepte dieser Änderung Rechnung und betrachten sowohl die klassische Prävention als auch die Erkennung von erfolgreichen Angriffen, Säuberung und Forensik. Und in genau diesem Kontext spielt die (Marketing-)Kommunikation und Feature-Schlacht im Umfeld BSI-Gesetz/KRITIS

Von der zunehmenden Bedrohung durch IT-Angriffe seien alle betroffen: Bürger, Unternehmen und öffentliche Verwaltung, so der BSI-Präsident. “Entsprechend haben wir ein großes Interesse an einer intensiven Zusammenarbeit.” Auf legislativer und operativer Ebene habe Deutschland in den letzten Jahren wichtige Maßnahmen speziell zum Schutz Kritischer Infrastrukturen ergriffen. “Bislang gab es in Deutschland keine IT-Sicherheitsvorfälle, die eine Versorgung der Bevölkerung gefährdet hätten”, so Schönbohm weiter. “Damit das so bleibt, dürfen wir als Gesellschaft nicht nachlassen, unsere Bemühungen um eine stabile und erfolgreiche Cyber-Abwehr angesichts einer dynamischen Gefährdungslage zu verstärken.”

Wasserversorgung und den Möglichkeiten einer Abwasser­ entsorgung auch Dr. rer. nat. Hans-Walter Borries ist stellvertretender bei StrommangelVorstandsvorsitzender des lagen behandeln. Bundesverbands für den Neben KrankenSchutz Kritischer Infrastrukhäusern sind vor tur (BSKI) e. V. Foto: BS/Privat allem Alten- und Pflegeheime/Seniorenheime sowie BehindertenKrieges. Bei einer vertiefenden einrichtungen etc. schonungslos Betrachtung der Problematik auf deren Durchhaltefähigkeit zu “Wasserversorgung”, entsteht hinterfragen. Allen mit Sicherheitsaufgaben in die Forderung, dass diese Form der Notversorgung der Bevöl- Verwaltungen und Unternehmen BSI-Präsident Arne Schönbohm (l.) und der Berliner Innensenator Andreas Geisel haben eine Absichtserklärung für verstärkte Zusammenarbeit in Fragen kerung im Vorfeld schon geübt betrauten Personen muss verder Cyber-Sicherheit unterzeichnet. Foto: BS/SenInnDS werden müsste. Vorab und jetzt deutlicht werden, dass bei einem sind entsprechende Konzepte langanhaltenden, großflächigen Bedrohungen heute und in den und zum IT-Krisenmanagement. und Handlungsanweisungen Ausfall der Wasserver- und -entzu erstellen und zu überprüfen, sorgung und erst recht auch bei nächsten Jahren auf Augenhöhe Außerdem sollen Mitarbeiter aus nicht erst, wenn es schon zu Ausfall der Stromversorgung dem Bereich KRITIS-Schutz des begegnen können.” spät ist, und man Schadenslagen auch die BOS-Organisationen wie Cyber-Sicherheit als Kleinstaaterei und gegenseitige BSI und der Berliner Verwaltung Querschnittsaufgabe hinterherläuft. Konkurrenz unter den Ländern wechselseitig hospitieren, um Feuerwehr und Rettungsdienste, Polizei und sogar auch die BunIn Berlin als Metropole und he- könne nicht der Weg sein, so ihre Kenntnisse zu vertiefen. Übungen zeigen deswehr selber zu KRITIS-Fällen rausragendem Standort für die der Innensenator weiter. “CyberDurchhaltefähigkeit werden. Diese Einrichtungen set- Digitalbranche spiele auch insbe- Kriminalität macht nicht halt an BSI baut Netzwerk aus Diese Präventionsmaßnahmen zen verstärkt auf ehrenamtliche sondere die Zusammenarbeit mit den Ländergrenzen. EifersüchteBerlin ist das fünfte Land, das im Sinne einer vorausschauen- Helfer, die selber häufig auch der Wirtschaft eine große Rolle. leien zwischen den Ländern und die Zusammenarbeit mit der den Gefahrenabwehr sollten noch Angehörige zu versorgen Entsprechend begrüßt Schön- dem Bund sind deshalb fehl am Cyber-Sicherheitsbehörde des beleuchten, wie es tatsächlich haben und damit auch von sol- bohm die Teilnahme des Landes Platz. Wir müssen unsere Kräfte Bundes vertraglich festhält. Zuum den Schutz von Trink- und chen Krisenszenarien persönlich an der BSI-Initiative Allianz für bündeln und uns eng vernetzen. vor haben schon Rheinland-Pfalz, Brauchwassereinrichtungen stark betroffen sein werden. Die Cyber-Sicherheit. Die Plattform Denn klar ist: Den Cyber-Raum Hessen, Nordrhein-Westfalen steht und wie in ein bis zwei auf- Krisenprävention im “Wasserbe- dient dem Austausch von Know- schützen und widerstandsfähi- und Niedersachsen entsprechenge Infrastrukturen stärken sind de Absichtserklärungen abgegeeinanderfolgenden Hitzejahren reich” gilt es jetzt und heute an- how zwischen Unternehmen. die Versorgung der Bevölkerung zugehen, in Zeiten, wo man noch Geisel ergänzte: “Angesichts ei- gesamtstaatliche Aufgaben.” ben – die meisten anderen Länder mit Trinkwasser sichergestellt selber das Handeln bestimmen nes erheblichen Wachstums an Vorgesehen ist unter anderem wollen folgen (siehe dazu auch werden kann. Im Umkehrschluss kann und nicht von der Krisen-/ Cyber-Crime-Fällen müssen wir ein verstärkter Austausch zur den Artikel im Behörden Spiegel, heißt dies, dass wir ein dauer- Notlage getrieben wird. uns die Frage stellen, wie wir den Vorbeugung von Cyber-Angriffen Juli 2018, S. 40). haftes “Mehr an Übungen und Üben” zu diesem Thema im Bevölkerungsschutz in Deutschland benötigen, auch wenn dies öffentliche Verwaltungen mit deren Verwaltungs-/KatastroExperten warnen vor flächendeckendem Stromausfall durch Cyber-Angriffe phenschutzstäben und Einsatzleitungen der Feuerwehren sowie (BS/stb) Laut Cyber-Sicherheitsexperten des Bundes könnten Hacker durch Angriffe auf einige wenige deutsche Stromversorger einen europaweiden BOS-Organisationen zeitlich ten Blackout verursachen. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hält dieses Szenario für unwahrscheinlich. sehr fordern wird. Es müssen Übungen konzi- In einer Analyse zur Cyber- bei der Hacker bis in die Bü- diese nur zeitweise lahmgelegt auszuschließen. Die von den piert werden, die über mehrere Sicherheitslage warnt das Na- ronetze von Energieversorgern würden, könne die Netzstabili- Netzbetreibern vorgehaltene Nachtphasen und Tage (oder gar tionale Cyber-Abwehrzentrum vorgedrungen sein sollen. tät grenzübergreifend gefährdet Regelleistung könne aber DefiWochen, wie in den Zeiten vor (Cyber-AZ) die Bundesregierung Die Experten des Cyber-AZ be- sein. Die Folge: Weitere Kraftwer- zite bei der Erzeugungsleistung 1990 in den damaligen WINTEX- vor möglichen Attacken auf Kri- fürchten, es könne wegen der ke würden europaweit automa- ausgleichen. Reiche dieser Puffer Übungen, Stabsrahmenübungen tische Infrastrukturen (KRITIS). starken Vernetzung der Versor- tisch herunterfahren. Es käme nicht aus, sorge Schutztechnik der NATO) die Durchhaltefähig- Erkenntnisse über Angreifer, die ger in Europa im Angriffsfall zum flächendeckenden oder der Netzbetreiber für weitere keit der Verwaltungen und der in der Vergangenheit Strom-, einen Domino-Effekt geben, der sogar vollständigen Blackout. Sicherheit. BOS-Organisationen prüfen Wasser- und Gasversorger im zu großflächigen Ausfällen in EuDie Vernetzung der europäiDie Bundesnetzagentur hält und ehrlich hinterfragen. Dazu Ausland im Visier hatten, seien ropa führen könnte. Möglicher- es dagegen für unwahrschein- schen Stromnetze sei eher ein sollten im Vorfeld der Übungen demnach besorgniserregend. weise würde es reichen, wenn lich, dass selbst der gleichzeitige Sicherheitsgewinn, heißt es weidie Gefahrenabwehrpläne der So warnte das Bundesamt für Angreifer mehrere Kraftwerke Ausfall mehrere Kraftwerke zu ter aus der BNetzA, da sie helfe, Gebietskörperschaften und wich- Sicherheit in der Informations- in Deutschland mit einer gewis- einer großflächigen Versorgungs- Ausfälle zu kompensieren. Kleitigen Versorgungsunternehmen technik (BSI) im Sommer vor sen Gesamterzeugungsleistung störung führen könnte. Zwar sei nere Netze hätten in der Regel die Fragen nach dem Grad der einer großangelegten Kampagne, gezielt attackieren. Selbst wenn ein Blackout nie zu 100 Prozent höhere Ausfallrisiken.

Blackout in Europa?

Nach dem Vorfall ist vor dem Vorfall Bereinigung und Forensik in den Blick nehmen (BS/Udo Schneider*) Angesichts der aktuellen Berichterstattung zu Vorfällen bei Betreibern Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) hat man teilweise das Gefühl eines Déjà-vus. Nicht besser wird es bei Werbemaßnahmen vieler Anbieter. In vielen Fällen wird mit Formulierungen aus den Vorgaben gespielt, wie “branchenspezifische Mindeststandards”. So einfach und vertraut einem das auch vorkommen mag – es greift häufig zu kurz. sozusagen in der Vergangenheit. Sieht man sich aktuelle Meldungen zum Angriff auf deutsche Energieversorger an, so liest man, dass keine kritischen Komponenten kompromittiert wurden. Es seien “nur” die Büronetzwerke angegriffen worden. Um die möglichen Folgen eines erfolgreichen Angriffs auf die kritischen Netze einschätzen zu können, reicht ein Blick in die jüngere Vergangenheit – genauer gesagt in die Ukraine. Angriffe auf die ukrainische Stromversorgung hatten einen Stromausfall von bis zu sechs Stunden für etwa 230.000 Personen zur Folge. Deutlicher kann man die Auswirkungen kaum demonstrieren. Die Auswirkungen eines verteilten Angriffs auf mehrere (europäische) Netze und Versorger hätten aufgrund des

Verbundnetzes das Potenzial für europaweite Ausfälle – auch in Gebieten, die nicht direkt angegriffen wurden. Das Verbundnetz würde in einzelne Inseln zerfallen und müsste mühsam und langwierig wieder zusammengeschaltet und synchronisiert werden. Wir können uns also glücklich schätzen, dass Angreifer “nur” die Büronetze kompromittieren konnten. Soweit so gut, oder? Aus Security-Sicht ist der erfolgreiche Angriff auf die Büronetze langfristig nicht unkritisch. Wir müssen uns zwei Fragen stellen: Gab es eine wirksame Bereinigung und war die Sabotage überhaupt das Ziel, wie in der Ukraine? Bei der Bereinigung von heutigen komplexen Systemen herrscht die einhellige Meinung, dass diese nicht zu 100 Prozent möglich ist. Mit der Ausnahme

von “eingefrorenen” Systemen, die man nachgewiesenermaßen auf einen “Last-known-good”Status zurücksetzen kann, ist bei heutigen PCs und Betriebssystemen nur noch eine “wahrscheinliche Bereinigung” möglich. Nach einem Befall lassen sich also bekannte Spuren und Rückstände beseitigen. Eine Garantie gibt es aber nicht. Daher empfehlen viele Experten bei Vorfällen auch das Zurückspielen von Backups. Man versucht also erst gar nicht, zu reinigen, sondern spielt ein (hoffentlich) sauberes System zurück. Es bleibt also fast immer ein Restrisiko. Ein weiterer Aspekt ist das Ziel der Angriffe. Sollte dies die Sabotage gewesen sein, so war der Angriff zunächst nicht erfolgreich. War das Ziel aber nur die Informationsbeschaffung oder die

Implantierung von Schläfern, die vielleicht auch eine Säuberung überleben können, so stellt sich die Frage nach der langfristigen Strategie. Dabei gibt es neben der technischen (Schadsoftware als Schläfer) auch noch eine menschliche Komponente: Entwendete Informationen können durchaus später dazu genutzt werden, nicht-technische Angriffe (Social Engineering) durchzuführen. Die Informationen geben möglicherweise Aufschluss über zu kontaktierende Personen und Fakten, die zum Erschleichen von Vertrauen nötig sind. Auch diese nicht-technischen Zugänge werden erst bei Bedarf wieder reaktiviert. Allen Beteiligten beim Schutz Kritischer Infrastrukturen ist also damit gedient, sich nicht nur auf den Aspekt der Prävention

zu beschränken. Die Säuberung und Forensik (Spurensicherung und Auswertung) ist ein mindestens ebenso wichtiger Bestandteil. Leider hat man bei vielen Anbietern von Sicherheitslösungen aber den Eindruck, dass diese sich nur auf die Prävention konzentrieren. Vielleicht auch, weil dieses technisch abbildbar und damit “einfach” ist. Bereinigung und Forensik lässt sich schlecht automatisieren und erfordert auch ein großes Maß an Personen, Wissen und letztendlich auch Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Organisationen. Gerade deshalb wäre es aber auch wichtig, diese Punkte offen anzusprechen. Also Dinge, die eine Sicherheitslösung kann, aber ebenso Dinge, die sie nicht kann. Die “nicht-Features” totzuschweigen, bringt den Betreibern nichts. Damit wird höchstens der Blick auf Sicherheit als ganzheitliches Konzept vernebelt und damit letztendlich Angreifern geholfen. *Udo Schneider ist Security Evangelist bei Trend Micro.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / September 2018

D

ie Bundeswehr hatte sich bei dieser Diskussion geschickt frühzeitig selbst aus dem Spiel genommen. Sie sei eine Armee für den Verteidigungsfall, zudem bei Einsätzen im Ausland auf ein Parlamentsmandat angewiesen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass sie über alle notwendigen Fähigkeiten für den “Cyber War” verfügt und damit auch für einen “Hack-back”. In der Nähe von Rheinbach bei Bonn wird dies geübt – Ziel der Angriffe im Moment – die Bundeswehr selbst. “Wer bei Cyber-Abwehr erfolgreich sein will, muss die Logik des Angriffs beherrschen”, so die dort herrschende Prämisse. Bundesinnenminister Horst Seehofer bekennt sich zur Notwendigkeit der Klärung eines Gegenschlages im Cyber-Raum, vorsichtiger “aktive Cyber-Abwehr” und nun im Regierungsdeutsch neu: “Cyber Network Operations”. Dieser neue Begriff reduziert die Diskussion nicht ausschließlich auf den “Takedown”, also das Abschalten des angreifenden Rechners oder Netzes, sondern beschreibt das Ganze als Prozess, der sich in vom BMI fünf formulierten Eskalationsstufen darstellen lässt (siehe Infobox). “Angriffsübungen” gegen Kritische Infrastrukturen laufen hierzulande täglich. An keiner anderen Stelle ist Deutschland derzeit so verwundbar. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hält es für möglich, dass die Schadsoftware längst in deutsche Netze eingeschleust wurde und auf Aktivierung wartet. Die einzige abschreckende Antwort auf eine solch militärähnliche Bedrohung wäre nach bisheriger Doktrin der Gegenschlag. Doch die Zweifler speisen ihre Skepsis nicht zu Unrecht aus einem grundsätzlichen Problem, dass nämlich die Attribution – also wer sitzt hinter welchem den Angriff initiierenden Rech-

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Die Achillesferse bleibt Wer führt den Gegenschlag beim Cyber-Angriff? (BS/R. Uwe Proll) Frage: Wie würde Deutschland auf einen massiven Cyber-Angriff reagieren, dessen verheerende Wirkung der einer klassischen militärischen Attacke in nichts nachstehen müsste? Antwort: durch Diskussion, parlamentarische Debatten sowie diplomatischen Protest. So stellt es sich derzeit dar. Das soll sich nun aber ändern. Das Bundesinnenministerium (BMI), hier die Abteilung “Cyber-Sicherheit, sichere Informationstechnik”, schreibt bereits an einem Entwurf. Denn eine gesetzliche Grundlage für den “Hack-back” muss her, idealerweise ohne Änderung des Grundgesetzes. ner – an sich kaum möglich ist. Kurzum: also Gegenschlag, aber gegen wen? Einen ganz anderen Weg haben die OECD und auch Deutschland ins Spiel gebracht, nämlich eine UN-Konvention für den CyberRaum. Ähnlich wie die Haager Kriegsrechtskonvention könnte eine Cyber-Konvention regeln, was Staaten im Netz gegen andere unternehmen dürfen. Doch von der Realisierung einer solch völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung ist die Staatengemeinschaft so weit weg wie von der Beseitigung des Hungers auf der Erde. Die Cyber-“Atom”Staaten, so der interne Jargon im Auswärtigen Amt, werden sich auf absehbare Zeit ihren CyberVorteil nicht nehmen lassen: China, Russland, USA, Nord-Korea, Israel u. a. Also ist es umso dringender geboten für Deutschland, eine eigene digitale Verteidigung zu definieren und zu etablieren. Doch neben den gesetzlichen Grundlagen braucht es auch Behörden und Organisationen, die bei der Cyber-Abwehr, vor allem aber der Gegenwehr aktiv werden können. Der vormalige Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière hatte seinerzeit die Behörden seines Ressorts nach ihren Möglichkeiten befragt. Alle Präsidenten bestätigten dem Minister, CyberAbwehr in ihrem Zuständigkeitsbereich betreiben zu können: Bundesamt für Verfassungs-

Auf militärähnliche Cyber-Bedrohungen soll der Gegenschlag folgen können. Doch wer zieht sich den Handschuh an? Foto: BS/snaptitude, stock.adobe.com

schutz (BfV), Bundeskriminalamt (BKA), Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Bundespolizei (BPol) – indirekt beteiligt Bundesnachrichtendienst (BND). Das BKA verwies seinerzeit in seiner zurückhaltenden Haltung nicht nur auf die Fülle sonstiger Aufgaben, sondern auch auf einen womöglich dadurch entstehenden Rollenkonflikt zwischen einer kriminaltechnischen Ermittlungsbehörde und einer aktiven Rolle beim “CyberGegenschlag”. Das war in der letzten Legislaturperiode. Nun soll es konkret werden, da müssen Ross und Reiter benannt sein. Wer verteidigt, wer greift an im Cyber-Raum? Bei kritischer Betrachtung ist ein “Takedown” eines Rechners in China oder vielleicht in Israel

eine militärähnliche Handlung, zudem eventuell mit erheblichen Kollateralschäden, also Gefahren für Dritte verbunden, wenn z. B. medizinische Geräte an dem Rechner hängen. Im Rahmen der Konsultationen über diese Fragen wies nun mittlerweile das BfV darauf hin, ausreichend Tätigkeitsfelder im Cyber-Raum zu haben: Spionageabwehr und Terrorismus,

sodass weitere Verantwortlichkeiten nicht sinnvoll erschienen. Zudem: Die Rolle der Geheimdienste sei es, Nachrichten zu sammeln und zu bewerten, nicht etwas zu zerstören. Daher auch die vorsichtige Haltung des Bundeskanzleramtes gegenüber einer aktiven Rolle des BND bei Stufe fünf. Auch wegen der unmittelbaren Dienstaufsicht über den BND könnten Handlungen des Nachrichtendienstes für das Kanzleramt unmittelbar erklärungsbedürftig werden. Nach aktuellem Stand soll es nun das Innenressort selbst regeln. Da bleiben nach all den Abwärtsbewegungen von BKA, BfV und nun auch BND nur das BSI und die Bundespolizei übrig. Das BSI hätte sicherlich die personellen Fähigkeiten, doch könnte das Amt in arge Bedrängnis mit seinem gesetzlichen Auftrag und seiner derzeit positiven öffentlichen Wahrnehmung geraten. Das BSI soll Regierung, Wirtschaft und Bürger vor Cyber-Attacken schützen, nicht selbst welche durchführen.

Mit einer Abteilung verfügt das Amt jedoch über operative Fähigkeiten, wäre für die Eskalationsstufen eins bis drei per se, für Stufe vier ziemlich sicher zuständig. Überlegungen, das Amt zu teilen in einen “weißen Ritter” und eine operative Einheit, könnten aber gerade die interne Wertschöpfungskette und den Informationsfluss über neue Angriffstechniken unterbinden. Die Bundespolizei, einst selbst Opfer einer schweren Cyber-Attacke, möchte hier als “CyberPolizei” mitwirken, bräuchte dafür aber neue Fähigkeiten und vermutlich neue gesetzliche Grundlagen. Zwar erlaubt das sogenannte “Äthergesetz” das Abhören und auch Unterbinden von grenzüberschreitendem Funkverkehr, doch als rechtliche Grundlage für den “Cyber-Gegenschlag” reicht das wohl kaum. Welche und ob überhaupt eine Antwort Politik und Gesetzgeber auf diese hybride Bedrohung aus dem Netz finden werden, ist derzeit noch offen. In einem 2. IT-Sicherheitsgesetz ließen sich die Stufen eins bis drei unpro­ blematisch regeln. Wie die Stufe vier gelöst werden soll, ist derzeit die knifflige Frage. Die Stufe fünf bleibt als Ultima Ratio nach jetzigem Stand der Diskussion offen, mit anderen Worten – hierfür wird es keinen Plan geben. Das entscheidet dann im Fall der Fälle der Innenminister oder die Bundeskanzlerin: “Abschalten!”

Fünf-Stufen-Plan Stufe eins: Monitoring der gesamten Netzwerkaktivitäten und ihrer Anomalien sowie erste Maßnahmen der Prävention. Stufe zwei: Identifizierung von Anomalien und Angriffen und ihre Analyse. Stufe drei: Umlenkung der Verkehre zur Vermin­derung der Erreichbarkeit der Angriffsziele. Innerhalb Deutsch-

lands derzeit verpflichtend für ­Telekom Carrier. Stufe vier: Kapseln der eigenen Daten auf fremden Rechnern, Versuch der Zurückholung oder Vernichtung dieser Daten, um weiteren Missbrauch zu verhindern. Stufe fünf: Takedown des Rechners oder des ­Netzwerkes, von dem der Angriff ausgeht.


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IT-Sicherheit

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Immer häufiger Ziel von Cyber-Angriffen

eshalb teilt das Unternehmen Expertise, Wissen und technische Erkenntnisse mit der Sicherheitsgemeinschaft weltweit – getragen vom festen Glauben, dass es keine Grenzen bei der Bereitstellung von Sicherheit gibt.

Die globale Transparenzinitiative von Kaspersky Lab Kaspersky Lab möchte sich jedoch nicht nur durch leistungsstarke Technologien für eine länderübergreifende Netzsicherheit einsetzen. Deshalb startete das Unternehmen in diesem Jahr seine globale Transparenzinitiative. Mit den darin festgeschriebenen Maßnahmen und Schritten setzt sich Kaspersky Lab aktiv für ein Maximum an Transparenz und Integrität im Rahmen des gemeinsamen Strebens nach digitaler Sicherheit ein. Ein Teil der Initiative sieht vor, den Quellcode aller Softwareprodukte – einschließlich Updates und Aktualisierungen der Bedrohungserkennung – für die unabhängige Überprüfung und Beurteilung durch fachkundige Dritte bereitzustellen. In einem ersten Schritt richtet Kaspersky Lab seine Infrastruktur neu ein und verlagert eine Reihe wichtiger Prozesse in die Schweiz. Die Migration umfasst dabei die Speicherung und Verarbeitung von Kundendaten aus Europa.

Datensicherheit – Eckpfeiler des Staatsvertrauens Cyber-Angriffe zielen längst nicht mehr nur auf Unternehmen und Konzerne. Gerade Behörden und öffentliche Verwaltungen sind im Besitz einer gigantischen Menge sensibler und damit potenziell lukrati-

Warum der öffentliche Sektor Bürgerdaten ganz besonders schützen muss

und Service-Reihe Kaspersky Threat Intelligence (weitere Informationen dazu unten) adressiert zudem die speziellen Cyber-Sicherheitsbedürfnisse staatlicher Organisationen.

(BS/Anne Mickler*) Für Kaspersky Lab ist – vor allem was das Thema Cyber-Sicherheit betrifft – Kooperation der Schlüssel zum Schutz vor schädlichen und kriminellen Bedrohungen. Nur durch eine konstruktive Zusammenarbeit aller relevanten Kräfte und Akteure in diesem Sektor Mehr zur globalen Transparenzinitiative von Kaspersky Lab: kann das gemeinsame Streben nach umfassendem Schutz gegen Angriffe aller Art langfristig von Erfolg gekrönt sein. geschützte IT-Infrastruktur ist für den Public Sector unumgänglich.Viele Verwaltungen nutzen heute jedoch noch immer Systeme, die veraltet und gegen moderne Cyber-Attacken relativ machtlos sind. Dabei wird gerade von staatlichen Einrichtungen und öffentlichen Institutionen ein besonders hohes Maß an Sensibilität und Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die dort verwalteten sensiblen Daten der Bürger erwartet.

Angriffe auf den öffentlichen Sektor nehmen zu “Mit unserer globalen Initiative wollen wir offen und völlig transparent zeigen, wie professionell und komplett neutral Kaspersky Lab zum Wohle der globalen Cyber-Sicherheit Tag für Tag arbeitet. Wir haben nichts zu verbergen und ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf diese Weise bestehendes Misstrauen überwinden und den digitalen Schutz der Menschen mit unserer Expertise weltweit unterstützen können.” Eugene Kaspersky, CEO von Kaspersky Lab Foto: BS/Kaspersky Lab

ver Daten für Angreifer. Hinzu kommt, dass viele staatliche Institutionen Kritische Infrastrukturen wie Strom- und Wasserversorgung unterhalten. Auch hier gilt in Zeiten der Digitalisierung höchste Cyber-Vorsicht. Denn egal ob Massenattacke, zielgerichteter Angriff oder Cyber-Spionage – eine umfassend

Der im Februar dieses Jahres aufgedeckte Angriff auf die Bundesregierung oder die von Kaspersky Lab erst kürzlich enttarnte globale Cyber-Spionagekampagne “Operation Parliament” machen deutlich, wie schutzlos öffentliche Verwaltungen und Behörden weltweit professionell durchgeführten Angriffen von außen gegenüberstehen. Mit der zunehmenden Digitalisierung von Verwaltungsprozessen und der wachsenden Cyber-Kriminalität steht der öffentliche Sektor vor neuen Herausforderungen. Die Risikoszenarien reichen von Cyber-Terrorismus und staatlich finanzierten Angriffen über Hacker-Attacken, CyberSpionage, klassische MalwareBedrohungen wie Trojaner oder Phishing, DDoS-Angriffe auf Dienstleistungen des öffentli-

Schwacher Staat

chen Sektors bis hin zu Krypto-Malware und Ransomware. Kritische Infrastrukturen sind dabei besonders gefährdet.

Moderne Technologien bieten umfassenden Schutz Um komplexe Cyber-Bedrohungen und zielgerichtete Angriffe bekämpfen zu können, ist ein perfektes Zusammenspiel

Herausforderungen, die das Internetzeitalter für den Staat bereithält. Wie kann er überzeugend als Regulierer auftreten, wenn mit der zunehmenden Vernetzung die Grenzen zwischen Infrastrukturen und Plattformen, Produkten und Diensten, Urhebern und Dienstleistern verschwimmen? Wie kann der Staat Recht durchsetzen, wenn die Spielregeln für die digitale Welt de facto anderswo erfunden werden? Wie kann er Sicherheit gewährleisten, wenn wir von Technik abhängig sind, die jederzeit gegen uns verwendet werden kann? Welche Rolle kann der Staat zukünftig noch spielen, wenn er die Daseinsvorsorge in der digitalen Welt dem Markt und dem freien Spiel der Kräfte überlässt?

https://www.kaspersky.de/ about/transparency

Mehr zum Echtzeitschutz von Kaspersky Lab: https://www. kaspersky.de/enterprise-secu rity/endpoint *Anne Mickler ist Corporate Communications Manager DACH bei Kaspersky Lab.

Kaspersky Threat Intelligence (BS) Threat Intelligence – das homogene Zusammenspiel von Präventions-, Erkennungs- und Reaktionsmaßnahmen – gewinnt im Bereich Cyber-Sicherheit immer stärker an Bedeutung. Erklärtes Ziel sollte es insbesondere für Behörden und Verwaltungen sein, diese elementaren Säulen digitaler Sicherheitsmaßnahmen in die eigene Verteidigungsstrategie zu integrieren. Dies ist jedoch nur dann möglich und effizient, wenn Big-Data-Ressourcen, maschinelles Lernen und die notwendige Sensibilität und Expertise der Mitarbeiter ineinandergreifen. Kaspersky Lab bietet ein umfangreiches Portfolio für die Umsetzung einer zeitgemäßen Threat-Intelligence-Strategie an: Threat Data Feeds Erweitern bestehende Sicherheitskontrollen und verbessern forensische Fähigkeiten mit hochaktuellen und sofort umsetzbaren Informationen zu Cyber-Bedrohungen. APT Intelligence Reporting Liefert exklusiven, proaktiven Zugang zu den neuesten Untersuchungen und Erkenntnissen von Kaspersky Lab und demonstriert die Methoden, Taktiken und Tools, die von APT-Akteuren verwendet werden.

Tailored Threat Intelligence Reporting Experten von Kaspersky Lab erstellen im Falle einer aktuellen Gefährdungslage ein umfassendes Bild der Bedrohung, zeigen Schwachstellen auf, die mit großer Wahrscheinlichkeit ausgenutzt werden, und weisen – sofern vorhanden – bereits stattgefundene, gegenwärtige oder geplante Angriffe nach. Threat Lookup Ermöglicht die Echtzeitsuche in vielen Petabytes an Bedrohungsdaten, die von Kaspersky Lab gesammelt, kategorisiert und analysiert wurden. So wird eine globale Sicht auf Bedrohungen und deren Zusammenhänge geboten. Cloud-Sandbox Erlaubt den sofortigen Einblick in die Eigenschaften jeder Datei, um so bisher unbekannte Malware effektiv zu identifizieren und damit schnell auf Vorfälle im Bereich der Informationssicherheit zu reagieren.

Mehr Informationen: https://www.kaspersky.de/ enterprise-security/threat-intelligence

Verfassungsbeschwerden gegen Überwachungsbefugnisse (BS/stb) Gegen Befugnisse zur

(BS/stb) Die Digitalisierung fordert den Staat nicht nur heraus. Sie überfordert ihn: als Gesetzgeber und Quellen-TelekommunikationsRegulierer, als Versorger und als Gestalter. Woran das liegt, analysiert Martin Schallbruch in seinem Buch überwachung (Quellen-TKÜ) “Schwacher Staat im Netz”. und Online-Durchsuchung

Martin Schallbruch: Schwacher Staat im Netz – Wie die Digitalisierung den Staat in Frage stellt. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2018. Hardcover, 271 Seiten. 19,99 Euro. ISBN 978-3-658-19946-3

aus Vorhersage, Prävention, Erkennung und Reaktion essenziell. Als globaler Sicherheitsanbieter bietet Kaspersky Lab ein breites Produkt- und Service-Portfolio. Die Basis-Lösung Kaspersky Endpoint Security for Business liefert Echtzeitschutz auf allen Endpoints und Servern im gesamten Netzwerk, die Produkt-

MELDUNG

Drohender Bedeutungsverlust im Netz

Neue Technologien dringen mit immer rasanterer Geschwindigkeit in unseren Alltag ein. So weit, so floskelhaft. Dem Staat muss es gelingen, bei der Digitalisierung Schritt zu halten – wenn nicht voranzugehen. Auch das ist nicht neu. Nur: Dem Staat gelingt es eben nicht. In mehr als 20 Jahren Netzpolitik ist er allenfalls hinterhergehinkt. Digitales Urheberrecht, Datenschutz, Überwachungsbefugnisse im Netz, digitale Verwaltungsangebote: Bei praktisch allen zentralen Digitalthemen hat der Staat sich in der Vergangenheit gehörig die Finger verbrannt. Man denke nur an Stichworte wie “Zensursula”, “Stasi 2.0” oder “Staatstrojaner”. Selbst da, wo man stolz vorangeschritten ist, waren am Ende nicht viele Lorbeeren zu ernten. In Deutschland gilt Datenschutz auf höchstem Niveau. Doch wer, wie, wo und wozu die eigenen persönlichen Daten verarbeitet werden, weiß kein Internetnutzer zu sagen. Deutschland hat den weltweit sichersten elektronischen Identitätsnachweis. Doch keiner nutzt ihn. Sein bitteres Resümee zieht Martin Schallbruch als einer, der selbst Hand ans Steuerrad der deutschen Netzpolitik gelegt hat. Zuletzt bis 2016 als Abteilungsleiter für Informationstechnik, Digitale Gesellschaft und CyberSicherheit im Bundesinnenministerium. Heute ist er stellvertretender Direktor des ESMT Digital Society Institute (DSI). Die unrühmlichen Episoden der Digitalpolitik bricht Schallbruch herunter auf die grundsätzlichen

Behörden Spiegel / September 2018

“Die Digitalisierung zwingt den Staat in einen brutalen Wettbewerb: Der Gegner ist dabei nicht eine Art Online-Staat”, so spitzt es Schallbruch zu. “Gegenspieler des Staates ist vielmehr “kein Staat”, das Zurückdrängen des Staates aus mehr und mehr Lebensbereichen.” Das Ziel, so Schallbruch, müsse digitale Souveränität sein. Er fordert einen Staat, der die Probleme des digitalisierten Gemeinwesens versteht, seinem Auftrag entsprechend ordnet und diese Ordnung auch durchsetzt. Im Kern liege die Fähigkeit, Abhängigkeiten im digitalen Raum zu erkennen, um Verantwortung zuweisen zu können. Das erfordert digitale Expertise auf Spitzenniveau. Und das läuft hinaus auf ein Digitalrecht, das klare Grundsätze legt, statt sich in unverständliches Detailrecht zu zerfasern. Schließlich fordert Schallbruch den Staat auf, seinen Versorgungsauftrag auch im Bezug auf digitale Gemeinschaftsgüter ernst zu nehmen. Bei Grundfunktionen wie sicheren Logins, Zahlungsdiensten oder digitalem Rechtsverkehr dürfe das Feld nicht allein dem globalen Markt überlassen werden. Für einen starken Staat im Netz brauche es einen Gesamtplan, meint Schallbruch. “Und auf die Agenda gehört mehr als Breitband- und Start-up-Förderung: Digitalrecht, digitaler Versorgungsauftrag und digitale Gesamtarchitektur müssen ganz oben stehen bei der neuen Digitalpolitik.”

wurden mehrere unabhängige Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht. Beschwerdeführer sind der Verein Digitalcourage, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, der Deutsche Anwaltsver-

ein und mehrere FDP-Politiker. Argumentiert wird, die neuen Befugnisse für Polizei und Justiz würden den strengen Vorgaben nicht gerecht, die das BVerfG in früheren Urteilen festgesetzt habe. Außerderm erfordere die Quellen-TKÜ bei modernen Messenger-Diensten in der Regel das Ausnutzen von Sicherheitslücken – also Hacking.

Statt diese Lücken im Sinne der Erhöhung der IT-Sicherheit den Herstellern zu melden, würde der Staat sie also gezielt nutzen und geheimhalten. Die neuen Befugnisse waren letztes Jahr durch die Bundesregierung eingeführt worden, um bei der Ermittlungsarbeit mit den technischen Entwicklungen mithalten zu können.

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IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / September 2018

Eine Frage der Zeit

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ie leistungsfähigen Rechner stellen die Sicherheit der meisten verbreitet eingesetzten Kryptotechniken infrage. Besonders gefährdet seien Pu­ blic-Key-Verfahren, erklärt Prof. Marian Margraf von der Freien Universität Berlin: “Angreifer können mithilfe von Quantencomputern die Sicherheit von Schlüsselaustauschverfahren aushebeln und so die kryptografischen Schlüssel extrahieren oder Man-in-the-Middle-Angriffe durchführen. Dies betrifft alle aktuell verwendeten kryptografisch abgesicherten Internetverbindungen, zum Beispiel über https oder VPN.” Besonders gefährdet sind asymmetrische Verfahren, bei denen die Verschlüsselung mit einem öffentlichen Schlüssel erfolgt. Das ist Standard bei der Verschlüsselung von E-Mail und Web-Inhalten. Symmetrische Verfahren, bei denen die Kommunikationspartner zuvor einen geheimen Schlüssel austauschen, sind etwas robuster. Die Schlüssellängen müssten aber deutlich verlängert werden, damit Quantencomputer schweres Spiel haben. Dass zukunftssichere Verschlüsselungsverfahren hermüssen, bevor Cyber-Kriminelle

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Quantencomputer machen heutige Verschlüsselungsalgorithmen obsolet (BS/Benjamin Stiebel) Weltweit forschen Institute und Unternehmen an Quantencomputern. Da diese komplexe Rechnungen vornehmen können, vor denen normale Computer kapitulieren, könnten sie naturwissenschaftliche Forschung enorm voranbringen. Für die IT-Sicherheit ergibt sich aber ein Problem. Denn heute praktisch unknackbare Verschlüsselungssysteme werden für Quantencomputer kein Hindernis mehr darstellen. mit Quantencomputern arbeiten können, liegt also auf der Hand. Leider kann niemand sagen, wann es soweit sein wird. Klar ist nur, dass immer mehr Akteure in den Forschungs- und Entwicklungswettlauf einsteigen, neben Universitäten und Instituten auch Großkonzerne wie Google oder IBM. Prognosen sind deshalb schwierig, weil Quantencomputer auf einer völlig anderen Basis arbeiten als jeder konventionelle Computer. Sie gehorchen nicht den Gesetzen der klassischen Physik, sondern denen der Quantenmechanik. Anders als die bisherigen Bits sollen Qubits sich nicht notwendig nur in einem Zustand (entweder Null oder Eins) befinden, sondern in mehreren gleichzeitig. Unter Laborbedingungen hat es bereits Realisierungen mit über 50 Qubits gegeben. Die meisten Experten glauben,

Genau wie Kombinationsschlösser können auch Kryptoalgorithmen theoretisch durch Ausprobieren überwunden werden. Ein Mensch würde schon bei Schlössern mit wenigen Stellen kapitulieren. Ähnlich haben Hacker keine Chance, lange kryptografische Schlüssel direkt zu knacken. Mit Quantencomputern könnte sich das aber ändern. Foto: BS/aotaro, CC BY 2.0, flickr.com

dass einsatzfähige Quantencomputer schon in wenig mehr als zehn Jahren verfügbar sein werden und heutige StandardKryptoverfahren obsolet machen. Das ist nicht so viel Zeit, wie es

UNGESICHERTE IT-HARDWARE – EIN UNTERSCHÄTZTES RISIKO Defizite im Schutz sensibler Daten gegen den spurlosen Datenraub

zuerst klingen mag. Mit der Erforschung resistenter Algorithmen ist es schließlich nicht getan. Sie müssen auch in Verfahren und konkrete technische Implementierungen überführt werden.

Standardisierungs- und gegebenenfalls Zertifizierungs- und Zulassungsprozesse brauchen ebenfalls ihre Zeit. Für Dokumente, für die die Vertraulichkeit über mehrere Jahre garantiert werden muss, bestehe schon jetzt Handlungsbedarf, ergänzt Margraf. “Seit Snowden wissen wir, dass die amerikanischen Geheimdienste große Mengen an Internetkommunikation für eine spätere Auswertung speichern.” Heute verwendete Schlüsselaustauschverfahren ließen sich später mittels Quantencomputer brechen und die darauf aufgebaute sichere Verbindung im Nachhinein mitlesen, so Margraf weiter. Ein solches Szenario sei grundsätzlich vorstellbar, heißt es auch aus dem Bundesinnenministerium (BMI). Der Aufwand wäre allerdings immens. Angreifer müssten dazu schon jetzt nicht nur die verschlüsselten

Daten, sondern zusätzlich auch gezielt die Kommunikation über die Schlüsseleinigung zwischen den Kommunikationspartnern aufzeichnen. Quantencomputer oder nicht: Verlass auf dauerhafte Sicherheit von Verschlüsselungsverfahren gibt es nicht. Dazu ist die technische Entwicklung zu ungewiss. Das sehen US-Behörden schon länger. Die National Security Agency (NSA) hat bereits 2015 angekündigt, bei sicherheitsrelevanten Systemen zukünftig auf quantencomputerresistente Verfahren zu setzen. Das National Institute of Standards and Technology (NIST) hat im letzten Jahr einen entsprechenden Standardisierungsprozess für neue Verfahren und Protokolle eingeleitet. Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bearbeitet das Thema seit Längerem und empfiehlt, sensible Anwendungen so zu entwickeln, dass Verschlüsselungs-Algorithmen jederzeit sicher ausgetauscht werden können – gegebenenfalls eben gegen quantencomputerresistente Varianten. Dazu wird derzeit eine konkrete technische Richtlinie durch die Cyber-Sicherheitsbehörde erarbeitet.

BSI aktualisiert Technische Richtlinien Vorgaben für ersetzendes Scannen und digitale Signaturen

(BS/stb) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) fasst erforderliche und empfohlene (BS/Joachim Stäcker*) In Verbindung mit der aktualisierten Datenschutz-Grundverordnung gewinnt das The- Maßnahmen zur sicheren und datenschutzkonformen elektronischen Vorgangsverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung in Technischen Richtlinien (TR) zusammen. Für das ersetzende Scannen und die kryptograma IT-Sicherheit auch auf der Hardware-Ebene zunehmend an Bedeutung. fische Signatur von Dokumenten gibt es nun Updates. Bisher liegt der Fokus darauf, die Sicherheit in der vernetzten Kommunikation insbesondere auf der Softwareseite (Virenschutz, Firewalls, Verschlüsselung usw.) stetig zu erhöhen. Dabei wird vollkommen außer Acht gelassen, dass es damit zunehmend effektiver wird, sich direkt am Punkt der Generierung und Verarbeitung die Informationen illegal zu beschaffen. Das extreme Risiko liegt darin, dass noch keine Verschlüsselung stattgefunden hat, sondern alles ohne nachweisliche Folgespuren im Klartext abgreifbar ist, einschließlich der Passwörter zur Entschlüsselung. IT-Sicherheit sollte unabdingbar auf der Hardwarebasis anfangen, bevor die vernetzte Kommunikation beginnt, insbesondere der Zugang zum Internet! Es gibt viele Varianten, wie Datendiebe und Nachrichtendienste sich unbemerkt Zutritt zu Netzen von Behörden und staatlichen Einrichtungen verschaffen können. Die Gefahr des spurlosen Datendiebstahls,

Die Richtlinien haben insbesondere Relevanz für die Umsetzung der durch das E-GovernmentGesetzt des Bundes geforderten elektronischen Aktenführung und des Übertragens und Vernichtens des Papieroriginals. Die dafür eingesetzten technischen Systeme und Prozesse müssen durch Maßnahmen nach dem Stand der Technik geschützt werden.

Anpassung an EU-Recht

des direkten Angriffs auf IT-Arbeitsplätze während des unverschlüsselten Eingabeprozesses, wird in Zukunft immer mehr zu einer kritischen Bedrohungslage. Dies geschieht oft durch: • Auffangen von in das Stromnetz abfließenden Informationen, • Radaranstrahlung von Datenleitungen und IT-Geräten, • Abfangen elektromagnetischer Abstrahlung der IT-Geräte.

Durch den Einsatz der HEINEN ICS NoSpy-Hardware-Produkte kann die Informationssicherheit an den Computer-Arbeitsplätzen in Behörden, staatlichen Einrichtungen und im Home-OfficeBereich signifikant verbessert werden, weil der spurlose Datenraub unmöglich wird. *Dipl.-Ing. Joachim Stäcker ist Bereichsleiter bei HEINEN ICS.

Die Aktualisierung war nötig, weil sich rechtliche Rahmenbedingungen für das Scannen und das digitale Signieren mit der eIDAS-Verordnung und der Datenschutzgrundverordnung der EU verändert haben. So können nun beim Scannen und bei der sicheren Speicherung statt persönlichen Signaturen auch elektronische Siegel verwendet werden, die einer juristischen Person zugeordnet sind. Die TR-03125 “Beweiswerterhaltung kryptografisch si­gnierter Do-

kumente” (TR-ESOR) beschreibt, wie elektronisch signierte Dokumente vertrauenswürdig gespeichert werden können. Es soll vor allem sichergestellt werden, dass elektronische Dokumente auch über lange Aufbewahrungszeiträume hinweg verfügbar und lesbar bleiben – trotz kurzer Innovationszyklen in der Informationstechnik. Die TR umfasst Empfehlungen zur Referenzarchitektur und Anforderungen an Austauschformate zur Signaturprüfung. Außerdem enthält sie zusätzliche Regeln für verschiedene Konformitätsstufen für den Einsatz in Bundesbehörden. Die TR-03138 “Ersetzendes Scannen” (RESISCAN) soll sicherheitsrelevante technische und organisatorische Maßnahmen entlang des gesamten Scanprozesses zusammenfassen. Sie dient als Referenz zur Erfüllung des Stands der Technik im Sinne der elektronischen Aktenführung nach E-Government-Gesetz sowie

für die Beweiskraft gescannter elektonischer Dokumente nach E-Justice-Gesetz. Die TR besteht aus einem modularen Anforderungskatalog und Prüfspezifikationen. Ergänzende Anwendungshinweise sollen Hilfestellung bei der praktischen Anwendung bieten.

Einsatz externer Dienstleister Wer sich beim ersetzenden Scannen externer Dienstleister bedient, findet in der TR RESISCAN keine Anleitung zur rechtssicheren Gestaltung des Verfahrens. Hier hilft ein Leitfaden der Vitako Bundes-Arbeitsgemeinschaft der kommunalen IT-Dienstleister, die sich in erster Linie an Kommunen richtet. Die Musterverfahrensbeschreibung nennt sicherheitsrelevante Maßnahmen und leitet bei der schrittweisen Dokumentation des Scanprozesses beim externen Dienstleister an. Dabei werden Größe, Aufgaben und IT-Ausstattung der Verwaltung berücksichtigt.


Cyber Akademie

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Behörden Spiegel / September 2018

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Neues aus der Cyber Akademie

September 2018

IT-Sicherheitsexperten gesucht! (CAk/fl) Laut Branchenverband Bitkom fehlen allein in Deutschland rund 55.000 IT-Fachleute. Der spezielle Bedarf an IT-Sicherheitsfachleuten geht aus diesen Zahlen leider nicht hervor. Fakt ist jedoch, dass es eine steigende Nachfrage an IT-Sicherheitsexperten in Unternehmen und Behörden gibt, die nicht befriedigt werden kann. Politik, Wirtschaft und Verwaltung in Deutschland haben die Chancen und Potenziale der Digitalisierung erkannt. Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, welches nahezu alle Geschäfts-, Produktions- und Verwaltungsprozesse umfasst und als solche alle Bereiche eines Unternehmens oder einer Behörde betrifft. Dieses gilt in besonderer Weise auch für die Sicherheit. Denn: Parallel zum Digitalisierungsprozess entstehen durch die zunehmende Vernetzung eine Vielzahl neuer Risiken. Dabei ist festzustellen, dass Quantität und Qualität (Professionalisierung) der Angriffe in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Neben der Innovationsfähigkeit und dem Fachkräftemangel ist die Sicherheitsfrage das Kernelement, von dem abhängt, ob Digitalisierung erfolgreich gestaltet werden und sich positiv

auf den Wirtschaftsstandort Deutschland auswirken kann. Verwundbarkeit durch Cyber-Angriffe, technische Innovationen sowie der Fachkräftemangel sind Herausforderungen, die Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen betreffen. Veränderte Sicherheitslage, zunehmende Aufgabenbereiche und eigene Digitalisierungsbemühungen des Staates – alle genannten Aspekte lassen auch im Öffentlichen Dienst den Bedarf an IT-Fachpersonal und IT-Sicherheitsexperten nach oben schnellen. Im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Unternehmen, die dieselben Fachleute suchen, verfügt der Staat jedoch über ungleich schlechtere Voraussetzungen, um dieses Personal zu gewinnen. Im Kontext eines “leergefegten” IT-Fachkräftemarktes muss die gezielte Gewinnung, aber auch die kontinuierliche, praxis-

nahe Weiterentwicklung von Personal ein Kernziel sein, um diesen Bedarf decken zu können. Mitarbeiter aus IT, mit IT-Affinität und dem Feld der klassischen Sicherheit sind kontinuierlich aus- und fortzubilden und somit zu IT-Sicherheitsexperten weiterzuentwickeln. Im Zentrum steht das Ziel, die Sicherheitslage des Unternehmens (der Organisation), die personelle Bedarfslage und die Befähigung der Mitarbeiter (in Abgrenzung zu universitärer oder dualer Ausbildung) in einen sinnvollen Gesamtkontext zu stellen. Ausbildung zum IT-Sicherheitsexperten Zu diesem Zweck hat die Cyber Akademie GmbH u. a. den modular gestalteten Kurs “Ausbildung zum IT-Sicherheitsexperten” entwickelt. In drei Ausbildungspfaden können sich die Teilnehmer in den Schwerpunkten “Penetrationstests”, “IT-Forensik und Incident Response” und “IT-Security Management” ausbilden lassen. In einem zusätzlichen Aufbaukurs können zudem die Analyse und Bewertung von Schwachstellen in Software sowie die sichere Softwareentwicklung vermittelt werden. Der Ausbildungskurs kann für eine Gruppe von Mitarbeitern gebucht werden und in Absprache mit dem Kunden individuell zeitlich und inhaltlich ausgestaltet und organisiert werden. Über die Cyber Akademie

Die Cyber Akademie hat ein Ausbildungsprogramm entwickelt, mit dem sich IT-affine Mitarbeiter zu Cyber-Sicherheitsexperten weiterbilden können. Grafik: CAk

Als unabhängiges Ausund Fortbildungsinstitut bietet die Cyber Akademie GmbH mehr als 50 Semi­ nar­ module im Themenfeld Cyber Security, IT-Sicherheit und Datenschutz an. In den interdisziplinär und praxisnah gestalteten Schulungen werden technische, rechtliche und organisatorische Aspekte der Informationssicherheit vermittelt. Darüber hinaus können in speziellen Trainings technische und organisatorische Maßnahmen erlernt und konkret angewandt werden.

Schutz von Geschäftsgeheimnissen (CAk/Thomas Feil) Die EURichtlinie zum Schutz von vertraulichem Know-how und Geschäftsgeheimnissen ist in deutsches Recht umzusetzen. Es liegt nunmehr ein Entwurf des neuen Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG)­vor. Die gesetzlichen Regelungen sind sowohl für Behörden als auch Unternehmen von Bedeutung. Das Geschäftsgeheimnis-Gesetz definiert den Begriff “Geschäftsgeheimnis” und legt fest, welche Informationen schützenwert sind. Weiterhin wird erwartet, dass angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zu treffen sind. Dies hat in der Praxis Auswirkungen auch auf die IT-Sicherheit. Nicht gut geschützte Geschäftsgeheimnisse führen dazu, dass Ansprüche nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz, insbesondere Schadensersatzansprüche und Unterlassungsansprüche, nicht geltend gemacht werden können. Es empfiehlt sich also, sorgfältig zu dokumentieren, welche Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen worden sind. Auch in Behörden wird regelmäßig mit Geschäftsgeheimnissen umgegangen, teilwei-

se mit Geschäftsgeheimnissen Dritter sowie auch mit eigenem Know-how, beispielweise bei kommunalen Unternehmen oder von der öffentlichen Hand betriebenen Rechenzentren. Daneben ist der Bereich “Forschung und Entwicklung” ebenfalls von den neuen gesetzlichen Regelungen zum Geschäftsgeheimnisschutz betroffen. Das Gesetz thematisiert auch den rechtmäßigen Erwerb von Geschäftsgeheimnissen. Es ist daher geboten, unter diesem Gesichtspunkt sowohl Einkaufsbedingungen neu zu bewerten als auch die “Muster” für LoI (Letter of Intent) anzupassen. Im Geschäftsgeheimnis-Gesetz wird darüber hinaus festgelegt, welche Handlungen untersagt sind und wie mit dem Spannungsfeld zwischen Geschäftsgeheimnis und Meinungs- und Pressefreiheit umgegangen werden soll. Das Thema “Whistleblowing” ist durch die neuen gesetzlichen Regelungen ebenfalls betroffen. Im Vergaberecht sind die Regelungen ebenfalls zu beachten, wenn beispielsweise durch die Formulierung von Leistungsverzeichnissen Geschäftsgeheimnisse Dritter unerlaubt weitergegeben werden. Gegen einen Rechtsverletzer können auf Basis des Geschäftsgeheimnis-Gesetzes verschiedene Ansprüche geltend gemacht werden. Es kann gerichtlich ein Verwertungs- und Weitergabeverbot durchgesetzt werden. Auch die Vernichtung, Herausgabe oder der Rückruf sowie die Entfernung aus

Zentrum für Informationssicherheit

Informationssicherheit durch Know-how Best-Practice-Seminare Herbst/Winter 2018 EU-Datenschutzgrundverordnung 18. Oktober 2018, Berlin BSI-Grundschutz in der Praxis 23.-24. Oktober 2018, Berlin IT-Sicherheitsrecht: Überblick und praktische Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelungen 8. November 2018, München Beschäftigtendatenschutz nach neuem Datenschutzrecht 13. November 2018, Berlin MANAGEMENT-SEMINARE der Cyber Akademie, 13.-15. November 2018, Bonn • Projektmanagement, 13. November • IT-Service-Management, 14. November • Informationssicherheitsmanagement, 15. November Wenn der Drucker zum Sicherheitsrisiko wird – Security-Praxis in Druck- und Dokumenteninfrastrukturen 15. November 2018, Bonn Das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen 20. November 2018, Berlin IT-Sicherheit und Produktzertifizierung – was ist zu beachten? 28. November 2018, Bonn Datenschutzbeauftragte/r in der öffentlichen Verwaltung 26.-30. November 2018, Berlin IT-Sicherheit und Datenschutz – Neue Schwerpunkte für die IT-Vergabe 6. Dezember 2018, Stuttgart

Weitere Informationen zu diesen und anderen Seminaren unter: www.cyber-akademie.de

Veranstaltungshinweise

LeetCON 2018 in Hannover Der Bereich Informationssicherheit entwickelt sich ständig weiter. Neue Angriffstechniken schaffen neue Sicherheitslücken, die es zu verteidigen gilt. Der Fokus auf Schutz und Compliance wird daher immer unverzichtbarer. Das Ausfindigmachen und Eliminieren von Bedrohungen erfordert zum einen die Kooperation mit Mitbewerbern und Strafverfolgungsbehörden. Doch vor allem müssen Organisationen über Risiken aufgeklärt und über mögliche Schutz- und Abwehrmaßnahmen informiert werden, um im Falle eines Angriffs schnellstmöglich handeln zu können. Und hier kommt die LeetCon ins Spiel! Unter dem diesjährigen Motto “Expedition IT-Security” trifft sich zum dritten Mal die

IT-Securityszene am 7. und 8. November im ExpoWal Hannover. Datenschützer, Netzaktivisten, Hacker und IT-Forensiker haben in der niedersächsischen Landeshauptstadt Gelegenheit, über Fragen der technischen und organisatorischen Informationssicherheit zu diskutieren. Am Rande der Konferenz bietet die Cyber Akademie außerdem drei Seminare zu den Themen DSGVO, Sicherheit in Druck- und Dokumenteninfrastrukturen sowie ein Cyber Defense Simulation Training. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeiten finden Sie unter www.leetcon.de

protekt 2018: sichere Kritische Infrastrukturen Thomas Feil ist Fachanwalt für ITRecht und Dozent der Cyber Akademie. Foto CAk/privat

Vertriebswegen sind zur effektiven Geltendmachung im Gesetz vorgesehen. Eine Auskunft, Schadensersatzansprüche oder Abfindung in Geld lassen sich ebenfalls auf Basis des Gesetzes begründen. Behörden und Unternehmen sollten prüfen, welche rechtlichen Maßnahmen aufgrund des Geschäftsgeheimnis-Gesetzes notwendig sind. Von Bedeutung ist insbesondere auch das Zusammenspiel zwischen den neuen datenschutzrechtlichen Regelungen, bestehenden IT-sicherheitsrechtlichen Vorgaben und dem neuen Geschäftsgeheimnis-Gesetz. Das neue Seminar “Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen” findet am 20.11.2018 in Berlin statt.

Die Konferenz und Fachausstellung protekt, die am 13. und 14. November 2018 in Leipzig zum dritten Mal stattfindet, widmet sich umfassend dem Schutz Kritischer Infrastrukturen. Sie wendet sich als einzige Fachveranstaltung an alle KRITIS-Sektoren und verzahnt IT-Sicherheit und physischen Schutz. In Vorträgen werden sowohl Schwerpunktthemen der beiden Bereiche beleuchtet als auch übergreifende Fragestellungen ausführlich behandelt. Die Vorträge zur IT-Sicherheit beschäftigen sich unter anderem mit dem Spannungsfeld zwischen KRITIS und Cyber Crime und der aktuellen Bedrohungslage. Weitere Themen sind die Nachweiserbringung gemäß §8 a BSIG, die Prüfung gemäß Stand der Technik nach IT-Sicherheitsgesetz, IT-Sicherheit als Voraussetzung für erfolgreiche Digitalisierung und Spannungsfelder zwischen Herstellern und Lieferanten. Zudem erwarten die Teilnehmer Best-Practice-Beispiele aus

der Versicherungswirtschaft und anhand einer Klinik. Einen Blick in die Zukunft bietet der Vortrag zur Anwendung kryptografischer Verfahren bei Kritischen Infrastrukturen. Neben dem hochkarätigen Konferenzprogramm erwartet KRITIS-Betreiber eine Fachausstellung, in der sich zahlreiche Unternehmen mit innovativen Produkten und Lösungen präsentieren. Außerdem haben Teilnehmer die Möglichkeit, sich untereinander, mit der Sicherheitsindustrie, Vertretern des öffentlichen Sektors und aus Wissenschaft und Forschung zu vernetzen.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / September 2018

Paukenschlag an Deutschlands Flughäfen?

KNAPP Verbotszonen werden geprüft

Verantwortung für Passagierkontrollen könnte auf Flughafenbetreiber übergehen

(BS/Marco Feldmann/R. Uwe Proll) An den deutschen Verkehrsflughäfen stehen möglicherweise einschneidende Veränderungen an. Es ist durchaus möglich, dass die privaten Sicher- (BS/mfe) Im saarländischen heitsdienste, deren Mitarbeiter die Fluggäste und deren Handgepäck überprüfen, einen neuen Auftraggeber erhalten. Künftig könnte das nicht mehr die Bundespolizei, sondern der Innenministerium gibt es Überjeweilige Flughafeneigner sein. legungen, dauerhafte WaffenIm aktuellen Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich ein Passus, wonach Luftsicherheitskontrollen zwar eine hoheitliche Aufgabe seien. Allerdings sollten die existierende Organisation sowie Aufgabenwahrnehmung und -verteilung für die Luftsicherheit begutachtet werden. Ziel dieses Prozesses sei die Erarbeitung konzeptioneller Vorschläge, um diese hierzulande einheitlicher und vor allem effizienter zu gestalten. Dieser Prüfauftrag soll auf Intervention der Verkehrspolitiker der Regierungsfraktionen und ohne Zutun der Innenexperten Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben. Das Bundeskabinett muss ihn wohl noch erteilen. Es wird damit gerechnet, dass der Auftrag an den Bundesrechnungshof geht. Im Idealfall könne das Gutachten Ende dieses Jahres vorliegen, ist zu vernehmen. Aus dem Bundesinnenministerium (BMI) heißt es hingegen, dass derzeit im parlamentarischen Raum daran gearbeitet werde, den Begutachtungsauftrag schnellstmöglich umzusetzen. Eine Befassung des Bundeskabinetts sei nicht vorgesehen. Auch wenn das exakte Ergebnis des Prüfprozesses noch nicht vorherzusehen ist, dürfte die Linie des Bundesrechnungshofs klar sein: Seine Mitarbeiter wollen den Bund im Regelfall von nicht zwingend durch ihn zu tragenden Kosten entlasten. Für die Passagier- und Handgepäckkontrollen könnte dies dann tatsächlich einen Verantwortungsübergang von der Bundespolizei hin zu den privatrechtlich organisierten Flughafenbetreibern bedeuten. Diese hätten dann übrigens zwei Optionen. Zum einen könnten sie die Aufträge neu an die bereits tätigen privaten Sicherheitsdienste

Bei einem zentralen Element der Luftsicherheit hierzulande dürfte es in nicht allzu ferner Zukunft zu einem großen Paukenschlag kommen. Die Verantwortung für die Passagier- und Handgepäckkontrollen an den Verkehrsflughäfen könnte von der Bundespolizei zu den jeweiligen Airport-Betreibern wechseln. Das Bundesinnenministerium (BMI) jedenfalls steht den entsprechenden Überlegungen aufgeschlossen gegenüber. Foto: BS/©Countrypixel, stock.adobe.com

übergeben. Zum anderen stünde es ihnen aber auch offen, eigene Tochterunternehmen mit dieser Aufgabe zu betrauen oder neue Gesellschaften dafür zu gründen. Im Terminal eins des Frankfurter Flughafens ist dieses Szenario bereits heute Realität. In Nürnberg hält der Freistaat Bayern 41 Prozent der Anteile an der dort tätigen Firma und am Münchner Flughafen ist das Kontrollunternehmen inzwischen wieder komplett in öffentlichem Besitz.

BMI aufgeschlossen In Zukunft könnte das Frankfurter Modell bundesweit Schule machen. Schließlich steht das BMI, auch wenn der Begutachtung offiziell nicht vorgegriffen werden soll, einer Durchführung der Passagier- und Handgepäckkontrollen in der Verantwortung der Flughafenbetreiber aufgeschlossen gegenüber. Diese Organisationsstruktur habe sich in zahlreichen Staaten der Europäischen Union bewährt. Auch der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, Ralph Beisel, sagt: “Die großen Flughafenstandorte befürworten

eine Verantwortungsübertragung der Luftsicherheitskontrollen im Bereich der Passagier- und Handgepäckkontrollen.” Deren Betreiber seien bereit, Verantwortung von der Bundespolizei zu übernehmen. “Das beinhaltet auch die Auswahl und Steuerung der Dienstleister”, erklärt Beisel. Er schränkt aber ein: “Die Frachtkontrollen sind im Rahmen der sicheren Lieferkette effizient organisiert und in Verantwortung der Fluggesellschaften.” Zudem gelte für alle Flughäfen: “Bei der standortspezifischen Ausgestaltung muss immer beachtet werden, was leistbar und machbar ist.” Aus diesem Grunde könne es auch nicht eine einzige, bundesweite Lösung für alle Flughäfen geben. Dafür unterschieden sich die Pro­ blemstellungen an den einzelnen Standorten viel zu sehr, so der ADV-Hauptgeschäftsführer. Der Präsident des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS), Udo Hansen, sieht die Diskussion relativ entspannt. Er erklärt: “Selbst wenn es diesen Verantwortungsübergang geben sollte, würde sich

am benötigten Kontrollpersonal und dessen Tarifierung nichts ändern. Es würde nur ein Auftraggeberwechsel stattfinden.” Für viel wichtiger hält er etwas anderes: “Wir brauchen in der Luftsicherheit einerseits möglichst viel Standardisierung und Vereinheitlichung sowie andererseits möglichst wenige Schnittstellen.”

Bundespolizei-Fokussierung möglich Ein Verantwortungsübergang auf die Flughafeneigner dürfte laut BMI wohl dazu führen, dass der Bundespolizei mehr Personal für polizeiliche Kernkompetenzen, etwa im Bereich intensiver Fachaufsicht und effektiver Qualitätskontrolle, zur Verfügung stünde. Die Annahme, dass die Behörde nach einem solchen Regimewechsel deutlich weniger Personal an den Flughäfen benötige, erscheine jedenfalls spekulativ, heißt es offiziell aus dem Ministerium. Schließlich sei die Bundespolizei dann immer noch für die Prüfung und Zulassung von Kontrolltechnik, die Festlegung der Anforderungen an

die Ausbildung der Kontrollkräfte sowie deren Beleihung zuständig. Es sind aber auch andere Stimmen zu vernehmen, die von erheblichen, frei werdenden Personalkapazitäten sprechen. Ernst G. Walter, Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, meint dazu: “Für hoheitliche Tätigkeiten wie für die ausschließlich der Terrorabwehr dienenden Luftsicherheitskontrollen gilt die Staatshaftung. Deshalb darf der Staat die Hoheit über das Kontrollpersonal auch nicht an private Flughafenbetreiber abgeben.” Die Bundespolizei habe weiterhin die Fachaufsicht inne und wolle jetzt “nur den schwarzen Peter bei der personellen Besetzung der Kontrollstellen loswerden”. Hierbei sieht er jedoch keinerlei Einsparpotenzial, weil für die Fachaufsicht im Falle eines Paradigmenwechsels sogar noch weitaus mehr Personal der Bundespolizei als bisher benötigt werde. Walter warnt: “Wenn die Flughafenbetreiber eine Alleinzuständigkeit für die Passagier- und Handgepäckkontrollen erhielten, sehe ich die Gefahr, dass aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus Schnelligkeit vor Sicherheit geht und nicht mehr alle Vorfälle an den Kontrollschleusen und im Sicherheitsbereich an die Bundespolizei gemeldet würden.” Die gewinnorientierten Unternehmen hätten dann viel zu große Angst vor eventuellen Terminalsperrungen und den daraus resultierenden finanziellen Schäden. Für viel zielführender hält er die Bildung staatlicher Sicherheitsgesellschaften wie im Freistaat Bayern oder halbstaatlicher Unternehmen unter Beteiligung der Flughafenbetreiber bei der Organisation der Kontrollstellen und der Beschaffung der entsprechenden Technik.

verbotszonen im Bereich der Innenstadt der Landeshauptstadt Saarbrücken einzurichten. Bisher kann nur die Bundespolizei solche Bereiche definieren. Und das auch nur temporär mithilfe einer Allgemeinverfügung, wenn ein erhöhtes Straftatenaufkommen statistisch belegbar ist. Am Hauptbahnhof Saarbrücken hatte sie dies zuletzt getan (mehr zu dem Thema auch auf Seite 48 dieser Ausgabe). Zu der Maßnahme sagte der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU): “Es ist gut und richtig, dass die Bundespolizei im Rahmen ihrer Zuständigkeit Maßnahmen ergreift, um der latenten Gefahr im Bahnreiseverkehr entgegenzuwirken und Sicherheit aller Reisenden sowie des Fahrpersonals zu erhöhen.”

Neuer Partner für Lufttransport (BS/por) Erstmalig wurden deutsche Soldaten im Rahmen des Kontingentwechsels Ende August mit einem gecharterten Flugzeug nach Mali geflogen. Grundlage für diese Kooperation im strategischen Personenlufttransport ist ein erst kürzlich geschlossener, zunächst auf sechs Monate befristeter Rahmenvertrag zwischen der Bundeswehr und der Logistikfirma Kühne + Nagel. Das Unternehmen setzt für die Flüge, die wöchentlich zwischen Köln und Bamako erfolgen sollen, jeweils ein ziviles Flugzeug vom Typ Airbus A340-300 ein. Im Frühjahr hatte die russische Frachtfluggesellschaft Volga-Dnepr bekannt gegeben, ihren Vertrag mit mehreren NATO-Staaten – darunter auch Deutschland – für die Nutzung des Großraumflugzeuges Antonov An-124 zum Jahresende auslaufen zu lassen.

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Veranstaltungsübersicht

POLIZEITAGE 2018

Updates zu Themen und Termin en: www.polize itage.de

9. Oktober 2018 // Berlin: Gewalt gegen Polizisten

5. Dezember 2018 // München: Sicherheitsarchitektur im Föderalismus

Weitere Informationen unter www.polizeitage.de Eine Veranstaltung des Behörden Spiegel und der Gewerkschaft der Polizei (GdP)


Innere Sicherheit

Seite 48

Behörden Spiegel / September 2018

Operatives Geschäft stemmen EU-Staaten

Feststellungen an mehreren Bahnhöfen

Frontex hat nur in Warschauer Zentrale eigenes Personal

Bundespolizei plant weitere temporäre Waffenverbotszonen

(BS/mfe) Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist der Ausbau der europäischen Grenz- und Küsten- (BS/mfe) Die vorübergehenden Waffenverbote an einzelnen Bahnhöfen sowie auf bestimmten Strecken wache Frontex zu einer echten europäischen Grenzschutzpolizei vereinbart. Diese Stärkung scheint auch drin- scheinen Wirkung zu zeigen. So konnten etwa während der zweitägigen Aktion in Köln drei Messer und ein gend nötig zu sein. Denn: Frontex ist nirgendwo unmittelbar am Schutz einer Schengen-Außengrenze beteiligt. Schlagring sichergestellt werden. In Dortmund waren es vier Messer und ein Schlagstock. Auch in Berlin wurden zahlreiche Waffen und andere verbotene Gegenstände beschlagnahmt. Nur in der Warschauer Zentrale sitzen rund 600 Mitarbeiter, die unmittelbar zur Agentur gehören. Deren Zahl soll bis 2021 auf 1.250 steigen. Bis 2027 ist dann eine weitere Aufstockung im Gespräch. In den Einsatzgebieten selbst sind Polizisten aus den einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im Auftrag der Agentur tätig. Hinzu kommen teilweise einige Kräfte aus dem Hauptquartier in der polnischen Hauptstadt. Über Hoheitsrechte verfügen sie in den derzeit drei ständigen und zwei temporären Missionen nicht. Diese stehen ausschließlich den Beamten der jeweiligen EU-Nation an der Außengrenze zu. Das kann durchaus zu Konfliktsituationen aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Bewertungen einzelner Einsatzsituationen führen.

Fokus auf Analysen und Koordination Der Tätigkeitsschwerpunkt von Frontex liegt eindeutig in der Koordination von Einsätzen zur Grenzsicherung sowie auf der Anfertigung von Auswertungen zum Migrationsgeschehen und Risikoanalysen. Hinzu kommen unter

In den konkreten Missionen (Foto) ist die europäische Grenz- und Küstenwache Frontex auf die Unterstützung der EU-Staaten angewiesen. Foto: BS/Frontex

anderem die Förderung des Informationsaustauschs zwischen den nationalen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), die Harmonisierung von Grenzkontrollen sowie die Entwicklung gemeinsamer Ausbildungsstandards. Dafür hat die Einrichtung in diesem Jahr rund 320 Millionen Euro zur Verfügung. Des Weiteren koordinieren die Frontex-Mitarbeiter die Entsendung von Polizisten und Ausrüstung an EU-Außengrenzen, an denen zusätzliche Ressourcen benötigt werden. Dazu gehören

laut Agentur derzeit unter anderem die griechisch-türkische, die griechisch-albanische sowie die ungarisch-serbische Grenze. Frontex kann auch nationale Kräfte entsenden, die als eine Art schnelle Eingreiftruppe fungieren. Dafür existiere ein Pool aus durchschnittlich rund 1.500 Grenzschutzbeamten, heißt es aus Warschau. Aber auch hier gilt wieder: Ohne den guten Willen der Regierungen der Mitgliedsstaaten geht es nicht. Zu dieser Abhängigkeit vom politischen Willen gab es bisher keinen Kommentar von Frontex.

Aufgrund dieser Erfolge will die Bundespolizei in NordrheinWestfalen die Aktionen fortsetzen, unter anderem am Düsseldorfer Hauptbahnhof. Auch Essen sei eine Option, hieß es aus der zuständigen Direktion in Sankt Augustin. Zudem gebe es Überlegungen, die Verbote, die per Allgemeinverfügung bekanntgemacht werden und vor allem der Sensibilisierung der Bevölkerung dienen sollen, an Großveranstaltungen anzuknüpfen. Dauerhaft sind die Maßnahmen ohnehin nicht möglich. Zum einen bereits aus rechtlichen Gründen. “Verbotszonen sind nur zulässig, wenn ein erhöhtes Tataufkommen an einem Bahnhof und dessen Umfeld statistisch belegt werden kann”, erklärt Jörg Radek, Vorsitzender des Bezirks Bundespolizei in der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Mit anderen Worten: Nur an Kriminalitätsschwerpunkten sind solche Verbote statthaft. Zum anderen weist Radek auf den erforderlichen erhöhten Kräfteansatz hin. “Derartige Maßnahmen sind sehr personalintensiv. Mit der normalen Dienststärke

einer Direktion ist das nicht zu schaffen. Da braucht es Unterstützung durch Kräfte der Bundesbereitschaftspolizei”, so der Gewerkschafter. Diese Tatsache wird in Sankt Augustin bestätigt. Sowohl in Köln als auch in Dortmund seien jeweils 40 zusätzliche Beamte im Einsatz gewesen. Einen großen Vorteil haben die Waffenverbotszonen jedoch zweifelsohne. In ihnen dürfen nach einem risikobasierten Ansatz verdachtsunabhängige Kontrollen stattfinden.

Kompetenz in Hessen übertragen Derweil haben in Hessen künftig die Landräte sowie die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte das Recht, in Zusammenarbeit mit der Polizei Waffenverbotszonen an bestimmten Örtlichkeiten zu erklären. Diese Befugnis, die zuvor bei seinem Hause lag, hat Innenminister Peter Beuth (CDU) übertragen. Er sagte zu der Neuerung: “Ich bin überzeugt, dass wir mit dem Verbot von Waffen an bestimmten öffentlichen Plätzen in Hessen für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum sorgen.” Die

Entscheidung, wo genau Verbotszonen eingerichtet werden, überlasse man den Kommunen. Diese wüssten über lokale Brennpunkte am besten Bescheid und würden diesbezüglich auch von der Landespolizei beraten.

Mitführen von Pistolen und Luftgewehren untersagt Das Verbot erstreckt sich auf Schusswaffen, also etwa (Schreckschuss-)Pistolen und Luftgewehre, sowie ihnen gleichgestellte Gegenstände. Dazu gehören etwa Armbrüste. Ebenfalls untersagt sind Hieb- und Stichwaffen. Zu ihnen zählen etwa Äxte, Schwerter oder Dolche. Das Verbot umfasst auch Spring-, Fall- und Butterflymesser sowie Messer mit einer feststehenden Klinge von mehr als zwölf Zentimetern Länge. Der Wiesbadener Ressortchef unterstrich: “Waffenverbotszonen sind ein weiteres nützliches Instrument im Werkzeugkoffer der Ordnungs- und Sicherheitsbehörden.” Es sei von großer Bedeutung, dass die kommunalen Verantwortlichen die Einhaltung auch tatsächlich durchsetzten.

Haushaltsentwürfe vorgelegt

Mehr Abfragen und SMS

Mittel für Innenministerien von Bund und Sachsen wachsen an

Datenschützer warnen vor zu starker Nutzung

(BS/mfe) Der Bund soll im kommenden Jahr 356,8 Milliarden Euro ausgeben können. Das sind 13,2 Milliarden Euro mehr (+3,8 Prozent) als das (BS/stb) Polizei- und Verfassungsschutzbehörden setzen immer häufiSoll für 2018. Von den Einnahmen in gleicher Höhe sollen 333 Milliarden Euro auf Steuern entfallen, 11,7 Milliarden Euro mehr als in diesem Jahr. ger elektronische Ermittlungsmethoden ein. So haben laut BundesregieEine Neuverschuldung ist nicht geplant. rung Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei im ersten Halbjahr 2018 über 80 Funkzellenabfragen vorgenommen. Vor vier Jahren waren umfangreiche Investitionen in rund 100 Millionen Euro für Aus- es noch weniger als 50. Dies sieht der Regierungsent-

wurf für den Bundeshaushalt 2019 vor (Bundestagsdrucksache 19/3400). Die Ausgaben für Investitionen sinken 2019 laut Haushaltsentwurf von 39,8 auf 37,9 Milliarden Euro (-4,78 Prozent). Die Personalausgaben des Bundes sollen um 1,26 Milliarden Euro (+3,76 Prozent) auf 34,65 Milliarden Euro steigen, die sächlichen Verwaltungsausgaben um 0,94 Milliarden Euro (+5,99 Prozent) auf 16,6 Milliarden Euro. Die größte Etatsteigerung in absoluten Summen sieht der Entwurf für den Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor, der um 5,03 Milliarden Euro (+3,6 Prozent) auf 144,21 Milliarden Euro wachsen soll. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) soll 15,06 Milliarden Euro ausgeben können, 6,58 Prozent mehr als 2018 (+0,93 Milliarden Euro). In Sachsen soll das Innenministerium derweil in den kom-

die Innere Sicherheit, die Feuerwehr, den Städtebau und die Wohnraumförderung, die Sportförderung und in die Denkmalpflege.” Außerdem soll es eine Ausbildungsoffensive geben.

Präsenz verstärken

Sowohl auf der Bundesebene als auch im Freistaat Sachsen erhalten die Innenministerien in den kommenden Jahren mehr Geld. Foto: BS/I-vista, pixelio.de

menden beiden Jahren rund 4,8 Milliarden erhalten. Ressortchef Prof. Dr. Roland Wöller (CDU) sagte zu den Planungen: “Damit die Menschen im Freistaat sicher und besser leben können, plant die sächsische Staatsregierung im kommenden Doppelhaushalt

NRW investiert Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung investiert erhebliche finanzielle Mittel in die Ausstattung der Polizei. So werden in den nächsten drei Jahren vier neue Boote im Wert von fünf Millionen Euro für die Wasserschutzpolizei angeschafft. Innenminister Herbert Reul (ebenfalls CDU) sagte dazu: “Wir modernisieren die Flotte der Wasserschutzpolizei weiter. Die künftigen Einsatzboote verfügen über neueste Technik und werden die Schlagkraft der Wasserschutzpolizei in Nordrhein-Westfalen verbessern.” Derzeit verfügen die rund 275 Beschäftigten der Wasserschutzpolizei über eine Flotte von 24 Booten. Damit bestreifen sie rund 900 Kilometer Wasserstraßen.

Bei der Funkzellenabfrage wird eine Liste aller Mobilfunkgeräte abgefragt, die in der Nähe eines Tatorts aktiv waren. Auch die Zahl der stillen SMS hat laut Bundesregierung zugenommen. In der ersten Hälfte des Jahres hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Methode zur unbemerkten Ortung von Handys von Verdächtigen über 100.000 Mal genutzt. Vor vier Jahren waren es halb so viele Fälle. Auch BKA und Bundespolizei nutzten die unsichtbaren SMS zur Ermittlung – zusammen etwa 70.000 Mal in der ersten Jahreshälfte.

Zahlreiche Daten gespeichert Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff warnt vor den Folgen eines zunehmenden Rückgriffs auf elektronische Überwachungsmethoden. Zwar stehe einem Einsatz gegen Or-

ganisierte Kriminalität (OK) grundsätzlich nichts entgegen, allerdings würden bei Funkzellenabfragen auch massenhaft Daten über unbescholtene Bürger gespeichert. “Gerade heimliche Ermittlungen haben ein hohes Risiko”, mahnt Voßhoff. “Denn wenn die Betroffenen nichts von ihrer Überwachung erfahren, können sie kein Gericht anrufen.” Auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte Prof. Johannes Caspar sieht den Trend zu mehr digitaler Überwachung kritisch: “Unter dem Aspekt des Schutzes von digitalen Grundrechten und Bürgerrechten ist diese Entwicklung bedrohlich.” Berücksichtigt werden muss aber auch, dass Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) noch keine verschlüsselte Kommunikation auslesen können.

Eine Laterne spendet Schutz

S

chneider Intercom hat gemeinsam mit seinem Projektpartner Vossloh-Schwabe (Panasonic) sowie dem renommierten Laternenhersteller Selux aus Berlin eine smarte Licht- und Safety-Lösung für Stadtgebiete entwickelt. Konkret geht es um eine Laterne, die nicht nur Straßen, Gehwege und Bürgersteige ausleuchtet, sondern auch ohne aufwendige Modernisierung zusätzlich Videokameras, Notruf-Technik und Energie-Lademodule beinhalten kann. Möglich macht dies eine revolutionäre neue Technologie aus dem Hause Panasonic, die keine zusätzliche Datenverkabelung benötigt, sondern mit einem simplen 230-Volt-Anschluss auskommt. Eingesetzt wird die sogenannte “High Definition Powerline Communication” (HD-PLC). Sie kombiniert Breitbandkommunikation mit einer innovativen Multi-Hop-Technologie, um

Konkret vorgesehen sei eine klare Verstärkung der polizeilichen Präsenz im öffentlichen Raum. Des Weiteren soll der bereits beschlossene Aufwuchs um 1.000 zusätzliche Polizeivollzugsbeamte deutlich schneller als ursprünglich geplant realisiert werden. Und: Die Landesregierung werde in eine verbesserte Ausstattung der Polizei investieren. Dafür sind im Regierungsentwurf insgesamt 67 Millionen Euro vorgesehen. Für Investitionen in Polizeibauten sind es 104 Millionen Euro für zwei Jahre. Auch die Mittel für die Feuerwehren und Katastrophenschutzeinheiten werden aufgestockt. Sie sollen

rüstung, Pauschalen sowie die Förderung von Führerscheinen bekommen.

Sicherheitsgefühl der Bevölkerung kann verbessert werden (BS/Michael Schenkelberg*) Smart Cities sind in aller Munde. Doch um Innerstädte wirklich intelligent und “smart” machen zu können, müsste die Kabel-Infrastruktur grundlegend modernisiert werden. Ein immenser Aufwand, der zudem mit extrem hohen Kosten verbunden ist – zumindest bislang. Denn der Kommunikations- und Sicherheitsspezialist Schneider Intercom hat gemeinsam mit zwei Projektpartnern eine innovative Lösung entwickelt, die zum einen Geld spart und zum anderen dem Bedürfnis der Bürger nach mehr Sicherheit Rechnung trägt. Übertragungsgeschwindigkeiten im Megabit-Bereich über Kabel mit mehreren Kilometern Länge zu erreichen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, alle bereits bestehenden Laternen und Stelen eines Stadtgebiets trotz herkömmlicher Verkabelung “smart” aufzurüsten.

Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten vorhanden Daraus ergeben sich zahlreiche Chancen für Anwendungen aller Art: Da wären zum einen Notrufeinrichtungen, Lautsprecher für Durchsagen, WLAN-AccessPoints oder auch Videosysteme. Zum anderen könnten Wetterda-

tensensoren zur Aufnahme und Weiterleitung von Umweltdaten oder Lade-Lösungen integriert werden. Letztere könnten zum Beispiel im Rahmen von E-Mobility-Konzepten zum Aufladen von E-Bikes aufgeladen werden. Natürlich müssen nicht alle Features auf einmal umgesetzt werden.

Modularer Aufbau möglich Der Ausbau jeder einzelnen Laterne ist modular, die einzelnen Bausteine lassen sich beliebig kombinieren. Der Einsatz orientiert sich im Idealfall an den Gegebenheiten beziehungsweise den Risiken jedes

einzelnen Standorts und an den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Kommunen und Städte. Dank der Entwicklung von Schneider Intercom, Vossloh-Schwabe und Selux ist der Einsatz von Sicherheitstechnik nun an Stellen denkbar, die von der örtlichen Polizei beispielsweise als Kriminalitäts- oder Gefahrenschwerpunkte benannt werden. Vor diesem Hintergrund können die Laternen effektiv dabei helfen, einen Stadtteil oder einen Straßenzug smarter und sicherer zu machen. Gleichzeitig kann die Beleuchtung intelligent wetter-, verkehrs- oder ereignisabhängig gesteuert werden,

was nicht zuletzt Strom und Energie spart. Die Technischen Betriebe in Solingen wenden die Technik bereits in der Praxis an und steuern ihre Straßenbeleuchtung in Abhängigkeit von Wetter- und Verkehrsdaten. In Solingen kommt zudem ein Laternen-Model mit integriertem Notruf und Video zum Einsatz. Vorgestellt wird die smarte Innovation unter anderem auf der Fachmesse Security in Essen auf dem Stand von Schneider Intercom. *Michael Schenkelberg ist Vertriebsleiter bei der Schneider Intercom GmbH.

Alles Gute kommt von oben: Die neue Licht- und Safety-Lösung von Schneider Intercom und Selux schafft viele Mehrwerte.

Foto: BS/Schneider Intercom GmbH


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / September 2018

B

ehörden Spiegel: Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hat derzeit keinen Bundesvorsitzenden. Wie sieht der Zeitplan für eine Neubesetzung der Position aus?

Fiedler: Wir handeln im Einklang mit unserer Satzung. Der geschäftsführende Bundesvorstand hat mir nach der Vakanz den Verantwortungsbereich des Bundesvorsitzenden übertragen. Wir brauchen allerdings nun zeitnah auch formal einen neuen Bundesvorsitzenden, um auch rechtssicher interne Beschlüsse fassen zu können. Bei der nächsten Bundesvorstandssitzung, die Ende des Monats stattfindet, wird zunächst eine kommissarische Wahl stattfinden. Eine ordentliche Wahl soll es dann Mitte November auf unserem außerordentlichen Bundesdelegiertentag geben. Ich werde für das Amt kandidieren. Behörden Spiegel: Gibt es weitere Kandidaten? Fiedler: Bisher ist das nicht bekannt. Selbstverständlich ist es aber natürlich möglich. Wir sind ja schließlich eine demokratische Organisation. Behörden Spiegel: Werden BDK-Vorsitzende in NordrheinWestfalen freigestellt? Fiedler: Es gibt eine Urlaubsverordnung, die unter anderem Sonderurlaub ohne Bezüge ermöglicht. Demnach können Gewerkschaftsvorsitzende für bis zu 100 Prozent ihrer eigentlichen Arbeitszeit unbezahlten Sonderurlaub nehmen. Ich mache zu 50 Prozent, meine beiden Kollegen der anderen Polizeigewerkschaften zu 100 Prozent davon Gebrauch. Behörden Spiegel: Wird der BDK auf Landesebene benachteiligt?

H

inzu kommen Erkenntnisse von den dem DaeshGeheimdienstchef entwendeten PC-Sticks mit vielen Daten der FTF und Informationen aus den Papieren, die bei der Rückeroberung vor allem in Mossul gefunden wurden. Ergänzt werden die Erkenntnisse wohl auch durch Ermittlungen und Aussagen einiger weniger, desillusioniert zurückgekehrter FTF. Zu Zeiten der Anfänge des Daesh standen internationale Bemühungen zur Unterbindung der Finanzierung und Hinreise in das Terrorreich des Kalifen im Vordergrund der Anti-Terror-Aktionen. Das Rückkehrer-Problem ist spätestens im Dezember 2016 mit dem Bericht des EU-Koordinators für Terrorismusbekämpfung in den politischen Fokus gerückt. Gleiches gilt für die Erkenntnis, dass Prävention und “Nachsorge” anfänglich weitgehend ver-

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Gemischter Personalkörper erforderlich Künftige Kriminalpolizei muss sich aus verschiedenen Gruppen zusammensetzen (BS) Sebastian Fiedler tritt für den vakanten Posten des Bundesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) an. Im Interview mit dem Behörden Spiegel spricht er über das weitere Procedere bis zur Wahl, die Erforderlichkeit einer speziellen kriminalpolizeilichen Ausbildung und die Kriminalpolizei der Zukunft. Die Fragen stellte R. Uwe Proll. Fiedler: Im Bereich des Personalvertretungsrechts in Nordrhein-Westfalen eindeutig ja, über die Maßen sogar. Wir erhalten bei Personalratswahlen seit Urzeiten über 90 Prozent der Stimmen aus der Kriminalpolizei. Von 122 Freistellungen in den örtlichen Personalräten verfügen wir jedoch lediglich über eine, im Polizeihauptpersonalrat über keine Freistellung. Der Grund für diese demokratische Benachteiligung der Kripos: Leider kennt Nordrhein-Westfalen im Personalvertretungsrecht keinen Minderheitenschutz. Behörden Spiegel: Sollten Gewerkschaften ihre Funktionäre komplett selbst bezahlen? Fiedler: Rechtlich wäre das in jedem Land problemlos möglich. Es ist aber immer die Frage, ob die jeweilige Gewerkschaft sich das finanziell leisten kann. Im Rahmen personalrechtlicher Freistellungen sind übrigens in der Dienstzeit zunächst einmal keine gewerkschaftlichen Tätigkeiten gestattet. Es gehört aber zu den offenen Geheimnissen, dass solche Aktivitäten in den meisten Bundesländern stillschweigend dennoch geduldet werden. Die Regelungen sind jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Rechtlich sauber hat es lediglich Hessen geregelt. Dort können per Gesetz gewerkschaftliche Tätigkeiten Freistellungen ausgesprochen werden. Eine solche Regelung fordern wir überall ein. Schließlich setzen sich die Polizeige-

werkschaften nicht nur für die Interessen der Beschäftigten, sondern auch nachhaltig für eine bessere und funktionierende Kriminalitätsbekämpfung und -prävention ein. Wir engagieren uns im Interesse der Bevölkerung und dienen dem Allgemeinwohl. Das unterscheidet uns etwa von Industriegewerkschaften. Behörden Spiegel: Ist eine spezielle Ausbildung für die Kriminalpolizei erforderlich? Fiedler: Ja, auf jeden Fall. Nur so können wir mehr Bewerber für den Beruf des Kriminalpolizisten interessieren und im Kampf um die besten Köpfe bestehen. Außerdem könnten dann die Kapazitäten in der Ausbildung und die allgemeinen Einstellungszahlen erhöht werden. Allerdings wird die entsprechende Debatte leider zu oft ideologisch geführt. Behörden Spiegel: Inwiefern? Fiedler: Die weit verbreitete Ideologie ist leider, dass alle Anwärter gleich ausgebildet wer-

gen und zielt auf Einheitspolizisten “Leider kennt Nordrhein- ab. Das ist alles okay. Vorwerfbar Westfalen im Personalist lediglich die vertretungsrecht keinen Dominanz der fiMinderheitenschutz.” nanziellen Gewerkschaftsinteressen über dringende Will Bundesvorsitzender des Bundes Veränderung. Die Deutscher Kriminalbeamter (BDK) werden: Sebastian Fiedler. Qualifikation unserer Kolleginnen Foto: BS/BDK e. V. und Kollegen wird in der Zukunft eine unserer größten den müssen, um sie flexibel auf Achillesfersen sein. unterschiedliche Dienststellen Behörden Spiegel: Wie sollte verteilen zu können. Dahinter steckt das Bild des alleskön- die Kriminalpolizei der Zukunft nenden Generalistenpolizisten, aussehen? der sich ja einfach fortbilden Fiedler: Personell sollte sie sich kann, wenn er eine neue Funktion erhält. Vom Streifenwagen aus vier Gruppen zusammenin die Mordkommission – keine setzen: Wir brauchen sowohl Übertreibung, sondern Realität. eigens ausgebildete KriminalpoliEin geschätzter Landeskrimi- zisten, die aus einem spezialisiernaldirektor hat mal formuliert, ten Studiengang hervorgehen. ein Kriminalbeamter müsse nicht Schutzpolizisten, die zur Kripo zwingend das evolutionäre Pro- wechseln und eine entsprechendukt eines Streifenbeamten sein. de Zusatzqualifikation erhalten, Er hat Recht. Außerdem steht ein benötigen wir dennoch weiterhin. dominierendes Interesse einer Ohne Quereinsteiger, die schon anderen Polizeigewerkschaft der über Vorqualifikationen verfügen Idee der Spezialisten im Wege. Sie und über Sonderlaufbahnen oder hat sich durch eine wirtschaftlich eine verkürzte Studiendauer in ausgeklügelte Anwerbemaschi- den Polizeidienst einsteigen, wird nerie auf die Berufseinsteiger es künftig nicht mehr gehen. eingeschossen. Und nicht zuletzt benötigen wir selbstverständlich TarifbeschäfBehörden Spiegel: Was ist da- tigte. Von der Bürokraft bis zur ran kritikwürdig? Wissenschaftlerin werden auch aus diesem Bereich Kolleginnen Fiedler: Ich muss anerkennen, und Kollegen gebraucht. Gefordass das System finanziell äu- dert ist also eine gute und gerne ßerst erfolgreich funktioniert. gemischte Zusammensetzung Es ist innerhalb einer Konzern- des Personalkörpers. Behörden Spiegel: Wie bewerstruktur professionell aufgezo-

Die “Rückkehrer 2.0” Ehemalige Foreign Terrorist Fighters überfordern Sicherheitsbehörden (BS/Uwe Kranz) Weltweit legen kriminalistische und andere wissenschaftliche Experten den Schwerpunkt ihrer Forschungen, Analysen und Veröffentlichungen auf die Rückkehrer aus dem “syrakischen” Reich des Daesh, die als Foreign Terrorist Fighters (FTF) bekannt wurden. Jedes betroffene Land kennt im Wesentlichen “seine Pappenheimer”. Dies vor allem dank der pedantischen, Stasi-ähnlichen Registrierung jedes FTF durch die Grenz- und Geheimdienste des Daesh.

Serie TERRORZIELE (TEIL 25)

Kommunikation für Syrien ins Leben gerufen (Syria Strategic Communications Advisory Team, SSCAT). Eine Vielzahl verschiedener Programme, Projekte und Organisationen sollte helfen, die Prävention zu intensivieren und die Radikalisierung einzudämmen. Das Ergebnis der Evaluierung ist jedoch mehr als enttäuschend. Am anderen Ende des Problemstranges sieht es noch schlimmer aus: Rückholaktionen der noch in Syrien oder dem Der Terrorexperte des Behörden Spiegel, Uwe Irak inhaftierten Kranz, warnt vor den GefahFTF sind kompliren, die von radikalisierten ziert, laufen nur Rückkehrern ausgehen. schleppend und werden zumeist Foto: BS/Dombrowsky nur von wenigen Nationen betrieben. Einige Staanachlässigt wurden und dass ten fädelten sogar den Austausch mit verschärfter Repression eher Gefangener ein und nehmen dadie “Symptome”, nicht aber die bei das Risiko in Kauf, dass die eigentliche “Krankheit” adres- Dschihadisten den bewaffneten siert wurden. Alle betroffenen Kampf weiterführen oder sogar in Nationen entwickelten in der tödlicher Mission in ihr HeimatFolge mehr oder (meist) weni- land zurückkehren dürfen. Manger abgestimmte Strategien zur che Staaten entziehen ihren FTF Radikalisierungsprävention, zur rigoros die Staatsbürgerschaft Problematik der Rückkehrer oder oder plädieren sogar öffentlich für Aussteiger. Die Europäische dafür, dass jeder FTF im “syrakiUnion (EU) hat dafür eigens ein schen” Reich eher sterben sollte, Beratungsteam für strategische bevor er nach Hause zurückkeh-

ren kann. Diese Linie verfolgen unter anderem Kanada und die USA. Das Vereinigte Königreich soll angeblich sogar über eine eigene “kill list” verfügen. Vor diesem Hintergrund der Gesamtproblematik erwächst ein zweites Rückkehrer- und Re-Integrationsproblem: das der nationalen Haftentlassenen. Studiert man die offenen Quellen aus den Jahren nach 2001 stellt man schnell fest, dass die allermeisten der in dieser Zeit wegen terroristischer Straftaten Inhaftierten inzwischen wieder auf freiem Fuß sind oder ihre Entlassung in Kürze erwarten dürfen. Gefängnisse sind Brutstätten des islamistischen Terrorismus. Das wurde spätestens mit den Attentaten in Paris, Brüssel, Toulouse, London, Kopenhagen und vielen anderen Städten überdeutlich. Die Täter hatten alle eine kriminelle Karriere hinter sich, wurden in den Gefängnissen radikalisiert und knüpften dort ihre Netzwerke. Im Vereinigten Königreich wurden zwischen 2007 und 2016 insgesamt 193 Personen wegen terroristischer Delikte verurteilt – bis zu 80 Strafgefangene werden bis Ende dieses Jahres wieder in die Freiheit entlassen. Auch Anjem Choudary wird noch in diesem Jahr wieder freigelassen und muss damit nur die Hälfte seiner fünfeinhalbjährigen Freiheitsstrafe verbüßen. Er gründete 2008 die Bewegung Islam4UK, Nachfolgerin der Gruppierung AlMuhajiroun (“Die Emigranten”).

Sie diente als Blaupause für viele andere Gruppen islamistischer Fanatiker, Extremisten und Terroristen, die in der Folge überall in Europa gegründet wurden. In Frankreich werden bis Jahresende über 20 islamistische Terroristen ihre Strafen verbüßt

haben und wieder freigelassen. Weitere 20 folgen bis 2019. Sie sind “tickende Zeitbomben”. Zusätzlich werden 1.200 sonstige Gefangene von den französischen Behörden als inzwischen “islamistisch radikalisiert” eingestuft. In Deutschland werden islamisti-

ten Sie den Wechsel der “Financial Intelligence Unit” zur Generalzolldirektion? Fiedler: Diesen Schritt habe ich schon vor der Umsetzung kritisiert und im Finanzausschuss des Bundestages vor einer Sicherheitslücke gewarnt. Nun ist die Lücke groß wie Scheunentore. Die Geldwäschebekämpfung ist seit über einem Jahr in diesem Bereich fast komplett vor die Wand gefahren worden. Eine fünfstellige Anzahl unbearbeiteter Verdachtsmeldungen liegt bei der FIU, zahlreiche Bearbeitungspannen sind zu beklagen. Fälle mit Verdacht auf Terrorismusfinanzierung sind Monate zu spät weitergegeben worden und Summen im Millionenbereich sind uns durch die Lappen gegangen. Zeitgleich wird öffentlich gelogen, dass sich die Balken biegen. Ein einmaliger Vorgang, bislang ohne politische Konsequenzen. Olaf Scholz muss da dringend ran. Anderenfalls sehe ich den nächsten Untersuchungsausschuss auf uns zukommen. Behörden Spiegel: Was muss besser werden? Fiedler: Eines der Probleme ist, dass im Bundesfinanzministerium allgemein das Verständnis dafür fehlt, dass man auch Dienstherr von Einheiten mit polizeilichen Befugnissen ist und diese auch entsprechend aufstellen muss. Der polizeiliche Bereich des Zolls muss unbedingt in klaren Führungslinien neu organisiert und das Zollkriminalamt aus der Generalzolldirektion herausgelöst werden. Es muss eine eigenständige Bundesoberbehörde werden und auf Augenhöhe mit dem Bundeskriminalamt agieren. Das gesamte Interview lesen Sie auf www.behoerdenspiegel.de; Suchbegriff: Fiedler.

sche Gefährder und Drogendealer schon aus der Untersuchungshaft entlassen, wenn diese dem Gericht als zu lang erscheint. Die praktischen Probleme, die für das Vereinigte Königreich und Frankreich beschrieben sind, stehen auch hierzulande im Vordergrund. Die Überwachung der fast 800 islamistischen Gefährder überfordert die Sicherheitsbehörden. Ganz gleich unter welchem Namen der extremistische und politische Islam agiert: Die Saat des Hasses auf Andersgläubige, namentlich Juden und Christen, scheint immer mehr aufzugehen.


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

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Behörden vor neuen Herausforderungen

Behörden Spiegel / September 2018

Erste satellitenangebundene mobile Basisstationen übergeben

Soziale Medien bieten Extremisten zahlreiche Möglichkeiten (BS/mfe) Terroristen und Extremisten nutzen Soziale Medien und Netzwerke immer stärker für ihre Zwecke. Der digitale Raum wird für Propaganda und die Rekrutierung neuer Anhänger genutzt. Darauf müssen die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) angemessen und zeitnah reagieren. Das ist aber gar nicht so einfach. Denn in Internetforen mischten sich immer öfter die Stimmen von Radikalen und Nicht-Extremisten, erläuterte der Referatsleiter für Rechtsextremismus und Prävention im niedersächsischen Verfassungsschutz, Wolfgang Freter. Extremisten hätten dadurch die Möglichkeit, Meinungsbildungsprozesse gezielt zu beeinflussen. Zudem sei ein Trend hin zur Bewegung und zu temporären Aktionsbündnissen anstelle starrer Organisationsstrukturen unübersehbar. Dies stelle hohe Anforderungen an die BOS, so die Leiterin des Hannoveraner Verfassungsschutzes, Maren Brandenburger. Sie unterstrich: “Damit der niedersächsische Verfassungsschutz seinem gesetzlichen Auftrag als Frühwarnsystem für die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährden-

Warnte vor den Gefahren der sogenannten Neuen Medien: Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (hier auf dem Europäischen Polizeikongress des Behörden Spiegel). Foto: BS/Dombrowsky

de Entwicklung gerecht werden kann, muss er bereits einen genauen Blick auf die Zwischenund Graubereiche der extremistischen Szenen werfen.” Um hier in Zukunft noch effektiver sein zu können, werde entsprechend geschultes, zusätzliches Personal gesucht. Auch werde die Technik der Behörde kontinuierlich weiterentwickelt und an die veränderte Lage angepasst, erläuterte Brandenburger.

Verschwörungstheorien erleben Renaissance Schließlich erhöhten die sogenannten Neuen Medien den Zugang und die Verbreitungsgeschwindigkeit von Informationen deutlich, ergänzte Prof. Dr. Michael Butter von der Universität Tübingen. Dadurch käme es zu einer Renaissance von Verschwörungstheorien. Diese seien früher zwar populärer und einflussreicher gewesen. Das Internet habe jedoch ihre Sichtbarkeit und Verfügbarkeit gesteigert, so der Wissenschaftler. Inzwischen seien sie integraler Bestandteil populistischer Bewegungen, warnte Butter. Er könne es nicht mehr ausschließen, dass sich der rechtsextremistische und der rechtspopulistische Protest weiter annäherten, ergänzte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD). Schließlich würden sich diese Strömungen immer stärker vermischen. Dabei spielten die Neuen Medien eine zen­ trale Rolle. “Hier können men-

schen- und demokratiefeindliche Inhalte mehr oder weniger unkontrolliert und vor allem ungehemmt verbreitet werden.” Die Grenzen des Sagbaren würden dort immer stärker abgesenkt und über- beziehungsweise unterschritten, so der Ressortchef.

Betreiber in der Pflicht Als Gesellschaft gelte es, sich dieser Entwicklung vehement und entschlossen entgegenzustellen. Zugleich müssten extreme Hassbotschaften und Hetze strafrechtlich verfolgt werden. “Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.” Auch die Betreiber Sozialer Medien seien noch stärker als bisher gefordert, Kommentare und Posts, in denen beleidigt, gedroht oder Hass verbreitet werde, zu löschen oder an die Sicherheitsbehörden weiterzuleiten. Dies gelte insbesondere für salafistische und dschihadistische Einträge. Denn: Anhänger dieser Szenen würden das Internet und die Sozialen Netzwerke für Propaganda und Missionierungen nutzen, warnte Pistorius. Der Sozialdemokrat forderte: “Wir müssen uns deshalb immer wieder intensiv mit diesen Neuen Medien auseinandersetzen, um auch in Zukunft den verschiedenen Formen des Extremismus weiter effektiv begegnen zu können und entsprechende Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.” Dies gelte sowohl für die analoge als auch für die digitale Welt.

Kaum spezielle Ausstattung in Deutschland Feuerwehrleute müssen Waldbrände mit herkömmlichen Mitteln bekämpfen (BS/mfe) In Deutschland existiert bei den Feuerwehren kaum besonderes Equipment für Einsätze bei Waldbränden. Auch leichtere Schutzkleidung für derartige Szenarien ist hierzulande nicht Usus. In südeuropäischen Ländern wie Portugal oder Griechenland hingegen schon. Auch Pionierpanzer, die zur Brandbekämpfung auf munitionsbelasteten Flächen genutzt werden können, sind in der Bundesrepublik kaum vorhanden. Und wenn es sie gibt, befinden sie sich nicht im Bestand der öffentlichen Hand. In Nordrhein-Westfalen existierten immerhin geländefähige Tanklöschfahrzeuge und zentral vom Land vorgehaltene Löschwasserreservoirs für Hubschrauber, berichtet der Landesgeschäftsführer des Verbandes der Feuerwehren in NordrheinWestfalen, Christoph Schöneborn. In Niedersachsen gibt es sogar einen Feuerwehr-Flugdienst (FFD). Diese bundesweit einmalige Einheit untersteht dem Landesfeuerwehrverband. Haupt­auf­gaben der ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter des FFD sind die Führung beziehungsweise die Einsatzunterstützung für am Boden eingesetzte Ka-

meraden aus der Luft sowie die Erkundung großflächiger Schadenslagen, wie etwa Waldbrände. Stationiert sind die beiden Cessna-Maschinen der Einheit, die bereits 1963 gegründet wurde, in Lüneburg und Hildesheim. Neben den Ehrenamtlichen sind auch Mitarbeiter der Forstverwaltung an Bord der Flugzeuge. Sie fungieren als Luftbeobachter. Seine Einsatzaufträge erhält der FFD, der sich insbesondere aus Angehörigen Freiwilliger Feuerwehren zusammensetzt, von den jeweils zuständigen Polizeidirektionen in Niedersachsen.

Nicht nur unter der Woche aktiv Voraussetzung für ein Engagement im FFD, der derzeit rund 80 Personen umfasst und aus Landesmitteln finanziert wird, ist die Mitgliedschaft in der Ein-

Deutsche Feuerwehrleute können nur sehr selten auf spezielle Ausrüstung zur Bekämpfung von Waldbränden (Foto) zurückgreifen. Eine Ausnahme bildet Niedersachsen. Hier existiert ein Feuerwehr-Flugdienst. Seine Mitglieder können frühzeitig vor Feuern in den Baumbeständen warnen. Foto: BS/Harry Hautumm, pixelio.de

satzabteilung einer Feuerwehr. Luftbeobachter der Feuerwehr müssen zudem über die Qualifikation zum Zugführer verfügen. In der Luft unterwegs sind die Flugzeuge und ihre Besatzungen vor allem zwischen März und Oktober. Haupteinsatzzeit ist dabei die Spanne zwischen zehn und 18 Uhr. Gegebenenfalls sind auch Alarmierungen an Wochenenden und Feiertagen möglich. In Brandenburg gibt es ein modernes, kameragestütztes Waldbrandüberwachungssystem.

MELDUNG

Gute Daten notwendig (BS/mfe) Wollen die Polizeibehörden Wahrscheinlichkeiten für Straftaten effektiv prognostizieren, benötigen sie dafür Daten von entsprechender Qualität. Dies gilt insbesondere für Vorhersagen im Bereich von Einbruchs- und Diebstahlsdelikten. Oft ist es aber gar nicht so einfach, Material von entsprechender Güte zu erhalten. Schließlich braucht es für ein hochwertiges Lagebild neben polizeilichen auch sozio-demografische Daten. Außerdem müssen Aspekte der Einwohnerstruktur und der Mobilität in einem festgelegten Gebiet berücksichtigt werden. All das zeigt: die Datenqualität ist eine große Herausforderung für “Predictive Policing”, das bisher von sechs Landespolizeien genutzt wird.

(BS/mfe) Auf mobile Basisstationen wird vor allem in besonders intensiven Einsatzlagen mit erhöhtem Kapazitätsbedarf an das BOS-Digitalfunknetz oder bei Versorgungsengpässen zurückgegriffen. Solche können etwa durch den Ausfall regulärer Basisstationen entstehen. Das Spezifikum der Sat-mBS ist die Tatsache, dass sie den Zugang zum Netz über einen Satellitenlink herstellen und somit flexibel an jedem beliebigen Ort einsetzbar sind. Sie bestehen aus einem Zugfahrzeug und einem Anhänger, der die gesamte Systemtechnik für den Betrieb beinhaltet. Für die Einspeisung des Funkverkehrs vom Satellitenlink in das BOS-Digitalfunknetz hat die BDBOS zwei ihrer Vermittlungsstellen mit Satellitenkopfstationen ausgestattet. Von diesen aus sind die Sat-mBS mit den Vermittlungsstellen in der gesamten Bundesrepublik verbunden. Die aus Mitteln des Bundes finanzierten Sat-mBS stehen allen polizeilichen und nichtpolizeilichen BOS zur Verfügung. Sie werden bei den Bereitschaftspolizeien der Länder stationiert. Bei den Bereitschaftspolizeien Berlins und Brandenburgs sind künftig die ersten beiden satellitenangebundenen mobilen Basisstationen (Sat-mBS) im Einsatz. Foto: BS/BDBOS, Funke

Crisis Response Soziale Netzwerke als Kommunikationskanal im Katastrophenfall (BS/Eva-Maria Kirschsieper*) Facebook verfolgt das Ziel, Menschen die Möglichkeit zu geben, Gemeinschaften zu bilden und damit die Welt näher zusammen zu bringen. Weltweit nutzen viele Menschen Facebook täglich, um mit Freunden, Familie und Bekannten in Kontakt zu bleiben. Neben dem täglichen Nutzen kann Facebook auch während Krisensituationen ein wichtiger Kommunikationskanal für betroffene Menschen sein. Als beispielsweise im Jahr 2011 ein Erdbeben im Pazifik einen Tsunami auslöste, der verheerende Zerstörung über weite Küstenabschnitte Japans brachte, nutzten viele Menschen in den betroffenen Regionen soziale Netzwerke, um mit ihren Angehörigen in Kontakt zu bleiben. Sowohl während als auch nach der Katastrophe nutzten Menschen Facebook um sich über die Krise auszutauschen und Informationen zu teilen sowie Nachbarschaftshilfe zu koordinieren. Zur Vereinfachung der Kommunikation während der Katastrophe entwickelten unsere Ingenieure in Japan eine Art digitales Schwarzes Brett, an dem Betroffene ihren Freunden mitteilen konnten, dass sie in Sicherheit sind oder Hilfsgesuche veröffentlichen konnten.

Schnell informieren Angetrieben von den durchweg positiven Reaktionen der Menschen, wurde dieses Instrument weiterentwickelt und im Jahr 2014 weltweit unter dem Namen „Safety Check“ eingeführt. Über diese Funktion lassen sich in Katastrophenfällen Angehörige und Freunde schnell zur eigenen Sicherheitslage informieren und wichtige Informationen teilen. Um die umgehende Verbreitung wertvoller Informationen im Katastrophenfall zu ermöglichen, erfolgt die Aktivierung des Safety Check in zwei Schritten: Im ersten Schritt erhalten wir von Krisenmeldestellen die Meldung über einen akuten Vorfall. Im zweiten Schritt prüft ein automatisiertes System, ob im betroffenen Gebiet vermehrt Menschen Inhalte zur Katastrophe oder Krisensituation auf Facebook posten und aktiviert den Safety Check, sollte dies der Fall sein. Nutzern, die sich in unmittelbarer Nähe der Katastrophe aufhalten, wird auf der Startseite ihres Profils die Frage gestellt „Bist du in Sicherheit?“. Sie haben dann die Möglichkeit, sich als „in Sicherheit“ zu markieren und andere einzuladen, dasselbe zu tun. Der Safety Check hat weltweit bisher breiten Zuspruch erhal-

ten und wurde seit 2016 bereits hunderte Male aktiviert.

Resilienzkräfte aktivieren Vor diesem Hintergrund hat Facebook den Safety Check konsequent weiterentwickelt und im September 2017 mit dem digitalen Hilfezentrum „Crisis Response“ einen zentralen Ort auf Facebook geschaffen, um Menschen in Krisensituationen zu helfen. Ziel von Crisis Response ist die Aktivierung gesellschaftlicher Resilienzkräfte während und nach einem Krisenfall. Nutzer können über Crisis Response Informationen zu aktuellen Krisensituationen abrufen. In Abhängigkeit zum Krisenszenario stehen den Nutzern neben Nachrichtenmeldungen und kurzen Informationstexten auch Videos, Wetter- und Verkehrsdaten zur Verfügung. Zudem wird oftmals parallel zum Safety Check die sogenannte „Community Help“ aktiviert. Dieses Tool bietet Nutzern von Facebook die Möglichkeit, Hilfe anzubieten oder gezielt Hilfe zu suchen. Durch die Verbindung von Community Help mit Safety Check können Helfende direkten Kontakt zu Hilfesuchenden aufnehmen und somit schnell auf konkrete Bedürfnisse reagieren. Erst Anfang 2017 eingeführt, wurde Community Help bis heute in mehr als 500 Fällen aktiviert und hat zu mehr als 750.000 Hilfsgesuchen und -angeboten geführt. So konnten nach Naturkatastrophen beispielsweise Menschen Essen, Unterkunft und Kleidung für Betroffene anbieten. Um die gesellschaftlichen Resilienz weiter zu aktivieren, bietet Community Help auch die Möglichkeit, Spendenaufrufe über Facebook zu starten. Hierdurch können Menschen auf unkomplizierte Weise betroffene direkt und unkompliziert finanziell unterstützen. Im letzten Jahr wurden auf Facebook insgesamt bereits mehr als 300 Millionen Euro für caritative Zwecke gespendet.

Kooperationen ausbauen Wir entwickeln die Crisis Response ständig weiter. Dazu arbeiten wir auch mit staatlichen

Akteuren zusammen. Dabei bieten Behörden und staatlichen Akteuren die Möglichkeit, über Crisis Response wichtige Hinweise im Katastrophenfall zu teilen und die Bevölkerung über aktuelle Entwicklungen zu informieren. Denn binnen Sekunden kann Facebook eine große Anzahl von Menschen erreichen und ermöglicht eine Informationsweitergabe nahezu in Echtzeit. Die direkte Kommunikation mit der Bevölkerung ist in Katastrophensituationen von besonderer Bedeutung. Das französische Innenministerium verwendet Safety Check beispielsweise bereits als Instrument der staatlichen Krisenkommunikation. Kooperationen wie diese möchten wir künftig weiter stärken und auch im deutschsprachigen Raum anzustreben, um Nutzern im Katastrophenfall noch effektiver helfen zu können. Weitere Informationen zu Crisis Response unter: www.facebook. com/about/crisisresponse. *Eva-Maria Kirschsieper ist Public Policy Director bei Facebook.

MELDUNG

Erprobung in München (BS/mfe) Auf dem diesjährigen Oktoberfest testet Bayerns Polizei erstmals eigene sogenannte Super-Recogniser. Dabei handelt es sich um Beamte des Münchner Polizeipräsidiums, die sich menschliche Gesichtszüge überdurchschnittlich gut einprägen können. Diese Fähigkeit ermöglicht es, Personen auch unter veränderten Bedingungen und nach längerer Zeit wiederzuerkennen. Dadurch könnten bislang unbekannte Straftäter identifiziert oder bestimmten Delikten zugeordnet werden, erklärte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Bislang seien beim Münchner Polizeipräsidium 37 Super-Recogniser ausgemacht worden. Sechs von ihnen hätten bereits die Hamburger Polizei bei Ermittlungen nach dem G20-Gipfel unterstützt.


Katastrophenschutz

Behörden Spiegel / September 2018

F

ür die Alarmierung ihrer Einsatzkräfte stehen zahlreiche technische Möglichkeiten zur Verfügung. Derzeit befinden sich bei den nicht-polizeilichen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) verschiedene Technologien im Einsatz. Dazu gehören die Sirenenalarmierung, die analoge Alarmierung über analoge VierMeter-Kanäle, die digitale Alarmierung über analoge Zwei-Meter- oder 70-Zentimeter-Kanäle, die digitale Alarmierung über das e*BOS-Alarmierungsnetz, die FMS-Alarmierung über analoge Vier-Meter-Kanäle, die SMS-/ App-Alarmierung über kommerzielle Mobilfunk-Netze sowie die digitale Alarmierung über das BOS-Digitalfunknetz. Bei der Vielzahl der zur Auswahl stehenden Optionen stellt sich die Frage, welches der Systeme aus technischer und wirtschaftlicher Sicht eine zukunftssichere, effiziente und effektive Lösung ist, wenn eine große Anzahl von Einsatzkräften gleichzeitig, schnell und sicher alarmiert werden muss. Darüber hinaus soll die Alarmierungslösung eine gute Außen- und Innenfunkversorgung, eine hohe Verfügbarkeit sowie eine durchgängige Systemund funktionelle Redundanz aufweisen. Im Übrigen sollte sie in den nächsten Jahrzehnten offen für die flexible Veränderung von Funkalarmierungsflächen sein, damit nicht etwa die Begrenzung der Alarmierungsfläche als Hindernis für die Optimierung der Leitstellenstruktur herhalten muss.

Kaum noch Sirenenalarmierung Seit dem Ende des Kalten Krieges – Anfang der 1990er-Jahre – verfügen in Deutschland nur noch wenige Kommunen über Sirenen zur Warnung der Bevölkerung im Verteidigungsfall, bei Unwetter- oder Umweltkatastrophen. Vereinzelt werden diese derzeit auch noch von Feuerwehren zur Alarmierung der Einsatzkräfte genutzt. Dabei werden die Sirenen von der Leitstelle über Analog-Funk durch eine fünfstellige Tonfolge oder einen Radio-Identifikations-Code ausgelöst. Die Ansteuerung und Auslösung von Sirenen ist auch über die in einer Leitstelle installierten Fixed Radio Terminals (FRT) des Digitalfunks möglich. An den Standorten der Sirenen sind TETRA-Sirenenempfänger (TSE) zu implementieren. Über die Sirenenalarmierung ist keine gezielte Alarmierung von einzelnen Kräften möglich. Im Übrigen können per Sirene nur Einsatzkräfte alarmiert werden, die sich in deren akustischer Reichweite befinden. Die akustische Reichweite ist aber stark schwankend und von Windrichtung und Wetterlage abhängig und reicht von wenigen hundert Metern bis hin zu einigen Kilometern. Allein wegen dieser Einschränkungen kann bei der Sirenenalarmierung von einer zukunftssicheren, effizienten und effektiven Lösung keine Rede sein.

Nutzung nur noch von wenigen “Digitalfunk-Dissidenten” Die analoge Alarmierung über analoge Vier-Meter-Kanäle, die auf der Technischen Richtlinie der BOS “Geräte für die analoge Funkalarmierung” basiert, wird fast ausschließlich nur noch von den nicht-polizeilichen BOS genutzt, die den Umstieg vom Analog- zum Digitalfunk bislang nicht vollzogen haben. Die Alarmierung der Einsatzkräfte erfolgt über die den BOS im jeweiligen Zuständigkeitsbereich zugewiesenen analogen VierMeter-Sprechfunkkanäle, indem ein spezieller Fünf-Tonfolge-Ruf abgestrahlt wird. Die Einsatzkräfte sind mit analogen Funkmeldeempfängern (FME) ausgerüstet. Diese

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Effizient und wirtschaftlich alarmieren Bisher noch zahlreiche unterschiedliche Systeme bei BOS im Einsatz (BS/Gerd Lehmann) Ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Sicherheitsarchitektur der Gefahrenabwehr ist das ehrenamtliche Engagement, die freiwillige Tätigkeit. Nur rund drei Prozent der mehr als eine Million Mitglieder der Feuerwehren sowie der über 300.000 Kräfte der übrigen Hilfsorganisationen (ASB, DLRG, DRK, JUH, MAD und THW) sind hauptamtliche Kräfte. Damit die freiwilligen Kräfte im Bedarfsfall schnell herangezogen werden können, ist eine zuverlässige Alarmierung eine unverzichtbare Voraussetzung. empfangen den Fünf-TonfolgeRuf, werten ihn aus und alarmieren so die Einsatzkräfte. In der Regel teilt sich die Alarmierung bei dieser Lösung die Frequenzressourcen mit denen des Sprechfunks. Im Einzelfall steht sie im Ressourcen-Wettbewerb zur Sprachkommunikation. Die analoge Alarmierung über analoge Vier-Meter-Kanäle ist ein Auslaufmodell. Ihre Tage dürften gezählt sein.

Sicherheit und Verfügbarkeit belegt Ein Teil der nicht-polizeilichen BOS wurde, beginnend Anfang der 1990er-Jahre, mit regional begrenzten, eigenständig betriebenen digitalen Alarmierungsnetzen auf der Grundlage der technischen Richtlinie der BOS “Geräte für die digitale Funk­ alarmierung” ausgestattet. Die Alarmierung der Einsatzkräfte erfolgt über die den BOS im jeweiligen Zuständigkeitsbereich zugewiesenen analogen ZweiMeter-Funkkanäle, indem die Information digital kodiert mit dem weltweit am meisten verbreiteten Übertragungsstandard POCSAG abgestrahlt wird. Die Einsatzkräfte sind mit digitalen Funkmeldeempfängern (DME) ausgerüstet. Die Information wird nach einem Weckton als Textanzeige auf dem Display der DME übermittelt. Der Unterschied zwischen digitaler und analoger Alarmierung ist neben der Übertragungsweise der Signale die Integration der Informationen in die Übertragung. Diese Alarmierungslösung basiert auf einer international bewährten Technologie, deren Zuverlässigkeit sich in der Praxis von Millionen professionellen Anwendern mit höchsten Ansprüchen an Schnelligkeit, Sicherheit und Verfügbarkeit auch in Hochlastzeiten und bei Großschadenslagen bewiesen hat. Ihre besondere Stärke liegt in der zeitgleichen Alarmierung von großen Gruppen (Punkt-zuMultipunkt) sowie in der Sendeleistung, die eine Erreichbarkeit sogar in Tiefgaragen, Fahrstühlen, Kellern und anderen abgeschirmten Bereichen ermöglicht. Hinzu kommt ein weiterer für die BOS relevanter Aspekt: Pager sind strahlungspassive Endgeräte und können deshalb auch in technisch sensiblem Umfeld wie Krankenhäusern oder Serverräumen bedenkenlos eingesetzt werden. Die Alarmierungslösung entspricht voll den taktischen und technischen Anforderungen der BOS und dürfte daher auch weiterhin bei künftigen System­ entscheidungen eine Rolle spielen.

Weiterhin in Systemauswahl einbeziehen Einige Landkreise nutzen für die Alarmierung der Einsatzkräfte anstelle eigenständig betriebener Netze das von der e*Message W.I.S. Deutschland GmbH deutschlandweit betriebene nicht-öffentliche satellitengestützte Funknetz “e*BOS”. Dabei handelt es sich um ein nahezu flächendeckendes digitales Paging-Netz, das rund 800 Standorte typischerweise mit Sendestationen auf den TV-Türmen umfasst und wie die digitale Alarmierung der BOS das POCSAG-Protokoll zur Übertragung der Alarmierungen nutzt. Die BOS erhalten einen direkten Zugriff auf die ihnen exklusiv zur Verfügung gestellten Frequenzen im 70-Zentimeter-Bereich.

Die meisten Feuerwehrleute sind ehrenamtlich tätig. Um sie rechtzeitig heran­ ziehen zu können, braucht es gute und effektive Alarmierungswege. Bisher sind bei den nicht-polizeilichen BOS hierzulande aber noch ganz verschiedene Systeme im Einsatz. Nicht alle jedoch haben Zukunft. Foto: BS/© benjaminnolte, stock.adobe.com

Sämtliche Leitstellen können redundant an das Verteilnetz angebunden werden. Es gelten die zur Alarmierung unabdingbaren hohen Sicherheitsvorkehrungen der BOS. Für eine Systementscheidung zugunsten dieser Lösung sprechen mehrere Aspekte. Dazu gehören: keine Investitionskosten (Mietlösung), hohe Sendeleistung (100 Watt), schnelle Realisierung (Standorte weitgehend vorhanden) und günstige Endgeräte. Von Landkreisen, die sich nicht für diese Lösung entschieden haben, wurden unter anderem folgende Ablehnungsgründe genannt: unvertretbarer Verlust der Netz- und Frequenzhoheit, fehlende Verschlüsselung und die Monopolstellung des Netzbetreibers. Unbeschadet dessen dürfte diese Lösung aber weiterhin in eine Systemauswahl einzubeziehen sein, zumal e*Message seit Ende 2017 auch eine MultichannelAlarmierungslösung (2wayS by e*Message) anbietet.

FMS-Alarmierung ein Auslaufmodell Die Alarmierung über das Funkmeldesystem (FMS) der BOS ist eine weitere Alarmierungsart. Die Übermittlung festgelegter Statusmeldungen mittels Kurztelegrammen im anlogen BOS-Funk entfällt jedoch mit der Umstellung auf den BOS-Digitalfunk. Insoweit ist die FMS-Alarmierung über analoge Vier-Meter-Kanäle ein Auslaufmodell. Bei der SMS-/App-Alarmierung wird mit einer SMS- oder AppMitteilung über kommerzielle Mobilfunknetze alarmiert. Diese Variante ist mit erheblichen Risiken verbunden. SMS und Datendienste sind Best-Effort-Services. Es kann daher zu erheblichen Verzögerungen bei der Übermittlung der Alarm-Nachricht kommen. Auch ein Verlust der Nachricht kann nicht ausgeschlossen werden. Daher sind kommerzielle Mobilfunknetze (GSM/UMTS/ LTE) derzeit nicht für die missionskritische Kommunikation geeignet. Obwohl die SMS-/AppAlarmierung über kommerzielle Mobilfunk-Netze nicht den Anforderungen der BOS entspricht und keine Zulassung nach den einschlägigen technischen Richtlinien der BOS besitzt, wird diese Lösungsvariante von einigen nicht-polizeilichen BOS genutzt.

Vom Funkversorgungsgrad abhängig Mit der Realisierung der Alarmierung über das BOS-Digitalfunknetz wurde einer Forderung insbesondere der nicht-polizeilichen BOS entsprochen. Sie basierte auf der ökonomischen

Überlegung, in einem Netz mehrere unterschiedliche Dienste parallel nutzen zu können. Die TETRA-Alarmierung, auch “Callout” genannt, stellt daher kein autarkes Alarmierungssystem dar. Sie bietet vielmehr eine vollständige Implementierung in die Sprach- und Kommunikationstechnik der Einsatzkräfte. Für das von der TETRA Association und der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) standardisierte Verfahren sind nach den einschlägigen IOP-Richtlinien zertifizierte Funkmeldeempfänger am Markt verfügbar. Sie sind wie die Funkgeräte mit einer BSISicherheitskarte ausgestattet. Neben der Funkschnittstellenverschlüsselung der Alarmmeldung findet eine Ende-zu-EndeVerschlüsselung statt. Allerdings hängt die Möglichkeit, über das BOS-Digitalfunknetz unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen der BOS zu alarmieren, vom tatsächlich realisierten Funkversorgungsgrad des jeweiligen Landes ab. Bislang erfolgte der Aufbau des Digitalfunknetzes lediglich in

Bayern und Hessen unter der Maßgabe, die Alarmierung zu ermöglichen. Mit 414 Basisstationen werden in Hessen über 99 Prozent der Landesfläche für den Fahrzeugfunk abgedeckt. Die Versorgung für Handfunksprechgeräte ist mit etwa 97 Prozent vorhanden. Ob diese Sendeleistung die Erreichbarkeit auch innerhalb von Gebäuden, insbesondere in Tiefgaragen, Fahrstühlen, Kellern und anderen abgeschirmten Bereichen wie die POCSAG-Alarmierung sicherstellt, muss bezweifelt werden. Unbeschadet dessen hat Hessen bereits im August 2016 den Rollout der digitalen TETRA-Pager aufgenommen und inzwischen den 50.000sten Pager an die Einsatzkräfte ausgeliefert. Damit die BOS den Digitalfunk auch in schwer zu erreichenden Gebieten nutzen können, soll die Infrastruktur in den kommenden Jahren mit Hochdruck weiter ausgebaut werden, versicherte jüngst der Staatssekretär im Wiesbadener Innenministerium, Werner Koch. Die Detailplanung für den Rollout in Bayern befindet sich noch in der Erstellung. Er soll allerdings noch im laufenden Jahr starten.

Zwei Szenarien untersucht In einem aktuellen Whitepaper hat die Schweizer Swissphone Wireless AG alle möglichen Alarmierungslösungen nicht nur hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Funkverfahren, technischen Eigenschaften und Netzarchitekturen beleuchtet, sondern zugleich eine dezidierte wirtschaftliche Betrachtung für zwei realistische Szenarien angestellt: Beim Szenario A wird ein Vergleich der TETRA- gegenüber der POCSAG-Alarmierung unter folgenden Prämissen gezogen: Die Region X hat 65.000 Mitglieder der nicht-polizeilichen BOS. Für den Sprechfunk der BOS steht in der Region ein TETRA-Netz mit 400 Basisstationen zur Verfügung. Um auch die Alarmierung

über dieses Netz zu ermöglichen, wird mindestens eine Verdichtung des TETRA-Netzes um 100 Basisstationen (Kosten: 100 x 200.000 Euro = 20 Millionen Euro) angenommen. Um eine ausreichende Innenfunkversorgung sicherzustellen, dürften weitaus mehr Basisstationen erforderlich sein. Zusätzlich werden 65.000 TETRA-Pager (Kosten: 65.000 x 450 Euro = 29,2 Millionen Euro) benötigt. Gesamtaufwand: 49,25 Millionen Euro. Im Vergleich dazu steht der Aufbau eines dezidierten POCSAGNetzes mit 500 Basisstationen (Kosten: 500 x 20.000 Euro = zehn Millionen Euro), welches die Region mit einer redundanten, flächendeckenden Innenfunkversorgung versieht. Hinzu kommen 65.000 POCSAG-Pager (Kosten: 65.000 x 200 Euro = 13 Millionen Euro). Der Gesamtaufwand beträgt folglich 23 Millionen Euro. Es kostet also weit weniger, ein vollständiges POCSAG-Netz, inklusive POCSAG-Pager für die Alarmierung, hinzuzufügen als die bestehende TETRA-Netzabdeckung auszubauen und TETRAPagern zu beschaffen. Beim Szenario B wird von einem bereits verdichteten TETRA-Netz mit 500 Basisstationen ausgegangen. Über dieses Netz soll auch die TETRA-Alarmierung abgewickelt werden. Dazu werden 65.000 TETRA-Pager (Kosten: 65.000 x 450 Euro = 29,2 Millionen Euro) benötigt. Der Gesamtaufwand beläuft sich demnach auf 29,2 Millionen Euro. Im Vergleich dazu steht der Aufbau eines dezidierten POCSAGNetzes mit 500 Basisstationen und 65.000 POCSAG-Pager – wie im Szenario A beschrieben. Gesamtaufwand: 23 Millionen Euro. Auch bei einem bereits verdichteten TETRA-Netz ist es also kostengünstiger, ein dezidiertes POCSAG-Netz und POCSAG-Pager anstelle von TETRA-Pagern zu beschaffen. Im Übrigen tragen dezidierte Lösungen für die Sprachkommunikation und für die Alarmierung weitaus mehr der gegenseitigen Systemredundanz Rechnung als eine einzige Lösung. Das Whitepaper zur Alarmierung kann über die Homepage von Swissphone (https://www. swissphone.com/deu/support/ downloads/) kostenlos angefordert werden.

Entlastung für Kommunen? Kostentragungspflichten bei THW-Einsätzen könnten geändert werden (BS/mfe) Innerhalb der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) gibt es Überlegungen, eine Reform der Kostentragungspflichten bei Einsätzen im Rahmen der Amtshilfe anzustoßen. Dies soll insbesondere für technische Hilfeleistungen bei der Bekämpfung von Katastrophen und Unglücksfällen größeren Ausmaßes gelten. Politisch Verantwortlichen auf kommunaler Ebene könnte das die Angst vor vermeintlich hohen Rechnungen nehmen. Dabei seien die entsprechenden THW-Forderungen in aller Regel nicht allzu hoch. Sie würden – außer bei außergewöhnlich langen Einsätzen und Großschadenslagen – die Kosten, die eine Freiwillige Feuerwehr verursache, nicht übersteigen. Grundlage sei immer ein bundesweit gültiger Katalog. In diesem seien alle Gebühren detailliert aufgeführt, die die Bundesanstalt für eingesetztes Personal und Gerät gegenüber der ersuchenden Behörde geltend machen könne. Problematischer sei für die Städte und Gemeinden eher der Umstand, dass Arbeitgeber deutlich häufiger als früher die Erstattung von Verdienstausfällen beantragten, wenn ihre Beschäftigten für das THW im Einsatz seien. Vonseiten der Bundesanstalt selbst drohten hier deutlich geringere finanzielle Belastungen. Denn: Wenn das THW ein besonderes Eigeninteresse an dem Einsatz habe, könne es bereits heute die Kostenerstattungsansprüche reduzieren oder sogar ganz auf null

setzen. Dies sei unter anderem möglich, sofern das THW einen speziellen Mehrwert im Bereich der Aus- und Fortbildung sehe.

Nicht gegenseitig Kosten berechnen Der Präsident der THW-Bundesvereinigung und CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt hat eine klare Meinung: “Behörden sollten sich gegenseitig keine Rechnungen stellen. Es gibt schließlich nur einen Steuerzahler.” Aber nicht nur deshalb wollten seine Parlamentarierkollegen und er das THW-Gesetz anpacken. Viel wichtiger sei, dass die Bundesanstalt zu deutlich mehr Einsätzen komme. “Dafür sollte das THW in alle Brand- und Katastrophenschutzgesetze der Länder aufgenommen werden.” Unter anderem in Berlin und Sachsen ist das bisher nicht der Fall. Weiter ist hier NordrheinWestfalen. Entscheidend sei auch eine Integration in die Alarm- und Ausrückeordnungen. “Bisher sind die

Alarmierungsketten in Deutschland noch zu unterschiedlich”, kritisiert Wendt. Grundsätzlich konstatiert der Christdemokrat: “Die Erbhofmonarchie muss beendet werden. Das Technische Hilfswerk ist keine Gefahr für die Feuerwehren, sondern eine Ergänzung.” Für diese Feststellung erhält Wendt sogar Zustimmung aus der Opposition. So meint auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser, Mitglied im Innenausschuss und dort Berichterstatter seiner Fraktion für den Themenbereich Katastrophen-/Bevölkerungsschutz: “Das Technische Hilfswerk fliegt oft im Windschatten der Feuerwehren und damit auch im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung.” Aus dem Bundesinnenministerium (BMI) heißt es zu der ganzen Angelegenheit nur, dass das THW einem fortwährenden Evaluierungs- und Modernisierungsprozess unterliege. Ob gesetzliche Änderungen erforderlich seien, werde derzeit geprüft.


Wehrtechnik

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Behörden Spiegel / September 2018

Neues aus der Wehrtechnik Aktualisierte TLVS-Angebotsaufforderung

Flugsicherungsradare für Australien

MBDA Deutschland/Lockheed Martin

Hensoldt

(BS) Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) hat Mitte August eine zweite Angebotsaufforderung (“Request for Proposal” – RFP) an die TLVS-Bietergemeinschaft von MBDA Deutschland und Lockheed Martin übermittelt. Dieser Zusammenschluss bietet die Entwicklung des zukünftigen Taktischen Luftverteidigungssystems (TLVS) der Bundeswehr an. Die zweite RFP ist das Ergebnis der Verhandlungen zwischen der TLVSBietergemeinschaft und dem BAAINBw. “Die aktuelle Angebotsaufforderung basiert auf dem ersten RFP”, sagte Dietmar Thelen, Geschäftsführer der TLVS GmbH. “Sie reflektiert die Ergebnisse der bisherigen Verhandlungen und adressiert Vorgaben der Agenda Rüstung. Die Agenda Rüstung fokussiert unter anderem im Beschaffungsprozess auf die geforderten militärischen Fähigkeiten, eine neue Form des Risikomanagements und fördert die Transparenz der Vergabeverfahren mit dem Ziel, eine erfolgreiche Vertragsgestaltung sicherzustellen.” Gregory Key, Geschäftsführer der TLVS GmbH, ergänzte: “Die umfassenden Verhandlungen haben das gemeinsame Verständnis über die Risiken und Lösungsansätze entscheidend erhöht und stellen sicher, dass das TLVS-Angebot die Anforderungen des BAAINBw adäquat abdeckt.” Die im März gegründete TLVS GmbH soll Hauptauftragnehmer für das neue Luftvertei-

digungssystem werden. Es wird erwartet, dass mit dem TLVS-Vertragsabschluss mehrere hundert High-TechArbeitsplätze in Die verschiedenen Elemente einer Deutschland und Feuerstellung für das Taktische den USA geschaf- Luftverteidigungssystem. fen werden. DieFoto: BS/MBDA ses Joint Venture wird dem BAAINBw ein Angebot auf der Grundlage des zweiten RFP übermitteln, verbunden mit dem Ziel einer Auftragsvergabe im kommenden Jahr. TLVS sei das “derzeit weltweit fortschrittlichste” bodengebundene und mobile Luftverteidigungssystem, so die Hersteller. Aufgrund der offenen Systemarchitektur, Plug-and-Fight-Fähigkeit und 360-Grad-Abdeckung könne das System flexibel auf sich verändernde Bedrohungen reagieren und an unterschiedliche Einsatzszenarien angepasst werden. TLVS schaffe für Deutschland die Vo­ raussetzung, seine Rolle als Führungsnation im Rahmen des “Framework Nations Concept” (FNC) der NATO zu erfüllen.

(BS) Im Rahmen des FDATCSS-Programms (”Fixed Defence Air Traffic Control Surveillance Sensors”) hat die australische Luftwaffe neun fest installierte Luftraum-Aufklärungsradarsensoren auf Basis des ASR-NG (“Airport Surveillance Radar – Next Generation”) sowie ein Wartungs- und Schulungssystem über das Verteidigungsministerium beauftragt. Aufgrund standortspezifischer Anforderungen für die finalen Systeme an zwei Standorten werden zwei Übergangssysteme aufgebaut, um eine ununterbrochene Radarabdeckung sicherzustellen, solange die Altgeräte demontiert und vor Ort durch die neuen Lösungen ersetzt werden. Die Installation ist technisch überaus anspruchsvoll, da das zu überwachende Gebiet etwa so groß wie Westeuropa ist. Nach dem ersten Übergangssystem am Luftwaffenstützpunkt East Sale im Süden des Bundesstaates Victoria und dem ersten finalen System am Fliegerhorst Tindal, weit im Norden des Landes, wurde nun in Oakey bei Brisbane das zweite finale System vor Ort installiert. Alle Systeme befinden sich derzeit in der Inbetriebnahme-Phase, bevor sie an ihrem jeweiligen Standort abgenommen und in Dienst gestellt werden. Die ASR-Radare umfassen jeweils ein integriertes Primär- und Sekundärradar. Das Primärradar Mehr Informationen unter www.mbda-deutsch­ unterstützt die Detektion von nicht-kooperativen Zielen, wie z. B. Kleinflugzeugen ohne Transponder land.de

oder feindlichen Flugzeugen. Das Sekundärradar MSSR 2000 I sorgt für die automatische Identifizierung von kooperativen Flugzeugen. Es Das ASR-NG am Heeresfliegerzen­ entspricht dem trum von Oakey bei Brisbane neuen FlugverFoto: BS/Hensoldt kehrskontrollstandard “Mode S/Mode 5”, der eine deutliche Verbesserung der Abfragen zur Flugzeugidentifizierung mit sich bringt und derzeit bei allen NATO- und verbündeten Truppen eingeführt wird. Hensoldt hat u. a. auch die Fliegerhorste der Bundeswehr mit dem Flugplatz-Überwachungsradar ASR-S (“Airport Surveillance Radar – S-Band”) ausgerüstet; ebenso liefert es ein komplettes Anflugleitsystem für die Militärflugplätze der Schweiz. Andere Versionen seines neuen ASRNG-Radars sind für Kanada und Großbritannien unter Vertrag. Das MSSR-2000-I-Sekundärradar wird von den Seestreitkräften Deutschlands, Frankreichs, Norwegens und Finnlands zur militärischen Freund-Feind-Erkennung eingesetzt. Mehr Informationen unter www.hensoldt.net

Unterstützung bei der Waldbrandbekämpfung

“Argus” für die kanadischen Streitkräfte

General Atomics

Rheinmetall

(BS) Im August wüteten in zahlreichen Regionen der Welt großflächige und teils unkontrollierte Waldbrände. Bei deren Bekämpfung setzte die Feuerwehr zunehmend auf Aufklärung aus der Luft. Mittels der integrierten Aufklärungssensorik des MALE-UAS “MQ-9A Predator B” wurden aktuelle Lageinformationen in Echtzeit bereitgestellt. Die Regierung in Athen forderte zur Bekämpfung von Waldbränden Unterstützung mit unbemannten Fluggeräten an. Das Europäische Kommando der US-Streitkräfte betreibt Aufklärungsdrohnen vom griechischen Luftwaffenstützpunkt “Larissa Air Base” aus. Ziel der Missionen war das Erkennen von Brandherden und deren Ausbreitung. Auf Grundlage der zur Verfügung gestellten Daten konnte die Lage besser beurteilt werden. Auch in Kalifornien setzte die Feuerwehr auf die Sensordaten der MQ-9A. Die von der USNationalgarde in Echtzeit bereitgestellten Daten steigerten das Lagebewusstsein der Feuerwehr vor Ort. So konnte die Bevölkerung in bedrohten Gebieten rechtzeitig evakuiert und der Zustand der

Präsidentin Niehuss betonte in diesem Zusammenhang, dass das Forschungsinstitut CODE seit seiner Gründung 2013 jährlich eine zweitägige Fachtagung mit hochkarätigen Teilnehmenden und Gästen “zur Förderung der interdisziplinären Vernetzung und des gegenseitigen Austauschs” von Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Streitkräften und Behörden veranstalte. Bei der Eröffnung der diesjährigen CODE-Tagung hob deren Leitende Direktorin, Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek, hervor, dass das Forschungsinstitut der Nukleus eines “Raumes des Vertrauens” sei, d. h. der vertrauensvollen Vernetzung von Experten für Cyber-Sicherheit in Forschung, Wirtschaft, Industrie, Behörden, Militär sowie Verbänden – der sogenannten “CODE Community”, die ständig wachse. Weiter betonte die Professorin, dass neben dem Network-Gedanken auch die Vorstellung neuer Forschungsvorhaben Ziel der Veranstaltung wäre. Ganz besonders hervorzuheben seien “drei strategische Ausrichtungen”. Erstens ist dabei der Ausbau des “Cyber Clusters” mit dem FI CODE zum europäischen Cyber-

vorhandenen Infrastruktur besser bewertet werden. Die Effizienz des Ressourceneinsatzes und der Löscharbeiten sowie die Sicherheit der Rettungskräfte Eine “MQ-9A Predator B” von Gewurden so deutlich neral Atomics Foto: BS/Portugall verbessert. Die MQ-9A wird bereits seit mehreren Jahren routinemäßig zur Katastrophenhilfe eingesetzt. Ihr Nachfolger, die “MQ-9B SkyGuardian” kann uneingeschränkt im zivilen Luftraum betrieben werden. Das erweitert das zivile Einsatzspektrum signifikant – von der Katastrophenhilfe über Grenz- und Küstenschutz, Umwelt- und Fischereiüberwachung bis hin zur humanitären Hilfe. Mehr Informationen unter www.ga.com

(BS) Die kanadischen Landstreitkräfte haben Rheinmetall mit der Lieferung weiterer Soldatensysteme “Argus” beauftragt. Im kommenden Jahr sollen im Rahmen des kanadischen “Integrated Soldier System Project” (ISSP) 1.256 Ausstattungen geliefert werden. Der Auftragswert beläuft sich auf 14,3 Millionen Euro beziehungsweise 22 Millionen Kanadische Dollar. 2015 hatte die Regierung in Ottawa den Düsseldorfer Konzern erstmals mit dem Start der Qualifizierungsphase des “Integrated Soldier System” (ISS) des kanadischen Heeres beauftragt. Rheinmetall hat die Qualifizierungsphase abgeschlossen und die erste Serienproduktion fast beendet. In Kürze wird die komplette Erstausstattung von 1.632 Sätzen ausgeliefert sein. Beispiele für bereits in Nutzung befindliche Systeme sind neben “Argus” auch der “Infanterist der Zukunft – Erweitertes System” (IdZ-ES) der Bundeswehr. 2012/13 erhielten Einheiten des Sicherungsbataillons 12 der 10. Panzerdivision aus dem baden-württembergischen Hardheim das IdZ-ES.

Überdies gehören die Weiterentwicklungen “Argus New Generation” und “Gladius 2.0” zum Produktportfolio des Düsseldorfer Unternehmens. Alle diese Systeme binden den einzel- Ein kanadischer Soldat mit nen infanteristischen dem System “Argus” Kämpfer, aber auch Foto: BS/Rheinmetall Gefechtsfahrzeuge und unbemannte Systeme in ein taktisches “Sensor-toShooter”-Netzwerk ein. Auch höhere Führungsebenen können eingebunden werden. Das gemeinsame Lagebild ist die Grundlage für schnellere und besser fundierte Entscheidungen auf allen Ebenen und trägt damit dazu bei, die militärische Initiative zu gewinnen und zu behalten. Mehr Informationen unter www.rheinmetall.com

“Raum des Vertrauens” Aktuelle Entwicklungen bei Cyber Defence (BS/Dr. Gerd Portugall) Angesichts der weltweit ständig zunehmenden Bedrohungsszenarien im IT-Sektor würden ausgefeilte Konzepte von Cyber Security und Cyber Defence immer wichtiger. Diese zentrale Einsicht spiegele sich auch in Leitbild und Vision des Forschungsinstituts Cyber Defence (FI CODE) an der Bundeswehr-Universität in München wider. Dies stellte Universitätspräsidentin Prof. Dr. Merith Niehuss bei ihrer Begrüßung anlässlich der fünften Jahrestagung des FI CODE fest. Sicherheits-Hub zu nennen. Dieses Cluster wurde als “Ökosystem für Innovation” bezeichnet. Einen Bestandteil des “Cyber Clusters” an der Bundeswehr-Universität im Rahmen der Aus- und Fortbildung stellt der internationale Master-Studiengang “Cyber-Sicherheit” dar – inklusive CyberStipendiaten und Cyber-Reserve. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch der EU-Antrag CONCORDIA (“Cyber Security Competence for Research and Innovation”). An zweiter Stelle folgt der Aufbau des – neben Oxford – zweiten europäischen Hubs für QuantenComputing: des “IBM-Q-Hub”. Dazu wurde eine Vereinbarung zwischen Prof. Niehuss, Dr. Alessandro Curioni, Vice President Europe and Director IBM Research Zürich, und Sreeram Visvanathan, IBM Global Managing Director Government unterzeichnet. Das Leibniz-Rechenzentrum

der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Garching bei München hat bereits Interesse bekundet, Teil des Hubs zu werden. Derzeit existieren weltweit fünf solcher Hubs: Neben den Universitäten Oxford, Melbourne und Keio (Japan) sind dies in den USA das IBM-Forschungszen­ trum im Bundesstaat New York und das Oakridge National Laboratory in Tennessee, das zum US-Energieministerium gehört. Drittens wurde ein “Memorandum of Understanding” mit der IT-Sicherheitsagentur ENISA (“European Network and Information Security Agency”) durch Präsidentin Niehuss und Dr. Steve Purser, Abteilungsleiter bei ENISA, unterzeichnet.

Aufwuchs in München Das CODE der Universität der Bundeswehr sei ein herausragender Nukleus für ein “Cyber Cluster” in München. Daher habe der

Bundestag 13 Professorenstellen für das FI CODE beschlossen, so Dr. Reinhard Brandl, CSUBundestagsabgeordneter und Mitglied im Verteidigungsausschuss. Aufgrund des personellen Aufwuchses ist ein Neubau für das “Cyber Cluster” mit 40.000 Quadratmetern auf dem Universitätsgelände geplant. Diese neue Infrastruktur will auch das Bundesinnenministerium mit der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) nutzen. Die vorläufigen Räumlichkeiten von ZITIS befinden sich bereits in München. Der geplante Neubau soll Ende November an einen Generalunternehmer vergeben werden. Bevor der Neubau am Campus fertig ist, soll es eine Interimslösung geben. Zu dieser zählt unter anderem die Einmietung bei der IABG (Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH) in Ottobrunn

bei München für die eingestuften Bereiche. Die Ausstattung der Labore ist größtenteils beschafft. Ein Highlight der diesjährigen Tagung war die erstmals stattfindende Innovationskonferenz “Cyber- und Informationstechnologie” (CIT) am ersten Veranstaltungstag. Damit beschritt CODE einen neuen Weg, um einen Innovationsdialog Cyber/IT sowie eine bedarfsorientierte Identifizierung bzw. Einführung von IT-Innovationen im Geschäftsbereich des BMVg zu etablieren. Neben dem Ministerium waren auch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) sowie das Kommando Cyber- und Informationsraum (CIR) in das Konferenzprogramm integriert. In Rahmen der Jahrestagung wurde die Agentur für Innovation in der Cyber-Sicherheit des BMVg und des BMI vorgestellt (mehr dazu auf Seite 39).

Dr. Myriam Boeck, Leiterin des Aufbaustabes, berichtete, dass diese neue, übergreifende Forschungsagentur sich am Vorbild der US-amerikanischen DARPA (“Defense Advanced Research Projects Agency”) in Arlington/ Virginia orientiere. Die Agentur solle nicht nur die Teilhabe der Bundeswehr und der Sicherheitsbehörden des Bundes an technologischen und digitalen Innovationen ermöglichen. Sie solle auch eine Vorreiterrolle im Forschungs- und Entwicklungsbereich bei der Cyber-Sicherheit spielen – bis hin zur “nationalen Innovationsführerschaft” auf diesem Gebiet, so Dr. Boeck. Vonseiten der Bundeswehr waren in das Tagungsprogramm außerdem unter anderem Generalleutnant a. D. Benedikt Zimmer, beamteter Staatssekretär im BMVg, Generalleutnant Ludwig Leinhos, Inspekteur CIR, und Brigadegeneral Jens-Olaf Koltermann, Unterabteilungsleiter CIT I im BMVg eingebunden. Als Aussteller waren u. a. AFCEA München, Airbus Defence and Space, Atos, die Inhouse-Gesellschaft des Bundes BWI GmbH, Cisco, Rohde & Schwarz Cyber Security sowie Giesecke+Devrient und die secunet AG vor Ort.


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / September 2018

Master-Trendwende

E

in Grundübel: das Vergaberecht, insbesondere die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV). Nicht nur, aber insbesondere General Leidenberger hat dies in seinem eindrucksvollen Thesenpapier “Digitalisierung der Landstreitkräfte” zum Ausdruck gebracht. Entscheidend aber, um W. Lenin zu zitieren: “Was tun?” Die Rechtsprechung erzwang nach ca. 2005, dass auch Rüstungsbeschaffungsentscheidungen gerichtlich überprüft werden können. Dem ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) zuzustimmen. Willkürliche – im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheit vor dem Gesetz) –, ermessensfehlerhafte Beschaffungsentscheidungen sollten aufgehoben werden können. Aber: Im Bereich Verteidigung ist die spezifische Lage zu beachten, möglichst schnell handeln zu können, auch geänderte Lagen einzubeziehen und ebenfalls das Interesse, bestimmte Beschaffungen nicht ausschreiben zu müssen. Auch kontinuierliche Beauftragungen müssen durchgesetzt werden können – kurz: schnelle Beschaffungssicherheit. 2012 wurde die VSVgV in Kraft gesetzt. Diese regelt in 45 (!) Paragrafen mit zahlreichen Verweisen u. a. auf das allgemeine sonstige Vergaberecht und die EG-Richtlinie 2009/81 den Beschaffungsrechtsrahmen. Die Folge: Buchstäblich ganze Kompanien von Juristen im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und in der Anwaltswelt bearbeiten und prüfen nunmehr Vergaben. Ziel ist von der Verwaltungsseite, die Vergaben “wasserdicht” zu machen oder von der Anwaltsseite, die Schwachstelle zu finden, warum genau dieses Verfahren nicht regelgemäß durchgeführt wurde und bei der Vergabekammer aufheben zu lassen. Dabei muss klar sein: Wird ein gesetzliches Regelwerk geschaffen, stellt sich Verwaltungsju-

Raus aus dem Vergaberecht! (BS/Karl-Heinz Gimmler*) Die schwierige Lage des Beschaffungswesens der Bundeswehr ist bekannt. Hauptparadigmen sind die fehlende Einsatzbereitschaft bereits vorhandener Waffensysteme (z. B. Panzer und U-Boote) sowie der zu lange Weg zu neuem, optimiertem Gerät. Wenn die Bundeswehr die notwendigen Gefechtsfahrzeuge überall zusammenkratzen muss, um den NATO-Verpflichtungen im Rahmen der “Very High Readiness Joint Task Force” (VJTF) zu entsprechen, ist dies ein Armutszeugnis. risten naturgemäß die Aufgabe der Einhaltung dieser Regeln. Damit deutet sich ein natürlicher Zielkonflikt zwischen der hochkomplexen “rechtmäßigen” Beschaffung und den “natürlichen” Beschaffungsinteressen der Bundeswehr an. Überspitzt: Es geht in erster Linie nicht um das Beste für die Bundeswehr, sondern um die Anwendung des hochkomplexen Rechts. Die Vergabe als solche hat so viele Tücken, dass sie kaum mehr handhabbar ist.

Wozu sind deutsche Streitkräfte da?

Es gab Zeiten, da hatte die Bundeswehr über 3.000 einsatzfähige Kampfpanzer.

Foto: BS/Tobias Nordhausen CC BY 2.0, flickr.com

ab, lässt einen Konflikt bzw. einen Krieg gewinnen. Optimierte Ausrüstung erhöht exponentiell (!) die Chancen des Soldaten im Gefecht und ist daher gem. Art. 2 Abs.2 GG (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) – inhaltsgleich Art. 2 Europäische Menschenrechtskonvention – verfassungsrechtlich geboten. Ist dafür nun das Vergaberecht der VSVgV zielfühKarl-Heinz Gimmler ist Fachanwalt für Steuerrecht, rend? Werden mit Transport- und Speditionsdiesem Vergaberecht, Spezialanwalt für Konrecht, für destraktlogistik- und Logistiksen Verständnis Outsourcing-Recht. man mittlerweile Großkommentare Foto: BS/Kanzlei Gimmler braucht und das Juristen “mittlerer te durch Abschreckung vermie- Art und Güte” schlicht überforden werden. Sollte doch gekämpft dert, Kriege verhindert, Kriege gewerden müssen – heute hybride, wonnen? Die Antwort ist äußerst asymmetrische Konflikte wie in einfach: Kriege werden gewonnen Afghanistan oder Mali, mittler- oder verhindert durch optimierte weile denkbar auch wieder der Ausrüstung, nicht durch ein einVerteidigungs- und Bündnisfall –, malig detailliertes Vergaberecht. sind Kriege zu gewinnen. Für dieWenn aber so die Hauptzwecke se Ziele ist wesentliche Vorausset- der Bundeswehr nicht gefördert zung eine optimierte Ausrüstung. werden, so leitet sich daraus die Optimierte Ausrüstung schreckt Frage ab: Wie wenig Vergaberecht

Wir unterstellen, es gäbe kein detailliertes Rüstungsvergaberecht und nähern uns dieser Aufgabe vom Zweck der Streitkräfte her. Die Antwort ergibt sich aus Art. 87 a GG: “Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.” Damit sollen militärische Konflik-

ist europarechtlich und nach dem Grundgesetz eigentlich zulässig? Dies ist eine völlig andere Fragestellung als der zaghafte Ansatz im GroKo-Vertrag, wo nur von bestimmter Nutzung von Spielräumen die Rede ist.

Europa- und verfassungsrechtlicher Rechtsrahmen Wie ist der europarechtliche Zulässigkeitsrahmen? Hier fällt das europäische Primärrecht, d. h. der Lissabon-Vertrag, ins Auge: Art. 346 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Dieser stellt es bei Rüstung in das Ermessen der Mitgliedsstaaten, das europäische Vergaberecht anzuwenden – oder eben auch nicht. Die Norm ist eine Ausnahmenorm, nach klassischen juristischen Auslegungsgrundsätzen “eng” auszulegen. “Eng” bedeutet nicht, die Norm nicht anzuwenden. Was bedeutet es aber dann? Nur die eigentliche Beschaffung von “harten” Rüstungsgütern ist erfasst, die Anwendung auf z. B. steuerrechtliche Befreiungen von Rüstungsgütern zählt nicht dazu. Zur Definition von Rüs-

tungsgütern gibt es die berühmte EWG-Liste von 1958 als Anlage zum EWG-Vertrag. Die Definition, für welche dieser Güter die Staaten diese Ausnahmenorm in Anspruch nehmen, obliegt ausdrücklich den Staaten. Dies bedeutet: Im Bereich der “harten” Rüstung gibt es europarechtlich (fast) nichts zu beachten. So geht auch die nachrangige EG-Richtlinie 2009/81 von 2009 über die “Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Lieferund Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit” schlichtweg davon aus, dass Art. 296 – heute Art. 346 AEUV – vorbehalten bleibt, also für diesen Bereich die wesentlichen Regelungen dieser Richtlinie nicht angewendet werden müssen. Also: Deutschland ist europarechtlich relativ frei.

Zum nationalen Verfassungsrecht Es besteht verfassungsrechtlich nur der Minimal-Rechtsschutzanspruch nach Art. 19 Abs. 4 GG. Da Verteidigungs- und Sicherheitsentscheidungen nach der Rechtsprechung des Bun-

Koblenzer IT-Tagung

D

ass Digitalisierung und Cyber-Sicherheit allen “Unkenrufen” zum Trotz auch in Deutschland vorangetrieben werde, zeige beispielhaft der am Vortag durch das Bundeskabinett gebilligte Aufbau der “Agentur für Innovation in der CyberSicherheit”, so Generalleutnant a. D. Benedikt Zimmer, beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). Speziell für die Bundeswehr solle eine Umsetzungsstrategie für die Digitalisierung der Streitkräfte erarbeitet werden und bereits Ende dieses Jahres vorliegen. Aufgrund der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit bei der Informations- und Cyber-Technik sei “ein neuer Denkansatz” vonnöten: Keine wünschbaren 100-Prozent-Lösungen müssten her – z. B. für die Digitalisierung der deutschen VJTF-Brigade 2023 (“Very High Readiness Joint Task Force”) im Rahmen der Atlantischen Allianz. Vielmehr komme es darauf an – um eine Zahl zu nennen –, machbare 60-Prozent-Lösungen zu realisieren, um diese dann dem Soldaten vor Ort baldmöglichst an die Hand geben zu können. Dies gehe aber nur in enger Zusammenarbeit mit der Industrie, so Staatssekretär Zimmer. Einige Vertreter der wehr- und informationstechnischen Industrien waren in das Programm der Koblenzer Tagung eingebunden. So diskutierten u. a. Dr. Lothar Mackert, Vice President und Managing Director von IBM Deutschland, und Oliver Dörre, Vice President für Vertriebs- und Marketingaktivitäten bei Thales Deutschland, in verschiedenen

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Feste Größe für die “Digital Community” (BS/Dr. Gerd Portugall) “Digitale Zukunft – Architekturen. Plattformen. Anwendungen.” So lautete das Motto der Koblenzer IT-Tagung 2018, die Ende August zum nunmehr vierzehnten Male in der Rhein-Mosel-Stadt stattgefunden hat. Veranstaltet wurde sie – wie in den Vorjahren – durch AFCEA Bonn e. V. und das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).

Hochrangige Tagungsgäste (v.l.n.r.): Generalleutnant Dr. Ansgar Rieks, Brigadegeneral Michael Hauschild, Staatssekretär Klaus Vitt, Oberbürgermeister David Langer, Staatssekretär Benedikt Zimmer, Generalleutnant Ludwig Leinhos und General Manager Kevin J. Scheid Foto: BS/Portugall

Panels. Dr. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), referierte zum Thema “Plattformen”: “Es wird jedoch immer deutlicher, dass die bestehende Heterogenität (d. h. jede Plattform besteht für sich selbst) der digitalen Konvergenz – dem Zusammenwachsen “herkömmlicher Bereiche” mit Digitalisierungstechnologien – in zunehmenden Maße im Wege steht. Herkömmliche Waffensysteme und Informationssysteme wachsen zwar immer enger zusammen, dennoch bildet auch heute noch jede Plattform eine eigene Welt ab.” Der zukünftige Plattformgedanke im Rüstungs-

umfeld könne letztlich nur unter dem “Aspekt der Konvergenz” betrachtet werden, so Dr. Atzpodien.

Stimme aus der NATO Kevin J. Scheid, General Manager der “NATO Communications and Information Agency” (NCI Agency), erinnerte in seinem Eingangsstatement an den jüngst verstorbenen John McCain, langjähriger Senator des US-Bundesstaates Arizona. Dieser habe sich stets für das Nordatlantische Bündnis eingesetzt. Die Atlantische Allianz sei “unverzichtbar für den Weltfrieden”, so Scheid. Sie sei “das erfolgreichste Bündnis in der Geschichte” und schütze gegenwärtig eine Milliarde Menschen.

Die NCI Agency mit Hauptsitz in Brüssel und Teilen im belgischen Mons und in Den Haag beschäftige rund 3.000 Mitarbeiter. “Wir geben die Hälfte des NATO-Budgets aus”, sagte der General Manager. Für ihn bedeute die Aufgabe der IT-Architektur den “nahtlosen Informationsaustausch zwischen den Verbündeten”. Von zentraler Bedeutung sei dabei die Interoperabilität – auch und gerade bei gemeinsamen Operationen, etwa in Ost- und Südosteuropa. Bei der Digitalisierung liege die NATO “ein bisschen” hinter den Vereinigten Staaten. “Ich hoffe, dass die Vereinigten Staaten zuerst die teuren Fehler machen”, welche die Atlantische Allianz dann vermeiden könne, so Kevin Scheid. Die NCI Agency pflege bereits intensiv ein internationales Innovationsnetzwerk mit der Wissenschaft und der Industrie. “Ich hoffe, dass auch deutsche Universitäten und Unternehmen sich daran beteiligen werden”, so der General Manager der NATOAgentur. Ein fester Programmpunkt ist die Verleihung des AFCEAStudienpreises. Dr.-Ing. Michael Wunder konnte den erster Preis im Wert von 6.000 Euro an Kevin Wilkinghoff für dessen MasterArbeit an der Universität Bonn überreichen.

Erstmals als Schirmherr der Tagung sprach der neue Ober-

desverfassungsgerichts einen sehr weiten Ermessens- und Beurteilungsspielraum aufweisen, ist es möglich, die juristische Kontrolldichte insbesondere auf Willkür und die Nichtbeachtung elementarer Verfahrensvorschriften zu beschränken. Das gesamte Verteidigungsvergaberecht könnte “eingedampft” werden auf wenige Regeln, deren Kernsätze etwa wären: “Für militärische Beschaffungen gemäß EWG-Liste von 1958 gelten die Grundsätze der willkürfreien und sachorientierten Beschaffung bei weitem Ermessens- und Beurteilungsspielraum. Ansonsten gilt weitestgehend Verfahrensgestaltungs- und -änderungsfreiheit der Beschaffungsbehörden.” Nimmt man dann noch evtl. die Mittelstandsförderung hinzu, könnte das Ganze sich auf vier bis sechs Paragrafen beschränken, mit denen dann auch umgegangen werden kann. So ähnlich haben wir jahrzehntelang die Bundeswehr ausgerüstet – und sicher nicht zum Schlechtesten. Die katastrophale Beschaffungslage haben wir heute, sechs Jahre nach (!) Einführung der VSVgV. Es gab Zeiten, da hatte die Bundeswehr z. B. über 3.000 einsatzfähige Kampfpanzer. Merkwürdig: Damals gab es nicht das heute geltende Vergaberecht wie die VSVgV – “honi soit, qui mal y pense”. Also: Ein Plädoyer für das Ende der Totalverrechtlichung der Rüstungsvergabe – und man hoffe nicht auf Mithilfe derer, die hieran politisches oder wirtschaftliches Interesse haben. Wenn man einen Teich leeren will, sollte man nicht die Frösche um ihre Mithilfe bitten. *Karl-Heinz Gimmler ist Fachanwalt für Steuerrecht, Transport- und Speditionsrecht, Spezialanwalt für Kontraktlogistik- und Logistik-Outsourcing-Recht, Lehrbeauftragter und Oberstleutnant d. R. der Bundeswehr sowie Mitglied der Wissenschaftskommission im österreichischen Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV).

bürgermeister der Rhein-MoselStadt, David Langer (SPD), zu den zahlreich erschienen Teilnehmern. Koblenz verstehe sich als IT-Stadt und als “Innovationscluster Mittelrhein”. Deshalb biete sich seine Stadt auch weiterhin als Bundeswehr-Standort an – auch und gerade bei Cyber und IT.


Verteidigung

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Russlands neuer Adel

W

ir haben es mit einer Geheimdienstregierung zu tun, angeführt vom fähigsten Geheimdienstler des Landes, Präsident Wladimir Putin. Die Regierungsgewalt liegt in der vertikalen Machtstruktur, einer Art Befehlskette. Woher rekrutiert sich die Führungsschicht, die in der “Machtvertikalen” die Staatsmacht ausübt? Das Personal entstammt überwiegend den Akademien des Militärs, des Außenministeriums und der Geheimdienste. Die wichtigsten Dienste sind FSB, früher KGB; die Auslandsaufklärung SWR und der Militärgeheimdienst GRU. Der junge Wladimir Putin wurde nach dem Jurastudium in den KGB aufgenommen, von 1998 bis 1999 war er Leiter des Nachfolgers FSB. Der Prozentsatz von Geheimdienstlern in Regierungsfunktionen ist geheim, dürfte aber höher sein als 50 Prozent, ganz sicher in den oberen Rängen. Ein Kenner Russlands wie Walter Laqueur hat sich mit den “Silowiki” befasst, den im In- oder Ausland für KGB/FSB tätigen Funktionären. Seit 2002 stellen sie “Russlands neuen Adel” – mit dem Anspruch, dass ein Geheimdienstler nicht primär für Geld arbeitet, sondern aus Pflichtgefühl, Patriotismus und Idealismus. Das ist zumindest die Theorie. “Seine Offiziere und Veteranen leiten die staatlichen Korporationen, Banken und Industriegiganten, die politischen Parteien und Ministerien. Der russische FSB ist mehr als ein Geheimdienst, er ist ein echter Geheimorden. Das, was den europäischen Freimaurern zugeschrieben wird, hat er verwirklicht”, so der russische Schriftsteller Dmitry Glukhovsky. Zu den Grundprinzipien von

Behörden Spiegel / September 2018

Die Geheimdienstregierung von Moskau (BS/Wolf Poulet) “Russlands neuer Adel” werden die Geheimdienste dort genannt. Im Gegensatz zum KGB der Sowjetunion stehen sie aber nicht unter politischer Kontrolle durch ein Politbüro, sondern die KGB-Nachfolgedienste stellen selbst die Regierung! Die Russische Föderation (RF) ist eine Großmacht besonderer Art. Obgleich sie das größte Territorium aller Staaten besitzt und über immense Ressourcen verfügt, leitet sich ihr Großmachtanspruch primär aus dem militär-strategischen Potenzial ab: ca. 7.000 nukleare Sprengköpfe und moderne konventionelle Streitkräfte. Wie kann man das russische Regierungssystem beschreiben? Geheimdiensten in zentralistisch geführten Staaten gehören Desinformation (d. h. Lüge), Täuschung und Zersetzung. Welche menschlichen Probleme daraus entstehen können, wissen alle, die sich mit der Stasi in Deutschland befasst haben.

Abicherung der Macht Die Staatsführung konzentriert sich auf die Absicherung der Macht, fungiert als Moderator zwischen den verschiedenen Interessengruppen. Zugleich greifen Geheimdienstler auch steuernd in politische Abläufe ein. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet Dr. Dmitri Trenin, seit 2008 der Direktor des Carnegie Moscow Centers (CMC). Ich lernte ihn Anfang der 1990er-Jahre in Moskau kennen, damals beide noch im Rang Oberst. Er wird in russischen Medien als Generalmajor des Militärgeheimdienstes GRU aufgeführt. Als Leiter CMC hat er Elogen auf Präsident Putin verfasst, ebenso kritische Artikel über den ausbleibenden Reform­ ansatz der Regierung. Aktuell erläutert er die russische Sichtweise zu den Ergebnissen von Helsinki auf Facebook und Twitter. Er rät davon ab, dass Präsident Putin in dieser aufgeheizten Atmosphäre die USA besucht, empfiehlt stattdessen “strategische Geduld”. Als kosmopolitischer GRU-General gehört Trenin

Der fähigste Geheimdienstler Russlands: Präsident Wladimir Putin – hier bei den Deutsch-Russischen Gesprächen im August in Meseberg. Foto: BS/Presidential Executive Office of the Russian Federation

vermutlich zu den Top-Beratern der Machtvertikalen.

Geheimdienstliche Hyperaktivität Sicherheitsexperten im Westen warnen, dass russische Geheimdienste Kampfsportvereine nutzen, um potenzielle Unruhestifter in Deutschland und in zahlreichen anderen EU-Ländern anzuwerben. Der US-Senat hat kürzlich gegen zwölf namentlich genannte GRU-Offiziere eine Anklageerhebung erwirkt. Damit zusammenhängend hat das ZDF am 22. August über erfolgreiche Aktivitäten russischer Dienste berichtet, um die Wahlen in den

USA zu beeinflussen. Derartig großangelegte Einflussoperationen sind aufwendig, erfordern jahrelange Planung und können politisch hochriskant sein. Im Verhältnis USA-Russland dürfte trotz russischer “Anfangserfolge” – z. B. durch Platzieren von Einflussagenten in den Vereinigten Staaten – der Ausgang des Kräftemessens noch nicht endgültig entschieden sein.

Nukleare Abschreckung Nicht nur für Europäer, sondern auch weltweit ist das Verständnis der Abschreckungstheorie bei den beiden Inhabern der Kommandogewalt über ca. 95 Prozent

aller Atomwaffen – Trump und Putin – von vitaler Bedeutung. Der russische Präsident sagte in seiner Jahresrede 2018 dazu, “ich hoffe, dass es niemals passiert, aber unsere theoretischen Pläne umfassen einen sogenannten (nuklearen) Vergeltungsschlag. Ja, das wird eine globale Katas­ trophe für die Menschheit und den Planeten sein. Aber als Bürger Russlands und als russischer Präsident frage ich: Wozu brauchen wir eine Welt, in der es kein Russland gibt?” Der Präsident beschreibt hier glaubwürdig die zentrale Logik der nuklearen Abschreckung mit Hinweis auf die “gegenseitig gesicherte nukleare Vernichtung”. Diese Strategie wurde nach Erreichen des nuklearen Gleichgewichts zwischen Sowjetunion und USA in den 1960er-Jahren formuliert. Sie gilt stillschweigend bis heute, ebenso das gegenseitig anerkannte Gleichgewicht (des Schreckens). Eine Abkehr von diesem hochsensi­ blen und zwingend erforderlichen nuklearen Gleichgewicht ist – so kann man nur hoffen – nicht in Sicht. Die Äußerung Präsident Putins unterstützt

diese Annahme. Ein Problem liegt in der Mantra-mäßig publizierten Befürchtung, aus dem Ausland bedroht zu sein. Die Behauptung, die NATO könnte oder wollte Russland angreifen, ist völlig absurd und da­rüber hinaus faktisch unmöglich. Die letzte Invasion Russlands 1941 wurde vom nationalsozialistisch regierten Deutschland mit 3,5 Millionen (!) Soldaten geführt, ohne offizielle Vorwarnung. Analog zu diesem verbrecherischen Überfall konnte Russland sein Trauma aus dieser Schandtat bisher nicht überwinden. Es ist heikel für Deutsche mit historischem Gewissen, dem russischen Nachbarn mit gebotener Empathie vorzuschlagen, den ritualisierten Rückblick auf die siegreiche Vergangenheit herunterzufahren. Vermutlich würden es alle Ökonomen bestätigen: Nur eine interne, von oben geleitete Modernisierung kann Russland den wirtschaftlichen Anschluss an die beiden Weltmächte USA und China ermöglichen. In Deutschland ist die Bereitschaft vor allem bei Unternehmern hoch, sich bei stabileren Investitionsbedingungen und belastbarer Rechtssicherheit in Russland einzubringen.

Wolf Poulet war 30 Jahre Berufssoldat, zuletzt als Oberst im Generalstabsdienst des Heeres. Dieser Tätigkeit entspringen auch Erfahrungen in Russland. Poulet ist Geschäftsführender Direktor einer Internationalen Beratungsfirma mit Schwerpunkt “Governance-Beratung” in Entwicklungsländern. Foto: BS/privat

Grundlinien der militärischen Verteidigung

Auf Abschiedsbesuch

Neue “Konzeption der Bundeswehr” erlassen

General Mercier in Deutschland

(BS/Dr. Gerd Portugall) ) Am 74. Jahrestag des wohl bekanntesten Attentates auf Hitler, d. h. am 20. Juli, hat Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen die “Konzeption der Bundeswehr” (KdB) erlassen. Diese soll als Dachdokument langfristig die Grundlinien der militärischen Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland bestimmen. Die aktuellen Entwicklungslinien der sicherheitspolitischen Lage werden dabei in der KdB für das Verteidigungsressort umgesetzt.

(BS/por) Die Dienstzeit von General Denis Mercier, Supreme Allied Commander Transformation der NATO in Norfolk an der US-Ostküste, nähert sich ihrem Ende. Aus diesem Anlass reist er zurzeit durch Europa, um sich von seinen alliierten Partnern zu verabschieden.

Die KdB versteht sich als militärischer Teil an der Gesamtverteidigungsplanung der Bundesrepublik im In- und Ausland. Dabei befindet sie sich in Wechselwirkung mit den Inhalten der “Konzeption Zivile Verteidigung” (KZV) des Bundesinnenministeriums (BMI) vom August 2016, aber auch mit weiteren Dokumenten der für die Sicherheitsarchitektur Deutschlands verantwortlichen Ressorts. “Die konzeptionelle Dokumentenlandschaft ist die verbindliche Grundlage für konsistente und zukunftssichere planerische Entscheidungen und die Ermittlung des Bedarfs der Bundeswehr zur Aufgabenerfüllung.” So ist es in der KdB nachzulesen. Die entsprechende dokumentarische Operationalisierung setzt sich dabei aus den Bereichen “Strategische Steuerung” sowie “Handlungs- und Leistungsvermögen” zusammen.

Der scheidenden Oberkommandierende des Allied Command Transformation (ACT) der NATO, General Denis Mercier, ist Ende August durch Thomas Silberhorn, den Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verteidigung, verabschiedet worden. Gemeinsam mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, würdigte der Staatssekretär die Verdienste des französischen Vier-Sterne-Generals. Der Veranstaltung am Flugplatz Berlin-Gatow wohnten auch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, sowie der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, bei. Auf Wunsch von General Mercier wurde unter anderem die Titelmelodie der “Star Wars”Filmreihe gespielt. Darauf folgte der Große Zapfenstreich. Dieser ist das höchste militärische Zeremoniell der Bundeswehr. Der Général d’armée aérienne trat 1979 in die französische Luft-

Aufgabenerfüllung im Fokus Die Bundeswehr erfüllt ihre Aufgaben eingebettet in das sicherheitspolitisch vernetzte und synchronisierte Handeln Deutschlands. Dabei folgt sie den im Weißbuch der Bundesregierung vom Juli 2016. festgelegten strategischen Prioritäten. Die deutschen Streitkräfte unterstützten aktiv – national wie international – das sicherheitspolitische Engagement der Bundesregierung. Die Schlussfolgerungen aus dem Weißbuch sowie die sogenannten “Trendwenden” zu der künftigen Ausstattung der Bundeswehr mit Material, Personal und Finanzen sind die

Soll der Truppe – hier die Ministerin und der Generalinspekteur beim Feierlichen Gelöbnis vor dem Bendlerblock am 20. Juli – die Marschrichtung vorgeben: die neue “Konzeption der Bundeswehr”. Foto: BS/Bundeswehr, Sebastian Wilke

Reaktion auf den tiefgreifenden Wandel der Sicherheitslage – in Europa und in der Welt. Die KdB übersetzt den im Weißbuch formulierten Willen Deutschlands zur Übernahme von mehr Verantwortung in der Welt in Vorgaben zum Handeln für die gesamte Bundeswehr. Übergreifendes Ziel ist das Bereitstellen einer einsatzbereiten und bündnisfähigen Bundeswehr, die Fähigkeiten entsprechend einer Nationalen Zielvorgabe besitzt. In der Abfolge der Dokumentenhierarchie wird auf Basis der KdB derzeit im Verteidigungsministerium das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr entwickelt. Dieses wird die qualitativen Vorgaben der jetzigen Konzeption aufgreifen und in einer kontinuierli-

chen Fortschreibung die dazu notwendigen Quantitäten für die Bundeswehr der Zukunft in einer “Nationalen Ambition” für die nächsten Jahre festlegen.

Bedeutung für die wehrtechnische Industrie “Enttäuschend” sei, dass bei der Beschreibung von “Vorgaben zu Gestaltungsbereichen” in Kapitel 6 der KdB “der Bereich Material und Ausrüstung eine klare Linie vermissen lässt, wohingegen Organisation, Personal, Ausbildung und Infrastruktur deutlich profilierter behandelt werden”, so Dr. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), gegenüber dem Behörden Spiegel.

Immerhin möge folgende Passage aus dem Unterpunkt 6.4 (Material und Ausrüstung) “positiv zu werten sein”, so Verbandsvertreter: “Hinsichtlich der sich konsolidierenden europäischen Verteidigungsindustrie wird das BMVg sich mittels einer strategischen Rüstungsindustriepolitik für den Erhalt deutscher Industriekapazitäten einsetzen, die zum Erhalt verteidigungsindustrieller Schlüsseltechnologien erforderlich sind.” Gleichwohl lautete das abschließendes Fazit von Dr. Atzpodien zur KdB: Ein “überzeugendes Bekenntnis zur eigenen Sicherheitsund Verteidigungsindustrie in Zeiten größter Ausrüstungs-Herausforderungen der Bundeswehr müsste nach unserer Auffassung anders aussehen!”

waffe ein und wurde bis 1983 als Kampfpilot ausgebildet. Er flog insbesondere die Muster “Mirage F1C” und “Mirage 2000C”. Insgesamt absolvierte er rund 3.000 Flugstunden, davon 182 in Kampfeinsätzen. Es folgten herausgehobene Verwendungen, unter anderem auch in NATO-Hauptquartieren. General Mercier führte national die französische Luftwaffenakademie in Salon-de-Provence und wurde 2012 Oberbefehlshaber der französischen Luftstreitkräfte. Seit März 2015 ist er Supreme Allied Commander Transformation (SACT).

Als Redner auf der BSC Im vergangenen Jahr referierte General Mercier im Hauptprogramm der Berliner Sicherheitskonferenz (BSC) des Behörden Spiegel. Er sprach über den Bericht “Strategic Foresight Analysis” (SFA) seines Kommandos, der gerade erschienen war. Bereits 2016 hatte er erstmals auf der BSC gesprochen.

NATO-General Denis Mercier spricht auf der Berliner Sicherheitskonferenz 2017. Foto: BS/Dombrowsky


BSC

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145 Top Refenten, u. a.

Dr. Ursula von der Leyen Bundesministerin der Verteidigung

Stef Block Außenmister der Niederlande

Admiral Rob Bauer Befehlshaber der Niederländischen Streitkräfte

Barbara Visser Staatssekretärin im Niederländischen Verteidigungsministerium

Dr. Karin Kneissl Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres von Österreich

Niels Annen MdB Staatsminister beim Bundesminister des Auswärtigen

Benedikt Zimmer Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung

General Eberhard Zorn Generalinspekteur der Bundeswehr

Weitere Informationen und Anmeldung  www.euro-defence.eu Veranstalter

Fotos: Dombrowsky; Bundeswehr 2014, BPA, Kugler; Georges Schneider, BMEIA; privat



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