Behörden Spiegel Januar 2019

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. I / 35. Jg / 3. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / Januar 2019

www.behoerdenspiegel.de

Eine “Montanunion” für KI

Kooperationen ausbauen

Kein Karrierekiller

Armin Laschet über Kooperationen bei Künstlicher Intelligenz......................... Seite 7

Hans-Henning Lühr zur Gestaltung von Verwaltungsabläufen ������ Seite 26

Thomas Gütlein über internationale Polizeimissionen ............... Seite 44

Landkreistag fordert Fortschritte (BS/stb) Der Deutsche Landkreistag (DLT) fordert zügigen Fortschritte von der Kommission “Gleichwertige Lebensverhältnisse”. Um steigenden finanziellen Anforderungen gerecht zu werden, solle der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer erhöht werden. Die Verteilung solle nicht nach Wirtschaftskraft, sondern nach Bedarf erfolgen. Eine größere Eigenverantwortung der Kommunen bei der Förderpolitik möchte der DLT mit Regionalbudgets ermöglichen.

Mittel bündeln (BS/mfe) Im neuen Finanzrahmen der Europäischen Union (EU) ab 2021 sollten die Mitgliedsstaaten die Finanzmittel für die Entwicklungshilfe im Brüsseler Haushalt zusammenfassen. Dieser Ansatz würde die bisherige Zersplitterung in diesem Bereich beenden und die Nationen entsprechend ihres jeweiligen Wohlstandes an der Finanzierung dieses Politikfeldes beteiligen. Gesteuert werden sollte die EU-Entwicklungshilfe in den Empfängerländern zudem durch sogenannte “Lead-Staaten”, wird in einer Studie des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und der Bertelsmann Stiftung vorgeschlagen. Das seien Nationen, die etwa aufgrund der Sprache oder aus historischen Gründen besondere Verbindungen mit bestimmten Empfängerländern hätten.

Neue Themenfelder definiert (BS/rup/mfe) Experten der Bundespolizeidirektion 11, in der inzwischen alle Sondereinheiten zusammengefasst sind, haben im Anti-Terror-Kampf drei neue Herausforderungen ausgemacht. Dazu gehöre zum einen die “großtaktische Medizin”. Dies bedeute, dass die Einsatzkräfte in einem Terrorfall dafür ausgebildet sein müssten, massenhaft Verletzte zu versorgen, eigene Kräfte medizinisch zu betreuen, aber im polizeilichen Sinne letztlich auch die Attentäter medizinisch zu versorgen. Des Weiteren habe man eine Sondereinheit gebildet, die sich dem Thema Drohnen widme. Das dritte Feld ist ein Spezialkommando, das bisher traditionell unter dem Thema “Entschärfung” lief. Die einzelnen Bundespolizeidirektionen verfügen hier über Kapazitäten, die nun gebündelt werden sollen. Die Mitarbeiter sollen insbesondere darin geschult werden, Sprengsätze zu entschärfen, die eventuell chemische oder biologische Stoffe zur Entzündung bringen sollen. Dazu würden mittlerweile ausgesuchte Beamte der GSG 9 und anderer Spezialeinheiten beim Robert Koch-Institut in Berlin geschult, berichtete der Präsident der Direktion 11, Olaf Lindner.

Zwischen Diskretion und Denunziation Keine technische, sondern eine kulturelle Herausforderung (BS/R. Uwe Proll) Nachdem persönliche Daten von 1.000 Menschen durch einen Amateur öffentlich gemacht wurden, herrscht große Aufregung. Die Sicherheitsbehörden sollten mehr tun, genauer hinschauen und mehr “sichern”. Doch das haben sie getan. Die veröffentlichte Datensammlung in Zeiten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung zeigt den Anachronismus zwischen Anspruch der Legislative und Verhaltenswirklichkeit der Nutzer in der digitalen Kommunikationswelt. Zusammengetragen hatte ein Schüler offen zugängliche Daten oder durch frühere Hacks bereits veröffentlichte. Vielleicht hat er auch welche erworben. Also keine aufwendige CyberAttacke. Im Straßenverkehr gilt für Autofahrer Anschnallpflicht, doch die Polizei kann nicht jeden Autofahrer kontrollieren, ausgeschlossen. Sensibilisierung und akustische Warnhinweise helfen weitestgehend. Haftungsregeln gelten aber für Hersteller, ebenso wie Bußgelder für die Nutzer bei Nichteinhalten von SicherheitsvorIm Digitalen ist das Verhältnis zwischen Diskretion und Denunziation neu zu bestimmen und schriften. Zudem gibt es eine Führerscheinpflicht. All dies sind Datenschutz. Schon die Zahl der Denunziation auf Papier. Der akInstrumentarien, die in die Vorschriften zu diesen Themen tuelle “Datenskandal” zeigt, dass digitale Kommunikationswelt gewichtet den Datenschutz an- hier weniger ein technisches übertragen werden könnten. dersherum prioritär. Ausspähen Problem, sondern ein kulturelDoch nichts davon existiert: Für von kompromittierenden Infor- les vorliegt. Die Verrohung der Lücken in der Software haften mationen und deren Veröffent- (politischen) Kommunikation nicht die Hersteller, für Com- lichung sind auch im Analogen findet im Netz nur ihre digitale puter- und Netznutzer gelten bekannt. Die digitale Welt hat bei Verstärkung. Das Verhältnis keine Regeln, die verpflichtend solchem Missbrauch jedoch eine zwischen Diskretion und Denuneinzuhalten wären – außer Da- immens verstärkende Wirkung, ziation gilt es daher im Digitalen tenschutzrecht. Doch der ak- mehr Menschen lassen sich per neu zu bestimmen und auszutatuelle Fall zeigt, dass IT- und Klick erreichen, mehr Daten aus rieren. Auch Transparenz muss Datensicherheit nicht nur als ein unzähligen Quellen zusammen- Grenzen haben. Staatliches und Hebel für Datenschutz begriffen tragen und das mit einem hohen behördliches Handeln benötigen werden dürfen, sondern diesem Anonymisierungspotenzial für zwingend auch Diskretion. Nicht voran gestellt werden müssen. die Täter. Der digitale Pranger jeder “Whistleblower” verfolgt Der Datensicherheit folgt der entfaltet mehr Wirkung als eine ein demokratisch legitimes Ziel,

auszutarieren. Foto: BS/© Jeanette Dietl; Kitty, stock.adobe.com

auch hier sind die Grenzen zwischen Spionage und digitalem Pranger einerseits und berechtigtem Informationsbedürfnis andererseits fließend. Der gesellschaftliche Diskurs beginnt erst jetzt. Was soll und darf eine Behörde vom Bürger an persönlichen Informationen digital abfragen? Kann sie vertrauliche Transportwege und sichere Speicherung garantieren? Was stellt der Bürger selbst in die Online-Welt? Die Diskussion um Risiken und Folgen einer nicht gewollten Veröffentlichung muss vollumfänglich erst noch

geführt werden. Der GrünenVorsitzende Robert Habeck geht zwar einen ungewöhnlichen Weg, wenn er sich aus dem Netz verabschiedet, aber er leistet einen starken Anstoß auch für eine ethische Diskussion. Jahrelang galt der Primat der Transparenz, alles was es an Daten gibt, muss öffentlich gemacht werden, als sei reine Öffentlichkeit an sich ein Lebenselexier der Demokratie. Dass Diskretion und Vertraulichkeit das Geschwisterpaar der Verlässlichkeit ist, wurde ausgeblendet. Doch wer Indiskretion als per se demokratisch huldigt, darf sich über die folgende Denunziation nicht ernsthaft beklagen. Der Behörden Spiegel greift den Diskurs auf und wird am 20. Februar 2019 auf dem Europäischen Polizeikongress (www. europaeischer-polizeikongress. de) das Thema: “Geheimhaltung vs. öffentliches Interesse” mit “Enthüllungsjournalisten” und Polizeiführern diskutieren. Ob der digitale Kommunikationsraum die Demokratie gefährded oder sie unterstützt, wird auf dem Digitalen Staat (2. April 2019 im Kosmos Berlin, www. digitaler-staat.org) mit den Generalsekretären und netzpolitischen Sprechern der politischen Parteien diskutiert. (siehe auch Seite 5)

Kommentar

Das Dilemma der zwei Statusgruppen (BS) Jedes Tarifergebnis soll auf die Beamten nicht nur zeit-, sondern auch inhaltsgleich übertragen werden. Je höher dabei die lineare Erhöhung, desto höher kann auch die Besoldungserhöhung für die Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden ausfallen. Anders: Je mehr strukturelle Änderungen für die Tarifangestellten vereinbart werden, desto geringer die Besoldungserhöhung. Die strukturellen Veränderungen im Tarifbereich müssen sein. Vor allem im kommunalen Bereich, dessen Beschäftigte zu knapp 88 Prozent aus Angestellten bestehen. Doch auch bei Bund und Ländern sind sie mit rund 30 Prozent beziehungsweise 47 Prozent eine zahlenmäßig beeindruckende Gruppe. Von daher tuen die Gewerkschaften gut daran, nicht nur auf lineare Erhöhungen zu setzen. Aber: Änderungen innerhalb der Entgeltordnung oder eine neue Entgeltordnung zum Beispiel für Lehrer (Lehrer-Entgeltordnung, L-EGO) oder selbst die Anhebung von Ausgleichstagen für Schichtund Wechselschichtdienst sind mit Mehrkosten verbunden, die vom linearen Ergebnis abgezogen werden. Allein die Einführung der

L-EGO hätte 2015 nur für die Lehrer eine Entgelterhöhung von 0,3 Prozent bedeutet. Umgerechnet auf alle Tarifbeschäftigten der Länder von 0,1 Prozent. Diese Kosten werden in das Ergebnis eingepreist. Und nicht alles lässt sich auf die Beamtenschaft übertragen. Zu viel Strukturelles schade letztlich den Beamten. Hinzu kommt, dass die Tarifabschlüsse nur selten eins zu eins übernommen werden. Die Liste der regelmäßigen Vorreiter ist kurz: der Bund und Bayern. Letzteres hat die zeit- und inhaltsgleiche Übernahme im Koalitionsvertrag festgeschrieben, ebenso wie Hessen. Ein Dilemma für die Interessenvertretungen, die sowohl Beamte als auch Tarifbeschäftigte in ihren Reihen haben. Zu vielen

Forderungen, Einsatz und Erfolg für die eine Seite folgt Missmut auf der anderen Seite. Schon jetzt melden sich Stimmen innerhalb des DBB Beamtenbunds und Tarifunion, die mit Blick auf die Übertragung des Ergebnisses auf die Beamten noch höhere lineare Ergebnisse sehen wollen. Das ist der falsche Weg. Viel eher sollten die Interessenvertreter sich mehr engagieren, die Strukturen im Beamtenbereich zu verbessern: etwa bei der Aufhebung der abgesenkten Eingangsbesoldung oder beim Weihnachtsgeld. Eines aber sollte unbedingt im Blick behalten werden: Beide Statusgruppen sind nicht in allen Details vergleichbar. Es wird immer Unterschiede geben. Jörn Fieseler

25. Mai: Parlamentsenterei


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