Behörden Spiegel Januar 2019

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. I / 35. Jg / 3. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / Januar 2019

www.behoerdenspiegel.de

Eine “Montanunion” für KI

Kooperationen ausbauen

Kein Karrierekiller

Armin Laschet über Kooperationen bei Künstlicher Intelligenz......................... Seite 7

Hans-Henning Lühr zur Gestaltung von Verwaltungsabläufen ������ Seite 26

Thomas Gütlein über internationale Polizeimissionen ............... Seite 44

Landkreistag fordert Fortschritte (BS/stb) Der Deutsche Landkreistag (DLT) fordert zügigen Fortschritte von der Kommission “Gleichwertige Lebensverhältnisse”. Um steigenden finanziellen Anforderungen gerecht zu werden, solle der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer erhöht werden. Die Verteilung solle nicht nach Wirtschaftskraft, sondern nach Bedarf erfolgen. Eine größere Eigenverantwortung der Kommunen bei der Förderpolitik möchte der DLT mit Regionalbudgets ermöglichen.

Mittel bündeln (BS/mfe) Im neuen Finanzrahmen der Europäischen Union (EU) ab 2021 sollten die Mitgliedsstaaten die Finanzmittel für die Entwicklungshilfe im Brüsseler Haushalt zusammenfassen. Dieser Ansatz würde die bisherige Zersplitterung in diesem Bereich beenden und die Nationen entsprechend ihres jeweiligen Wohlstandes an der Finanzierung dieses Politikfeldes beteiligen. Gesteuert werden sollte die EU-Entwicklungshilfe in den Empfängerländern zudem durch sogenannte “Lead-Staaten”, wird in einer Studie des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und der Bertelsmann Stiftung vorgeschlagen. Das seien Nationen, die etwa aufgrund der Sprache oder aus historischen Gründen besondere Verbindungen mit bestimmten Empfängerländern hätten.

Neue Themenfelder definiert (BS/rup/mfe) Experten der Bundespolizeidirektion 11, in der inzwischen alle Sondereinheiten zusammengefasst sind, haben im Anti-Terror-Kampf drei neue Herausforderungen ausgemacht. Dazu gehöre zum einen die “großtaktische Medizin”. Dies bedeute, dass die Einsatzkräfte in einem Terrorfall dafür ausgebildet sein müssten, massenhaft Verletzte zu versorgen, eigene Kräfte medizinisch zu betreuen, aber im polizeilichen Sinne letztlich auch die Attentäter medizinisch zu versorgen. Des Weiteren habe man eine Sondereinheit gebildet, die sich dem Thema Drohnen widme. Das dritte Feld ist ein Spezialkommando, das bisher traditionell unter dem Thema “Entschärfung” lief. Die einzelnen Bundespolizeidirektionen verfügen hier über Kapazitäten, die nun gebündelt werden sollen. Die Mitarbeiter sollen insbesondere darin geschult werden, Sprengsätze zu entschärfen, die eventuell chemische oder biologische Stoffe zur Entzündung bringen sollen. Dazu würden mittlerweile ausgesuchte Beamte der GSG 9 und anderer Spezialeinheiten beim Robert Koch-Institut in Berlin geschult, berichtete der Präsident der Direktion 11, Olaf Lindner.

Zwischen Diskretion und Denunziation Keine technische, sondern eine kulturelle Herausforderung (BS/R. Uwe Proll) Nachdem persönliche Daten von 1.000 Menschen durch einen Amateur öffentlich gemacht wurden, herrscht große Aufregung. Die Sicherheitsbehörden sollten mehr tun, genauer hinschauen und mehr “sichern”. Doch das haben sie getan. Die veröffentlichte Datensammlung in Zeiten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung zeigt den Anachronismus zwischen Anspruch der Legislative und Verhaltenswirklichkeit der Nutzer in der digitalen Kommunikationswelt. Zusammengetragen hatte ein Schüler offen zugängliche Daten oder durch frühere Hacks bereits veröffentlichte. Vielleicht hat er auch welche erworben. Also keine aufwendige CyberAttacke. Im Straßenverkehr gilt für Autofahrer Anschnallpflicht, doch die Polizei kann nicht jeden Autofahrer kontrollieren, ausgeschlossen. Sensibilisierung und akustische Warnhinweise helfen weitestgehend. Haftungsregeln gelten aber für Hersteller, ebenso wie Bußgelder für die Nutzer bei Nichteinhalten von SicherheitsvorIm Digitalen ist das Verhältnis zwischen Diskretion und Denunziation neu zu bestimmen und schriften. Zudem gibt es eine Führerscheinpflicht. All dies sind Datenschutz. Schon die Zahl der Denunziation auf Papier. Der akInstrumentarien, die in die Vorschriften zu diesen Themen tuelle “Datenskandal” zeigt, dass digitale Kommunikationswelt gewichtet den Datenschutz an- hier weniger ein technisches übertragen werden könnten. dersherum prioritär. Ausspähen Problem, sondern ein kulturelDoch nichts davon existiert: Für von kompromittierenden Infor- les vorliegt. Die Verrohung der Lücken in der Software haften mationen und deren Veröffent- (politischen) Kommunikation nicht die Hersteller, für Com- lichung sind auch im Analogen findet im Netz nur ihre digitale puter- und Netznutzer gelten bekannt. Die digitale Welt hat bei Verstärkung. Das Verhältnis keine Regeln, die verpflichtend solchem Missbrauch jedoch eine zwischen Diskretion und Denuneinzuhalten wären – außer Da- immens verstärkende Wirkung, ziation gilt es daher im Digitalen tenschutzrecht. Doch der ak- mehr Menschen lassen sich per neu zu bestimmen und auszutatuelle Fall zeigt, dass IT- und Klick erreichen, mehr Daten aus rieren. Auch Transparenz muss Datensicherheit nicht nur als ein unzähligen Quellen zusammen- Grenzen haben. Staatliches und Hebel für Datenschutz begriffen tragen und das mit einem hohen behördliches Handeln benötigen werden dürfen, sondern diesem Anonymisierungspotenzial für zwingend auch Diskretion. Nicht voran gestellt werden müssen. die Täter. Der digitale Pranger jeder “Whistleblower” verfolgt Der Datensicherheit folgt der entfaltet mehr Wirkung als eine ein demokratisch legitimes Ziel,

auszutarieren. Foto: BS/© Jeanette Dietl; Kitty, stock.adobe.com

auch hier sind die Grenzen zwischen Spionage und digitalem Pranger einerseits und berechtigtem Informationsbedürfnis andererseits fließend. Der gesellschaftliche Diskurs beginnt erst jetzt. Was soll und darf eine Behörde vom Bürger an persönlichen Informationen digital abfragen? Kann sie vertrauliche Transportwege und sichere Speicherung garantieren? Was stellt der Bürger selbst in die Online-Welt? Die Diskussion um Risiken und Folgen einer nicht gewollten Veröffentlichung muss vollumfänglich erst noch

geführt werden. Der GrünenVorsitzende Robert Habeck geht zwar einen ungewöhnlichen Weg, wenn er sich aus dem Netz verabschiedet, aber er leistet einen starken Anstoß auch für eine ethische Diskussion. Jahrelang galt der Primat der Transparenz, alles was es an Daten gibt, muss öffentlich gemacht werden, als sei reine Öffentlichkeit an sich ein Lebenselexier der Demokratie. Dass Diskretion und Vertraulichkeit das Geschwisterpaar der Verlässlichkeit ist, wurde ausgeblendet. Doch wer Indiskretion als per se demokratisch huldigt, darf sich über die folgende Denunziation nicht ernsthaft beklagen. Der Behörden Spiegel greift den Diskurs auf und wird am 20. Februar 2019 auf dem Europäischen Polizeikongress (www. europaeischer-polizeikongress. de) das Thema: “Geheimhaltung vs. öffentliches Interesse” mit “Enthüllungsjournalisten” und Polizeiführern diskutieren. Ob der digitale Kommunikationsraum die Demokratie gefährded oder sie unterstützt, wird auf dem Digitalen Staat (2. April 2019 im Kosmos Berlin, www. digitaler-staat.org) mit den Generalsekretären und netzpolitischen Sprechern der politischen Parteien diskutiert. (siehe auch Seite 5)

Kommentar

Das Dilemma der zwei Statusgruppen (BS) Jedes Tarifergebnis soll auf die Beamten nicht nur zeit-, sondern auch inhaltsgleich übertragen werden. Je höher dabei die lineare Erhöhung, desto höher kann auch die Besoldungserhöhung für die Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden ausfallen. Anders: Je mehr strukturelle Änderungen für die Tarifangestellten vereinbart werden, desto geringer die Besoldungserhöhung. Die strukturellen Veränderungen im Tarifbereich müssen sein. Vor allem im kommunalen Bereich, dessen Beschäftigte zu knapp 88 Prozent aus Angestellten bestehen. Doch auch bei Bund und Ländern sind sie mit rund 30 Prozent beziehungsweise 47 Prozent eine zahlenmäßig beeindruckende Gruppe. Von daher tuen die Gewerkschaften gut daran, nicht nur auf lineare Erhöhungen zu setzen. Aber: Änderungen innerhalb der Entgeltordnung oder eine neue Entgeltordnung zum Beispiel für Lehrer (Lehrer-Entgeltordnung, L-EGO) oder selbst die Anhebung von Ausgleichstagen für Schichtund Wechselschichtdienst sind mit Mehrkosten verbunden, die vom linearen Ergebnis abgezogen werden. Allein die Einführung der

L-EGO hätte 2015 nur für die Lehrer eine Entgelterhöhung von 0,3 Prozent bedeutet. Umgerechnet auf alle Tarifbeschäftigten der Länder von 0,1 Prozent. Diese Kosten werden in das Ergebnis eingepreist. Und nicht alles lässt sich auf die Beamtenschaft übertragen. Zu viel Strukturelles schade letztlich den Beamten. Hinzu kommt, dass die Tarifabschlüsse nur selten eins zu eins übernommen werden. Die Liste der regelmäßigen Vorreiter ist kurz: der Bund und Bayern. Letzteres hat die zeit- und inhaltsgleiche Übernahme im Koalitionsvertrag festgeschrieben, ebenso wie Hessen. Ein Dilemma für die Interessenvertretungen, die sowohl Beamte als auch Tarifbeschäftigte in ihren Reihen haben. Zu vielen

Forderungen, Einsatz und Erfolg für die eine Seite folgt Missmut auf der anderen Seite. Schon jetzt melden sich Stimmen innerhalb des DBB Beamtenbunds und Tarifunion, die mit Blick auf die Übertragung des Ergebnisses auf die Beamten noch höhere lineare Ergebnisse sehen wollen. Das ist der falsche Weg. Viel eher sollten die Interessenvertreter sich mehr engagieren, die Strukturen im Beamtenbereich zu verbessern: etwa bei der Aufhebung der abgesenkten Eingangsbesoldung oder beim Weihnachtsgeld. Eines aber sollte unbedingt im Blick behalten werden: Beide Statusgruppen sind nicht in allen Details vergleichbar. Es wird immer Unterschiede geben. Jörn Fieseler

25. Mai: Parlamentsenterei


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Januar 2019

Für ein reibungsloses und effektives Agieren des Öffentlichen Dienstes müssen mehrere Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden. Gefragt sind hier zahlreiche unterschiedliche Akteure von verschiedenen staatlichen Ebenen. Foto: BS/©jcomp, stock.adobe.com

Miteinander, nicht gegeneinander Sorgen ernst nehmen

Talentmanagement

Kooperation vertieft

Portalverbund verschiebt föderale Strukturen .......... Seite 5

Ein Blick in gelebte Zukunft ...................................... Seite 31

THW-Helfer in NRW sollen mehr Rechtssicherheit erhalten ............................... Seite 40

Trocken mit Aussicht auf Käfer und Waldbrand

Kristallisationspunkt für die IT-Sicherheit

Bedrohte Kommunalwälder und erste Gegenmaßnahmen ........................................ Seite 20

Neues bayerisches Landesamt als Kompetenzzentrum ..............................................Seite 33

Bei IT-Trends vorne mitspielen

Neuer Ansatz in Nordrhein-Westfalen

NRW-Digitalminister Pinkwart hat große Pläne für sein Land ........................................................... Seite 24

Ressortübergreifende Einheit gegen Terrorismusfinanzierung eingerichtet .............Seite 38

Rüstungsentwicklung und -beschaffung Großvorhaben der Bundeswehr ............................. Seite 42

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Digitale Kongresslandschaft entdecken Behörden Spiegel setzt auf Online-Angebot (BS/har) Wer sich über die Kongresslandschaft des Behörden Spiegel im Netz informieren möchte, kann dies auch auf dem YouTube-Kanal tun. Hintergrundwissen aus den Veranstaltungen wird hier in Bewegtbildern vermittelt. Außerdem ist seit Kurzem der neue Web-Auftritt des Netzwerkes Digitaler Staat abrufbar. Auf dem Kongress werden am 2. und 3. April die Themenkanäle “Digitale Staatskunst”, “Digitale Wirtschaft” und “Digitale Daseinsvorsorge” für den Öffentlichen Dienst diskutiert. Vorjahren aufrufbar und steht zum kostenlosen Download bereit. Das Wirtschafts- und Beratungsunternehmen Prognos AG hat in der aktuellen Studie “Neue Arbeits- und Steuerungsformen für die öffentliche Verwaltung 2030” ins Auge gefasst, um Impulse für den effizienten Weg zur digitalen Organisation zu setzen.

Der YouTube-Kanal präsentiert die großen Kongresse des Behörden Spiegel in Bild und Ton. Neben den Videos zum Europäischen Polizeikongress und der Berliner Sicherheitskonferenz werden auf dem Account die Zukunftsfelder Digitalisierung und IT-Sicherheit ausführlich behandelt.

Multimediale Themenvielfalt Die Clips zum Netzwerk Digitaler Staat und der PublicIT-Security (PITS) beschäftigen sich insbesondere mit der Digitalisierung des Öffentlichen Dienstes und den Anforderungen an Datensicherheit und Datenschutz. Den internationalen Katastrophenschutz greift der Europäische Katastrophenschutzkongress multiperspektivisch in seinen Mitschnitten auf. Terrorlagen, Naturkatastrophen und Ernstfälle, die den Kontinent erschüttern, werden von Fachleuten spezifisch analysiert. Zu allen Konferenzen werden namhafte Experten aus Behörde, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft interviewt sowie Fachforen und Podiumsdiskussionen multimedial vorgestellt. Die Nutzung des YouTube-Kanals ist selbsterklärend. Anhand von

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Harbeke Foto 2: BS/Die Senatorin für Finanzen, Freie Hansestadt Bremen Foto 3: BS/Feldmann

Hintergrundwissen zum pulsierenden Messegeschehen des Behörden Spiegel kann sowohl auf dem YouTube-Kanal als auch der Homepage www.digitaler-staat.org von den Usern eingefangen werden. Screenshots: BS/Liesegang

Playlists kann sich der User bequem durch das Online-Angebot klicken und die Videos einer konkreten Bewertung durch Kommentierung und Likes unterziehen. Außerdem wartet das Netzwerk Digitaler Staat mit einem neuen Webgewand auf. Auf der Startseite werden die Highlights hervorgehoben. Neben dem facettenreichen Programm, das ganz auf die Digitalisierung des Öffentlichen Dienstes zugeschnitten ist, werden die Topredner, wie die Staatsministerin für Digitales und Schirmherrin des Digitalen Staates, Dorothee Bär (CSU), vorgestellt. Neben Zahlen, Daten und Fakten liefert die Website der Veranstaltung Informatives zur Historie des Kongresses, der im vergangenen Jahr 1.400 Experten aus Behörde, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft anziehen konnte. Mittlerweile ist der Digitale Staat

eine eingetragene Marke. Wie es dazu kam, wird auf der Homepage beschrieben. Wer sich beim Netzwerk Digitaler Staat anmelden oder den Veranstalter zu etwaigen Anliegen kontaktieren möchte, findet auf der Website ebenfalls alle relevanten Nummern und Adressen.

Galerien und Trends Die cineastische Kulisse des Austragungsortes, des Kosmos

Berlin, wird genauso wie das pulsierende Messegeschehen in Bildergalerien vorgestellt. Ein virtueller “Rundgang” durch die Fachausstellung, das Foyer sowie die Konferenzsäle vermitteln die Atmosphäre der Digitalisierung des Public Sectors. Der Twitter-Auftritt @digitaler_staat ist in die Homepage eingebettet, sodass der User täglich mit News versorgt wird. Außerdem ist der Trendreport aus dem Jahr 2018 und den

Ausweitung des Formates Die Websites des Behörden Spiegel werden kontinuierlich einer Frischzellenkur unterzogen und aktualisiert. Auch die Homepage des Europäischen Polizeikongresses, der am 19. und 20. Februar 2019 in Berlin stattfindet, wird im neuen Format vorgestellt. 160 Referenten und über 100 Austeller werden den 22. Europäischen Polizeikongress mit ihrem Know-how rund um das Konferenz-Motto “Fokus Europa: Migration – Integration – Sicherheit” bereichern.

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 30/2019, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG IBAN= DE25380601863015647018, BIC=GENODED1BRS; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Januar 2019

Neues und nachzuzeichnende Neuerungen Duale Ausbildung tarifieren / Fokus auf Pflege / Start noch im Januar (BS/Jörn Fieseler) Bei den anstehenden Tarifverhandlungen erwarten beide Seiten harte Verhandlungen. Schließlich geht es nicht nur um eine deutliche Lohnsteigerung, sondern auch um kostenintensive strukturelle Änderungen. Dabei gilt es, zwischen Forderungen und Erwartungen klar zu trennen. Der Ausgang ist völlig ungewiss. Nicht nur mit Blick auf das Ergebnis. “Sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat”, nannte Frank Bsirske, Bundesvorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) die zentrale Tarifforderung für die anstehende Runde mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Genau die gleiche Erhöhung hatte er in der letzten Tarifrunde mit Bund und Kommunen verkündet. Vor allem der Mindestbetrag sorgt für Aufsehen, da er bis in die zweistelligen Entgeltgruppen hineinwirkt (siehe Tabelle). Zudem bedeute dieser Mindestbetrag umgerechnet eine lineare Erhöhung von über zehn Prozent in allen Stufen der Entgeltgruppe eins (EG 1). In der EG 1, Stufe zwei sind es sogar 11,13 Prozent. Und auch in der Entgeltgruppe acht (EG 8) bedeutet dieser Mindestbetrag noch eine Erhöhung zwischen 6,04 Prozent (Stufe 6) und 7,74 Prozent (Stufe 1). “Die Forderung ist völlig angemessen, schließlich müsse die Beschäftigten im Landesdienst den Anschluss an die Kollegen in Bund und Kommunen halten”, unterstrich Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des DBB Beamtenbunds und Tarifunion. Es gebe einen Nachholbedarf von über vier Prozent, ergänzt Wolfgang Pieper, Verdi-Bereichsleiter für Bund, Länder und Gemeinden.

Über acht Mrd. Euro Kosten Dem entgegnete der neue Verhandlungsführer, Berlins Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz (SPD): “Eine solche Lohnerhöhung bei einer Inflationsrate von zwei Prozent ist völlig überzogen.” Einerseits blieben die Steuereinnahmen zwar stabil, für einen Abschwung gebe es aber erste Anzeichen. Kollatz folgte damit den Äußerungen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), der ebenfalls auf ein Abflauen der Konjunktur hingewiesen hatte. Zudem zeichneten sich internationale Handelskonflikte ab, die gerade das Exportland Deutschland unverhältnismäßig stark treffen könnten. Andererseits befänden sich die Länder angesichts der Schuldenbremse, die 2020 greift, weiterhin im Bereich der Haushaltskonsolidierung. Dieser Prozess dürfe nicht durch übertrieben hohe Lohnabschlüsse gefährdet werden. Schließlich bedeute allein diese Forderung für die Länder zusätzliche Ausgaben von 2,7 Mrd. Euro pro Jahr. Bei einer Übertragung auf die Beamten müssten sogar mehr als acht Mrd. Euro veranschlagt werden. Dies sind für die Arbeitnehmervertreter keine Argumente. Laut Steuerschätzung vom November 2018 wird der Steuerüberschuss für 2018 rund 55 Mrd. Euro betragen. Auch für 2019 und 2020 seien weiterhin hohe Überschüsse von 38 bis 41 Mrd. Euro zu erwarten. Dabei sollen die Steuereinnahmen der Länder 2019 um 2,7 Prozent steigen und im nächsten Jahr um 5,7 Prozent. Entsprechend der Prognosen sollen die Länder 2023 sogar mehr Steuergelder erhalten (380 Mrd. Euro) als der Bund (377 Mrd. Euro). Des Weiteren soll die Pflegetabelle zusätzlich um 300 Euro

angehoben werden. Und auch die Auszubildendenentgelte sollen um 100 Euro steigen. Zudem soll die Vorschrift zur Übernahme von Auszubildenden nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung wieder in Kraft gesetzt werden und neue tarifliche Regelungen über Ausbildungsbedingungen von Studierenden in ausbildungsund praxisintegrierten dualen Studiengängen erarbeitet und verabschiedet werden. Arbeitnehmer und Bewerber schauen sehr genau hin, was der Arbeitgeber ihnen anbietet. Entsprechend sollte der Öffentliche Dienst sich vom Befristungsweltmeister zum Vorreiter bei der Abschaffung wandeln. “Beschäftigte mit befristeten Verträgen sind zu Recht latent abwehrbereit”, so Silberbach. Doch Bund, Länder und Kommunen könnten es sich überhaupt nicht mehr leisten, Fachkräfte aufwendig auszubilden, nur um sie anschließend an die besser bezahlende Privatwirtschaft zu verlieren.

Auswirkungen des Mindestbetrages

Neben den Forderungen haben die Gewerkschaften auch Erwartungen an die Arbeitgeber. Im Unterschied zu den oben genannten dürfen diese jedoch nicht erstreikt werden, erläuterte Pieper. Grund ist ein fast zweieinhalb Jahre altes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Demnach können die Beschäftigten nur zu den Bestandteilen des Tarifvertrages streiken, die vorher gekündigt worden sind. Für nicht gekündigte Bestandteile des Tarifvertrags gilt weiterhin die Friedenspflicht (BAG, 26.07.2016, 1 AZR 160/14). Zu diesen Erwartungen zählen weitere Verbesserungen in der Entgeltordnung (EGO). Diese ist 2012 als erste EGO verabschiedet worden, bevor 2014 die EGOBund und 2016 die EGO für die Kommunen vereinbart wurde. In den vergangenen sechs Jahren sind nun bei den anderen beiden Entgeltordnungen Details geregelt worden, die bei den Ländern fehlen und jetzt nachgezeichnet

1

2

3

4

5

6

E 15 Ü

332,13

368,65

403,31

426,05

431,64

---

E 15

263,93

292,62

303,43

341,82

370,89

382,02

E 14

238,96

265,04

280,32

303,43

338,84

349,00

---

244,55

257,59

303,43

338,84

349,00

E 13

220,32

244,55

257,59

282,93

317,97

327,50

E 12

198,57

219,20

249,76

276,60

311,26

320,60

E 11

192,14

211,38

226,66

249,76

283,31

291,81

E 10

185,35

204,03

219,20

234,48

263,55

271,46

E 9

164,99

181,78

190,35

213,61

232,99

239,98

E 9 klein 164,99

181,78

190,35

213,61

220,02

----

E 8

154,99

170,71

177,85

184,64

192,14

196,78

E 7

145,71

160,35

169,99

177,14

182,85

187,85

E 6

143,21

157,49

164,64

171,78

176,42

181,42

E 5

137,49

151,06

158,21

164,99

170,35

173,92

E 4

131,06

144,28

153,21

158,21

163,21

166,42

E 3

129,28

142,13

145,71

151,42

156,06

159,99

123,92

136,06

140,71

146,42

150,35

153,56

E 2

119,99

131,78

135,35

138,92

147,13

155,71

E 1

---

107,85

109,63

111,77

113,92

119,28

E 13 Ü

Zwischen Forderung und Erwartung

Erfahrungsstufe

Entgeltgruppe

E2Ü

Kommt der Mindestbetrag von 200 Euro, wirkt er für alle blau markierten Entgeltgruppen und -stufen und bringt einen höheren Gehaltszuwachs.

Quelle: BS/eigene Berechnungen auf der Grundlage der aktuellen Entgelttabelle des TV-L

werden sollen. Dazu gehört vor allem eine Neugliederung der Entgeltgruppe neun (EG 9), in der die meisten Beschäftigten eingruppiert seien. Diese soll wie bei Bund und Kommunen in eine EG 9a (frühere “kleine EG 9”), eine EG 9b (frühere “große EG 9”) und eine EG 9c unterteilt werden. Letztere ermöglicht durch neue Tätigkeitsmerkmale eine Heraushebung aus der EG 9b. Zudem sollen Höhergruppierungen künftig stufengleich erfolgen, wie Pieper gegenüber dem Behörden Spiegel ausführte. Außerdem sollen die EG 4 und EG 7 für Angestelltentätigkeiten geöffnet werden. Bislang enthalten sie nur Tätigkeitsmerkmale für Arbeiter. Und letztlich soll

die EG 15 Ü in eine EG 16 umgewandelt werden, da die Länder in diese Entgeltgruppe immer noch neue Eingruppierungen vornähmen.

Neue Entgeltordnungen im Länderbereich Des Weiteren erwarten die Gewerkschaften, dass die TdL sowohl die Pflegetabelle aus dem Tarifvertrag mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber (TVVKA) übernimmt als auch die Tabelle für den Sozial- und Erziehungsdienst. Letztere ist vor allem für Sozialarbeiter und Erzieher in Berlin und Hamburg, aber auch für die thüringischen Landesbediensteten in den Horten relevant. Die TdL hat bereits

signalisiert, diesen Schritt beim Sozial- und Erziehungsdienst zu vollziehen, allerdings nur, wenn dafür die bisherigen Zulagen abgeschafft würden. Und auch der Einstieg in eine Paralleltabelle zur Lehrerentgeltordnung steht auf der Agenda. Jeder Besoldungsgruppe soll die numerisch identische Entgeltgruppe zugewiesen werden (A13 = E13, A12 = E12 usw.). Bisher erfolge diese Zuordnung erst ab A13 numerisch parallel, unterhalb sei die Tabelle schief, heißt es seitens der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Vom Erreichen der Paralleltabelle würden nicht nur Grundschullehrer, sondern auch viele SekundarstufeI-Lehrkräfte sowie Quer- und Seiteneinsteiger profitieren, die derzeit wegen des Lehrkräftemangels vor allem an Grund- und beruflichen Schulen eingestellt werden (siehe dazu Seite 6 und 7 in dieser Ausgabe). Zu guter Letzt sollen die Dauer des Zusatzurlaubes für Wechselschicht- und Schichtarbeit für die Beschäftigten an Universitätskliniken und Krankenhäusern unter Hebung der Höchstgrenze des § 27 Abs. 4 TV-L um 50 Prozent angehoben und der Zuschlag für Samstagsarbeit für die nichtärztlichen Beschäftigten an diesen Einrichtungen um 20 Prozent erhöht werden. Und der Urlaubsanspruch für Auszubildende und Praktikanten künftig 30 Tage betragen, ebenso wie für alle anderen Tarifbeschäftigten.

Drei Verhandlungsrunden Am 21. Januar 2019 kommen die Gewerkschaften und die Vertreter der TdL zum ersten Mal zusammen, wobei die Forderungen der Arbeitnehmervertreter offiziell übergeben werden. Die weiteren Verhandlungsrunden sind auf den 6. und 7. Februar sowie auf den 28. Februar und 1. März terminiert. Allerdings gibt es zwischen beiden Seiten kein Schlichtungsabkommen. Sollte es bis Anfang März nicht zu einer Einigung kommen, könnte es zu längeren Streiks oder zu weiteren Verhandlungsrunden kommen.

Stillstand ist keine Option Neue Strukturen, mehr Geld, aber gleiche Arbeitszeit (BS/jf) Der Öffentliche Dienst muss weiter fit für die Zukunft gemacht werden. Sich auf dem bislang Erreichten auszuruhen, ist keine Option. Im Bund sollen dazu zwei Gesetzesvorhaben auf dem Weg gebracht werden, doch auch beim Thema Arbeitszeit gibt es weiteren Bedarf. Im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) wird aktuell ein Entwurf für ein Besoldungsstrukturmodernisierungsgesetz (BestMG) erarbeitet. Dies bestätigte Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär im BMI: “Mit dem BestMG werden ausschließlich positive Aspekte geregelt.” Allerdings sei der Referentenentwurf noch nicht fertig und dementsprechend noch nicht in der Ressortabstimmung. Zwar gelte der Öffentliche Dienst laut Studien unter Hochschulabsolventen auch gegenüber der Wirtschaft als attraktiver Arbeitgeber, doch dürfe man sich auf diesem Satus nicht ausruhen, so der Parlamentarische Staatssekretär. Neben einer deutlichen Anhe-

bung der Einstiegsgehälter soll das gesamte Zulagenwesen auf den Prüfstand gestellt und evaluiert werden. Unter anderem ist vorgesehen, den Personalgewinnungszuschlag zu erweitern und um eine Personalgewinnungsprämie zu ergänzen. Auch das Umzugskostenrecht sollen novelliert und in diesem Zusammenhang die Auslandsverwendungszuschläge vereinheitlicht, erweitert und erhöht werden. Ebenso sollen der Kinderzuschlag und die Anwärterbezüge deutlich angehoben werden. Letztere zwischen sieben und 17 Prozent, kündigte Mayer an. Zugleich hofft er, dass die anderen Bundesressorts diesem Vorhaben wohlwollend gegenüberstehen sind. Darüber hinaus soll auch das

Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) novelliert werden. Das Gesetz sei aus dem Jahr 1974 und damit fast so alt wie er selbst, betonte Mayer, und gehöre damit dringendst renoviert. Hier erwarte das BMI zwar einen im DBB abgestimmten Vorschlag, doch kündigte Mayer schon an, dass nicht alle Vorschläge des Beamtenbundes eins zu eins umgesetzt würden. Insbesondere die komplette Abschaffung des Versagungskataloges werde es nicht geben. Er hoffe aber, dass “mit gutem Willen auf beiden Seiten eine adäquate und faire Balance zwischen Interessenvertretung und Praxis” gefunden werde. Die Ankündigungen Mayers wurden auf der 60. DBB-Jahrestagung ausdrücklich vom Bundesvorsit-

zenden des DBB Beamtenbunds und Tarifunion (DBB), Ulrich Silberbach, begrüßt. Uneins sind sich Mayer und Silberbach jedoch beim Thema Arbeitszeit. Die 41-Stunden-Woche bleibe bestehen, so Mayer. Allerdings sei beabsichtigt, in besonders brisanten Bereichen ein Belastungsausgleichssystem in Verbindung mit Arbeitszeitkonten zu erarbeiten, um der Überstundenflut im Öffentlichen Dienst Herr zu werden. Ein erster, richtiger Schritt, aber nicht der letzte, hofft Silberbach. Für ihn ist es ein interessanter Ansatz, in diesem Zusammenhang auch die bestehenden Ausnahmen für eine Altersermäßigung für die über 60-jährigen Beamten zu erweitern.

KNAPP Schulden gesunken (BS/jf) Die öffentlichen Schulden sind im nicht-öffentlichen Bereich im dritten Quartal 2018 um 45 Mrd. Euro (-2,3 Prozent) geringer gewesen als zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. Insgesamt verzeichneten Bund, Länder, Kommunen und die Sozialversicherung einschließlich aller Extrahaushalte ein Defizit von 1.929,8 Mrd. Euro. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2018 sanken die Schulden um 0,2 Prozent bzw. 4,8 Mrd. Euro. Zum nicht-öffentlichen Bereich zählen Kreditinstitute sowie der sonstige inländische Bereich (zum Beispiel private Unternehmen) und der sonstige ausländische Bereich.

Positive Personalperspektiven (BS/jf) Die Deutsche Bahn AG und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer haben sich auf einen Tarifabschluss geeinigt. Im besonderen Fokus: das Zugpersonal. Für Zugbegleiter und Lokführer soll es eine Imagekampagne geben, in der das Berufsbild weiterentwickelt und Qualifikation, Verantwortung, Aufgaben und Entgelthöhe in einen sachgerechten Einklang gebracht werden. Auch bei den Arbeitszeiten konnten sich die Tarifparteien einigen: Es sollen ein Ausgleichskonto eingeführt, Pausen auf dem Zug auf festgelegte betriebliche Sondersituationen beschränkt und Kurzpausen schrittweise reduziert werden. Nach diesen und anderen Zusagen sei es für die GDL kein Pro­ blem, dem Wunsch nach gleichen linearen Entgelterhöhungen für alle Beschäftigten zu entsprechen. Die Mitarbeiter bekommen eine 1.000-Euro-Einmalzahlung im Februar 2019, 3,5 Prozent im Juli 2019 und 2,6 Prozent im Juli 2020. Außerdem wird die betriebliche Altersvorsorge von 2,2 auf 3,3 Prozent zum 1. Januar 2020 erhöht. Die Laufzeit beträgt 29 Monate. “Jetzt heißt es: Volle Kraft auf unser Ziel, für unsere Kunden besser zu werden”, so DB-Personalvorstand Martin Seiler.

Verfassungswidrig (BS/jf) Begrenzt dienstfähige Beamte dürfen keine Besoldung erhalten, die sich an der freiwilligen Teilzeitbeschäftigung orientiert. Dieses Urteil hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gefällt. Durch eine begrenzte Dienstfähigkeit werde das wechselseitige Pflichtgefüge gestört, dies dürfe auch zu einer Besoldungsminderung führen. Aber: Begrenzt dienstfähige Beamte würden anders als bei einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit nicht vorzeitig aus dem aktiven Dienst ausscheiden, so die Richter vom Zweiten Senat. “Die Verpflichtung, sich ganz dem Öffentlichen Dienst als Lebensberuf zu widmen, bleibt unberührt.” Kommen die begrenzt dienstfähigen Beamten ihrer Arbeit im Umfang ihrer verbliebenen Arbeitskraft nach, müsse sich ihre Besoldung an der vom Dienstherrn selbst für amtsangemessen erachteten Vollzeitbesoldung orientieren. Im vorliegenden Fall hat das Land eine beamtenrechtliche Regelung in Niedersachsen für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Bis Januar 2020 muss nun Abhilfe geschaffen werden.


Aktuelles Öffentlicher Dienst / Gesundheit

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Für attraktive Gesundheitsberufe Ausbildungsvergütung und 35-Stunden-Woche (BS/jf) In den Bereichen, in denen der Mangel an Nachwuchskräften unübersehbar wird, sind Arbeitgeber eher geneigt, die Konditionen zu verbessern. Den Anfang für tarifliche Sonderregelungen gab es bei den IT-Fachkräften, nun sind zum Jahreswechsel zwei wegweisende Vereinbarungen im Gesundheitsbereich getroffen worden. Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e. V. haben im neuen Jahr die 35-Stunden-Woche bei vollem Gehaltsausgleich für stationäre Pflegefachkräfte eingeführt. Nach eigener Aussage sei die Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaft als Klinikträger der erste Arbeitgeber in Deutschland, der diese Arbeitszeitverkürzung im Gesundheitsbereich an seinen beiden Kliniken eingeführt hat. Damit wolle man nicht nur neue Pflegefachkräfte ansprechen, sondern auch den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwas zurückgeben. Bereits vor Weihnachten haben sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) über einen Tarifvertrag für die Auszubildenden in betrieblich-schulischen Gesundheitsberufen geeinigt. Diese erhalten ab Januar 2019

Behörden Spiegel / Januar 2019

Speed-Dating als Teil der Verwaltung? Agile Prozesse und Freiräume in den Behörden (BS) Die Verwaltungen digitalisieren sich. Aber auch moderne Arbeitsweisen können ebenso implementiert werden und sind nicht nur den großen Konzernen vorbehalten. Andrej Safundzic, Gründer von Tech4Germany, – einer Initiative unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzleramtschef Prof. Dr. Helge Braun, erläutert, wieso agiles Arbeiten in Verwaltungen besonders wichtig und weshalb ein Informatikstudium zum Erstellen von digitalen Dienstleistungen nicht unbedingt notwendig ist. Die Fragen stellte Adrian Bednarski. Behörden Spiegel: Was bedeutet agiles Arbeiten für Sie?

Auszubildende in betrieblich-schulischen Gesundheitsberufen, wie diese Pysiotherapeutin, können sich freuen. Sie bekommen ab Januar 2019 ein Ausbildungsgehalt. Foto: BS/© highwaystarz, stock.adobe.com

erstmals eine Vergütung. “Das ist eine historische Tarifeinigung”, frohlockte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske. Das Ausbildungsentgelt beträgt nun im ersten Ausbildungsjahr 965,24 Euro, im zweiten Ausbildungsjahr 1.025,30 Euro und im dritten Ausbildungsjahr 1.122,03 Euro. Darüber hinaus werden

Auszubildende zum Notfallsanitäter im Landesdienst seit diesem Jahr in den Geltungsbereich des Tarifvertrages einbezogen – analog zum kommunalen Bereich. An Universitätskliniken werden rund 1.800 Schüler und an kommunalen Krankenhäusern rund 1.700 Schüler in den erfassten Gesundheitsberufen ausgebildet.

Safundzic: Wenn Sie einen Prozesszyklus einer Dienstleistung oder eines Produktes betrachten, dann sieht dieser wie folgt aus: Es existiert eine Entdeckungsphase mit einer Dauer von ungefähr acht bis zwölf Wochen, eine Alpha-Phase, eine Beta-Phase und eine Life-Phase. Alle Prozesse werden am Anfang definiert. Ich will dies anhand unseres ZollAuktionsseiten-Projektes erläutern: In Phase eins haben wir die Bedürfnisse der potenziellen Nutzer der Zollseite anhand von Statistiken erkundet und die gesetzlichen Rahmenbedingungen analysiert, in die die Seite eingebettet werden muss. So braucht die Webseite beispielsweise das offizielle ZollLogo. Dann haben wir erste Prototypen auf Papier designt und mittels einer handelsüblichen Software digitalisiert, um diese vor allem zu veranschaulichen. Mit diesen haben wir die potenziellen Nutzer aufgesucht und zu den notwendigen Bedienungsmöglichkeiten befragt. In der anschließenden Alpha-Phase werden dann “richtige” Prototypen designt, die die Wünsche der Nutzer berücksichtigen. In der Beta-Phase wird ein Prototyp entwickelt, den mehrere hundert Leute testen können, wie aktuell die Verwaltungsseite vom Bund. Es funktioniert dabei noch nicht alles, aber die Lerneffekte sind durch das Nutzerfeedback enorm. In der Life-Phase folgt dann der Rollout. Behörden Spiegel: Das klingt für mich so, als hätten Sie den Online-Auftritt einfach hübscher gestaltet. Safundzic: Genau dies denken viele. Nutzerzentriert heißt aber, die ganze User-Journey, also Nutzerreise, vom Abschicken der Dokumente bis hin zu den internen Verwaltungsprozessen und die Rückmeldung an den Nutzer komplett und digital zu denken. Das kann nicht nur in zwei Monaten implementiert werden. Zugleich ist diese Methode sehr produktionsorientiert. Und durch die sofortige Evaluation der Nutzer wird das Produkt oder die Dienstleistung schneller konkreter. Ein weiterer Denkfehler ist, dass agiles Arbeiten mit Programmieren gleichgesetzt wird. Zweiteres kommt in der Regel erst in der Alpha-Phase vor und es existiert mittlerweile genügend Software, die einem beim Bau von Prototypen behilflich ist, ohne dafür Informatik studieren zu müssen. Auch Webseiten müssen mittlerweile nicht mehr programmiert werden, außer es braucht eine individuelle Anpassung. Es geht im Endeffekt um die Arbeitsweisen dahinter. Behörden Spiegel: Was sind die Vorteile dessen? Safundzic: Durch das frühe Nutzerfeedback können Verwal-

“Die Lerneffekte sind durch das Nutzerfeedback enorm”, sagt Andrej Safundzic, Gründer Initiative Tech4Germany.

tungsprozesse weiter optimiert werden. Auch interne und externe Feedbackgespräche können zielführend sein. Zudem muss agiles Arbeiten aus mehreren Gründen implementiert werden: Es werden Risiken minimiert, mehr Projekte erfolgreich abgeschlossen, dadurch weniger Steuergelder verausgabt, die interne und externe Akzeptanz steigt und die andere Arbeitsweise macht den Mitarbeitern mehr Spaß. Gleichzeitig befähigt es die Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst. Gleichzeitig können sie durch das Wissen auch externen Dienstleistern besser auf die Finger schauen. Behörden Spiegel: Wie wichtig sind Freiräume für agiles Arbeiten? Safundzic: Sehr wichtig! Sie dienen dazu, den Mitarbeiter anzuspornen, agil zu arbeiten. In Amerika wurde etwa der “United States Digital Service” ins Leben gerufen, in dem 200 bis 500 Menschen aktiv sind. Sie sind keine Berater, sondern Umsetzer, die nicht nur reden, sondern auch programmieren und bei den Digitalisierungsvorhaben der Verwaltung helfen. Für Deutschland sind die Digitalisierungslabore als strukturelle Freiräume ein sehr gutes Modell. Wiederum kann es ebenso hilfreich sein, bei den zu digitalisierenden 575 Verwaltungsanliegen mit diesen bewusst um junge IT-Talente zu werben, damit sich diese den dazugehörigen Projekten anschließen. Behörden Spiegel: Brauchen wir mehr Freiräume in der Verwaltung, insbesondere um junge Menschen gewinnen zu können? Safundzic: Durchaus! Ich glaube, was an Behörden noch abschreckt, sind die Zweifel, ob Lerneffekte in den Strukturen möglich sind und wie weit kreativen Freiräume abgesteckt wurden. Würden diese Freiräume ausgebaut und besser vermarktet, wäre die intrinsische Motivation, in einer Behörde zu arbeiten, noch höher. Behörden Spiegel: Vor allem, weil ohne IT-Talente keine Digitalisierung möglich ist. Safundzic: Das ist so nicht richtig. In unserer Initiative sind wir zehn Stipendiaten mit bewusst gewählten unterschiedlichen Studienabschlüssen. Teamdiversität ist entscheidend. Dadurch wer-

Foto: BS/privat

den verschiedene Kompetenzen zusammengebracht. So hatten wir zwei Psychologen, eine Person aus dem Public-Policy-Bereich sowie fünf Informatiker, aus verschiedenen Richtungen, u. a. auch aus dem VideospieleBereich. Entscheidend war eher, dass wir Start-up- oder SocialEntrepreneurship-Erfahrungen mitbrachten. Behörden Spiegel: Warum? Safundzic: Zum einen, weil sie agiles Arbeiten aus solchen Jungunternehmen kennen. Zum anderen, weil sie frischen Wind mitbringen. Beispielsweise haben wir zwei Formate eingeführt: Retroperspektive und Speed-Dating. Ersteres sind wichtige Teamgespräche, um Differenzen zu den Projekten beizulegen. So hatten wir ein Whiteboard mit einem Schiff (das Projekt) sowie eingezeichnetem Wind (Motivation), Steinen (Hindernisse), Sonne (Glücksmomente) und Haien (Gefahren). Jeder musste fünf Post-its zu jedem Punkt schreiben, Lob sowie Kritik zum Projekt und den Personen äußern und Verbesserungsvorschläge machen. Beim Speed-Dating ging es auf eine persönlichere Ebene. So musste jedes Teammitglied in zwei Minuten einem anderen sagen, was dieser gut gemacht hat und was zu verbessern wäre. Danach wird kurz Zeit für Nachfragen eingeräumt. Es ist wichtig, Gefühle aus sich herauszulassen. Denn negative Gefühle bauen sich auf und es entstehen dann große Reibereien. Wir sind schließlich alle nur Menschen und wollen dies auch auf der Arbeit sein. Behörden Spiegel: Wie wird es mit der Initiative weitergehen? Safundzic: Wir sind durch eine Stiftung direkt finanziert worden und haben noch genügend finanzielle Mittel, um dieses Jahr nochmals Projekte anzunehmen. Momentan planen wir eine Verdopplung bis Verdreifachung der Stipendiaten, wobei wir nicht nur Studenten, sondern auch Absolventen nehmen. Geplant ist, dass die Initiative in 2020 und später auch weiterläuft; wie genau, ist jedoch ungewiss. Ob wir drei Monate an einem Projekt arbeiten oder auch dies verlängern, ist noch ungeklärt. Es hängt viel von der Nachfrage des Öffentlichen Dienstes und dessen Wünschen ab. Wir wollen ja unsere agile Initiative auch agil aufbauen.

MELDUNG

Funktionszulage nur bei Beförderungsreife (BS/jf) Beamte können die Funktionszulage für Vakanzvertretungen höherwertiger Aufgaben nur erhalten, wenn sie die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung dieser Ämter erfüllen. Zu diesem Urteil kommt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Dies gelte auch dann, wenn ein Dienstherr in großem Umfang Beamte ohne eine solche Beförderungsreife mit Vakanzvertretungen beauftragt habe. Geklagt hatten mehrere Polizeibeamte aus Sachsen, die seit 2005 vertretungsweise mit höherwertigen Ämtern betraut waren

und die dafür eine Zulage nach dem damaligen § 46 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) beantragt haben. Aber: Das Verhalten des Dienstherren könne nicht dazu führen, dass die Beamten die gesetzlichen Voraussetzungen des Zulagentatbestandes nicht erfüllen müssten, so die Richter.


Bund

Behörden Spiegel / Januar 2019

Jemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten

Kommentar

Die Folgen des “Shutdowns” für die Bediensteten

Nehmt die Sorgen vor einer Verschiebung der föderalen Struktur durch das OZG ernst! Prof. Dr. Jörn von Lucke

Selbstverständlich erzeugen Veränderungen wie das OZG Widerstände. Bund, Länder und Kommunen wollen mit dem Portalverbund den Bürgern einen elektronischen Zugang zum gesamten Leistungsportfolio des öffentlichen Sektors schaffen. Dies eröffnet viele Chancen, weckt aber auch Ängste vor einer digital getriebenen Reform des Föderalismus. So werden nicht nur Prozesse, sondern auch Aufgaben, Behörden und Rechenzentren hinterfragt. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwingen zur IT-Konsolidierung und zu Verwaltungsleistungszentren. Die Sorge besteht, dass Bund und Länder sich weiterer Zuständigkeiten und Aufgaben annehmen. Führt eine schleichende digitale Konzentration so in wenigen Jahren zu einem neuen föderalen System? Können wir es uns andererseits noch leisten, über eine gemein-

same digitale Infrastruktur für Behörden und Verwaltungsleistungen nicht nachzudenken? Sicherlich nicht, denn der demografische Wandel, die Pensionslasten und die Verschuldung der vergangenen 70 Jahre schränken die Handlungsspielräume für nachfolgende Generationen schon heute ein. Daher müssen wir jetzt erst recht über den Tellerrand hinausblicken! Das bisherige Ziel von OZG und Portalverbund greift viel zu kurz. Nicht die elektronische Vernetzung der webbasierten Portale, sondern eine umfassende digitale Vertriebsinfrastruktur des gesamten öffentlichen Sektors muss das Ziel sein. EU, Bund, Länder und Kommunen sollen im Verbund kooperieren. Sauber konzipierte Verzeichnisse der Behörden, Verwaltungsleistungen und Gebietskörperschaften stellen sicher, dass alles im Portal-

verbund hinterlegt und gefunden werden kann. Offene Standards und offene Schnittstellen sichern die Interoperabilität. Prozessbibliotheken helfen, das Rad nicht tausend Mal neu zu erfinden. Der Bund will den gemeinsamen Portalverbund realisieren und das Zeitfenster bis 2022 zur Modernisierung und Digitalisierung nutzen. Dabei entstand der Eindruck, dass er allein die Richtung vorgibt und die Standards setzt. In einem Verbund kann es jedoch nicht nur um die Durchsetzung von Bundesinteressen gehen! Die Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen muss für alle zum Gewinn werden. Das ist nicht trivial und erfordert viel Empathie, Wertschätzung, Vertrauen und Überzeugung. Für einen funktionierenden vielfältigen Portalverbund sind diese Anstrengungen sogar dauerhaft erforderlich.

Feicht wechselt ins BMWi Zukünftiger Energie-Staatssekretär gilt als Experte (BS/har) Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat Andreas Feicht (47) zum neuen Energie-Staatssekretär ins Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) berufen. Die Stelle war seit dem Antritt der derzeitigen Bundesregierung vakant, nachdem Rainer Baake (Bündnis 90/Die Grünen) im März 2018 als sein Vorgänger aus dem Amt geschieden war. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler gilt in Fachkreisen als ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet kommunaler Energieversorgung. Feicht verfügt über energiepolitische Erfahrungen auf nationalem und europäischem Parkett, die er in Verbänden des EnergieSektors sammelte. Mit seinem vermittelnden Arbeitsstil werde er in Berlin die Energiewende mit einem “klaren ordnungspolitischen Kompass” und “marktwirtschaftlicher Überzeugung” voranbringen, hieß es vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Der Netzwerker werde auch die Digitalisierung der Energiebranche konstruktiv anpacken. Feicht war sechs Jahre lang Vize-Präsident des VKU. Dem europäischen Dachverband der Stadtwerke (CEDEC) saß er als Präsident vor. Außerdem war er

Vorsitzender des Leitungsausschusses Energie. Bis zuletzt war Feicht Vorsitzender der Geschäftsführung der WSW Wuppertaler Stadtwerke GmbH sowie der WSW mobil und Vorstandsvorsitzender der WSW Energie & Wasser AG. Seit 2007 stand er an der Spitze der kommunalen Eigenbetriebe. Der Aufsichtsratsvorsitzende der WSW, Dietmar Bell, bezeichnet Feichts Wechsel zum BMWi als “großen Verlust”, da er “in der vergangenen Dekade mit seinen Kollegen die WSW zu einem der innovativsten Stadtwerke entwickelt” habe. In seinem neuen Amt werden auf Feicht große Herausforderungen wie der Ausstieg aus der

Kohlewirtschaft und die Ausweitung Erneuerbarer Energien in Deutschland zukommen. Das primäre Ziel sei es, internationale Klimaziele durch die erfolgreiche Energiewende zu erfüllen.

Andreas Feicht steigt zum EnergieStaatssekretär im BMWi auf. Energieverbände begrüßen seine Berufung. Foto: BS/WSW Wuppertaler Stadtwerke GmbH

Mandatsträger als Kritische Infrastruktur? Lehren aus dem massenhaften Datenklau bei Politikern (BS/stb) Nach dem schnellen Fahndungserfolg im Fall der Veröffentlichung von persönlichen Daten von Politikern und Prominenten halten die Diskussionen um den Status quo der IT-Sicherheit an. Manche sehen vor allem die Nutzer selbst in der Pflicht. Andere fordern bessere Handhabe gegen Online-Dienste, bei denen Daten abgegriffen werden. Neu sind Vorschläge, die Datenausspähung insbesondere bei Amtsträgern schärfer zu sanktionieren und diese unter besseren Schutz zu stellen. So sagte der stellv. Bundesvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, Hackerangriffe auf Abgeordnete, Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens seien gegen die Demokratie gerichtet. Daher sei darüber nachzudenken, in solchen Fällen mit “besonderer Schärfe” zu reagieren. Auch die Vorsitzende des Innenschusses im Bundestag, Andrea Lindholz (CSU) befürwortete eine “schärfere Strafandrohung” bei Angriffen auf Mandatsträger. Außerdem regte sie an, Abgeordnete aufgrund ihrer exponierten Stellung als Teil der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) zu bestimmen und besonders zu schützen. Ähnlich sieht es Innenausschuss-Mitglied Philipp Amthor (CDU). Es handele sich nicht nur durch die Masse der veröffentlichten Daten, sondern insbesondere aufgrund der ausgewählten Ziele um einen herausgehobenen Fall, sagte er dem Behörden Spie-

gel. “Wir sollten uns Gedanken machen, ob Abgeordnete gegebenenfalls als besonders schutzbedürftige Zielgruppe in das ITSicherheitsgesetz aufgenommen werden sollten.” So würde das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mehr Kompetenzen zum Schutz und zur Aufklärung erhalten können. Das BSI stand nach Bekanntwerden des massenhaften Datenklaus unter scharfer Kritik. “Von Behördenversagen, wie zum Teil verlautbart, kann aber keine Rede sein”, betont Amthor. “Das BSI ist im Rahmen seiner Kompetenzen tätig geworden. Der Schutz der privaten Systeme der Abgeordneten ist nicht Aufgabe des Bundesamts.” Wenn das BSI hier neue Kompetenzen erhalten soll, so ist auch die Rolle der Mandatsträger auf den Prüfstand zu stellen. Das mit dem IT-Sicherheitsgesetz geregelte KRITIS-Konzept läuft schließ-

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lich im Kern auf Selbstschutz hinaus. Infrastrukturbetreiber müssen ein Mindestniveau in der Informationssicherheit gewährleisten und Vorfälle melden. Das BSI bekommt so ein besseres Bild der Lage und kann branchenrelevante Informationen zurückspiegeln. Auf Anfrage kann das BSI bei Sicherheitsvorfällen unterstützen. Ein aktiver Schutz ist nicht vorgesehen. Den gibt es bisher nur bei Netzen und Systemen des Bundes. Ein Ausbau der Beratungs- und Unterstützungsangebote des BSI besonders für Amtsträger wäre angesichts der Leichtigkeit, mit der der mutmaßliche Täter nach bisherigen Erkenntnissen an personenbezogene Daten kommen konnte, ein sinnvoller Schritt. Zu klären wäre, inwiefern auch Mindeststandards und Meldepflicht bei der privaten Nutzung von Online-Diensten durchführbar und zielführend sein können.

(BS/kh) Schutz oder Abschottung? Historisch betrachtet, hatten Mauern schon immer eine ambivalente Funktion. Der derzeitige Konflikt im US-Kongress um die Grenzmauer zu Mexiko hat allerdings nur eines zur Folge: die vollständige Stilllegung des Öffentlichen Dienstes in den USA und damit finanzielle Nachteile für seine Angestellten. Neun Ministerien und zahlreichen Behörden lief über Nacht die Finanzierung aus. Aufgrund der bisher längsten Haushaltssperre in der Geschichte der USA erhalten knapp 800.000 Bundesbedienstete seit mehreren Wochen kein Gehalt. 380.000 von ihnen befinden sich seit dem 22. Dezember 2018 im unbezahlten Zwangsurlaub. 420.000 müssen ohne direkte Bezahlung weiterarbeiten, da ihre Tätigkeiten als “essenziell” für die Regierungsarbeit angesehen werden. Dazu gehört etwa das Sicherheitspersonal an Flughäfen oder in Gefängnissen. Diese Tätigkeiten stehen ohnehin schon am unteren Ende der Einkommensskala. Etliche Mitarbeiter aus diesen Bereichen haben sich bereits krankgemeldet. Dass dies steigende Sicherheitsrisiken bedeutet, liegt auf der Hand.

Irgendwie über die Runden kommen Da die persönlichen laufenden Kosten und Ausgaben nicht ebenfalls “eingefroren” werden, müssen die Bediensteten sie nun ohne Gehalt stemmen – und ohne Wissen, wie lange der Stillstand andauern wird. Also bleibt das Ersparte. 40 Prozent der Amerikaner könnten aber eine unerwartete Ausgabe in Höhe von 400 Dollar (knapp 350 Euro) nicht tätigen, ohne sich Geld zu leihen oder Besitz verkaufen zu müssen, wie die US-Notenbank im letzten

Trump fährt den Öffentlichen Dienst vor die Wand – wegen einer Mauer. Foto: BS/© camerawithlegs, stock.adobe.com

Jahr berichtete. Tausende haben bereits staatliche Arbeitslosenhilfe beantragt, leihen sich privat Geld, schöpfen ihre Kreditkarten aus oder nehmen neue Kredite auf. Die Behörde für Personalmanagement stellt Betroffenen Musterbriefe zur Verfügung, mithilfe derer sie Kreditgeber um verminderte Zahlungen bitten können.

Die Verlierer des Konflikts stehen bereits fest Ein kleiner Trost: die Regierungsangestellten erhalten normalerweise rückwirkend ihren Lohn, sobald der Haushalt freigegeben ist. Eine gesetzliche Grundlage hierfür gibt es allerdings nicht. Auch Angestellte von Subunternehmen, Dienstleister und

Zulieferer der Regierung sind betroffen. Anders als die Bundesbediensteten haben sie allerdings keinen Anspruch auf rückwirkende Gehaltszahlungen. Neben den direkten persönlichen Folgen für die Bediensteten bedeutet der “Shutdown” auch langfristig, dass Tätigkeiten im Staatsdienst nicht als zuverlässig wahrgenommen werden. Die Attraktivität von Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst wird sinken. Egal wann und wie der Streit beigelegt wird, die eigentlichen Verlierer stehen schon jetzt fest. Wer es nicht ist, auch. Die Gehälter des Präsidenten, der Senatoren und der Kongressabgeordneten werden auch während einer Haushaltssperre nicht ausgesetzt.

Öffentlicher Dienst grundsätzlich geschätzt Der feine Unterschied zwischen Ansehen und Vertrauenswürdigkeit (BS/wim) Hört man im Alltag davon, dass eine Person oder Gruppe hohes Ansehen genießt, würden die meisten Menschen wohl gleichzeitig davon ausgehen, dass dies ebenfalls eine hohe Vertrauenswürdigkeit mit einschließt. Während die beiden Begrifflichkeiten häufig auch tatsächlich gleichwertige Ergebnisse in Ansehen und Vertrauen verzeichnen können, zeigt eine Gegenüberstellung von ansonsten ähnlich aufgebauten Studien allerdings feine, aber durchaus wichtige Unterschiede in bestimmten Feldern. Ähnliches gilt auch für Differenzen bei Untersuchungen zum Image von Institutionen und einzelnen Mitarbeitergruppen eben dieser Institutionen. Dies zeigt ein Vergleich zweier Studien mit ähnlicher, aber leicht unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, die beide vom Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt wurden. Das Berliner Institut hatte im vergangenen Sommer für den DBB Beamtenbund und Tarifunion deren Jahresumfrage erstellt, die sich mit dem Ansehen des Öffentlichen Dienstes und seinen Mitarbeitergruppen in der Bevölkerung der Bundesrepublik auseinandersetzt. Die zweite Studie erstellte Forsa um den Jahreswechsel herum für das Trendbarometer von RTL und n-tv. In dieser wurde im Kontrast zum DBB nicht das Vertrauen in die Berufsgruppen abgefragt, sondern das Ansehen der übergeordneten Institutionen. Während die Kölner Mediengruppe also nach dem Vertrauen in die “abstrakten” Institutionen (z. B. “Kommunale Unternehmen”) fragte, ging es dem DBB um das Ansehen konkreter Mitarbeitergruppen (z. B. “Beamter”).

Polizei vorn, Bundeswehr gespalten Spitzenreiter in Sachen Vertrauen ist im Bereich des Öffentlichen Dienstes in beiden Studien die Polizei: Bei 78 Prozent der Deutschen genießt der Freund und Helfer in blauer Uniform ein hohes Ansehen und sogar 87 Prozent der Bundesbürger setzen der Institution Polizei Vertrauen entgegen. Eine besonders hohe

Diskrepanz gibt es dagegen beim uniformierten Gegenstück für äußere Sicherheit, der Bundeswehr: Während die Soldaten des Landes mit 66 Prozent von zwei Dritteln der Bevölkerung besonders respektiert werden, liegt die allgemeine Vertrauenswürdigkeit der deutschen Truppe bei lediglich 40 Prozent – eine Differenz von 26 Prozentpunkten zwischen politischer Institution und ihren Mitgliedern. Punktlandungen erreichen beide Studien vor allem im Bereich der Bildung. So sind Hochschulprofessoren laut der DBB-Studie mit 74 Prozent hoch angesehen, eine Zahl, deren Wert auch mit der Vertrauenswürdigkeit der dazugehörigen Institutionen übereinstimmt, denn den deutschen Universitäten vertrauen insgesamt sogar 77 Prozent der Befragten des RTL/n-tv-Trendbarometers. Bei den Lehrern kommen Vertrauen und Ansehen sich noch näher, denn den Schulen des Landes vertrauen 53 Prozent, während Studienräte auf einen Prozentpunkt mehr kommen (54 Prozent).

Beamte arbeiten sich langsam aus dem Tief Eine Reihe von Abweichungen zwischen Berufsklasse und Personengruppe, wenn auch um den Vertrauenswert herum, gibt es bei den kommunalen Unternehmen, die im Trendbarometer auf eine grundsätzliche Vertrauenswürdigkeit von 66 Prozent kommen. Gruppenbezogen gibt es in den Kommunen der Republik allerdings nicht nur eine einzelne Personengruppe, sondern eine ganze Reihe verschiedener

Berufe, deren Mitglieder jeweils unterschiedlich wahrgenommen werden. So besitzen Müllmänner und -frauen mit 75 Prozent das höchste Ansehen in der Bevölkerung, gefolgt von Klärwerksmitarbeitern (67 Prozent) und Förstern (62 Prozent). Deutlich schlechter schneiden vor allem Beamte/-innen ab. Diese Gruppe sitzt zwar immer weniger in den kommunalen Unternehmen und kann sich im Vergleich zum Vorjahr um einen Prozentpunkt und im Vergleich zu 2007 sogar um zwölf Prozent verbessern, dennoch kommen sie lediglich auf ein Ansehen von 39 Prozent. Unbeliebter als die Beamten in Behörden und Rathäusern sind nur noch Steuerbeamte, die mit 31 Prozent noch einmal acht Prozent darunter liegen und von weniger als einem Drittel der Deutschen ein hohes Ansehen verzeichnen können. Gleichzeitig gibt es allerdings auch bestimmte Beamtengruppen, die deutlich beliebter sind, wie bei den bereits beschriebenen Hochschulprofessoren und Lehrern, aber auch im Bereich des Justizvollzugs. So sind 63 Prozent aller Befragten zufrieden mit den Justizvollzugsbeamten in Deutschland, während die Vertrauenswürdigkeit der Institution Gefängnis gar nicht erhoben wurde. Unter dem Strich trennen die Bürger also in den meisten Fällen bei Ansehen und Vertrauenswürdigkeit nur marginal zwischen Institution und berufsausübenden Menschengruppen. Es gibt jedoch auch bestimmte Fälle, in denen ganz besonders zwischen Individuen und Institutionen unterschieden wird.


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Zahlen & Fakten

Behรถrden Spiegel / Januar 2019


Länder

Behörden Spiegel / Januar 2019

B

ehörden Spiegel: Der Öffentliche Dienst – wie andere Branchen auch – tut sich aktuell schwer, auf dem umkämpften Arbeitsmarkt qualifiziertes Personal zu gewinnen. Bedarf es hier zusätzlicher Anreize?

Eine “Montanunion” für KI NRW für europäischen Ansatz bei Künstlicher Intelligenz

(BS) Im Behörden Spiegel-Interview spricht NRW-Ministerpräsident Armin Laschet u. a. über die Attraktivität des Arbeitsgebers Öffentlicher Dienst, den geplanten Bonn/Berlin-Vertrag, die Herausforderungen der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse sowie der Digitalisierung, aber auch Laschet: Der Öffentliche Dienst über das Vorhaben, im Jahre 2032 Olympische und Paralympische Spiele an Rhein und Ruhr durchzuführen. Das Gespräch mit dem Ministerpräist ein attraktiver Arbeitgeber. sidenten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes führten R. Uwe Proll und Guido Gehrt.

Insgesamt verzeichnen wir eine gute Bewerberlage. Dies gilt im Übrigen auch für die Polizei. Ein Bereich, in dem es schwieriger ist, genügend qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber zu finden, ist sicherlich der Lehrerberuf. Hier werben wir aktuell aktiv im Rahmen einer Kampagne des Schulministeriums um Nachwuchskräfte. Eine breite Palette an Maßnahmen soll dabei helfen, den Lehrerberuf noch attraktiver zu machen. Hierbei wollen wir gleichzeitig auch Quereinsteigern den Weg an die Schulen ermöglichen, um in Nordrhein-Westfalen in einzelnen Schulformen und für bestimmte Fächer die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. Behörden Spiegel: Bedeutet dies nicht eine Absenkung der Eingangsvoraussetzungen?

ganz andere Themen unmittelbar berühren und sie hier von der Politik Lösungen erwarten. Man muss das Migrationsthema richtig einordnen, Probleme lösen, die es natürlich gibt, aber nicht dauernd darüber streiten. So macht man nur die Rechtspopulisten stark. Behörden Spiegel: Das Erstarken der Rechtspopulisten wird oftmals auch mit Defiziten im Bereich der öffentlichen Infrastruktur in Zusammenhang gebracht, insbesondere mit Blick auf den ländlichen Raum. Wie kann man das grundgesetzlich verankerte Gebot gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land erreichen?

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veranstaltung nach NordrheinWestfalen zu holen? Laschet: Die Olympischen und Paralympischen Spiele Rhein Ruhr City 2032 – eine Grundidee von Michael Mronz – wären mit Veranstaltungsorten von Dortmund bis nach Köln/Bonn bzw. Aachen nicht nur Spiele der kurzen Wege, sondern auch der Nachhaltigkeit, denn die allermeisten der dafür benötigten Sportstätten gibt es heute bereits. Aktuell beteiligen sich bereits 14 Städte an dem Vorhaben und haben sich auch schon darauf verständigt, an welchen Standorten welche Wettbewerbe stattfinden sollen. Nordrhein-Westfalen verfügt über eine hervorragende Sportinfrastruktur, die fast jede Woche Hunderttausende in die Hallen und Stadien lockt. Hier lassen sich sehr innovative Ideen umsetzen. So könnte man die Arena auf Schalke in ein Schwimmstadion verwandeln, sodass rund 50.000 Menschen die Möglichkeit hätten, diese Wettbewerbe zu verfolgen. Und für das Ruhrgebiet wären Olympische Spiele ein wichtiger Baustein in der weiteren Entwicklung zu einer lebenswerten, international wettbewerbsstarken Metropole. Die Entscheidung, ob es eine Bewerbung Deutschlands geben wird und welche Städte bzw. Region sich dann bewerben, liegt jedoch beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Ich habe auf einer DOSB-Sitzung für diese Idee geworben und war erfreut, dass der Bundesinnenminister hier Unterstützung signalisiert hat.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet befürwortet den Erhalt des Regierungsstandorts Bonn. Laschet: Hier ist die Lage in Zudem macht er sich für eine Bewerbung um die Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele an Rhein Deutschland sehr unterschied- und Ruhr im Jahre 2032 stark. Foto: BS/Harbeke lich. Es gibt ländliche Räume, Laschet: Das sehe ich nicht so. wo Ihre Beschreibung stimmt kunft stärker im Fokus stehen, stärken, hilft das Deutschland anlassbezogenen, verdachtsunFür Quereinsteiger zum Beispiel und durchaus das Gefühl vor- wenn man über gleichwertige insgesamt. Hier wird derzeit im abhängigen Kontrollen, die geraKonsens mit der Region, mit de im Grenzbereich von großer haben wir ein dezidiertes Einstel- handen ist, man sei abgehängt. Lebensverhältnisse redet. dem Bund und dem Land an Bedeutung sind. Es ist ein großer lungsverfahren, das natürlich In Nordrhein-Westfalen ist die dem Grundsatz der Bestenaus- Lage umgekehrt: Hier haben Behörden Spiegel: Im Rahmen Vorschlägen für einen solchen Erfolg des Innenministers, dass lese folgt. Es gibt aber auch noch wir in den ländlichen Regionen eines mittlerweile obsoleten Ent- Bonn/Berlin-Vertrag gearbeitet. es gelungen ist, dass der Reform weitere Möglichkeiten, für Ent- Ost- und Südwestfalens oder wurfes der sogenannten Kohledes Polizeigesetzes nicht nur die Behörden Spiegel: Könnte das Koalition, sondern sogar auch die lastung in der Schul- und auch in des Münsterlandes eine beson- kommission wurde die Verlegung der Polizeiverwaltung zu sorgen. ders leistungsfähige, wachsende von Bundesbehörden wie dem bedeuten, dass Bonn nicht mehr SPD zustimmen konnte, sodass Wir haben schon zu Oppositi- Wirtschaft und in weiten Teilen Bundesverwaltungsamt und dem Standort von Bundesministerien wir einen breiten politischen KonVollbeschäfti- Bundesamt für Sicherheit in der sein wird? sens für dieses Sicherheitspaket onszeiten imhaben. mer gefordert, Informationstechnik (BSI) in das “Das Ruhrgebiet muss gung. Laschet: Nein, das kann es In Nordrhein- Rheinische Braunkohlerevier dass wir hier in Zukunft stärker im Westfalen liegen ins Spiel gebracht. Was halten nicht bedeuten. Die BundesBehörden Spiegel: Die KünstliAssistenten Behörden Spiegel: Müssen brauchen, die Fokus stehen, wenn man unsere größten Sie grundsätzlich von dem An- ministerien, insbesondere mit che Intelligenz (KI) ist derzeit wohl Sie nicht befürchten, dass – wie H e r a u s f o r d e - satz, strukturschwächere bzw. erstem Dienstsitz in Bonn, die das Top-Digitalisierungsthema andernorts auch – die BevölkePolizeibeamte über gleichwertige r u n g e n e h e r im Strukturwandel befindliche auch einen engen Bezug zu inter- und in allen Bereichen auf dem rung bei diesem Vorhaben nicht und Lehrer Lebensverhältnisse von bürodarin, gleich- Regionen durch Behördenansie- nationalen Institutionen haben, Vormarsch. Sie haben mit Ihrem mitzieht? redet.” wie das Bundesministerium für bayerischen Ministerpräsidenkratischen wertige Lebens- delung zu stärken? wirtschaftliche Zusammenarbeit tenkollegen Dr. Markus Söder Tätigkeiten verhältnisse in Laschet: Ein solches Großproentlasten, damit sich diese auf den Städten des Ruhrgebiets zu Laschet: Es macht überhaupt und Entwicklung oder das Bun- die Idee einer gemeinsamen KI- jekt kann nur gelingen, wenn es ihr eigentliches Kerngeschäft schaffen, die sich immer noch keinen Sinn, eine Institution wie desumweltministerium, sollten Kommission entwickelt. Was sind nicht von oben verordnet wird, konzentrieren können. Das ist in einem tiefen Strukturwandel das BSI, das übrigens im Rah- vor Ort in der UN-Stadt Bonn deren Ziele und wann wird diese sondern man es von vornherein nun mit dem Haushalt auch so befinden. men des Bonn/Berlin-Gesetzes bleiben. ihre Arbeit aufnehmen? so anlegt, dass die Menschen verabschiedet worden. Dennoch müssen die Perspek- nach Bonn gekommen ist, ins davon profitieren und diesen Bei Ministerien, die nur noch Zusätzlich zu den 2.500 neuen tiven bei der Infrastruktur im Rheinische Braunkohlerevier zu mit einem kleinen Restbestand Laschet: Die Grundidee ist, dass Nutzen sehen. Daher ist es gut, Kommissaranwärterinnen und ländlichen Raum weiter ver- verlegen. Dadurch entsteht unter an Personal am Standort vertre- die beiden starken Länder Bayern dass die Ideen zu Rhein Ruhr -anwärtern werden 500 Stellen bessert werden. Das erreichen dem Strich kein Mehrwert. Was ten sind, kann man die minis- und Nordrhein-Westfalen mit ih- City 2032 bisher aus den Städten für Polizeiverwaltungsassisten- wir beispielsweise durch geziel- wir dort brauchen und wollen, teriellen Strukturen sicherlich rer jeweiligen Kompetenz und der heraus entstanden sind. ParteiExpertise an den Hochschulen übergreifend haben die Stadträte ten bereitgestellt, sodass auch te Förderungen im ländlichen ist industrielle Wertschöpfung, überprüfen. Wichtig ist jedoch, dass minis- und Exzellenzhochschulen mög- und die Oberbürgermeister sich diejenigen eine Einstiegschance Raum über den Landesentwick- beispielsweise Brennstoffzelhaben, die nicht Polizeibeamte lungsplan, etwa wenn es um die lenfabriken oder universitäre teriale Regierungsverantwortung werden, aber in diesem Bereich Erweiterungen von Unternehmen Einrichtungen, aus denen neue in Bonn erhalten bleibt, und zwar “Wichtig ist jedoch, dass ministeriale arbeiten wollen. oder Wohnansiedlungen geht. Arbeitsplätze entstehen können. so, dass es für die MitarbeiterinRegierungsverantwortung in Bonn erhalten bleibt, Ganz wichtig ist auch, dass Daher würde ich für den Westen nen und Mitarbeiter auch AufBehörden Spiegel: Im Öffentli- wir den ländlichen Raum auch eher auf industrielle Wertschöp- stiegschancen am Standort gibt. und zwar so, dass es für die Mitarbeiterinnen und chen Dienst werden aktuell jede bei der Digitalisierung stärken, fung setzen als auf den ÖffentliMitarbeiter auch Aufstiegschancen am Menge neue Stellen geschaffen. insbesondere mit Blick auf die chen Dienst. Behörden Spiegel: Innere SiStandort gibt.” cherheit war eines der großen Wäre hier nicht ein schrittweises Breitbandinfrastruktur, um im Behörden Spiegel: Als Folge Themen des vergangenen NRWVorgehen sinnvoller, um nicht Vergleich zur städtischen Verwieder eine neue Bugwelle derer sorgung aufzuholen. Hier laufen des Bonn/Berlin-Gesetzes soll Landtagswahlkampfes – insbe- lichst eng zusammenarbeiten. Die dazu bekannt. Damit ist vor Ort zu erzeugen, die dann in rund 40 entsprechende Förderprogram- jetzt ein Bonn/Berlin-Vertrag ge- sondere die hohe Zahl der Woh- Details dieser Zusammenarbeit schon einmal ein hohes Maß an Jahren geschlossen in Pension me. schlossen werden. Welche Zielset- nungseinbrüche. Diese sind in werden noch ausgearbeitet und in Verankerung in der Bevölkerung gehen? zung verfolgt das Land hierbei? der Zwischenzeit signifikant zu- einer gemeinsamen Kabinettssit- gewährleistet. Behörden Spiegel: Welche Errückgegangen. Sind damit die we- zung im nächsten Jahr zwischen Man muss in diesem ZusamLaschet: Wir verzeichnen auf- wartungen haben Sie an die vom Laschet: Die bestehenden Ver- sentlichen Ziele Ihrer Vorstellung Bayern und Nordrhein-Westfalen menhang auch folgendes deutlich festgelegt. Es reicht aber nicht, machen: Es geht hierbei nicht grund der Demografie aktuell Bund eingerichtete Kommission einbarungen des Bonn/Berlin- von Innerer Sicherheit erreicht? wenn nur Nordrhein-Westfalen nur um ein Sportereignis. Die – etwa im Polizeibereich – viele für gleichwertige Lebensverhält- Gesetzes werden seit Jahren Laschet: Nein, die Heraus- und Bayern gemeinsam voran- Spiele mit den verschiedenen Verunterlaufen. Es ist durchaus Abgänge. Wir hatten lange das nisse? forderungen für die Innere Si- gehen. Unabdingbar ist hier eine anstaltungsorten bieten uns die Problem, diese Pensionierungscherheit sind ja sehr vielfältig gebündelte europäische Lösung, große Chance zur Modernisierung welle überhaupt plus minus null “So, wie an Rhein und Ruhr vor 70 Jahren und beschränken sich nicht auf eine “Montanunion” für Künstli- unserer Verkehrsinfrastruktur. aufzufangen. Die aktuelle Sidie europäische Montanunion cherheitslage erfordert es nun, Wohnungseinbrüche, die im ver- che Intelligenz, deren Umsetzung Das bis heute hervorragende, moin diesem Bereich zusätzliches gangenen Jahr um über 20 Pro- Nordrhein-Westfalen mitgestalten derne und leistungsfähige U- und für Kohle und Stahl geboren wurde, Personal aufzubauen, was sich zent zurückgegangen sind. Zur will. So, wie an Rhein und Ruhr S-Bahn-System in München ist brauchen wir jetzt Inneren Sicherheit gehört aber vor 70 Jahren die europäische entstanden für die Olympischen auch auf die nächsten Jahreine Montanunion für Künstliche Intelligenz.” auch die Gewaltkriminalität auf Montanunion für Kohle und Stahl Spiele von 1972. zehnte stabilisierend auswirkt. Wir haben unserer politischen Deshalb untersuchen wir begleiden Straßen, die Clankrimina- geboren wurde, brauchen wir lität, die sich über Jahrzehnte jetzt eine Montanunion für KI, tend, wie wir durch Innovationen Verantwortung entsprechend gehandelt und auf den erhöhLaschet: Hier wird die Frage- denkbar, manche behördliche schwerpunktmäßig im Ruhrge- deren wichtigster Rohstoff heute im Bereich der Mobilität, etwa ten Stellenbedarf jetzt reagiert. stellung Ost/West eine über- Struktur an einem Ort zu kon- biet festgesetzt hat. Und dazu Daten sind, die wir in den Dienst rund um das Thema autonogeordnete Rolle spielen. Die zentrieren, wenn diese dadurch gehören natürlich auch terro- der Menschen stellen wollen. mes Fahren, unsere VerkehrsNordrhein-Westfalen mit seiner infrastruktur für diese Spiele so Behörden Spiegel: Sie haben Kommunen in Westdeutschland effizienter wird. Es entspricht ristische Gefährder. Wir haben jüngst im Landtag innovationstarken Forschungs- ausrichten, dass wir einen nachan anderer Stelle gesagt, das haben, zum Teil mittels zusätzli- aber dem föderalen Ansehen der Migrationsthema sei im vergan- cher Verschuldung ihrer Haus- Bundesrepublik, wenn nicht alles das sogenannte Sicherheitspaket landschaft hat bereits begonnen, haltigen Nutzen davon haben. genen Jahr zu hoch gehängt halte, viele Milliarden Euro auf- in Berlin zentralisiert wird, son- I verabschiedet, um Nordrhein- die Kompetenzen bei KI zu bünWenn wir das im Hinblick auf gewesen. Was haben Sie damit gebracht, um den Aufbau Ost zu dern Bonn als Bundesstadt auch Westfalen wieder sicherer zu deln und kann hier Beispiel sein. autonomes Fahren und weitere finanzieren. Dieser ist in großen substanziell Bundesaufgaben machen. Das Sicherheitspaket Mobilitätsinnovationen hinbegemeint? Teilen gelungen. Der Zustand wahrnimmt. Hinzu kommt die I schließt Schutzlücken und Behörden Spiegel: Abschlie- kämen, würde uns diese moLaschet: Das Jahr 2018 darf der öffentlichen Infrastruktur bundesweite Bedeutung Bonns stellt unseren Polizeibeamtin- ßend noch ein eher “softes” The- derne Verkehrsinfrastruktur sich nicht wiederholen. Dieser und der Kommunen ist in Ost- als einzigem deutschen UN- nen und Polizeibeamten moderne ma: Sie sind engagierter Befür- sogar nutzen, selbst wenn die Streit über ein Thema, dessen deutschland oft besser als in vie- Standort und Austragungsort Eingriffsinstrumente zur Ver- worter einer Bewerbung für die Bewerbung vielleicht am Ende Bedeutung mit Blick auf die len Regionen Westdeutschlands, internationaler Konferenzen zu fügung. Dies reicht bis hin zu Olympischen und Paralympischen nicht erfolgreich wäre. Für diese Zahlen deutlich zurückgeht. zum Beispiel im Ruhrgebiet. Des- Zukunftsthemen wie Nachhaltig- einer strategischen Fahndung, Spiele an Rhein und Ruhr im Jahre Idee habe ich bislang, auch von Inzwischen haben alle erkannt, halb ist für die Landesregierung keit, Klimaschutz, Wissenschaft. die es in Nordrhein-Westfalen 2032. Wie realistisch sind die Bürgerinnen und Bürgern, sehr dass die Bürgerinnen und Bürger klar: Das Ruhrgebiet muss in Zu- Wenn wir Bonn in diesen Feldern bisher nicht gab, nämlich den Chancen, eine derartige Groß- viel Zuspruch erhalten.


Beschaffung / Vergaberecht

Seite 8

Behörden Spiegel / Januar 2019

Den Ankreuz-Dschungel lichten

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Die EVB-IT-Vertragsmuster als Anwendungsfeld für Legal-Tech-Software ► HAFTPFLICHT

Höhe der Deckung strittig Was muss der Versicherer bescheinigen?

Diese Rechtfertigung ist hier nicht gelungen: Es ist für das OLG schlicht nicht vorstellbar, dass der Entwickler selbst nicht geeignet sein sollte, das zu liefern, was er erdacht hat. OLG Düsseldorf

Für den Auftrag zur Verlegung von Gas- und Wasserversorgungsleitungen hat der Auftraggeber neben der üblichen Fachkunde einen Versicherungsnachweis gefordert, dessen Umfang er wie folgt beschrieb: “Deckungssumme mindestens fünf Mio. Euro.” Ein Bieter legt daraufhin eine Versicherungsbescheinigung vor, die auf drei Mio. Euro pro Einzelschaden und sechs Mio. Euro pro Beitragsjahr lautet. Genügt das den bekannt gemachten Eignungsanforderungen? Das OLG Koblenz meint: nein. Wenn der Auftraggeber nichts anderes als eine Deckungssumme ohne weitere Zusätze benenne, könne dies nur so verstanden werden, dass diese Summe auch zur Deckung eines einzelnen Schadens zur Verfügung stehen müsse. Die Deckung für den Fall mehrerer Schäden innerhalb eines Jahres genügt demnach nicht. Den Bieter kann auch keine Nachreichung retten, wenn er aufgrund dieser Erkenntnis nun mit seiner Versicherung eine höhere Deckung vereinbaren würde. Das OLG Koblenz ist der Auffassung, dass eine Nachforderung bei einer zu geringen Deckungsbescheinigung nicht möglich ist. Schließlich habe dieser Nachweis weder gefehlt noch war er formal fehlerhaft. Er war schlicht inhaltlich unzureichend. Eine Nachreichung einer weitergehenden Deckung wäre also eine unzulässige Nachbesserung des Angebotes. OLG Koblenz (Beschl. v. 11.09.2018, Az.: Verg 3/18)

►REFERENZEN

Wettbewerb fehlt Zu hohe Anforderungen sind schädlich Hoch spezialisierte IT-Dienstleistungen wollte der Auftraggeber für einen Bibliotheksverbund im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb beschaffen. Er forderte dafür von den Bietern, dass sie jeweils zwei Referenzen beibringen sollten, u. a. für die Realisierung eines solchen Systems unter Anbindung an einen speziellen Server des Fernleiheverbundnetzes. Dieses Verbundnetz existiert einmalig ausschließlich in Deutschland. Der Auftraggeber hat Kenntnis davon, wie viele Bibliotheken an diesen Server angeschlossen sind und wie viele schon die geforderte neue Technologie einsetzen. Er sollte daher auch wissen, dass es nur einen einzigen Dienstleister gibt, der diese Anbindung bisher realisiert hat. Der Vergabesenat beim OLG gab einem Bieter Recht, der diese hohe Referenzanforderung bemängelt hatte. Pikanterweise hat er selbst die Technologie für die Anbindung an den Server entwickelt. Verwendet hat sie jedoch (wohl in Lizenz) zunächst nur ein Konkurrent. Wenn wie hier eine Referenzanforderung dazu führt, dass sie nur ein einziger Wirtschaftsteilnehmer erfüllen kann, also der Wettbewerb faktisch vollständig ausgeschlossen wird, ist ein besonders hoher Begründungsaufwand erforderlich, um diese Anforderung zu rechtfertigen.

(Beschl. v. 27.06.2018, Az.: Verg 4/18)

► NEWCOMER

Eignung nach Ausgründung Referenzen zählen, Umsätze nicht Vier Ingenieure bildeten mit diversem anderen Personal ein Planungsteam in der örtlichen Niederlassung einer großen Ingenieurgesellschaft. Diese Gesellschaft wurde 2014 von einem Konkurrenten aufgekauft und 2015 auf ihn verschmolzen. 2016 gründeten die betreffenden vier Ingenieure ein eigenes Büro und übernahmen dabei das gesamte Personal des örtlichen Teams. Im Jahr 2017 bewarben sie sich auf einen Planungsauftrag. Dabei hatten sie Referenzen und Umsatzzahlen aus den Jahren 2014 bis 2016 zu benennen als Grundlage für die Zulassung zur Teilnahme. Sie benannten fünf von diesem Team bearbeitete Projekte und rechneten die Umsatzzahlen ihrer Niederlassung aus den Jahresergebnissen der beiden verschiedenen Konzerne für die Jahre 2014 und 2015 heraus. Das genügte dem Auftraggeber, um in der Eignungsbewertung die volle Punktzahl zu vergeben. So gelangte das Team in die Endrunde und sollte schließlich den Zuschlag erhalten. Dagegen wehrt sich der Zweitplatzierte. Erst aus dem Absageschreiben habe er erfahren, dass an der Endrunde ein Team beteiligt war, welches mangels Umsatz nie hätte zugelassen werden dürfen. Das OLG bestätigt diese Auffassung: Referenzen können nach Ansicht des Senates vom Vorgängerunternehmen mitgenommen werden, wenn sie vom gleichen Personal erbracht worden sind. Für Umsatzzahlen geht dies nicht. Sie zeigen die Leistungsfähigkeit des hinter den handelnden Personen stehenden Unternehmens. Dass das ausgegründete Ingenieurbüro die gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hat wie die Niederlassung eines Konzerns, könne nicht vorausgesetzt werden. Der Teilnahmeantrag wäre abzulehnen gewesen. OLG München (Beschl. v. 21.09.2018, Az.: Verg 4/18)

►SCHLECHTLEISTUNG

Kündigung unwirksam Angebotsausschluss nicht möglich Am Silvestertag drangen sechs Unbefugte durch einen unverschlossenen Hintereingang in eine Flüchtlingsunterkunft ein und fingen dort Streit an. Der Wachdienst trennte mithilfe der Polizei die Parteien, die Angreifer flüchteten. Als die zuständige Behörde davon erfuhr, ging sie dem Vorfall nach und stellte fest, dass er vertragswidrig nicht gemeldet war und zudem Wachpersonal eingesetzt war, welches vertragswidrig nicht benannt worden war. Der Wachdienst wurde abgemahnt. Nach einer unangekündigten Nachkontrolle am 24. April, bei der erneut unbekanntes Personal vorgefunden wurde, kündigte

der Auftraggeber den Wachvertrag am 14. Mai fristlos. Bei der Nachfolgeausschreibung bewarb sich das gekündigte Unternehmen erneut und wurde ausgeschlossen. Vor der Vergabekammer wehrte es sich erfolgreich dagegen. Es hält die Kündigung für ungerechtfertigt, weil die Meldung an Fehlern des Auftraggebers gescheitert sei und der Auftraggeber von dem fraglichen Personaleinsatz gewusst habe. Gegen die Kündigung habe man bereits Klage eingereicht. Erfolg hatte es letztlich mit dem Hinweis auf die Kündigungsfrist: Der Wachvertrag sei ein Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff. BGB, weswegen nur bis zu zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes eine außerordentliche Kündigung möglich sei. Diese Frist war um mindestens drei Tage überschritten. Ist aber die Kündigung unwirksam, der Vertrag also nicht beendet, fehlt es an der Voraussetzung für einen Ausschluss nach § 124 Abs. 1. Nr. 7 GWB. VK Brandenburg (Beschl. v. 17.07.2018, Az.: VK 11/18)

►SPEKULATION

Überhöhte Bedarfsposition Rücksichtnahmepflicht verletzt Bei der Sanierung einer Uferstützmauer ist der Wasserstand im Fluss eine wesentliche Einflussgröße für die Dauer der Arbeiten. Steht das Wasser zu hoch, muss die Baustelle ruhen. Dieser Umstand war einem vermeintlich pfiffigen Bieter nicht entgangen. Er bot das während der gesamten Bauphase erforderliche Gerüst zu 5.300 Euro pro Woche während der Planstandzeit an. Bei witterungsbedingter Unterbrechung – im LV als Bedarfsposition ausgestaltet – sollte das Gerüst jedoch 12.700 Euro in der Woche kosten. Das Angebot enthielt auch weitere auffällig niedrige und an anderen Stellen auffällig hohe Preise. Der Auftraggeber schloss es aus, obwohl es mit deutlichem Abstand in der Wertungssumme den ersten Platz belegt hatte. Aufgrund der Bedarfsposition hielt er es für unwirtschaftlich. Der BGH gibt im Streit um den entgangenen Gewinn letztlich dem Auftraggeber Recht. Der Ausschluss war korrekt. Zwar könne nicht jede Auf- und Abpreisung per se schon eine unzulässige Mischkalkulation darstellen. Unzulässig wird das Ganze aber dann, wenn die Aufund Abpreisungen korrelieren. Das war hier der Fall: Für das identische Gerüst werden unterschiedliche Preise aufgerufen, je nach dem, aus welchem Grund es noch steht. Dass Hochwasserereignisse irgendwann während der Bauzeit auftreten, sei sehr wahrscheinlich. Insofern holt sich der Bieter hier seinen Verlust aus dem geringen Wertungspreis über die (ungewertete) Bedarfsposition wieder herein. Das ist zwar keine Mischkalkulation im engeren Sinne, wohl aber ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aus § 241 BGB, der einen Ausschluss rechtfertigt. BGH (Urt. v. 19.06.2018, Az.: X ZR 100/16)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

(BS/Marc Philip Greitens/Dr. Martin Schellenberg) Wer in der Verwaltung mit IT-Beschaffung zu tun hat, kommt an den “Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnologie” (EVBIT) nicht vorbei. Bei den EVB-IT handelt es sich um Standardvertragsformulare für öffentliche IT- Beschaffungen. Rechtstechnisch sind sie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne der §§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Herausgeber ist der IT-Beauftragte der Bundesregierung. Inhaltlich verantwortlich zeichnen das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) sowie der IT-Branchenverband Bitkom. Öffentliche Auftraggeber sind durch Haushaltsrecht verpflichtet, die EVB-IT zu verwenden – so etwa der Bund durch die Verwaltungsvorschrift zu § 55 Bundeshaushaltsordnung (BHO).

Viele Muster, noch mehr Seiten Ursprünglich gedacht, um Auftraggebern und Auftragnehmern ein einfaches und universal handhabbares Vertragsmustersystem zur Verfügung zu stellen, haben sich die EVB-IT mittlerweile zu einem bürokratischen Monster entwickelt: Über 50 Vertragsmuster stellt der IT-Beauftragte der Bundesregierung auf seinem Internetauftritt zur Verfügung. Die einzelnen Muster sind bis zu 40 Seiten lang. Hinzu kommen noch Allgemeine Geschäftsbedingungen mit weiteren 30 Seiten. Um Vertragsmuster auszufüllen, muss der Nutzer bis zu 400 Entscheidungen über Ankreuzvarianten oder Einfügungen pro Mustervertrag treffen. Mit den Jahren ist ein Ankreuzdschungel entstanden, der für den einfachen Nutzer kaum mehr durchdringbar ist.

Hauptzweck verfehlt Der IT-Beauftragte der Bundesregierung hat sich redlich bemüht, die Muster nutzerfreundlich zu erklären. Er stellt Erläuterungstexte ins Netz und hält Case Studies mit ausgefüllten Mustern bereit. Dessen ungeachtet ist mittlerweile eine ganze Schulungsindustrie entstanden, um der Verwaltung durch Seminare und Erläuterungstexte die Handhabbarkeit der EVB-IT zu erleichtern. Vielerorts haben die Nutzer dennoch vollständig

MELDUNG

Ambitioniertes Anliegen (BS/jf) Die Verwaltungsvorschrift “Beschaffung und Umwelt” in Berlin ist zum zweiten Mal aktualisiert und fortgeschrieben worden. Die Verabschiedung einer entsprechenden Vorlage von Umweltsenatorin Regine Günther soll die deutsche Hauptstadt zu einer Modellstadt für nachhaltige Beschaffung und zum Vorreiter für Klimaschutz und Energiewende entwickeln. Die rund 2.000 dezentralen Beschaffungsstellen der Landesund Bezirksverwaltung sowie in Eigenbetrieben und Anstalten des öffentlichen Rechts werden verpflichtet, bei der Beschaffung von sämtlichen Waren, vom Bürobedarf über Dienstkleidung bis zu Fahrzeugen, bei Dienstleistungen und für Bauten ab zehn Mio. Euro Investitionsvolumen, strengere ökologische Kriterien anzuwenden. Der Senat erhofft sich, unter anderem durch die Berechnung des Lebenszyklus bei Produkten, Kisteneinsparungen von mehr als vier Prozent und eine Reduzierung von CO2-Emissionen von fast 50 Prozent. Die neuen Regeln treten ab Februar 2019 in Kraft.

Unternehmen, Verwaltung und Rechtsanwaltskanzleien. Zahlreiche Startup-Unternehmen aus der IT-Branche haben sich mittlerweile den LegalTech-Anwendungen verschrieben. Ein wesentlicher Anwendungsbereich Marc Philip Greitens (li), B.A., LL. B.; ist Associate und Dr. Martin Schellenberg, Fachanwalt ist die Automatisiefür Vergaberecht, Partner in der Kanzlei Heuking rung von VertragsKühn Lüer Wojtek in Hamburg. mustern. Wie kein anderer Bereich eigFotos: BS/Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek nen sich die EVB-ITVertragsmuster für kapituliert und lagern die Ver- die Übernahme in Legal-Techtragsgestaltung an spezialisierte Applikationen. Kernidee dieser IT-Berater oder Kanzleien aus. Anwendungen ist es, StandardFestzuhalten bleibt: Ein mit verträge in intelligente Frageden EVB-IT verfolgter Haupt- Antwort-Systeme zu übersetzen. zweck, nämlich den Nutzern die Diese Arbeit ist nicht banal und Handhabung zu erleichtern, wur- erfordert die Verbindung von de verfehlt. Dies ist durchaus IT-Fähigkeiten mit juristischer bedauerlich, denn der andere Fachkenntnis. Ist diese “ProHauptzweck, die Standardisie- grammierarbeit” getan, bewirkt rung der IT-Verträge für die öf- die Software, dass Verträge nur fentliche Hand, wurde mit den so lang werden, wie sie unbedingt EVB-IT erreicht. In der Praxis sein müssen. Schritt für Schritt sind kaum mehr Individualver- wird der Endnutzer durch eine träge anzutreffen, deren Rechts- Maske zu “seinem” Vertrag gekontrolle umfangreiche Aufwän- führt, der sich Frage-für-Frage aufbaut. Das Ergebnis ist ein de verursachen würde. genau auf die Bedürfnisse der Automatisierung von Vertragsparteien angepasstes Vertragsmustern und gleichzeitig maximal verVor diesem Hintergrund stellt schlanktes Vertragswerk. Der unübersichtliche Wust von sich die Frage, wie die Standardisierungsvorzüge der EVB-IT er- Regelungsalternativen wird auf halten und gleichzeitig die Muster einfach verständliche Fragen reintuitiver und selbsterklärender duziert. Nicht gewählte Varianten gestaltet werden können. Die werden im Vertragsdokument Antwort heißt “Legal Tech”. Unter von vornherein ausgeblendet. “Legal Tech” versteht man den Im Ergebnis dürfte sich der “AnEinzug künstlicher Intelligenz kreuz-Dschungel” der EVB-IT so in die juristischen Abläufe von erheblich lichten lassen.

Mehr zum Thema Die vergabe- und vertragsrechtlichen Grundlagen für die Handhabung der EVB-IT-Basisformulare und anderer gebräuchlicher Muster sind Gegenstand eines Seminars des Behörden Spiegel. Unter dem Titel “IT-Verträge für die öffentliche Hand” stellen die Autoren Legal-TechAnwendungen für die EVB-IT am 7. Februar 2019 in Hamburg vor. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefteforum.de, Suchwort “IT-Verträge”

qanuun-aktuell Vorsätze und gute Ratschläge von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Jedes Jahr beginnt mit guten Vorsätzen, zumindest individuell, und damit Mensch weiß, wie er sein allzu komplexes Leben meistert, wartet jedes LifestyleMagazin mit Ratschlägen auf. Ob im Job, für die Gesundheit, Freundschaft, Beziehung oder Sinnsuche, Mensch bleibt nicht allein, denn Ratgeber sind überall zur Hand. Was für den einzelnen gilt, ist auch für Organisationen inzwischen üblich. Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen ... und zieht einen externen Experten zu Rate. Das ist keine Erscheinung des 21. Jahrhunderts, sondern von jeher die Praxis der Mächtigen. Philosophen, Theologen, Naturwissenschaftler, aber auch Astrologen, Künstler oder gar Witzbolde zierten die Beratungsriege von Herrschern seit der Antike und waren Mahner und Inspirationsquelle zugleich. Vor diesem Hintergrund ist die gelegentlich publik gewordene Praxis der Administrative, man nutze externen Sachverstand (!), nicht erstaunlich. Kritikwürdig ist sie aber dann, wenn der Eindruck entsteht, die Hinzuziehung Externer sei intransparent, die Experteneigenschaft möglicherweise zweifelhaft, der

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

nötige Sachverstand in der Behörde selbst vorhanden, die Kosten-Nutzen-Relation zweifelhaft oder das Votum der Externen diene indirekt der Verantwortungsdelegation. Letzteres ist dann relevant, wenn Entscheidungsvorschläge in ihrer Konsequenz unangenehm erscheinen, den administrativen Entscheidungsträgern aber von besonders kompetenter Seite unterbreitet werden. Und wer käme auf die Idee, die Kompetenz des Ratgebers zu bezweifeln, wenn sein Rat besonders teuer war? Insoweit mein Rat, der hier völlig kostenlos ist: Verzichten Sie nicht auf Beratung, aber bedenken Sie stets: Trau, schau, wem?


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / Januar 2019

Seite 9

Sonderweg beenden

Kalkulationsfreiheitsgrenzen

Städte- und Gemeindebund drängt auf Vereinheitlichung

Newsletter Update vergabe erschienen

(BS/jf) 58 Prozent aller Beschaffungsaufträge werden auf kommunaler Ebene vergeben, 30 Prozent durch die (BS/jf) Die Angebotskalkulation zählt zum Kernbereich unternehmerischen Handelns im Wettbewerb um Länder und rund zwölf Prozent auf Bundesebene. Doch gerade im Baubereich erhalten die Kommunen kaum öffentliche Aufträge. Deshalb darf es eigentlich keine Vorschriften in diesem Bereich geben. Eigentlich! noch Angebote. Grund genug für den Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), das Vergaberecht weiter zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Denn der Bundesgerichtshof Maximilians-Universität Mün“Die Zusammenführung im Vergaberecht ist jetzt zu vollenden”, fordert der Kommunalverband in seinem Ausblick für das Jahr 2019. Die VOB/A dürfe sich bei Vorliegen gleicher Sachverhalte nicht ohne Grund von den Regeln zur Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen unterscheiden. Zumal das EU-Vergaberecht und die deutsche Sektorenverordnung schon lange Einheitsregeln für die Vergabe von Bau-, Lieferund Dienstleistungen enthielten. Es müsse der Grundsatz gelten “gleiche Verfahrensregeln für gleiche Sachverhalte”. Allerdings liefert der DStGB auch gleich die Gegenargumente für eine Vereinheitlichung. So könnten die Besonderheiten des Bauvergaberechts in einem eigenen Abschnitt geregelt werden. Damit ist es, wie Prof. Dr. Martin Burgi vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München betonte, eine politische Entscheidung, bei der es für beide Seiten Argumente gebe. Im Gegenzug lobt der Kommunalverband die erhöhten Schwellenwerte für besondere Vorhaben,

bei denen die öffentliche Hand Leistungen in dringendem öffentlichem Interesse beschaffe. Wie beispielsweise beim Wohnungsbau. Bis zum 31. Dezember 2021 können Ausschreibungen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum mittels einer beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb für jedes Gewerk bis zu einem Auftragswert von einer Mio. Euro vergeben werden. Bis zu 100.000 Euro Auftragswert ist zudem eine freihändige Vergabe möglich. Die Wertgrenzen erinnern an das alte Konjunkturpaket II, in

dem ebenfalls diese Wertgrenzen festgehalten worden sind. Schon damals hatte sich der DStGB für diese schnelleren Verfahren ausgesprochen. Solche Erleichterungen sollte es aus Sicht der Kommunalvertreter auch für dringende Beschaffungen in anderen Bereichen geben, etwa bei der Umrüstung von Kommunalfahrzeugen auf EMobilität. Hier solle das Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb zugelassen werden, Allerdings bedarf diese Regelung der Zustimmung der EU-Kommission.

Den aktuellen Newsletter finden Sie unter: http://www.updatevergabe.behoerdenspiegel.de/ update_Vergabe_26.pdf

(BS/jf) Zum Jahresauftakt können gleich in zwei Bereichen wegweisende Leistungen zum Gewinn einer Auszeichnung eingereicht werden. Einerseits geht es um den Preis zur “Klimaaktiven Kommune 2019”, andererseits um den “Deutschen Architekturpreis 2019”. Darüber hinaus werden Anfang des Jahres zwei weitere Das Vergaberecht ist nach wie vor zu kompliziert, sodass sich Bieter darin begehrte Trophäen in der öffentlichen Beschaffung verliehen. verirren oder so abgeschreckt sind, dass sie gar keine Angebote mehr abgeben. Deshalb soll das Recht weiter vereinfacht werden, fordert der DStGB. Foto: BS/Das Wortgewand, pixabay.com

(BS/jf) Brandenburgs Landesbehörden müssen seit Beginn des Jahres nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ausschreiben. Dies geht aus einem Erlass des Ministeriums der Finanzen von Ende November hervor, mit dem die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung geändert wurden. und ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden. Darüber hinaus hat die Landesregierung keine Pflicht zur elektronischen Vergabe festgeschrieben. Bei der Durchführungsvorschrift handelt es sich lediglich um eine Soll-Bestimmung. Allerdings stehen die Vergabestellen in der Pflicht, bei Verhandlungsverfahren oder beschränkten Ausschreibungen jeweils ohne Teilnahmewettbewerb sowie bei Verhandlungsvergaben (freihändige Vergaben)

ab einem voraussichtlichen Wert von 10.000 Euro über diese Verfahren unter www.vergabemarktplatz.brandenburg.de zu informieren. Und zwar 14 Tage vor der ersten Kontaktaufnahme mit dem ausgewählten Bieter. Zudem sind die Vergabeverfahren Verhandlungsvergabe mit und ohne Teilnahmewettbewerb sowie eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb ebenfalls zulässig, wenn der geschätzte Auftragswert unterhalb von 20.000 Euro liegt.

Zwischen Kontrolle und Entbürokratisierung Thüringen vereinfacht Zuwendungsrecht (BS/jf) Thüringen lockert für die Empfänger von Fördergeldern das Vergaberecht. Einer großen Zahl der Zuwendungsempfänger würden die komplexen Regelungen des Vergaberechts künftig erspart bleiben. Im Freistaat ist die Hoffnung groß, dass die Entscheidung Vorbildcharakter entwickelt. onelle Förderung oder um eine Projektförderung handelt. Dazu wurde das Zuwendungsrecht aktualisiert. Es galt, ein ausgewogenes Gleichgewicht zu finden zwischen der notwendigen staatlichen Kontrolle und der möglichen Entbürokratisierung, heißt es aus dem Finanzministerium. Mit der Neuregelung sei man einen entscheidenden Schritt in Richtung Entbürokratisierung gegangen. Aufträge dürften nur an fachkundige und leistungsfähige Anbieter nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen vergeben

werden. Im Klartext sind dazu grundsätzlich mindestens drei Angebote einzuholen. Abweichungen und Auswahlgründe sind zu dokumentieren. Insgesamt gelten immer die niedrigsten Anforderungen. Nicht in den Genuss dieser Regelungen kommen Auftraggeber, die originär dem Vergaberecht unterliegen. In Thüringen hofft man, dass der eigene und der schleswig-holsteinische Weg zu weiteren Vereinfachungen auf europäischer Ebene für die EU-Förderperiode ab 2021 führen. Dazu ist bislang nichts bekannt.

Umfang über drei zentrale Stellen gedeckt: die Zentralstelle für ITBeschaffung im Beschaffungsamt des BMI (ZIB), das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) und die BWI GmbH. Mit allen dreien hat das BMI die Strategie gemeinsam erarbeitet. Insgesamt

beschaffe die Bundesverwaltung jährlich IT-Hard- und Software sowie IT-Dienstleistungen im Wert von mehr als 800 Mio. Euro. Deshalb solle der Einkauf künftig stärker strategisch gesteuert und an wichtigen politischen Zielen ausgerichtet werden.

MELDUNG

Neue Strategie (BS/jf) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat eine neue IT-Beschaffungsstrategie entwickelt, die seit Beginn des Jahres verbindlich anzuwenden ist. Der Bedarf der Bundesverwaltung für Informationstechnologie werde in großem

sige Preisbildung erkannt werden kann und welche Auswirkungen sich für den Bieter ergeben. Darüber hinaus erläutert Prof. Dr. Martin Burgi von der Ludwig-

Drei Preise für Beschaffung und einer für Architekturleistungen

UVgO in Brandenburg

“Für viele Projekte bedeutet die Anwendung des Vergaberechts eine sehr hohe, wenn nicht gar unüberwindliche Hürde. Gute Ideen und viel Enthusiasmus wurden durch Bürokratie ausgebremst. Das ändert sich nun. Thüringen führt nach SchleswigHolstein die liberalsten Regelungen in diesem Bereich ein”, unterstrich die Finanzministerin des Freistaates, Heike Taubert. Die Erleichterungen wirken für sämtliche Förderungen, unabhängig von der Höhe der Gelder und des Projektvolumens und ob es sich dabei um eine instituti-

Neu erschienen im Januar 2019: Die aktuelle Ausgabe des Newsletters update Vergabe. Foto: BS/Behörden Spiegel

chen den weiteren Verbesserungsbedarf im Vergaberecht und insbesondere beim Rechtschutz. Abgerundet wird der Newsletter durch die Besprechung von neun Urteilen und Entscheidungen der Vergabesenate an den Oberlandesgerichten und der Vergabekammern, etwa zu den Fragen, ob Eignungskriterien per InternetLink bekannt gemacht werden müssen, ob Angebotsausschlüsse aufgrund mangelhafter Erfüllung vorheriger Aufträge rechtens sind sowie zur rechtswidrigen, aber wirksamen Beendigung eines Vergabeverfahrens.

Zwei und zwei

Mit Änderungen und ohne Pflicht

Allerdings hat das Land die UVgO nicht eins zu eins übernommen. So gilt die Sonderregelung für die Vergabe freiberuflicher Leistungen gemäß § 50 UVgO nicht in der Mark. Stattdessen müssen Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, nach den übrigen Vorgaben der UVgO vergeben werden. Dabei können Architekten- und Ingenieurleistungen per Verhandlungsvergaben mit

(BGH) hat anders entschieden, wie Dr. Oliver Homann, Fachanwalt für Vergaberecht bei Leinemann Partner Rechtsanwälte in Köln, erläutert. In drei Fällen unterliegt die Freiheit der Preiskalkulation bisher gewissen Grenzen. Zum einen bei unauskömmlicher Kalkulation von wesentlichen Leistungsteilen oder der Gesamtleistung, zum anderen bei Fällen der Mischkalkulation und drittens bei einer Preisbildung, die in einem wucherähnlichen Missverhältnis zur Leistung steht (sittenwidrige Einheitspreise). Mit der Entscheidung des BGH vom 19. Juni 2018 ist nun eine vierte Art hinzugekommen: die unredliche Spekulation. Im Folgenden führt Homann auf, wie diese unzuläs-

Mit dem Deutschen Architektenpreis soll die Arbeit mutiger und vorausschauender Architektinnen und Architekten honoriert werden, unabhängig davon, ob es sich um ein öffentliches oder Privatgebäude handelt. Wichtig ist, dass die Projekte der Bewerber Anregungen für zukünftige Planungen geben und eine breite Öffentlichkeit auf die Belange der Baukultur und des nachhaltigen Bauens aufmerksam machen. Bundesbauminister Horst Seehofer und die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Barbara Ettinger-Brinckmann, gaben dazu den Startschuss in Berlin. Bewerbungen können bis zum 8. April 2019 beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) eingereicht werden. Anschließend wird ein achtköpfiges Preisgericht aus Architekten die Bewerbungen in zwei Phasen bewerten. Nach der ersten Sitzung werden die für die engere Wahl ausgewählten Bauwerke vor Ort besichtigt. Insgesamt entscheiden die Preisrichter über die Vergabe von 60.000 Euro Preisgeld: 30.000 Euro für den Gewinner des zweijährig ausgerufenen Preises sowie weitere 30.000 Euro für bis zu zehn Auszeichnungen und Anerkennungen. Beim Preis “Klimaaktive Kommune 2019”, ausgeschrieben vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), haben Vergabestellen von Landkreisen, Städten und Gemeinden die Möglichkeit, sich um einen Sonderpreis “Klimafreundliche kommunale Beschaffung” zu bewerben. Bewerben können sich Projekte rund um die kommunale Beschaffung, bei denen die klimafreundliche Ausrichtung im öffentlichen Vergabeverfahren verankert wurde. Dies können beispielsweise klimagerechte Standards bei Neubau und Sanierung sein oder auch interkommunale Kooperationen und Einkaufsgemeinschaften zwischen Kommunen und anderen Einrichtungen, die ihre Beschaffung im Sinne des Klimaschutzes ausrichten. Die Bewerbungsphase für den Sonderpreis sowie für den Preis zur Klimaaktiven Kommune 2019 in einer von drei Kategorien endet am 31. März 2019. Allen Preisträgern winkt ein Preisgeld in Höhe

Gewann im letzten Jahr den Hamburger Vergabepreis: Manuela Haddadzadeh, Leiterin der Abteilung Einkauf und Logistik beim NDR – Norddeutscher Rundfunk, hier mit Laudator Volker Romeike. Foto: BS/Fieseler

von je 25.000 Euro. Die Gewinner werden durch eine Jury gewählt. Darüber hinaus vergibt der Behörden Spiegel im Rahmen des Hamburger Vergabetages am 24./25. Januar 2019 den “Hamburger Vergabepreis”. Damit wird ein Projekt ausgezeichnet, das in einer oder mehreren der folgenden vier Kategorien erfolgreich ist: “Wirtschaftlichkeit”, “Nachhaltigkeit”, “Innovation / technische Lösungen zur Vergabe” oder “Transparenz /Compliance”. Darüber hinaus wird am “Tag der öffentlichen Auftraggeber”

vom Bundesministerium für Wirtschaft und Entwicklung (BMWi) und dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) der BME-Award “Innovation schafft Vorsprung” verliehen. Ausgezeichnet werden Projekte, die entweder in der Kategorie “Beschaffung von innovativen Produkten, Verfahren und Dienstleistungen” oder in der Rubrik “Gestaltung innovativer Beschaffungsprozesse” erfolgreich sind. Den Preisträgern winken Gutscheine für Beratungsleistungen bis zu 20.000

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen


Personelles

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Behörden Spiegel / Januar 2019

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Gleichstellungsbeauftragte* Datenschutzbeauftragter* MinR’in Astrid Krumwiede -2731 / -4254 RDir Hans-Georg Stotzem Geheimschutzbeauftragte* RDir‘in Anne Jung -2123 IT-Beauftragter MinR Rudolf Herlitze

Ministerin Svenja Schulze

-2490 *Unmittelbar Herrn Staatssekretär unterstellt

Rita Schwarzelühr-Sutter -2030 / -4030

Koordinierungsstab Digitalisierung N.N.

-2124

Sponsoringbeauftragte und Ansprechperson für Korruptionsvorsorge ORR‘in Julia Hügel (i.V.) -4838

Parlamentarische Staatssekretärin

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: BMU Stand: Januar 2019

Foto: BS/BMU, Sascha Hilgers

Staatssekretär

Persönliche Referentin RR’in Anastasia Guretskaya -2032 / -4031

Persönliche Referentin RR’in Anja Betker -2034

Jochen Flasbarth -2020 / -4020

Abteilung Z

Abteilung P

Zentralabteilung, Verwaltung, Haushalt, Forschung, Digitalisierung Dirk Meyer -4100 / -4101 / -2100 / -2101

Planung, Strategie; Presse, Kommunikation MinDirig Volker Meier -2300 / -4300

Abteilung G

Grundsätzliche und übergreifende Angelegenheiten der Umweltpolitik, Nachhaltigkeit, gesellschaftspolitische Grundsatzfragen; Ressortkoordinator für nachhaltige Entwicklung MinDir Dietmar Horn -2207 / -2209

Büroleiter MinR Peter Stutz -2023 / -4023

Abteilung IK Internationales, Europa, Klimaschutz MinDir Dr. Karsten Sach -2200 / -2201

Unterabteilung ZI

Unterabteilung Z II

Unterabteilung Z III

Unterabteilung PI

Unterabteilung P II

Unterabteilung GI

Unterabteilung G II

Unterabteilung IK I

Unterabteilung IK II

Unterabteilung IK III

Verwaltung MinDirig Stefan Süsterhenn -2105 / -4078 / -2106

Haushalt, Förderangelegenheiten MinDirig Klaus Püschel -2203 / -6473 / -2204

Forschung, Bildung, gesellschaftliche Gruppen Ingrid Müller -3105 / -3106

Planung, Strategie RDir’in Heike Werner -2900 / -2901

Grundsatzangelegenheiten, planungsrelevante Rechtsetzung Dr. Ulrich Hatzfeld -2205 / -2206

Gesellschaftspolitische Grundsatzfragen MinR’in Birgit Schwenk -4360 / -4366

Internationales MinR Norbert Gorißen -3705 / -3706

Europa MinDirig’in Dr. Eva Kracht -2305 / -2306

Klimaschutzpolitik MinDirig Berthold Goeke -3605 / -3606

Referat Z III 1

Presse, Kommunikation Sprecherin der Ministerin Regine Zylka -2017 / -2026

Referat P I 1

Referat IK I 1

Referat IK II 1

Grundsatzangelegenheiten der internationalen Zusammenarbeit, G7/G20, Völkerrecht, internationales Handelsrecht MinR Christian Lindemann -2350

EU-Koordinierung, Europabeauftragte RDir’in Ilka Hirt -2320

Arbeitsgruppe IK III 1

Arbeitsgruppe ZI1 Personal einschl. Geschäftsbereich, Personalentwicklung Leiter: MinR Helmut Alda -2110 Mitglied: MinR’in Martina Bleischwitz -2111

Referat Z I 2 Organisation, Verwaltungscontrolling, Verwaltungsmodernisierung MinR Laurent Lüttge -2120 / -3548

Referat Z I 3 Justiziariat, Zentrale Vergabestelle, Datenschutzrecht MinR Hartmut Pellens -3680

(Beauftragter für den Haushalt)

Referat Z II 1 Haushalt RDir Andreas Woitecki -2130

Referat Z II 2 Beteiligungsverwaltung, Wirtschaftlichkeit im Programmhaushalt, ESF Bescheinigungsstelle RDir Dr. Jochen Gebauer -4090

Referat Z II 3 Förderangelegenheiten, EU- Strukturpolitik, KfW, EU-Beihilferecht N.N.

Referat Z II 4

Innerer Dienst, Sprachendienst MinR Gerd Schablitzki -3110 / -4490

Wissensmanagement, MIZ/ Bibliothek, Krisenmanagement MinR’in Carola Schmidt -2112

Referat Z I 5

Referat Z II 5

Referat Z I 4

Informations- und Kommunikationstechnik RDir Dr. René Birkner -2480

Forschung MinR Dr. Jürgen Jakobs -2090

Büro der Ministerin RDir’in Yeliz Bercht -2060

Referat Z III 2

(Unmittelbar Frau Ministerin unterstellt)

Bildung, Deutsche Bundesstiftung Umwelt MinR Robert Hennies -2250

Referat Z III 3 Gesellschaftliche Gruppen und Verbände, Verbändeförderung, Tourismus, Sport MinR’in Dr. Stefanie Pfahl -2220

Referat Z III 4 Digitalisierung und Gesellschaft RDir Dr. Florian Kammerer -4760

Referat P II 2 Internationales und Protokoll MinR‘in Melanie Klußmann -2070

Referat P I 3 Strategische Planung Sascha Vogt -2990

Referat P I 4

Referat P II 1 Presse RDir Nikolai Fichtner -2160

Referat P II 2 Öffentlichkeitsarbeit, OnlineKommunikation MinR Arne Wiechmann -2150

Referat P II 3 Bürgerkommunikation N.N.

Referat P II 4

Kabinett und Parlament N.N.

Veranstaltungen RDir’in Martina Hildebrand -2152

Referat P I 5

Referat P II 5

Zusammenarbeit mit den Ländern, UMK, Bundesrat RDir’in Claudia Koll -2080

Reden, Texte MinR Thomas Verres -2170

Referat G I 1

Gesellschaftspolitische Grundsatzfragen, Strukturwandel, Berichte RDir Michael Marten -4050

Referat G I 2

Referat G II 2

Fachübergreifende Angelegenheiten des Umweltrechts, Recht der Umweltprüfungen, UmweltRechtsbehelfsgesetz MinR Dr.Christof Sangenstedt -4352

Referat G I 3 Informationsfreiheitsrecht, AarhusKonvention, Umwelthaftungsrecht, Bessere Rechtsetzung MinR Matthias Sauer -2253

Referat G I 4 Nachhaltige Entwicklung, Bürgerbeteiligung MinR Dr. Jörg Mayer-Ries -3450

Innenrevision, Korruptionsvorsorge; Korruptionsbekämpfung N.N. (Unmittelbar Herrn AL Z unterstellt)

Referat G I 5

Referat Z I 6

Umwelt und Wirtschaft, nachhaltige Finanzpolitik RDir’in Nilgün Parker -2450

Förderung UN-Standort Bonn, UN-Campus MinR’in Beate Frey-Stilz -3122

Referat G II 1

Grundsatzfragen und übergreifende Angelegenheiten der Umweltpolitik, Urbaner Umweltschutz MinR Ulrich Weidemann -2230

Nachhaltige Verbraucherschutzpolitik, Produktbezogener Umweltschutz MinR Dr. Ulf Jaeckel -2260

Referat G II 3 Umweltangelegenheiten der Raumordnung, Flächenverbrauch, Ländliche Entwicklung MinR’in Elisabeth Wessel -2211

Referat IK II 2 Grundsatz- und Rechtsfragen der EU RDir‘in Dr. Julia Werner -2380

Referat IK I 2 Vereinte Nationen, 2030-Agenda; Entwicklungs- und Schwellenländer MinR Stephan Contius -2340

Referat IK I 3 Finanzierung des internationalen Klima- und Umweltschutzes, mulitilaterale Entwicklungsbanken MinR‘in Dr. Susan Krohn -2410

Referat IK III 2 Referat IK II 3 Nachhaltige umweltverträgliche Finanzierung der EU N.N.

Referat IK II 4 Bilaterale Zusammenarbeit mit EU- und EFTA-Mitgliedsstaaten; regionale, europäische Zusammenarbeit RDir Martin Weiß -3830

Referat IK II 5 Referat G II 4 Soziale Angelegenheiten der Umweltpolitik, Soziale Gerechtigkeit N.N.

Referat G II 5 Umweltinformationen, Statistik Rolf Bräuer -2210

Referat IK I 4 Internationale Zusammenarbeit zu Umwelt, Energie und Stadt; OECD und OECD-Länder MinR‘in Dr. Vera Rodenhoff -4830

Referat IK I 5 Osteuropa, Zentralasien, Afrika, Mittlerer Osten MinR Jürgen Keinhorst -2370

Grundsatzangelegenheiten des Klimaschutzes, Klimaschutzplan Leiter: MinR Dr. Harald Kohl -3610 Mitglied: Andrea Meyer -3613

EU Klima- und Energiepolitik, Europäische Klimaschutzinitiative, Kohlenstoffmärkte MinR‘in Dr. Silke Karcher -3601 Referat Umwelt in der Ständigen Vertretung bei der EU RDir’in Luisa Rölke 00322-787-1140

Rechtsangelegenheiten Klimaschutz und Energie, Klimaschutzgesetz; Emissionshandel MinR Dr. Dirk Weinreich -3662

Referat IK III 3 Nationale Klimaschutzinitiative, Klimaschutz in Wirtschaft und Kommunen MinR Dr. Sven Reinhardt -4750

Referat IK III 4 Klimaschutz und Energiewende RDir’in Dr. Ingrid Hanhoff -3630

Referat IK III 5 Klimaschutz und Energieeffizienz Martin Waldhausen -3670

Referat IK I 6 Internationaler Klimaschutz MinR‘in Nicole Wilke -2360

Referat IK I 6 Internationale Klimaschutzinitiative MinR Dr. Philipp Behrens -2140

Legende Aufgaben werden in Bonn wahrgenommen Aufgaben werden in Berlin wahrgenommen Aufgaben werden teilweise in Berlin und Bonn wahrgenommen

Örtlicher Personalrat Vorsitzende: Claudia Goeke -2050 / -2056

Hauptpersonalrat Vorsitzender: Arno Graff -4227 / -2052 / -2053

Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen im BMU Petra Ballmann -4542

Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Christian Kluge (UBA) 0340-2103-2681

Jugend- und Ausbildungsvertretung Jana Marie Dost -3193

Hauptjugend- und Auszubildendenvertretung Vorsitzender: Stefan Miethig (UBA) -2053


Personelles

Behörden Spiegel / Januar 2019

Robert-Schuman-Platz 3, 53175 Bonn (Bad Godesberg) Postanschrift: Postfach 12 06 29, 53048 Bonn Liefer- und Zustellanschrift: über Heinrich-von-Stephan-Straße, 53175 Bonn Fernruf: 0228 99 / 305-0 Telefax: 0228 99 / 305-3225 Internet: http://www.bmu.de E-Mail: Poststelle@bmu.bund.de

Stresemannstraße 128–130, 10117 Berlin Köthener Straße 2–3, 10963 Berlin Krausenstraße 17–18, 10117 Berlin Postanschrift (Briefe): 11055 Berlin Liefer- und Zustellanschrift (Pakete): Stresemannstraße 128–130, 10117 Berlin Fernruf: 030 18 / 305-0 Telefax: 030 18 / 305-3225

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Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

Parlamentarischer Staatssekretär Florian Pronold -2040 / -4040

Persönliche Referentin RDir’in Joan Mirbach -2042 / -4042

Abteilung S

Abteilung WR

Abteilung IG

Abteilung N

Nukleare Sicherheit, Strahlenschutz

Wasserwirtschaft, Ressourcenschutz

MinDir Dr. Wolfgang Cloosters -2800 / -4067 / -2801

MinDir‘in Dr. Regina Dube -2500 / -2501

Immissionsschutz, Anlagensicherheit, Verkehr, Chemikaliensicherheit; Umwelt und Gesundheit Gertrud Sahler -2400 / -4074 / -2401

Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung MinDirig’in Dr. Christiane Paulus -2600 / -2601

Unterabteilung SI

Unterabteilung S II

Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen MinDirig Thomas Elsner -2950 / -3854 / -3162

Strahlenschutz MinDirig Dr. Christian Greipl -2905 / -3854 / -2906

Arbeitsgruppe SI1 Atomrecht und Recht der nuklearen Sicherung Leiter: MinR Dr. Siegbert Schneider -2818 Mitglied: RDir Lars Beyer -2812

Referat S I 2 Allgemeine Angelegenheiten der nuklearen Sicherheit, Abteilungskoordinierung MinR’in Ursula Adenauer -28 40 RDir’in Mechthild Heinemann -2817

Referat S I 3 Bundesaufsicht bei Betrieb und Stillegung von Atomkraftwerken und Forschungsreaktoren MinR Volker Wild -2850

Arbeitsgruppe SI4 Angelegenheiten der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes Leiterin: MinR’in Dr. Martina Palm -2890 Mitglied: RDir‘in Dr. Christine Wassilew -6190

Referat S I 5 Grundsätzliche Angelegenheiten der Reaktorsicherheit, Kerntechnisches Regelwerk, Multilaterale regulatorische Zusammenarbeit RDir Kai Weidenbrück -2880

Referat S I 6 Nukleare Sicherung RDir Dr. Edgar Mergel -2870

Referat S II 1 Strahlenschutzrecht RDir’in Dr. Goli-Schabnam Akbarian -2913

Referat S II 2 Grundsatzangelegenheiten des Strahlenschutzes MinR Dr. Axel Böttger -2960

Referat S II 3 Bundesaufsicht im Strahlenschutz RDir’in Dr. Andrea Bock -2948

Referat S II 4 Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen; Nichtionisierende Strahlung Dr. Birgit Keller -2920

Referat S II 5 Notfallschutz, Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt, Radioökologie RDir Ralf Stegemann -2970

Unterabteilung S III

Unterabteilung WR I

Unterabteilung WR II

Unterabteilung IG I

Unterabteilung IG II

Unterabteilung NI

Unterabteilung N II

Nukleare Entsorgung MinDirig Peter Hart -2805 / -2806

Wasserwirtschaft, Bodenschutz MinDirig Dr. Jörg Wagner -3805 / -3806

Ressourcenschutz, Kreislaufwirtschaft MinDirig Dr. Christoph Epping -2550 / -3406

Nachhaltige Naturnutzung MinDirig Rudolf Ley -3305 / -3306

Referat WR I 1

Recht der nuklearen Entsorgung Leiterin: MinR’in Gisela Bordin -2864 Mitglied: MinR Walter Kühne -2866

Allgemeine, grundsätzliche sowie internationale und europäische Angelegenheiten der Wasserwirtschaft MinR Thomas Stratenwerth -2790

Umwelt und Gesundheit, Chemikaliensicherheit MinDirig Dr. Axel Vorwerk -2705 / -4076 / -2706

Naturschutz N.N. -2605 / -2606

Referat S III 1

Immissionsschutz, Anlagensicherheit und Verkehr MinDirig’in Dr. Anita Breyer -2405 / -4075 / -2406

Referat S III 2 Grundsatzangelegenheiten der nuklearen Entsorgung, Standortauswahl Endlagerung MinR’in Elisabeth Meyer zu Rheda -2911

Referat S III 3 Sonstige Angelegenheiten der nuklearen Entsorgung MinR Dr. Christian Götz -2931

Referat S III 4 Endlager Konrad und Morsleben MinR Dr. Karl-Heinz Kölschbach -2953

Referat S III 5 Schachtanlage Asse; Entsorgung von geringfügig kontaminierten Stoffen MinR’in Dr. Renate Sefzig -2980

Referat WR I 2 Recht der Wasserwirtschaft MinR Dr. Frank Hofmann -2520

Referat WR I 3 Gewässerschutz, Schutz der Oberflächengewässer und des Grundwassers RDir Lutz Keppner -2541

Referat WR I 4 Zusammenarbeit in internationalen Flussgebieten, Wasserwirtschaftliche Übereinkommen, Internationales Recht des Gewässerschutzes MinR’in Heide Jekel -2521

Referat WR I 5 Meeresschutz MinR‘in Heike Imhoff -2527

Referat WR I 6 Hochwasserschutz MinR’in Anette van Dillen -2507

Referat WR I 7 Recht des Bodenschutzes und nachsorgender Bodenschutz; Bergrecht MinR Andreas Bieber -3420 RDir Michael Heugel -3430

Referat WR II 1 Allgemeine, grundsätzliche und internationale Angelegenheiten der Kreislaufwirtschaft, Grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen MinR Dr. Andreas Jaron -2570

Referat WR II 2 Recht der Kreislaufwirtschaft und des Ressourcenschutzes MinR Dr. Frank Petersen -2560

Referat WR II 3 Branchenbezogene Produktverantwortung MinR’in Heike Schroeder-Behrendt -2567

Referat WR II 4 Bewirtschaftung von Siedlungsabfällen; Mineralische und gefährliche Abfälle, Deponierung MinR Hans-Peter Ewens -2583 DirProf Dr. Michael Siemann -2590

Referat WR II 5 Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen, Wertstoffrückgewinnung MinR Thomas SchmidUnterseh -2572

Referat WR II 6 Nationale und grundsätzliche Angelegenheiten der Ressourceneffizienz MinR Dr. Harald Bajorat -3410

Referat WR II 7 Europäische und internationale Angelegenheiten der Ressourceneffizienz, Rohstoffpolitik MinR’in Dr. Almuth Ostermeyer-Schlöder -2510

Referat IG I 1 Immissionsschutzrecht MinR Dr. Bernd Hilger -2410

Referat IG I 2 Anlagen- und gebietsbezogene Luftreinhaltung Leiter: MinR Dr. Hans-Joachim Hummel -2430 / -2434 Mitglied: MinR Dr. Gordo Jain -2420

Referat IG I 3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen RDir Dr. Rudolf Brüggemann -2441

Referat IG I 4 Anlagensicherheit MinR Georg Arens -2460

Referat IG I 5 Umwelt und Verkehr, Elektromobilität MinR Uwe Brendle -2330

Referat IG I 6 Technik der Luftreinhaltung im Verkehr und bei Brenn- und Treibstoffen, Biokraftstoffe RDir Falk Heinen -2470

Referat IG II 1 Grundsatzfragen der Chemikaliensicherheit, Chemikalienrecht MinR Dr. Christian Meineke -2730

Referat IG II 2 Umwelt und Gesundheit MinR’in Dr. Birgit Wolz -2720

Referat IG II 3 Internationale Chemikaliensicherheit, Nachhaltige Chemie MinR’in Dr. Jutta Emig -2710

Referat IG II 4 Chemikalien, Risikobewertung und Risikomanagement MinR Dr. Jakob-Matthias Drossard -2711 MinR Dr. Jörg Lebsanft -2687

Referat N I 1 Allgemeine und grundsätzliche Angelegenheiten des Naturschutzes, Abteilungskoordinierung MinR Dr. Kilian Delbrück -2610

Recht des Naturschutzes und der Landschaftspflege MinR Dr. Stefan Lütkes -2670

Referat N I 2

Referat N II 2

Gebietsschutz, Natura 2000 N.N.

Referat N I 3 Artenschutz MinR Gerhard Adams -2631

Referat N I 4 Internationale Angelegenheiten der biologischen Vielfalt MinR’in Inka Gnittke -2760

Referat N I 5 Meeresnaturschutz MinR’in Nicola Breier -2619

Referat N II 1

Naturschutz und Infrastruktur, Eingriffe in Natur und Landschaft MinR Alfred Walter -2640

Referat N II 3 Naturschutz und Energie MinR Bernd-Ulrich Hildebrandt -2660

Referat N II 4 Waldschutz und nachhaltige Waldbewirtschaftung, Biologische Vielfalt und Klimawandel N.N.

Referat N II 5 Natur- und Umweltschutz in der Landwirtschaft Dr. Heidrun Kleinert -2785 RDir Frank Klingenstein -2766

Referat IG II 5 Pflanzenschutzmittel, Biozide, Arzneimittel MinR’in Dr. Sabine Gärtner -2741

Referat N II 6 Vorsorgender Bodenschutz, Moorschutz; Biologische Vielfalt und Klimawandel RDir’in Mechthild Caspers -2676

Referat IG II 6 Nanotechnologie und neuartige Materialien, OECD, Chemikalienpolitik MinR’in Dr. Anke Jesse -2128

Referat IG II 7 Gesundheit und Klimawandel RDir’in Dr. Jutta Litvinovitch -2750

Legende Aufgaben werden in Bonn wahrgenommen Aufgaben werden in Berlin wahrgenommen Aufgaben werden teilweise in Berlin und Bonn wahrgenommen


Diplomaten Spiegel

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A

ls Publizist, Kolumnist und Autor für deutsche Zeitungen, die Deutsche Welle, den Zsolnay Verlag, von Theaterstücken wie “Last Exit Degerloch” in Stuttgart oder Übersetzer für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Berlin macht sich das beruflich für ihn bezahlt. Und als Frontmann seines Landes ist ihm das auch nicht gerade hinderlich. Seit Juni letzten Jahres ist Beqë Cufaj nun erstmals als solcher in Deutschland und hat sich das “mehr oder weniger” auch so vorgestellt. Zu seinen Mitarbeitern sagt er: “Leute, die Arbeit hier habe ich mein Leben lang gemacht. Durch meine publizistischen Tätigkeiten, war ich immer eine “Brücke” zwischen Deutschland und Kosovo. Doch nun rede ich nicht mehr für mich allein, sondern auch für meinen Staat – und hier sind selbst flüchtige Fehler nicht hinnehmbar. Bislang fühle ich mich ganz wunderbar und habe die volle Unterstützung aller hier in der Botschaft.”

Behörden Spiegel / Januar 2019

Die Republik Kosovo ist eine Realität Ein Gespräch mit ihrem Botschafter Beqë Cufaj in Berlin (BS/ps) Der Kosovo grenzt im Südwesten an Albanien, im Nordwesten an Montenegro, im Norden und Osten an Serbien und im Südosten an Mazedonien. Mit 10.887 Quadratkilometern (km2) hat die kleinste Republik Südosteuropas etwa ein Drittel der Fläche Belgiens und mit knapp 1,9 Millionen etwa so viele Einwohner wie Hamburg. Wobei in der Hansestadt 2.388 Menschen auf einem Quadratkilometer leben und dort 160 – die durchschnittlich jüngsten Europas. 33 Prozent sind unter 16 Jahre alt, über die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 25 und nur sechs Prozent über 65. Diesen juvenilen, gerade mal zehn Jahre alten Staat, der sich 2008 von Serbien unabhängig erklärt, repräsentiert seit Juni letzten Jahres Botschafter Beqë Cufaj, 48, in Berlin. Er studierte Literatur- und Sprachwissenschaften in der kosovarischen Hauptstadt Pristina und in Stuttgart. Seither kann er im Gegensatz zum Schwaben – “mir kennat älles außer Hochdeitsch” – vor allem letzteres dagegen sehr gut!

Vorschlag für Wirtschaftszone

Wechsel im Alltag Die kann er auch brauchen, denn 2018 jährte sich die Unabhängigkeit seiner Republik und ihre Anerkennung durch die Bundesrepublik zum zehnten Male. Es sind anstrengende Tage, auch und gerade für den Hausherrn, für den die diplomatische Sprache bisweilen (noch) eine gewisse Herausforderung ist. “Aus diesem Grunde mache ich jedes Mal darauf aufmerksam, wenn ich mich in ein einschlägiges Gespräch einlasse, und bitte um Verständnis, dass mir der eine oder andere Ausdruck und Begriff in meinem Vokabular bislang fehlt. Der größte Wechsel in meinem Alltag betrifft jedoch die Kleiderordnung, die für Botschafter gilt. Der Sommer des vergangenen Jahres war sehr heiß und machte die Auswahl einer “passenden” Kleidung zu einer wahren Herausforderung”, berichtet Cufaj.

Kosovo tritt auf der Stelle Weniger schnell und zufriedenstellend zu lösen dürfte die Normalisierung der Beziehungen zu Serbien sein, das Kosovo formal immer noch als seine Provinz betrachtet. “Es gibt keinen Staat, der mehr für seine Minderheiten getan hat als die albanische Mehrheit in meiner Republik. Serben, Roma und andere Minderheiten sind selbstverständlicher Teil des Kosovo”, erklärt Cufaj. “Auf der anderen Seite steht der Dialog mit Belgrad, in dem die serbische Regierung im Namen der kosovarischen Serben spricht. Nach all den Jahren ist Serbien dessen Gewinner, während der Kosovo auf der Stelle tritt. In der Zwischenzeit wurde Serbien der Status eines EUBeitrittskandidaten zuerkannt, während kosovarischen Staatsbürgern noch nicht einmal die Visa-Freiheit für den Schengenraum gewährt wird. Das spricht Bände!”, unterstreicht der kosovarische Botschafter. Die Begründung, der Kosovo müsse vorher die Voraussetzungen der

Tatsache, dass der Kosovo viel für die Integration der serbischen Bevölkerung getan hat und Belgrad die dort lebenden Serben bei seinen regionalen und globalen geostrategischen Spielchen politisch missbraucht. Es gibt keinen Weg zurück! Die Selbständigkeit der Republik Kosovo ist Realität, die durch alle Staaten der Region und von 115 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen anerkannt worden ist.”

Zusammen mit der Familie in Berlin: Seine Exellenz Beqë Cufaj, Botschafter der Republik Kosovo, mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Fotos: BS/Dombrowsky

EU für die Visa-Liberalisierung realisieren, sei fadenscheinig, denn diese seien erfüllt: von den biometrischen Reisepässen, bis hin zur Einführung von EU-Stan-

Botschafter Cufaj, “zu bekunden, beweisen und zu zeigen, dass bei uns nicht gekämpft wird, es hier ungefährlich ist, Kriminalität und Korruption nicht vorherrschen

eine Mitgliedschaft in der EU ohne Anerkennung des Kosovo als selbstständigen Staat nicht geben wird. Die Erfahrung der EU aus der Aufnahme von Zy-

Botschafters Rezepte Albanischer Hammelauflauf

Zutaten: 500 g Hammelfleisch (o. Knochen), 50 g Butterschmalz, Salz, Pfeffer, 250 ml Fleischbrühe, 2 Eier, 150 ml Jogurt, Butter/Margarine zum Einfetten

Eier und Jogurt verquirlen, mit Salz und Pfeffer würzen und über das Fleisch geben. Im vorgeheizten Ofen bei 220°C 20 Min. überbacken.

Zubereitung: Hammelfleisch von überschüssigem Fett befreien und in kleine Würfel schneiden. Schmalz in einem Topf erhitzen und das Fleisch darin kräftig anbraten. Salzen und pfeffern. Mit der Brühe ablöschen und bei geringer Hitze ca. 20 - 25 Min. im offenen Topf dünsten, bis die Flüssigkeit weitgehend verdunstet ist. Das Fleisch etwas abkühlen lassen und in eine gefettete Auflaufform geben.

Dazu gibt es Baguette oder Fladenbrot. Das Gericht schmeckt auch mit Lamm, aber mit Hammel ist es geschmacklich ungleich intensiver. Versuchen Sie es beim türkischen Fleischer oder im türkischen Supermarkt, wo Sie das Fladenbrot kaufen.

dards bei der Regierungsführung, Zivilgesellschaft, den Menschenrechten oder für rechtsstaatliche Justizverfahren usw. “Trotz des bisher Erreichten bleibt für uns noch viel Arbeit auf kommunaler-, Landes- und Bundesebene. Auch die Effizienz bei der Erfüllung der Verpflichtungen, die das Land mit den zwischenstaatlichen Vereinbarungen und Abkommen mit Deutschland eingegangen ist, gilt es noch zu steigern. Um Investoren nicht zu verunsichern, ist es in erster Linie wichtig”, so

Dazu passt Rotwein aus dem Amselfeld, das den größten Teil des Kosovo ausmacht, oder Bier aus Peja.

und das Land insofern weder besser noch schlechter dasteht als die Nachbarländer. Wir müssen viel an der Verbesserung unseres Erscheinungsbildes arbeiten.”

Plädoyer für die Selbstständigkeit

Hierzu könnte auch ein Deal zwischen Pristina und Belgrad beitragen. In den beiden Hauptstädten plant man einen Gebietstausch, der möglicherweise das Verhältnis zwischen beiden Staaten entspannen könnte. Der Norden des Kosovo, serbisch bewohnt, soll an Serbien gehen und Kosovo dafür mit einem albanisch besiedelten Landstrich im Süden Serbiens entschädigt werden. “Ich behaupte, es gibt keinen Plan! Man weiß bislang nur, dass die Verhandlungen über eine wechselseitige Anerkennung sich in einer Einbahnstraße befinden, was weder Serbien, noch dem KoZu Gast in Berlin: Behgjet Pacolli, stellvertretender Premierminister und Außenminister der sovo gut bekommt. Republik Kosovo, hier bei der Eröffnung des zehnten Dialogs “Kosovo & Deutschland”, wo er Belgrad ist es befür Teile des Landes eine Wirtschaftszone vorschlug. wusst, dass es

pern, in der Hoffnung auf eine Versöhnung zwischen den zypriotischen Griechen und Türken, hat sich als falsch erwiesen. Deshalb muss der Gedanke an eine Versöhnung durch Integration sorgfältig erwogen werden. Einen konkreten Plan sehe ich auch deswegen nicht, weil fünf Mitgliedsstaaten der EU – Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern – uns noch immer nicht anerkennen, ausschließlich aus innenpolitischen Erwägungen. Meine Regierung ist nach wie vor bereit, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, um das Ziel des vor 20 Jahren begonnen Kampfes zu erreichen: Die Anerkennung der Republik Kosovo als selbstständigen Staat durch Serbien und seine Aufnahme in die UNO. Trotz der

Das sieht Kosovos Außenminister Behgjet Pacolli genau so und erklärt unserer Zeitung gegenüber: “Kosovo und Serbien müssen als zwei souveräne Staaten verhandeln. Wir sind es seit zehn Jahren und können niemandem erlauben, auf dem bisher Erreichten herumzutrampeln. Kosovo ist seit dem 17. Februar 2008 eine Realität. Das kann nicht umgestoßen werden.” Pacolli wiederholte seinen Vorschlag von 2007, wonach der nördliche Kosovo in eine Wirtschaftszone umgewandelt werden sollte. Ein Drittel könnte zu Pristina, eines zu Belgrad und das dritte zu keinem der beiden gehören, sondern von einem “Neutralen” verwaltet werden. “Das wäre eine Lösung für mich, wobei es durchaus sein kann, dass die Zeit hierfür noch nicht reif ist so Pacolli. Doch bisweilen ändern sich ja die Zeiten und wir uns mit ihnen. Vor diesem Hintergrund – welches politische Projekt sähe Botschafter Cufaj nun schon gerne als “reif” an? “Die Visa-Liberalisierung. Sie ist nicht nur höchst vorrangig, sondern auch eine große Ungerechtigkeit, wenn ich das mal undiplomatisch sagen darf. Ebenso die Anerkennung der Republik Kosovo durch Serbien, die jedoch nicht in meinen Händen liegt. Ich würde mich auch für die Anerkennung der Fahrerlaubnisse der Republik Kosovo stark machen!” Wirklich letzte Frage – mit wem würde er gerne für einen Tag tauschen? “Mit Ihnen! Es wäre mir ein Vergnügen, eines Tages mal wieder die Arbeit eines Redakteurs zu tun. Und es wäre mir, ganz davon abgesehen, bei einer so namhaften Zeitschrift, wie die Ihre es ist, auch eine große Ehre! Ich bin überzeugt, ich würde Sie nicht enttäuschen.” Davon sind wir überzeugt. Danke, Herr “Kollege”, das wärmt das Herz.

Europäischer Rechnungshof übt Kritik Betrugsbekämpfungsmaßnahmen auf EU-Ebene offenbar nicht ausreichend (BS/mfe) Die Europäische Union muss ihr Handeln zur Bekämpfung von Betrug intensivieren. Die EU-Kommission sollte dabei eine Führungsrolle übernehmen und auch vor Reformen ihres Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) nicht zurückschrecken. Das verlangt der Europäische Rechnungshof. Sowohl die Rolle von OLAF als auch dessen Zuständigkeiten sollten einer Prüfung unterzogen werden, da das derzeitige Betrugsbekämpfungssystem auf europäischer Ebene erhebliche Mängel aufweise. So mangele es der Kommission etwa an umfassenden Informationen zu Umfang, Art und Ursachen von Betrug. Dieses Informationsdefizit stehe einer wirksamen Verhinderung von Betrug zum Nachteil des EU-Haushaltes im Wege, konstatieren die Luxemburger Prüfer. Sie stellen zudem fest, dass der Kommission keine umfassenden und vergleichbaren Informationen zum Ausmaß des aufgedeckten Betrugs bei den EU-Ausgaben vorlägen. Darüber hinaus habe die Kommission bisher weder eine Bewertung des nicht aufgedeckten Betrugs noch eine eingehende Analyse zu der Frage vorgenommen, was die Ursachen dafür seien, dass Teilnehmer des Wirtschaftskreislaufes betrügerische Taten begingen. Diese Defi-

zite minderten den praktischen Wert und die Effizienz der Kommissionspläne zum Schutz der EU-Finanzinteressen vor Betrug. Das für den Bericht zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofes, Juhan Parts, sagte: “Sieben von zehn EU-Bürgern nehmen den Betrug zum Nachteil des EU-Haushalts als ein relativ häufiges Phänomen wahr – auch wenn dies möglicherweise nicht der Wirklichkeit entspricht. Leider sind die Betrugsbekämpfungsmaßnamen bisher noch unzureichend.” Es gelte nunmehr, effektive Maßnahmen zu ergreifen. Die Kommission sollte ein wirksames System zur Betrugsverhinderung einrichten, mit dem Betrüger ermittelt und abgeschreckt werden könnten. Parts zeigte sich überzeugt: “Eine Reform des OLAF wird den Lackmustest für das Engagement der Kommission bei der Betrugsbekämpfung bilden.” Das aktuelle System des Amtes, wonach auf die verwaltungsrechtlichen Untersuchungen des OLAF bei Betrugsverdacht strafrechtliche

Ermittlungen auf nationaler Ebene folgten, nehme viel Zeit in Anspruch und verringere die Chancen auf Strafverfolgung, so die Rechnungsprüfer. Darüber hinaus bemängeln sie, dass nur in wenigen Fällen, in denen das OLAF Empfehlungen ausgesprochen habe, auch tatsächlich eine strafrechtliche Verfolgung der mutmaßlichen Betrüger stattgefunden habe. Und sie kritisieren, dass OLAF-Abschlussberichte oftmals nicht genügend Informationen enthielten, um eine Wiedereinziehung von zu Unrecht ausgezahlten EU-Mitteln einzuleiten. Zwischen 2012 und 2014 seien lediglich 15 Prozent des empfohlenen Gesamtbetrages tatsächlich wieder eingezogen worden. Die Kontrolleure empfehlen der Kommission, ein solides System zur Berichterstattung über Betrug sowie zu seiner Messung einzurichten. Des Weiteren sollten das Betrugsrisikomanagement und die Betrugsverhinderung explizit in das Aufgabenportfolio eines Kommissars aufgenommen werden.


Kommune Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Januar 2019

Risikofaktor Mensch

KNAPP Maßnahmen zur Wahlabsicherung erarbeitet

Korruptionsbekämpfung in der Kommune

(BS/Katarina Heidrich) Die Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament hat in ihrem Korruptionsbericht “The costs of corruption across the EU” dargelegt, dass Korruption Deutsch- (BS/stb) Eine Bund-Länder-Arland jährlich über 104 Milliarden Euro kostet. Das sind etwa vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). EU-weit gehen die Modellrechnungen von 904 Milliarden Euro pro Jahr aus. beitsgruppe hat einen Katalog Auf kommunaler Ebene sind neben der Legislativen und der Exekutiven vor allem öffentliche Unternehmen ein Risikobereich. von Maßnahmen für KommuGeht es um Korruptionsprävention in kommunalen Unternehmen, “fällt zunächst der wahnsinnige Unterschied zwischen den Kommunen auf”, beschreibt Dr. Gisela Rüß, Vorstandsmitglied von Transparency International Deutschland e. V. (TI), die Situation. Einige hätten ein ausgeklügeltes Compliance-System, einige wendeten dieses aber nicht an und andere beschäftigten sich erst gar nicht mit der Thematik, so Rüß. Dadurch fehle die Vergleichbarkeit. Als “Paradekommune” führt sie Potsdam an. Die Landeshauptstadt ist seit 2010 Mitglied bei Transparency Deutschland. “Manchmal braucht es auch einen Impuls von außen”, fügt Christian Erdmann, Leiter der Arbeitsgruppe Kommunen von Transparency Deutschland, mit Blick auf den im Jahr 2011 öffentlich gewordenen “Stadtwerkeskandal” der brandenburgischen Hauptstadt hinzu. Damals wurden Vorwürfe gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Stadtwerke wegen illegalen Sponsorings laut. Für eine “saubere Verwaltung” spiele Integrität eine bedeutende Rolle. Erdmann betont, dass sich dies wiederum positiv auf das Image einer Kommune und ihrer Unternehmen auswirken könne: “Compliance ist gut für die Reputation, Reputation ist gut für das Geschäft.”

Kontrolle ist gut, Vertrauen reicht nicht “Potsdam hat eigene negative Erfahrungen gesammelt und daraus Maßnahmen erarbeitet”, betont Karolina Kumarasingham, Compliance-Beauftragte der Stadtwerke Potsdam, im Rahmen der Veranstaltung “Korruptionsprävention in kommunalen Unternehmen” von Transparency Deutschland in Kooperation

Drahtseilakt zwischen moralischen Fragen und persönlichen Vorteilen – Korrumpierbarkeit in öffentlichen Unternehmen Foto: ©Sergey Nivens, stock.adobe.com

mit dem Deutschen Institut für Compliance (DICO) und dem Behörden Spiegel. Sie versteht Compliance nicht nur als Antikorruptionskonzept, sondern weiter gefasst als die Analyse von Strukturen und Abläufen zur Sicherstellung, “dass der Faktor Mensch nicht versagt”, so Kumarasingham. Denn dieser könne entweder dem Korruptionsrisiko entgegenwirken oder selbst empfänglich sein. Die größte Herausforderung für sie als ComplianceBeauftragte sei die Frage, ob jeder im Fachbereich wisse, wo genau seine Pflichten liegen. Eine mögliche Lösung hierfür sei, dass immer mehrere Personen eine bestimmte Entscheidung treffen – etwa in der Vergabe. So habe “ihr” Unternehmen beispielsweise auch zwei Geschäftsführer, denen immer im Wechsel Berichte vorgelegt würden. Dass trotz aller Bemühungen bei den Potsdamer Stadtwerken

das Land Brandenburg insgesamt unter steigender Korruption leidet, belegen Zahlen der Staatskanzlei Potsdam. Demnach wird die Summe der durch das Landeskriminalamt im Jahr 2017 aufgedeckten Fälle auf circa 6,8 Millionen Euro geschätzt. Das sei im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 2,7 Millionen Euro und damit ein Anstieg um knapp 70 Prozent. Die Polizei habe 104 Verfahren mit zusammen 372 Korruptionsstraftaten erfasst. Davon seien allein 114 Taten innerhalb der öffentlichen Verwaltung geschehen – vor allem bezüglich öffentlicher Aufträge und behördlicher Genehmigungen. In der Politik wurden 19 Straftaten gezählt, hier sollte meist das Abstimmungsverhalten kommunaler Mandatsträger beeinflusst werden. Im Wirtschaftsbereich wurde in 44 Fällen vor allem versucht, Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

Guilherme Siqueira de Carvalho, Bundeskanzler-Stipendiat der Alexander-von-HumboldtStiftung und Mitarbeiter der Stadtverwaltung São Paulo im Bereich Antikorruption, hat im Rahmen seiner Forschungstätigkeit drei Thesen zur Korruptionsprävention auf kommunaler Ebene aufgestellt.

Der Blick von außen Zunächst benötigten öffentliche Unternehmen einen besonderen Schutz. Denn von den bundesweit rund 9.000 Unternehmen seien fast 90 Prozent kommunal. Sie stellten damit einen wesentlichen Anteil der kommunalen Finanzen und seien besonders attraktiv für Korruptionsstraftaten, so Carvalho. Neben der Schaffung von Wettbewerbsvorteilen spielten immer wieder persönliche Verflechtungen eine Rolle. Die Spannung zwischen wirtschaftlicher Rechtsform und

Wettbewerb auf der einen sowie dem Duktus der Politik auf der anderen Seite könne gerade die Korruptionsanfälligkeit öffentlicher Unternehmen erhöhen, so Carvalho. Seine zweite These umfasst die Verantwortung der Kommune. “Die Tatsache allein, dass ein öffentliches Unternehmen eine Compliance-Stelle besitzt, heißt noch nicht, dass es ausreichend gegen Korruption geschützt ist”, hebt der Stipendiat hervor. Beispielsweise sei die Beschaffenheit der Aufsichtsgremien oft schon ein Risikofaktor, da sie sich meist aus Politikern zusammensetzten. Auf diese Weise könnten Interessenskonflikte auf unzureichende Erfahrung treffen. Carvalhos dritte These hebt den häufigen Verweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hervor. Ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit werde oft übertrieben und bestehe meist nicht, kritisiert er. “Es wäre falsch, das größere Ziel der Transparenz wegen solcher Einwände aufzugeben.” Als effektivste Lösung nennt er eine Rechtsreform.

Digitalisierung als Antwort? Reinhold Harnisch, Geschäftsführer des Kommunalen Rechenzentrums Minden-Ravensberg/ Lippe, stimmt Carvalhos dritter These nicht zu. Als Informatik-Dienstleister hätte sein Zweckverband schon viele Prüfungsmechanismen eingeführt. “Trotzdem: ein 100-prozentiger Schutz vor kriminellen Energien kann nicht gewährleistet werden”, so Harnisch. Neben Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit spielten vor allem solche nach der Qualifizierung der Mitarbeiter eine Rolle. Fortsetzung auf Seite 14

nen zur Informationssicherheit für die Europawahl am 26. Mai 2019 erarbeitet. Der Katalog soll Kommunen dabei anleiten, die IT-gestützten Abläufe zur Auszählung der Stimmen und Übertragung der vorläufigen Wahlergebnisse als Schnellmeldungen abzusichern. Gefordert werden unter anderem Maßnahmen zur Zugriffskontrolle auf relevante Wahlanwendungen sowie die Absicherung von Netzübergängen und Fernwartungszugängen auf IT-Systeme. Initiiert wurde die Arbeitsgruppe vom Bundeswahlleiter Dr. Georg Thiel. Beteiligt sind außer ihm das federführende Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), die Landeswahlleitungen sowie das bayerische Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI). Letzteres hat zusätzlich Umsetzungshinweise zum Maßnahmenkatalog für die bayerischen Kommunen auf seiner Website www.lsi.bayern. de veröffentlicht (mehr dazu­ im Interview mit LSI-Präsident Daniel Kleffel auf Seite 33).

12-Punkte-Programm für Kommunen (BS/kh) Die baden-württembergische CDU-Landtagsfraktion hat ein umfassendes Konzept zur Förderung von Kommunen im Land beschlossen. Dadurch sollen zukünftig gleichwertige Lebensbedingungen in Städten und auf dem Land gewährleistet werden. Unter den 12 Punkten findet sich etwa die Einführung eines Flächenfaktors zur präziseren Erhebung von Gebietsgrößen beim kommunalen Finanzausgleich. Zudem sieht das Programm einen Demografie-Bonus für Kommunen mit starkem Einwohnerrückgang im Finanzausgleichsgesetz vor. Ein weiterer Punkt ist die Breitbandversorgung.

Fotos: Toby Giessen, Behörden Spiegel; www.duesseldorf.de; www.dormagen.de

Neue Mobilität

Strategien für Kommunen und öffentliche Fuhrparks 7. Mai 2019, Düsseldorf

Top-Referenten:

THEMEN DER KONFERENZ, u. a.: ► Moderne Mobilitätskonzepte für die Kommune ► Elektromobilität in NRW

► Flächendeckende Infrastrukturen für Elektromobilität Michael Schramek Thomas Geisel Vorsitzender des Vorstandes Oberbürgermeister der Netzwerk intelligente Mobilität Landeshauptstadt Düsseldorf e. V., Fachlicher Leiter der Tagung Eine Veranstaltung des

Mitveranstalter:

Tanja Gaspers Kämmerin und Projektleiterin „Elektromobile Stadtverwaltung Dormagen“

► E-Busse: viel Potenzial für deutsche Innenstädte

► Nachhaltige Mobilitätsstrategien und klimafreundliche Verkehrsentwicklung

www.kommunale-mobilitaet.de


Kommunalpolitik

Seite 14

Digital fit durch Videospiele?

Fortsetzung von Seite 13 Diesen müssten die drohenden Sanktionen bei Fehlverhalten “vom ersten Tag an” bewusst gemacht werden. Was den Mitarbeitern darüber hinaus bewusst gemacht werden solle, seien die Vorteile ITgestützter Prozesse zur Korruptionsprävention, betont Andreas Reiter, Leiter der Zentralrevision bei der Berliner Stadtreinigung (BSR). Diese seien besser dokumentierbar, wodurch die Möglichkeiten zum Betrug geschmälert werden. Rüß hingegen ist der Meinung, es lasse sich nicht alles durch Datenverarbeitung lösen. “Bei dem Stand der Technik bin ich nicht sicher, ob man nicht auch dort hintergehen kann und ob diese Prozesse nicht noch hilfreich beim Betrug sind”, gibt das TI-Vorstandsmitglied zu bedenken. Sie sehe das Problem eher in der Komplexität bei der Formulierung und Aufstellung von Ausschreibungen. Hier sei die Behördenleitung gefragt. Harnisch hält dagegen: “Wenn man IT-gestützte Systeme sauber aufbaut, wird der Aufwand viel größer, diese zu umgehen.” Bei der Beschaffung etwa grenzten digitale Lösungen die Manipulationsmöglichkeiten ein und seien für alle Mitarbeiter transparent. Auch er sieht das Risiko am ehesten beim Faktor Mensch – und hier vor allem bei den Praktikanten als “gefährdetste Stelle”. Denn diese hätten in der Regel alle Abteilungen “durchwandert” und hätten viele Rechte in Form von Passwörtern und Zugängen.

Die Kunst des würdevollen Alterns in einer Kommune (BS/Adrian Bednarski) In Würde zu altern, ist hierzulande bei einem Fachkräftemangel leichter gesagt als getan. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft bräuchte es bis zum Jahr 2035 knapp 500.000 Altenpfleger für einen adäquaten Betreuungsschlüssel. Dies sind ungefähr 44 Prozent mehr als heutzutage arbeiten. Deshalb führt an digitalen Assistenzsystemen kein Weg vorbei. Gerade Pflegeheime und öffentliche Wohnungsbauunternehmen sind hierbei gefordert. Das Thema muss aus seinem Nischendasein herausgehoben werden. Michael Löher, Vorstand des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, erläutert: “Ambient-Assisted-Living (AAL)Technologien zielen in erster Linie darauf, älteren Menschen mit Einschränkungen ein längeres selbstständiges Leben zu Hause zu ermöglichen.” In der stationären Altenpflege hingegen werde vor allem von Robotik und dem Einsatz assistiver Systeme gesprochen. Bereits in einigen Einrichtungen eingesetzt würden Transponder, durch die Pflegekräfte benachrichtigt werden, wenn Bewohner das Haus oder die Station verlassen. Auf diese Weise könnten sich diese in einem offenen Haus eigenständig bewegen. Ähnlich funktionierten Trittmatten vor den Betten, die mitteilen, wenn Bewohner nachts das Bett verlassen. Auch intelligente und dynamische Lichtkonzepte seien lokal aufzufinden. Aber, so der Vorstand: “Über den Grad der Verbreitung solcher technischen Hilfsmittel liegen keine Erkenntnisse vor.”

Kommunen mischen mit Dabei sieht Dr. Claus Wedemeier, Referatsleiter Demografie und Digitalisierung bei der Wohnwirtschaft Deutschland (GdW), in den kommunalen Alten- und Pflegeheimen eine mögliche

MELDUNG

Aus für “Stadtblatt” (BS/kh) Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Kommunen nicht berechtigt sind, kostenlose Amtsblätter im gesamten Stadtgebiet zu verteilen, wenn diese presseähnlich aufgemacht sind und durch redaktionelle Beiträge das Gebot der “Staatsferne der Presse” verletzten (Urteil des I. Zivilsenats 20.12.2018 – I ZR 112/17). Anlass war der Rechtsstreit zwischen der Stadt Crailsheim und einem privaten Verlagsunternehmen. Die Baden-Württembergische Stadt Crailsheim verteilte sein “Stadtblatt” wöchentlich kostenlos im ganzen Stadtgebiet. Das kommunale Amtsblatt beinhaltete einen amtlichen, einen redaktionellen und einen Anzeigen-Teil. Der Verlag der “Südwest Presse” (SWP) hielt das für wettbewerbswidrig und hatte auf Unterlassung geklagt. Die Stadt unterlag bereits in zwei Vorinstanzen und darf das “Stadtblatt” nicht mehr mit dem ursprünglichen Inhalt gratis an alle Haushalte der Gebietskörperschaft verteilen.

Beschränkung auf Sachinformationen Der Bundesgerichtshof hat nun die Revision der Beklagten zurückgewiesen und die Stadt zur Unterlassung verpflichtet. “Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen sind deren Art und Inhalt sowie eine wertende Gesamtbetrachtung maßgeblich. Danach müssen staatliche Publikationen eindeutig – auch hinsichtlich Illustration und Layout – als solche erkennbar sein und sich auf Sachinformationen beschränken. Inhaltlich auf jeden Fall zulässig sind die Veröffentlichung amtlicher Mitteilungen sowie die Unterrichtung über Vorhaben der Kommunalverwaltung und des Gemeinderats. Unzulässig ist eine pressemäßige Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde; dieser Bereich ist originäre Aufgabe der lokalen Presse und nicht des Staates”, heißt es in der Begründung. Das

Behörden Spiegel / Januar 2019

“Stadtblatt” gehe allerdings mit seinen redaktionellen Beiträgen über ein staatliches Informationshandeln hinaus. “Die Städte haben die Pflicht zur Information der Öffentlichkeit. Nur so können sie der Erwartung der Bürgerinnen und Bürger nach Transparenz der Arbeit von Verwaltungen gerecht werden und den Dialog über die Politik der Städte ermöglichen”, kommentiert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, das Urteil. “Für den Deutschen Städtetag gilt grundsätzlich: Amtsblätter mit redaktionellen Teilen sind eines von mehreren Mitteln, um den Informationsauftrag der Kommunen zu erfüllen. Uns ist bewusst, dass kommunale Berichte dabei auch Grenzen beachten müssen. Jede Stadt muss allerdings selbst entscheiden können, ob sie in Amtsblättern auch mit redaktionell aufbereiteten Texten und Fotos informiert oder sich auf die Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen beschränkt.” Die Städte hätten darüber hi­naus “kein Interesse daran, durch eigene publizistische Tätigkeit in einen Wettbewerb mit Tageszeitungen zu treten”, so Dedy.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Damit das würdevolle Altern jedoch gewährleistet werden kann, braucht es nicht nur genügend Pflegekräfte, sondern auch die Digitalisierung. Foto: BS/©rocketclips, stock.adobe.com

Vorreiterposition für die Digitalisierung der Pflege: “Anders als Wohnungen, in denen die Altersund Sozialstruktur der Bewohner häufig wechselt und die daher universeller ausgerichtet sein müssen, sind die Anforderungen im Heimbereich homogener.” Auch wenn die Gruppe der älteren Menschen an sich eher heterogen sei.

Praktische digitale Assistenz Exemplarisch gewährt die Stadt Augsburg Einblicke in ihre digitale (Alten-)Pflege. Daniela Frumert, Sprecherin der Altenhilfe Augsburg, erläutert die digitale Praxis, bei welcher Tablets, Rufanlagen sowie Desorientierten-Fürsorgesysteme eingesetzt würden. Technische Hilfsmittel erleichterten den Pflegekräften die Arbeit. “Um Mitarbeitern unnötige Wege zu ersparen, wird die Pflegedokumentation, die aufgrund der hohen Datensicherungsanforderungen bisher ausschließlich auf stationären Rechnern erfolgte, seit 2018 ebenso auf mobilen Tablets über WLAN getestet”, so Frumert. Pflegemitarbeiter könnten auf diese Weise direkt und unabhängig vom Pflegebüro wichtige Eintragungen in der EDV-gestützten Dokumentation durchführen. Die Pflegedokumentation erinnere auch die Pfleger an Termine und Aufgaben. Nach Frumert “entlastet die digitale Erinnerung mental und ermöglicht es dem Personal, sich keine zusätzlichen Notizen machen zu müssen.” Daneben würden Rufanlagen für die Sicherheit eingesetzt. In einem leistungsstarken System seien hierbei Rufanlage, seniorengerechte Telekommunikation sowie das Alarmmanagement integriert. “Wird der Notruf aktiviert, wird dies durch ein optisches Lichtsignal am Bewohnerzimmer kenntlich. Gleichzeitig erhalten diensthabende Mitarbeiter auf ihrem mobilen Telefon ein Rufsignal mit Angabe der Raumnummer, wo der Notruf ausgelöst wurde”,

erörtert Frumert. Schließlich sei ein Meldesystem implementiert worden, welches Alarm schlägt, wenn weglaufgefährdete Senioren den geschützten Bereich der Senioreneinrichtung verlassen. Entsprechend den Sicherheitsanforderungen werde eine elektronische Benachrichtigung über das abweichende Bewegungsprofil an den Mitarbeiter geschickt. Klaus Kneißl, Sozialplaner der Stadt Augsburg, stellt ferner ein neues Projekt vor, bei dem Internet-gestützte Buchungen von Pflegeplätzen erprobt würden. Ähnlich einem Buchungssystem für Reisen oder Hotelzimmer soll demnach potenziellen Bewohnern angezeigt werden, ob es freie und buchbare Pflegeplätze in Heimen gibt. “Dieses Thema wird seit dem Beginn der Hotelreservierungen auch für den Pflegebereich diskutiert. Es gibt noch keine bekannte Stelle, wo es wirklich gut funktioniert. Hier sind wohl zu viele Variablen unter einen Hut zu bringen”, äußert sich Kneißl über den Zwischenstand.

Push-Faktor: Wohnungsbaugenossenschaften Aber die digitale Assistenz ist nicht nur für stationäre Einrichtungen relevant. Die GdW-Studie “Wo nds 2035” zeige, dass das digitale Wohnen eine immer wichtigere Rolle spiele, ebenso für das altengerechte Wohnen, erläutert Wedemeier. Dabei höre digitales Wohnen nicht an der Wohnungs- oder Haustür auf, sondern setze sich beim smarten Leben im Quartier und der Smart City fort. Die digitale Assistenz wird in Deutschland vielfach von Wohnungsunternehmen vorangetrieben. Seit rund zehn Jahren würden die Unternehmen auf technische Assistenzsysteme und Smart-Home-Anwendungen zurückgreifen, merkt Wedemeier an. Damit solle die Selbstständigkeit der Mieter und der Wohnkomfort der Wohnungen erhalten bleiben.

“Die Unternehmen sind Vorreiter für die Branche. Für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ist Smart Home oder Smart Living ein wichtiger Baustein des Gesamtthemas Digitalisierung. Wir wollen die Prozesse bei der Vermietung, der Bestandsbewirtschaftung und der Mieterkommunikation durch Digitalisierung weiter verbessern.” Am häufigsten würden digitale Licht- und Steckdosensteuerungen, Temperatur- und Energieregler, Rollladensteuerung, Videosicherung am Eingang, Notruffunktionen und natürlich die Vernetzung mit TV- bzw. Medienangeboten genutzt, schließt Wedemeier ab.

Der digital scheue Senior? Digitale Errungenschaften anzunehmen, gilt insbesondere bei der Zielgruppe der Senioren als schwierig. Wobei Martin Kaiser, Geschäftsführer der gemeinnützigen städtischen Seniorenheime Dortmunds (SHDO), einen generationenübergreifenden Ansatz vorstellt: “Wir als SHDO versuchen insbesondere unsere jungen Kräfte für den Gebrauch von digitalen Unterstützungssystemen zu begeistern und sie somit als Multiplikatoren für die ältere Belegschaft für den Gebrauch dieser Systeme zu gewinnen.” Der “digital affine Senior” ist auch jenes Bild, welches Frumert aufzeigt: “Senioren, denen wir derartige Angebote machen, reagieren meist offen, zeigen Interesse und sind neugierig, sich mit neuer Technik zu beschäftigen.” Es gelinge auch schnell, Senioren mit der Tablet-PC-Bedienung vertraut zu machen. “Gerade für eine Einzelbetreuung ist der Einsatz von Tablets mit Spielangeboten eine schöne Aktivität, die auch von Menschen mit demenziellen Erkrankungen positiv angenommen werden.”

Mehr Aktionismus gefordert Der endgültige Durchbruch der digitalen Assistenz in der Pfle-

ge als auch in den Wohnungen wird noch von unterschiedlichen Hindernissen ausgebremst. “AAL findet in vielfältigen Diskussionsformaten und Kongressen unter politischer Beteiligung Widerhall. Aber in erster Linie diskutieren Fachleute und Interessenvertretungen. Von einer breiten gesellschaftlichen Debatte ist derzeit nicht auszugehen”, merkt Löher an. Vor allem fände die Erprobung umfassenderer technischer Assistenzsysteme vorwiegend in Studien und Modellprojekten statt. “Es fehlen jedoch weiterhin öffentliche Finanzierungs- und Erstattungsmodelle, um AALTechnologien zukünftig allen Menschen zugänglich zu machen und ihnen damit mehr Eigenständigkeit zu ermöglichen”, kritisiert Johannes Koch, Manager Health im Verband der Elektrotechnik, Elektronik- und Informationstechnik (VDE). Ferner brauche es eine stärkere Einbeziehung der beteiligten Akteure wie Hersteller, Mediziner, Krankenkassen, Sozialdienstleister und Wohnungswirtschaft. Denn eine Finanzierung über die Pflegekasse bzw. über den Leistungskatalog des SGB XI gebe es derzeit für diese technischen Assistenzsysteme nicht. “Angestrebt wird durch die Anbieter eine Anerkennung als wohnumfeldverbessernde Maßnahmen im Rahmen des Leistungskataloges der Kranken- bzw. Pflegekassen”, äußert sich Löher. Der GdW arbeite ferner daran,­ das Thema gemeinsam mit anderen Akteuren zum Beispiel durch aktive Informationsarbeit den Menschen näherzubringen. “Denn noch immer fehlt Mietern, aber auch vielen Wohnungsunternehmen ein echter Marktüberblick bis hin zu einer Antwort auf die vordergründig einfache Frage: Was ist Smart Living?”, so Wedemeier.

Pflegekraft bleibt Fachkraft Auch vom VDE wird aufgezeigt, dass die digitale Akzeptanz durch die älteren oder pflegebedürftigen Menschen weiter ansteigen werde. Bereits heute würde sich ein Großteil der Betroffenen Unterstützung durch digitale Technologien wünschen. Sogar der Einsatz von Pflegerobotern werde von vielen befürwortet, belegt eine Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) aus dem Jahr 2018. “Gleichwohl wurde dabei in verschiedenen Diskussionen deutlich, dass AAL-Technologien niemals den persönlichen menschlichen Kontakt gänzlich ersetzen können. So wird auch zukünftig der menschliche Faktor eine entscheidende Rolle in der Pflege spielen”, zu diesem Schluss kommen sowohl der VDE als auch der GdW und die städtischen Seniorenheime Dortmunds.

Hilfe für strukturschwache Regionen Bürokratieabbau bei den Fördermittelanträgen? (BS/ab) Die Bundesregierung hat die Ergebnisse des Fortschrittsberichts zur Weiterentwicklung eines gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen diskutiert. Bei der Aussprache wurde unter anderem der Abbau von bürokratischen Hürden als Lösung eingebracht. Die EU-Mittel für strukturschwache Regionen in Deutschland schrumpfen kontinuierlich. Mittels des gesamtdeutschen Fördersystems sollen die gleichwertigen Lebensverhältnisse nach Auslaufen des Solidarpakts II 2019 ab dem Jahr 2020 weiter angestrebt werden. Deshalb debattierte der Wirtschaftsausschuss über einen unkomplizierteren Zugang zu Fördermitteln. Hierbei sahen Ver-

treter der CDU/CSU- sowie der SPD-Bundestagsfraktionen einen Lösungsansatz im Abbau von bürokratischen Hürden. Denn viele Akteure würden aufgrund des aktuell langen Prozesses Fördermittel gar nicht erst beantragen. Die SPD-Fraktion schlug ferner bei einer Aussprache im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages vor, dass es eine Art Spange bräuchte, die unterschiedliche Aktivitä-

ten und Programme bündele. Hierdurch solle die Transparenz erhöht und ein leichterer Zugang geschaffen werden. Vom zuständigen Wirtschaftsministerium wurde angemerkt, dass an einer Justierung der Förderkriterien gearbeitet werde. Der Bruttoarbeitslohn, die Erwerbsfähigkeitsprognose sowie weitere demografische Faktoren sollen hierbei berücksichtigt werden. Die Instrumente des zukünftigen

Systems sollen ausschließlich auf strukturschwache Regionen ausgerichtet sein, Förderpräferenzen ebensolcher beinhalten oder bei der Finanzierung von Projekten einen großen Anteil in strukturschwache Regionen investieren. Mehrere Änderungen wurden bereits vorgenommen: So wurde die Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GWR)” weiterentwickelt, indem

die Anforderungen gesenkt wurden. Aber auch das Programm INNO-Kom, welches sich vorher auf strukturschwache Ostgebiete konzentrierte, wurde erweitert und kommt nun bundesweit zum Einsatz. Ebenso wurde die Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” ausgebaut, indem erforderlich Einrichtungen für lokale Basisdienstleistungen gefördert werden.


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / Januar 2019

M

arkierte das Jahr 2016 mit 722.000 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellten Asylerstanträgen den absoluten Höchststand seit Gründung der Behörde, so sind die Zahlen mit 198.000 für das Jahr 2017 und 152.000 für Januar bis einschließlich November 2018 deutlich rückläufig. Nachdem sich die Lage der Zuwanderung in den vergangenen zwei Jahren beruhigt hat, lässt sich langsam, aber sicher ein Bild zeichnen, welches mehr und mehr Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Migrantengruppen aufzeigt: So gibt es jene Migranten, die einen Flüchtlingstitel erhalten und sich in Deutschland zu Integrationsund Sprachkursen anmelden können – zwischen Januar 2015 und Juni 2018 erhielten 876.000 Personen einen positiven BAMFBescheid. Gleichzeitig werden aber weiterhin viele Menschen nicht als Flüchtlinge anerkannt, bleiben trotz ständig drohender Abschiebung dennoch im Land und versuchen, sich abseits der ihnen unzugänglichen, öffentlich angebotenen Möglichkeiten “über Wasser” zu halten. Auf dem Fachforum zu Flucht, Migration und Integration, das der Behörden Spiegel Ende des vergangenen Jahres unter dem Titel “Vom Ankommen zur Integration” veranstaltete, wurde analysiert und besprochen, wie man realistisch mit diesen beiden Migrationsgruppen umgehen kann und sollte. So forderte Souad El Hasnaoui, Dozentin für Interkulturelle Kompetenzen an der Kölner Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NordrheinWestfalen sowie fachliche Leiterin des Kongresses, vor allem Geduld mit den Geflohenen, sich auf die neuen Begebenheiten nach der Flucht aus der Heimat einzustellen: “Deutsch ist keine einfache Sprache und der Sprachlernprozess mit Rückschlägen ver-

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Den Willigen eine Chance geben Der Status quo fünf Jahre nach der Flüchtlingswelle (BS/Wim Orth/Katarina Heidrich) Seit dem Beginn der großen Flüchtlingswelle in Deutschland sind inzwischen fast fünf Jahre vergangen. Die Zahlen des Zustroms haben inzwischen bereits seit einer Weile deutlich abgenommen, die damit zusammenhängende Entwicklung aus den Jahren ab 2014 hat das Land dennoch politisch und gesellschaftlich tiefgreifend verändert. Nun gilt es, das gemeinsame Ziel der Integration für mehr als eine Million Migranten so gut wie möglich erreichbar zu machen und erfolgreich zu gestalten. bunden. Man sollte den Leuten mehr Zeit geben, um die Sprache zu erlernen.” Gleichzeitig müsse man damit umzugehen lernen, dass die Geflüchteten im Voraus häufig falsche Vorstellungen von ihrer Situation in Deutschland hätten. Grundsätzlich müsse die Migration aber als Chance für das Land gesehen werden, unter anderem auch im Hinblick auf motivierte neue Arbeitskräfte.

Vorbildliche Integration belohnen Ähnlich äußerte sich auch Dr. Joachim Stamp, der nordrheinwestfälische Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Inte­ 25 Prozent der seit 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge haben gration sowie stellvertretende Mi- inzwischen eine Arbeit. Diese Tendenz kann durch eine verbesserte Integratinisterpräsident des Landes NRW. onspolitik verstärkt werden. Foto: BS/©Robert Kneschke, stock.adobe.com Er vertrat den Selbstanspruch, ein “Chancenministerium” für Bund, Länder und Kommunen gelassen fühlen.” Stattdessen die Menschen bieten zu wollen. einen gemeinsamen Flüchtlings- brauche es tiefgreifende KoopeSo forderte er, dass Menschen gipfel abhalten – im Optimalfall rationen, die von der Politik geohne rechtliche Duldung blei- ohne Innenminister Horst Seeho- fördert und unterstützt würden. ben dürfen sollten, wenn sie sich fer, an dem Stamp harsche Kritik Es brauche eine Beratung aus ansonsten vorbildlich integrier- übte: “Die Zusammenarbeit mit einem Guss, von den Behörden ten: “Wir wären doch dämlich, unserem Innenminister ist eine über die Jobcenter bis hin zu diejenigen rauszuschmeißen, absolute Katastrophe. Er kün- den Fragen des täglichen Lebens. die herkommen und sich inte­ digt ständig nur Dinge an und Kommunales grieren. Stattdessen müssen wir anschließend tut sich nichts.” Integrationsmanagement Gleichzeitig müssten aber auch Leute, die sich der Integration konsequent verweigern oder die die Ausländerbehörden besser Der Verwaltungswissenschaftler Gesellschaft sogar gefährden, von der Politik unterstützt wer- Prof. Dr. Jörg Bogumil bemängelt konsequent zurückführen.” Für den. So sei Stamp im vergange- die personelle sowie technische eine solche stringente Umsetzung nen Jahr bei der Jahrestagung Aufstellung des BAMF: “Vorsichbrauche es allerdings endlich ein der Ausländerbehörden gewesen tig gesagt, ist die Asylantragsin sich konsistentes Recht für und habe dort erfahren, dass verarbeitung nicht ganz optimal Integration und Migration sowie er dort der erste Minister seit gelaufen.” Trotzdem solle, seiner individuelle Rechtskataloge für 25 Jahren gewesen sei: “In den Meinung nach, diese Aufgabe Flüchtlinge und Wirtschaftsmi- Behörden entwickeln sich daher auch weiterhin bei einer zentgranten. Um solche rechtlichen immer häufiger Ressentiments, ralen Behörde liegen und nicht Rahmenbedingungen erfolgreich weil die Mitarbeiter und leiten- auf die 16 Länder verteilt werden. schaffen zu können, müssten den Personen sich schlicht allein Aber: Die Qualität müsse steigen.

Etwa bei der bundesweiten Registrierung durch Fingerabdrücke oder der Sprach- und Gesichtserkennung. Dies seien Projekte, die noch nicht optimal ausgearbeitet worden seien, kritisiert Bogumil. Eine flächendeckende Verwaltungsautomatisierung könne Entscheidungsvorgänge im Einzelfall nicht ersetzen, nur als Hilfsmittel dienen. Aufgrund der rückläufigen Zahl der Asylanträge sind im BAMF personelle Kapazitäten frei, die die Behörde zukünftig mehr in Integrationsarbeit investieren will. Der Verwaltungswissenschaftler lehnt das ab: “Inte­grationsleistungen müssen die machen, die es können! Und das sind die Länder.” Hierfür brauche es kommunale Integrationsmanager. In der durch die Stiftung Mercator geförderten Studie “Bessere Verwaltung in der Migrations- und Integrationspolitik – eine Aufgabe für Bund, Länder und Kommunen” gibt Bogumil gemeinsam mit der Verwaltungswissenschaftlerin Prof. Dr. Sabine Kuhlmann und dem Verfassungsrechtler Prof. Dr. iur. Martin Burgi konkrete Empfehlungen, welche Ebene im föderalen Staat welche Aufgabe am effektivsten lösen kann. Hauptforderung der Autoren ist eine stärkere Koordinierungs- und Steuerungsfunktion der Länder und Kommunen. Die derzeitigen Fallmanagementstrukturen für Migranten seien zu komplex und es fänden oftmals unterschiedliche Beratungen statt, die besser aufeinander abgestimmt

werden müssten. Vereinheitlichung solle ebenfalls bezüglich der Förderprogramme für Mi­ granten fokussiert werden, heißt es in der Studie. Bogumil spricht von einem “Förderdschungel”, in dem jedes Ministerium in jedem Land unterschiedliche Programme anböte, teilweise wüssten die einzelnen Abteilungen nicht einmal von den anderen. Hierbei könne ein zentrales Förderportal Abhilfe schaffen.

Parlamentarischer Beauftragter zur Kontrolle Ebenfalls sinnvoll sei eine flächendeckende elektronische Akte, in der Qualifikationen, Sprachniveaus, vorherige Tätigkeiten, Antragsstatus sowie strafrechtliche Einträge der Asylbewerber und Migranten festgehalten würden. “Oftmals wissen die Behörden in den Ländern gar nicht über anhängige Verfahren Bescheid”, bemängelt Kuhlmann. In der Studie heißt es, dass das “Ausländerzentralregister (AZR) zur zentralen “Datendrehscheibe” im Migrationsmanagement ausgebaut werden muss”. Darüber hinaus wird u.a. aus der Politik gefordert, dass Verfahren im Asylprozessrecht – etwa beim Verwaltungsgericht – schneller ablaufen müssten. Dann könne auch schneller und besser integriert werden. Aber: Der Rechtsschutz der Betroffenen müsse immer an erster Stelle stehen. Vom Antragsprozess abgesehen, könne EDV allein nicht die Integration leisten. “Das ist Aufgabe vor Ort und am Menschen”, betont Burgi. Der Bund hingegen solle keine Aufgabenausweitung im Bereich der Integration anstreben, sondern sich auf die Qualitätssteigerung des Asylverfahrens konzentrieren. Konkret fordern die Autoren, einen parlamentarisch eingesetzten, unabhängigen Beauftragten für das BAMF einzusetzen, der die Arbeit der Behörde kontrolliere.

Türöffner Verwaltungsgericht

Alles gemeinsam

Airbnb muss Daten preisgeben

Digitale Bildung in einer digitalisierten Welt

(BS/Katarina Heidrich) Das Verwaltungsgericht München hat entschieden, dass die irische Tochtergesell- (BS/iga) Warum muss Bildung im digitalen Zeitalter neu gedacht werden und wie kann digitale Bildung in schaft der Wohnungsvermietungsplattform Airbnb der Stadtverwaltung Auskunft über die Identität der Deutschland vorangetrieben werden? Vermieter geben muss. Damit wird der Stadt ermöglicht, Bußgelder gegen Gastgeber zu verhängen, die ihre “Bildung muss deswegen neu systematisch besser mit digitalen ßen Wert auf eine erfolgsorienWohnung dauerhaft als Ferienwohnung anbieten. Die Richter orientierten sich in ihrer Entscheidung am Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin im März des vergangenen Jahres. Die Bundeshauptstadt verlor allerdings den Prozess aufgrund der falschen Adressierung des Angeklagten. Die Richter entschieden, dass nicht die deutsche, sondern die irische Niederlassung des US-Konzerns verantwortlich sei. München lernte daraus und gewann. Nach dem bayerischen Zweckentfremdungsgesetz ist eine Vermietung von privaten Wohnräumen für einen Zeitraum länger als acht Wochen im Kalenderjahr für Zwecke der Fremdbeherbergung genehmigungspflichtig. Die bayerische Landeshauptstadt droht bei Verstößen Bußgelder von bis zu einer halben Million Euro an. Dadurch soll vermieden werden, dass Wohnraum dem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt dauerhaft entzogen wird. Diesem Vorwurf sieht sich Airbnb weltweit in zahlreichen Städten ausgesetzt.

Recht auf Auskunft Bisher stand die Stadtverwaltung allerdings vor dem Problem, dass Gastgeber die Unterkünfte auf der Online-Plattform anonym anbieten. Darum hat München das Unternehmen aufgefordert, sämtliche das Stadtgebiet betreffenden Inserate, welche die zulässige Höchstvermietungsdauer überschreiten, mitzuteilen. Darunter fallen für den Zeitraum Januar 2017 bis einschließlich

die Europa-Tochter von Airbnb als Online-Vermittlerin verpflichtet, mitzuwirken, indem sie der Stadt die erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. “Auch die Androhung des Zwangsgeldes in Höhe von 300.000 Euro für den Fall der Zuwiderhandlung ist rechtmäßig”, heißt es vom Verwaltungsgericht.

Kommunaler Spitzenverband begrüßt Urteil

Schätzungsweise 1.000 Wohnungen werden in München dauerhaft illegal als Urlaubsdomizil vermietet. Nun hat die Stadtverwaltung ein Instrument, um die schwarzen Schafe zu identifizieren. Foto: BS/qimono, CC0, pixabay.com

Juli 2018 die Anschriften der angebotenen Wohnungen sowie Namen und Anschriften der Gastgeber. “Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass sich die Klägerin trotz ihres Firmensitzes in Irland aufgrund ihrer Tätigkeit im Bundesgebiet an nationale Vorschriften halten muss. Weder ist die Republik Irland für die Überwachung des Zweckentfremdungsrechts in München zuständig noch gilt irisches Recht. Das Auskunftsverlangen ist als Maßnahme zur Überwachung des Zweckentfremdungsrechts nach EU-Recht zulässig”, heißt es seitens des Gerichts. Zudem sei

“Der Deutsche Städtetag sieht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts München ein erfreuliches Signal für die Stadt München, aber auch für andere Städte. Bisher verweigern Airbnb und andere Vermietungs-Plattformen mit Sitz im Ausland regelmäßig Auskünfte gegenüber den Städten zu den Anbietern von Wohnungen. Die Städte aber brauchen solche Angaben”, so Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Nur dann könnten sie das Ausmaß der Vermietung von Wohnungen als Ferienwohnungen einschätzen und Probleme in diesem Bereich besser angehen. Die Städte müssten unterscheiden können zwischen Wohnungen, die über sogenannte Sharing-Portale hin und wieder Gästen überlassen würden und solchen, die durch gewerbliche Fremdvermietung dauerhaft vom Markt genommen werden. “Solche Zweckentfremdung verteuert und verknappt den Wohnraum in Städten mit Wohnraummangel zusätzlich”, kritisiert Dedy.

gedacht werden, weil nun neue Kompetenzen für die Arbeitswelt und die Teilhabe am politischen Prozess entstehen. Verantwortliche und Entscheidungsträger können Bildungsprozesse modernisieren und zukunftsgerichtet organisieren. Digitale Bildung befähigt aber auch Menschen dazu, ihr Leben in einer digitalisierten Welt aktiv zu gestalten”, sagte Sarah Henkelmann, Sprecherin des “Netzwerks digitale Bildung”, auf dem Bundeskongress Öffentliche Infrastruktur. Sie wies darüber hinaus auf die Bedeutung der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte in digitalen Medien hin und plädierte für ein lebenslanges Lernen von Lehrkräften, für die Etablierung nachhaltiger Fortbildungsangebote und für einen schulübergreifenden Austausch. “Es muss in die Lehrer investiert werden”, sagte sie. Außerdem solle man die Schulen

Medien ausstatten, wie Henkelmann erklärte: “Die Lerntechnologie sollte so ausgelegt werden, dass der Unterricht intuitiv, kooperativ und kollaborativ ist.” Für die Schaffung von Rahmenbedingungen, die “gutes Lernen” möglich machen, plädierte auch Michaela Föller, Teamleiterin im Bereich Angebotsmanagement bei Goldbeck Public Partner. Sie hatte aber nicht nur die personellen Ressourcen, sondern auch die bauliche Umgebung im Blick. Diese gehörten ebenfalls zu den Voraussetzungen einer guten Bildungsinfrastruktur, pflichtete ihr Herbert Schiffmann, Schulamtsdirektor a. D. im Rheinisch-Bergischen Kreis, bei. Er sprach sich darüber hi­ naus für andere Raumkonzepte in Bildungseinrichtungen und für eine Planung aus, die “Schritt für Schritt” durchgeführt werden müsse. Insgesamt legte Schiffmann gro-

tierte Form der Zusammenarbeit. Bei dieser Form der Kooperation müsse das Vorgehen konstruktiv und lösungsorientiert und das Ziel ein Konsens im Sinne der Sache sein, wie der Schulamtsdirektor a. D. erläuterte. Auch die Beteiligung durch die Eltern spiele eine wichtige Rolle. Außerdem müssten notwendige Entscheidungen getroffen und anschließend von allen getragen werden. Es sei ebenfalls wichtig, dass jeder seine Kompetenzen und Sichtweisen einbringe, so Schiffmann. Zu den Voraussetzungen gehöre des Weiteren eine gute Bildungsinfrastruktur. Dazu brauche es eine starke Führungskoalition und ein gutes Kernteam, um Konsens in den Zielen zu erreichen, langfristige Entwicklungen zu sichern und zu steuern, weitsichtiges Planen und Handeln abzustimmen und bei Bedarf schnell zu reagieren.

MELDUNG

Wohnnebenkosten in Regensburg am niedrigsten (BS/kh) Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren die jährliche finanzielle Belastung durch Nebenkosten einer Musterfamilie in den nach Einwohnern 100 größten Städten in Deutschland untersucht. Dabei wurde von einem Vier-Personen-Haushalt ausgegangen und zur Berechnung die Müllgebüh-

ren, Abwassergebühren sowie die Grundsteuer B herangezogen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Preise für die Entsorgung von Abwasser und Müll je nach Wohnort um mehrere hundert Euro jährlich variieren. Auch die Steuerlast weiche je nach Region stark voneinander ab. Im bayerischen Regensburg ließe es sich demnach mit durch-

schnittlichen Müllgebühren von 161 Euro, Abwassergebühren von 362 Euro und einer GrundsteuerB-Last von 335 Euro im Vergleich am günstigsten leben. Negativer Spitzenreiter ist Leverkusen in Nordrhein-Westfalen, wo die summierten Werte um rund 131 Prozent vom Regensburger Wert abweichen und somit um mehr als das doppelte höher liegen.


Kommunalpolitik / Personelles

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V

or der Reform wies das Land eine im Bundesgebiet einmalige, historisch gewachsene und sehr zersplitterte Struktur des Grundbuchwesens auf. In Baden-Württemberg existierten 667 Grundbuchämter – mehr als im übrigen Bundesgebiet zusammen. Im badischen Landesteil waren neben einigen staatlichen Ämtern hauptsächlich Städte und Gemeinden für die Grundbuchführung zuständig. Im baden-württembergischen Landesteil waren die Grundbuchämter bei zentralen Bezirksnotariaten angesiedelt. Insgesamt waren insgesamt mehr als 1.300 Beschäftigte bei den Grundbuchämtern tätig.

Reform des Grundbuchwesens Lange Bearbeitungszeiten stellen die Neuordnung in Baden-Württemberg infrage

sieht derzeit ein Soll von 705 Beschäftigten vor. Aktuell sind aber nur 650 Beschäftigte tätig. Vor der Reform waren landesweit jährlich rund 600.000 Verfahren in Grundbuchsachen zu bearbeiten.

(BS/Gerd Lehmann) Die baden-württembergische Neuordnung des Grundbuchwesens und die Notariatsreform bilden gemeinsam die größte Reform in der Geschichte der baden-württembergischen Justiz. Beide gehen auf die Entscheidung der damaligen rot-grünen Landesregierung in den Jahren 2008 und 2009 zurück. Bei der größten Reform der Justiz knirscht es aber noch immer. Vor der Reform waren Grundbucheinträge innerhalb Personalaufbau und Verfahrensentwicklung weniger Tage, spätestens aber innerhalb eines Monats vollzogen. Heute dauert dies mehrere Monate, in vielen Fällen sogar mehr als ein Jahr. Und die erhofften Einsparungen der Kommunen haben sich nicht realisiert – im Gegenteil. Die Anzahl der von den zen-

Von 667 auf 13 Ämter Neben der notwendigen Vereinheitlichung der Strukturen des Grundbuchwesens und den erhofften Einsparungen in Millionenhöhe insbesondere für die Kommunen war die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Grundakte eine treibende Kraft der Neuordnung. Durch eine Bündelung der Kompetenzen und die Einführung der digitalen Vorgangsbearbeitung sollte ein modernes, leistungsfähiges und technisch optimal ausgerüstetes Grundbuchwesen entstehen. Im Zuge der Reform wurden die 667 Grundbuchämter sukzessive aufgelöst und zu 13 zentralen Grundbuchämtern zusammengefasst. Seither befinden sich im badischen Landesteil nunmehr Grundbuchämter bei den Amtsgerichten Achern, Emmendingen, Mannheim, Maulbronn, Tauberbischofsheim und Villingen-Schwenningen und im württembergischen Landesteil bei den Amtsgerichten Böblingen, Heilbronn, Ravensburg, Schwäbisch Gmünd, Sigmaringen, Ulm und Waiblingen. Zugleich wurde auf eine vollelektronische Aktenführung umgestellt. Die Sachbearbeitung erfolgt durch Rechtspfleger – Justizangehörige im gehobenen Dienst. Die Rechtspfleger werden von Servicekräften unterstützt. Nach dem Personalbedarfsplan stehen den 13 Grundbuchämtern insgesamt 408 Rechtspfleger und 229 Servicekräfte zur Verfügung. Was früher im Rathaus oder dem nächsten Amtsgericht bürgernah angesiedelt war, befindet sich nun für die Region zentralisiert. Wegen der weiten Wege zu den zentralen Grundbuchämtern –

Behörden Spiegel / Januar 2019

Wer ein Baugrundstück verkaufen will, muss die veränderten Eigentumsrechte beim Grundbuchamt eintragen lassen. In Baden-Württemberg sind damit seit der Reform der Grundbuchämter sehr lange Wege verbunden. Nicht nur zulasten der Bürger. Foto: BS/© Gina Sanders, stock.adobe.com

Entfernungen bis zu 60 Kilometern – und dem Wegfall des Grundbuchservices haben die meisten Kommunen Einsichtsstellen eingerichtet. Dort kann man gegen Bezahlung einen Auszug aus dem Grundbuch und Kopien erhalten. Eintragungen können aber nicht vorgenommen werden. Die Kommunen müssen die freiwilligen Einsichtsstellen selbst finanzieren. Das Land zahlt dafür zwar einen – allerdings nicht kostendeckenden – Ausgleich. Die prognostizierten und erhofften Einsparungen bei den Kommunen sind insoweit aber nicht eingetreten.

Zwischen 28 und 190 Tagen Bei der Größe des Vorhabens war mit Anfangsschwierigkeiten zu rechnen. Dass es aber auch acht Jahre nach dem Start der Reform immer noch nicht rund läuft und die Bearbeitung einfacher Eintragungen in das Grundbuch mancherorts ein Jahr und mehr dauert, ist nicht akzeptabel. Aufgrund einer Vielzahl von Bürgerbeschwerden hatte die Landtagsfraktion der FDP/ DVP die Landesregierung bereits Ende vergangenen Jahres im Rahmen einer “Kleinen Anfrage” um eine Stellungnahme zum Stand der Umsetzung der Grundbuchreform und zu den langen

Bearbeitungszeiten ersucht. Die in der Stellungnahme des Ministeriums der Justiz und für Europa Baden-Württemberg für den Zeitraum Mai 2015 bis April 2017 ermittelte durchschnittliche Verfahrensdauer aller zentralen Grundbuchämter von 28 Tagen bezieht sich offensichtlich nur auf besonders eilig eingestufte Fälle. Nach Einschätzung von Notariaten des Landes beträgt die Verfahrensdauer in allen anderen Fällen mindestens 190 Tage. Nicht selten sind aber auch Bearbeitungszeiten von einem Jahr und mehr zu verzeichnen. Den bundesweiten Rekord in der Kategorie “längste Bearbeitungszeit” hält das Grundbuchamt Villingen-Schwenningen. Die Bearbeitungszeit der als nicht eilig befundenen Vorgänge beträgt derzeit mindestens ein Jahr. Das Ministerium der Justiz und für Europa Baden-Württemberg räumt ein, das Ausmaß der Reform unterschätzt zu haben. Die mit dem Abschluss der Grundbuchamtsreform und dem Übergang in den Regelbetrieb am Jahresende 2017 erwartete Entspannung der Situation ist nicht eingetreten. Es bestehen auch erhebliche Zweifel, dass allein die vom Ministerium nunmehr

in Aussicht gestellten Maßnahmen – professionelles Controlling und Optimierung der Arbeitsorganisation – zur Verbesserung der Situation beitragen können. Gefragt dürfte zunächst vielmehr eine gründliche Analyse der Organisation des Grundbuchwesens, des Personalaufbaus und der Verfahrensentwicklung sowie des für die vollelektronische Vorgangsbearbeitung eingesetzten Verfahrens sein.

Organisation des Grundbuchwesens Vor der Reform war die Vielzahl an Grundbuchämtern in Baden-Württemberg und die sehr zersplitterte Struktur des Grundbuchwesens bundesweit einmalig. Nun ist die massive Zentralisierung des Grundbuchwesens auf landesweit nur 13 Grundbuchämter wiederum bundesweit einmalig. In allen anderen Bundesländern gehört zu jedem Amtsgericht des Landes auch ein Grundbuchamt. Effizient und bürgernah sollen Amtsgerichte und Grundbuchämter arbeiten, lautet das Credo. So existieren zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen 127 und in Bayern 73 Grundbuchämter. Bei entsprechender Organisation

wären in Baden-Württemberg 108 Grundbuchämter mit dem Grundbuchwesen befasst. Die rot-grüne Landesregierung hat sich aber gegen diese sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis bewährte Organisationsstruktur entschieden. Die negativen Folgen dieser Entscheidung sind vielfältig. Zunächst haben sich zahlreiche Bedienstete vom Grundbuchwesen verabschiedet. Sie haben wegen der weiten Wege zu den zentralen Grundbuchämtern und den damit verbundenen persönlichen und familiären Nachteilen andere ortsnahe Tätigkeiten aufgenommen. Bedienstete, die die Nachteile in Kauf genommen haben, fallen häufiger und länger aus. Die entstehenden Fehlzeiten können wegen der hohen Arbeitsbelastung der anderen Mitarbeiter nicht kompensiert werden. Bürgernähe ist ein Begriff, dessen sich Politiker aller Ebenen auch in Baden-Württemberg gerne bedienen. Was aber die Reform des Grundbuchwesens in BadenWürttemberg bewirkt hat, ist gerade das Gegenteil dazu. Ein persönlicher Kontakt mit Notariaten und Bürgern findet nur noch in besonderen Ausnahmefällen statt. Telefonisch sind die Grundbuchämter nur schwer zu erreichen, entweder sind die Leitungen besetzt oder niemand geht ran. Auf telefonische oder schriftliche Sachstandsanfragen wird nur in besonders begründeten Ausnahmefällen geantwortet. Fehlende Informationen oder Unterlagen wurden vor der Reform durch ein kurzes Telefonat eingeholt. Heute ist die Schrift das wichtigste Kommunikationsmedium. All dies wirkt kontraproduktiv. Daher spricht viel für eine Reform der Reform, die mit deutlich mehr Grundbuchämtern verbunden ist. Vor der Reform waren mehr als 1.300 Beschäftigte bei den 667 Grundbuchämtern tätig. Der Personalbedarfsplan für die zentralen 13 Grundbuchämter

tralen Grundbuchämtern zu bearbeitenden Verfahren ist im Laufe der Zeit auf jährlich fast 800.000 Verfahren gestiegen. Dem Verfahrensanstieg von 33,3 Prozent steht eine Personalreduzierung von 45,8 Prozent zum Personal-Soll bzw. 50 Prozent zum Personal-Ist gegenüber. Während vor der Reform von einem Beschäftigten 461 Verfahren im Jahr zu bearbeiten waren, sind es nach der Reform 1.230 Verfahren, eine Mehrbelastung von 166,8 Prozent. Die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsbelastungen demotivieren die Beschäftigten und wirken sich negativ auf deren Produktivität und die Effizienz des Grundbuchwesens aus. Rationalisierungsmaßnahmen, die die Mehrbelastung der Beschäftigten ausgleichen bzw. rechtfertigen, sind nicht erkennbar. Eine aktuelle Ermittlung des tatsächlichen Personalbedarfs erscheint geboten.

Vollelektronische Vorgangsbearbeitung Während alle anderen Bundesländer die von der Firma Siemens Business Services GmbH & Co. OHG (SBS) bereits in den 90erJahren entwickelte Software “SolumSTAR” für Grundbucheinträge und SolumWEB für das Grundbuchabrufverfahren nutzen, kommt in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein das vom Justizministerium BadenWürttemberg zusammen mit dem Bundesland Schleswig-Holstein in einem Entwicklungsverbund entwickelte Programm FOLIA/ EGB zum Einsatz. Dieses Verfahren wird von Anwendern als arbeitsaufwendig, wenig benutzerfreundlich und störanfällig beschrieben. Beeinträchtigungen der Produktivität sind systemimmanent. Daher sollte geprüft werden, ob der mit der Betreuung und Weiterentwicklung des Verfahrens beauftragte Dienstleister “T-Systems” für Abhilfe sorgen kann oder mittelfristig ein anderes Verfahren zum Einsatz gebracht werden muss.

Geschickt formulieren und platzieren Stellenausschreibungen für eine wirkungsvolle Personalrekrutierung (BS/Carolin Köhler-Mohr) Die öffentlichen Arbeitgeber spüren den demografischen Wandel besonders stark und dieser Prozess wird in den kommenden Jahren noch an Dynamik gewinnen. Infolge des Fachkräftemangels können sich die Interessenten aussuchen, bei wem sie ihren neuen Arbeitsplatz antreten möchten. Deshalb gilt es, geeigneten Nachwuchs sowie Fachkräfte für die unterschiedlichsten Aufgaben der Verwaltung zu gewinnen. Aber wie kann das gelingen? Es ist für den Öffentlichen Dienst essenziell, sich als attraktiver Arbeitgeber, der hohe Arbeitsplatzsicherheit und umfangreiche Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht, stärker nach außen zu präsentieren. Das gehört nicht nur zum guten Ton, sondern kann sich sehr viel positiver auswirken, als man vermutet. Interessante Unternehmenskultur, flexible Arbeitsbedingungen, konkrete Benefits, ein tolles Team – das sind Vorteile, mit denen die öffentlichen Arbeitgeber nicht hinter dem Berg halten sollten. Schließlich geht es darum, leistungsstarkes und qualifiziertes Personal von sich zu überzeugen, um der Konkurrenz (Privatwirtschaft und andere öffentliche Arbeitgeber) genau diesen einen entscheidenden Schritt voraus zu sein.

Professionell, individuell, wirkungsvoll Den Anfang macht eine professionelle und individuell gestaltete Stellenzeige, um auf Au-

bieten und wie Sie Stellenanzeige zu formulieren. sich von der Konkur- Auch die verständliche Sprache renz abheben kön- spielt hierbei eine entscheidennen. Kurzum: Wa- de Rolle. Abschließend gilt es, rum es sich lohnt, sich damit zu befassen, wo die Carolin Köhler-Mohr ist für Ihre Behörde zu Stellenanzeige wirkungsvoll verVerwaltungsfachwirtin und seit 1998 beim Land arbeiten. Es gilt, die öffentlichen werden kann. Das Hessen beschäftigt. Alleinstellungsmerk- kann zum Beispiel der klassische male zu finden und Weg über die Zeitungsanzeige, Foto: BS/privat diese ganz bewusst über die verschiedenen Plattselbstbewusst zu formen im Internet, über Social Media oder über die Einrichtung kommunizieren. Nachdem alle notwendigen einer Job- oder Karriereseite in genhöhe mit den potenziellen Bewerbern zu kommunizieren Faktoren eruiert und zusam- der eigenen Behörde etc. sein – und ihm zu signalisieren: “Wir mengetragen sind, ist daraus oder eben auch mehrere Wege suchen Sie!”. Dies ist der Erst- eine rechtskonform gestaltete gleichzeitig. kontakt zum Bewerberkreis. Teilen Sie in Ihrer Stellenzeige deshalb auch mit, was Ihre Leistungen und Ihre zentralen Werte Das Seminar “Stellenausschreibungen formulieren und geschickt platzieren – wirkungsvolle Personalrekrutierung für einen zukunftssind und was die Bewerberin fähigen Öffentlichen Dienst” bietet allen personalverantwortlichen oder der Bewerber bei Ihnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Chance, im Austausch mit anerwarten kann! deren Seminarteilnehmern zwei Tage praxisorientiert zu arbeiten. Die Bei der Erarbeitung dieser ZielAutorin vermittelt am 26. und 27. März 2019 in Bonn und vom 23. stellung sollten sich Personalverbis 24. Oktober 2019 in Hamburg, wie eine wirkungsvolle Stellenanantwortliche ausreichend Zeit zeige gestaltet werden kann. nehmen und zunächst genau Weitere Informationen und Anmeldung unter www.fuehrungskraefteüberlegen, wie die eigene Behörforum.de, Suchwort “Stellenausschreibung” de optimal präsentiert werden kann, was Sie als Arbeitergeber

Seminar zum Thema


Behรถrden Spiegel / Januar 2019

Personelles

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Kommunaler Haushalt

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Positive Entwicklung

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Kommunalbericht 2018 zeigt jedoch auch die Heterogenität in Hessen (BS/gg) Die finanzielle Lage und die Schulden der hessischen Kommunen haben sich 2017 insgesamt positiv entwickelt. Dies zeigt der Kommunalbericht 2018, den der Präsident des Hessischen Rechnungshofs, Dr. Walter Wallmann, und der Leiter der Überörtlichen Prüfung, Dr. Ulrich Keilmann, vorstellten. Aber die Situation in Hessens Kommunen ist heterogen. Dies zeigt sich nicht nur bei der finanziellen Lage.

Turnaround ansteuern “Wer jetzt den Turnaround nicht ansteuert, wird es in schwierigen Zeiten erst recht nicht schaffen, seinen Haushalt auszugleichen. Weitere Defizite bedeuten wachsen-de Verschuldung und

damit steigende Belastungen der Bürger. Dies ist gegenüber künftigen Generationen unfair, da sie die Rechnung für die aktuelle Generation mit-zahlen müssen. Zudem erschweren die Schulden und Zinslasten die Stabilisierung der Kommunalfinanzen langfristig. Wir haben deshalb schon 2015, gemeinsam mit dem Innenministerium, eine Beratungsstelle für defizitäre Kommunen eingerichtet, die nicht im SchutzschirmProgramm waren (Nicht-Schutzschirmkommunen-Beratung). Unser Ziel ist es, durch die Beratung den Kommunen den Rücken zu stärken, um auch die eine oder andere unpopuläre Maßnahme im Interesse des Haushaltsausgleichs und damit der Generationengerechtigkeit umsetzen zu können”, so Wallmann. Die kommunalen Schulden der Kernhaushalte gingen 2017 um rund 560 Millionen Euro auf 17,4 Milliarden Euro zurück. Aber auch hier zeigt sich Heterogeni-

TagBeteiligungsverwaltung der Beteiligungsverwaltung 19.–20. Februar 2019, Hamburg

Vom passiven Verwalten zum aktiven Steuern KEYNOTES Der Hafen als Beteiligung des Konzerns Hamburg Dr. Sibylle Roggencamp, Amtsleitung Vermögens- und Beteiligungsmanagement, Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg

Risikomanagement und Compliance in der Beteiligungsverwaltung Lars Scheider, Leiter Beteiligungsmanagement, Stadt Frankfurt a.M.

Personaleinsatz in der Beteiligungsverwaltung Prof. Dr. Ulf Papenfuß, Inhaber des Lehrstuhls für Public Management und Public Policy an der Zeppelin Universität

WORKSHOP-THEMEN:

Public Corporate Governance Kodex und Beteiligungsrichtlinie Bilanzieren nach EPSAS-Umstellung Gesellschaftsgründungen und -betrieb Risikomanagement und Compliance in der Beteiligungsverwaltung Beteiligungscontrolling und IT-gestütztes Berichtswesen Rechte und Pflichten von Aufsichtsräten Corporate Social Responsibility in Unternehmen der öffentlichen Hand Shared Services im städtischen Konzern

Veranstaltungspartner:

Weitere Informationen und Anmeldung unter www.beteiligungsverwaltung.org

tät der hessischen Kommunen. Den höchsten Schuldenstand je Einwohner hatte Heringen mit 10.691 Euro. Offenbach hatte den Höchstwert der kreisfreien Städte mit 7.248 Euro. Der höchstverschuldete Landkreis war der Hochtaunuskreis mit 3.225 Euro je Einwohner. Hingegen wies Eschborn lediglich 58 Euro je Einwohner auf. Durch die Hessenkasse werden in diesem Jahr rund 4,9 Milliarden Euro an Kassenkrediten abgelöst. Die Kommunen werden dadurch stark entlastet, das Land hat im Gegenzug eine höhere Belastung zu stemmen. Die Schulden in den Kernhaushalten sind jedoch nicht die einzigen Schulden der Kommunen. Berücksichtigt man die ausgelager-

ten Bereiche (Unternehmen, Beteiligungen oder Zweckverbände), so ergeben sich Gesamtschulden von rund 33 Milliarden Euro. Wallmann weist darauf hin: “Knapp die Hälfte der Schulden befindet sich außerhalb der Kernhaushalte. Deshalb gilt: Solange der Gesamtabschluss nicht vorliegt, fehlen den Entscheidern wichtige Informationen. Für die Steuerung müssen diese auf Knopfdruck verfügbar sein, sonst ist es wie eine Autofahrt mit halb zugeeister Frontscheibe! Für eine unfallfreie Fahrt ist ein uneingeschränktes Sichtfeld unabdingbar!” Die hessischen Kommunen waren auch 2017 überdurchschnittlich einnahmestark: sie rangierten im Vergleich der

Der Kommunalbericht 2018 steht auf der Homepage des Hessischen Rechnungshofes unter rechnungshof.hessen.de zum Download zur Verfügung.

“Personal”

Chancen und Risiken der Struktur in den Kommunen von Dr. Ulrich Keilmann

Zur Erledigung ihrer Aufgaben benötigen Kommunen Personal. Die Personalausgaben zählen zu den wichtigsten und größten Ausgabearten. Im Jahr 2017 beliefen sich die Personalausgaben der hessischen Kommunen einschließlich ihrer Extrahaushalte (sog. FEUs des Staatssektors) auf 5,653 Mrd. Euro (2016: rund 5,4 Mrd. Euro). Das entspricht einem Wert von 908 Euro je Einwohner. Im Durchschnitt der Flächenländer liegt er bei 858 Euro je Einwohner. Fast 115.000 Personen arbeiteten zum 30. Juni 2017 in Voll- oder Teilzeit für hessische Kommunen. Nur etwa jeder zehnte hiervon steht in einem Beamtenverhältnis.

Altersstruktur

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

Entlohnungsstufen Ebenfalls wird der Wettbewerb um neues Personal größer. Das gilt nicht nur im Verhältnis zur Privatwirtschaft, sondern auch innerhalb des öffentlichen Bereichs. Großes Potenzial bietet die Gewinnung von weiblichen Fach- und Führungskräften. Die Frauenquote in hessischen Kommunen beträgt aktuell 58 Prozent. Für Frauen scheinen Kommunalverwaltungen daher ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. In den Führungsetagen sieht das indes (noch) deutlich

anders aus. Obwohl nebenstehende Zahlen mit Einschränkungen zu interpretieren sind (z. B. Direktwahl von Bürgermeistern), wird durch die Ansicht deutlich, dass weibliche Führungskräfte (abgegrenzt nach der Entlohnung) in Kommunalverwaltungen unterrepräsentiert sind. Bei fast allen Entlohnungsbereichen liegt der Frauenanteil bei deutlich unter 50 Prozent. Bei den Beamten ist die Überrepräsentanz der Männer bei den höherentlohnten Einstufungen nochmals größer ausgeprägt. Lesen Sie mehr zum Thema “Personal” im Kommunalbericht 2018, Hessischer Landtag, Drucksache 19/6812 vom 13. Dezember 2018, S. 29 ff. Der vollständige Kommunalbericht ist kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.

Kommunen müssen aber weit mehr im Blick haben als die Fallzahl der Mitarbeiter und der Ausgaben für eben diese. Die demographische Entwicklung in Deutschland führt dazu, dass in den kommenden Jahren ein Anzahl Vollzeitbeschäftigte in höherentlohnten Einstufungen Großteil der arbeitenden Be- zum 30. Juni 2017 völkerung in den Ruhestand eintreten wird. Auch Kommunen werden von diesem Trend nicht verschont. In den nächsten 10 bis 15 Jahren werden ca. 46 Prozent der kommunalen Beschäftigten in Hessen altersbedingt aus dem Dienst ausscheiden. Hieraus ergeben sich sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Kommunen, die einsparen müssen und gleichzeitig einen zu hohen Personalbestand haben, können freiwerdende Stellen nach Möglichkeit nicht wiederbesetzen. Es ist hierbei notwendig, sicherzustellen, dass das wegfallende Arbeitspensum sowie das Wissen der Ruheständler bewahrt werden (Wissensmanagement). Gut vorbereitete interkommunale Zusammenarbeit ist hier Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, eigene Darstellung, Ü = Überleitungstarifvertrag ein wichtiges Stichwort. Frauen Männer Stand 13. August 2018   Beamte

unsere Prüfung bei 19 besonders defizitären Kommunen außerhalb des Schutzschirms. Diese planten für 2016 durchweg Defizite ein, obwohl dies den Vorgaben der Gemeindeordnung widersprach. Zehn der 19 Kommunen schafften allein durch die guten Rahmenbedingungen trotzdem den jahresbezogenen Haushaltsausgleich. Durch Umsetzung unserer Empfehlungen hätten sechs weitere Kommunen allein durch Aufwandsoptimierung den Ausgleich erzielen können. Nur Eppstein, Morschen und Tann hätten noch zusätzlich die Ertragsseite in Angriff nehmen (z.B. Gebührenanpassung) sowie – als Ultima Ratio – die Grundsteuer B erhöhen müssen.

Flächenländer mit 3.549 Euro je Einwohner auf dem zweiten Platz. Sie hatten zudem mit 1.537 Euro die höchsten NettoSteuereinnahmen je Einwohner. Insgesamt nahmen die hessischen Kommunen 9,6 Milliarden Euro netto an Steuern ein. Die wichtigste Steuerart für die hessischen Kommunen war die Gewerbesteuer (rund 4,2 Milliarden Euro). Die Netto-Einnahmen aus der Gewerbesteuer machten rechnerisch 44 Prozent der gesamten Netto-Steuereinnahmen des Jahres 2017 aus. Besonders hohe Gewerbesteuereinnahmen hatte die Stadt Frankfurt. In der mit Abstand einwohnerstärksten Stadt lag das Netto-Gewerbesteueraufkommen 2017 bei 1,5 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von rund 35 Prozent des gesamten NettoGewerbesteueraufkommens in Hessen.

Arbeitnehmer

ie hessischen Kommunen erzielten 2017 einen positiven Finanzierungssaldo von über einer Milliarde Euro. Die positive Entwicklung der letzten Jahre setzte sich damit fort. Aber die Kommunen sind heterogen: während rund drei Viertel (335 Kommunen) Überschüsse erwirtschafteten, waren 113 defizitär. Dabei verschlechterte sich beispielsweise die Stadt Frankfurt gegenüber dem Vorjahr von -69 Millionen Euro auf -165 Millionen Euro in 2017. Diese Defizite konnten zwar durch die Rücklagen kompensiert werden, lassen aber die Frage offen, warum in außerordentlich einnahmestarken Jahren Rücklagen aufgebraucht und nicht aufgebaut wurden. In 2015 wies die Stadt noch einen positiven Finanzierungssaldo von 73 Millionen Euro aus. In keiner anderen Kommune verschlechterte sich 2017 der Finanzierungssaldo im Vergleich zum Vorjahr stärker. Wallmann betont: “Obwohl seit Jahren gute Rahmenbedingungen herrschen, gibt es trotzdem noch defizitäre Kommunen. Mit unseren Prüfungen und Beratungen wollen wir diese Kommunen unterstützen den Turnaround zu schaffen, um wieder politische Gestaltungsfreiheit zu erlangen.” Dass ein Haushaltsausgleich grundsätzlich möglich ist, zeigte

Behörden Spiegel / Januar 2019

MELDUNG

Fast zehn Milliarden für Bayerns Kommunen (BS/gg) Bayerns Finanz- und Heimatminister Albert Füracker und die kommunalen Spitzenverbände haben sich auf einen Rekord-Finanzausgleich für das Jahr 2019 geeinigt. “Mit 9,97 Milliarden Euro können wir den Kommunen in Bayern 2019 so viel Geld zur Verfügung stellen wie noch nie

vorher”, erklärte Staatsminister Füracker. Das Verhandlungsergebnis bedeutet für die Kommunen ein Plus von 436 Millionen Euro bzw. 4,6 Prozent gegenüber 2018. Gemeinsam ist es gelungen, für 2019 Schwerpunkte bei der Unterstützung finanzschwacher Kommunen und im investiven Bereich zu setzen.


Behörden Spiegel / Januar 2019

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Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

Die Lausitz am Scheideweg

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hat wichtige Impulse gegeben. n der kleinen Lausitz, tief im Osten Deutschlands, im DreiDer erste Zwischenbericht der ländereck zwischen Deutschland, Kommission zum Strukturwandel Polen und Tschechien, wird sich war noch relativ vage und hat wie in einem Brennglas in den viel Kritik hervorgerufen. Nun, kurz vor dem Abschlussbericht, nächsten Jahren und Jahrzehnten zeigen, ob es gelingt, Klima- (BS/Christine Herntier/Torsten Pötzsch*) In der Überschrift steckt die ganze Breite des derzeit in Deutschland und besonders in den Braunkohle- haben wir für unsere Lausitz die schutz und Wirtschaftswachstum revieren diskutierten, politisch gewollten Kohleausstiegs. Vorab so viel, diese große Aufgabe wird in ganz Deutschland tiefe Veränderungen mit Clusterstrategie entwickelt und in die Diskussion gebracht. In miteinander intelligent zu kop- sich bringen. den Clustern Energie, Mobilität, peln. Das wäre dann ein echter Bioökonomie und RessourceneffiStrukturwandel, wie es ihn im wiedervereinigten Deutschland zienz sowie Gesundheit und Touweder in Ost noch in West bisher rismus erkennen wir die Trends, gegeben hat. ermitteln unsere bereits vorhanEs muss gelingen, sonst werdenen Anknüpfungspunkte und den die Folgen deutlich negativ leiten daraus Handlungsoptionen spürbar sein, und zwar in ganz und Sofortmaßnahmen ab, die Deutschland und auch in Euroin den Bericht der Kommission einfließen. Wir sehen unter dem pa. Das bezieht sich nicht nur Dach der Künstlichen Intelligenz auf den Klimaschutz, der ja in den Campus Lausitz als KatalyDeutschland vorrangig durch sator für die Clusterentwicklung. das vorzeitige – entgegen den gelNicht zu vergessen ist unser betenden Betriebsplänen der Bergrechtigter Anspruch, dass die bau- und Energieunternehmen notwendige wissenschaftliche – Abschalten der verbliebenen Kohlekraftwerke erreicht werden Begleitforschung zu diesem soll, sondern auf die gesamtgeTransformationsprozess direkt sellschaftliche Wahrnehmung Sonnenkraft statt Braunkohle – der Lausitz steht ein folgenreicher Wandel bevor. Foto: BS/©imohn, stock.adobe.com im Revier stattfindet. Wir sind des Umgangs mit den großen es leid, dass wir wie LabormäuThemen der Gegenwart. Es ist inakzeptabel, das letzte Aber wie die Sächsische Zeitung Wiedervereinigung. Insgesamt Die Mitglieder der Lausitzrun- se behandelt werden. Wer ein Bewahrung der Schöpfung, Um- große Industrieunternehmen in richtig titelt: “Ein Zweig im Reisig- gelungen, aber zulasten länd- de favorisieren von Anfang an echtes Interesse daran hat, diese welt- und Klimaschutz gehören der Lausitz ohne wirtschaftliche bündel”, auf den Zusammenhalt, licher Regionen, der Lausitz im das Beispiel der ostdeutschen große Aufgabe wissenschaftlich zweifelsohne dazu. Alternative in die Abwicklung auf die Bündelung der Kräfte jen- Besonderen. In einem Brief an die Braunkohlesanierung, eine zu begleiten, soll das bitte direkt Das sind aber keine abstrakten zu schicken. Wir kennen die seits aller Parteizugehörigkeiten, Kanzlerin haben wir zum ersten Bund-Länder-Struktur- und Pro- im Lausitzer Revier tun, wir sind Begriffe und für die betroffenen folgenschweren Ereignisse im Landesgrenzen und Größe der Mal unsere Forderung nach der jektgesellschaft mit einem neu- gute Partner! Menschen auch keine trockenen Ergebnis einer solchen Herange- Kommunen kommt es an. Und Übernahme der Verantwortung en, zusätzlichen Aufgabengebiet. wissenschaftlichen Abhandlun- hensweise an die (Nicht-)Lösung da ist in der Lausitz in den ver- des Bundes formuliert, aber auch Das einzige Bundesunternehmen Tiefer Fall nach Wende gen, sondern es ist besonders wirtschaftlicher und gesellschaft- gangenen drei Jahren etwas Be- Vorschläge gemacht wie z. B. in der Lausitz sollte damit geDie direkt und unmittelbar in der Lausitz die Zukunftsfrage licher Probleme. Die Folgen sind merkenswertes gelungen. Mehr die heute diskutierte Lausitz als stärkt werden und diese große vom Kohlebergbau betroffenen schlechthin. Und spätestens an in der Lausitz zu besichtigen – Basisdemokratie geht nicht! Alle europäische Modellregion für den Generationenaufgabe übertragen Kommunen im Lausitzer Revier dieser Stelle kommen die demo- es ist nun die tägliche Arbeit 50 Kommunen, und es werden Strukturwandel – denn von uns bekommen. bedürfen einer besonderen Förkratisch gewählten Mandatsträ- der Bürgermeister(in)nen, damit noch mehr werden, haben sich kann man nicht nur etwas lerderung und Unterstützung, um ger der Einwohner der Lausitz ins umzugehen. Aus dieser Erkennt- per Beschluss Ihrer Gemeinde- nen, man kann es abstrahieren Wissenschaftliche diesen Prozess weiter intensiv Begleitforschung vor Ort Spiel – BürgermeisterInnen, Ober- nis erwächst aber auch unser vertretungen zur Mitarbeit in der und verallgemeinern. Allerdings gestalten zu können und mit bürgermeister, Amtsdirektor(in) Anspruch, maßgeblich dazu bei- Lausitzrunde und zur eigenen muss dieser Strukturwandel zu Wir haben also ganz konkre- allen Kräften zu unterstützen. nen, die inzwischen 50 Mitglieder zutragen, dass es diesmal besser Rechtsform, einer mandatieren- einem gelungenen Beispiel wer- te Vorschläge und Ideen. Diese Dies braucht personelle, zeitliche der Lausitzrunde, die diese gro- gelingt, dass es den Menschen den Vereinbarung, bekannt. Das den. diskutieren wir auch auf europä- und damit finanzielle Ressourße Herausforderung annehmen mehr nützt als schadet. Unverzichtbar ist es, dass es ischer Ebene. Wir führen viele Ge- cen. Vor nunmehr mehr als 60 gibt uns Kraft, Gewicht und ganz und daraus Zukunftschancen nun (30 Jahre nach der Wieder- spräche mit Ministerpräsidenten, Jahren wurde in der kleinen, Das Weltklima wird nicht in der wichtig, Gehör! ableiten. Lausitz gerettet, aber wir kennen vereinigung!) endlich gelingt, die mit Bundesminister(in)nen, mit wirtschaftlich schwachen DDR unsere Verantwortung und neh- Anschluss an Lausitz, die so viel geopfert hat Landtags- und Bundestagsab- der Beschluss gefasst, dass in die Metropolregionen Mehr Basisdemokratie men diese auch an. Und genau für eine sichere und bezahlbare geordneten, mit Unternehmern der Lausitz eine Energieindustrie geht nicht! diese Einstellung oder noch besaufgebaut wird, Begonnen hat alles im Früh- Energieversorgung, an die Medie weit über die Vorab zur Klarstellung und um ser Haltung hat dann auch dazu jahr 2015, da wurde deutlich, tropolregionen anzuschließen. heute vorherrgar keinen Spielraum für ver- geführt, dass mit der mir, als die Veränderungen werden groß Ebenso gehört dazu, dass die schende Verstromeintliche Interpretationen zu- Bürgermeisterin von Spremberg sein und wenn wir nicht unsere Lausitz vorn dabei ist bei der mung hinausging. zulassen: Die Mitglieder der Lau- eine der Sprecher(in)nen der Lau- Bedenken, aber besonders un- Digitalisierung. Gerade für die Zigtausende Mensitzrunde sehen den Revierplan sitzrunde als stimmberechtigtes sere Erfahrungen, Vorstellungen Lausitz ist es sehr wichtig, wie der Christine Herntier ist Bürschen kamen in germeisterin von Spremberg der LEAG als unverzichtbar, um Mitglied in die Kommission für und Lösungsangebote einbrin- anstehende und in der Lausitz und Sprecherin der brandendie Lausitz und den beschlossenen Kohleausstieg Wachstum, Strukturwandel und gen, dann gibt es das gleiche seit 30 Jahren real existierende burgischen Kommunen der geordnet gestalten zu können. Beschäftigung berufen wurde. böse Erwachen wie nach der Strukturwandel gesteuert wird. machten sie zu Lausitzrunde sowie Mitglied ihrer Heimat. Das in der Kommission WSB. war ein großes Aufbauwerk, das Torsten Pötzsch ist Oberbürhat die Menschen germeister von Weißwasser/ geprägt, hat sie O.L. und Sprecher der sächstolz gemacht. Wie das Ruhrgebiet und das Saarland den Strukturwandel meistern sischen Kommunen der Umso tiefer war Lausitzrunde. der Fall nach der (BS/kh) Ende Dezember 2018 wurde im Ruhrgebiet mit Schließung der letzten Zeche das Ende des Steinkohlebergbaus besiegelt. Das Zechenpolitischen Wensterben begann bereits vor 60 Jahren, bis heute hat sich die Metropolregion allerdings nicht davon erholen können. Die Arbeitslosigkeit steigt Fotos: BS/Stadt Spremberg in Nordrhein-Westfalen und vor allem im Ruhrgebiet seit 2001 stetig an und liegt über dem Bundesdurchschnitt. Auch das Saarland hat mit den de, nicht nur in Auswirkungen verschiedener Strukturveränderungen zu kämpfen. Der Lausitz steht das nun bevor. der Kohleindustrie! Die De-Industrialisierung, die im aus den Hochschulen und For- schlechtem Zustand. Investitio- bei. An den Beschäftigtenzahlen Warum nicht Ruhrgebiet zu einem Abschied schungseinrichtungen könnten nen hierfür seien in den vergan- lässt sich dies ablesen: Allein noch einmal viel von Kohle und Stahl führte, zur Bewältigung des Struktur- genen Jahrzehnten vorrangig in zwischen 2008 und 2016 nahm wagen, unter umfasst ebenfalls einen Teil der wandels beitragen. Beste Vo- die ostdeutschen Bundesländer die Zahl der Beschäftigten im und Wissenschaftlern. Das hat deutlich besseren Bedingungen? Dienstleistungssektor um rund uns die nötige Kompetenz gege- Warum nicht wieder tausenden nachfolgenden Industrien – et- raussetzungen hierzu hat die geflossen, kritisiert Röhl. wa Firmen wie Opel oder Nokia. Region: Beim Digitalindex des Auch das Saarland stand in 13 Prozent zu, während das pro- ben, um in der Kommission für Menschen einen Grund geben, Die nun ungenutzen Flächen in Instituts der deutschen Wirt- den 60er- und 70er-Jahren mit duzierende Gewerbe im selben Wachstum, Strukturwandel und in die Lausitz zu kommen und Bochum werden weiterentwickelt schaft (IW) schneidet sie um 17 dem Rückgang von Kohle und Zeitraum etwa vier Prozent der Beschäftigung mitreden zu kön- Teil eines Strukturwandels zu und anderweitig genutzt, zum prozentpunkte besser ab als der Stahl vor tiefgreifenden Verände- Arbeitsplätze abbaute. nen. Wir sind stolz darauf, dass werden, der diesen Namen auch Beispiel um der Umweltwirt- landesweite Durchschnitt. rungen. Waren 1960 dort noch Prof. Dr. Martin Gornig vom Deut- es uns zugetraut wird, an einem verdient? Das wäre genau die 125.000 Arbeiter im Bergbau und schen Institut für Wirtschaftsfor- der wichtigsten gesellschaftlichen richtige Antwort, im Übrigen schaft sowie der Wissenschaft einen Platz zu bieten. Neben 60 Infrastrukturinvestitionen der Stahlindustrie tätig, sank schung e. V. (DIW Berlin) fordert Themen der Gegenwart mitzuar- auch an alle diejenigen, die aus fehlen außeruniversitären Forschungsderen Zahl im folgenden Jahr- Infrastrukturinvestitionen statt beiten. Die Arbeit in der Kom- der ganzen Schwarzmalerei nur einrichtungen. “haben wir 22 “Auch beim Ausbau der digitalen zehnt um mehr als die Hälfte. Subventionen. Nur dann könne mission – die im Wesentlichen politischen Profit ziehen wollen. Hochschulen im Ruhrgebiet und Netze steht das Ruhrgebiet recht Zeitweise stieg die Arbeitslosig- Strukturwandel im Zeichen der von einem Arbeitsgremium, dem Die gewählten Mandatsträger der rund 60 Prozent der Absolventen gut da. Diese Vorzüge sowie die keit auf über 15 Prozent. In der Gewährleistung gleichwertiger Stab WSB (Wachstum, Struktur- Lausitzrunde haben das nicht wohnen auch anderthalb Jahre Tatsache, dass das Ruhrgebiet Folge richtete sich die Wirtschaft Lebensverhältnisse gelingen. wandel, Beschäftigung), geleistet nur erkannt, sie haben geliefert, nach ihrem Studienabschluss als größter deutscher Ballungs- auf neue Zweige aus: etwa den Noch steht kein endgültiges wird, unterstützt vom Sherpa die Ideen und das Engagement! Kohleausstiegsdatum fest; die der Bürgermeisterin von Sprem- Nun werden wir die Endfassung in unserer Region”, lobt die raum verkehrsgünstig im westli- Automobilbau. Lausitz hat die Chance, sich berg, Gerhard Hänel (“Chefun- des Abschlussberichts der KomRegionaldirektorin des Regio- chen Mitteleuropa liegt, müssten nalverbands Ruhr, Karola Geiß- künftig stärker ins Licht gerückt Zukunftstrend tertiärer Sektor frühzeitig auf den Wandel ein- terhändler“, besser Mitstreiter) mission für Wachstum, StrukturNetthöfel. und genutzt werden”, empfiehlt Nach wie vor ist das Saarland zustellen. Eine Fokussierung als – hat es mit sich gebracht, dass wandel und Beschäftigung abTrotzdem fehlt eine langfristige IW-Volkswirt Dr. Klaus-Heiner wirtschaftlich am stärksten zukünftiger Tourismus- und For- wir nun noch viel besser in der warten. Dann geht es erst richtig Bindung der gut ausgebildeten Röhl. Denn obwohl die Region durch das produzierende Ge- schungsstandort erscheint nicht Lage sind, die Zukunftsthemen, los! Wir werden darauf dringen, Absolventen. Ein stärkerer Aus- über das dichteste Autobahn- werbe geprägt. Aber auch die allein durch den Spreewald und die Chancen für unsere Lausitz dass Parlament und Regierung unsere Vorschläge umsetzen. bau der Kooperationen mit der und Schienennetz Deutschlands IT-Branche und zunehmend der die Brandenburgische Techni- zu entwickeln. regionalen Wirtschaft sowie die verfüge, seien viele Straßen, Dienstleistungsbereich tragen sche Universität Cottbus-SenfDie Zusammenarbeit mit anWir freuen uns darauf! Frischer Ausgründungen von Start-ups Brücken und Bahnstrecken in zum gelingenden Strukturwandel tenberg erfolgsversprechend. deren Kommissionsmitgliedern Wind tut Not und gut!

Strukturwandel, Fluch oder Segen?

Schicht im Schacht


Kommunale Infrastruktur

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nsgesamt seien durch alle Sturmschäden ungefähr 20 Mio. Festmeter (fm) Schadholz angefallen und es werde mit mindestens 12 Mio. fm Schadholz durch die aktuelle Käferplage kalkuliert, bilanziert und fürchtet der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB).

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Unglück auf der ganzen Linie Regionales Waldsterben bedroht kommunale Haushalte

(BS/Adrian Bednarski) Die Waldschäden aufgrund des Orkans, der langanhaltenden Dürre und der schwersten Borkenkäferplage seit dem Zweiten Weltkrieg sind im Kommunalwald der nordrhein-westfälischen Stadt Brilon gewaltig. “Das Waldvermögen ist derart schwerwiegend getroffen, dass sich die endgültigen Auswirkungen der Jahrhundertkatastrophe 2018 erst in den nächsten Jahren wirklich zeigen werden”, fasst Dr. Christof Bartsch, Bürgermeister der Stadt mit dem größten Kommunalwald Deutschlands, die momentane Situation zusammen. Doch nicht nur in Brilon Holzmärkte brechen weg werden die Auswirkungen auf die Kommunalfinanzen diskutiert. Bundesweit wird von der Politik eine angemessene Ausgleichszahlung gefordert Bedingt durch die Menge an und über zukünftige Schritte gesprochen.

Holz, welches die Sägewerke erreicht, kommen diese mit der Verarbeitung nicht hinterher. Um finanziellen Einbußen entgegenzuwirken, werden auch neue Märkte beliefert. “Ganz entgegen unserer bisherigen ökonomischen und ökologischen Verkaufsstrategie “Das Holz der kurzen Wege” kooperieren wir jetzt mit internationalen Handelspartnern, die unsere Holzmassen beispielsweise auf den asiatischen Markt exportieren. Damit entlasten wir den Regionalmarkt”, sagt Bartsch. Trotzdem reiche es nicht, denn der Export scheide zurzeit vielfach aus, da der Borkenkäfer europaweit wüte und überall die Lkw- sowie die Holzlager-Kapazitäten für einen Abtransport oder eine Lagerung fehlen würden, erörtert Michael Blaschke, Sprecher des Landesbetriebs Wald und Holz Nordrhein-Westfalen. Dies führe zu dem Grundproblem: “Es wird nicht möglich sein, alles – insbesondere das schon abgestorbene trockene Holz – zu vermarkten. Generell ist Käferholz problemlos auch für hochwertige Holzprodukte verwertbar. Denn die Borkenkäfer dringen nicht in das Holz ein. Aber wenn die Vermarktungswege wegbrechen und ein Überangebot auf den Markt drängt, kann auch hochwertiges Holz nur mit erheblichen Preisnachlässen vermarktet werden.”

Das Kernproblem: die Schadens­bezifferung “Die Landwirtschaft hat nach der Dürre Soforthilfe erhalten, sofern die Betriebe belastbare Zahlen über Ernteausfälle und daraus resultierende Verluste vorlegen können. Der Schaden muss als existenzbedrohend nachgewiesen werden”, erklärt Ute Kreienmeier, Referatsleiterin Kommunalwald, Umwelt und Na-

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ie schlimm es um die deutschen Fichtenbestände stehe, könne anhand der Zahlen aus NRW verdeutlicht werden, führt Ute Kreienmeier, Referatsleiterin Kommunalwald, Umwelt und Naturschutz beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) an. Die Fichte sei mit 252.000 Hektar (ha) die häufigste Baumart in NRW. Die gesamte Landeswaldfläche betrage dabei 935.000 ha, wovon 196.000 ha in kommunaler Hand seien. Durch den Orkan “Friederike” im Januar 2018 seien 2,5 Mio. Festmeter (fm) Sturmholz landesweit angefallen und mindestens weitere 2,1 Mio. fm Käferholz nach der Hitze- und Dürreperiode. “Verglichen dazu betrug der gesamte Jahreseinschlag 2017 über alle Waldbesitzarten hinweg in NRW 3.017 Mio. fm. Davon entfielen 2,0 Mio. fm Einschlag auf die Fichte”, so Kreienmeier. Damit liege die Menge des Sturm- und Borkenkäferholzes in NRW bereits im Herbst 2018 weit über dem Jahreseinschlag von 2017. Normalerweise liege der nachhaltige Einschlag (Forstbetriebe nutzen nur so viel Holz wie nachwächst) bei der Fichte in einer Größenordnung zwischen sechs- bis acht fm pro Jahr und Hektar, so Kreienmeier. “Dementsprechend kann künftig weniger Fichtenholz eingeschlagen und genutzt werden Deshalb wird dieses mittlerweile auch aus dem Ausland eingekauft, weil einige Betriebe bzw. Produkte der Holzindustrie auf den Einsatz

turschutz beim DStGB. Aktuell liege der Fokus zwar auf den Fichtenbeständen. Allerdings hätten auch die Buchenwälder unter der extremen Dürre und Hitze stark gelitten. Die Schäden durch absterbende und erkrankte Bäume würden erst nach dem Laubaustrieb im Mai 2019 und den Folgejahren sichtbar. Auch die Stadt Brilon hat ihre Schwierigkeiten: “Derzeit können wir noch nicht abschließend festhalten, wie viel Festmeter Schadensholz die Trockenperiode forderte, da wir erst im Frühjahr nächsten Jahres abschließend abschätzen können, ob die Kalamität ihren Höhepunkt erreicht hat oder mit weiteren Schäden zu rechnen ist”, so Bartsch.

Finanzielle Unterstützung gefordert “Viele private und kommunale Forstbetriebe sind in eine finanzielle Notlage geraten. Der bereits seit Jahren eingeleitete, ertragreiche Waldbau im Klimawandel benötigt jetzt und in Zukunft hohe Finanzmittel, um die entstandenen Kahlflächen entsprechend zukunftsfähig aufzuforsten”, bezieht der Bürgermeister Brilons Stellung. Auch Kreienmeier appelliert, dass der Staat den kommunalen Waldbesitzern unter die Arme greifen müsse. Denn diese seien nicht die Verursacher, sondern die Opfer des Klimawandels. “Wir schätzen die Schäden durch Hitze und den Borkenkäfer auf mindestens fünf Mrd. Euro bundesweit. Das Waldsterben ist eine reelle Bedrohung. Sollten die schlimmsten Prognosen der Forstschutzexperten zutreffen, so könnte sich der Schaden noch verdoppeln. Wenn der Witterungsverlauf für den Borkenkäfer günstig ist und er im kommenden Frühjahr wie-

Eine Verkettung von Waldunglücken führt dazu, dass Kommunen finanzielle Ausfälle drohen, weil die Wälder in manchen Bundesländern regional absterben. Foto: BS/Rouven Kreienmeier

der starten kann, werden die Schäden weiter ansteigen”, so die Referatsleiterin.

Kleiner Tropfen kommt Die Politik hat das Problem bereits erkannt und diskutiert es ebenso auf Bundesebene. “Deshalb hat der Deutsche Bundestag insgesamt 25 Millionen Euro zusätzlich über fünf Jahre bewilligt, um Maßnahmen zur Prävention, Neupflanzung und Anpassung auf Extremwetterlagen zu fördern”, äußert sich Albert Stegemann, agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSUBundestagsfraktion. Die Gelder stünden ab diesem Jahr bereit.

Forst nicht gleich Land Obwohl der Vergleich zu den Soforthilfen der Landwirtschaft aufkam, so hebt der zuständige forstpolitische Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, hervor: “Die Forstwirtschaft hat andere Zeithorizonte als die Landwirtschaft. Zudem verfügt der Forstbereich im Gegensatz zur Landwirtschaft über eine rechtliche Grundlage zum Ausgleich von und der

Vorbeugung vor Schäden: das Forstschäden-Ausgleichsgesetz.” Es sei daher “richtig, der Landwirtschaft das Signal zu geben, dass der Staat und damit der Steuerzahler im Bedarfsfall Bauern in Not unterstützt”. Aber hierbei werde in Jahren gedacht, beim Wald hingegen in Jahrzehnten. Dementsprechend seien die 25 Mio. Euro ein wichtiger Anfang, um die diesjährigen Schäden durch die Dürre etwas abzufedern.

Bundesprogramm gefordert Aber auch Wiese denkt, dass diese 25 Mio. Euro nicht ausreichen werden: “Bei einem trockenen Winter werden wir uns daher aus meiner Sicht im Frühjahr noch einmal intensiv mit einer Unterstützung für die Forstwirtschaft beschäftigen müssen.” Es würden daher mit großer Wahrscheinlichkeit weitere finanzielle Mittel benötigt, um allen Ansprüchen gerecht zu werden. “Hier muss das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft proaktiv liefern und darf nicht erst wieder zum Jagen getragen werden.”

Auch die Grüne-Bundestagsfraktion ist mit der Summe unzufrieden: “Die vom Bund bereitgestellten 25 Mio. Euro sind angesichts der Waldschäden in Milliardenhöhe bei Weitem nicht ausreichend. Selbst bei Einrechnung weiterer Mittel durch die Länder ist das weniger als ein Euro pro Hektar Wald – das reicht noch nicht einmal, um die vertrockneten Jungbaumanpflanzungen zu ersetzen”, kritisiert Harald Ebner, Sprecher für Waldpolitik. Die Grünen fordern ein “angemessen ausgestattetes Bundesprogramm”. Damit insbesondere Kommunalwald profitiere, müssten “auch öffentlich-rechtliche Forstzusammenschlüsse im Bundeswaldgesetz als förderfähig verankert werden”. Ferner könnte eine umfassende Holzbaustrategie dazu beitragen, den angespannten Holzmarkt zu entlasten, äußert sich Ebner.

Ausgleichszahlungsansatz und Naturkatastrophe Ebenso schätzt die AfD-Bundestagsfraktion die Summe als zu gering ein, wenn eine Forderung einer Nothilfe von 350 Millionen Euro seitens der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) im Raum stünde, heißt es seitens der Fraktion. Sie schlägt einen Lösungsansatz zur angemessenen Ausgleichszahlung vor: Hierbei wäre die Ermittlung von belastbaren Zahlen zur fundierten Quantifizierung der Soforthilfen eine Aufgabe wissenschaftlicher Institute wie z. B. des ThünenInstituts für Waldökologie in Eberswalde. Methodisch solle der wissenschaftliche Ansatz den für die nächsten Jahre mithilfe von Wachstumsmodellen prognostizierten Holzzuwachs dem

Trocken mit Aussicht auf Käfer und Waldbrand Bedrohte Kommunalwälder und erste Gegenmaßnahmen (BS/ab) Hitze, Dürre, die größte Borkenkäferplage seit 1947 und die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen (siehe oben) zwingen öffentliche wie private Waldbesitzer zum Handeln. Die Maßnahmen reichen vom Appell bis zum Umbau. Doch letzterer ist nicht so einfach. von Frischholz angewiesen sind”, merkt die Referatsleiterin an.

Zwischen Appell und ersten Maßnahmen Deshalb appelliert Michael Blaschke, Sprecher des Landesbetriebs Wald und Holz Nordrhein-Westfalen: “Wir bitten die Privatwaldbesitzer und Kommunen, keine gesunden Fichten mehr zu fällen, bis sich die Waldschutz-Lage entspannt hat.” Ferner solle das Holz mit (lebendem) Käferbefall noch vor dem Käferflug eingeschlagen und aus dem Wald heraustransportiert werden. Auch wenn durch das Übermaß an Holz auf dem Markt und in den Sägewerken die Kapazitäten begrenzt seien, so müsse sich bemüht werden, Lagerplätze im Abstand von 500 Metern zu den Wäldern für das Käferholz zu schaffen, erläutert Blaschke.

Potenzielle Waldbrandgefahr Das Kernproblem ist jedoch, dass durch die mangelnden Kapazitäten auch trockenes Holz weiterhin im Wald verbleiben wird, was bei einem weiteren heißen Sommer die Gefahr von Waldbränden erhöht. Prof. Dr. Andreas Bolte, Institutsleiter des Thünen Instituts, merkt dies-

bezüglich an, dass die Wasserhaltung in grundwassernahen Wäldern durch Schließen von Abflüssen und Gräben intensiviert werden könne. Gleichzeitig brauche es zur Verhütung von Waldbränden ein FrühwarnSystem, wie es in Brandenburg implementiert sei. “Wichtig ist eine Aufklärung der Bevölkerung über Waldbrand-Warnlagen, da der überwiegende Anteil von Waldbränden durch menschliche Fahrlässigkeit oder Vorsatz entsteht”, betont er. Zudem sei es sinnvoll, die Fichtenwälder zu Mischwäldern umzubauen, wie es bereits in einigen Kommunalwäldern wie Berlin oder zukünftig auch Brilon geschehe. “Eine Mischung von Baumarten mit unterschiedlichen Standortsansprüchen und Anpassungen wie unterschiedliche heimische Laub- und Nadelbaumarten verteilt das Risiko auf verschiedene Arten und verringert meist den Schädlingsdruck”, erläutert der Professor.

Nicht nur heimische Bäume Dabei sei auch eine Beteiligung von trockenheitstoleranten nicht-heimischen Baumarten wie z. B. der Douglasie nützlich. Wärmeliebende heimischen Nebenbaum­arten wie Wildobst,

tatsächlichen durch die Schäden reduzierten Holzzuwachs gegenüberstellen. Die Differenz wäre dann die Grundlage für eine fundierte Monetarisierung der Waldschäden, so der AfDVorschlag. Karlheinz Busen, forstpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, betont demgegenüber: “Eine direkte finanzielle Unterstützung wie bei den Landwirten halte ich nicht für sinnvoll. Schon die Zahlungen an die Landwirte sind eher mehr Bürokratie als eine Hilfe.” Waldeigentümer müssten in die Lage versetzt werden, extreme Schadenereignisse selbst zu bewältigen. Das gehe einerseits mit einfachen Regeln zur Anlage und Verwendung von Risikoausgleichsrücklagen. Andererseits müsse die Bundesregierung im aktuellen Fall die Dürre als Naturkatastrophe werten und “insbesondere auch für die Waldschäden bei der EU Mittel aus dem Solidaritätsfonds beantragen”, so Busen.

Die Jahrzehnte danach Für eine ganzheitliche Betrachtung setzt sich die LinkeBundestagsfraktion ein: “Der Wald ist mehr als Holzproduktion, aber auch die stoffliche und energetische Nutzung der nachwachsenden Ressource Holz ist im gesellschaftlichen Interesse. Deshalb muss in akuten Notsituationen Unterstützung geleistet werden”, so die agrarpolitische Sprecherin der Fraktion, Dr. Kirsten Tackmann. Gleichzeitig müssten Präventions- und Anpassungsstrategien, z. B. zu Klimaveränderungen, einen höheren Stellenwert bekommen. Konzepte zur Waldbrandprävention und Schadensminimierung müssten erarbeitet und umgesetzt werden. Gelder dürften nicht erst nach dem Schaden zur Verfügung stehen. Die finanzielle Unterstützung für eine an die neuen Herausforderungen angepassten Aufforstung nach Schadenslagen bleibe notwendig, betont Tackmann. Dazu werde nicht nur mehr Geld gebraucht. Sondern es müsse leichter zugänglich und passgenauer für die regionalen Bedingungen sein, z. B. müssten förderfähige Baumarten zum Standort passen.

Jedoch könnten die Schadflächen in diesem Jahr nicht zu 100 Prozent wieder bepflanzt werden. Denn die Schäden seien immens und es sei deshalb weder vom Personal noch technisch innerhalb der kurzen Zeit machbar.

Bedarf abstimmen

Das vom Borkenkäfer befallene Holz raus, dafür das vertrocknete Holz im Wald lassen oder den Spieß umdrehen? Auf die eine oder andere Art und Weise bringt es die Kommunen in die Bredouille und bei einem heißen Sommer ist die Waldbrandgefahr wieder hochaktuell. Foto: BS/Ylves, CC0, pixabay.com

Elsbeere oder kurzlebige Baumarten wie Birke, Aspe und Eberesche könnten ebenso ihren Beitrag leisten. Wichtig sei nur, dass auf die passenden Standortbedingungen geachtet werde, so der Wissenschaftler. Eine andere Möglichkeit sei, Baumarten aus südlichen oder kontinentalen Verbreitungsräumen zu nutzen, die dort schon mit intensiverer Trockenheit aufgewachsen seien. Außerdem hätten Mischwälder den Vorteil, dass sie mehr Grundwasser zurückgewinnen würden,

wie die Studie des Eigenbetriebs Berliner Forsten “Die Berliner Wälder und ihre Bedeutung für die Ressource Wasser” belegt.

Nächstes Problem: ungewisser Sommer Eine weitere Herausforderung stellt die Zeit zur Neubepflanzung dar. “Die Forstbaumschulen haben das nötige Pflanzmaterial, um den Bedarf an Neubepflanzungen zu decken”, erläutert Alain Paul, Sprecher des Verbands Deutscher Forstbaumschulen (VDF).

Für die Aufforstung wird den Waldbesitzern gesetzlich in der Regel eine Frist von drei bis fünf Jahren eingeräumt. Aber bedingt durch das Ausmaß der Schäden würden die deutschen Behörden u. a. in NRW dazu tendieren, die Fristen zu verlängern und Förderprogramme für die Aufforstung einzuführen, sagt Paul. “Nun ist vor allem Koordination wichtig. Die Besitzer müssen dringend mit ihren Forstbaumschulen des Vertrauens den Bedarf besprechen und abstimmen, damit dieser auch gedeckt werden kann. Momentan zögern noch viele.” Denn die Forstbaumschulen können die jetzt verwendungsbereiten Jungpflanzen nicht einfach lange “parken”. Diese würden quasi im Beet aus der Verwendbarkeit herauswachsen und würden vernichtet. Dabei sei Saatgut knapp gewesen. In der Regel würden jene Exemplare, die vier Jahre oder etwas älter sind, im Frühling verbrannt werden, weil sie zu groß seien, um damit Platz für die neue Anzucht zu schaffen. “Wenn dann wieder im Herbst die Nachfrage nach den Bäumen steigt, fehlt es unter Umständen”, merkt Paul an.


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Januar 2019

Kommentar Die Bruchstücke des 5G-Traums Reinhold Harnisch, Geschäftsführer des Kommunalen Rechenzentrums Minden-Ravensberg/Lippe (BS) Während Bundeswirtschaftsminister Peter Altmair mit der Abdeckung des 4G-Netzes unzufrieden ist, scheint sich ein weiteres Mobilfunkdebakel abzuzeichnen: Die 5G-Auktion und ihre Vergabebedingungen, die 2019 geplant ist. Nun klagen die drei Provider Telefónica, Vodafone und die Deutsche Telekom, weil sie mit den Bedingungen unzufrieden sind. Platzt deshalb der 5G-Traum Deutschlands? Von den ursprünglich optimalen Voraussetzungen für einen modernen Technologiestandort Deutschland wurde immer weiter abgerückt. Wurden einst die Vollabdeckung mit 5G und die Verpflichtung des nationalem Roamings in die Diskussion eingeworfen, so sollen nun 98

Prozent der Haushalte abgedeckt werden. Das Roaming selbst soll nur noch auf freiwilliger Basis geschehen, wodurch kleine Anbieter, die kein eigenes Netz besitzen, das Nachsehen haben könnten. Die Bundesnetzagentur kam somit den drei großen Anbietern entgegen. Aber dies reicht den Providerriesen nicht und sie klagen, weil ihre Investitionssicherheit gefährdet sei. Dabei bedeutet ein Ausbau, der nur 98 Prozent der Haushalte anschließt, ein Ausschluss von wiederum 20 Mio. Einwohnern, die in der Fläche leben. Ade, einheitliche Lebensverhältnisse. Ferner zeigt die fehlende Festschreibung einer flächendeckenden Versorgung, dass die Behör-

Zwischenstand der Förderung Elektromobilitätsförderung erfreut sich reger Nachfrage (BS/ab) Die Elektromobilitätsförderung greift, dies weisen exemplarisch neue Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) für ihren Umweltbonus nach. Seit Beginn des Programmes im Mai 2016 wurden knapp 91.500 Fahrzeuge gefördert. Wobei eine Fördersumme bis zu 4.000 Euro für rein elektrisch betriebene Fahrzeuge und bis zu 3.000 Euro für Plug-in Hybride möglich ist. Dabei erhielten insgesamt 58.116 E-Fahrzeuge mit reinem Batteriebetrieb, 33.347 Plug-in Hybride sowie 35 Brennstoffzellenfahrzeuge eine Förderung. Bei den Anträgen je Hersteller belegt BMW den ersten Platz, gefolgt von Volkswagen und Renault. Dies spiegelt sich ebenso bei den drei meistgeförderten Fahrzeugtypen wider, wo der BMW i3, der Audi A3 und der Volkswagen e-Golf (Modell 2017) hervorstechen. Ferner ist Nordrhein-Westfalen das Bundesland, welches die Spitzenposition bei den gestellten Anträgen mit 24.075 belegt, gefolgt von Bayern mit 17.414

Anträgen und Baden-Württemberg mit 15.565 Anträgen. Der Umweltbonus, den das BMWi beisteuert, beläuft sich auf 2.000 Euro für reine Elektrofahrzeuge und 1.500 Euro für von außen aufladbare Hybride. Um die Förderung zu erhalten, muss das Fahrzeug auf der online einsehbaren Förderliste stehen und Erwerb, Kauf oder Leasing und die Erstzulassung müssen ab dem 18. Mai 2016 erfolgt sein. Zusätzlich muss das Fahrzeug im Inland auf den Antragsteller zugelassen werden (Erstzulassung) sowie mindestens sechs Monate zugelassen bleiben.

MELDUNGEN

Ladesäuleninfrastruktur wächst! (BS/ab) Über 16.100 öffentliche sowie teilöffentliche Ladepunkte für E-Fahrzeuge sind beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) registriert. Hiervon sind zwölf Prozent Schnelllader. Verglichen mit Ende Juli 2018 entspricht dies einem Zuwachs von 20 Prozent bei der Gesamtanzahl, die vorher 13.500 Ladepunkte betrug. Zugleich, so merkt Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEWHauptgeschäftsführung, an: “Die Verbreitung von E-Autos muss schneller vorangehen – sonst wird der Verkehrssektor die Klima-

schutzziele 2030 um Lichtjahre verfehlen. Es fehlen nach wie vor Modelle, die in Preis und Leistung mit Verbrennern konkurrieren können.” Denn momentan würden die Fahrzeuge auf der Straße der ausgebauten Ladeinfrastruktur hinterherhinken, wodurch sich die Ladesäulen “kaum rentieren” würden. Online kann das Ladensäulenregister eingesehen werden. Neben den Meldungen von Energieunternehmen fließen auch die Informationen von Supermärkten, Hotels, Parkhäusern- sowie Parkplätzen und weiteren Akteuren ein.

Grüner Abbiegepfeil für Radfahrer (BS/ab) In den Städten Bamberg, Darmstadt, Düsseldorf, Köln, Leipzig, München, Münster, Reutlingen und Stuttgart werden an ausgewählten Knotenpunkten für einen Pilotversuch grüne Abbiegepfeile für Fahrradfahrer angebracht. Auch wenn die Ampel rot zeigt, soll somit das Rechts- abbiegen erlaubt sein. Für die Verkehrsteilnehmer ändere sich dabei nichts, heißt es seitens der verantwortlichen Bundesanstalt für Straßenwesen. Solange bei dem Rechtsabbiegen kein Teilnehmer gefährdet oder

behindert werde, dürfe rechts abgebogen werden. Neu sei nur, dass das Verkehrszeichen den Zusatz “nur Radverkehr” trage, wobei dies mit einem grünen Pfeil mit Fahrrad auf dem Schild abgebildet sei. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) begrüßt hierbei den Versuch, da der grüne Pfeil den Stellenwert des Radverkehrs aufwerte. Ferner solle damit evaluiert werden, ob diese Abbiegemethode schwere Unfälle durch den toten Winkel von Bussen oder Lkws verhindern könnte.

den bis heute das Marktversagen der Konzerne bei der Abdeckung mit den vorhandenen 4G-Netzen nicht zur Kenntnis genommen haben. Wer sich heute per Bahn oder Kfz im Lande bewegt, weiß über ständige Verbindungsabbrüche. Daran wird deutlich, dass mit Freiwilligkeit kein Erfolg erzielt wird. Der vollflächige Ausbau der benötigen 5G-Funkmasten sei nicht lukrativ und deshalb dürfe es keine Verpflichtung sein. Eine Phrase, die mittlerweile auch Teile der Politik übernommen haben und bei den Windkraftanlagen auch nicht berücksichtigt wurde. Diese schmücken großflächig den ländlichen Raum, aber Funkmasten sind wiederum rar gesät. Jedoch werden alleine in China

täglich 300 Funkmasten im 5GStandard errichtet und in Betrieb genommen, dort notfalls auch gegen den Willen der Anwohner. Auch das Interesse von Finanzminister Olaf Scholz, mindestens einen Versteigerungserlös von 13 Milliarden Euro zu erzielen, dürfte ein Aufweichen der Kriterien begünstigt haben. Wie auf einem Basar werden hier volkswirtschaftliche Interessen verhökert und die Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung dem Gewinnstreben der drei potenziellen Anbieter geopfert. Lobbyisten veröffentlichen in diesen Tagen Studien, nach denen 40 Prozent der Bevölkerung mit den vorhandenen Bandbreiten durchaus zufrieden wären. An dieser Stelle sei ein Zitat von Josef Stalin erlaubt: “Was mein Volk nicht kennt, vermisst es nicht.” Diesen Versuchen, die Zukunftsfähigkeit Deutschlands in der Hochtechnologie zu gefährden, muss mit aller Deutlichkeit entgegengetreten werden. Es wird Zeit, dass sich die Entscheidungsträger auf allen politischen Ebenen die notwendige Sachkunde beschaffen und einschreiten, damit mit aller Kraft wieder gegenüber den anderen EU-Staaten aufgeholt wird.

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MELDUNGEN

Zweifel an regionaler 5G-Frequenz-Vergabe (BS/ab) In den nächsten Wochen möchte die Bundesnetzagentur über die Bereitstellung der regionalen 5G-Frequenzen entscheiden. Es besteht die Befürchtung, dass doch keine Regionalfrequenzen vergeben werden. Dies kritisiert Christian Haase, Bundesvorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV): “Unsere Forderung nach flächendeckendem 5G und Mobilfunkausbau bis in jeden Haushalt,

auf jede Gemeindestraße und bis auf jedes Feld steht weiterhin im Raum. Das heißt, Abdeckung zu 100 Prozent, ohne “Wenn und Aber”. Es gibt nicht nur die großen Mobilfunkanbieter, die in unserem Land die Kompetenz und die Kapazitäten haben, dies zu gewährleisten.” Auch regionale Anbieter wie Stadtwerke könnten dies umsetzen. Hierfür brauche es die regionalen 5G-Frequenzen, um eine flächendeckende Versorgung zu schaffen.

Brückenzustandsbestimmung ohne Eingriffe (BS/iga) Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wollen ein neues Konzept zur Zustandsbestimmung von Brücken entwickeln. Mit dieser Methode sollen kleinste Veränderungen im Brückenbauwerk frühzeitig aufgespürt werden. Dr. Sina Keller, Mathematikerin am Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung des KIT, erläutert die Vorgehensweise des Projekts: “Wenn Fahrzeuge auf

eine Brücke fahren, versetzen sie diese in Schwingung. Diese Bewegungen zeichnen wir mit hochpräzisen Radargeräten auf.” Speziell entwickelte ComputerAlgorithmen analysieren dann die Signale und Abweichungen von der Norm würden dann auf Bausubstanzschäden hinweisen. Das Projekt “ZEBBRA” wird bis 2021 mit 1,5 Mio. Euro vom Bundesforschungsministerium gefördert.


Kommunale Ordnung

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A

Behörden Spiegel / Januar 2019

Schluss mit dem Schönrechnen

ßenverkehr deutschlandweit um jährlich vier Prozent abnehmen, um in zehn Aktionsjahren den angestrebten Rückgang von 40 Prozent zu erreichen. Demzufolge müssten die Getötetenzahlen (BS/Ludwig Laub) Man muss es wohl unter der Rubrik “alternative Fakten” verbuchen, wenn das Bundesverkehrsministerium im Oktober 2015 nach sieben Aktionsjahren um eine sogenannte Halbzeitbilanz des Verkehrssicherheitsgramms 2011 bis 2020 zieht und einen Rückgang der Zahl der Unfalltoten von 16 Prozent 28 Prozent auf 2.627 zurückgevermeldet. Tatsächlich betrug der Rückgang zum damaligen Zeitpunkt nur bescheidene 5,7 Prozent. Die Zahlen-Diskrepanz ergibt sich aus der gangen sein. Tatsächlich starben Tatsache, dass das Ministerium nicht die Ausgangszahlen des Jahres 2010 (3.648 Unfalltote), sondern die Zahlen des Folgejahres 2011 zugrunde im Jahr 2017 auf Deutschlands gelegt hatte, in dem die Getötetenzahl mit 4.009 atypisch hoch ausfiel. Straßen 3.180 Menschen, was einem Rückgang von nur 13 Prostrengungen, die insbesondere entsprechenden Beitrag leisten. zent entspricht. Auffällig ist, dass in den Bereichen FahrzeugsiNaheliegend ist, dass insbeson- mitunter die Länder mit schlechcherheit, Verkehrsinfrastruktur dere die Länder mit besonders ter Ausgangsbasis auch die geund Rettungswesen wesentliche negativer Ausgangsbilanz die ringsten Getöteten-Rückgänge Verbesserungen brachten. Die stärksten Anstrengungen unter- zu verzeichnen haben. Die UnGesetzgebung wurde im Sinne nehmen, um die Opferzahlen zu fallstatistiken für Hamburg und der Verkehrssicherheit weiterentreduzieren, zumal sie gegenüber das Saarland weisen sogar einen wickelt und die Einhaltung der den Ländern mit besserer Ver- Anstieg der Getötetenzahlen aus, Verkehrsregeln durch bessere kehrssicherheitsbilanz auch ein dem jedoch – angesichts des stagrößeres Verbesserungspotenzial tistisch kleinen Zahlenkollektivs Überwachungstechnik und wirk– nur eine geringe Aussagekraft samere Überwachungsmethoden aufweisen. optimiert. Eine diesbezügliche Bewer- zukommt. Seit den 1990er-Jahren bestimtung der Getötetenzahlen des Um dem Ziel einer ReduktiBasisjahres 2010 durch direkten on der Anzahl der Getöteten im men zunehmend europäische Einflüsse die nationale VerkehrsLändervergleich ist allerdings Straßenverkehr um 40 Prozent nicht möglich. Insbesondere ein bis 2020 in den verbleibenden sicherheitsarbeit. Nennenswert sind hierbei insbesondere der Der Rückgang der Zahl der Verkehrstoten in Deutschland ist schwächer als Vergleich zwischen Stadt- und zwei Jahren wenigstens naheFlächenstaaten scheidet schon zu kommen, müssen aus dem sogenannte “Gerondeau-Be- vom Bundesverkehrsministerium behauptet. richt” (1991), der erfolgreiche Foto: BS/Andreas Trojak, CC BY 2.0, flickr.com deshalb aus, weil die Verkehrs- Maßnahmenpaket, das bereits infrastruktur, das Angebot an vom Wissenschaftlichen Beirat Unfallbekämpfungs-Strategien aus anderen Ländern als “Best- Verkehrssicherheit bekennt sich eine Halbierung der Zahl der öffentlichen Verkehrsmitteln, die beschrieben wurde, diejenigen Practice-Empfehlungen” zusam- die Europäische Kommission zur Unfalltoten im Straßenverkehr Verkehrsmittelwahl, das Freizeit- Schritte deutlich intensiviert menfasste, und das 3. EU-Akti- Verkehrssicherheitsphilosophie bis 2020 an. angebot sowie die Entfernungen werden, die schnellst- und Demgegenüber sieht das deut- zu den verschiedenen Zielorten größtmögliche Wirkung erwaronsprogramm, das erstmals die “Vision Zero”: einer Senkung der Halbierung der Getötetenzahlen Zahl der Unfalltoten im Stra- sche nationale Verkehrssicher- völlig verschieden sind. Je länd- ten lassen. Das können nur im Straßenverkehr innerhalb der ßenverkehr bis 2050 auf nahe heitsprogramm 2011 “nur” eine licher die Struktur, desto höher Maßnahmen sein, die auf den Verkehrsteilnehmer und die VerEuropäischen Union im Zeit- null. Als Zwischenziel strebt sie Reduktion der Getötetenzahlen sind die Getötetenzahlen. kehrsinfrastruktur raum von 2001 bis 2010 zum innerhalb der derzeit noch 28 von 40 Prozent bis 2020 vor. abzielen, weil sich Ziel hatte. In ihren Leitlinien Mitgliedsstaaten auf Basis der Das gegenüber der europäischen fahrzeugtechnifür die Politik im Bereich der Getötetenbilanz von 2010 erneut Zielsetzung geringere deutsche sche VerbesseReduktionsziel lässt sich zwar rungen nicht so damit begründen, dass Deutschland mit seinem relativ hohen Polizeidirektor Ludwig Laub schnell auswirken. Verkehrssicherheitsniveau weigehört der Kommission VerDazu gehören kehr der Deutschen Polizei- u n t e r a n d e r e m tere Verbesserungen nur mit Unfallbekämpfung beruht auf drei verschiedenen Säulen gewerkschaft (DPolG) an. die Stärkung poerheblich größerem Aufwand lizeilicher Anhal(BS/mfe) Um Unfälle im Straßenverkehr effektiv verhindern zu können, müssen Verkehrsprävention, Verkehrs- erreichen kann, als dies bei LänFoto: BS/privat tekontrollen, die überwachung und Verkehrssicherheitsarbeit eng ineinander greifen. Ansonsten werde sichere Mobilität von dern mit schlechter VerkehrssiEinführung von den Bürgern nicht mehr als selbstverständlich betrachtet. Das könne dann zu massiven Problemen führen. cherheitsbilanz der Fall ist. generellen TemAndererseits hat der WissenWeil der Zusammenhang zwi- polimits auf Autobahnen und Darauf machte Dr. Walter EichenEinen anderen Punkt bemängel- toten und jährlich kämen auf schaftliche Beirat beim Bundorf aufmerksam. Der Präsident te Carmen Scholze. Die Referen- deutschen Autobahnen 400 Men- desverkehrsministerium bereits schen siedlungsstrukturellen Landstraßen sowie das Beseitiim Jahr 2010 ein Gesamtkon- Gegebenheiten und der Anzahl gen von Unfallhäufungsstellen des Deutschen Verkehrssicher- tin für den verkehrspolizeilichen schen ums Leben. Einen vielversprechenden An- zept vorgelegt, mit dem eine tödlicher Verkehrsunfälle wis- und -strecken, an denen sich heitsrates verlangte eine gezielte Einsatz im niedersächsischen Verstärkung der Verkehrsüber- Landespolizeipräsidium wies da- satz verfolgt diesbezüglich der Halbierung der Anzahl der im senschaftlich feststeht, empfiehlt vorwiegend schwere Personenwachung. Außerdem brauche es rauf hin, dass die Unfallursache Landkreis Heidekreis. Dort fließt Straßenverkehr Getöteten bis sich ein Länderranking, das die schadensunfälle ereignen, durch in diesem Bereich mehr Transpa- “Ablenkung” bisher noch nicht ein Teil der aus der Verfolgung 2020 durchaus möglich wäre. Getötetenbelastung mit der Be- infrastrukturelle Maßnahmen. renz sowie einen technischen und statistisch erfasst werde, da es und Ahndung von Verkehrsord- Die in dieser Expertise vorge- völkerungsdichte in Beziehung digitalen Fortschritt. So sollte es auch noch an einer einheitlichen nungswidrigkeiten erhaltenen schlagenen und allesamt wis- setzt. Das höchste VerbesseVerkehrssicherheitsarbeit ist seines Erachtens einen Modell- polizeilichen Definition des Be- Bußgelder mittel- und zielge- senschaftlich begründeten 40 rungspotenzial ist dort zu vermu- auch Thema eines Fachforums versuch der sogenannten “Sec- griffs “Ablenkung” mangele. Aus richtet in die Verkehrssicher- Einzelmaßnahmen wurden im ten, wo die Getötetenbelastung auf dem Europäischen PolizeiNationalen Verkehrssicherheits- pro einer Million Einwohner eine kongress des Behörden Spiegel tion Control” geben. Denn: Diese diesem Grunde nähere man sich heitsarbeit. Hierzu gebe es sogar einen programm aber nur teilweise höhere Rangposition aufweist, am 19. und 20. Februar in Berlin. abschnittsweise Messung der der Problematik momentan noch Durchschnittsgeschwindigkeit über die Ursache “Abstand” an. entsprechenden Ratsbeschluss, übernommen. Das nationale als es der an der Bevölkerungs- Weitere aktuelle Informationen von Fahrzeugen erhöhe die Ver- Hier bestehe jedoch Änderungs- berichtete Marion Dransfeld, Reduktionsziel der Anzahl der dichte orientierten Rangposition zum Programm der Veranstalkehrssicherheit deutlich. Zudem bedarf, so Scholze. Fachgruppenleiterin für Ver- Getöteten im Straßenverkehr des jeweiligen Landes entspricht. tung finden Sie im Internet unter: Ebenfalls Reformbedarf sah kehrsüberwachung aus dem nie- ist natürlich nur erreichbar, Rein rechnerisch müsste die www.europaeischer-polizeikonunterstrich Eichendorf: “Nur eine engagierte Verkehrssicherheits- Stefan Pfeiffer, Leiter der Ver- dersächsischen Landkreis. Auf wenn die Bundesländer ihren Anzahl der Getöteten im Stra- gress.de/ arbeit hilft, die Anzahl der Getö- kehrspolizeiinspektion Feucht in dessen Grundlage bezahle man teten zu senken.” Hier appellierte Bayern. Er verlangte, die Höhe aus diesen Mitteln Autofahrern er auch an die Bundesregierung. der Geldbußen bei Verkehrsver- zwischen 18 und 24 Jahren einen Schließlich habe sich diese der stößen hierzulande zu erhöhen Gutschein für ein Fahrsicher“Vision Zero” verpflichtet. Diesem und an das Niveau der Nachbar- heitstraining. Entsprechende Technik darf aber nicht zu viel Verantwortung übertragen werden Leitbild zufolge sollte es keine länder anzugleichen. Schließlich Gutscheine für Motorradfahrer Toten und Schwerverletzten mehr gebe es in der Bundesrepublik würden sogar unabhängig vom (BS/mfe) Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, Steffen Bilger (CDU), ist überim Straßenverkehr geben. alle 2,8 Stunden einen Verkehrs- Alter ausgegeben, so Dransfeld. zeugt, dass automatisiertes Fahren von entscheidender Bedeutung für die Mobilität der Zukunft ist. Sowohl in ußerdem bezog sich die “angebliche Halbzeitbilanz” lediglich auf drei Aktionsjahre (2012 bis 2014), nicht auf fünf Jahre, wie es für eine Halbzeitbilanz eines Zehn-Jahres-Programms eigentlich erforderlich wäre. Gleichwohl war der Zeitpunkt aus Sicht des Ministeriums wahrscheinlich gut gewählt, weil im Oktober 2015 bereits absehbar war, dass sich die Zahl der Unfalltoten bis Jahrsende wieder erhöhen und die tatsächliche Bilanz dann noch schlechter ausfallen würde. Leider hat sich diese beschönigende Berichterstattung des Bundesverkehrsministeriums auch im vergangenen Jahr mit der neuerlichen Meldung eines Rückgangs der Getötetenzahl um 20 Prozent (anstelle korrekter knapp 13 Prozent) insofern fortgesetzt, als wiederum auf das falsche Bezugsjahr 2011 abgestellt und der Zeitpunkt erneut gut gewählt wurde, denn für 2018 wird abermals ein Anstieg der Getöteten erwartet. Seriöse Berichterstattung sieht anders aus. Gemessen am negativen Höchststand von 21.332 Todesopfern, die im Jahr 1970 auf Deutschlands Straßen starben, hat sich die Zahl der jährlich zu beklagenden Unfalltoten bis zum Jahr 2017 um 85 Prozent auf 3.180 verringert. Und das, obwohl sich das Verkehrsaufkommen seither verdreifacht hat. Ausschlaggebend für diesen Rückgang waren gesamtgesellschaftliche An-

Rückgang der Verkehrstoten nicht so stark wie behauptet

Verschiedene Maßnahmen erforderlich

Automatisiertes Fahren mit großem Potenzial

Handlungsspielraum ausgenutzt Wiesbaden setzt neue Rechtssetzungsbefugnis um (BS/mfe/iga) Als erste Stadt in Hessen hat Wiesbaden von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eigenständig Waffenverbotszonen auszuweisen und zu kontrollieren. Diese Befugnis war erst kürzlich vom Innenministerium an die Städte übertragen worden. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten. Die Stadtverordnetenversammlung hat eine entsprechende Vorlage von Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) und Bürgermeister Dr. Oliver Franz (CDU) angenommen. Konkret benannt wird das betroffene Gebiet in einer Gefahrenabwehrverordnung. Zuvor hatten bereits die Mitglieder mehrerer Ortsbeiräte für eine solche Maßnahme gestimmt. Gerich kündigte eine Evaluation des Projektes nach drei Jahren an. Gelten soll das Verbot, das sich sowohl auf Waffen im Sinne des Waffengesetzes als auch auf Messer jeglicher Art und andere gefährliche Gegenstände bezieht, zeitlich begrenzt: von 21 bis fünf Uhr des Folgetages. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) zeigte sich überzeugt, dass man mit dem Verbot von Waffen an bestimmten

öffentlichen Plätzen in Hessen für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum sorgen könne. Waffenverbotszonen seien ein weiteres nützliches Instrument im Werkzeugkoffer der Ordnungs- und Sicherheitsbehörden. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass die Verantwortungsträger in den Kommunen den Kontrolldruck durch eine starke Präsenz der Ordnungsbehörden gemeinsam mit der Landespolizei sicherstellten, so der Ressortchef. Auch in Leipzig gibt es seit Kurzem eine Waffenverbotszone. Im Unterschied zu Wiesbaden wurde die Untersagung dort allerdings durch das Innenministerium und nicht durch die Stadt selbst ausgesprochen. Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) sagte: “Die Waffenverbotszone ist der Versuch, die

öffentliche Sicherheit rund um die Eisenbahnstraße zu verbessern und das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger zu stärken.” Die Bundespolizei wiederum überwacht Waffenverbote sowie das Mitführen anderer gefährlicher Gegenstände immer wieder zeitlich begrenzt auf bestimmten Streckenabschnitten des Bahnverkehrs. Hierfür greift sie auf Allgemeinverfügungen zurück. Die Maßnahmen zeigen bundesweit großen Erfolg. Im Vergleich zu Waffenverbotszonen deutlich schwieriger rechtlich durchzusetzen sind Alkoholverbotszonen. Diese werden von Gerichten oftmals als unverhältnismäßig eingestuft. Begründung: Nur weil eine Person betrunken sei, gehe von ihr nicht zwangsläufig eine Gefahr für andere aus.

Städten als auch in ländlichen Regionen habe die Technik große Potenziale. Um diese ausnutzen zu können, wolle die Bundesregierung optimale Bedingungen schaffen. Derzeit fördere das Bundesverkehrsministerium in diesem Bereich 40 Projekte mit einer Summe von 100 Millionen Euro, so Bilger. Der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Dr. Wolfgang Weiler, plädierte beim automatisierten Fahren für eine klare Aufgabenteilung zwischen Fahrer und Technik beziehungsweise zwischen Mensch und Maschine. Er verlangte: “Für den Fahrer eines automatisierten Autos muss jederzeit erkennbar sein, was sein Auto leistet und in welchem Maß sich der Fahrer anderen Dingen widmen darf.” Dafür seien verbindliche Standards erforderlich – und zwar bevor die Systeme tatsächlich eingeführt würden. Denn, so Weiler: “Es dürfen nur automatisierte Fahrzeuge auf die Straße, die absolut sicher sind.” Zudem forderte der GDV-Präsident, dass die automatisierten Systeme so ausgereift sein müssten, “dass der Fahrer nur noch selten eingreifen muss, er in solchen Fällen genug Zeit für eine Reaktion hat und das Auto auch ohne Hilfe des Fahrers sicher zum Stehen kommt.” Jedes

automatisierte System müsse mindestens so sicher fahren wie ein Mensch, verlangte Weiler. Solange jedoch noch Sensoren bereits durch schlechtes Wetter außer Gefecht gesetzt werden könnten, dürfe die Technik dem Fahrzeugführer die Fahraufgabe nicht abnehmen.

Technik wird übernehmen Dies werde über kurz oder lang – auch wenn es in diesem Bereich bisher nur Demonstrations- und Leuchtturmprojekte gebe – aber der Fall sein, zeigte sich Marko Gustke vom Verband der Automobilindustrie (VDA) überzeugt. Er prognostizierte: “Der Weg zum autonomen Fahren führt über das assistierte und automatisierte Fahren.” Zudem verlangte Gustke, die Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren weltweit zu synchronisieren. Mit Blick auf die Zukunft meinte der VDAVertreter, dass automatisiertes Fahren bei Staus auf Autobahnen bereits im kommenden Jahr

denkbar sei. Fahrerloses Fahren auf Autobahnen werde es jedoch voraussichtlich frühestens 2022 geben, eine entsprechende Fortbewegung in Innenstädten noch später.

KI nicht humanisieren In diesem Zusammenhang warnte der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio vor einer Humanisierung Künstlicher Intelligenz (KI). Schließlich stehe, auch wenn “uns die KI überall begleiten” werde, der Mensch und nicht die Maschine im Mittelpunkt der deutschen Rechtsordnung. Aus diesem Grunde dürfe KI keine Entscheidungen über Leben und Tod treffen. Auch sei eine Unterscheidung von Personen durch KI-Systeme nach persönlichen Merkmalen ethisch nicht vertretbar. Insbesondere im Kontext von Digitalisierung und Automatisierung sei das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von besonderer Bedeutung, so di Fabio.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Januar 2019

Erste Sitzung in Potsdam

KNAPP

Paritätisch besetzter IT-Rat des Landes Brandenburg nimmt Arbeit auf (BS/Guido Gehrt) Der IT-Rat des Landes Brandenburg ist einen Monat nach Inkrafttreten des brandenburgischen E-Government-Gesetzes in Potsdam zu seiner ersten Sitzung zusammengekommen. Der neu gebildete Rat steuert die informations­technische Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen und ist paritätisch mit Vertretern der Landesregierung und der kommunalen Spitzenverbände besetzt. Der Brandenburgische IT-Dienstleister nimmt beratend an den Sitzungen teil. Den Vorsitz des nach dem Konsensprinzip entscheidenden Gremiums führt die IT-Beauftragte des Landes, Innenstaatssekretärin Katrin Lange. Für die Staatssekretärin ist klar: “Die Digitalisierung der Verwaltung soll und muss zu einer besseren und bürgerfreundlicheren Verwaltung führen. Sonst hätte sie ihr Ziel verfehlt”, so Lange. Man wolle alles tun, um dieses Ziel gemeinsam zu erreichen. Die paritätische Besetzung des Rates mit Vertretern des Landes und der Kommunen sei bundesweit einmalig und genau der richtige Weg, so Lange weiter. “Denn keiner schafft es allein; nur gemeinsam lässt sich die ziemlich große Herausforderung stemmen. Außerdem ist es ein klares und gewolltes Zeichen des Landes, die bestmögliche Zusammenarbeit mit den Kommunen, die sich schon mit der Arbeitsgruppe zur Stärkung der Kommunen ausgezeichnet bewährt hatte, konsequent fortzusetzen.” Denn die Kommunen wüssten oft am besten, wo die Bürger wirklich der Schuh drücke. “So werden praktische Ergebnisse, die zu echten Erleichterungen führen, am ehesten möglich sein. Im ITRat werden wir uns unter anderem zu Fragen einer gemeinsam nutzbaren IT-Infrastruktur, zu gemeinsamen Projekten für die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen sowie zu IT-Sicherheitsfragen verständigen”, führte Lange aus. Staatssekretär Thomas Kralins­ ki, der in der Landesregierung auch die Rolle des Digitalkoordinators innehat, sieht den Start des IT-Rates als wichtigen Baustein zur Umsetzung der zuvor vom Kabinett verabschiedeten Digitalisierungsstrategie. “Der IT-Rat wird für Bürger und Wirtschaft besonders wichtige Entscheidungen zur Digitalisierung treffen und begleiten. Dabei geht es auch um ganz lebenspraktische Fragen wie die Online-

Land und Kommunen wollen zukünftig eng im neu geschaffenen IT-Rat des Landes Brandenburg zusammenarbeiten, um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ebenenübergreifend voranzutreiben. Illustration: BS/B.Dach unter Verwendung von © Coloures_pic, stock.adobe.com

Abwicklung von Genehmigungen und Anträgen”, so Kralinski. Mit der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen würden Lebensund Arbeitsbedingungen auf dem Land einfacher. Mancher Gang aufs Amt werde nicht mehr nötig sein, einfach weil man das Anliegen vom Tablet zu Hause oder vom Büro aus erledigen könne. “Zug um Zug sollen alle Verwaltungsprozesse, die Bevölkerung und Wirtschaft direkt betreffen, digital abgewickelt werden können”, erklärte der Staatssekretär. Daniela Trochowski, Staatssekretärin im Finanzministerium, unterstrich die koordinierenden Aufgaben des IT-Rates zur Umsetzung des E-Government- und Digitalisierungs­p rozesses des Landes. “Ich erhoffe mir hier eine professionelle Zusammenarbeit, die zu gemeinsam getragenen Lösungen führt, die diesen Prozess beschleunigen. Dabei wird

ein Augenmerk von mir auch auf der Sicherstellung der sachgerechten und wirtschaftlichen Verwendung des zur Verfügung stehenden Budgets für anstehende Projekte liegen”, versicherte die Finanzexpertin. Wirtschaftsstaatssekretär Hendrik Fischer nahm in seiner Bewertung naturgemäß die Schnittstellen zwischen der öffentlichen Verwaltung und den Unternehmen in den Blick: “E-Government soll und muss auch die nötigen Abstimmungsprozesse zwischen der Verwaltung und der mittelständisch geprägten Wirtschaft im Land Brandenburg erleichtern. Das ist dringend nötig und entlastet auch unsere Unternehmerinnen und Unternehmer. Dafür will ich mich im IT-Rat einsetzen. In seiner Zusammensetzung und Kompetenz kann der IT-Rat die notwendigen Weichen stellen,

den Digitalisierungs­p rozess wirtschaftsorientierter Verwaltungsprozesse zu befördern”, so Fischer. Neben vier Landesvertretern aus der Staatskanzlei, dem Innen-, Finanz- und Wirtschafts­ ministerium wirken vier kommunale Vertreter aus dem Städte- und Gemeindebund und dem Landkreistag mit. Jens Graf, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, kommentierte: “Neu ist die Institutionalisierung der Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen auf Augenhöhe. Dazu wurde der IT-Rat des Landes im E-Government-Gesetz vorgesehen, der Beschlüsse nur einstimmig fassen kann”, erklärte Graf. Viele der anstehenden Herausforderungen könnten nur gemeinsam gemeistert werden. “Die zügige Bereitstellung der IT-Basiskomponenten für unsere

Kommunen bildet die Grundlage dafür, dass immer mehr Verwaltungs­leistungen auch auf der kommunalen Ebene online für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen zur Verfügung gestellt werden können”, führte er aus. Das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Landkreistages Brandenburg, Dr. PaulPeter Humpert, forderte: “Land und Landkreise müssen bei der Digitalisierung noch enger zusammenrücken, die Weichen werden dafür künftig im IT-Rat gestellt. Die Gründung des Gremiums war eine Kernforderung der Landkreise zum neuen EGovernment-Gesetz und wird daher nachdrücklich begrüßt.” Besonders wichtig seien gemeinsame Infrastrukturen und Standards, damit in Brandenburg eine leistungsfähige, effiziente und vor allem nutzerfreundliche elektronische Verwaltung entstehen könne. Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) hat das Innenministerium Brandenburg im Sommer die Federführung für die Digitalisierung von Verfahren im Bereich der Ein- und Auswanderung übernommen (lesen Sie hierzu auch den Gastbeitrag von Staatssekretärin Lange, Behörden Spiegel Dezember 2018, Seite 32). Dazu gehören die elektronische Erstellung von Aufenthaltserlaubnissen, Arbeitsgenehmigungen oder Auszügen aus dem Ausländer­zentralregister, aber auch Einbürgerungstests und Anträge auf Entlassung aus der deutschen Staatsbürgerschaft bei der Auswanderung. Die Verwaltungsdienstleistungen gehören zum OZG-Umsetzungskatalog mit 575 Digitalisierungsvorhaben, die bis 2022 umgesetzt werden sollen.

Digitalisierungsministerium für Hessen (BS/wim) In Hessen haben sich CDU und Grüne nach den im vergangenen Oktober abgehaltenen Landtagswahlen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Neben einer neuen Aufteilung der Ministerien wurde zudem vereinbart, in der neuen Legislaturperiode ein Digitalisierungsministerium einzurichten. Fest steht bisher, dass dieses unter Leitung eines CDU-Ministers stehen wird, weitere Informationen sollen im Laufe des Januar bekanntgegeben werden.

Reallabore für erfolgreiche Digitalisierung (BS/wim) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat eine neue Strategie vorgestellt, mit der die Regulierung für digitale Innovationen in Deutschland anpassungsfähiger werden soll. So sollen zukünftig zeitlich und räumlich begrenzte Reallabore aufgebaut werden, um Innovationen und deren Regulierung in realen Alltagsszenarien analysieren zu können. Zudem sollen durch Experimentierklauseln Freiräume geschaffen werden, um Erfahrungen mit der Regulierung digitaler Technologien und von Geschäftsmodellen sammeln zu können.

Deutsche skeptisch bei Cyber-Abwehr (BS/stb) Eine knappe Mehrheit der Deutschen hält ihr Land für nicht ausreichend auf einen großen Cyber-Angriff vorbereitet. Einen Zugriff auf sicherheitsrelevante Informationen des Staates durch Hacker halten sogar über drei Viertel für wahrscheinlich. Gut zwei Drittel befürchten zudem eine Schädigung öffentlicher Infrastrukturen. Das sind Ergebnisse einer Umfrage der US-amerikanischen Forschungseinrichtung Pew Research Center unter jeweils rund 1.000 Personen in 26 Ländern.


Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Januar 2019

Bei IT-Trends vorne mitspielen

MELDUNG

NRW gibt sich EGovernment-Strategie

NRW-Digitalminister Pinkwart hat große Pläne für sein Land (BS) Nordrhein-Westfalen hat zum Jahresende die bislang unangefochtene Start-up-Hauptstadt Berlin vom Thron gestoßen, plant zusammen mit Bayern ein Netzwerk zur Erforschung Künstlicher Intelligenz und hat kürzlich zudem eine neue E-Government-Strategie verabschiedet. Nach einigen Startschwierigkeiten bei der digitalen Transformation ist das Land auf dem Weg an die nationale Spitze. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erklärt Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart, welche Punkte ihm für die Zukunft wichtig sind und wie sich die Arbeitswelt in NRW entwickeln wird. Die Fragen stellte R. Uwe Proll. Behörden Spiegel: Herr Minister, wie definieren Sie die zentralen Punkte der Digitalisierungsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen?

und agile Unternehmen wirken belebend für die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung. Diese Unternehmen helfen uns dabei, neue Lösungen schneller ausprobieren und nutzbar machen zu können. Gleichzeitig stehen sie auch für einen Kulturwandel auf dem Arbeitsmarkt und neue Anforderungen an Führung und Organisation im 21. Jahrhundert. Schließlich tragen sie zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bei, die wir dringend benötigen, wenn traditionelle Bereiche künftig an Bedeutung verlieren. Durch all diese Faktoren sind die Start-ups integraler Teil der Wirtschaft von morgen und für den Standort Nordrhein-Westfalen eine absolute Bereicherung. Behörden Spiegel: Um “ehemalige” Start-ups geht es aktuell auch bei der Steuerpolitik. Wie stehen Sie zur möglichen Einführung einer Digitalsteuer?

Pinkwart: Für uns steht bei der Digitalisierung nicht die Technik im Vordergrund, sondern der Mensch, der von dieser Technik profitieren soll, indem öffentliche Aufgaben schneller und unkomplizierter erledigt werden können. So lassen sich Behördengänge künftig vom Sofa aus erledigen und Unternehmen erhalten Genehmigungen etwa für den Bau technischer Anlagen auf Basis eines digitalen, jederzeit Der nordrhein-westfälische Minister für Digitalisierung, Prof. Dr. Andreas Pinkwart, will die Menschen des Landes aktiv nachvollziehbaren Verfahrens in die Entwicklung der digitalen Zukunft des Landes miteinbeziehen. Foto: BS/Tobi Giessen deutlich schneller. Dabei dürPinkwart: Schon seit Jahrzehn- lende Prozesse automatisieren Digitalisierung im Vergleich zum fen wir niemanden vergessen. So müssen etwa ältere Bürger ten wird prophezeit, dass uns ir- lassen. Es geht also weniger um Ausland erheblich zurückliegen. die Möglichkeit erhalten, an gendwann die Arbeit ausgeht und den Wegfall menschlicher Ar- Immerhin tragen der gestiegene den aktuellen Entwicklungen die Maschinen alles übernehmen beit, sondern deren gezielteren Erwartungsdruck aus der Öffentteilhaben und durch digitale werden. Aber bisher ist es nicht Einsatz. Durch Umstrukturie- lichkeit sowie zwischenzeitlich geLotsen unterstützt zu werden. so weit gekommen. Stattdessen rung innerhalb der Behörden schaffene gesetzliche Vorgaben zu Zudem geht es mir um mehr haben wir so viele Jobs im Land müssen wir daran arbeiten, ein einer Erhöhung Offenheit und Transparenz bei wie selten zuvor und kämpfen besserer Dienstleister für Bürger des DigitalisiePinkwart: Ich “Ich finde es richtig, der Digitalisierung: Um eine gegen zunehmenden Fachkräf- und Unternehmen zu werden, rungstempos finde es richdass global agierende tig, dass glohohe Akzeptanz zu erreichen, temangel. Diesen haben wir und gleichzeitig auch gute Ideen bei. Konzerne einen angehaben wir schon die Erstellung nicht nur in der Wirtschaft, entwickeln, wie die Verwaltung bal agierende der Digitalstrategie so angelegt, sondern genauso in der Verwal- als Arbeitgeber attraktiv für junge Behörden messenen steuerlichen Konzerne einen dass sich die Menschen in Nord- tung. Und das Ganze wird sich Leute bleiben kann. angemessenen Spiegel: NordBeitrag leisten.” steuerlichen rhein-Westfalen rhein-West aktiv daran beteiligen in Zukunft aufgrund unserer Behörden Spiegel: Sie sind entwickelt sich Beitrag leisten, konnten. Mehrere tausend Vor- Demografie tendenziell eher noch schläge und Anregungen haben verschärfen. Damit der Fach- Digitalisierungsminister im be- für Start-ups mehr und mehr dies gilt auch für die Digitalwirtk r ä f t e m a n - völkerungsreichsten Bundesland zu einem Hotspot, vor Kurzem schaft. Sonst ist das nicht fair den uns in den letzgel künftiges der Republik. Wie arbeiten Sie konnte das Land bereits Berlin anderen Unternehmen gegenten Monaten “Als mit Abstand Wachstum in mit einer Bundesregierung zu- als Nummer eins für junge digi- über. Europäische Unternehmen erreicht und bevölkerungsreichstes der Wirtschaft sammen, bei der die Fragen zur tale Gründungen ablösen. Wie und neue Start-ups haben nur fließen in die finale Fassung Bundesland haben wir nicht abwürgt Digitalisierung auf so viele Köpfe passen die Unternehmen in die dann eine Chance im Wettbewerb Wirtschaftswelt von NRW? unserer Strateund die hohe und Häuser verteilt ist? mit den großen Digitalkonzernen den Anspruch, bei neuen Bearbeitungsgie mit ein. aus den USA und Asien, wenn Trends künftig vorne Pinkwart: Vor einiger Zeit lagen diese in angemessener Weise an Pinkwart: Das ist in der Tat kein und Service qualität in der einfaches Unterfangen. Durch wir bei vielen digitalen Themen der Bereitstellung der erforderliBehörden mitzuspielen.” ö f f e n t l i c h e n die verteilten Kompetenzen gibt noch deutlich zurück, daher freu- chen Infrastruktur und RessourSpiegel: Der Verwaltung ge- es viele Ansprechpartner. Hinzu en wir uns natürlich sehr, dass cen mitwirken. Allerdings muss Mensch soll also im Mittelpunkt stehen. Was fährdet, müssen wir die Chan- kommt der Abstimmungsbedarf wir nun aufholen. Als mit Abstand so eine Steuer gesamteuropäisch sagen Sie denn den Verwaltungs- cen der Digitalisierung nutzen, auf der Ebene der sechzehn Län- bevölkerungsreichstes Bundes- erarbeitet und umgesetzt werden, mitarbeitern, die Angst davor um unsere Kräfte auf wichtige der untereinander und mit dem land haben wir den Anspruch, bei anders ist das nicht realisierhaben, dass ihre Arbeitsplätze Aufgaben mit hoher Komplexi- Bund sowie mit der kommunalen neuen Trends künftig vorne mit- bar. Dabei müssen Nachteile für in der Zukunft von Robotern oder tät und persönlicher Beratung Familie. Dies alles macht es nicht zuspielen. Daher ist es gut, dass deutsche Unternehmen und den Künstlicher Intelligenz übernom- zu konzentrieren, während sich einfach und ist sicherlich mit ein wir auch bei den digitalen Start- Wirtschaftsstandort Deutschland men werden könnten? einfache und ständig wiederho- Grund dafür, warum wir bei der ups kräftig zulegen, denn junge vermieden werden.

D

ie Verordnung (EU) 2018/1724 über die Einrichtung eines zentralen digitalen Zugangstors zu Informationen, Verfahren, Hilfs- und Problemlösungsdiensten und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 wurde am 21.11.2018 veröffentlicht. Die Verordnung über das zentrale Zugangstor (SDG) ist Teil des “Compliance-Pakets”, das es Bürgern und Unternehmen erleichtern soll, ihre Pflichten gegenüber den Behörden und Verwaltungen in ihrem Heimatland oder in einem anderen EULand online zu erledigen. Die Schaffung des Gateways steht im Einklang mit der digitalen Binnenmarktstrategie der Europäischen Union und dem Aktionsplan für E-Government 2016 –2020. Es wird den Weg bereiten zu umfassenden Informationen, Online-Verwaltungsverfahren und Servicedienstleistungen. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, werden die bestehenden europäischen Portale, Netzwerke, Dienste und Systeme erweitert und in das Internet-Portal “Your Europe” integriert. Das Gateway wird einen Zugang zu einer breiten Palette von Informationen und Dienstleistungen bieten. Die Schwerpunkte werden auf verschiedene Lebensbereiche wie Arbeit, Bildung, Reisen, Ruhestand, Gesundheitsversorgung, Verbraucherrechte und Familienrechte gelegt. Die Mitgliedsstaaten und EWR-Länder

Digitales Zugangstor und das Projekt TOOP Verwaltungsaufwand und Kosten senken durch einmalige Datenhaltung (BS/Prof. Dr. Dr. Robert Krimmer/Carsten Schmidt/Anett Schliebner/Hans Graux*) Im Dezember 2018 trat die Single-Digital-Gateway-(SDG)Verordnung der Europäischen Union in Kraft. Damit ist auch Deutschland verpflichtet, bis 2023 insgesamt mehr als 20 Verwaltungsverfahren über digitale Schnittstellen für alle EU-Bürger zugänglich zu machen. müssen mindestens 21 wichtige Verwaltungsverfahren vollständig online über eine sichere und zentrale nationale Plattform anbieten. Dies bedeutet, dass die Nutzer in allen Phasen des Prozesses, von der Antragstellung bis zur abschließenden Erledigung, online mit den öffentlichen Verwaltungen interagieren können. Nach Angaben der Europäischen Kommission könnten diese Maßnahmen den EU-Bürgern helfen, jährlich bis zu 855.000 Stunden ihrer Zeit einzusparen und die Kosten der Unternehmen könnten jährlich um mehr als elf Milliarden Euro gesenkt werden. Gleichzeitig werden diskriminierende Hindernisse beseitigt, indem sicherstellt wird, dass alle derzeit online verfügbaren Verfahren auch für Nutzer aus anderen Mitgliedsstaaten und EWR-Ländern zugänglich sind. Für diese Verfahren gewährleistet die SDG-Verordnung die Anwendung des “Once OnlyPrinzips” (OOP), sodass der bürokratische Aufwand für Bürger und Unternehmen, die ihre Binnenmarktrechte wahrnehmen, auf ein Minimum beschränkt ist. Zu diesem Zweck werden Daten, die von Bürgern oder

Grafik: BS/Europäische Union

Grafik: BS/TOOP

Unternehmen einmal an einen EU-Mitgliedsstaat übermittelt wurden, von den öffentlichen Verwaltungen wiederverwendet. Hierbei ist seitens der Beteiligten sicherzustellen, dass die Datenschutzbestimmungen der Datenschutzgrundverordnung uneingeschränkt beachtet werden. Außerdem wird im Rahmen dieses automatisierten Austauschs von Nachweisen zwischen den zuständigen Behörden in den verschiedenen Ländern ein sicheres und geschütztes technisches System eingerichtet. Artikel 14 der Verordnung definiert die grundlegenden Anforderungen an das System. Das unter Leitung Estlands stehende EU-Projekt TOOP, an dem sich auch Deutschland aktiv beteiligt, bietet im Rahmen der im Juli 2018 gestarteten Pilotphase die Möglichkeit, die Anforderungen der Verordnung unter Echtbe-

triebsbedingungen und unter Nutzung der TOOP-Infrastruktur zu testen. Deutschland testet die Umsetzung des Once Only-Prinzips im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens. Außerdem ist die EU-Kommission gehalten, im Rahmen von Durchführungsrechtsakten Regeln für die Interoperabilität festzulegen, einerseits um die Sicherheit des Systems sowie Auffindbarkeit von Informationen zu verbessern und andererseits für die Erfassung sowie den Austausch von Nutzersta-

tistiken und Feedback, die zur Bewertung und Verbesserung des Gateways beitragen. In all diesen Punkten kann das TOOPProjekt Ergebnisse aus der Pilotierung zur Verfügung stellen und auf diese Art zu einer Optimierung der Durchführungsrechtsakte beitragen. Daneben kann TOOP Hilfestellung leisten, um die Interoperabilität, auch aus semantischer Sicht, und die Wiederverwendung bestehender technischer Bausteine und Normen sicherzustellen. Hierdurch wird zum einen gewährleistet,

Das TOOP-Projekt (BS) The-Once-Only-Principle(TOOP) Projekt ist ein von der Europäischen Union finanziertes Forschungsprojekt im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogrammes Horizon 2020. Das Projekt nahm im Januar 2017 die Arbeit auf und forscht noch bis Juni 2019 an der Machbarkeit

des Once-Only-Prinzips, indem eine generische IT-Architektur für die grenzüberschreitende Interoperabilität verschiedenster Register und Systeme entwickelt wird. Mehr Informationen unter www. toop.eu

(BS/wim) Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat Ende Dezember eine E-Government-Strategie verabschiedet und einige organisatorische Neuordnungen im Bereich der Verwaltungsmodernisierung beschlossen. Die Strategie soll zu einer Novellierung des E-Government-Gesetzes führen, welches den Abschluss der Digitalisierungsbemühungen bis 2025 festlegen und den Geltungsbereich des Gesetzes ausweiten soll. Grundsätzlich sollen mit einer Beschleunigung der internen und externen Digitalisierung das Dienstleistungsangebot für Bürger verbessert sowie attraktive Arbeitsplätze für Mitarbeiter geboten werden. Um diese Ziele zu erreichen, brauche es Vereinfachungen und Standardisierungen in den behördlichen Prozessen, denen mit den neuen Beschlüssen der Weg geebnet werden soll. Durch eine zentrale Programmsteuerung und eine einheitliche IT-Infrastruktur sollen die rund 120.000 Mitarbeiter in den Ministerien und Landesbehörden die Möglichkeit erhalten, die Angebote und Vorgänge für Bürger und Unternehmen nicht nur auf digitalem Wege anzubieten, sondern ebenso von Anfang bis Ende digital zu bearbeiten. Für Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart sind die neuen Strukturen sowie die Strategie “ein Durchbruch: NordrheinWestfalen ist mit seinen Behörden wie viele andere öffentliche Verwaltungen in Deutschland spät gestartet. Jetzt aber nimmt das Land richtig Fahrt auf und wir setzen uns ehrgeizige Ziele, um in Deutschland Schrittmacher zu sein.” Man wolle die Digitalisierung nun schnell und entschlossen angehen: “Entgegen bisheriger Planung wollen wir die Landesverwaltung mit allen nachgeordneten Behörden bereits bis 2025 und nicht erst im Jahre 2031 vollständig digitalisieren.” Dafür sei bis zum Zieljahr 2025 ein Betrag in mindestens dreistelliger Millionenhöhe vonnöten.

dass technische Lösungen, die im europäischen Kontext bereits im Einsatz sind, verwendet werden und hierdurch zusätzliche Kosten vermieden werden können, zum anderen werden hiermit die rechtzeitige Bereitstellung, erheblich vor Ablauf der Umsetzungsfrist, und die Konformität mit den datenschutzrechtlichen Anforderungen ermöglicht. TOOP und die SDG-Verordnung schaffen somit die Grundlage für die Infrastruktur, die zur Umsetzung des Once-Only-Prinzips erforderlich ist und für den Informationsaustausch zwischen öffentlichen Verwaltungen. Sie ermöglichen den öffentlichen Verwaltungen den Weg zu einer stärkeren Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen bei gleichzeitiger Steigerung der Effizienz und der Möglichkeit der freiwilligen Ausweitung auf zusätzliche Bereiche. Deutschland muss bei der Umsetzung von Onlinezugangsgesetz (OZG) und Portalverbund die Handbremse lösen, um bis 2023 eine Lösung anbieten zu können, die europaweit anwendbar ist. *Prof. Dr. Dr. Robert Krimmer ist Professor für E-Government an der Technischen Universität Tallinn, Carsten Schmidt ist Sustainability Manager im DigiGovLab an der Technischen Universität Tallinn, Anett Schliebner arbeitet im Bundesverwaltungsamt für das TOOP und Hans Graux arbeitet als Rechtsanwalt für Time.Lex.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Januar 2019

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Land hat Zukunft. Digital. 7. Fachkongress des IT-Planungsrates 2019 in Lübeck

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

(BS/Jan Philipp Albrecht) Einmal im Jahr treffen sich Vertreterinnen und Vertreter des Bundes, der Länder und der Kommunen, um die politischen und strategischen Themen der Informationstechnik und des E-Governments zu diskutieren und Praxiserfahrungen auszutauschen. Den Rahmen dafür bietet der Fachkongress des IT-Planungsrates. Ich freue mich, dass eine solch wichtige Dialogveranstaltung im Bereich der Digitalisierung zu uns in den echten Norden kommt.

Stillstand als Rückschritt Zufriedenheit mit den digitalen Verwaltungsangeboten in Österreich (BS/Roland Dathe*) Können Sie sich noch an Ihr erstes Smartphone erinnern? Vor mittlerweile über zehn Jahren kamen die ersten Geräte in den Handel und starteten ihren Siegeszug über die damals schon sehr weit verbreiteten Handys. Nicht nur brachten sie einen unkomplizierten Zugriff aufs Internet – und damit einhergehend neue Funktionen – mit sich, sie waren vor allem intuitiver zu nutzen und in ihrer gesamten Handhabung damals revolutionär. Wenn Sie einmal zurückdenken, kamen Sie vermutlich damals mit Ihrem klassischen Handy gut zurecht und waren zufrieden. Immerhin entsprach es ja dem aktuellen Stand der Technik und dem Zeitgeist. Würde Ihnen nun aber jemand ein solches Handy verkaufen wollen (oder vielleicht auch ein Smartphone von vor sieben, acht Jahren), würden Sie vermutlich dankend ablehnen. Diese großen technischen Sprünge zeigen uns, wie schnell Technik und auch Nutzungsverhalten sich ändern und damit die Notwendigkeit der Weiterentwicklung – nicht nur bei der Hardware, sondern auch bei der Handhabung und für Dienstleistungen. Das gilt für alle Bereiche und damit selbstverständlich auch für digitale Verwaltungsangebote. Die Studie eGovernment MONITOR 2018 der Initiative D21 und fortiss verdeutlicht, dass dementsprechend auch die Zufriedenheit mit digitalen Verwaltungsangeboten trotz gleichbleibendem Umfang und Qualität sinken kann. Österreich ist mit seinem E-Government schon seit Jahren mehrere Schritte weiter als Deutschland. Trotzdem nahm die Zufriedenheit innerhalb der letzten sechs Jahre von 79 auf nunmehr 72 Prozent ab. Noch immer ist sie damit allerdings auf einem hohen Niveau (zum Vergleich: Deutschland liegt gegenwärtig bei 58 Prozent). Doch gibt diese Entwicklung Hinweise darauf, dass man die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger auch am gegenwärtigen technischen Stand messen und sie sich vor allem immer wieder aufs Neue verdienen muss. Gerade Dienstleister und Produzenten aus der Privatwirtschaft

7. Februar 2019,

7%

Rückgang der Zufriedenheit mit den digitalen Verwaltungsangeboten in Österreich in den letzten sechs Jahren investieren viel Geld und nutzen moderne Ansätze, um ihre Angebote immer weiter zu verbessern und auf den Kunden zu zentrieren. Die Gestaltung wird immer moderner und simpler, die Kunden können die Dienste von überall in Anspruch nehmen, in der Regel auch über mobile Endgeräte und von unterwegs. Mit zunehmender Gewöhnung an solche auf sie zugeschnittenen Services, steigt auch die Erwartung an andere Dienstleistungen. Am Ende sind die Bürgerinnen und Bürger nichts anderes als Kunden der Verwaltung – und möchten natürlich auch hier bequem und leicht das bekommen, was sie brauchen und an anderen Stellen gewohnt sind. Mit dem Onlinezugangsgesetz

schlägt die deutsche Verwaltung nun zunehmend diesen Weg ein und lenkt die Nutzerorientierung stärker in den Fokus. Das ist eine sehr positive Entwicklung und gibt Anlass für einen optimistischen Blick in die Zukunft der digitalen Verwaltung. Doch die Ergebnisse der genannten Studie mahnen uns, dass man sich auf den Erfolgen nicht ausruhen darf, denn Stillstand bedeutet Rückschritt. In unserem Zeitalter mit schnellen technischen Entwicklungen gilt es, ständig Schritt zu halten, immer weiter zu optimieren und schon heute im Blick zu haben, was morgen kommen wird. *Roland Dathe ist Pressereferent bei der Initiative D21.

IT als Treiber der Verwaltungsmodernisierung: Der Newsletter E-Government, Informationstechnologie und Politik des Behörden Spiegel

Anmeldung: www.behoerdenspiegel.de newsletter@behoerdenspiegel.de

Vom 12. bis zum 13. März 2019 werden im Rahmen des 7. Fachkongresses des IT-Planungsrates unter anderem Themen wie das OZG, Green-IT und die Entwicklung des ländlichen Raums in der Musik- und Kongresshalle in Lübeck diskutiert. Die Digitalisierung bietet die Chance, Verwaltung neu zu denken und die Verfahren für die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen einfacher zu gestalten. Hierbei wollen wir in Schleswig-Holstein eine Vorreiterrolle einnehmen. Eine der drängendsten Herausforderungen ergibt sich etwa bei Jan Philipp Albrecht ist Minister für Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein der Umsetzung des Gesetzes zur und Gastgeber des 7. Fachkongresses des IT-Planungsrates. Foto: BS/MELUND Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (OZG) Schleswig-Holstein im Rahmen nahmenkatalog erarbeitet, mit bis 2022. Aber auch das Thema des OZG-Umsetzungskatalogs dem wir Schleswig-Holstein zu Datenschutz ist aufgrund des des IT-Planungsrates die Feder- einem Vorzeigeland der DigiZeitdrucks bei der Umsetzung führung des Themenbereichs talisierung entwickeln wollen. von entscheidender Bedeutung. Umwelt übernommen hat, er- Aus der Themenvielfalt des ProDie Bürgerinnen und Bürger ver- warte ich gespannt die Diskus- gramms spricht eine klare Bottrauen auf einen sicheren Um- sionen hierzu. schaft: Digitalisierung ist eine gang mit ihren sensiblen Daten, Neben den bereits genannten Querschnittsaufgabe, die alle das muss immer gewährleistet Aspekten umfasst das umfang- Lebensbereiche umfasst. Wir wolreiche Kongress-Programm noch len Digitalisierung nicht einfach sein. Neben dem OZG und dem As- viele weitere Themenbereiche. geschehen lassen, sondern sie so pekt der Datensicherheit stehen Sie alle vereint, dass wir die He- gestalten, dass sie für alle Beteiauch weitere gesellschaftliche rausforderungen, die sich aus ligten mehr Chancen eröffnet und Aufgaben auf der Agenda des der zunehmenden Digitalisierung weniger Risiken birgt. Dass wir bei der Digitalisierung 7. Fachkongresses. Eine davon ergeben, ebenen- und systemergibt sich beispielsweise im übergreifend angehen und unse- noch einen weiten Weg vor uns ländlichen Raum, den wir beim re Zusammenarbeit optimieren haben, macht der Blick über Thema Digitalisierung unbedingt müssen. Dabei spielen der IT- die Landesgrenzen deutlich. mitdenken müssen. Hier stehen Planungsrat und dessen jährlich Noch hinkt Deutschland beim wir vor Herausforderungen, die ausgerichteter Fachkongress eine E-Government hinter seinen wir zu Chancen ummünzen müs- zentrale Rolle. Nachbarn hinterher. Lassen Sie Schleswig-Holstein hat die He- uns diesen Weg daher gemeinsam sen. Gerade auf dem Land hält die Digitalisierung das Potenzi- rausforderungen, aber auch die gehen. Ich lade die Kolleginnen al bereit, ganze Lebensbereiche Chancen des digitalen Wandels und Kollegen von Bund, Ländern positiv zu verändern. Deswegen für sich erkannt. Mit dem im und Kommunen ein, sich über haben wir uns für den anstehen- vergangenen Jahr verabschie- die Zukunftsthemen unserer Zeit den Fachkongress für das Motto deten Digitalisierungsprogramm auszutauschen und gemeinsam entschieden: “Land hat Zukunft. haben wir einen konkreten Maß- Lösungen zu erarbeiten. Digital.”. Auch Themen wie Green-IT und Nachhaltigkeit werden bei dem Kongress eine wesentliche Rolle spielen. Die Anzahl der stromverbrauchenden Geräte wird zukünftig gerade durch die DiEine Anmeldung zum Fachkongress des IT-Planungsrates vom 12. bis gitalisierung weiter ansteigen. zum 13. März 2019 in der Musik- und Kongresshalle in Lübeck ist für Beim digitalen Wandel müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bund, Ländern und Kommunen unter www.fachkongress.it-planungsrat.de noch bis zum 22. Februar der Klimawandel bedacht und 2019 möglich. die schädliche Belastung von Umwelt und Klima minimiert Mehr zur Digitalisierung in Schleswig-Holstein unter www.schles werden. Nicht nur wegen meines wig-holstein.de/digitalisierung politischen Hintergrunds, sondern auch aufgrund dessen, dass

Weitere Informationen

Haus der Bayerischen Wirtschaft, München

Schirmherrin und Keynote-Sprecherin: Bayerns neue Digitalministerin Judith Gerlach

Zukunftskongress Bayern 2019 Digitale Gesellschaft und digitale Wirtschaft in Bayern sind auf ein Pendant in der Behördenwelt – eine digitale Verwaltung – angewiesen. Mehr noch, die öffentliche Verwaltung muss in den kommenden Jahren auch im Netz zu dem zu werden, was sie in der analogen Welt traditionell ist: ein Stück Heimat. Auf dem Weg dorthin werden die Behörden einen tiefgreifenden technologischen, organisatorischen und kulturellen Veränderungsprozess durchlaufen. Der Kongress wird eine Plattform für den intensiven Austausch über die aktuellen Entwicklungen und Zielsetzungen der Digitalisierung von Staat und Kommunen in Bayern und darüber hinaus bieten. Er soll dadurch einen Beitrag leisten, um zukünftig eine digitale Heimat für Bürger und Wirtschaft zu schaffen. Melden Sie sich unter www.zukunftskongress.bayern an und diskutieren Sie mit!

www.zukunftskongress.bayern [#zkonbayern]

Eine Veranstaltung des

Fotos: BirgitKorber, stock.adobe.com; Africa Studio, stock.adobe.com

STAAT UND KOMMUNEN ALS DIGITALE HEIMAT FÜR BÜRGER UND WIRTSCHAFT


Informationstechnologie

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ehörden Spiegel: Aktuelle Studien zeigen, dass die Nutzung von E-Government-Lösungen in Deutschland zurückgegangenen ist. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?

Behörden Spiegel / Januar 2019

Kooperationen ausbauen

Die Fragen der Aufgabenverteilung im Föderalismus müssen aufgearbeitet werden. Wie werden die Kommunen als Gewährleister der Daseinsvorsorge stärker in Prozesse der Umge(BS) Hans-Henning Lühr, Staatsrat für Finanzen und CIO der Freien Hansestadt Bremen, hat zu Jahresbeginn turnusgemäß den Vorsitz im IT- staltung einbezogen? Welche Lühr: Dies ist ein Indiz für die Planungsrat übernommen. Im Interview mit Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt spricht er über die Herausforderungen der Digitalisierung Aufgabenteilungen zwischen weiterhin nicht ausgeschöpften der öffentlichen Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen in Deutschland. Kommunen, Ländern oder bunPotenziale der Digitalisierung. Es desweit zentralen IT-Verfahren Lühr: Richtig. Hier sind soBehörden Spiegel: Wie ist das Gerade die Kommunen haben soll es in Zukunft geben? Weitegeht aber nicht allein darum, dizu verstehen? gitale Kanäle für die Bürgerinnen wohl die Gewerkschaften im öf- eine zentrale Rolle und wir müs- re Fragen, wie der Umgang mit und Bürger zu schaffen, sondern fentlichen Sektor als auch der sen diese unbedingt besser ein- Sozialen Netzwerken und die Lühr: Zu oft werden im Alltag DGB als politische Interessen- binden und ihnen mehr Verant- erforderliche Aufgabenteilung auch die Prozessabläufe in der Fälle nach Standardmustern vertretung und die öffentlichen wortung geben. Hierfür werde ich mit Wirtschaft und Gesellschaft, Verwaltung auf den Prüfstand beschieden – das Ausüben von Arbeitgeber bei Bund, Ländern mich während meines Vorsitzes sind noch ungeklärt. zu stellen. Der Prozess der LeisErmessen ist häufig ungewohnt und Kommunen gleichermaßen einsetzen. tungserstellung ist – im Vergleich Auch das Zusammenwirken mit und erfordert mehr Aufwand. gefordert. zur idealerweise kurzen Interaktianderen Staaten im Kontext der Entsprechende Datenbanken, on mit den Bürgerinnen und BürEs werden eine beteiligungsBehörden Spiegel: Wie kann Globalisierung ist noch zu gestaldie in Sekundenschnelle ver- orientierte Gestaltungsoffensive es denn gelingen, dass der IT- ten. Welche Regulierungsfunkgern über ein Online-Portal – der weitaus größte Teil der künftigen gleichbare Fälle finden, können und eine tarifvertragliche und Planungsrat sein Potenzial besser tion wird die EU wahrnehmen digitalen Vorgangsbearbeitung müssen? Wird es dabei zu einer gesetzliche Regelung, z. B. ein ausschöpft als bislang? hier helfen. der öffentlichen Verwaltung. Der Digitalisierungstarifvertrag und veränderten Arbeitsteilung zwiLühr: Hierzu müssen dessen schen Parlament und Regierung Behörden Spiegel: Wie wird die entsprechende Änderungen im persönliche Bürgerkontakt erfolgt Digitalisierung die Arbeit in den öffentlichen Dienstrecht, be- Säulen, unter anderem in der kommen? darüber hinaus zum größten Teil auf kommunaler Ebene. Daraus Behörden insgesamt verändern? nötigt, um die weitreichenden Föderalen IT-Kooperation (FITBisher kamen komplexe algofolgt für die Länder und den Bund Veränderungen in den nächsten KO) in Frankfurt am Main und rithmische Systeme vor allem bei noch mehr als für die Kreise und Der Bremer Finanzstaatsrat und CIO Lühr: Sie wird langfristig zu Jahren im Rahmen von Leitplan- in der Koordinierungsstelle IT- Plattformen der sozialen Medien Gemeinden die Herausforderung, Hans-Henning Lühr ist in diesem Jahr einer Erleichterung führen. ken zu lenken. Standards (KoSIT) in Bremen, zum Einsatz, wo sie auch zur ihre internen Prozesse im In- nicht nur Vorsitzender des IT-Planungs- Angesichts der vielerorts angegestärkt werden. Ein Digitali- Steuerung unserer WahrnehBehörden Spiegel: Welche Im- sierungsbudget ist durch die mung verwendet werden. Die teresse der Klienten digital zu rates, sondern auch Schirmherr und spannten Finanzlage ist dies eine optimieren und die Kommunen Referent des “Digitalen Staates” am positive Nachricht. Allerdings pulse wollen Sie in diesem Jahr Ministerpräsidentenkonferenz Einführung maschineller Entzu unterstützen. Die große He­ 2./3. April 2019 in Berlin. erfordert der Technikeinsatz auch als Vorsitzender des IT-Planungs- auskömmlich und in der Vertei- scheidungen in vielen anderen Foto: BS/Die Senatorin für Finanzen Investitionen in den Erhalt und rates setzen? lung der Finanzierung zwischen Bereichen wird mit Big Data rausforderung liegt also darin, die Freie Hansestadt Bremen Bund und Ländern beschlossen. und selbstlernenden AlgorithVerwaltungsabläufe ebenen- und Ausbau der Qualifikationen. Es In einer Lage, in der die Verant- men noch bedeutender. Dem ressortübergreifend zu gestalten. bedarf einerseits vermehrt techLühr: Dem Vorsitzenden des Lühr: Daher benötigen wir eine nischer Kompetenzen, z. B. müs- IT-Planungsrates kommt eine wortung für die Digitalisierung Onlinezugangsgesetz (OZG) wird Behörden Spiegel: Wie kann Ethik der digitalen Entwicklung sen Beschäftigte mit der Software besondere Rolle bei der kollegia- des Öffentlichen Dienstes gebün- eine große Zahl von Änderungen dies gelingen? des Öffentlichen Dienstes und umgehen können, sich mit der len Lösungssuche zu. Die großen delt werden muss, bedarf es zu- von Fachgesetzen folgen. Volleindeutige Verhaltensregeln. Funktionsweise von Algorithmen Hoffnungen und Erwartungen dem einer neuen Staatskunst. Die automatisierte VerwaltungsverLühr: Nehmen Sie das Beispiel Bürgerinnen, Bürger und Unter- beschäftigen und gleichzeitig den aller Beteiligten auf eine koope- Bedingungen der freiwilligen Ko- fahren erfordern die Festlegung der kommunalen Bürgerbüros. nehmen vertrauen ihre Daten der Kernprozess ihrer Arbeit fachlich rative und föderal verantwortete operation von Bund und Ländern und ggf. Mechanismen von EntDie Implementierung dieser öffentlichen Verwaltung an und beherrschen. Modernisierung und Digitalisie- müssen in enger Absprache mit scheidungskriterien und VerfahOne-Stop-Agencies ist das Er- erwarten, dass mit ihren Daten Andererseits müssen soziale rung des Staatswesens auf allen den Kommunen institutionalisiert rensrechten. Die Anforderungen folgsmodell der kommunalen – umgangssprachlich gesagt – Kompetenzen gestärkt werden. Ebenen bleibt Herausforderung werden. Auf diese Weise lässt sich an die Kontrolle der Algorithmen Verwaltungsreform der letzten kein Schindluder getrieben wird. Die Entgrenzung der Arbeit wird und Auftrag des IT-Planungsra- die rechtsstaatliche und demo- werden wachsen, die klassische von den Beschäftig- tes. Dazu will ich mit Vorschlägen kratische Verantwortung einer Folgenabschätzung und die zwanzig Jahre. Es wurde nicht nur eine ten auch verlangen, und Initiativen beitragen. Ein wirkungsvollen Digitalisierung Überprüfung der System-Designs Anlaufstelle geschaf“Algorithmen und “Maschinen-Lernen” weitgehend selbst- Beispiel: In der vom Bundesin- des Öffentlichen Dienstes institu- wird nicht mehr ausreichen. Hier fen, bei der die Kliständig im Rahmen nenministerium geplanten Di- tionalisieren. Diese Zusammen- ist vielmehr eine Angleichung können auch das Grundrecht auf die enten ihre Anträge der Arbeitszeitrege- gitalisierungsagentur liegt nach führung der Kompetenzen muss der Kontrollmethode an “agile” Ausschöpfung von Ermessensspielräumen lung ihre Arbeitszeit meiner Ansicht die Gefahr des dabei nicht nur institutionell um- Entwicklungsverhältnisse voranabgeben, sondern einzuteilen. Darü- Aufbaus von Doppelstrukturen. gesetzt werden, sondern ist auch zutreiben, die einem ständigen man hat die Vorverbessern.” ber hinaus drohen Bund, Länder und Kommunen kulturell zu flankieren, über eine Überprüfungs- und Anpassungsgangsbearbeitung inklusive der Backoffice-Unter- Würden Datenschutz und Daten- im Zuge der Automatisierung ge- benötigen nicht noch eine zu- gesellschaftliche und politische modus unterworfen sind. Hinzu kommt, dass der Grundstützung so organisiert, dass integrität nicht garantiert, verlöre rade mittlere bis gehobene Qua- sätzliche Beratungseinrichtung. Verständigung auf Rahmenregeln den Bürgerinnen und Bürgern die Verwaltung das Vertrauen lifikationen entwertet zu werden. Deshalb werde ich eine neue Idee und z. B. auch tarifvertragliche rechtsschutz und die verfasin der Regel direkt geholfen wer- ihrer Klienten. Auch deswegen Auch die Sachbearbeitung vieler in die Diskussion bringen. Ne- Regelungen. sungsrechtlich garantierte den konnte. Teilhabe an demokratischer Wilgehören diese Daten nicht in die Fälle wird potenziell erheblich ben einer kleinen E-GovernmentBehörden Spiegel: Sie haben lensbildung und an staatlicher Die Autonomie von Ressorts, Cloud des E-Commerce, sondern beschleunigt und verkürzt, wenn Agentur als Kopfstelle sollten die Ebenen und Dienststellen er- in öffentliche Verantwortung. z. B. durch Datenaustausch zwi- Haushaltsmittel für eine nach- von einer neuen Staatskunst ge- und kommunaler Daseinsvorschwert hier allerdings die KoTatsächlich wirken Algorith- schen Behörden das manuelle haltige Kooperation von Verwal- sprochen. Was meinen Sie konkret sorge neu ausgerichtet werden operation. So haben Organisati- men in der Verwaltung bereits Eingeben, Prüfen und Beschei- tung und Wissenschaft genutzt damit? muss. onseinheiten mikropolitisch oft heute häufiger, als viele Akteure den individueller Einkommens- werden. Wir brauchen z. B. eine Die digitale Dimension der Lühr: Der Staat ist einerseits Grundrechte wird erheblich an das Interesse, Prozesse möglichst vermuten und der vermeintliche oder Lebenssituationen entfällt. Förderung von qualifizierten juneigenständig zu gestalten, was die Ausnahmetatbestand des autoDie öffentlichen Arbeitgeber wer- gen Wissenschaftlerinnen und selbst von der Digitalisierung Bedeutung gewinnen. Wenn der Umsetzung eines durchgehenden matisierten Verwaltungsaktes den eine Weiterqualifizierungs­ Wissenschaftlern in einer föde- in seinen Funktionen, Aufgaben von Politik, Wissenschaft und digitalen Vorgangsmanagements glauben machen will. Risiko- offensive auflegen müssen. Dies rativ ausgelegten Graduierten- und Diensten betroffen, anderer- zivilgesellschaftlichen Akteuren erschwert. Die rechtlichen Pro- managementsysteme kommen ist auch wichtig, weil das Arbeits- schule und die Verbesserung der seits kommt ihm als Sozial- und vorgelegte Entwurf einer “Charta der digitalen bleme, auf die Daten anderer bspw. in der Steuerverwaltung kräftepotenzial demografiebedingt Ausstattung der Grundrechte Dienststellen zugreifen zu kön- und der Polizei zum Einsatz, in abnehmen wird. Insgesamt ste- Studiengänge an “In einer Lage, in der die Verantwortung nen, wiegen darüber hi­n aus einigen Haushalts- und Kassen- hen also nicht nur erhebliche Universitäten der Europäifür die Digitalisierung des Öffentlichen schen Union” in schwer. Die behördeninterne wesen werden bereits wie in der Investitionen in die technische und HochschuArtikel 7 auf InDatenweitergabe und möglichst Wirtschaft Fraud-Management- Ausstattung, sondern auch in len, die sich mit Dienstes gebündelt werden muss, bedarf ­ formation über einheitliche Register sind jedoch Systeme eingesetzt und auch die Qualifikation an. Die Digitali- E-Government es zudem einer neuen Staatskunst.” und Einflussdie Grundvoraussetzung für die automatisierte Prozesse sind sierung erfordert veränderte bzw. und Digitalisiemaßnahme auf Umsetzung des “Once-only”- bekannt. Kernsysteme wie das neue Berufsbilder in den Behör- rung befassen. Prinzips und der durchgängigen Einwohnermeldewesen kommu- den, Grund- und berufsbegleiten- Auch der Aufbau eines föderati- Rechtsstaat die besondere Rol- Installation und Wirkung der digitalen Vorgangsbearbeitung nizieren mit über 60 Fachver- de Qualifizierungen müssen auf ven Masterprogramms zur län- le zu, die Rahmenbedingungen Algorithmen abstellt, wird auch über Ressort- und Ebenengren- fahren, um im Einzelfall Daten sie angepasst werden. derübergreifenden Qualifizierung der Digitalisierung verantwor- die verbindliche Beteiligung der zen hinweg. abzugleichen und zu vermitteln. von Fach- und Führungskräften tungsvoll zu gestalten. Dies wird Nutzerinnen und Nutzer bei der Behörden Spiegel: Letztlich im Verbund wäre ein wichtiger auch Antworten auf die Frage Konzipierung digitaler VerwalAlgorithmen und “MaschinenBehörden Spiegel: Gerade der Lernen” können auch das Grund- wird die Digitalisierung also zu Entwicklungsschritt zur breiter erfordern, wie künftig Parlamen- tungsverfahren eine besondere Punkt der Datenweitergabe wird recht auf die Ausschöpfung von einer umfassenden Veränderung gelegten Qualifizierung. Allein- te ihrer Verantwortung für die Bedeutung zukommen, die über aber bislang von den Bürgern Ermessensspielräumen verbes- der Arbeitswelt des Öffentlichen gänge einzelner Länder sind nicht Rechtssetzung gerecht werden “Users first!” und “Co-Creation” Dienstes führen. sern. sachdienlich. noch vielfach kritisch gesehen. hinausgehen muss. können.

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ie E-Akte Bund gilt als Rückgrat der Digitalisierung in der Bundesverwaltung. Das BfJ hat sich von Beginn an in die Entwicklung des zentralen EAkte-Dienstes eingebracht und sich überdies als Pilotbehörde zur Verfügung gestellt. Verantwortlich für das E-AkteEngagement ist die Stabsstelle “Elektronische Verwaltungsarbeit”, die unmittelbar bei der Hausleitung des BfJ angesiedelt ist. Dort laufen auch alle Fäden der Abstimmung und Kooperation mit den entscheidenden E-Akte-Akteuren zusammen – dazu zählen die Arbeitsgruppe Dienstekonsolidierung im Bundesinnenministerium, das Bundesverwaltungsamt (BVA), das ITZBund, das Bundesarchiv sowie Softwareanbieter Fabasoft.

Verwaltungsabläufe ebenen- und ressortübergreifend gestalten

Premiere für E-Akte Bund Bundesamt für Justiz zeichnet ersten Beschaffungsvorgang elektronisch (BS/gg) Im Bundesamt für Justiz (BfJ) ist der Startschuss für den ersten produktiven Einsatz der E-Akte Bund gefallen. Im Rahmen eines Pilotbetriebs werden die IT-Beschaffungsvorgänge der Bonner Bundesoberbehörde jetzt ausschließlich elektronisch geführt. BfJ-Präsident Heinz-Josef Friehe zeichnete am Ende des durchlaufenen elektronischen Workflows den ersten Vorgang im Praxisbetrieb, auf dessen Grundlage nunmehr eine IT-Beschaffung für das Bundesamt erfolgt. Bei den Vorbereitungen zur Pilotierung der E-Akte Bund analysierte das BfJ unter anderem die Schriftgutverwaltung, den Postverkehr und auch die Ablauforganisation in seinen Fachbereichen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen flossen in einem sogenannten Bebauungsplan für die elektronische Verwaltungsarbeit zusammen, aus dem insbesondere zu ersehen ist, wann welche

Arbeitseinheit auf die elektronische Verwaltungsarbeit mit der E-Akte Bund umstellt. Auch nach dem erfolgreichen Pilotstart will sich das BfJ an der Weiterentwicklung der elektronischen Akte des Bundes beteiligen. So sind die Integrationsmuster zur Anbindung des digitalen Zwischenarchivs und des Formular-Management-Systems des Bundes auszuarbeiten. Bereits

in den nächsten Monaten sollen die Pilotierungserfahrungen des BfJ vier weiteren Pilotbehörden zugute kommen, darunter mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auch das “Mutterhaus des BfJ”. Im anschließenden BreitenRollout sollen dann auch alle weiteren Nutzerbehörden von den gesammelten Erfahrungen profitieren.

Martin Reska, Leiter der Projektgruppe “Elektronische Verwaltungsarbeit”, beschreibt die Phase bis zum Pilotstart als eine große Gemeinschaftsanstrengung quer durch alle beteiligten Bereiche im BfJ. “Egal ob bei der Anpassung hausinterner Regelungen, beim Abschluss der notwendigen Dienstvereinbarung mit dem Personalrat oder den notwendigen technischen Vorbe-

reitungen – während der heißen Phase vor dem Start habe ich bei allen Beteiligten ganz deutlich das Bewusstsein gespürt, dass wir mit der E-Akte-Einführung einen echten Meilenstein auf unserem Digitalisierungspfad erreichen”, so der Projektleiter. Er rät anderen Behörden, sich frühzeitig auf den Weg zu machen und dabei die vorhandenen Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen. Als Beispiele hierfür nennt er die fundierte Methodenberatung durch das BVA und die technische Beratung durch ITZBund und Fabasoft. Auch die Projektförderung durch die Behördenleitung und das ganz persönliche Engagement von BfJPräsident Heinz-Josef Friehe sei ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor gewesen, so Reska weiter.


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2.–3. APRIL 2019, KOSMOS, Berlin

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Digitale Staatskunst, digitale Wirtschaft und digitale Daseinsvorsorge bilden neben den klassischen Themen rund um die digitale Verwaltung im Jahr 2019 die Hauptsäulen des “Digitalen Staats”. Im Berliner Kosmos treffen sich erneut Innovatoren, Modernisierer und Trendsetter, um auf dem jährlichen Fachkongress die Digitalisierung von Staat, Verwaltung und Gesellschaft voranzutreiben und sich an zwei Tagen intensiv den Herausforderungen zu widmen, die die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung mit sich bringt.

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ba rr Die begleitende Fachausstellung und verschiedene z Side-Events bieten zudem die Mögt ie edigitale Verwaltung zu informieren sowie lichkeit, sich umfassend über Angebote für die s e r Netzwerke zu knüpfen und zu pflegen. sg www.digitaler-staat.orgef Bl g re n o a i c O nc kch e On ain ly

Dorothee Bär Staatsministerin im Bundeskanzleramt für Digitalisierung

Hans-Henning Lühr Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen und Vorsitzender des IT-Planungsrats 2019

Ina-Maria Ulbrich Staatssekretärin im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern

Thomas Geisel Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf

Dorothea Störr-Ritter Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates

Dr. Katrin Suder Vorsitzende des Digitalrats

Stefan Krebs Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie, Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg

Dr. Göttrik Wewer Staatssekretär a.D. und Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Postdienstleister

Dr. Alfred Kranstedt Direktor des Informationstechnikzentrums Bund

Andreas Gegenfurtner Präsident der Bundesanstalt für den Digitalfunk BOS

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Eine Veranstaltung des


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s kann eine gute Idee sein, ein auf Datenschutz spezialisiertes Beratungshaus zu engagieren. Allerdings werden nach unserer Erfahrung – auch aufgrund der hohen Arbeitsbelastung der beauftragenden Organisation – vielfach einmalige Maßnahmen vorgeschlagen. Das Beratungshaus führt die vereinbarten Arbeiten vielleicht auch selbständig durch und verabschiedet sich dann wieder. Ergebnis: Projekt erfolgreich abgeschlossen, Konformität erreicht. Aber was dann? Womöglich weicht das befriedigende Gefühl eines guten Ergebnisses im Lauf der Zeit der Beobachtung, mit den vorgeschlagenen Änderungen nicht richtig weiterzukommen. Das hinterlassene Konzept ist bald keine Hilfe mehr, entpuppt sich als Papiertiger. Kein Wunder, wenn es nicht an Ihre Organisation angepasst wurde und/oder Ihre Mitarbeiter zu wenig Gelegenheit hatten, es gemeinsam mit den Beratern zu üben. Eine solche Umsetzung wird gute Datenschutzpraktiken und Kontrollmechanismen nicht in die gelebte Praxis integrieren können und Datenschutz bleibt womöglich ein Sonderthema, das Arbeitsprozesse ausbremsen und verkomplizieren kann. Wie vermeiden Sie eine solche Situation? Erfahrene Berater arbeiten “auf Augenhöhe” mit Ihrer Organisation zusammen. Sie sind nicht nur geübt im Er-

Mehr zum Thema Mehr zu diesem Thema im Rahmen der Veranstaltung “EUDSGVO im Praxis-Check” am 23. Januar 2019 in Berlin. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit unter www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort: DSGVO

Behörden Spiegel / Januar 2019

Besondere Herausforderungen Die DSGVO-Umsetzung im Arbeitsalltag (BS/Christiane Grothues/Hans Martin Frank) Die Umsetzung der DSGVO sowie des entsprechend angepassten BDSG kann eine Herausforderung sein. Am Anfang stehen Fragen: Was muss geändert werden bei Arbeitsweisen, Dokumentation, technischen/organisatorischen Lösungen? Wie erreichen Sie datenschutzrechtliche Konformität, ohne die Organisation zu überfordern? Und wie sorgen Sie für eine nachhaltige Lösung? kennen der Situation und möglicher Lücken zum gewünschten Zustand, zusätzlich vermitteln sie diese Fähigkeit auch Ihren Mitarbeitern. Für ein gutes Beratungshaus ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Berater Ihre Mitarbeiter aktiv einbinden und gemeinsam üben, veränderte Prozesse und Methoden in den Arbeitsalltag zu integrieren. Sie als Führungskraft überblicken die Leistungsfähigkeit Ihrer Organisation und wissen um die Stärken und Schwächen. Nutzen Sie eine Beratung, deren Vorgehensmodell Sie sofort verstehen und beurteilen Sie, ob Ihre Organisation es umsetzen kann. Unter “umsetzen” verstehen wir, die Anforderungen des Datenschutzes so in den Arbeitsalltag zu integrieren, dass sie möglichst ohne zusätzliche Aufwände berücksichtigt und erfüllt werden. So wird mit Methoden und Instrumenten, die an die Leistungsfähigkeit Ihrer Organisation angepasst werden, ein nachhaltiges Ergebnis erzielt. Die Opalis Consulting hat ein solches Vorgehensmodell für Einführung und gelebte Praxis des Datenschutzmanagements entwickelt und es kann sehr einfach wie folgt aussehen: Mit Unterstützung des von Ihnen ausgewählten Beratungshauses bestimmen Sie Ihren Standort und die Lücke zum angeforderten Zustand (Risikoprofil). Ein Fragenkatalog zu wesentlichen Themen, wie z. B. Verzeichnisse für Verfahrenstätigkeiten, technische und

Christiane Grothues ist Partnerin bei Opalis Consulting. Hans Martin Frank ist Business Partner bei Opalis und Geschäftsführer von advisio.

organisatorische Maßnahmen, IT-Systeme/Datensicherheit, Datenschutz in Produkten, Erweiterte Transparenzpflichten, Vertragsmanagement, hilft bei der Risikoabschätzung. Gemeinsam wählen Sie die gemäß Risikoprofil wichtigsten und dringendsten Maßnahmen zur Umsetzung. Die anderen werden Sie zum gegebenen Zeitpunkt durch Ihre Mitarbeiter umsetzen lassen. Aus dem im ersten Schritt entstandenen Reifegradmodell der wesentlichen Themen lässt sich leicht erkennen, wo Sie ansetzen sollten. In der Umsetzung beteiligen Sie die betroffenen Abteilungen und Mitarbeiter nicht nur, sondern machen Sie sie zu Auftraggebern und Eigentümern des Zielzustandes. Gestalten Sie die Maßnahmen als Projekte, betrauen Ihre Mitarbeiter mit der Projektleitung und errichten eine einheitliche Kontroll- und Entscheidungsstruktur. Beteiligen Sie Datenschutz (federführend), IT (Umsetzer), Personalrat (Mitbestimmung), Personalabteilung (Hüter interner personenbezogener Daten) und betroffene Abtei-

Fotos: BS/Opalis Consulting

lungen (Eigentümer Zielzustand) als Stakeholder. Lassen Sie den Erfolg der Maßnahmen von den Projektbeteiligten prüfen und beauftragen Sie Ihre Mitarbeiter ggf. mit Nachbesserungen. Dieser Teil ist wesentlich für das Verständnis

der angezielten Arbeitskultur. Hat ein Projekt sein Hauptziel bis auf einzelne Maßnahmen erreicht, schließen Sie es und lassen Ihren Projektleiter mit reduziertem Team weiterarbeiten. So senden Sie zwei wichtige Botschaften: Die Entscheider würdigen den Erfolg der Gesamtmaßnahme, bleiben aber dran, bis alle Elemente des angestrebten Zielzustandes in der Praxis rundlaufen. Sorgen Sie dafür, dass der soeben skizzierte Zyklus zur gelebten Praxis im Großen sowie im Kleinen wird. Beauftragen Sie regelmäßig eine größere Inventur der Datenschutzpraxis mit externer Hilfe, unterhalten

aber jederzeit einige interne Verbesserungsmaßnahmen in verschiedenen Teams, die sich um ständige Verbesserungen kümmern. Lassen Sie das Beratungshaus erst aus der Verantwortung, wenn Ihre Mitarbeiter mit den neuen Arbeitsweisen und Instrumenten sicher umgehen können. Kann Ihre Organisation Anforderungen des Datenschutzes selbständig im Alltag umsetzen, sparen Sie Kosten, reduzieren die Mitarbeiterbelastung und können datenschutzrechtliche Anforderungen an Ihre Behörde eigenständig bewältigen. Dann ist Datenschutz keine Insel mehr und braucht keine Sonderbehandlung. Die Datenschutzprüfung und -freigabe ist direkt in den Änderungszyklus für neue Systeme und Arbeitsprozesse integriert und geforderte Datenschutzmaßnahmen können sich am Zielzustand sowie an der Leistungsfähigkeit Ihrer Organisation orientieren.

40.000 neue Jobs durch die Digitalisierung Fachkräftemangel in IT-Berufen verschärft sich zunehmend (BS/stb/wim) Während die Digitalisierung der Gesellschaft bereits seit einiger Zeit in vielen Debatten angeprangert wird, in Zukunft mehr und mehr Arbeitsplätze obsolet zu machen, verspricht eine neue Studie nun das Gegenteil. So wird die Digitalwirtschaft in Deutschland im laufenden Jahr voraussichtlich rund 40.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Diese Vorhersage trifft der Digitalverband Bitkom auf Grundlage aktueller Analysen zum Digitalmarkt. Sollten die Berechnungen eintreten, wird es somit am Jahresende insgesamt rund 1.174.000 Arbeitskräfte in der Digitalbranche geben – eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent. Und nicht nur die Anzahl der Arbeitsplätze steigt somit kontinuierlich, sondern mit ihr auch die finanzielle Stärke des digitalen Marktes. So wird das Wachstum im Markt der IT, Telekommunikation und Unterhaltungselek­ tronik im Laufe des Jahres 2019 um rund 1,5 Prozent auf 168,5 Milliarden Euro steigen. Auch im vergangenen Jahr hatte der Bitkom zu Beginn des Jahres eine Marktentwicklungsprognose vorgestellt. Diese sei von der Branche übertroffen worden, so der Bitkom. So waren die Umsätze der Digitalwirtschaft im vergangenen Jahr um 2,0 Prozent auf 166 Milliarden Euro gestiegen. Der Verband hatte Anfang 2018 lediglich ein Wachstum von 1,7 Prozent prognostiziert. Größter und wichtigster Wachstumszweig der Branche ist dabei wie gehabt die Informationstechnik, bei der das Segment der Software am stärksten wächst. Auch die Telekommunikation ist wieder am Wachsen, allerdings würden diesem Markt durch die 5G-Versteigerung “Milliarden entzogen, die für Investitionen in die Netze und ein noch dynamischeres Wachstum fehlen”, so Bitkom-Präsident Achim Berg. Verlierer der Studie ist der Markt der Unterhaltungselektronik. Dieser steht zum zweiten Mal in den roten Zahlen, ohne dass eine Besserung in Sicht wäre.

Viele IT-Stellen bleiben unbesetzt In einer weiteren Studie hat der Bitkom auch die Situation der Besetzung von IT-Stellen untersucht. Demnach sind in Deutschland derzeit etwa 82.000 Stellen für IT-Spezialisten vakant. Gegenüber dem Vorjahr (55.000 offene Stellen) ist die Zahl

Die digitale Wirtschaft in Deutschland wächst und gedeiht. Entgegen häufiger Befürchtungen ist sie dabei bislang noch nicht als Jobzerstörer aufgetreten, sondern wird in diesem Jahr allein rund 40.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Dabei wird es allerdings zunehmend zur Herausforderung, diese Stellen auch vollständig zu besetzen. Foto: BS/rawpixel, pixabay.com

damit um 49 Prozent gestiegen. Über 80 Prozent der Befragten stellen bei sich einen Mangel an IT-Kräften fest und sechs von zehn Unternehmen erwarten eine weitere Verschärfung der Situation in den nächsten Jahren. Besonders stark nachgefragt sind Softentwickler – fast ein Drittel der Unternehmen mit offenen Stellen sucht Programmierer, gefolgt von Projektmanagern (17 Prozent), Anwendungsbetreuern (13 Prozent) und Qualitätsmanagern (neun Prozent). Auch ITSicherheitsexperten sind gefragt (acht Prozent). “Auch in vielen klassischen Berufen steigen die Anforderungen an die Digitalkompetenz. Diese Entwicklung zeigt sich in der rasant wachsenden Zahl vakanter IT-Jobs”, so BitkomHauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: “Jede offene Stelle bedeutet einen Verlust. Einen Verlust von Wertschöpfung, ein Weniger an Innovationen – und das gilt schon lange nicht mehr

nur für die IT-Branche, sondern die gesamte Wirtschaft und den öffentlichen Bereich.”

Hohe Gehaltvorstellungen bei Bewerbern Die Personalsuche gestaltet sich der Umfrage zufolge als langwierig und schwierig. Jedes dritte Unternehmen gibt an, die Besetzung von IT-Stellen dauere länger als in anderen Bereichen – im Schnitt sind es fünf Monate. Dazu kommt, dass die hohe Nachfrage zu hohen Gehaltsvorstellungen der Bewerber führt. Drei Viertel der Unternehmen halten die Forderungen für zu hoch. Gleichzeitig bemängeln jeweils über ein Drittel die fachliche Qualifikation bzw. die Soft Skills der Bewerber.Dazu Rohleder: “Bei guter Qualifikation können sie sich den Job in der Regel aussuchen. Das führt dazu, dass gute Kandidaten für viele Unternehmen kaum zu bezahlen sind – gerade für den Mittelstand und die öffentliche Hand.”

MELDUNG

Neue EU-Plattform für Künstliche Intelligenz (BS) Die Europäische Union fördert ein neues Projekt zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Das sogenannte AI4EU-Projekt hat zum Ziel, eine breit aufgestellte KI-Plattform aufzubauen, die als allgemeine Anlaufstelle für Ressourcen rund um die neue Schlüsseltechnologie fungieren soll. So soll die Plattform für ihre Nutzer u. a. Datenspeicher, Re-

chenleistung und Algorithmen zur Verfügung stellen. Von der EU wird das Projekt mit insgesamt 20 Millionen Euro gefördert. Projektpartner aus Deutschland sind unter anderem die TU Berlin, die Fraunhofer Gesellschaft und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Geleitet wird das Projekt vom französischen Unternehmen Thales.

Die AI4EU-Plattform soll im Laufe des Jahres eingerichtet werden und richtet sich an potenzielle Nutzer der Künstlichen Intelligenz. Die Plattform soll diese unterstützen und dabei helfen, KI-Lösungen zu testen und in Prozesse und Produkte zu integrieren. Zudem soll die Plattform auch Fortbildungs- und Umschulungskurse anbieten.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Januar 2019

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ehörden Spiegel: Herr Schrödter, warum hat sich Schleswig-Holstein, anders als andere Länder, keine Digitalisierungsstrategie, sondern ein Digitalisierungsprogramm gegeben?

Schrödter: Dies war eine ganz bewusste Entscheidung. Wir wollten in den einzelnen Politikfeldern sehr konkrete Maßnahmen und Ziele benennen, an denen wir uns am Ende der Legislaturperiode messen lassen. Zudem machen wir mit dem Programm deutlich, wie wir Digitalisierung begreifen, nämlich als Denken in einer veränderten, digitalen Welt. Mit Blick auf die Verwaltungsprozesse bedeutet dies, dass wir diese nicht nur digital abbilden, sondern dass wir digital denken wollen. Dieser Grundgedanke wird im Programm in allen Politikfeldern und -bereichen durchdekliniert. Natürlich haben wir unserem Programm auch einige strategische Grundsätze vorangestellt. Unser Schwerpunkt liegt aber eindeutig auf dem Handeln, dem konkreten Tun. Wir wollen bei der Digitalisierung ganz vorn dabei sein und das gelingt am besten mit der Umsetzung von Maßnahmen. Behörden Spiegel: Die Digitalisierung ist ja ein dynamischer Prozess, der auch immer wieder Anpassungen am Programm erforderlich machen dürfte. Wie wollen Sie dies abbilden? Schrödter: Ich gehe davon aus, dass wir das Digitalisierungsprogramm noch in dieser Legislaturperiode fortschreiben werden. Wie tiefgreifend die jeweiligen Veränderungen in den verschiedenen Bereichen sein werden, wird man dann sehen. So dynamisch, wie die Digitalisierung selbst ist, so dynamisch werden auch die jeweiligen Anpassungsprozesse innerhalb des Programms sein. Behörden Spiegel: Dieses prozesshafte Vorgehen stellt natürlich besondere Herausforderungen an die Kommunikation. Schrödter: Richtig. Daher muss man die Kommunikation als laufenden Prozess begreifen. Hier sind nicht nur das Digitalisierungsministerium und die Staatskanzlei in der Pflicht, sondern die gesamte Landesregierung. Die jeweiligen Projekte müssen von den Verantwortlichen immer wieder kommuniziert und der jeweilige Nutzen

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Digital denken, dynamisch handeln Schleswig-Holstein will mit Digitalisierungsprogramm an die Spitze (BS) Während in anderen Ländern Digitalisierungsstrategien bereits umgesetzt werden oder kurz vor der Verabschiedung stehen, hat sich die Landesregierung Schleswig-Holstein ein Digitalisierungsprogramm gegeben, mit dessen Maßnahmen das nördlichste Bundesland in den kommenden Jahren vorneweg marschieren will. Hierüber sprach Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt mit Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein, und dem Vorstandvorsitzenden der in Lübeck ansässigen MACH AG, Rolf Sahre.

Dirk Schrödter (links) ist seit Ende Juni 2017 Chef der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein. Rolf Sahre (rechts) ist Vorstandvorsitzender des Softwareund Beratungsunternehmens MACH AG. Fotos: BS/Staatskanzlei Schleswig-Holstein; Frank Peter, MACH AG

dargestellt werden. Hierzu ist ein kontinuierlicher Diskussionsprozess mit allen Akteuren erforderlich. Diese ständige und maßnahmenbezogene Kommunikation macht es uns insgesamt leichter, weil wir nicht auf einer strategischen Ebene über abstrakte Themen sprechen, sondern anhand von konkreten Projekten und Vorhaben diskutieren und deren Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft herausstellen. Behörden Spiegel: Welche Rolle spielt denn die Staatskanzlei bei der Umsetzung des Programms? Schrödter: Die Umsetzung des Digitalisierungsprogramms, für die wir in einem ersten Schritt zusätzlich insgesamt zehn Millionen Euro zur Verfügung stellen, erfolgt in enger Kooperation aller Ressorts mit dem Digitalisierungsministerium. Jedes Ressort setzt seine Projekte eigenverantwortlich um und darauf haben wir als Staatskanzlei einen sehr genauen Blick. Die strategischen Fragestellungen sowie die zu priorisierenden Maßnahmen aus dem Digitalisierungsprogramm werden, wie in anderen Politikfeldern auch, durch die Staatskanzlei gemeinsam mit dem Digitalisierungsministerium definiert. Wir haben aber nicht nur eine koordinierende Funktion, sondern tragen ressortübergreifend auch die Verantwortung für Personalthemen, wenn man etwa an den ganzen Bereich der Ausund Fortbildung der Bediensteten

im Bereich der Digitalisierung denkt. Ressortübergreifend beschäftigen wir uns ebenfalls mit Organisationsfragen. Es gibt in der Staatskanzlei eine Abteilung, die für das ressortübergreifende Personal- und Organisationswesen verantwortlich zeichnet und in der die digitale Transformation der Verwaltung durchdacht wird. Daneben haben wir in der Staatskanzlei ureigenste Themen, in denen wir vorankommen wollen, wie etwa evidenzbasiertes Regierungshandeln. Hier geht es um die Frage, wie wir Daten noch besser für die Absicherung politischer Entscheidungen nutzen können. Auch der Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) ist bei uns im Hause Teil der Agenda. Wir als Staatskanzlei haben uns im Digitalisierungsprogramm vorgenommen, den Handlungsrahmen von Künstlicher Intelligenz festzulegen. Hierzu wollen wir eine Landesstrategie entwickeln und aus dieser abgeleitet unsere konkreten Maßnahmen festlegen. Behörden Spiegel: Herr Sahre, im Zusammenhang mit der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist oftmals von einem Kulturwandel die Rede. Wie können Sie als Software- und Beratungsunternehmen hierbei Unterstützung leisten? Sahre: Es geht aus unserer Sicht darum, wie wir Innovationen für die öffentliche Verwaltung entwickeln und bereitstellen können. Damit meinen wir nicht nur Innovationen im Produkt selbst,

sondern auch in der Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten. Da ist unser im Dezember in Lübeck eröffnetes Joint Innovation Lab ein hervorragendes Beispiel. Hier haben das Land SchleswigHolstein, die Universität zu Lübeck und die MACH AG eine neue Form der Kooperation gefunden, um Zukunftstechnologien wie Augmented Reality, Blockchain und KI in verschiedenen Prototypen zu verproben. Dabei geht es insbesondere darum, zu prüfen, wie der Einsatz dieser Technologien die Verwaltungsarbeit in den Behörden verbessern kann. Behörden Spiegel: Könnten Sie hierfür ein Beispiel geben? Sahre: Wir haben mit der Universität zu Lübeck einen Prototypen im Bereich Digitale Bauakte und Augmented Reality entwickelt, der es möglich macht,

mit einem Tablet gewissermaßen den Verwaltungsarbeitsplatz mit auf die Baustelle zu nehmen. So kann man etwa beim Begehungstermin das Einverständnis von Nachbarn einholen und mit Architekten oder Bauleitern zusammen Prozesse bearbeiten, die früher nur im Verlauf von Wochen im Bauamt erledigt werden konnten. Mit derartigen Lösungen kann man die Verwaltungsarbeit sozusagen aus der Amtsstube hin zum Bürger und den konkreten Projekten holen. Um das klar zu sagen, es geht uns nicht darum, durch Digitalisierung noch mehr Arbeit zu erledigen, sondern die Arbeit so zu verändern, dass auch eine andere Qualität entsteht. Schrödter: Was Herr Sahre mit Blick auf die digitale Bauakte beschrieben hat, setzt voraus, dass die Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter den Umgang mit der Technik beherrschen und die jeweiligen Prozesse kennen. Dies wiederum macht eine umfassende Aus- und Fortbildung im Bereich der Digitalisierung erforderlich. Wir haben als Landesregierung deshalb eine Million Euro bereitgestellt für ein Programm, um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fortzubilden. Nicht minder wichtig ist es aber, die Digitalisierung bereits von Anfang an zum Teil der Ausbildung zu machen. Wir haben daher einen Teil der Mittel in eine neue Professur für EGovernment an der Universität zu Lübeck investiert, die zum kommenden Sommersemester starten wird. Grundlage ist eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Universität und der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz. So soll das vorhandene Wissen, das hier akkumuliert wird, direkt in die Lehre der Fachhochschule einfließen. Künftige Mitarbeitergenerationen nehmen so bereits während ihres Studiums wichtige digitale Kompetenzen auf, die sie anschließend in die Verwaltung einbringen. Ich bin davon überzeugt, dass die Verwaltung insgesamt hiervon sehr stark profitieren wird.

DIVSI zum neuen Jahr aufgelöst Deutsche Post stellt überraschend die Finanzierung ein (BS/Wim Orth) Das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) ist mit dem Jahreswechsel aufgelöst worden. Das im Jahr 2011 von der Deutschen Post gegründete und seitdem von selber Stelle finanzierte, ansonsten aber unabhängig agierende Institut wurde für das neue Jahr überraschend nicht weiter finanziell von dem Bonner Unternehmen unterstützt. Das Institut, das laut seinem Direktor Matthias Kammer von Anfang an den Auftrag hatte, “die vielfältig auftauchenden Fragen nach der Lebenswirklichkeit der Menschen im digitalen Zeitalter” zu untersuchen sowie “über die Ergebnisse einen breit gefächerten Diskurs” anzustoßen, wurde kurz vor Jahresende von der Beendigung der Finanzierung durch die Deutsche Post überrascht.

Überraschendes Ende Somit musste das in Hamburg ansässige DIVSI wenige Tage nach Veröffentlichung seiner letzten Studie die Arbeit einstellen. Die Auflösung kam offenbar auch für die Mitarbeiter des DIVSI selbst überraschend. So kommentierte Jürgen Selonke, Chefredakteur des institutseigenen Magazins, den Abschied mit

dem Fazit: “… 7, 8, 9 – aus, Ende und Feierabend. Ein Knock-out, der viele überrascht hat.” Auch Direktor Kammer zog ein Fazit, in dem er die “mir anvertraute Aufgabe, ein solches Institut zu leiten”, als “überaus reizvoll” darstellt: “Ich habe es stets als großartige Chance begriffen, ein so wichtiges Instrument letztlich im Interesse unserer Zivilgesellschaft aufbauen zu dürfen. Jetzt, 2018, ist das traurige Schlusskapitel eingeleitet.”

Internet-Milieus als “Kernmarke” In einem inhaltlichen Rückblick legte Kammer den Fokus vor allem auf die Internet-Milieus des DIVSI, die in der ersten Studie 2012 etabliert und 2016 aktualisiert worden waren. Diese seien zu einer “Kernmarke” des

Instituts geworden: “Diese Unterscheidung in sieben Milieus von “Internetfernen Verunsicherten” bis hin zu “Digital Souveränen” eröffnete einen neuen Blick auf die differenzierte Lebenswirklichkeit der in Deutschland lebenden Menschen im aufkommenden digitalen Zeitalter.” Anhand dieser Milieugruppen untersuchte das Institut verschiedene Altersklassen auf ihre digitalen Kompetenzen und Defizite. Die Deutsche Post hatte das Institut zuletzt mit rund einer Million Euro pro Jahr finanziert. Die Schirmherrschaft über das DIVSI übernahm zu Beginn Joachim Gauck, der diese nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten an Altbundespräsident Roman Herzog abgab. Nach dessen Tod übernahm Gauck sie – nun selbst als Altbundespräsident – erneut.

IKT-Beschaffertage 2019 Themen 2019, u. a.:

12. – 13. März 2019, München

» Outsourcing des IT-Betriebs » Datenschutz und IKT-Beschaffung

Die Beschaffung von Leistungen aus dem Bereich der Informationsund Kommunikationstechnologie (IKT) stellt regelmäßig besondere Anforderungen sowohl an die Vergabestellen als auch an die potenziellen Bieter. Die Vergabeverfahren müssen den hohen Anforderungen an die zu beschaffenden Produkte gerecht werden. Eine sorgfältige Vorbereitung und Durchführung ist daher für einen wirtschaftlichen Vergabewettbewerb unerlässlich. Diesen und weiteren Themen widmen sich die IKT-Beschaffertage – wir freuen uns auf eine spannende Tagung gemeinsam mit Ihnen. www.ikt-beschaffertage.de

Veranstalter:

Fachliche Leitung:

» Bewertung und Benchmarking von IT-Geräten » Die neue EVB-IT-Cloud » Lebenszykluskosten bei der IKT-Beschaffung


Informationstechnologie

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odak hat die digitale Fotografie nicht nur erfunden, sondern war über 30 Jahre Treiber neuer Entwicklungen auf diesem Feld. Allerdings unterschätzte Kodak die Auswirkungen auf seine Geschäftsmodelle. Durch die Kombination von Social Media und Smartphones wollte die Menschheit keine Fotos mehr drucken. Der Absturz bis zum Konkurs dauerte nur wenige Jahre. Auch die Automobilindustrie war Jahrzehnte führend in der Forschung für autonomes Fahren – bis Google, Mobileye und Tesla rechts überholten. Große Organisationen verfügen über hochqualifiziertes Personal, das auch neue Technologien beherrscht. Allerdings benachteiligen deren Entscheidungsprozesse, Arbeitsweisen und Prioritäten systematisch disruptive Innovationen. Wie Ex-Google-CEO Eric Schmidt, Chairman des US Defense Innovation Board, sagte: “[das Department of Defense] tendiert dazu, den Mehrwert von Konsens, Beständigkeit und Transparenz zu Lasten von Geschwindigkeit und Agilität überzubewerten”. Unternehmen, die die digitale Transformation erfolgreich meistern, adressieren die Ursachen – Kultur – und nicht nur die Symptome - Technologie.

Unabhängigkeit und unternehmerische Freiheit Oberstes Erfolgskriterium von DIUs ist “out of the box” handeln zu können. Klassische Fehler sind, (bewährte) Arbeitsgewohnheiten zu übernehmen, auf die trägen Unterstützungsprozesse des Mutterschiffs zu setzen und

Behörden Spiegel / Januar 2019

Digital Innovation Units – Erfolgsfaktoren “Out of the Box” im Konsens ist “In the Box”

nen. Wer Start up-Mentalität und Innovationskultur ernten will, muss auf Talente des Start up-Ökosystems setzen. Auch erfahrene Venture-Capital-Investoren setzen bevorzugt auf Serien-Unternehmer.

(BS/Marcel “Otto” Yon/Dr. Stephanie Khadjavi) Wie Roman Herzog schon 1997 in seiner “Ruck-Rede” sagte: “Die Fähigkeit zur Innovation bestimmt unser Schicksal”. Fast zeitgleich prägte Harvard Professor Clayton Christensen in “The Innovator’s Dilemma” den Begriff “disruptive Innovation” und lieferte die Herleitung für die Etablierung von “Digital Innovation Units” (DIUs) (vgl. Behörden Spiegel November 2018, S. 31). Das Tätigkeits- Das Team ist wichtiger als der Businessplan spektrum von DIUs lässt sich je nach Zielsetzung in sechs Grundtypen unterscheiden (vgl. Behörden Spiegel Dezember 2018, S. 38). Inzwischen erobert das DIU-Konzept zunehmend auch den öffentlichen Sektor. Bei der Übertragung in das Verwaltungshandeln sollte auf den Erfahrungen Große Organisationen sollten jedoch nicht unterschätzt werder Wirtschaft aufgesetzt werden. Projekte von der Zustimmung der Kernorganisation abhängig zu machen. Eine DIU funktioniert per Definition nur als “auf sich gestellte Einheit”. Dies ist auch aus Sicht des Risikomanagements empfehlenswert. Das Risiko für die Gesamtorganisation wird durch das Budget der DIU begrenzt und am besten strategisch anhand eines Portfolioansatzes gesteuert, ähnlich der Venture Capital Industrie, und nicht durch die für Großorganisationen typischen Einzelfreigaben. Dabei beinhaltet das Konzept der dualen Transformation durchaus auch die Zusammenarbeit von DIU und Kernorganisation. Abhängigkeiten und aufoktroyierte Kooperationen sind hier aber kontraproduktiv, Wettbewerb zwischen Neu und Alt ist effizient.

Keine “Think Tanks”, ­sondern “Do Tanks” Die Stärke des Start up-Ökosystems liegt in der Umsetzungsund Anpassungsgeschwindigkeit kleiner Organisationen. Der “Lean Start up”-Ansatz und das agile Lernen erweisen sich in einem unbekannten, sich schnell ändernden Umfeld klassischen

gen nicht verwechselt werden: Die Digitalisierung ist Aufgabe der IT der Kernorganisation. Aufgabe einer DIU ist, die Unternehmensführung darin zu unterstützen, die Innovation der Geschäftsmodelle und digitale Transformation voran zu treiben.

Eine Frage der Kultur

Die Innovationsleistung von DIUs besteht darin, gute Ideen auch gegen Widerstände durchzusetzen. Foto: BS/CIH (© Bundeswehr/Johannes Müller)

Planungs- und Steuerungsansätzen als überlegen und deutlich wirtschaftlicher. Der Wertbeitrag von DIUs ist unternehmerischer Natur und reicht weit über das Scouting von Ideen hinaus. Folglich müssen DIUs befähigt sein, Projekte autark umzusetzen. Gute Ideen entstehen auch so jeden Tag in der Großorganisation. Die Innovationsleistung besteht darin, sie den zahlreichen Wider-

ständen zum Trotz umzusetzen. Alle Erfahrung zeigt: Disruptive Innovationen bedürfen der Führungsstärke und des Schutzes durch die erste Führungsebene. Digitale Transformation tangiert alle Unternehmensbereiche und steht – durchaus absichtich – in Konkurrenz zum Status Quo. Nur die Leitung ist in der Lage, die erforderliche Unterstützung sicherzustellen. Hierbei dürfen zwei zentrale Herausforderun-

den: In ihren Reihen gibt es Intrapreneure, die allerdings über alle Bereiche verstreut sind und allein nicht das erforderliche Momentum für Veränderung entfachen können. Diese wertvollen Talente gilt es zu identifizieren und in das DIU-Team zu integrieren. Die öffentliche Hand unterliegt besonders komplexen Rahmenbedingungen. Gerade deswegen bieten DIUs hier eine enorme Chance, die digitale Transformation erfolgreich zu gestalten. Voraussetzung ist eine konsequente Umsetzung der Strategie. Dieser Weg wird auf Widerstände treffen und erfordert ein hohes Commitment der ersten Führungsebene.

Erfolgreiche DIUs arbeiten nicht nur mit Start ups, sondern schaffen es nach Lean Start up-Prinzipien wie ein Start up zu arbeiten. Start ups sind die Weltmeister der Innovationsadaption und der Überwindung von Innovationshemmnissen. Hierbei handelt es sich um eine systematische Wertschöpfung, die durch den professionellen Einsatz agiDie Autoren geben in diesem ler Methoden, UX Design, eine kollaborative Innovationskultur Artikel ihre persönliche Meinung und die Übernahme von Verant- wieder, nicht die des Bundeswortung bei außergewöhnlichem ministeriums der Verteidigung. Einsatz erbracht wird. Mit der richtigen Start up-DNA verhilft die DIU ihrem Konzern zu einem “unfairen” Wettbewerbsvorteil, nämlich sowohl auf die Ressourcen und Marktzugänge einer Großorganisation als auch Marcel “Otto” Yon ist Leiter des Cyber Innovation Hub (CIH) der Bundeswehr. Dr. Stephanie Khadjavi auf die Innovativerantwortet die Marktforschung im CIH. onsschlagkraft eines Start ups Fotos: BS/privat bauen zu kön-

BMWi fördert digitale Gründer Gründungsoffensive richtet sich speziell an Start ups (BS/wim) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat eine neue Initiative gestartet, mit der vor allem die Gründung junger Digitalunternehmen unterstützt werden soll. Die neue Gründungsoffensive “GO” soll nicht nur dafür sorgen, dass der Gründergeist im Land gestärkt und die Kompetenzen für erfolgreiche Unternehmen vermittelt werden, sondern auch speziell auf Start ups zugeschnittene Anforderungen erfüllen. So sollen Wagniskapitale zur Verfügung gestellt werden und auch das Thema Scheitern konstruktiver betrachtet werden als bisher, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier erklärt: “Deutschland braucht mehr Menschen, die mit Mut, Kreativität und Verantwortung eigene Ideen umsetzen und innovative Produkte und Dienstleistungen entwickeln: Wir brauchen mehr Menschen, die bereit sind, Gründerinnen und Gründer und damit Unternehmerinnen und Unternehmer zu werden.” Die Gründungsoffensive soll den rückläufigen Trend der Gründungen in Deutschland

ins Gegenteil umkehren: “Die Gründerszene in Deutschland ist vielfältig, die Zahl der Gründungen geht jedoch – vor allem auch angesichts der jahrelangen guten Arbeitsmarktentwicklung – tendenziell zurück. Immerhin steigen die Zahl der chancenorientierten und innovativen Gründungen mit Wachstumspotenzial sowie insgesamt die Qualität und die Nachhaltigkeit im Gründungsgeschehen.” Neben besseren Arbeitsbedingungen für die Start ups selbst sollen auch die Rahmenbedingungen verbessert werden. So soll es eine gezielte Vernetzung von Mittelstand und jungen Digitalunternehmen geben sowie eine Förderung von internationalen Start up-Kooperationen. Zusätzlich sollen auch Frauen und Migranten gezielt zum Gründen angeregt werden, um die Potentiale dieser Gruppen ebenfalls nutzen zu können.

MELDUNG

Smart Cities: BMI unterstützt Indien (BS/wim) Die Bundesregierung unterstützt drei indische Städte auf ihrem Weg zur nachhaltigen Smart City. Zu diesem Zweck wurde im Dezember in Delhi ein Implementierungsabkommen für das “Climate Smart Cities”Projekt unterzeichnet. Das Projekt ist Teil der deutsch-indischen Urbanisierungspartnerschaft zwischen dem Bundesministerium des Innern (BMI) und dem indischen

Städtebauministerium. Staatssekretär Gunther Adler lobte die Zielstellung des Projektes, das die indischen Städte Bhubaneswar, Coimbatore und Kochi unterstützen soll auf ihrem Weg, nachhaltiger und klimafreundlicher zu werden. Die drei Städte sind Teil der 100 Smart Cities Mission, mit der die indische Regierung die Infrastrukturausstattung der Städte verbessern will.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Januar 2019

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ehörden Spiegel: Herr Popp, seit dem vergangenen August sind Sie Chief Information Officer (CIO) des Freistaates Sachsen. Warum wurde die Digitalisierung in die Staatskanzlei geholt?

Popp: Für die Sächsische Staatsregierung ist die Digitalisierung ein absolutes Kernthema. Sie ist wichtiger Bestandteil des Regierungsprogramms, den die Staatsregierung unter Führung des Ministerpräsidenten Kretschmer beschlossen hat. Zudem müssen Verwaltungsmodernisierung und E-Government ressortübergreifend gedacht und koordiniert werden und als Querschnittsaufgabe von allen gemeinsam umgesetzt werden. Da der Staatskanzlei sowieso von Amts wegen eine koordinierende Aufgabe für die Ressorts zukommt, macht es auch für die Digitalisierung der Verwaltung am meisten Sinn, wenn diese Aufgabe durch uns geführt und koordiniert wird. Behörden Spiegel: Lassen sich die neuen Aufgaben als CIO denn mit Ihrer bisherigen Arbeit verbinden?

Den Wandel von oben ins Rollen bringen Sächsischer Landes-CIO will Digitalisierung in die Chefetagen tragen

Verwaltung auch die Bürger und Unternehmen im Land davon profitieren. Behörden Spiegel: Aktuell arbeiten Sie an einem Masterplan für die digitale Verwaltung. Wie soll der aussehen und wann soll er verabschiedet werden?

(BS) Seit vergangenem Sommer ist Thomas Popp neben seiner bisherigen Aufgabe als Amtschef der Sächsischen Staatskanzlei nun auch Beauftragter für Informationstechnologie (CIO) des Freistaates Sachsen. Mit der Bündelung beider Ämter in der Staatskanzlei sollen die gemeinsamen Wirkungseffekte der Organisationsleitung der Behörde sowie der guten Verbindungen in die weiteren Ressorts genutzt werden, um die Digitalisierung gezielt in die Führungsebenen der Landesministerien zu bringen. Im Interview mit dem Behörden Spiegel spricht der neue CIO darüber, wie die digitale Transformation in Sachsen gestaltet werden kann und wie sie vom Land im Hinblick auf den bald eintretenden demografischen Popp: Der Masterplan “Digitale Wandel genutzt werden soll sowie welche Hilfestellungen das Land den Kommunen dabei auf finanzieller und fachlicher Ebene bieten kann. Die Verwaltung Sachsen” setzt die Fragen stellte R. Uwe Proll. strategischen Leitplanken für die

Thomas Popp, Amtschef der Sächsischen Staatskanzlei, ist seit August 2018 auch Beauftragter für Informationstechnologie (CIO) des Freistaates Sachsen und Vertreter des Landes im IT-Planungsrat. Foto: BS/Sächsische Staatskanzlei

Popp: Ich bin Amtschef der um den digitalen Wandel wirklich Staatskanzlei, verantwortlich für in Gang zu bringen. Bevor die die Stabsstelle Landesweite Orga- IT-Experten irgendetwas diginisationsplanung, Personalstra- talisieren können, müssen die tegie und Verwaltungsmoderni- Rahmenbedingungen geschaffen sierung, und CIO. Da gibt es eine und Prozesse digital durchgeganze Reihe von Synergieeffek- dacht und neu skizziert werden. ten, die wir bei der Digitalisierung Diese Aktivitäten müssen von von Verwaltungsdienstleistun- den Spitzen der Häuser her kogen nutzen können. Durch die ordiniert werden. AbstimBehörden mungsSpiegel: prozesse “In den nächsten Jahren zu KaSachsen werden wir uns rasant binettsist eines verändern müssen.” vorlagen der Vorreiund Perterländer in sonalSachen Dientscheidungen habe ich einen gitalisierung. Woher kommt der engen Kontakt mit den anderen digitale Drang? Ressorts, sodass wir aus der Popp: In den nächsten Jahren Staatskanzlei heraus eine gute Position haben, um die Digita- werden wir uns rasant verändern lisierung immer wieder bei den müssen. Wir haben schon vor Führungsebenen der Häuser zu einiger Zeit hochgerechnet, dass platzieren. Denn genau da muss bis zum Jahr 2030 mehr als die mehr Bewusstsein um die Chan- Hälfte aller Bediensteten alterscen und Herausforderungen hin, bedingt aus dem öffentlichen

Dienst ausscheiden wird. Wir werden aber nicht ansatzweise so viele Nachwuchskräfte finden. Auf dem gesamten Arbeitsmarkt Sachsens werden allein in den kommenden zehn Jahren 600.000 Menschen in Rente oder Ruhestand gehen, aber nur etwa 300.000 junge Leute ihre Ausbildung abschließen. Für die Verwaltung ist es also absolut notwendig, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Erledigung der Aufgaben intelligent zu unterstützen. Denn sonst müssten wir mit deutlich weniger Personal die gleiche Arbeitslast schultern und das ist unmöglich. Behörden Spiegel: In Sachsen gibt es schon seit fast fünf Jahren ein E-Government-Gesetz. Wie weit sind Sie mit der Umsetzung? Popp: Das Gesetz wurde 2014 verabschiedet, um für rechtlich gesicherte Rahmenbedingungen bei der Digitalisierung der Ver-

nächsten Jahre. Es handelt sich waltung zu sorgen, und dieses mitarbeiten. Die Staatskanzlei um ein Regierungsprogramm, Ziel haben wir auch erreicht. hat die Aufgabe, das Projekt zu dessen Kern die OZG-Umsetzung In der Zwischenzeit gab es eini- koordinieren und Finanzhilfen ist, das aber auch darüber hi­ ge Veränderungen im Anforde- zu gewähren, denn es wird Kom- nausgeht und verwaltungsinterne rungskatalog für eine moderne munen geben, die sich gewisse Modernisierungsprojekte enthält. Zudem werden Verwaltung, die Maßnahmen zur wir in einer Novelle Stärkung der untergebracht ha“Unser gemeinsames Ziel ist es, dass alle CIO-Organisation ben. Darin müssen Prozesse, die im Rahmen der OZG-Umsetzung beschrieben. Der wir unter anderem Masterplan wird neue Vorgaben aus zu digitalisieren sind, nach ihrer Marktreife gerade im KabiBrüssel oder Berlin für alle Behörden zur Verfügung stehen.” nett abgestimmt berücksichtigen, und soll im 1. etwa die UmsetQuartal 2019 bezungsrichtlinie für die E-Rechnung oder das Einfüh- Dinge nicht leisten können. Da- schlossen werden. Zuvor haben rungsgebot für interoperable Ser- her haben wir im Doppelhaushalt wir uns intensiv mit der kommuvicekonten. Die Novellierung des des Landes jeweils drei Millionen nalen Ebene abgestimmt. E-Government-Gesetzes wurde Euro pro Jahr veranschlagt, um Diese strategischen Leitlinien Ende November an den Landtag die Umsetzung des Onlinezu- und die Werkzeuge des novelübermittelt. Ich gehe von einer gangsgesetzes auf kommunaler lierten E-Government-Gesetzes Beschlussfassung im 1. Halbjahr Ebene zu unterstützen. sowie des neuen Informations2019 aus. Parallel dazu arbeiten sicherheitsgesetzes sind dann Behörden Spiegel: Unterstüt- meine Basis als CIO für die wirkwir an einem eigenständigen Informationssicherheitsgesetz. Den zen Sie die Kommunen neben same Steuerung der weiteren Entwurf hierzu hat das Kabinett der finanziellen Hilfe auch auf Digitalisierung der sächsischen zur Anhörung freigegeben. Verwaltung. fachlicher Seite? Popp: Daran arbeiten wir gerade Behörden Spiegel: Neben den mit der Sächsischen Anstalt für Landesaufgaben gibt es im Zuge Kommunale Datenverarbeitung MELDUNG des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und deren Partnern. Wir wollen auch eine Reihe verpflichtender ein Verfahren aufsetzen, mit dem Digitales Bauamt Maßnahmen für die Kommunen. wir die Kommunen finanziell und (BS/wim) Das sächsische StaatsWie arbeiten Sie mit denen zu- fachlich gleichermaßen unter- ministerium des Innern führt sammen? stützen können, um die Prozesse gemeinsam mit Partnern ein Pierfolgreich zu digitalisieren und lotprojekt zur Digitalisierung in Popp: Wir arbeiten grundsätz- anschließend in die Breite zu tra- der sächsischen Bauverwaltung lich sehr eng mit den Kommunen gen. Denn das ist unser größtes durch. Hierbei soll überprüft werim Land zusammen, sodass wir Problem: Wir haben auch vor dem den, wie zukünftig insbesondere die OZG-Vorgaben gut themati- OZG schon Prozesse digitalisiert, die Baugenehmigungsverfahren sieren und zusammen angehen aber diese nie richtig in die Fläche digitalisiert und online beispielskönnen. Unser gemeinsames Ziel verteilt bekommen. Das wollen weise über das Internet-Serviceist es, dass alle Prozesse, die im wir nun hinbekommen, damit Portal “Amt24” angeboten werden Rahmen der OZG-Umsetzung alle Akteure von unseren Digitali- können. Innenminister Prof. Dr. zu digitalisieren sind, nach ih- sierungsbemühungen profitieren Roland Wöller und Verantwortrer Marktreife für alle Behörden können. Denn nur so können wir liche der weiteren Projektbeteizur Verfügung stehen. Dadurch den gesamten Freistaat Sachsen ligten unterzeichneten Anfang haben wir eine Win-win-Situati- auf digitale Beine stellen und des Jahres in Dresden eine enton, bei der dann auch alle gerne dafür sorgen, dass neben der sprechende Absichtserklärung.

Talentmanagement

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n Bewerbungsverfahren ist immer häufiger zu beobachten, wie sich junge Talente für gesellschaftliche Themen interessieren. Es geht schon längst nicht mehr nur ums Geld. Immer häufiger ist ausschlaggebend, mit Erlerntem, neuen Methoden und Arbeitsweisen Fragen unserer Zeit angehen zu können. Das gilt für alle Fachrichtungen und Laufbahnen. In Zeiten, in denen Juristen genauso zu Gesuchten geworden sind wie Techniker, ITler und Verwaltungsfachkräfte, muss ein erfolgreiches Talentmanagement eines bieten: den zuständigkeitsübergreifenden Zugang zu herausfordernden Themen. Am Beispiel des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lässt sich das Zusammenspiel zwischen Talentmanagement und Behördenkultur sehr gut erkennen. Das BAMF hat es nach Zeiten der hohen Zugangszahlen im Asylbereich geschafft, Impulse für neue Arbeitsweisen zu setzen: Es hat nicht nur agile Ende-zu-EndeVerantwortlichkeiten implementiert. Auch die behördenübergreifende Zusammenarbeit in Teams

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Ein Blick in gelebte Zukunft (BS/Dr. Markus Richter) “Bin ich zuständig?” Im Öffentlichen Dienst ist das die oft in den Mittelpunkt gerückte Frage. Nur, was hat die Frage mit Talentmanagement zu tun? Eine ganze Menge: So sehr die Frage in der Gewaltenteilung ihre Berechtigung hat, so sehr steht sie innerhalb von Aufgabenfeldern im Wege. Schnell entsteht eine Kultur des – teils unbewussten – Wegschauens und Aufhaltens im Banalen. Das fördert ein Bild der Verwaltung, das nicht nur jungen Menschen bei der Berufswahl und -ausübung stört. und der strukturierte Austausch mit Wissenschaft und Wirtschaft sind gelebte Wirklichkeit. Zudem schöpft die Behörde den rechtlichen Rahmen aus, um Einstiegs-, Aufstiegs- und Entwicklungschancen zu erhöhen. Nicht umsonst ist das BAMF inzwischen als einer der attraktivsten Arbeitgeber in Rankings zu finden.

Behörden-Agenda “Talentmanagement”

Der Begriff “Talentmanagement” wird in Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltungspraxis unterschiedlich ausgelegt. Am Ende geht es darum, ein ganzheitliches Bild für Maßnahmen zu definieren, das auf die Gewinnung, das Halten und Entwickeln von Kräften ausgerichtet ist und eine aktive Nachfolgeplanung umfasst. Aus Arbeitgebersicht geht es darum, die Potenziale optimal und gewinnbringend zu nutzen. Je nach Relevanz Dr. Markus Richter ist Vizepräsident des Bundesamtes des Themas für für Migration und Flüchtlinge einzelne Behörden und stark im Netzwerk NExT kann dieses Portengagiert. F oto: BS/BAMF, Francisco folio nicht mehr nur klassischen Lopez Regelstrukturen überlassen bleiben. Zu schnell läuft man Gefahr,

sich wieder in Zuständigkeiten zu verlieren. Die Dimensionen können besser und vernetzter in einer Agenda adressiert werden, die zwangsläufig alle Bereiche einer Behörde betrifft. Da reicht es also nicht, Soziale Netzwerke mit kreativen Teaser-Texten für Stellenausschreibungen zu adressieren. Das BAMF hat sich aktuell beispielweise ein Strategieprogramm gegeben, in dem das Talentmanagement unter dem Leitbild “Attraktiver Arbeitgeber” fest verankert ist.

Kästchendenken endet, wenn Grenzen überwunden werden Seit jeher diskutieren Verwaltungen, wie Strukturen den wechselnden und sich ändernden Aufgaben am besten gerecht werden. Im Ergebnis scheint die Frage nach den Strukturen sekundär. Viel entscheidender ist, wer sie ausfüllt und wie sie gelebt werden. Um hier mehr Anreize zu setzen und dem steten Wandel Struktur zu geben, gibt es inzwischen nicht mehr nur aus der Wirtschaft praxiserprobte Instrumente und Methoden. Die Etablierung von internen Marktplätzen für Aufgaben und Talente ist beispielsweise ein Mittel, um das übergreifende Denken und Arbeiten auch

zwischen Linienstrukturen zu erleichtern. Mit “Marktplatz” ist keine Matrixstruktur gemeint. Es handelt sich um eine besondere Form der Interessenbekundung. Projekte und Aufgaben der Linie können dort “angeboten” und beworben werden. Talente melden sich auf diese. Wenn Angebot und Nachfrage zueinander passen, folgt ein zeitlich und thematisch definierter Einsatz in der Aufgabe. Ein Marktplatz kann die Kommunikation und die Kultur einer Behörde stark beeinflussen. Der Anbietende ist gehalten, seine Aufgabe attraktiv zu gestalten und darzustellen. Der Interessent hat die Möglichkeit, leichter zwischen Aufgaben zu wechseln, muss aber fortlaufend an sich selber arbeiten. Behördenkultur und -strukturen sind das eine. Das andere ist die kontinuierliche Verbesserung der Wertschöpfung. Diese gelingt, wenn sich Mitarbeitende optimal einbringen können und Verantwortung übernehmen. Immer häufiger finden sich dazu – vor allem bei Behörden mit operativen Bereichen – Methoden des Lean Managements: Arbeitsabläufe werden von Mitarbeitenden selbst auf den Prüfstand gestellt, die Teamleistung sowie vernetzte Denk- und Verhaltensweisen ge-

fördert. Die Organisation richtet sich darauf aus, Komplexität und Ineffizienzen zu reduzieren.

rung einer behördeninternen Beratung gibt einen Rahmen und Nachhaltigkeit. Die interne Beratung trägt erheblich zu lernenden Strukturen in Behörden bei und kann auch die Etablierung von Lean Management voranbringen. Vertraulichkeit und hohe Methodenkompetenz dürfen dabei externen Beratungsverträgen nicht nachstehen.

Neue Arbeits- und Qualifizierungswelten Neben Inhalten und Strukturen, sind Rahmenbedingungen für ein Talentmanagement wichtig. Damit sind nicht nur die Personalentwicklung, der Aufstieg und die Entlohnung gemeint. Auch neue Formen der Qualifizierungen, Innovationslabore und Arbeitswelten sogen für mehr Attraktivität und Erfolg von Behörden. Das BAMF verfügt über erste solche Arbeitswelten. Beispielsweise ist sein Qualifizierungszentrum eines der zukunftsweisendsten. Auch aus der Wirtschaft gibt es reges Interesse und der Austausch wird bewusst in beide Richtungen auf Basis von Kooperationsverträgen gefördert. Neue Arbeits- und Denkweisen erfordern praktische Begleitung. Klassische Schulungen reichen da längst nicht mehr aus. Die Lernbegleitung etwa durch einen Coach ist arbeitsbegleitend gefordert. Es ist daher angezeigt, diese Skills im eigenen Haus aufzubauen und nicht dauerhaft extern einzukaufen. Dies kann durch den gezielten Aufbau von Experten erfolgen. Die Etablie-

NExT: Veränderung durch Zusammenarbeit erleichtern Keine Frage, ein umfassendes Talentmanagement bringt erhebliche Veränderungen mit sich. Inzwischen haben sich über 30 Behördenvertreter zu dem Netzwerk NExT zusammengeschlossen, in dem das Talentmanagement eine zentrale Rolle einnimmt (www. next-netz.de). Das Netzwerk arbeitet in sechsmonatigen Sprints (Arbeitszeiträumen). Dabei geht es vor allem um Themen rund um die digitale Transformation. In der Zusammenarbeit zwischen Behörden liegen ungenutzte Potenziale für das Talentmanagement, die sich keine andere Branche so leicht erschließen kann. Diese Chance will gestaltet sein. Nach Erfahrungen aus NExT sind Arbeitseinsätze besonders attraktiv, bei denen Talente mit neuen Methoden in agilen Arbeitswelten gesellschaftsrelevante Themen bearbeiten. Dies gilt besonders auch bei geplanten Einsatzwechseln zwischen Behörden.


IT-Sicherheit

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Behörden Spiegel / Januar 2019

Herausforderungen nach der DSGVO

W

esentliche Voraussetzung dafür ist, dass die Aufsichtsbehörden losgelöst von jeglicher Beeinflussung von außen agieren können. Es ist deshalb mehr als zu begrüßen, dass die völlige Unabhängigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden ebenso garantiert ist wie die Unabhängigkeit der europäischen Datenschutzaufsicht insgesamt.

Die neue Rolle der Aufsichtsbehörden (BS/Barbara Thiel) Der 25. Mai des vergangenen Jahres markiert einen bedeutsamen Wendepunkt in der Geschichte des Datenschutzes. Seit diesem Tag kommt die neue europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als unmittelbar geltendes Recht in der gesamten Europäischen Union zur Anwendung. Eine tragende Säule der DSGVO ist die neue Rolle der nationalen Aufsichtsbehörden, deren Aufgabe es nunmehr ist, europäisches Recht auf nationaler Ebene anzuwenden und durchzusetzen. Ohne Zweifel ist den Aufsichtsbehörden damit mehr Macht zugestanden worden. Neben den Gerichten werden sie maßgeblich die Umsetzung eines einheitlichen europäischen Datenschutzniveaus vorantreiben. Ihre Tätigkeit wird mitentscheidend dafür sein, inwieweit die DSGVO ihr Ziel eines wirksam gelebten Datenschutzes tatsächlich erreichen kann. Sanktionsmöglichkeiten durch Geldbußen. Bei rechtswidrigen Datenverarbeitungen können nun Geldbußen in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro oder im Fall eines Unternehmens von bis zu vier Prozent des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes verhängt werden – ein Quantensprung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Während vorher eine Strafe für einen Datenschutzverstoß vielleicht noch billigend in Kauf genommen wurde, ist nun die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen definitiv lohnender. Zwar agieren die Aufsichtsbehörden hier bislang noch sehr zurückhaltend. Auf keinen Fall wird dies aber als Maßstab für deren künftiges Verhalten zu werten sein. Noch gilt es, eingeleitete Kontrollverfahren zum Abschluss zu bringen. Erst dann wird –

Anforderungen und Sanktionsmöglichkeiten Die Anforderungen, die die DSGVO an die Aufsichtsbehörden stellt, sind hoch. Allein Art. 57 DSGVO enthält einen Katalog von insgesamt 22 Aufgaben. Hinzu kommen noch weitere aus anderen Einzelvorschriften der DSGVO. Zur Erfüllung dieser Aufgaben gewährt die DSGVO den Aufsichtsbehörden in Art. 58 eine Reihe wichtiger Befugnisse. Neben Warnungen und Verwarnungen können sie verbindliche Anordnungen aussprechen, um das Datenschutzrecht durchzusetzen. Neu ist hier für Deutschland vor allem, dass diese Befugnisse auch gegenüber öffentlichen Stellen gelten. Eine weitere wichtige Neuerung sind die sehr weit reichenden

abhängig von Art und Schwere des Verstoßes – in jedem Einzelfall zu entscheiden sein, ob und in welcher Höhe ein Bußgeld verhängt wird. Schon nach altem Recht haben die Datenschutzbehörden nicht nur Aufsicht und Kontrolle ausgeübt, sondern auch Beratungs- und Unterstützungsaufgaben wahrgenommen. Mit der DSGVO hat diese Beratungstätigkeit nicht nur deutlich zugenommen, sondern zugleich auch eine neue Qualität erlangt. Aufgabe der Aufsichtsbehörden ist es nunmehr, proaktiv auf Bürgerinnen und Bürger einerseits und auf Unternehmen und Be-

Barbara Thiel ist die Landes­ beauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen. Foto: BS/LfD Niedersachsen

hörden andererseits zuzugehen und diese zu informieren, zu sensibilisieren und aufzuklären. Daneben verbessert die DSGVO auch die Rechte der betroffenen Personen gegenüber der Aufsichtsbehörde. Diese haben nunmehr Anspruch darauf, dass die Behörde ihre Beschwerde in angemessenem Umfang bearbeitet und ihnen eine Antwort zukommen lässt. Geschieht dies

nicht oder nicht in ausreichender Weise, haben die betroffenen Personen die Möglichkeit, gerichtlich gegen die Aufsichtsbehörde bzw. deren Entscheidung vorzugehen. Die DSGVO hält schließlich eine besondere neue Herausforderung für die Aufsichtsbehörden bereit, die ohne Zweifel entscheidende Auswirkungen auf deren Arbeitsweise hat, zumal in vielen Fällen zeitlich enge Fristen zu beachten sind. Bei Datenverarbeitungen, die nicht nur einen Mitgliedsstaat betreffen, ist nun eine enge Zusammenarbeit aller betroffenen Aufsichtsbehörden erforderlich. Diese sind verpflichtet, sich abzustimmen und gemeinsame Lösungen zu finden. Gelingt dies nicht, schreibt die DSGVO eine verbindliche Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden der EUMitgliedsstaaten mit dem Euro-

Datenschutz und Digitalisierung verheiraten

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er Kapitaleinsatz der USA und Chinas für die Finanzierung von KI-Projekten und marktreifen Geschäftsmodellen übersteigt den in Europa bei Weitem. Dennoch sieht Saskia Esken (SPD), Mitglied des Bundestagsausschusses Digitale Agenda hier Chancen, und zwar aufgrund gut ausgebauter Forschungsstrukturen und eines hohen Maßes an technologischem Wissen. Was fehlt, sind Daten. Der Vorsprung amerikanischer Plattformunternehmen, die schon lange Personen- und Nutzungsdaten anhäufen, ist nicht aufzuholen – erst recht nicht unter dem Regime der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Doch bei vielen denkbaren Einsatzszenarien von KI ist das vielleicht auch nicht nötig. So wären beispielsweise Analysen von Verkehrsoder Gesundheitsdaten durch Anonymisierung datenschutzkonform machbar. Auf Masse könnte man durch Zusammenarbeit kommen. “Die Kultur des Teilens müsste weiterentwickelt werden”, forderte Esken mit Blick auf Daten der öffentlichen Hand und aus der Forschung. Auch über Wege, Unternehmen zum Teilen zu bringen, sei nachzudenken, betonte sie auf dem Politischen Weltsicherheitsfrühstück des Behörden Spiegel in Berlin. Die DSGVO sei auch als Chance zu begreifen. Denn in der Umsetzung des strengen Datenschutzregimes liege das Potenzial, eine solide Datenmanagementkultur

Chancen für KI und Big Data in Deutschland und Europa (BS/stb) Künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch und wird wohl eines der bestimmenden Themen der Zukunft sein. Ihr volles Potenzial wird sie aber nur dort ausspielen können, wo sie eine solide Datenbasis vorfindet. Das hohe Datenschutzniveau in Deutschland und Europa könnte sich als Hürde erweisen, fürchten einige. Andere halten eine Verheiratung von Datenschutz und Digitalisierung für den Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit. zu entwickeln, durch die relevante Daten in der Organisation qualitativ hochwertig und zugänglich gehalten würden. Das sei auch eine gute Basis für KI-Anwendungen, so Esken: “Fehler liegen oftmals nicht in Algorithmen begründet, sondern in minderwertigen Daten.”

Europa auf gutem Weg? Etwas pessimistischer, was die Verheiratung von Digitalisierung und Datenschutz betrifft, zeigte sich Andreas Heppner-Tippe, Sales Manager öffentliche Auftraggeber bei Trend Micro. Die Zukunft der digitalen Märkte würde den großen amerikanischen und zunehmend auch chinesischen Plattformdienstleistern gehören. Diese würden sich von ihren Geschäftsmodellen, die auf Kapitalisierung personenbezogener Daten basierten, auch nicht zurückziehen. “Der technologische Wandel wird uns überrollen, und zwar ohne Rücksicht auf den Datenschutz”, so Heppner-Tippes Einschätzung. Zumindest in Europa bestehe aber Hoffnung, Datenschutz und Digitalisierung nachhaltig zusammenzubringen – Zeit, Geduld und Sachverstand vorausgesetzt. “Dafür sprechen langjährige

Diskutierten über Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz: Andreas Heppner-Tippe (Trend Micro, l.) und Dr. Steffen-Werner Meyer (stellv. Landesdatenschutzbeauftragter des Saarlandes) Fotos: BS/Stiebel

Erfahrungen im europäischen Datenschutz und insbesondere mit dem deutschen Datenschutzgesetz”, so Heppner-Tippe. Dazu müssten aber auch die Mittel zur Kontrolle und Ahndung bereitgestellt werden. Dass auch datengetriebene Geschäftsmodelle durchaus im Einklang mit europäischem Datenschutzrecht erfolgreich sein können, zeigte Heppner-Tippe am Beispiel Trend Micro. Für den japanischen Hersteller von IT-Sicherheitslösungen gelte, je mehr Kundendaten gesammelt würden, desto besser sei das Schutzniveau für jeden Einzelnen. Gesammelt werde aber nur mit dem Einverständnis des Kunden. “Die erhobenen Telemetriedaten werden im Internet

Threat Hunting ist weit mehr als ein Trend von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security

Die vergangenen drei Jahre standen im Zeichen von Ransomware und Crypto Jacking. 2019 werden “Supply Chain” und “Live Hacking” die Schlagworte im Bereich der Cyber Security sein. Bei Supply-ChainAngriffen sind in der Regel Unternehmen und Privatpersonen gleichermaßen betroffen. Hacker geben Schadsoftware hierbei einen legitimen Anstrich. Sie brechen in die IT-Infrastruktur von Softwareanbietern ein, um schadhafte Malware zu installieren und so durch ein Update eine Vielzahl von Kundengeräten zu infizieren. Die neuesten Live-HackingMethoden hingegen zielen auf

das aktive Infiltrieren eines bestimmten Netzwerkes ab und stellen vor allem für Behörden und Unternehmen eine neue Qualität der Bedrohung dar. Unabdingbar ist eine intelligente IT-Security-Strategie mit umfassenden und selbstlernenden Algorithmen. Neben der Transparenz an jedem Punkt des Angriffszyklus gilt die frühzeitige Erkennung von normabweichenden Aktivitäten als Voraussetzung, um Hackerangriffe effektiv zur verhindern. Threat Hunting als proaktive Maßnahme liefert dabei die nötigen Hypothesen, um sogenannte “Indicators of Attacks” zu identifizieren. Deren Präsenz im jewei-

ligen Netzwerk wird überprüft und ggf. werden Schutzmaßnahmen gegen Hackerangriffe bereits implementiert, bevor diese stattgefunden haben. Nur wenige Entwickler sind heute in der Lage, solch komplexe Threat-Hunting-Lösungen anzubieten. Gleichzeitig setzt der Einsatz dieser HightechTechnologien ein High-LevelCyber-Security-Personal voraus. Um dieses Problem zu umgehen, hat Panda Security als erster Anbieter eine vollautomatisierte Lösung entwickelt und stellt diese ab Ende Q1 2019 seinen Nutzern zur Verfügung. Ihr Jan Lindner

transparent dargestellt”, betonte Heppner-Tippe, Der Anspruch an Transparenz werde in Zukunft aber zu einer Herausforderung, wenn gerade im Bereich der ITSicherheit verstärkt KI-Systeme zum Einsatz kämen.

Hier knüpfte Dr. Steffen-Werner Meyer an. Der stellvertretende Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit des Saarlandes wies daraufhin, dass die Künstliche Intelligenz zwar große Chancen berge, aufwendige Arbeitsabläufe deutlich zu beschleunigen. Da, wo Entscheidungen getroffen würden, die erheblichen Einfluss auf das Leben von Bürgern hätten, müsse aber mit besonderem Augenmaß herangegangen werden. So sei in den USA ein System im Einsatz gewesen, mit dem das Rückfallrisiko von Angeklagten berechnet worden sei, um Richter bei Entscheidungen über Kautionshöhen oder Freilassung auf Bewährung zu unterstützen. Al-

päischen Datenschutzausschuss im sog. Kohärenzverfahren vor. Der Ausschuss, der sich aus den Leitern der nationalen Aufsichtsbehörden zusammensetzt – Deutschland wird hier durch die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit vertreten –, verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit. Er ist befugt, Streitigkeiten zwischen den Datenschutzaufsichtsbehörden über die Auslegung und Anwendung der DSGVO verbindlich zu beenden.

Nachbesserungsbedarf in der Ausstattung Die Aufsichtsbehörden sind bereit, sich den neuen He­ rausforderungen zu stellen und diese zu bewältigen. Ob ihnen dies gelingen wird, hängt ganz maßgeblich davon ab, wie sie künftig organisatorisch, finanziell und vor allem personell ausgestattet sein werden. Angesichts der dargestellten Aufgaben und mit Blick auf die Arbeitslast der vergangenen Monate gibt es hier erheblichen Nachbesserungsbedarf und es bleibt zu hoffen, dass diesem Bedarf in angemessener Weise Rechnung getragen wird.

lerdings habe sich gezeigt, dass Afroamerikaner dabei systematisch diskriminiert worden seien. “Es muss bei diesen Technologien sehr genau auf den Input geachtet werden”, forderte Meyer, “sonst ersetzt man menschliche Vorurteile durch maschinelle.” Weil KI nicht unfehlbar sei, brauche es Regeln, so Meyer weiter. Das Problem: Selbst die Entwickler wissen häufig nicht, wie die Systeme zu ihren Ergebnissen kommen. “Wenn Betroffene nicht wissen können, warum eine Entscheidung getroffen wurde, können sie dagegen auch nicht vorgehen”, befürchtet der Datenschützer. “Genauso wenig können die Entscheider für KIgestützte Entscheidungen die Verantwortung übernehmen.” Am Ende liege alles in der Hand einer Maschine. Die nötige Transparenz könne nur durch Regulierung und Schaffung einer klaren Rechtslage für automatisierte Entscheidungen erreicht werden, schloss Meyer.

Behörden setzen auf DocSetMinder Informationssicherheit für jede Behörde (BS/Krzysztof Paschke*) Eine Vielzahl von Migrationsprojekten und die große Nachfrage nach dem GSTOOLNachfolger DocSetMinder im Jahr 2018 zeigen eine hohe Akzeptanz des modernisierten IT-Grundschutzes und des ISIS12 in der öffentlichen Verwaltung. Im Rahmen der durchgeführten Ausschreibungen bekam die GRC Partner GmbH mit ihrer Compliance-Management-Software DocSetMinder den Zuschlag des Staatsbetriebes Sächsische Informatik Dienste (SID) und des IT-Dienstleistungszentrums Saarland (IT-DLZ), die in Sachsen und im Saarland Verfahren und Anwendungen für die jeweilige Landesverwaltung hosten und betreiben. Entscheidend für die Erteilung des Zuschlags war die vollständige Erfüllung der Ausschreibungskriterien sowie der angemessene Preis und der erforderliche Funktionsumfang. DocSetMinder bildet mit dem Modul “IT-Grundschutz” konsequent alle Anforderungen und die Methodik des modernisierten ITGrundschutzes ab. Durchdachte Softwarefunktionen unterstützen die Anwender aktiv in jeder Phase des Sicherheitsprozesses, von der Planung über die Umsetzung bis hin zum Audit. Die IT-Grundschutz-Kataloge und das IT-Grundschutz-Kompendium können, ähnlich wie das Schichtenmodell des alten und neuen Grundschutzes, parallel verwendet werden. Durch

die konfigurierbare Auswahl der Vorgehensweise (Basis-, Kernund Standard-Absicherung) und die Sicherheitsanforderungsstufe (Basis-, Standardanforderung und erhöhter Schutzbedarf) eignet sich DocSetMinder für den Einsatz in Behörden jeder Größe. Die Effizienz der Software zeigt sich insbesondere in der gleichzeitigen Umsetzung der BSI-Standards 200-2/-3, der EU-DSGVO und des BSIStandards 100-4 sowie in der gemeinsamen Durchführung der

Strukturanalyse, Risikoanalyse und Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen. Die integrierte und praxisnahe Migrationsroutine für die Übernahme der Sicherheitskonzepte aus dem BSI-Standard 100-2 in 200-2 rundet den DocSetMinder ab. DocSetMinder bietet somit eine hervorragende Grundlage, um Behörden nicht nur sicher, sondern auch “Ready for Audit” zu machen. *Krzysztof Paschke ist Geschäftsführer der GRC Partner GmbH.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Januar 2019

B

ehörden Spiegel: Herr Kleffel, wo sehen Sie den Vorteil einer eigenständigen Behörde für die IT-Sicherheit?

Kleffel: Im Freistaat Bayern gibt es mit dem LSI einen kompetenten Ansprechpartner auf Landesebene für das Thema IT-Sicherheit in der öffentlichen Verwaltung. Das betrifft die Staatsverwaltung genauso wie die kommunale Verwaltung. Auch öffentliche, kommunale Unternehmen wie Stadtwerke sind Zielgruppe unserer Beratung. Auf der anderen Seite ist die Trennung des Betriebs von Behördennetz und Rechenzentrum von der IT-Sicherheit sinnvoll. Der Betreiber sollte eben nicht gleichzeitig der Überwacher sein. Das wird beim Bund ähnlich gehandhabt, genauso wie bei vielen Privatunternehmen. Vor allem ist die Errichtung des LSI ein Signal an die Staatsverwaltung und an den kommunalen Bereich: Der Freistaat Bayern stellt mit einer eigenen Landesbehörde Ressourcen zur Verfügung, um die öffentliche Verwaltung bei der IT-Sicherheit voranzubringen. Das Thema erhält Gewicht und finanzielle und personelle Mittel werden am LSI als Kristallisationspunkt und als zentrale Informationsdrehscheibe festgemacht. Behörden Spiegel: Die meisten Länder vertiefen derzeit ihre Kooperation mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Bayern plant dazu keinen formellen Schritt. Sind Sie überzeugt, selbst genügend Ressourcen aufbringen zu können? Kleffel: Das würde ich so nicht sagen. Wir arbeiten jetzt schon eng mit dem BSI zusammen. ITSicherheit lebt von einem engen, vertrauensvollen Informationsaustausch und den pflegen wir insbesondere mit dem BSI. Es gibt etablierte Informationsaustauschkanäle wie den Verwaltungs-CERT-Verbund, die wir sehr schätzen und die wir auch unbedingt brauchen. Bund und Länder tauschen sich darüber hinsichtlich konkreter Gefahren aus. Der Meldeweg muss schnell, konsequent und vertrauensvoll funktionieren und er darf auch gerne noch weiter ausgebaut werden. Aber auf der anderen Seite ist völlig klar, dass die konkreten Herausforderungen der IT-Sicherheit dort gelöst werden müssen, wo das IT-System betrieben wird. Deshalb bin ich felsenfest davon überzeugt, dass sich der Freistaat Bayern um den Schutz seiner staatlichen IT-Infrastruk-

I

nformationssicherheit stellt für Behörden eine wichtige Herausforderung dar, welche durch Vorgaben des BSI, KRITIS-Verordnung, Datenschutzgrundverordnung oder andere Gesetze und Grundsatzpapiere immer stärker eingefordert wird. Üblicherweise geht dem eine Standardisierung der ITBetriebsprozesse voraus, welche bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Jahr 2010 auf Basis von ITIL (IT Infrastructure Library) abgeschlossen wurde. Im Jahr 2015 wurde das Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) der BA auf

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Kristallisationspunkt für die IT-Sicherheit Neues bayerisches Landesamt als Kompetenzzentrum für Staat, Kommunen und Bürger (BS) Ende 2017 hat der Freistaat Bayern das Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) als Landesoberbehörde im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat erreichtet. Nach gut einem Jahr spricht der Präsident Daniel Kleffel im Interview mit dem Behörden Spiegel über den bisherigen Aufbau des LSI, über die Personalgewinnung im IT-Bereich und die Zusammenarbeit mit der Bundesebene einerseits und den bayerischen Kommunen andererseits. Die Fragen stellte Benjamin Stiebel.

Daniel Kleffel, Präsident des bayerischen LSI, im Gespräch mit dem Behörden Spiegel Foto: BS/Stiebel

tur selbst kümmern muss. Das hat er bisher schon gemacht und mit dem LSI baut er seine Kompetenz und seine Manpower noch einmal deutlich aus. Dazu kommt, dass die Kommunen nun einmal auch Teil der Länder sind. In Bayern sind es 2.056, um sich das mal zu vergegenwärtigen. Und die haben den Anspruch, einen lokalen Landesansprechpartner zu haben. Das haben unsere vielen Kontakte zu Gemeinden und kommunalen Unternehmen in den letzten Monaten auch sehr deutlich gezeigt. Ein Beispiel: Es gibt eine laufende Bund/Länder-Arbeitsgruppe zur Absicherung von Wahlen mit Beteiligung des BSI, der Bundes- und Landeswahlleiter und des LSI. Diese Arbeitsgruppe hat aktuell Maßnahmen für Kommunen zur besseren Absicherung der Europawahlen im Mai 2019 ausgearbeitet. Aber wie kommen die dort an? Dafür braucht es einen Transmissionsriemen und für die bayerischen Kommunen ist dieser Transmissionsriemen das LSI. Behörden Spiegel: Welche Aufgaben hat das LSI in Bezug auf die Landesverwaltung? Kleffel: Der Schutz und die Gefahrenabwehr der staatlichen ITInfrastruktur, also des Behördennetzes und des Rechenzentrums, sind eine zentrale Aufgabe. Das umfasst neben der Netzüberwachung auch Angriffsanalyse und die Vorfallsbearbeitung. Für die Landesbehörden führen wir außerdem Web-Pentests durch. Keine Web-Anwendung des Freistaats Bayern geht an den Start, ohne so einen Sicherheitstest

bestanden zu haben. Außerdem unterstützen wir die Staatsverwaltung bei der Einführung von Informationssicherheits-Managementsystemen (ISMS) auf BSIIT-Grundschutzbasis. Generell bringen wir natürlich als LSI Beratungskompetenz in neu zu entwickelnde IT-Verfahren ein und führen auch Produktbewertungen durch. In regelmäßigen Abständen kommt das Arbeitsgremium IT-Sicherheit zusammen. Dort tauschen sich der Referatsleiter IT-Sicherheit und Landes-CISO sowie die Ressortbeauftragten für IT-Sicherheit und das LSI aus und fassen Beschlüsse. Behörden Spiegel: Was kann das LSI den bayerischen Kommunen anbieten?

Kleffel: Momentan führen wir eine Reihe von regionalen ITSicherheitskonferenzen durch. Die Veranstaltungen dienen zur Sensibilisierung, aber vor allem kommen wir mit den Gemeinden ins Gespräch. In den letzten Monaten konnten wir viele Hundert Leute begrüßen. Man merkt, dass das Thema IT-Sicherheit in den Kommunen stark unter den Nägeln brennt. Ein klares Ziel ist die Anbindung weiterer Kommunen an das bayerische Behördennetz. Das bietet ein gutes Schutzniveau, das nicht jede Kommune so mit einem eigenen Netzzugang realisieren kann. Noch haben nicht alle Zugang, aber aus ITSicherheitssicht ist es angeraten, die 100 Prozent voll zu machen. Wir raten den Gemeinden zur Anbindung und stellen die Weichen entsprechend.

An diesem Beispiel wird ganz deutlich: Eine Landesbehörde als zentraler Ansprechpartner macht Sinn, weil man direkte Kontakte auf einem viel höheren Vertrauensniveau aufbauen kann. Behörden Spiegel: Auch Bürger sind Zielgruppe des LSI. Wie wollen Sie die erreichen? Kleffel: Vor allem auf regionaler Ebene über die sogenannten BayernLabs. Das sind offene Zentren für digitale Wissensbildung, die auf Initiative des Staatsministeriums für Finanzen und Heimat eingerichtet werden. Das Motto lautet: Anschauen, Anfassen und Ausprobieren zu digitalen Themen. Damit sollen Bürger auf einem einfachen und spielerischen Niveau angesprochen werden. Neben Veranstaltungen gibt es auch Dauerausstellungen und ein Teil davon beschäftigt sich schon mit dem Thema IT-Sicherheit. Es gibt inzwischen schon sechs BayernLabs, insgesamt sollen es 13 werden – mindestens eins in jedem Regierungsbezirk.

Kleffel: Bayern hat, wie gesagt, 2.056 Kommunen. Das reicht von der Landeshauptstadt bis Behörden Spiegel: Welche zur Gemeinde mit wenigen hundert Einwohnern. In dieser enor- Funktion hat das LSI in Bezug men Spannweite bewegt sich die auf öffentliche Unternehmen? kommunale IT-Sicherheit und entsprechend differenziert muss Kleffel: Hier liegt ein besondas Thema behandelt werden. derer Fokus auf Unternehmen Behörden Spiegel: Wie zufrieDie Herausforderungen sind im im Versorgungsbereich, die unKern allerdings sehr ähnlich. So terhalb der Meldeschwellen der den sind sie mit der Personalgemuss mit den sensiblen Daten BSI-KRITIS-Verordnung liegen. winnung? von Bürgern und Unternehmen Diese hängen momentan noch Kleffel: Wir sind Ende 2017 im Gemeindegebiet sicher um- irgendwo in der Luft. Durch eine gegangen werden. Auch die Be- große Spannweite in den Unter- mit acht Leuten aus dem Bayreitstellung von ern-CERT Verwaltungs gestartet, “Es ist völlig klar, dass die konkreten Herausforde­dienstleistunStand Januar rungen der IT-Sicherheit dort gelöst werden müssen, 2019 sind wir gen im Internet ist eine Heraus56. Insofern wo das IT-System betrieben wird.” forderung. Das haben wir funktioniert nur schon einen mit einem vernünftigen Basis- nehmensgrößen ergeben sich ganz guten Wachstumspfad zuauch hier große Unterschiede. rückgelegt. Im Endaufbau soll schutz. In Bayern sind die Kommunen Obwohl natürlich die IT-Sicher- das LSI 200 Leute bis 2020 haben gemäß E-Governmentgesetz ver- heitslage für alle gleichermaßen und damit wird eine weitgehende pflichtet, bis Ende 2019 kom- herausfordernd ist. Betreuung der LSI-Zielgruppen munale IT-Sicherheitskonzepte Wir wollen die Beratung künf- möglich sein. einzuführen. Dafür gibt es un- tig noch ausweiten. In einem Natürlich ist die Gewinnung terschiedliche Vorgehensmodel- ersten Schritt wollen wir einen von IT-Personal und IT-Sicherle, wie zum Beispiel ISIS12 für Informationsdienst zu konkreten heitspersonal im Besonderen hekleinere bis mittelgroße Organi- Gefährdungen etablieren. So hat rausfordernd. Wir haben viele sationseinheiten. Die Beratung es kürzlich eine Meldung von Bewerbungsrunden mit vielen zu diesem Thema wird sehr in- Sicherheitsforschern gegeben, die Einstellungsgesprächen in den tensiv nachgefragt. Ansonsten festgestellt haben, dass Maschi- letzten Monaten durchgeführt stehen wir auch zu ganz kon- nensteuerungsanlagen in einigen und gutes Personal gefunden. Es kreten Fragen zur Verfügung, die kommunalen Klärwerken prak- geht schrittweise voran und es Kommunen bewegen, wie Mobile tisch ohne Basisabsicherung frei wird auch in diesem Jahr viele Device Management oder Netz- zugänglich waren. Damit sind wir Einstellungsrunden geben. anbindung. unmittelbar auf relevante BetreiBehörden Spiegel: Was können ber im Freistaat zugegangen und Behörden Spiegel: Was können haben diesen die Risiken und Sie den umkämpften IT-Experten Sie noch tun? Abhilfemaßnahmen geschildert. anbieten?

Bundesagentur für Arbeit erreicht nächste IT-Security-Stufe Operative Informationssicherheit mit SOC und CERT (BS/Walter Karl) Die Bundesagentur für Arbeit war im Jahr 2015 eine der ersten Behörden, welche die IT-Security-Zertifizierung ISO 27001 auf Basis des IT-Grundschutzes des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) für die hauseigene IT-Produktion absolvierten. Mit der Einrichtung eines eigenen Security Operation Centers (SOC) und eines Computer Emergency Response Teams (CERT) wurde jetzt die nächste Stufe der operativen IT-Security erreicht. Basis des BSI-Grundschutzes zertifiziert und im Jahr 2018 erfolgreich rezertifiziert. Das ISMS beinhaltet auch eine Reihe präventiver, technischer Maßnahmen wie z. B. Firewalls und Virenschutzsysteme. Nach Aussage des Bereichsleiters IT-Sicherheit (CISO) der BA und “Bedarfsträger

Das IT-Systemhaus der BA (BS) Das IT-Systemhaus ist der IT-Dienstleister der Bundesagentur für Arbeit. Die besondere Dienststelle betreut mit ca. 2.000 Mitarbeitern über 160.000 Arbeitsplatzsysteme und betreibt ca. 18.000 Server. Zu den Aufgaben gehören der Betrieb von redundanten, hochverfügbaren Rechenzentren und die Entwicklung von Basisarchitekturen und Softwarelösungen. Mit dem Security Operation Center (SOC) und dem Computer Emergency Response Team (CERT) übernimmt das IT-Systemhaus außerdem operative Aufgaben im Bereich der Informationssicherheit.

des CERT-BA”, Eugen Bayerlein, sind aber weitere Maßnahmen zur Detektion und Reaktion auf Angriffe notwendig: “Um zu priorisieren, wo wir uns gegen Angreifer besser positionieren müssen, haben wir im Jahr 2015 zusätzlich ein Breach Readiness Assessment durchgeführt. Die dabei erkannten Potenziale führten zum Aufbau eines eigenen CERTs durch das IT-Systemhaus. Zusätzlich wurde noch ein eigener Bereich für Sicherheit in der Softwareentwicklung in Angriff genommen.”

Vom Strategischen hin zum Operativen Innerhalb von nur zwei Jahren hat das CERT-BA inklusive SOC eine Truppe von 20 internen Mitarbeitern aufgebaut, welche sich

In der Vorfallserkennung werden ca. 300 Millionen sicherheitsrelevante Ereignisse (Logs) pro Tag Walter Karl ist Leiter des Security Operation Centers verarbeitet und der Bundesagentur für Arbeit. 100 Alarme anhand standardiFoto: BS/privat sierter Behandlungspläne (sog. Runbooks) abgeheute operativ um IT-Security arbeitet. Weitere kümmern. Unterstützt werden Informationen zu den Aufgabensie durch externe Ressourcen gebieten finden sich auch unter wie ein Cyber Defence Team für www.arbeitsagentur.de/cert . Notfälle. Die tägliche Arbeit teilt sich ne- Die Achse der Guten Ein zentrales Anliegen der BA für ben der CERT- bzw. SOC-Leitung in die Bereiche Vorfallserken- die Weiterentwicklung auf dem nung (Monitoring), Vorfallsbe- Gebiet der Informationssicherheit handlung (Incident Response), wird die institutionsübergreifenDigitale Forensik und Betrieb. de Kooperation zwischen den

Kleffel: Der Freistaat tut hier eine ganze Menge. Bereits mit dem Nachtragshaushalt für 2018 wurde die Möglichkeit geschaffen, IT-Personal bei einem Einstieg in der 3. Qualifizierungsebene einen Gehaltszuschlag von 400 Euro zu geben und die Mitarbeiter wesentlich schneller zu verbeamten. Das wirkt und das haben wir im LSI auch schon verschiedentlich angewandt. Wir bieten auch die Möglichkeit, ein duales Studium bei uns zu absolvieren. Momentan studieren fünf Leute im Ausbildungsgang Verwaltungsinformatik. Die haben einen großen Anteil Informatik und einen wesentlich kleineren Anteil zu Verwaltungsthemen. Damit sind sie fachlich und thematisch gut auf den Einsatz in einer Staatsbehörde vorbereitet. Im LSI haben wir bereits Mitarbeiter, die diese Ausbildung von anderen Behörden her hinter sich haben. Das sind wirklich gute Leute. Das duale Studium dauert drei Jahre bis zum Diplom. Als Anwärter sind die Leute aber vom ersten Tag an mit einem Gehalt unterwegs. Behörden Spiegel: Ist Nürnberg ein guter Standort, was die Personalgewinnung angeht? Kleffel: In Nürnberg ist die Personalgewinnung jedenfalls deutlich einfacher als in München, denn dort ist die Konkurrenz bei IT-Personal gerade auch im Öffentlichen Dienst natürlich noch ein ganzes Stück größer. Im privaten Bereich ist das natürlich ähnlich, obwohl es auch in Nürnberg noch einige andere große IT-Arbeitgeber gibt. Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit den Hochschulen in und um Nürnberg. Wir gewinnen schon direkt Leute von dort, wollen die Verbindungen aber noch deutlich vertiefen. In dem Bereich kann man nie genug machen. Zum Beispiel können Bachelor-Studenten Praktika bei uns machen oder ihre akademischen Arbeiten zu LSI-Themen schreiben. Die Entscheidung für Nürnberg war aber nicht nur aus Personalgewinnungssicht, sondern auch aus Sicht der Zentralität des Standorts im Freistaat richtig. Hilfreich sind aber auch die zwei Außenstellen. Eine in Bad Neustadt an der Saale im Nordwesten und eine in Würzburg, dem alten Standort des Bayerns-CERTs. Daniel Kleffel ist Referent auf dem Zukunftskongress Bayern, den der Behörden Spiegel am 7. Februar 2019 in München veranstaltet.

CERTs sein. Der Austausch von Informationen über Angreifer, sogenannte Threat Intelligence, oder aktuelle Schwachstellen und Schutzmaßnahmen über geeignete Plattformen wie z. B. MISP (Malware Information Sharing Platform) steckt bei vielen In­ stitutionen noch in den Kinderschuhen. Hier steht die BA offen für den Austausch mit anderen Behörden und Unternehmen. Auch innovative Technologien auf den Gebieten der Künstlichen Intelligenz oder Netzwerk-Behaviour-Analysen zur frühzeitigen Erkennung von Angriffen werden genau unter die Lupe genommen. Das nächste Ziel auf der Agenda ist mit der Aufnahme in den “CERT-Verbund Deutschland” auch schon fest im Blick. Auch dafür ist ein weiteres Audit zu bestehen. Der Lohn soll ein engerer Austausch mit Experten aus anderen CERTs sein. Diese Art der kontinuierlichen Weiterentwicklung der IT-Security-Landschaft ist unerlässlich. Den Angreifern einen Schritt hinterher zu sein, kann für einen Totalschaden schon genügen.


Cyber Akademie

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Behörden Spiegel / Januar 2019

Themenseite in Kooperation mit:

Neues aus der Cyber Akademie

Januar 2019

Delegationsreise nach Israel (CAk/fl) Anlässlich der alle zwei Jahre in Tel Aviv stattfindenden Homeland Security & Cyber Conference organisierte die Cyber Akademie eine Delegationsreise nach Israel. Mit Blick auf das Thema der Konferenz bildete die Verbindung von physischer Sicherheit und Cyber Security den roten Faden und das Leitmotiv der Reise. Mitte November 2018 reisten ein Dutzend Vertreter aus Corporate Security und IT-Sicherheit aus Industrie, KRITIS, Handel, Wissenschaft und IT-Sicherheitswirtschaft von Deutschland nach Tel Aviv. Im Zentrum der knapp einwöchigen Reise stand neben der Konferenzteilnahme vor allem der Besuch verschiedener israelischer Technologieunternehmer sowie Gespräche mit Vertretern israelischer Cyber-Sicherheitsbehörden. Ziel der Reise war es, einen Einblick in technologische Entwicklungen und Ansätze sowie das israelische “Ökosystem”, der Zusammenarbeit zwischen Behörden, Unternehmen Wissenschaft und Gesellschaft zu erhalten. “Schwaben in Israel” und konkrete Bedrohungslage Wohl ausgeruht begann der Montagmorgen mit einem Zusammentreffen mit einer weiteren Delegation, bestehend aus Vertretern deutscher (Sicherheits-)Behörden und Unternehmen. Auf Einladung der Handelsabteilung der israelischen Botschaft in Berlin fuhr man gemeinsam in Richtung Norden nach Zikhron Ya‘akov, wo man das Unternehmen Beth-El Industries, einen Weltmarktführer für Luftfiltersysteme, besuchte. Vor Ort wurden die etwa 25 Teilnehmer mit schwäbisch-israelischer Gastfreundschaft begrüßt und es wurde ihnen ein Einblick in die spannende Geschichte des Kibbuz, der Gemeinschaft sowie die Entwicklung des Unternehmens und seiner Geschäftsfelder gegeben. Die Teilnehmer erfuhren, dass in Israel für jedes neu gebaute Gebäude ein eigener Schutzraum gesetzlich vorgeschrieben ist. Denn wie schnell sich die Sicherheitslage in Israel verändern kann, mussten die Teilnehmer selber erfahren. Nachdem es im Gaza-Streifen zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen der Hamas und einem israelischen Kommando gekommen war, beschossen Hamas und islamischer Dschihad die umliegenden Dörfer und Städte im Süden Israels mit Raketen. Am Montag und Dienstag wurden ca. 450 Raketen abgefeuert und die israelische Luftwaffe flog über 100 Luftangriffe auf Ziele im Gaza-Streifen. Glücklicherweise einigten sich die Konfliktparteien unter ägyptischer Vermittlung nach zwei Tagen auf einen Waffenstillstand, sodass der Raketenbeschuss und die Luftangriffe beendet wurden. “Cyber” – von der Grundschule über das Militär bis in den Beruf Auf dem Rückweg von Zikhron Ya‘akov nach Tel Aviv besuchte die Delegation das

Zentrum für Informationssicherheit

Digitale Souveränität – Cyber-Risiken erkennen, analysieren und beheben Der Chef der zivilen Cyber-Sicherheitsbehörde, Ygal Unna (5.v.li.), gab der Delegation einen umfassenden Einblick über die Zusammenarbeit zwischen Behörden und mit Unternehmen zum Schutz Kritischer Infrastrukturen. Foto: CAk/Florian Lindemann Unternehmen Cyberbit, ein Tochterunternehmen des israelischen Luft- und Elektronikkonzerns Elbit Systems, in Ra‘anana. In der Unternehmenszentrale gab Yochai Corem, Vicepresident EMEA bei Cyberbit, den Teilnehmern einen Überblick darüber, wie Fähigkeiten im Bereich der Cyber Security in Israel ausgebildet werden. So würden bereits in der Schule “Cyber”-Kurse angeboten, um den Schülern theoretische und vor allem praktische IT-Grundlagen (z .B. Programmieren) zu vermitteln. Die Schüler mit den besten Ergebnissen würden nach der Schulzeit besonderen militärischen Einheiten (u. a. “Unit 8200”) zugeteilt, in denen die jungen Erwachsenen in relativ kurzer Zeit zu Cyber-Experten (“Cyber warriors”) ausgebildet werden. Dieses Ziel stellt besondere Anforderungen an die Ausbildung und das Training der Soldaten, die Corem u. a. auf Basis einer Simulationslösung näher vorstellte. Für viele Israelis, die diese Ausbildung erhielten, sei sie der Ausgangspunkt für die weitere berufliche Karriere – in Militär, Verwaltung oder Wirtschaft. Nach dem inhaltlichen Programm des Tages konnten sich die beiden deutschen Delegationen auf dem Vorabendempfang zur Homeland Security & Cyber Conference im Hafen von Tel Aviv weiter über die Eindrücke der Unternehmensbesuche austauschen und die ersten Kontakte zu den anderen internationalen Gästen der Konferenz knüpfen. “Cyber Security – It’s not about computers, it’s about risk management” Die folgenden Tage standen ganz im Zeichen der Homeland Security und Cyber Conference, die über zwei Tage fast 5.000 Teilnehmer aus 80 Ländern empfing. Begleitet wurde das hochrangig besetzte Konferenzprogramm von einer kleinen Messe mit knapp 180 Ausstellern. Im Rahmen einer Guided Tour wurde den deutschen Unternehmen ein Überblick über aktuelle Lösungen verschiedener Anbieter u.  a. aus den Bereichen Analyse-Technik und Forensik etc. gegeben. Am Rande der Konferenz hatte die Delegation die Gelegenheit, den Chef der zivilen israelischen Cyber-Sicherheitsbehörde Ygal Unna zu treffen. Dieser gab der deutschen Delegation einen tiefen Einblick in den israelischen Ansatz beim Thema Cyber-Sicherheit. Das israelische “Ökosystem” beruhe mit Blick auf Cyber-Sicherheit auf

drei Säulen: Robustheit, Resilienz und Recovery. Gerade für die zivilen Kritischen Infrastrukturen sei die Cyber-Sicherheitsbehörde ein Dienstleister für die identifizierten und kooperierenden Unternehmen. Dabei verfolge man einen proaktiven Ansatz, der u. a. Leistungen wie frühzeitiges Teilen von Informationen, Patch-Erinnerungen und “Patch Nudging” oder auch SOC-Services umfasse. Wie die Zusammenarbeit zwischen CyberSicherheitsbehörden und Unternehmen in der Praxis ausgestaltet wird, konnten die Teilnehmer der Gruppe beim Besuch des Lagezentrums und SOCs des israelischen Luftfahrtunternehmens IAI sowie des Technologiekonzerns ELTA in Aschdod erfahren. Dort konnte die Gruppe zudem den Technologie-Campus des Unternehmens besichtigen. Dieser ist ein wichtiger Baustein, um junge Fachkräfte für das Unternehmen zu gewinnen und Innovationen schnell zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen. Israel – mehr als nur Cyber Zurück in Tel Aviv, erhielt die Delegation bei einem Termin in der Hanns-Seidel-Stiftung einen spannenden, um weitere Aspekte und Facetten erweiterten Einblick in die Entwicklungen in Israel und der Region. Empfangen wurde die Delegation von Julia Obermeier, der Leiterin des Büros. Obermeier, die als Sicherheits- und Verteidigungspolitikerin für die CSU im Deutschen Bundestag saß, schilderte die aktuelle (sicherheits-)politische Situation in Israel, dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen und die Perspektiven, die sich dem Land durch die technologischen Entwicklungen gegenwärtig und in Zukunft bieten. Zudem berichtete sie über die Arbeit der Hanns-Seidel-Stiftung in der Region sowie die Herausforderungen, denen man sich bei der Projektarbeit, vor allem im Westjordanland, stellen müsse. Auf Basis der Ausführungen entwickelte sich ein intensiver Dialog zwischen den Teilnehmern der Reise und Obermeier, die seit März 2018 in Israel lebt und arbeitet. So war es möglich, viele Fragen zu stellen und eigene Erlebnisse und Erfahrungen besser einzuordnen. Den Abschluss der Reise bildete eine Exkursion der Konferenz-Teilnehmer nach Beersheva. Dort, in der Negev-Wüste, entsteht und wächst ein Forschungs- und Technologiezentrum, an dem Universitäten und Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Start-ups und das israelische Militär eng miteinander kooperieren, um gemeinsam Innovationen – u. a. im Bereich Robotics oder der Medizintechnik – zu entwickeln, zu testen und zur Marktreife zu bringen. Uneingeschränkt positives Fazit

Das Technologiezentrum in Beersheva

Foto: CAk/Florian Lindemann

Nach einer knappen, aber sehr vielseitigen Arbeitswoche waren sich die Teilnehmer der Delegationsreise einig: Die Ziele und Erwartungen, mit denen man nach Israel gereist war, waren deutlich übertroffen worden und für viele wird die erste Reise nach Israel nicht die letzte gewesen sein.

IT-Risikomanagement – Identifikation, Bewertung und Bewältigung von Risiken 19.02.2019, Berlin 17.09.2019, Hamburg IT-Notfallplanung – vorausschauende Vorbereitung auf den IT-Notfall 20.-21.02.2019, Berlin 18.-19.09.2019, Hamburg Grundlagen der Datenbanksicherheit 20.02.2019, Berlin 06.11.2019, Bonn Cyber Risk Management: Cyber-Risiken ermitteln, analysieren und bewerten 11.03.2019, Berlin 04.06.2019, Frankfurt a.M. 05.11.2019, Bonn Cyber Security Management: Cyber-Sicherheit praxisnah steuern 12.03.2019, Berlin 27.06.2019, München 07.11.2019, Bonn Mobile Device Security – Risiken und Schutzmaßnahmen 11.-13.03.2019, Düsseldorf 10.-12.09.2019, Bonn Mac-Forensik – digitale Spuren auf Mac Systemen 12.-14.03.2019, Berlin Zertifizierter Business Continuity Manager (mit TÜV Rheinland geprüfter Qualifikation) 11.-15.03.2019, Bonn 21.-25.10.2019, Berlin Desinformation und alternative Wahrheiten 13.03.2019, München 18.09.2019, Bonn Arbeitsrecht in der digitalisierten Arbeitswelt 14.03.2019, Berlin 24.09.2019, Bonn IT-Forensik für Einsteiger und Aufsteiger 19.-21.03.2019, Berlin 05.-07.11.2019, Bonn Incident Response 19.-20.03.2019, Berlin 24.-25.09.2019, Berlin Datensicherheit und Datenschutz bei der Verarbeitung von Massendaten 20.03.2019, Berlin 06.11.2019, Bonn

Weitere Informationen zu diesen und anderen Seminaren unter: www.cyber-akademie.de


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Januar 2019

Ausländer in Armeen

KNAPP In den Sternen

EU-Staatsbürger in deutscher Uniform? (BS/Dr. Gerd Portugall/Marco Feldmann) Zum Jahreswechsel wurde – wieder einmal – das Thema “Anwerbung von EU-Ausländern durch die Bundeswehr” in den Führungszirkeln der Streitkräfte diskutiert. Dabei soll es insbesondere um spezielle berufliche Fähigkeiten gehen. In diesem Zusammenhang wird der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, mit der Aussage zitiert: “Wir reden hier beispielsweise von Ärzten oder IT-Spezialisten.” Inwiefern ist dies realistisch? Wie gehen Partnerarmeen mit dieser Problematik um? Angeblich soll im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) ein Konzeptpapier kursieren, wonach dabei in erster Linie an potenzielle Bewerber aus Polen, Italien und Rumänien gedacht würde. Mit zwei Einschränkungen: Erstens müssten diese schon seit mehreren Jahren in der Bundesrepublik leben und zweitens fließend Deutsch sprechen. Regierungsvertreter der genannten Staaten hätten sich gegenüber deutschen Vertretern bereits kritisch, teils sogar öffentlich, zu diesen Überlegungen geäußert. Ende November hatte Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen im Leitungsboard Personal des BMVg die Planung des weiteren Aufwuchses der Bundeswehr bis 2025 gebilligt. Gegenüber den Prognosen für 2024 sieht diese den Bedarf für rund 5.000 zusätzliche Dienstposten für Soldaten vor, darunter 1.000 Stellen für Reservisten sowie rund 4.600 Haushaltsstellen für zivile Mitarbeiter. Damit soll die Bundeswehr perspektivisch bis 2025 auf insgesamt rd. 203.000 Soldaten und rd. 66.000 zivile Mitarbeiter ausgeplant werden. Seit dem Tiefstand vom Juni 2016 mit rund 166.500 Berufs- und Zeitsoldaten sind die deutschen Streitkräfte bis heute auf knapp 172.800 Längerdienende – plus 8.200 Freiwillig Wehrdienstleistende – aufgewachsen. Um der starken Konkurrenz mit dem zivilen Öffentlichen Dienst und mit der Privatwirtschaft, noch verschärft durch die demografische Entwicklung hierzulande, entgegenzuwirken, lancierte das BMVg im Juni 2014 die “Agenda Attraktivität”. Diese erhebt den Anspruch, “einer der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu werden”. Außerdem wurde im Mai 2016 die “Trendwende Personal” offiziell eingeleitet und im Dezember desselben Jahres die “Personalstrategie der Bundeswehr” erlassen. Eventuell flankiert werden sollen diese Initiativen nun offenkundig durch das Anwerben von EU-Ausländern. In Belgien und Luxemburg ist dies bereits gängige Praxis. Doch ist das hierzulande rechtlich so ohne weiteres möglich?

In der Bundeswehr wird laut über die Öffnung für EU-Bürger nachgedacht. Bei zahlreichen Partnerarmeen – hier spanische Soldaten – dienen, teils schon lange, Ausländer. Foto: BS/Contando Estrelas, CC BY-SA- 2.0, flickr.com

In § 37 Abs. 1 des Soldatengesetzes (SG) steht: “In das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit darf nur berufen werden, wer (Nr. 1) Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist.” Dort ist in Abs. 1 nachzulesen: “Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist, vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (…).” Allerdings bietet § 37 Abs. 2 SG eine Hintertür: “Das Bundesministerium der Verteidigung kann in Einzelfällen Ausnahmen von Absatz 1 Nr. 1 zulassen, wenn dafür ein dienstliches Bedürfnis besteht.” Übrigens: In der EU ist die Personenfreizügigkeit seit 1993 als eine der sog. “vier Grundfreiheiten” im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantiert. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, bezeichnete die avisierte Rekrutierung von EU-Ausländern als “eine Art Normalität”. In der Truppe gebe es schließlich bereits zahlreiche Soldaten mit Migrationshintergrund und sog. “Doppelstaatler”.

Vergleich mit Polizeien Letztere können auch bei der Bundespolizei ihren Dienst versehen. Im Übrigen stellt die Be-

hörde allerdings nur deutsche Staatsbürger sowie EU-Ausländer als Polizeivollzugsbeamte ein. Gleiches gilt in NordrheinWestfalen. Dort können Drittstaatsangehörige nur dann verbeamtet werden, wenn für ihre Gewinnung ein dringendes dienstliches Bedürfnis gegeben ist. Dieses wird nur bejaht, sofern das Auswahlverfahren erfolgreich absolviert wurde, ein großer Bevölkerungsanteil der jeweiligen Nationalität im einwohnerstärksten deutschen Bundesland lebt und der Bewerber neben der deutschen auch die jeweilige Mutter- beziehungsweise Heimatsprache spricht. Des Weiteren muss er eine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis für die Bundesrepublik nachweisen. Bei der Bayerischen Polizei können in den gehobenen Dienst nur Deutsche im Sinne des Grundgesetzes eingestellt werden. Im mittleren Polizeivollzugsdienst ist die Verbeamtung von Ausländern aus EU- oder Drittstaaten nur zulässig, sofern sie neben der deutschen Sprache auch die jeweilige Landessprache nachweislich in Wort und Schrift beherrschen und mit den Verhältnissen hierzulande sowie mit Kultur und Mentalität ihres Heimatlandes vertraut sind. Des Weiteren müssen solche Bewerber im Freistaat

seit mindestens fünf Jahren ihren Hauptwohnsitz in Deutschland haben, dürfen am Einstellungstag nicht mehr wehrpflichtig sein und müssen – wenn sie aus Gebieten außerhalb der EU kommen – eine Niederlassungserlaubnis nachweisen können. In Berlin und Brandenburg können neben Deutschen auch EU-Ausländer Polizeibeamte werden. In der Mark wurden bereits erfolgreich polnische Staatsbürger dafür angeworben. Dort kann das Innenministerium auch Ausnahmen für die Einstellung von Drittstaatsangehörigen zulassen, sofern dafür ein dringendes dienstliches Interesse besteht.

Wie sieht es in Partnerarmeen der Bundeswehr aus? Die zweifellos bekanntesten und traditionsreichsten militärischen Einheiten, die für Ausländer offenstehen, sind die britische Gurkha-Brigade (seit 1815 angeworben) und die französische Fremdenlegion (1831 aufgestellt). Die Gurkhas werden ausschließlich in Nepal rekrutiert, bekommen aber nicht die britische Staatsbürgerschaft. Wegen Personalmangels stehen seit 1989 die Streitkräfte des Vereinigten Königreiches auch Angehörigen aus Mitgliedsstaaten des Commonwealth offen.

Anders verhält es sich bei der Legion als Teil des französischen Heeres. Sie rekrutiert erstens Bewerber aus der ganzen Welt. Zweitens kann der Legionär die französische Staatsbürgerschaft erwerben – rein rechtlich nach drei Jahren Dienstzeit. Faktisch bleibt er aber so lange Ausländer, bis er die in seinem Vertrag verlangte Mindestdienstzeit von fünf Jahren abgeleistet hat. Auch Spanien hatte einst eine Fremdenlegion (gegründet 1920). 1987 wurde von der Regierung in Madrid beschlossen, keine Ausländer mehr in die Reihen der Spanischen Legion aufzunehmen. Legionäre, die nicht gebürtige Spanier waren, durften jedoch ihren Dienst weiter in dieser Einheit versehen. Nach 2000 wurde die Regel soweit gelockert, dass auch Ausländer, deren Muttersprache Spanisch ist, in die spanische Armee aufgenommen werden können – und zwar in allen Einheiten (außer U-Boot-Besatzungen). Damit kommen vor allem Bewerber aus den ehemaligen Kolonien in Lateinamerika infrage. Das US-Militär nimmt jedes Jahr rund 8.000 Ausländer auf, die meisten kommen dabei aus Mexiko und den Philippinen. Im Gegenzug können sie die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragen: In Friedenszeiten muss man fünf Jahre gedient haben, nach Kampfeinsätzen kann sich gleich um die Staatsbürgerschaft beworben werden. Grundsätzlich gilt: Illegale Einwanderer ohne Papiere können nicht Soldat werden. Ausländer brauchen entweder ein gültiges Visum oder eine sog. “Green Card”, d. h. eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. 2014 öffnete die Obama-Administration die Türen zusätzlich für junge, illegale Einwanderer – vorausgesetzt, dass der Bewerber vor seinem 16. Geburtstag mit seinen Eltern in die USA gekommen ist. Deren Zahl ist allerdings auf 1.500 im Jahr begrenzt. Besonders gute Chancen hat, wer zum Beispiel Sprachen wie Arabisch, Chinesisch oder Paschtu spricht. Auch spezielle Kenntnisse im Bereich Informationstechnik, Finanzen oder Medizin sind gefragt.

Dezentrale Übungsgelände gefordert Nordrhein-Westfalens Feuerwehren mit erheblichem Bedarf (BS/mfe) Deutschlandweit haben die Feuerwehren immer weniger Brände zu löschen. Gleichzeitig steigt die Zahl der Rettungsdiensteinsätze massiv an. Durch diese Verschiebung nimmt allerdings die Praxiserfahrung der Feuerwehrangehörigen bei der Brandbekämpfung ab. Umso wichtiger werden ausreichende und wohnortnahe Übungskapazitäten. Daran mangelt es in Nordrhein-Westfalen allerdings. So heißt es im Abschlussbericht des Projektes “FEUERWEHRENSACHE” im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland: “Wenn viele Einsatzkräfte unkoordiniert an der Einsatzstelle arbeiten, erzeugt dies mehr Gefahrenquellen als Sicherheit für alle eingesetzten Kräfte.” Daher sei nicht die Zahl der Köpfe entscheidend, sondern eine gute und einheitliche Ausbildung. Und hier gebe es Probleme. Denn: den Feuerwehren mangele es an Übungsmöglichkeiten für die Grundtätigkeiten. Die Fraktionen von CDU und FDP im Düsseldor-

fer Landtag wollen diesbezüglich nun Abhilfe schaffen. Die existierenden Übungsmöglichkeiten reichten schlicht nicht aus, “um allen Feuerwehreinheiten in Nordrhein-Westfalen regelmäßige praxisnahe Übungsphasen einzuräumen”, heißt es in einem gemeinsamen Antrag zur Bereitstellung dezentraler Übungsgelände. Dessen vorgeschlagener Beschlussfassung zufolge soll der Landtag die Landesregierung beauftragen, “die kommunalen Aufgabenträger bei der Verbesserung der Übungsmöglichkeiten für die

Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen zu unterstützen”. Insbesondere solle die Exekutive prüfen, wie sie Anreize setzen könne, damit die Kommunen oder kommunalen Kooperationen zusätzliche Trainingsgelegenheiten schaffen. Sie wird auch aufgefordert, “zu prüfen, welche Synergieeffekte durch eine gemeinsame Nutzung der Übungsgelände der Kommunen, der Polizei und sonstigen Organisationen des Katastrophenschutzes geschaffen werden können”. Bisher gibt es neben dem vom Land getragenen großen, zentralen Übungsgelände

am Institut der Feuerwehr (IdF) in Münster nur wenige über die Fläche verteilte Trainingsmöglichkeiten. Gemischt genutzte Übungsflächen existieren kaum. Darüber hinaus fordern die Parlamentarier die Entwicklung von Musterszenarien für Großschadensereignisse, “damit die Einheiten von Feuerwehr und Hilfsorganisationen eine gemeinsame Grundlage zur Übung für den Ernstfall haben”. “Dabei sollte unter anderem an Hochwasser, Pandemien, den Massenanfall von Verletzten, Stürme sowie den Ausfall

der Stromversorgung gedacht werden”, verlangt der FDP-Abgeordnete Dr. Werner Pfeil. Diese Planungen sollten kreisübergreifend und regionsweit erfolgen, so das Mitglied des Innenausschusses. Sein CDU-Kollege Dr. Christos Katzidis meint: “Es sollte überlegt werden, gemeinsame Trainingsgelände von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk zu schaffen.” Auch regionale Zentren kann er sich vorstellen. Aus dem Innenministerium heißt es, dass das Land nur für die Aus- und Fortbildung von Führungskräften der Feuerwehren zuständig sei.

(BS/por) Ein zunehmendes Augenmerk wirft das US-Militär auf das Weltall – besonders mit Blick auf China. Chris Shank, Direktor des “Strategic Capabilities Office“ des US-Verteidigungsministeriums, wies unlängst darauf hin, dass die Volksrepublik im vergangenen Jahr 39 Raketen ins All geschossen habe, während es bei den Vereinigten Staaten nur 31 Starts gewesen seien – gefolgt von Russland mit 20 und Europa mit acht. Dafür werden umfangreiche finanzielle Mittel bereitgestellt. Jüngstes Beispiel: Anfang Januar ist Lockheed Martin, der weltweit größte Rüstungskonzern, vom Pentagon mit Arbeiten am “Air Force Multi-Mission Satellite Operation Center” auf dem Luftwaffenstützpunkt Kirkland im US-Bundesstaat New Mexiko im Wert von 52,7 Millionen Dollar beauftragt worden. Es geht dabei insbesondere um Dienstleistungen im Bereich Technik, Planung und Erhalt.

Mehr Teilnehmer gewünscht (BS/mfe) Die Bundeswehr will die Anzahl ihrer Teilnehmer am Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) auf 40.000 deutlich erhöhen. Bisher sind es rund 8.000 Teilnehmer, insbesondere aus den Bereichen Bundeswehrfeuerwehren, Feldjäger und Bundeswehrkrankenhäuser. Dafür soll das Gesetz über die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS-Gesetz) geändert werden. Dort soll die Bundeswehr ausdrücklich als zusätzlicher Nutzer neben den BOS aufgenommen werden. Sie würde dadurch Investitionskosten für den Aufbau einer eigenen Funkinfrastruktur einsparen. Damit die “Truppe” den BOS-Digitalfunk auch tatsächlich nutzen kann, sind Netzänderungen erforderlich. Des Weiteren müssen an den Basisstationen frequenzbedingte Umrüstungen vorgenommen werden. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 19/6547) ist auch vorgesehen, dass der Bund künftig einen höheren Anteil an den laufenden Kosten des BOSDigitalfunknetzes tragen soll.

Erstmals Jubiläumsprämien (BS/mfe) In Brandenburg könnte es in Zukunft erstmals Jubiläumsprämien in Höhe von jeweils 500 Euro für Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren, der Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes sowie der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) geben. Das sieht der Entwurf des neuen Prämien- und Ehrenzeichengesetzes vor, den das Potsdamer Kabinett kürzlich verabschiedete. Die Zahlungen sollen nach zehn, 20, 30, 40 und 50 Jahren ehrenamtlicher Dienstzeit erfolgen. Zudem ist beabsichtigt, eine rechtliche Basis für die Zahlung eines Zuschusses zum Aufwandsersatz zu schaffen. Die Höhe des Zuschusses soll jährlich pauschal 200 Euro betragen. Der Gesetzentwurf wird nun vom Landtag beraten. Das Innenministerium rechnet, sollte das Gesetz wie geplant rückwirkend zum 1. Januar in Kraft treten, in diesem Jahr mit Gesamtausgaben von fast 15 Millionen Euro.


Innere Sicherheit

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essenger-Dienste wie WhatsApp, Threema, Skype, Snapchat und Fotodienste wie Instagram sind aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile haben sich solche Dienste selbst im Business-Umfeld durchgesetzt. Auch die Sicherheitsbehörden benötigen eine Ergänzung des schmalbandigen BOS-Digitalfunks, um zum Beispiel wichtige Einsatzinformationen und Ermittlungshinweise zu übermitteln und Fotos und Videos zu übertragen. Aus Gründen des Datenschutzes und der Datensicherheit können sie aber WhatsApp & Co. nicht nutzen. Die Nachrichteninhalte sind bei den meisten dieser Dienste zwar per Endezu-Ende-Verschlüsselung vor fremden Mitlesern geschützt. Es ist aber davon auszugehen, dass die Meta-Daten auf Servern im Ausland gespeichert werden.

Kein bundesweit einheitlicher Polizeimessenger Bei der Suche und Auswahl sicherer, plattformunabhängiger Messenger-Dienste für die Polizei sind die Länder Bayern, BadenWürttemberg, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Baden-Württemberg und Bayern nutzen den Messenger “Teamwire” mit der Enterprise Application Integration und das Netz von Vodafone. Hessen und Niedersachsen haben sich für einen Messenger mit der Basistechnologie “stashcat®” entschieden. In Niedersachen hat der zentrale IT-Dienstleister der Landesverwaltung, IT.Niedersachsen, den Messenger in Kooperation mit der Polizei an den Start gebracht. Dabei wurde die Applikation so konstruiert, dass sie abgekapselt von anderen Anwendungen und dem Betriebssystem auf einem Mobiltelefon laufen kann und die mit ihr erstellten Texte, Bilder, Filmclips, Sprachnachrichten nicht außerhalb der App genutzt

Polizeiliche IT sehr heterogen Föderales System trotzt der Vereinheitlichung (BS/Gerd Lehmann) Tatbestandsaufnahmen via Tablet, Fahndungsfotos auf dem Smartphone und Kommunikation untereinander und mit der Einsatzzentrale über Chat und Apps: Die Polizei in Bund und Ländern setzt bei ihren täglichen Arbeitsprozessen mehr und mehr auf mobile Technologien und den kommerziellen Mobilfunk. Und dabei scheint sich das zu wiederholen, was wir schon von den tradierten, heterogenen und häufig inkompatiblen IKT-Strukturen der Polizei kennen: föderale Vielfalt landauf und landab. werden können. Im Übrigen laufen alle Daten über Computer des Landes und sind Ende-zu-Ende verschlüsselt. In Rheinland-Pfalz ist ein entwickelter “polizeilicher Multimedia-Messenger” im Einsatz. Er nennt sich kurz “PoMMes”. In Niedersachsen heißt die Kurzform des Polizei Messengers “NiMes” und die in Hessen “HePolChat”. In den meisten der anderen Länder befinden sich Messenger-Dienste für die Polizei in Erprobung oder bereits in der Auswahl. Auch bei den Spezialeinheiten von Bund und Ländern sind verschiedene Messenger-Dienste in der Erprobung. Dabei hatte der Arbeitskreis II (Innere Sicherheit) der Innenministerkonferenz (IMK) im April den Beschluss gefasst, das Produkt SE-Netz des Fraunhofer-Instituts IVI in Dresden als bundeseinheitliche Lösung für ein Einsatz-Kommunikationsund Unterstützungssystem (EKUS) bereitzustellen und zu betreiben. Dieses Produkt, das sich an die polizeilichen Spezialeinheiten des Bundes und der Länder richtet und derzeit auch in der Zollverwaltung erprobt wird, verfügt unter anderem über eine Messenger-Funktionalität. Darüber hinaus prüft das Bundeskriminalamt (BKA) gegenwärtig die Verwendung des Produkts SecurePIM, das perspektivisch ebenfalls über eine MessengerFunktionalität verfügen wird. Insoweit überrascht die Antwort des Bundesinnenministeriums (BMI) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Danach hat sich Ressortchef Seehofer für

Zwar setzen immer mehr Polizeien hierzulande auf Tablets und Apps (wie hier die Berliner Polizei). An der Heterogenität der genutzten Lösungen und Anwendungen ändert sich bisher allerdings immer noch wenig. Foto: BS/Feldmann

die Einführung eines behördenübergreifenden, einheitlichen Messenger-Dienstes für alle Sicherheitsbehörden des Bundes ausgesprochen. “Eine entsprechende Produktspezifikation soll in Vorbereitung einer Ausschreibung erstellt werden”, heißt es weiter. Die Frage ist, ob damit der Beschluss des AK II und die Erprobungen des BKA hinfällig sind oder demnächst ein weiterer Messenger im Bereich der Sicherheitsbehörden Verwendung findet? Um die Präsenz der Polizei auf der Straße und die Effizienz der polizeilichen Arbeit zu erhöhen, befasst sich die Polizei vielerorts mit der Optimierung der administrativen Prozesse. Ein wichtiger Ansatz dabei ist “Mobile Computing”. Neben den MessengerDiensten, mit denen in Echtzeit kommuniziert werden kann und Daten und Fotos ausgetauscht werden können, rücken zunehmend “Mobile Workflows” in den

Fokus. Die Szenarien umfassen u. a. die Tagebuchführung, den Zugriff auf Datenbanken zur Unterstützung bei Fahndungen, Personen- und Fahrzeugkontrollen, die Aufnahme und den Abgleich von biometrischen Daten, die Aufnahme von Anzeigen und Tatbeständen, die Bereitstellung von polizeilichen Fachanwendungen und die mobile Fallbearbeitung. Durch die Bereitstellung entsprechender Applikationen lassen sich administrative Aufgaben bereits am Einsatzort erledigen oder zumindest angehen.

Zahlreiche Vorteile durch Applikationen Während in einigen Ländern noch diskutiert wird, haben der Bund und andere Länder Pilotprojekte initialisiert oder befinden sich in der Einführungsphase oder bereits im Wirkbetrieb. Die Polizei des Saarlandes hat die “Mobile Verkehrsunfallaufnahme” erfolgreich getestet. Ein-

satzkräfte dokumentieren die Daten bei Verkehrsunfällen nicht handschriftlich auf Papier, sondern digital mit der “VU-App”. Die Vorteile: Weniger Fehler bei der Dateneingabe, alle erhobenen Daten sind sofort verfügbar und auswertbar. Und die Beamten haben mehr Zeit für die Bürger. Nach einem halbjährlichen Probelauf will die Bundespolizei nun die erfolgreich getestete Applikation für Smartphones zur mobilen Identitätsfeststellung sowie zur Prüfung elek­ tronischer Ausweisdokumente flächendeckend einführen. Nach erfolgreicher Implementierung des Polizei-Messengers NIMes hat die niedersächsische Polizei mit der Einführung einer sicheren IT-Infrastruktur für weitere mobile Anwendungen wie zum Beispiel den Zugriff auf das Intranet der Polizei und auf polizeiliche Fachanwendungen begonnen. Im Mittelpunkt steht der Zugriff auf das niedersächsische Vorgangsbearbeitungs-, Analyse-, Dokumentations- und Informations-System (NIVAD-IS). Interessant ist auch die bei der Polizei in Niedersachsen eingesetzte App PreMAP (“Predictive Mobile Analytics for Police”). Sie zeigt den Polizeistreifen an, wo in den zurückliegenden vier Wochen eingebrochen wurde und besondere Aufmerksamkeit geboten ist.

Viele verschiedene Datentöpfe Bei der Implementierung der polizeilichen Fachanwendungen auf die mobilen Endgeräte treten die heterogen und häufig inkom-

Große Geldflüsse an Terroristen

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elbst der sogenannte “Four Towns Deal” soll auf Betreiben von Katar zustande gekommen und Gegenstand der Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln gewesen sein. Dabei handelte es sich um eine Vereinbarung, die rund zweijährige Belagerung der von Regierungstruppen gehaltenen, überwiegend schiitischen Städte Fuah und Kefraya durch Rebellen und Terroristen sowie die von Rebellen beziehungsweise Terroristen gehaltenen, überwiegend sunnitischen Städte Madaya und Zabadani durch Regierungstruppen zu beenden und Tausende der jeweils andersgläubigen Bewohner zwangsweise umzusiedeln. Das Lösegeld floss unter anderem an die irakische proiranische Kata’ib Hezbollah, an die libanesische pro-iranische Hisbollah-Miliz und an die syrische Terrorgruppe Hayat Tahrir al-Sham, vor ihrer Vereinigung mit anderen Terrorgruppen bekannt als die al-Nusra-Front. Derart umfangreiche Tribute und Konzessionen an Terrorgruppen sind nur schwer verständlich. Die Kidnapper waren Mitglieder der schiitischen, im Irak operierenden Terrorgruppe Kata’ib Hezbollah, die vom Iran ferngesteuert und unterwandert ist und deren Angehörige sogar von Hisbollah-Kommandeuren ausgebildet werden. Sie überfielen mit rund 100 Kämpfern eine katarische Jagdgesellschaft, die sich mit offizieller Genehmigung im Süden des Iraks, in der Provinz Muthanna, mit Falken auf der beliebten Trappenjagd befand. Unter den Jagdteilnehmern befanden sich auch neun Prinzen der das Emirat Katar regierenden königlichen Familie Al Thani. Sie waren als Pfand für die geopolitischen Ziele des Irans gekidnappt

Behörden Spiegel / Januar 2019

Staaten zahlen hohe Summen für Freilassung von Geiseln (BS/Uwe Kranz) Insgesamt 1,35 Milliarden US-Dollar Lösegeld soll das Emirat Katar Terroristen für die Freilassung von 26 Männern im April 2017 gezahlt haben. Das wäre die höchste jemals gezahlte Lösegeldsumme in der Welt. Darüber hinaus soll aber auch die Entlassung von 500 Gefangenen aus syrischen Gefängnissen in die Rebellengebiete Teil der Vereinbarungen gewesen sein. Diese waren überwiegend wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt worden.

Serie TERRORZIELE (TEIL 27) und verschleppt worden. Ziele, die Staatsterror und ethnische Säuberungen beinhalten und die letztlich dem Hauptziel Teherans dienen, Irak, Syrien, Libanon und den Jemen zu Satellitenstaaten des Irans zu machen und eine schiitische Achse gegen die sunnitischen Staaten in der Region zu etablieren. Katar mühte sich seither, die Forderungen der Geiselnehmer zu erfüllen. Eine führende Rolle als Unterhändler nahm der geradezu berüchtigte Generalmajor der iranischen al-Quds-Brigade der Iranischen Revolutionsgarde, Qassem Soleimani, ein. Er gilt als einflussreichster und gefährlichster Mann des Mittleren Ostens. Die Erfüllung aller Forderungen, insbesondere die gigantische Terror-Finanztransaktion, gab vermutlich den letzten Anstoß für den Abbruch der diplomatischen Beziehungen und die Wirtschafts- und Verkehrsblockaden von Katar, die von Saudi-Arabien, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten im Juni 2018 verkündet wurden. Dass die Iranische Revolutionsgarde (IRGC) seit vielen Jahren terroristische Organisationen wie die Hamas im Gazastreifen, die Hisbollah im Libanon oder den Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) auf der Sinai-

Halbinsel unterstützt, ist allseits und seit Langem bekannt. Diese Gruppen haben schließlich gemeinsam mit dem Iran das große Ziel, Israel zu vernichten und einen schiitischen Korridor vom Iran bis zum Mittelmeer zu schaffen. Durch die Unterstützung der Huthi-Rebellen im Jemen (gemeinsam mit Nordkorea) sollen vor allem Saudi-Arabien und seine Alliierten geschwächt werden. Seit dem Sturz Saddam Husseins im Irak und dem (militärischen) Sieg über den Daesh versucht der Iran kontinuierlich, seinen vielleicht wichtigsten Nachbarn Irak in sein schiitischgeopolitisches Zukunftsgebilde, den “schiitischen Halbmond”, einzubinden. Zunächst geschah dies durch eine rein wirtschaftliche gemeinsame Energiepolitik, denn schließlich sind beide Staaten sozusagen Großmächte auf dem Feld der Öl- und Gasproduktion. Durch die langjährige iranische Unterstützung der 1.200 Mann starken irakischen BadrBrigaden ebenso wie der “Popular Mobilization Forces” (PMF), die den Kampf gegen den Daesh im Norden des Iraks, insbesondere in den Provinzen Kirkuk oder Niniveh, nicht zuletzt durch finanzielle Hilfe, Waffenlieferungen und Ausbildung, aber auch durch USmilitärische (Luft-)Unterstützung gewannen, wuchs der Einfluss Irans, wie erwartet aber auch zunehmend auf die gesamten

aleinheit der IRGC unter Führung von Generalmajor Soleimani steuert Uwe Kranz, Terrorexperte des Behörden Spiegel, von Damaskus berichtet über erhebliche aus nicht nur die Geldsummen, die Staaten militärischen Inan Terroristen gezahlt haben, itiativen Irans in um Geiseln freizubekommen. Syrien und koordiniert die Einsät Foto: BS/Dombrowsky ze des syrischen und russischen Militärs mit seiirakischen Sicherheitskräfte. nen Truppen und seiner Milizen, Der Iran versuchte aber auch, die überwiegend aus ehemaligen die schiitischen Kräfte im Irak, Afghanistan-Kämpfern bestehen, vor allem im Süden, zu stärken sondern agiert in Damaskus auch und dort seinen politisch-religiö- zunehmend politisch. Außerdem sen Einfluss zu mehren. Über 60 taucht Soleimani nun als zentProzent der Iraker sind schließ- rale Schlüsselfigur in den Verlich schiitischen, nur rund 30 handlungen um die katarischen Prozent sunnitischen Glaubens. Geiseln auf. Der Iran versuchte seit Jahren, Die nach dem Sturz Husseins ausgebrochene Unterdrückung den amerikanischen Einfluss in der Schiiten unter Premiermi- Nordafrika einzudämmen. Die nister Al-Maliki ist unter seinem Wirren im sogenannten “AraNachfolger, Haider al-Abadi, bischen Frühling” schienen ein nahtlos durch die Unterdrückung geeigneter Moment zu sein. Inder Sunniten ersetzt worden. zwischen scheint gesichert, dass Übrigens mit der fatalen Folge, Soleimani die mächtige Figur im dass diese sich nach 2014 zu- Hintergrund des Anschlags auf nehmend dem Daesh zuwandten, das US-Konsulat im libyschen der bis heute noch verheerende Benghazi im Jahre 2012 durch Terroranschläge im Irak begeht. die Terrorgruppe Ansar al-Sharia Erschwerend kommt hinzu, dass war. die schiitischen Kräfte unverIm Juni 2018 berichtete der söhnlich in zwei Lager gespalten panarabische TV-Sender Al-Arasind. Seit Ausbruch des syri- biya über die Ermordung zweier schen “Bürgerkriegs” unterstützt iranischer Militärberater, die von der Iran zudem den syrischen Tunesien nach Libyen einreisten, Machthaber Baschar al-Assad im um dort angeblich Uran zum Kampf gegen seine aufständische Zwecke der Anreicherung zu Bevölkerung. Die al-Quds-Spezi- kaufen. Das wäre ein Verstoß

patiblen IKT-Strukturen der Polizei in Bund und Ländern wieder deutlich zutage. Schließlich werden die fachlichen Anwendungen lediglich über Naive-Apps, WebApps oder hybride Apps auf die Smartphones und Tablets portiert. Die Vielzahl unterschiedlicher Datentöpfe, die zersplitterte IT-Landschaft, die von Eigenentwicklungen, Sonderlösungen, Schnittstellen, unterschiedlichen Dateiformaten und Erhebungsregeln geprägt ist, lässt es derzeit nicht zu, einheitliche Lösungen in Bund und Ländern zu realisieren. Dabei ist in Fachkreisen längst klar, dass man sich in der heutigen Zeit ein föderales Weitergewurstel nicht leisten kann. Eine erfolgreiche polizeiliche Arbeit in den Kernbereichen Kriminalitätsbekämpfung und Verkehrssicherheitsbearbeitung setzt den Einsatz moderner und einheitlicher IKT voraus. Gleiches gilt für die Bewältigung besonderer Einsatzlagen. Aber die Chancen einer Vereinheitlichung stehen nicht schlecht. Anders als zum Beispiel beim Musterpolizeigesetz stehen einer einheitlichen IKT in Bund und Ländern keine politischen Farbenspiele im Weg. So haben sich die Innenminister des Bundes und der Länder schon 2016 auf die Realisierung der Saarbrücker IT-Agenda verständigt. Die zentrale Aufgabe des mit der Agenda verbundenen Programms “Polizei 2020” ist die Schaffung einer gemeinsamen, modernen und einheitlichen Informationsarchitektur für die Polizei in Bund und Ländern. Bis zur Umsetzung des Programms werden aber noch einige Jahre vergehen. Im Ansatz ist von einer Projektdauer von etwa fünf Jahren die Rede. Es bleibt zu hoffen, dass es nach mehreren vergeblichen Versuchen gelingt, tatsächlich eine einheitliche Informationsarchitektur für die Polizei zu schaffen. Bis dahin haben föderative Ideen freien Lauf.

gegen das internationale Nuklearabkommen. Nach iranischen Attacken mit Bombendrohnen im Februar reagierte Israel mit einem direkten Luftangriff auf eine iranische Stellung in Syrien. Nachdem sich seither derartige militärische Auseinandersetzungen quantitativ und qualitativ häufen, scheint sich die Zeit der Stellvertreterkriege ihrem Ende zuzuneigen. Es drohen direkte Auseinandersetzungen, zumindest zwischen dem Iran und Israel. Dass der Iran ein gut funktionierendes Agentenund Terrornetzwerk in Europa und den USA aufgebaut hat, ist spätestens seit 1991 bekannt. Damals wurde der ehemalige iranische Premierminister, Shahpour Bakhtiar, in Paris ermordet. Vor diesem Hintergrund und den aufflammenden Bürgerprotesten sind die jüngsten Warnungen vor Aktivitäten iranischer Agenten in Europa sehr ernst zu nehmen. Zwei Anschläge auf exiliranische Oppositionelle in Dänemark und in Frankreich konnten verhindert werden. In den Niederlanden wurde im November 2017 ein iranischer Aktivist in Den Haag vor seiner Haustür erschossen. Auch in Deutschland waren nach Informationen des israelischen Nachrichtendienstes Mossad-Agenten des iranischen Nachrichtenministeriums aktiv. Sie sollen jüdische und israelische Anschlagsziele, darunter auch Kindergärten, ausgespäht und oppositionelle Exil-Iraner bedroht haben. Ermittlungen deutscher Sicherheitsbehörden und ein Verfahren des Generalbundesanwaltes bestätigten den Verdacht, dass schiitische Terrorzellen längst aufgebaut wurden und überall in Europa Anschläge durchgeführt werden sollen.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Januar 2019

No-Go wird aufgeweicht

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eitdem aber der Bedarf der BOS an mobiler Breitbandkommunikation als Ergänzung der Sprachkommunikation nicht mehr infrage steht, ist die Nutzung des kommerziellen Mobilfunks in Ermangelung eines eigenen Breitbandfunknetzes offensichtlich kein Tabu mehr. Während sich Politik, Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) und Gremien seit einigen Jahren mit Strategiestudien und Frequenzforderungen für ein dezidiertes BOS-Breitbandfunknetz und/oder eine Hybridlösung befassen und dabei die Frage der Finanzierung ausblenden, hat die Polizei im Bund und nahezu in allen Bundesländern längst das Heft des Handelns ergriffen. Sie deckt ihren Bedarf an Breitbandfunkversorgung zunehmend durch Nutzung des kommerziellen Mobilfunks.

Schlüsselrolle für Smartphones und Co. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Technologien der mobilen Kommunikation des Consumer-Marktes (Smartphones, Tablets und Convertibles). Im Einsatz sind Polizei-Messenger zum Austausch von Kurznachrichten, Notizen, Checklisten, Dienstanweisungen und Einsatzplänen mit der Einsatzzentrale sowie Apps zur Übermittlung von digitalen Bildern und Videos, für Datenbankrecherchen und -abgleiche, für Identitätsfeststellungen und zur Prüfung elek­ tronischer Ausweisdokumente. Groß im Kommen sind Apps für effiziente mobile Workflows wie zum Beispiel Tatbestandsaufnahmen vor Ort, Verkehrsunfallerfassung und eine Vielzahl anderer Fachapplikationen. Interessant ist auch die bei der Polizei in Niedersachsen eingesetzte App PreMAP (“Predictive Mobile Ana-

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Immer mehr BOS nutzen kommerziellen Mobilfunk (BS/Gerd Lehmann) Die Nutzung kommerzieller Mobilfunknetze für die mobile Kommunikation der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) war in der Vergangenheit ein absolutes No-Go. Sichere einsatzkritische Sprachkommunikation findet daher bis heute nahezu ausschließlich über dezidierte schmalbandige PMR-Funknetze und exklusiv zugeteilte Frequenzen statt. lytics for Police”). Sie zeigt an, wo in den zurückliegenden vier Wochen eingebrochen wurde. Rund um die Brennpunkte können die Beamten auf ihrer Streifenfahrt dann genauer hinschauen. Die Theorie dahinter: Einbrecher kommen häufig dahin zurück, wo sie schon einmal erfolgreich zugeschlagen haben.

schon eine geringfügige Störung der Kommunikation schlimme Konsequenzen wie Gefährdung von Menschenleben, erheblichen Schaden für die Gesellschaft beziehungsweise die Wirtschaft haben könnte.

Sprache ist primäres Interaktionsmedium

Wahrscheinlich hohe Kosten Angesichts der hohen Kosten für die Errichtung dezidierter BOSBreitbandfunknetze sowie der angespannten Finanzlage und der Sparzwänge in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hatte die Europäische Kommission bereits im Jahr 2013 eine Studie mit der Fragestellung in Auftrag gegeben, ob und unter welchen Rahmenbedingungen sich kommerzielle Mobilfunknetze für einsatzkritische Breitbanddienste der BOS eignen. Ziel der detaillierten Untersuchung war zugleich die Klärung der Frage, inwieweit die Skaleneffekte durch Nutzung der Technologien des Consumer-Marktes genutzt werden können, um Kosten für die Bereitstellung von BreitbandKommunikationsdiensten für die BOS zu reduzieren. Die Studie belegt, dass die Nutzung der Breitbandfunknetze der kommerziellen Mobilfunkbetreiber die aus Kostensicht günstigste Option ist und kommerzielle Mobilfunknetze für einsatzkritische Breitbanddienste der BOS grundsätzlich geeignet sind. Die Verfasser der Studie sind allerdings der Auffassung, dass die

Auch wenn immer mehr Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) hierzulande Mobilfunk nutzen, wird das entsprechende Digitalfunknetz für die Sicherheitskräfte noch mindestens bis 2030 existieren. Foto: BS/©benjaminnolte, Fotolia.com

Nutzung der kommerziellen Mobilfunknetze für einsatzkritische Breitbanddienste der BOS nur dann in Betracht gezogen werden sollte, wenn eine langfristige Verfügbarkeit der Dienste durch rechtliche, administrative und vertragliche Rahmenbedingungen sichergestellt wird und sich die Betreiber der kommerziellen Netze vertraglich verpflichten, die Anforderungen der BOS zu erfüllen. Dazu gehören unteranderem die Bereitstellung von Gruppen- und Prioritätsruf sowie des Direct Mode, die Ausrichtung der Funkkapazitäten nach dem Worst-Case-Szenario einer Großschadenslage und nicht wie bisher an der “busy hour” sowie die territoriale Auslegung der Funkversorgung mit garantierter

Durchdringung. Gleiches gilt für die Gewährleistung einer hohen Netzstabilität und -zuverlässigkeit sowie eines gleichbleibend hohen Leistungsniveaus nach entsprechender Netzhärtung und für die Verpflichtung zur unverzüglichen Behebung von Störungen. Die skizzierten Rahmenbedingungen und Anforderungen betreffen die “missions- bzw. einsatzkritische” Kommunikation der BOS. Die Studie definiert eine Mission als kritisch, wenn durch ihr Versagen ein oder mehrere Menschenleben gefährdet werden oder ein Gut bedroht wird, dessen Verlust oder Beeinträchtigung erheblichen Schaden für Gesellschaft oder Wirtschaft bedeutet. Einsatzkritisch ist eine Kommunikation dann, wenn

Nach Auffassung der Polizei im Bund und in den Ländern ist die derzeitige Nutzung des kommerziellen Mobilfunks weder missions- noch einsatzkritisch. Primäres Interaktionsmedium der BOS ist die Sprache. Die Sprachkommunikation wird nach wie vor über das von Bund und Ländern gemeinsam getragene hochverfügbare BOS-Digitalfunknetz abgewickelt. Die Eigenständigkeit des Netzes stellt sicher, dass auch bei einem besonders hohen Gesprächsaufkommen eine verlässliche Kommunikation der Einsatzkräfte gewährleistet bleibt. Dies ist insbesondere bei Großschadenslagen oder Massenveranstaltungen von großer Bedeutung. Die Nutzung des kommerziellen Mobilfunks beschränkt sich im Wesentlichen auf Datendienste. Ein Ausfall dieser Dienste ist schon deshalb nicht als missions- beziehungsweise einsatzkritisch anzusehen, weil sie lediglich als Add-on des primären Interaktionsmediums “Sprache” genutzt werden und die Gefährdung von Menschen oder Bedrohung von Sachgütern durch die Möglichkeit des Rückgriffs auf die eigene Infrastruktur des BOS-Digitalfunks

ausgeschlossen werden kann. Eine andere Beurteilung ergibt sich dann, wenn Sprach- und Datendienste der BOS mittels IP-Konvergenz in einem Netz zusammengeführt werden. Mit dem von der GSM Association (GSMA) offiziell verabschiedeten Standard VoLTE (“Voice over IP over LTE”) wird die Sprachübertragung in den kommerziellen Mobilfunknetzen mit zunehmender Tendenz komplett digital in einem LTENetz in Form von Datenpaketen auf der Basis des IP-Protokolls abgewickelt.

Folge: kompletter Blackout Der Ausfall eines konvergenten Funknetzes führt in der Regel zu einem totalen Blackout der Sprach- und Datenkommunikation. Insoweit sollten die BOS die Nutzung von Sprach- und Datendiensten in einem konvergenten Funknetz grundsätzlich unter dem Aspekt missions- beziehungsweise einsatzkritischer Kommunikation betrachten. Bei der Nutzung eines kommerziellen konvergenten Mobilfunknetzes sollten die in der Studie der Europäischen Union aufgeführten rechtlichen, administrativen und vertraglichen Rahmenbedingungen und Anforderungen berücksichtigt werden. Ein konvergentes Public-Safety-Netz der deutschen BOS steht derzeit nicht zur Debatte. Das BOS-Digitalfunknetz wird zunächst mit dem Ziel modernisiert, die Funktionalität, die Verfügbarkeit und den Wert­ erhalt dieses Netzes bis mindestens 2030 sicherzustellen. Damit steht fest, dass den BOS das der Sprachkommunikation gewidmete Digitalfunknetz für das nächste Jahrzehnt erhalten bleibt und Datendienste entweder über kommerzielle Mobilfunknetze und/oder über ein dezidiertes BOS-Breitbandfunknetz abgewickelt werden.

MELDUNG

Neue Funkstreifenwagen für Niedersachsen (BS/mfe) Die niedersächsische Polizei hat von Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) mehrere neue Funkstreifenwagen erhalten. Die Fahrzeuge verfügen entweder über einen hybriden oder einen vollelek­ trischen Antrieb. Bei ihnen handelt es sich erstmals um Wagen, die im Zuge einer bundesweiten Förderung primär für solche Kommunen beschafft wurden, die durch Schadstoffbelastungen oberhalb der gesetzlichen Grenzwerte betroffen sind. Die Zentrale

Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD NI) hatte Ende Januar vergangenen Jahres stellvertretend für die Landespolizei unter dem Projektnamen “air” (alternativinnovativ-regenerativ) den entsprechenden Förderantrag beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eingereicht. Anschließend erhielt sie einen Förderbescheid über 2,4 Millionen Euro für die Beschaffung von bis zu 185 Fahrzeugen, darunter auch erstmals leichte und rein elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge. Darüber hinaus

sollen bis zu 188 Ladestationen mit Fördermitteln des Bundes beschafft und installiert werden. Ressortchef Pistorius sagte zu der Beschaffung: “In Niedersachsen haben wir mit Hannover, Hildesheim, Hameln, Osnabrück und Oldenburg fünf Kommunen, die ihre Schadstoffbelastung in den Innenstädten durch verschiedene Maßnahmen verringern wollen. Diese Städte werden durch die extrem emissionsarmen und teils -freien Fahrzeuge profitieren.” Außerdem werde so der Polizeifuhrpark modernisiert.

Fo Foto o s:: BS/Feldma S/Fe /Fe Feldma dma mann, ann, nn n, BS/Autor BS///Autor BS/A u isie sierte rte te Stel Stte telle e Digit git g italfu f nk k Niede iede ie edersac de ersac rsachsen sa achsen se , BS/Tob BS BS/Tob //To /T Tobias T ias ia a Nord Nordhaus N haus ausen, en, CC BY 2.0, 2.0, flick flickr.co r.co .com m

SYMPOSIUM

Neue Technologien für die Polizei Einsatzunterstützungssysteme, Geoinformation, vernetzte Fahrzeuge, künstliche Intelligenz, Aufklärung, Sensorik, Tracking 6. bis 8. März 2019 in Würzburg Zielgruppe Das Symposium richtet sich an Führungskräfte und Experten der Polizei, die entweder auf neue Technologien für ihre ( künftige ) Aufgabenerledigung angewiesen sind oder für Technik bzw. technologische Innovation in ihren Behörden zuständig sind. Themen, u. a. : • Einsatzunterstützungssysteme • Geoinformation • vernetzte Fahrzeuge • Künstliche Intelligenz • Aufklärung • Sensorik • Tracking

www.fuehrungskraefte-forum.de


Innere Sicherheit

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Modellvorhaben geplant “Drugchecking” in Berlin eventuell ab diesem Jahr

Behörden Spiegel / Januar 2019

Neuer Ansatz in Nordrhein-Westfalen Ressortübergreifende Einheit gegen Terrorismusfinanzierung eingerichtet

(BS/mfe) Im Düsseldorfer Landeskriminalamt (LKA) ist ein ministerienübergreifendes Ermittlerteam geschaf(BS/mfe) In Berlin wird es möglicherweise noch in diesem Jahr an drei Standorten ein stationäres Drugchecking fen worden. Vertreten sind Polizeibeamte, Steuerfahnder und Staatsanwälte. Hauptaufgabe soll das Vorgehen geben. Dort können Drogen, die auf dem Schwarzmarkt erworben wurden, abgegeben werden. Anschließend gegen Terrorfinanzierung sein. Grundlage ist eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem nordrheinwerden sie im Labor auf ihre exakte Zusammensetzung hin untersucht. westfälischen Finanz-, Justiz- und Innenministerium. Das Ergebnis solle den Konsumenten dann einige Tage später mitgeteilt werden, erklärt Stephan Jäkel von der Schwulenberatung Berlin. Eine kostenlose Abgabe der Substanzen sei aller Voraussicht nach einmal wöchentlich möglich, ergänzt Astrid Leicht von Fixpunkt e. V., einem der drei Träger des geplanten Projektes. Sie zeigt sich zwar davon überzeugt, dass das Vorhaben umgesetzt werde. Ein exaktes Startdatum kann Leicht allerdings noch nicht nennen. Grund: das Projektkonzept müsse noch einmal extern juristisch geprüft werden. Außerdem werde man Substanzen erst entgegennehmen, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft erklärt hätten, strafrechtlich nicht dagegen vorzugehen, kündigte die Fixpunkt-Vertreterin an. Eigentlich findet Leicht aber: “Drugchecking ist kein Thema der Justiz, sondern der Gesundheitspolitik.”

de. Die laut Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit noch ausstehende Einholung eines externen juristischen Gutachtens durch die Bietergemeinschaft lässt allerdings darauf schließen, dass diese Ausnahmegenehmigung noch nicht vorliegt. Ungeachtet dessen sieht Jäkel das Vorhaben, das bereits im Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Landesregierung festgeschrieben wurde, als “Türöffner”. Er unterstreicht: “Wir wollen die Menschen mit ihren Bedürfnissen abholen, aber niemandem etwas überhelfen.” Schließlich glaube man “an die Mündigkeit unserer Zielgruppen”. Und er zeigt sich überzeugt: “Der Krieg gegen Drogen ist seit Jahrzehnten gescheitert.” Repression schade nur dem Endverbraucher. Dieser Aussage schließt sich

Niklas Schrader, drogenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, an. Er kritisiert: “Wir haben in Deutschland eine repressive Drogenpolitik und ein repressives Betäubungsmittelgesetz.” Zugleich verlangt er von den Projektverantwortlichen, Polizei und Justiz “mit ins Boot zu holen”. Der Politiker zeigt sich davon überzeugt, dass das Vorhaben mehr bringen als kosten werde. Schrader räumt jedoch ein: “Wir können das Bundesrecht nicht einfach so ändern.” Dieses stehe bisher auch noch einem aus seiner Sicht wünschenswerten Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene im Wege. Die DrugcheckingBietergemeinschaft hat 2018 30.000 und wird 2019 120.000 Euro vom Land erhalten.

Ausnahmegenehmigung erforderlich Ein entsprechendes Modellprojekt darf aufgrund der geltenden Rechtslage derzeit allerdings nur mit einer Ausnahmegenehmigung durchgeführt werden. Für deren Erteilung ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mit Sitz in Bonn zuständig. Dort will man sich zum Einzelfall nicht weiter äußern und lässt nur verlauten, dass jeder eingehende Antrag sorgfältig geprüft und vor dem Hintergrund des geltenden Rechtsrahmens beschieden wer-

Und Justizminister Peter Biesenbach (ebenfalls CDU) meinte: “Wir sind angetreten, Kriminalität

geschickt verschleierte Straftaten aufgedeckt. Zum anderen, und das ist ein besonders nachhaltiger Effekt, wird den Tätern die Fortsetzung ihrer kriminellen Arbeit deutlich erschwert werden”, so Biesenbach. Für die Task Force stehen 58 Stellen zur Verfügung, die sukzessive besetzt werden sollen. Das Innenministerium entsendet 14 Ermittler in das neu geschaffene Dezernat 16 im Düsseldorfer LKA.

Im nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt (LKA) arbeiten künftig Polizeibeamte, Steuerfahnder und Staatsanwälte eng zusammen. Dafür wurde sogar ein neues Dezernat geschaffen. Foto: BS/Stephanie Hofschlaeger, pixelio.de

Poller keine adäquate Lösung Bei Drugchecking-Projekten können Rauschmittel, die auf dem Schwarzmarkt erworben wurden, abgegeben und auf ihre exakte Zusammensetzung hin untersucht werden. Foto: BS/Martin Berk, pixelio.de

Online-Wache nun auch in Rheinland-Pfalz und dem Saarland se, Lob und Kritik elektronisch übermittelt werden. In Rheinland-Pfalz ist die Online-Wache beim Lage- und Dauerdienst des Landeskriminalamtes (LKA) eingerichtet, der rund um die Uhr besetzt ist. Um die OnlineAnzeigen zu bearbeiten, wird

der Dienst um drei Stellen verstärkt. In der ersten Ausbaustufe können über die Online-Wache vor allem Delikte wie Betrug, Diebstahl oder Sachbeschädigungen angezeigt werden. Aber auch Strafanzeigen anderer Art sind möglich.

Internationales Projekt gestartet BOS wollen effektiver gegen Terrorismusfinanzierung vorgehen (BS/mfe) Im Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden hat kürzlich ein grenzüberschreitendes Projekt zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung begonnen. In den nächsten zwei Jahren wollen die Mitarbeiter der BKA-Abteilung für den polizeilichen Staatsschutz die internationale Vernetzung von Finanzermittlern verstärken. Außerdem geht es darum, polizeiliche Auswertungen von Geldtransfers weiter zu verbessern und die Zusammenarbeit mit privaten Finanztransferanbietern auszubauen. “Unser Ziel ist es, terroristische Organisationen dauerhaft finanziell auszutrocknen”, erklärt der Leiter der BKA-Abteilung für den polizeilichen Staatsschutz, Jürgen Peter. Terroristische Organisationen nutzten Geldmittel nicht nur, um Waffen oder Munition zu erwerben. Finanziert würden damit auch Propagandamaßnah-

mit einer Null-Toleranz-Politik zu begegnen. Wenn sich Kriminelle zur Begehung ihrer Taten besonders organisieren, müssen wir dies auch tun.” Die Einheit werde mit gebündeltem Sachverstand bei Straftaten der Schwerstkriminalität, die die Gesellschaft nachhaltig schädigen, Licht in das Dunkel bringen. Dadurch werde die Strafverfolgung in zweifacher Hinsicht verbessert. “Zum einen werden

Strafverfolgung wird verbessert

MELDUNG (BS/mfe) In Rheinland-Pfalz und dem Saarland können Bürger in Zukunft auch über eine OnlineWache im Internet mit der Polizei in Kontakt treten. Auch die Erstattung von Strafanzeigen auf diesem Wege ist nun möglich. Darüber hinaus können Hinwei-

Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte zu der neuen Einheit: “Wenn Straftäter immer flexibler werden, dürfen sich Ermittler nicht weiter im Klein-Klein der Kästchenkunde verheddern.” Aus diesem Grunde sei es gut, dass nun Schreibtische zusammengeschoben und Experten verschiedener Ressorts zusammengebracht würden. “Das sorgt für kurze Wege, viel Erfahrungsaustausch und schnelle Entscheidungen”, zeigte sich Reul überzeugt. Finanzminister Lutz Lienenkämper (ebenfalls CDU) ergänzte: “Terroristen vernetzen sich international immer weiter. Hie­ rauf können wir nun besser und gezielter reagieren, da Staatsanwaltschaften, Steuerfahndung, Polizei und IT-Spezialisten in einem Team ohne bürokratische Hürden und ohne Kompetenzgerangel effizient zusammenarbeiten.” Er ist sicher: “Insgesamt wird die neue Task Force einen starken Beitrag zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität leisten.”

men sowie die Ausbildung von Attentätern. “Je weniger Vermögen Terrororganisationen zur Verfügung steht, desto geringer ist ihr Handlungsspielraum”, so Peter. An dem Projekt sind neben dem BKA unter anderem polizeiliche Staatsschutzeinheiten aus Frankreich, die spanische

Geld kann auch zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten genutzt werden. Hiergegen hilft nur internationale Vernetzung der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Zu deren Intensivierung begann kürzlich ein Projekt beim Bundeskriminalamt (BKA). Foto: BS/knipseline, pixelio.de

Nationalpolizei, die US-amerikanische Bundespolizei FBI und Europol beteiligt. Eingebunden sind zudem das Bundesinnenministerium (BMI), die Financial Intelligence Unit (FIU) der Generalzolldirektion (GZD) sowie das Unternehmen Western Union. Gefördert wird das Vorhaben mit dem Titel “Best practice, capacity building and networking initiative among public and private actors against Terrorism Financing” (BeCaNet) von der Europäischen Kommission. BKA-Abteilungsleiter Peter meint: “Die Vernetzung aller Akteure, etwa im Rahmen von Fachkonferenzen, soll dazu beitragen, gemeinsame Strategien zu entwickeln und die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zu optimieren.” Dazu gehöre auch, den Privatsektor einzubeziehen. “Unternehmen, die Leistungen im Finanztransfergeschäft anbieten, sind wesentliche Akteure, die für das Thema Terrorismusfinanzierung stärker sensibilisiert werden müssen”, so Peter.

Baulicher Schutz vor Anschlägen in Deutschland noch ausbaufähig (BS/mfe) Das Aufstellen von Pollern und Barrieren zum Schutz vor Anschlägen mit Fahrzeugen und sogenannten Überfahrtaten ist “nicht mehr als eine psychologische Maßnahme”. Davon geht Professor Norbert Gebekken von der Universität der Bundeswehr in München aus. Sie böten keinen ausreichenden Schutz. Vielmehr könnten sie, etwa wenn sie von einem schweren Lastkraftwagen getroffen würden, selbst gefährlich werden. Dann bestehe die Gefahr, dass sie das Fahrzeug entweder gar nicht aufhielten oder dass umherfliegende Teile Personen verletzten. Mittlerweile gebe es glücklicherweise aber andere Schutzmöglichkeiten für Großveranstaltungen und Menschenansammlungen. Diese seien oftmals städtebaulicher Natur, so Gebekken. Dazu gehörten u.a. gewundene Straßen, die automatisch die gefahrenen Geschwindigkeiten reduzierten. Für den Wissenschaftler steht fest: “Urbanität und baulicher Schutz vor Terrorakten müssen kein Widerspruch sein.” Zur Wahrheit gehöre allerdings auch, dass Überfahrschutzeinrichtungen das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen erhöhe und der Schutz von Großveranstaltungen keine alleinige Aufgabe der Behörden und Organisationen (BOS) sei. Vielmehr müssten hier zahlreiche Akteure, darunter auch verschiedene Verwaltungen, miteinander kooperieren und sich eng abstimmen. Auch brauche es Netzwerke.

Recht Berlin. Zudem komme es darauf an, Sicherheitskonzepte immer auf die jeweilige Veranstaltung zuzuschneiden. “Wir können kein Sicherheitskonzept eins zu eins übertragen”, so der Forscher.

Neue Bedrohungen in den Blick nehmen Und Kuhlmey fordert, neue Szenarien zu betrachten. Dazu zählen seines Erachtens etwa Gefahren durch Drohnen oder CBRN-Stoffe. Von den BOS verlangt er, sich bei Großveranstaltungen nicht nur auf die Einlasssituation zu konzentrieren. Auch der Abstrom könne ein Anschlagsziel darstellen, so der Wissenschaftler auf einem

Symposium in Berlin. Gleiches gelte für jede größere Menschenansammlung, auch außerhalb von Großveranstaltungen, waren sich mehrere Teilnehmer einig. Aus diesem Grunde müssten Sicherheitskonzepte immer weiterentwickelt werden und die BOS mit diesem Prozess Schritt halten. Deutlich wurde auch, dass temporäre Sperrmittel allein für den Schutz öffentlicher Räume nicht ausreichen. Vielmehr komme es auf eine Kombination aus stationär-dauerhaften und vorübergehenden Elementen an. Die österreichische Hauptstadt Wien scheint hier allerdings einen anderen Weg zu gehen. Dort setzen die Verantwortlichen vor allem auf feste und mobile Poller.

Verallgemeinerungen sind schwierig Anders könne die Vielzahl an Veranstaltungen nicht bewältigt werden. Allein 2017 habe es davon bundesweit über 17.300 polizeilich relevante gegeben, sagt Marcel Kuhlmey, Professor für Risikomanagement und Verkehrswissenschaften an der Hochschule für Wirtschaft und

Der Nutzen von Pollern (Foto) und anderen Barrieren zur Absicherung von Großveranstaltungen ist umstritten. Sie schützen oftmals nur bedingt vor sogenannten Überfahrtaten. Deshalb braucht es einen ausgewogenen Mix an Sperrelementen. Foto: BS/Michael Loeper, pixelio.de

MELDUNG

Zweite Phase gestartet (BS/mfe) In Thüringen hat die zweite Phase des Pilotprojektes zum Einsatz von Bodycams bei der Landespolizei begonnen. Testdienststellen sind neben dem Inspektionsdienst Gotha,

dem Inspektionsdienst Erfurt Nord und der Polizeiinspektion Sonneberg auch die Inspektionsdienste Erfurt-Süd, Jena, Gera und alle Einsatzzüge der involvierten Landespolizeiinspektio-

nen. Der Einsatz der Geräte wird ausschließlich anlassbezogen im Einsatz- und Streifendienst sowie bei besonderen Einsatzanlässen erfolgen. Die Kameras werden dauerhaft mitgeführt.


Foto: BS/@sdecoret, Fotolia.com

19. – 20. Februar 2019, bcc Berlin Congress Center Fokus Europa Migration – Integration – Sicherheit Hauptprogramm Dienstag, 19. Februar 2019 07:30 Uhr Eröffnung der Ausstellung / Registrierung 08:45 Uhr Eröffnung des 22. Europäischen Polizeikongresses R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber Behörden Spiegel 09:00 Uhr Horst Seehofer, Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Bundesrepublik Deutschland 09:30 Uhr Wolfgang Sobotka, Präsident des Nationalrates, Republik Österreich 10:00 Uhr Viorica Dancila*, Ministerpräsidentin Rumänien 10:30 Uhr Künstliche Intelligenz – Suche nach Orientierung in unbekannten Gefilden Andreas Kleinknecht, Mitglied der Geschäftsleitung, Geschäftsbereich Public Sector, Microsoft Deutschland GmbH 11:00 Uhr Kaffeepause 11:45 Uhr Fachforen – Block 1 13:15 Uhr Mittagspause 14:40 Uhr Grenzsicherung in Europa Moderation: Fritz Rudolf Körper, Staatssekretär a. D. Teilnehmer: Präfekt Massimo Bontempi*, Direktor der Zentraldirektion für Immigration und Grenzpolizei, Italienische Republik Adrian Popescu*, Generalinspekteur der Grenzpolizei, Rumänien Dr. Dieter Romann, Präsident Bundespolizeipräsidium, Bundesrepublik Deutschland General Zacharoula Tsirigoti*, Generalinspekteurin für Ausländerpolizei und Grenzschutz, Hellenische Republik 15:40 Uhr Analytics in der Ermittlungsarbeit am Beispiel Terrorismusprävention Michael Hohensee, Manager Customer Advisory Fraud & Security Intelligence, SAS North EMEA 16:00 Uhr Kaffeepause 16:15 Uhr Fachforen – Block 2 17:45 Uhr Kaffeepause 18:10 Uhr Jan Lindner, Vice President Northern Continental Europe, Panda Security 18:30 Uhr Gemeinschaftsaufgabe Integration Moderation: Souad El Hasnaoui, Stabsstelle Integration, Bundesstadt Bonn Teilnehmer: Michel Goovaerts, Chief of Police, Brussels Capital Ixelles Police Cordula Heckmann*, Schulleiterin Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli Martin Henriksen*, Vorsitzender des Ausländerausschusses, Dänisches Parlament General i.R. Karl Mahrer, Bereichssprecher für Polizeiangelegenheiten, Abgeordneter zum Nationalrat, Republik Österreich Matthias Oel, Direktor für Migration, Mobilität und Innovation, Generaldirektion Migration und Inneres, Europäische Kommission Boris Palmer, Oberbürgermeister Stadt Tübingen 19:30 Uhr Buffet und Networking

* Referenten sind angefragt. Aktuelle Programmänderungen finden Sie unter www.europaeischer-polizeikongress.de.

Mittwoch, 20. Februar 2019 07:30 Uhr Eröffnung der Ausstellung / Registrierung 08:40 Uhr Holger Münch, Präsident Bundeskriminalamt 09:10 Uhr Thomas Haldenwang, Präsident Bundesamt für Verfassungsschutz 09:40 Uhr VPAM 3 war gestern, VPAM 6: Schutz für die gesamte Polizeifamilie Georg Scharpenack, Geschäftsführer Ulbrichts Protection, Ulbrichts Witwe GmbH 10:00 Uhr Geheimhaltung vs. öffentliches Interesse – was bleibt vertraulich? Moderation: N.N. Teilnehmer: Wilfried Karl, Präsident Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbunds des NDR, des WDR und der Süddeutschen Zeitung Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat Julian Reichelt*, Vorsitzender der Chefredaktionen und Chefredakteur Bild Dieter Schürmann, Landeskriminaldirektor, Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 10:45 Uhr Messenger als Mannausstattung – Niedersachsen und Hessen weisen den Weg Andreas Noack, CEO stashcat GmbH 11:05 Uhr Kaffeepause 11:30 Uhr Verleihung des Zukunftspreises Polizeiarbeit 2019 11:45 Uhr Diskussionsrunde der Landesinnenminister und -senatoren Moderation: R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber Behörden Spiegel Teilnehmer: Andreas Geisel, Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin Hans-Joachim Grote, Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein Joachim Herrmann, Bayerischer Staatsminister des Innern, für Sport und Integration Boris Pistorius, Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport Herbert Reul, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen 12:45 Uhr Jan Lindner, Vice President Northern Continental Europe, Panda Security 13:05 Uhr Mittagspause 14:30 Uhr Fachforen – Block 3 16:00 Uhr Kaffeepause 16:15 Uhr Organisierte Kriminalität: Schleusung & Menschenhandel Moderation: Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. und Präsident des BND a. D., Programm- und Herausgeberbeirat Behörden Spiegel Teilnehmer: Robert Crepinko, Leiter des European Migrant Smuggling Center (EMSC), Europäisches Polizeiamt (EUROPOL) Peter Henzler, Vizepräsident Bundeskriminalamt Frank Hoever, Direktor Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen Andrea Di Nicola, Assistant professor of criminology and scientific coordinator of eCrime – ICT, law & criminology, Faculty of Law, Universität Trento 17:00 Uhr Zusammenfassung und Ausblick R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber Behörden Spiegel Kongressmoderation: Dieter Wehe, Inspekteur der Polizei Nordrhein-Westfalen a. D.

Fachforen Dienstag, 19. Februar 2019 Forum 1A Grenzsicherung: intelligente Grenzen und Identitätsmanagement Forum 1B Big Data bei der Polizei Forum 1C Organisierte Kriminalität: Wirtschaft & Finanzen Forum 1D Cyber Crime: aktuelle Phänomene und Herausforderungen Forum 1E Die Bedeutung der Verkehrssicherheitsarbeit für die Kriminalitätsbekämpfung Forum 1F Das Zukunftsprogramm für die Deutsche Polizei: Polizei 2020 Forum 1G Polizeiliche Vorgangsbearbeitung – next Generation

Mit Unterstützung von

Forum 2A Cyber-Kriminalität, Spionage, Wirtschaftsschutz: Herausforderung für die Sicherheitsbehörden Forum 2B Gewalt gegen die Polizei Forum 2C Sichere mobile Kommunikation Forum 2D Polizist der Zukunft Forum 2E Elektromobilität – Erfahrungen aus dem Einsatzbereich der Polizei Forum 2F Analyse und Auswertung von Massendaten Forum 2G Intelligente Videoanalysen als Hilfsmittel für die Polizei Forum 2H Die Audiovisuelle Vernehmung – Herausforderungen, Chancen und Risiken

Mittwoch, 20. Februar 2019 Forum 3A Ausrüstung und Ausstattung: sicher, robust Forum 3B Videoüberwachung von öffentlichen Räumen Forum 3C Smart Policing: intelligente Polizeiarbeit Forum 3D Digitale Kriminalistik Forum 3E Künstliche Intelligenz: ein Instrument für die Polizei? Forum 3F Intelligence-led Policing: informationsbasierte Polizeiarbeit Forum 3G Deutsches Engagement im Kontext internationaler Polizeimissionen


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

Seite 40

Aktualisierung bis 2020

“D

urch neue Modelle und präzisere Vorhersagen wollen wir noch besser als bisher vor die Lage kommen”, erläutert Prof. Dr. Martin Socher, Referatsleiter im Dresdner Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft. Die Aktualisierung der Gefahren- und Risikokarten sei allerdings mit einem hohen fachlichen Aufwand verbunden. So seien zum Beispiel terrestrische Vermessungen erforderlich. Denn: “Bei dem neuen Kartenmaterial wird ein höherer Standard als bisher üblich angesetzt. Um diesen erfüllen zu können, müssen wir sehr präzise sein”, so Socher. Damit soll sichergestellt werden, dass die Informationen der Karten den konkreten Anforderungen der von Hochwasser betroffenen adressatengenau gerecht werden. Er kündigt an: “Wir überprüfen die Karten für alle 581 Gemeinden und Gemeindeteile in Sachsen.” Außerdem würden alle Gewässer erster Ordnung, die dem Land gehörten, sowie die Bundeswasserstraße Elbe erforderlichenfalls ein- oder zweidimensional neu modelliert. “Und das inklusive aller erforderlichen Hochwasserabflüsse”, berichtet der Referatsleiter. Das betreffe Gewässer auf einer Länge von circa 2.000 Kilometern. Darüber hinaus würden die neuen Karten mit den Kollegen anderer Bundesländer sowie aus

Behörden Spiegel / Januar 2019

Sachsen erneuert Risiko- und Gefahrenkarten (BS/Marco Feldmann) Die durch Hochwasser drohenden Gefahren können in Städten und Gemeinden nur effektiv eingeschätzt und bewertet werden, wenn die Verantwortlichen vor Ort auf aktuelle und präzise Gefahren- und Risikodarstellungen zurückgreifen können. Hier will der Freistaat Sachsen nun nachbessern. Bis 2020 sollen alle entsprechenden Karten erneuert werden. Polen und Tschechien besprochen. “Es darf an Staatsgrenzen keine Brüche geben. Außerdem brauchen wir ein gemeinsames Verständnis für diese Gefahrenkarten”, meint Socher. Schließlich würden sie für verschiedene Zwecke verwendet. Neben dem Katastrophenschutz sowie der konkreten, lokalen Gefahrenabwehr im Hochwasserfall sei das unter anderem die Raumordnung.

Landestalsperrenverwaltung erstellt Karten Erstellt würden sie von seiner Behörde, berichtet Burkhard Huth von der sächsischen Landestalsperrenverwaltung (LTV). Sie seien “tägliches Brot” für die Katastrophenschutzbehörden. Des Weiteren plane, baue, betreibe und unterhalte die LTV Stauanlagen, gewährleiste die Fließgewässerunterhaltung und bewirtschafte Anlagen an und in Gewässern. Zudem realisierten ihre Mitarbeiter, die als Fachberater auch in Krisenstäben aktiv

Nur wenn die Verantwortlichen vor Ort die durch Überschwemmungen drohenden Gefahren genau einschätzen können, ist eine effektive Warnung vor Hochwasser möglich. Dafür braucht es unter anderem aktuelle und genaue Karten.

Foto: BS/kladu, pixelio.de

seien, Maßnahmen zum vorbeugenden Hochwasserschutz und zur Beseitigung entsprechender Schäden, so Huth.

Nachricht schneller beim Empfänger Neben der Aktualisierung der Gefahren- und Risikokarten

ist im Freistaat eine schnellere Eilbenachrichtigung für Gemeinden geplant, die in Warngebieten liegen. “Bisher gehen die Pegelstände alle 15 Minuten im Landeshochwasserzentrum ein”, erklärt Dr. Andy Philipp vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Erst dann

könnten entsprechende Warnungen und Benachrichtigungen per E-Mail, SMS, Sprachnachricht oder seit Kurzem über einen RSSFeed verschickt werden, erläutern Philipp und seine Kollegin Petra Walther. Die Eilbenachrichtigung als eine Form der Warnung, deren Erhalt der Empfänger innerhalb von maximal 60 Minuten bestätigen müsse, erfolge dabei im Freistaat nicht prospektiv, sondern beobachtungsbasiert. Noch sei keine politische Entscheidung darüber gefallen, ob prognostisch basierte Warnprodukte im Rahmen des amtlichen Hochwassernachrichten- und Alarmdienstes verteilt werden sollen. Technisch möglich seien solche Dienstleistungen allerdings bereits. Auch biete das Landesamt solche Produkte schon an. Eben nur noch nicht im Rahmen des staatlich festgeschriebenen WarnprodukteKanons. “Es ist auch vorgesehen, dass die Messstellen ihre Daten künftig aktiv im Push-Betrieb und auch

häufiger melden sollen”, kündigt Philipp an. So ist es möglich, die Zeitspanne bis zum Versand der Eilbenachrichtigungen weiter zu verkürzen. Darüber hinaus sei geplant, in Zukunft weitere, auch prognostische Warnprodukte, über Applikationen wie NINA, KATWARN, WarnWetter oder “Meine Pegel” zu versenden. “Bisher werden darüber nur die amtlich festgeschriebenen Warnungen verschickt”, räumt Philipp ein.

Hochwasservorhersage keine DWD-Aufgabe Grundsätzlich gilt übrigens: Ist der räumliche Bezug ein lokaler, etwa für Ortslagen, sind die Wetter- und Unwetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) das primär genutzte Warnprodukt. Diese beziehen sich gleichwohl nur auf Wetterphänomene, da die Hochwasservorhersage hierzulande keine Aufgabe des nationalen Wetterdienstes ist. Sind die räumlichen Bezüge hingegen regional oder sogar überregional, setzen die Verantwortlichen in Sachsen stärker auf Warnungen des Landeshochwasserzentrums. Diese gehen von dort unter anderem in die zuständigen Ministerien, zu den Landkreisen beziehungsweise kreisfreien Städten, zu den Kommunen und Wasserwehren und gegebenenfalls in die Krisenstäbe.

Kooperation vertieft

Früherkennungssystem wird modernisiert

THW-Helfer sollen mehr Rechtssicherheit erhalten

Sachsen-Anhalt intensiviert Vorgehen gegen Waldbrände

(BS/mfe) In Nordrhein-Westfalen wird die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Technischem Hilfswerk (THW) (BS/mfe) Die Magdeburger Landesregierung will das Frühwarnsystem zur Erkennung von Waldbränden auf weiter ausgebaut. Beabsichtigt ist insbesondere eine größere Rechtssicherheit für die ehrenamtlichen Kräfte den neuesten technischen Stand bringen. Außerdem sollen in den nächsten Jahren im Landeswald weitere der Bundesanstalt im bevölkerungsreichsten Bundesland bei gemeinsamen Einsätzen mit der Landespolizei. Löschwasserstellen eingerichtet werden. Zudem ist vorgesehen, die Waldbrandkarten für unmittelbar an das Land angrenzende Flächen zu erweitern. So soll einer nun geschlossenen Kooperationsvereinbarung, die vom Düsseldorfer Innenminister Herbert Reul (CDU), dem Präsidenten des THW, Albrecht Broemme, sowie dem THWLandesbeauftragten, Dr. HansIngo Schliwienski, unterzeichnet wurde, zufolge die Anforderung der THW-Kräfte bei Unglücken, Notständen und Katastrophen künftig verbindlich erfolgen. Bisher geschah dies noch formlos. Davon versprechen sich die Verantwortlichen mehr Planungssicherheit für beide Seiten. Darüber hinaus werden klare Strukturen für die gemeinsamen Einsätze festgelegt. Die THW-Kräfte werden fest in die Führungs- und Einsatzstruktur der Polizei integriert. Außerdem legt der Kooperationsvertrag fest, dass das THW die Kosten für seine technische und logistische Hilfe bei der Polizei in Rechnung

MELDUNG

Erste Zuläufe (BS/mfe) Bei der Bundespolizei sind laut Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren durch Erreichen der Altersgrenze 2.995 Beamte in den Ruhestand getreten. Im selben Zeitraum wurden 5.449 Beamte neu eingestellt. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache: 19/5480) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervor. Wie die Bundesregierung darin ferner ausführt, werden “durch die im Jahr 2016 begonnene Einstellungsoffensive der Bundespolizei im Polizeivollzugsdienst” die ersten zusätzlich ausgebildeten Laufbahnabsolventen in diesem Jahr der Einsatzorganisation zur Verfügung stehen. Die letzten zusätzlichen Einstellungen werden der Einsatzorganisation in den Jahren 2024/2025 zulaufen. Die Bundespolizei soll aufgrund der terroristischen Bedrohung in den kommenden Jahren Tausende neue Stellen erhalten.

In Nordrhein-Westfalen soll mithilfe einer Kooperationsvereinbarung zwischen Landespolizei und Technischem Hilfswerk (THW) mehr Rechtssicherheit für die Helfer der Bundesanstalt bei ihren Einsätzen (Foto) geschaffen werden.

Foto: BS/THW, Susanne Hörle

stellen kann. Reul sagte dazu: “Unsere Polizei arbeitet bereits seit vielen Jahren sehr eng und gut mit dem THW zusammen. Diese bewährte Kooperation soll

durch den Vertrag weiter vertieft und juristisch wasserdicht gemacht werden.” Das Gerät und die Expertise der THW-Einsatzkräfte seien unverzichtbar.

Adrian an die WMO-Spitze? DWD-Präsident wäre erster Deutscher im Amt

Darüber hinaus sollen die Privatwaldbesitzer in Sachsen-Anhalt bis 2021 insgesamt neun Millionen Euro für den Aufbau von Mischwaldbeständen erhalten. Diese Förderung wird insbesondere dann fließen, wenn Waldinnen- und -außenränder aus Laubgehölzen bestehen. Das System der Löschwasser­ entnahmestellen im Landeswald soll vor allem durch weitere Neuanlagen in Landkreisen mit der Waldbrandgefahrenklasse A (allgemein sehr hohe Waldbrandgefährdung und Gefahr von Großbränden) verbessert werden. Dazu gehören unter anderem die Landkreise Altmarkkreis, Salzwedel, Stendal, Wittenberg, Jerichower Land, Anhalt-Bitterfeld und Börde. Des Weiteren ist beabsichtigt, mehr Kontrollen durch das Landeszentrum Wald als untere Waldbrandschutzbehörde durchführen zu lassen. Dessen Mitarbeiter sollen ins-

besondere überprüfen, ob auf Feldern Pflugstreifen zur Waldbrandprävention an angrenzende Wälder angelegt wurden. In Sachsen-Anhalt gab es im vergangenen Jahr über 1.500 Vegetationsbrände. Dazu gehör-

ten 259 Feldbrände mit einer Brandflächengröße von über 800 Hektar, 22 Maschinen- und 15 Strohlagerstättenbrände sowie 162 Waldbrände mit einer Brandfläche von rund 120 Hektar und zwei Großbrände.

In diesem Jahr ist der Wald in Sachsen-Anhalt durch Brände erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Aus diesem Grunde soll nun das Früherkennungssystem ertüchtigt werden. Foto: BS/W. Broemme, pixelio.de

Zugriff auf 5G-Kommunikation gefordert

(BS/mfe) Der Präsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD), Prof. BOS müssen Gesprächsinhalte auch in Zukunft abhören können Gerhard Adrian, könnte neuer Präsident der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) mit Sitz in Genf werden. Er habe seine Bewerbung (BS/stb) Beim kommenden Mobilfunkstandard 5G sei eine technische Zugriffsmöglichkeit vonnöten, über die eingereicht, erklärte Adrian. Er wäre der erste Deutsche in diesem Amt. Sicherheitsbehörden Telefongespräche bei begründeten Anlässen wie Terrorverdacht abhören könnten. Das regt der Leiter des Hamburgischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV), Torsten Voß, an. “Das Problem sind die Verschlüsselungsmöglichkeiten durch 5G”, meint Voß, der auch den für Verfassungsschutz zustänBei der WMO handelt es sich um eine Sonderorganisation der Verdigen Arbeitskreis vier der Innenministerkonferenz leitet. einten Nationen (UNO) mit 191 Mitgliedern. Sie ging 1950 aus der 1873 gegründeten Internationalen Meteorologieorganisation hervor. Zu ihren Zielen gehört die Stärkung der weltweiten Kooperation bei der Einrichtung von Netzwerken von Wetterstationen für meteorologische, hy­ drologische und andere geophysikalische Beobachtungen, die meteorologisch relevant sind. Ebenso fördert sie die Einrichtung und den Erhalt von Systemen zum schnellen Austausch meteorologischer Daten sowie die Standardisierung von meteorologischen und verwandten Beobachtungen. Auch bei einer Wahl, die im Juni dieses Jahres stattfinden wird, bliebe Adrian

Bisher lässt sich Ende-zu-Ende verschlüsselte Kommunikation über bestimmte MessengerApps wie Signal oder Threema realisieren. Mit der kommenden Mobilfunktechnologie 5G wird das auch für normale Telefongespräche zum Standard. Was im Sinne des Datenschutzes zu begrüßen sei, berge aber Gefahren Der Präsident des Deutschen Wetter- für die Innere Sicherheit, so Voß. dienstes (DWD), Prof. Gerhard Adrian, Die Sicherheitseigenschaften der hat sich für das Präsidentenamt bei Technologie könnten es Extreder Weltorganisation für Meteorologie misten und Terroristen leichter (WMO) beworben. Foto: BS/Feldmann machen, sich der Überwachung zu entziehen. DWD-Präsident. Denn: Das Amt Eine Art Hintertür für den Staat, des WMO-Präsidenten ist an je- um die Verschlüsselung auszunes eines Leiters des nationalen hebeln, sei jedoch von den Herstellern nicht zu erwarten. Voß Wetterdienstes gebunden.

setzt daher auf die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Dabei werden verdeckt Programme auf Endgeräten Verdächtiger installiert, die die Daten noch vor der Verschlüsselung bzw. nach der Entschlüsselung ableiten. Der Bund hatte im letzten Jahr entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen. Dagegen sind derzeit mehrere Verfassungsbeschwerden anhängig. Auf Länderebene sind die Befugnisse unterschiedlich geregelt. Während der Verfassungsschutz in Bayern Quellen-TKÜ einsetzen könne, sei dies in Hamburg derzeit nicht möglich, so der Verfassungsschützer. Auch die

Torsten Voß, Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, verlangt auch bei 5G technische Eingriffsmöglichkeiten für die BOS. Foto: BS/LfV Hamburg

Polizeibehörden in Deutschland verfügen nicht alle über die gleichen Befugnisse.


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Januar 2019

Seite 41

Neues aus der Wehrtechnik Neues Radar für Eurofighter

Betrieb der “Heron 1” verlängert

Hensoldt

Airbus

(BS) Der Eurofighter wird mit einem neuen Radar ausgerüstet, das die Einsatzmöglichkeiten des Kampfflugzeugs erweitern und den Schutz der Piloten verbessern soll. Die Entwicklung des neuen Radars “Captor-E” treibt Hensoldt innerhalb des Euroradar-Konsortiums voran. Bereits die zweite serienreife Antenne ist jetzt an Leonardo UK in Edinburgh ausgeliefert worden. Damit kann die Produktion der sogenannten “E-Scan”-Antenne am Hensoldt-Standort in Ulm planmäßig anlaufen. Die Auslieferung der ersten Radare soll ab Mitte des Jahres erfolgen. Bereits im Frühjahr hatte das Radar zwei Flugkampagnen bei British Aerospace Systems (BAES) in Warton sowie bei Airbus Defence and Space in Manching absolviert und die “Critical Design Review” im Zeitplan geschafft. Das auf der AESA-Technologie (“Active Electronically Scanned Array”) mit elektronischer Strahlschwenkung basierende “Captor-E”-Radar soll die Leistungsfähigkeit des europäischen Kampfflugzeugs erheblich steigern. Die elektronische Strahlschwenkung in Verbindung mit einem flexiblen Management der Radarressourcen garantiert Detektionsleistungen bei gleichzeitiger Verfolgung verschiedener Ziele, der Flugkörperlenkung und der Lageerfassung. Die “Nase” des Eurofighters ist größer als die aller vergleichbaren Kampfflugzeuge, sodass dessen Antenne größer und damit leistungsfähiger

sein kann. Das und die mechanisch bewegliche Lagerung der Antenne mit einem größeren Blickwinkel vergrößert sowohl den Detektionsbereich als auch das Sichtfeld im Vergleich zu den AESA-Radaren der Wettbewerber. Hensoldt betreibt Blick auf das “Captor-E”-Radar in an seinem Stand- der “Nase” des Eurofighters ort Ulm eine der Foto: BS/Hensoldt größten Reinraumproduktionslinien für Hochfrequenz-Bauteile in Europa. Seine Radare sind bei zahlreichen Streitkräften im Einsatz – unter anderem bei der U.S. Navy und der deutschen Marine sowie auf den Luftstützpunkten der kanadischen, australischen und deutschen Luftwaffe. Das Eurofighter-Radar wird von dem Euroradar-Konsortium, bestehend aus Leonardo (Großbritannien, Italien), Indra (Spanien) und Hensoldt (Deutschland), entwickelt. Dieses Konsortium hat bereits über 400 der derzeit im Einsatz befindlichen “Captor”-Radare produziert. Mehr Informationen unter www.hensoldt.net

(BS) Die Bundeswehr hat den Betrieb der “Heron1”-Drohnen in Afghanistan und Mali durch die Airbus DS Airborne Solutions GmbH bis Mitte 2020 verlängert. Die entsprechenden Verträge wurden Mitte Dezember durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz geschlossen. Armin Schmidt-Franke, Vizepräsident des Beschaffungsamtes, betonte bei der Vertragsunterzeichnung den hohen Stellenwert des Projektes. Die deutsche Luftwaffe setzt das Aufklärungssystem seit 2010 in Afghanistan und seit 2016 in Mali ein. Die neue Vertragslaufzeit für Afghanistan beträgt 15, für Mali 17 Monate. Der Vertrag umfasst die Abdeckung des gesamten Ressourcen- und Personalbedarfs zur Unterstützung des Betriebs der israelischen Drohnen (UAS – “Unmanned Aerial Systems”) in beiden Einsatzländern. Die vom israelischen Hersteller IAI (Israel Aerospace Industries) gebaute “Heron 1” ist ein unbemanntes Luftfahrzeugsystem für mittlere Flughöhen (MALE – “Medium-Altitude, LongEndurance”). Sie besitzt eine Spannweite von rund 17 Metern, eine Nutzlast von 250 Kilogramm und hat eine maximale Einsatzdauer von über 24 Stunden. Mit einer Einsatzreichweite von bis zu 800 Kilometern erweitert sie die Möglichkeiten der Luftaufklärung des deutschen Kontingents. Bislang hat das System über beiden Ländern insgesamt mehr als 46.000 Flugstunden absolviert.

AWACS-Flotte der NATO mit digitalen Cockpits

Großauftrag aus Schweden

Boeing

Raytheon

europäischen Luft(BS) Boeing hat das letzte von 14 verkehrsmanagemit Avionik und ments zu erfüllen”, digitalem Cockpit so Brigadegeneral modernisierten Mike Hain, General AWACS-FlugManager der NAzeugen (“AirborTO Airborne Earne Warning and ly Warning and Control System”) Control Programim bayerischen Blick ins Cockpit einer E-3A- Eine NATO-AWACS me Management Manching an die AWACS der NATO Fotos: BS/Portugall Agency (NAPMA). Atlantische Allianz Das erste moderausgeliefert. Mit dieser Lieferung soll sichergestellt nisierte AWACS-Flugzeug der Atlantischen Alliwerden, dass die NATO-AWACS den aktuellen wie anz wurde in den Boeing-Werken in Seattle im zukünftigen Flugsicherungs- und Navigationsan- US-Bundesstaat Washington modifiziert und im forderungen entspricht. November 2016 an die NATO ausgeliefert. Die In jedes Flugzeug wurden fünf vollfarbige digitale restlichen 13 Flugzeuge wurden im bayerischen Displays eingebaut, welche die Anzeigen aus den Manching modernisiert. “Wir freuen uns sehr, dieses letzte modernisierte 1970er-Jahren ersetzen und den Besatzungsmitgliedern individuell konfigurierbare Triebwerks-, AWACS an die NATO zu liefern und sind stolz auf Navigations- und Radardaten liefern. Diese digi- unsere Partnerschaft”, sagte Scott Johnson, CNS/ talen Fähigkeiten ermöglichen es der NATO auch, ATM-Manager bei Boeing. “Die modernisierte die Aufgaben der Besatzungen zu konsolidieren. AWACS-Ausrüstung spart Kosten ein und steigert “Das Modernisierungsprojekt Communication die Effizienz, sodass die NATO ihre wichtigen MisNavigation Surveillance/Air Traffic Management sionen über viele Jahre hinaus durchführen kann.” (CNS/ATM) ermöglicht es der NATO-E-3A-Flotte, gegenwärtige und zukünftige Anforderungen des Mehr Informationen unter www.boeing.de

(BS) Raytheon erhält einen Auftrag der US-Armee in Höhe von 692,9 Millionen US-Dollar für die Produktion von Schwedens integriertem “Patriot”Luftverteidigungssystem. Der Auftrag umfasst zudem die Versorgung mit Ersatzteilen sowie Unterstützungsleistungen und Ausbildung des Bedien- und Wartungspersonals. Wie vom Pentagon in Washington bekannt gegeben, wird der US-Hersteller gemäß dem Vertrag eine ungenannte Anzahl an “Patriot”-Feuereinheiten und GEM-TAbfangraketen für das skandinavische Königreich bauen und ausliefern. Bei der Variante GEM/T (“Guidance Enhanced Missile – Tactical Ballistic Missile”) wurden ein neuer digitaler Näherungszünder und ein Radarsucher eingeführt, die sich nach Herstellerangaben durch ein neues leistungsfähiges Rauschunterdrückungssystem auszeichnen. Hierdurch könnten noch kleinere Radarziele, zum Beispiel “Stealth”-Fluggeräte oder Marschflugkörper, bekämpft werden als bisher. “Schwedens Beschaffung des “Patriot”-Systems wird den schwedischen und US-amerikanischen Streitkräften gemeinsame Übungen ermöglichen und die militärische Interoperabilität verbessern”, sagte Tom Laliberty, Vice President von Raytheon Integrated Air and Missile Defense. “Patriot” wird

Als “Best Performer” ausgezeichnet

Bundeswehr beschafft “Elefant 2”

Rohde & Schwarz

BAAINBw

(BS) Airbus Helicopters zeichnete Mitte Dezember Rohde & Schwarz (R&S) als “Best Performer” mit dem “Supplier Relationship Management Award” aus. Mit dieser Ehrung für die “beste gesamtheitliche Performance als Lieferant” würdigte der Hubschrauber-Hersteller die jahrelange, enge Zusammenarbeit mit dem Münchener Elektronikkonzern. Martin Schübel, Executive Vice President Procurement bei Airbus Helicopters, fasste bei der Verleihung im Rahmen der Helitech in Amsterdam zusammen: “Das Gesamtpaket stimmt bei Rohde & Schwarz einfach.” Neben der Overall-Performance überzeugten “die sehr hohen Qualitätswerte bei On-Time-Delivery (OTD) und On-Time-Quality (OTQ)”. Darüber hinaus werde der “besonders gute Support – flexibel, schnell und kompetent – geschätzt”, insbesondere während der Integrationsphase eines Funkgeräts. Stefan Pleyer, Leiter Marktsegment Avionik bei Rohde & Schwarz, ergänzte: “Wir sind stolz, als verlässlichster Partner ausgezeichnet zu werden. Es ist das Ergebnis einer langen, vertrauensvollen Zusammenarbeit unserer Firmen bei Produktion, technischem Support und Service, eben End-toEnd.” Das Münchener Unternehmen ist seit vielen Jahren Lieferant für Airbus Helicopters. Die Flug-

funkgeräte sind auf einer Vielzahl von Airbus-Plattformen im Einsatz. Die Software-basierten Funkgeräte für sichere Kommunikation des Münchner Konzerns sollen die höchsten Sicherheitsanforderungen erfüllen, vernetzte Opera- Die Airbus-Trophäe für Rohde & tionsführung un- Schwarz Foto: BS/R&S terstützen und die Interoperabilität zwischen allen Teilstreitkräften einer Nation sowie verbündeten Streitkräften sichern. Weltweit sind nahezu 8.000 Softwarebasierte Flugfunkgeräte der R&S M3AR-Familie auf mehr als 70 verschiedenen fliegenden Plattformen im Einsatz. Auch das jüngste Mitglied dieser “Familie” – das Flugfunkgerät R&S SDAR – soll als “High-End”-Gerät sichere, hochdatenratige Kommunikation ermöglichen. Mehr Informationen unter www.rohde-schwarz.de

(BS) Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) hat Mitte Dezember in Koblenz einen Rahmenvertrag über die Herstellung und Lieferung von ungeschützten militarisierten Sattelzugmaschinen 70 Tonnen (SaZgM 2 70t mil) “Elefant 2” mit der Firma Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) geschlossen. Dieser Rahmenvertrag umfasst eine Festbeauftragung von 32 Fahrzeugen. Bereits in diesem Jahr soll das erste ungeschützte Fahrzeug dieses Typs ausgeliefert werden, weitere 31 Lastkraftwagen folgen im Jahr 2020. Armin SchmidtFranke, ziviler Vizepräsident des BAAINBw, betonte: “Mit dem Abschluss des Rahmenvertrages wird die Verlegungsfähigkeit der Streitkräfte deutlich verbessert.” Mit dieser neuen Sattelzugmaschine “Elefant 2” sollen die bisherigen, mehr als 40 Jahre alten Schwerlast-Sattelzugmaschinen ersetzt werden. In Verbindung mit dem Sattelauflieger 70 Tonnen wird mit der neuen Sattelzugmaschine eine deutlich höhere Nutzlast erreicht, um den aktuellen Transportaufgaben gerecht zu werden. Nur mit diesem System ist ein Transport der schweren Kampfpanzer “Leopard 2” in den Varianten A6M und A7 möglich. Insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung Deutschlands, 2023 die schnelle NA-

Airbus ist verantwortlich für Bereitstellung, Wartung und Reparatur der unbemannten Systeme und gewährleistet die vereinbarte Verfügbarkeit der Eine Aufklärungsdrohne vom Typ “Heron 1” an bei- “Heron 1” der Bundeswehr den Einsatzorten Foto: BS/Portugall auf Grundlage eines Betreibermodells. Dazu hat das Unternehmen im afghanischen Mazar-e Sharif und im malischen Gao jeweils mehrere Ingenieure und UAS-Spezialisten vor Ort. “In Afghanistan und Mali hat das Betreibermodell seine Leistungsfähigkeit mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Systemverfügbarkeit von über 98 Prozent unter Beweis gestellt. Die bewährte Fähigkeit des “Heron”-Systems, weltweite Einsätze zu unterstützen, schlägt sich in dieser erneuten Verlängerung der Verträge für Mali und Afghanistan sowie im unterzeichneten Vertrag über die nächste Generation des MALE UAS “Heron TP” nieder”, sagte Ralf Hastedt, Head of Sales and Business Development der Airbus DS Airborne Solutions GmbH. Mehr Informationen unter www.airbus.com

fortlaufend modernisiert. Schweden erhält damit das fortschrittlichste und leistungsfähigste Luftverteidigungssystem der Welt.” Schweden zählt jetzt zu den NutDieses Luftver- zern des Luftverteidigungssysteidigungssystem tems “Patriot”. Foto: BS/Portugall kann generell gegen fortschrittliche Flugzeuge, Drohnen, ballistische Raketen und Marschflugkörper eingesetzt werden. Es besteht aus Radaren, Gefechts- und Feuerleittechnologien sowie verschiedenen Abfangraketen. Mit der Auswahlentscheidung der Regierung in Stockholm setzen mittlerweile 16 Nationen auf “Patriot”, darunter die USA und sechs weitere europäische Staaten: Deutschland, Griechenland, die Niederlande, Spanien, Rumänien und Polen; in Fernost sind es Japan, Südkorea und die Republik China auf Taiwan; im Nahen und Mittleren Osten sind es Israel, Saudi-Arabien, Kuweit, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Mehr Informationen unter www.raytheon.com

TO-Eingreiftruppe “Very High Readiness Joint Task Force” (VJTF 2023) zu stellen, bedeutet der Transport besonders schwerer Gefechtsfahrzeuge eine unabdingbare logistische Schlüsselfähigkeit. Die jetzt zu liefernde Sattelzug- Ein “Elefant 2” in schwerem Gemaschine basiert lände Foto: BS/Portugall auf der bereits von der Firma RMMV gelieferten und in den deutschen Streitkräften eingeführten geschützten Sattelzugmaschine “Mammut”. Hierbei ist eine Gleichheit von Fahrgestell, Windenanlage, Hydraulikanlage sowie der Schnittstellen zum Sattelanhänger vorhanden. Diese hochgradige Baugleichheit soll die Nutzungskosten senken und zu erheblichen Synergieeffekten bei Ausbildung, Dokumentationserstellung, Instandhaltung sowie Ersatzteilversorgung führen. Mehr Informationen unter www.baainbw.de


Wehrtechnik

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m Rahmen eines Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) zum Thema “IT im Kontext hybrider Bedrohungen” erläuterte der Inspekteur Cyber- und Informationsraum (CIR), Generalleutnant Ludwig Leinhos, wie die Bundeswehr sich mit diesem “absoluten Megatrend der Gegenwart” auseinandersetzt, der zum einen vieles besser und bequemer macht, gleichzeitig aber essenzielle neue Sicherungsbedarfe mit sich bringt: “Der Schutz digitaler Infrastrukturen ist ein zentrales und strategisches Anliegen der Bundeswehr. Vor allem geht es dabei darum, Angriffe gegen Kritische Infrastrukturen und den Einsatz von Fake News sowie sonstiger Propaganda und Fehlinformation abzuwehren.” Gerade letzteres würde mehr und mehr ins Blickfeld der Truppe rücken, da militärische Konflikte heutzutage zunehmend durch gezielte Fehlinformationskampagnen geprägt seien: “Wir sehen aktuell keinen konkreten Cyber War, sondern den Einsatz von Desinformation in bestehenden Konflikten. Bestes Beispiel für eine solche hybride Kriegsführung ist der Ukraine-Konflikt. Hier gibt es eine Mischung aus gezielten physischen Angriffen und digitalen Propagandakampagnen”, so Leinhos. Aus diesem Grunde sei das ihm unterstellte Kommando CIR an

Die Zeit der “alten” Kriege geht vorbei Bundeswehr stellt sich auf zunehmend hybride Konflikte ein (BS/Wim Orth) In einer sich mehr und mehr in Richtung vollständige Digitalisierung bewegenden Welt muss sich auch die deutschen Streitkräfte auf neue Szenarien einstellen. Wie in fast allen anderen Lebensbereichen, so bringt die digitale Transformation auch im militärischen Sektor viele Vorteile, aber mindestens genauso viele Bedrohungen mit sich. sich schon ein Feld mit zwei Facetten: “Zum einen arbeiten wir in einem eigenständigen Konfliktfeld und zum anderen sind wir bei anderen Konflikten immer mit dabei, da es heutzutage immer auch eine digitale Komponente gibt.” Diese Entwicklung wird seiner Einschätzung nach weiter zunehmen und zukünftige Konflikte immer mehr durch den digitalen Wandel geprägt sein: “Wir werden in Zukunft keine klassischen kinetischen Auseinandersetzungen mehr erleben. Die Kriegsführung von morgen wird immer hybrid ablaufen.” Um dieser abzusehenden Entwicklung Rechnung zu tragen, habe man das Kommando CIR gezielt so aufgebaut, dass alle Ressourcen und Kompetenzen der IT-Sicherheit der Bundeswehr unter einem Dach gebündelt würden: “Wir wollen mit dem Kommando CIR ein Treiber für die Weiterentwicklung der Bundeswehr sein. Wir bieten eine neue Handlungsoption, die über die bisherigen Möglichkeiten hinausgeht, und füllen so

eine Lücke.” Und nicht nur die Bundeswehr rüstet sich gegen die Gefahr aus dem Cyber-Raum. Auch die ­NATO hat inzwischen eine eigene Abteilung eingerichtet, um auf die Entwicklungen zu reagieren. In Deutschland soll die neue Einheit des Kommandos CIR auch als Vorreiter bei der generellen Anpassung der Streitkräfte auf die digitale Welt dienen. In diesem Zusammenhang fordert Leinhos, alle Prozesse auf sämtlichen Ebenen konsequent auf den Prüfstand zu stellen, ob diese

Foto: BS/DWT, Stephan Brüss

heute noch sinnvoll einsetzbar seien. Zudem wandle sich auch das Berufsbild des Soldaten an sich, sodass es zusätzliche Kompetenzen und Qualifikationen benötige, um den heutigen Herausforderungen gerecht zu werden. So gehe es vor allem um neue, Hierarchien-übergreifende Kommunikationsstrukturen, da digitale Konflikte in Echtzeit und in voller Flexibilität abliefen. Zudem sei eine Abschreckung, wie im kinetischen Konfliktfall mit der Demonstration von Stärke, nicht mehr möglich, da die digi-

Bundeswehr braucht “IT-Nerds” Zudem sprach er sich dafür aus, in einer neuen Operationsführung auch die Chancen neuer Prozessabläufe zu erkennen und zuzulassen: “Wir müssen heute auch disruptive Prozesse und Freigeistigkeit fördern. Die jungen Leute müssen ihre

Großvorhaben der Bundeswehr (BS/Dr. Gerd Portugall) Das neue Jahr bietet Anlass, einen Blick auf die wichtigsten wehrtechnischen Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr zu werfen. Zahlreiche in- und ausländische Unternehmen stehen dabei im Wettbewerb zueinander. Gleichzeitig ist die finanzielle Lage sowohl national als auch von EU-Seite her so günstig wie lange nicht mehr. tagsabgeordnete Dr. Reinhard Brandl: “Das ist eine realistische Größenordnung.”

Weitere nationale Vorhaben Ein weiteres Großprojekt stellt die Nachfolge für den in die Jahre gekommenen Schweren Transporthubschrauber Sikorsky CH53G – der erste für die Bundeswehr wurde 1972 gebaut – dar. Airbus Helicopters hat keinen schweren Cargo-Hubschrauber im Angebot. Deshalb werden die beiden großen HelikopterHersteller aus den Vereinigten Staaten diesen Wettbewerb wohl unter sich ausmachen: Marktverfügbar ist zum einen der CH47F “Chinook” von Boeing und zum anderen der CH-53K “King Stallion” von Sikorsky. Letzteres wiederum gehört seit 2015 Lockheed Martin, dem größten Rüstungskonzern der Welt. Von vier bis fünf Milliarden Euro für

40 bis 60 Helikopter ist in diesem Zusammenhang die Rede. Die deutsche Marine plant die Beschaffung einer ganz neuen Schiffskategorie: das Mehrzweckkampfschiff (MKS) 180. Dieses soll größer werden als die Fregatten der “Sachsen”-Klasse und durch austauschbare Missionsmodule an unterschiedliche Einsatzarten anpassbar sein. Im Juni 2015 fiel die Entscheidung zur Ausschreibung der Beschaffung von vier Einheiten, die der Marine ab 2023 sukzessive zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Kosten werden bei etwa vier Milliarden Euro angesetzt. Drei Konsortien mit deutscher Beteiligung nahmen an der Ausschreibung teil. Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen beschloss 2017 die raschere Beschaffung des zunächst für die Zeit nach 2030 geplanten fünften und sechsten

Schiffs. Nachdem das BAAINBw im März des vergangenen Jahres das aus ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und Lürssen bestehende Konsortium vom Verfahren ausschloss, verblieben noch zwei Bietergruppen: eine um die niederländische Damen Shipyards Group und die andere um den Schiffshersteller German Naval Yards. Anfang 2015 startete das Planungsamt der Bundeswehr (PlgABw) das Programm “Mobile Taktische Kommunikation” (MoTaKo). Ziel ist die Schaffung eines durchgängigen, IP-basierten Kommunikationsverbunds auf taktischer Ebene – d. h. vom abgesessenen Soldaten über Fahrzeuge bis zum Gefechtsstand. Durch dieses Programm soll die Fähigkeit zur Informationsübertragung mit der erforderlichen Übertragungskapazität bereitgestellt werden.

Im funktionalen Gesamtkontext mit diesem bereits laufenden MoTaKo-Programm steht das Programm “Mobile Taktische Informationsverarbeitung Land” (MoTIV Land), das koordiniert mit MoTaKo realisiert und synchronisiert werden soll. Nach Billigung des Vorhabens Mittelfristplanung MoTIV Land Mitte Januar 2017 wurde zwei Monate später das PlgABw mit der Erstellung einer FFF (Fähigkeitslücke und Funktionale Forderungen) beauftragt. Was das Gesamtvolumen von MoTaKo und MoTIV betrifft, so sprach Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen von “über fünf Milliarden Euro”.

Auf europäischer Ebene Mehr als nur “Zukunftsmusik” sind multinationale Beschaffungsvorhaben, deren Kernstaaten Deutschland und Frankreich bilden. Da ist die Euro-MALE-

Verteidigung digital

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ie Bundeswehr wird immer mehr zu einer digitalen Armee”, so Dr. Reinhard Brandl (CSU), Mitglied im Haushaltsund Verteidigungsausschuss des Bundestages. Das betrifft aber nicht nur Steuerungssysteme in Fahrzeugen und Ausrüstung, sondern auch Basisinfrastrukturen für Kommunikation, Fuhrparkmanagement sowie Versorgung und Einsatzplanung. Die Dimension Cyber- und Informationsraum sei heute außerdem Bestandteil aller Konflikte, sei es in Form von Angriffen auf Kritische Infrastrukturen oder von gezielter Stimmungsmache über Medien. Die Bundeswehr, so Brandl auf einem Parlamentarischen Frühstück des Behörden Spiegel in Berlin, müsse daher einerseits ihre eigenen Systeme vor Angriffen schützen und andererseits Antworten auf die neuen Bedrohungslagen finden. “Ein Großteil der Verwaltungs-IT des Bundes liegt bei der Bundeswehr”, betonte Brandl, “ebenso aber auch ein Großteil des Knowhows.” Darum plädierte der Ab-

Generalleutnant Ludwig Leinhos

talen Kompetenzen unbedingt geheim gehalten werden müssten, um den Gegner im Unklaren über die eigenen Möglichkeiten und Unzulänglichkeiten zu lassen. Schon konkret spürbar ist die Hybridität heutiger Kriegsführung für den Stellvertreter des Inspekteurs der Luftwaffe, Generalleutnant Ansgar Rieks. Im Rahmen der Veranstaltung in Bonn forderte er anhand seiner Erfahrungen mit digitaler Kriegsführung vor allem, dass im Rüstungsprozess eine schnellere Reaktionsfähigkeit aufgebaut werden müsse, damit Konzepte an aktuelle Umbrüche in der Kriegsführung angepasst werden könnten.

Rüstungsentwicklung und -beschaffung

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as Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) hat im Sommer des vergangenen Jahres eine zweite Angebotsaufforderung (RFP – Request for Proposal) an die TLVS-Bietergemeinschaft übermittelt. Diese Gemeinschaft, ein Zusammenschluss von MBDA Deutschland und Lockheed Martin, verantwortet die Entwicklung des zukünftigen Taktischen Luftverteidigungssystems (TLVS). Dieses Projekt firmierte ursprünglich unter der Bezeichnung MEADS (Medium Extended Air Defense System). Im März 2018 wurde dann die TLVS GmbH mit dem Ziel gegründet, Hauptauftragnehmer für das neue Luftverteidigungssystem zu werden. Dem Koblenzer Beschaffungsamt soll wohl Ende des ersten/Anfang des zweiten Quartals ein Angebot auf der Grundlage des zweiten RFP übermitteln werden – mit dem Ziel einer Auftragsvergabe noch in diesem Jahr. Auf die Frage in einem Zeitungsinterview, ob “rund vier Milliarden Euro” nötig seien, um das System fertigzustellen, antwortete der CSU-Bundes-

Behörden Spiegel / Januar 2019

Mit KI zur smarten Cyber Defence (BS/Benjamin Stiebel) Die Digitalisierung ist auch für die Bundeswehr ein Schlüsselthema. Bei der Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten und technischen Kapazitäten gilt der Künstlichen Intelligenz (KI) als Innovationstreiber großes Augenmerk. geordnete für eine starke Einbindung im angestrebten Nationalen Cyber-Abwehrzentrum Plus, das nicht nur Lagebilder entwickeln, sondern auch Cyber-Vorfälle mit Relevanz für die nationale Sicherheit zentral bearbeiten soll. Zwar sehe er keinen Streitkräfteeinsatz im Friedensfall, jedoch sollte die vorhandene Expertise abgerufen werden. Brandl: “Ich könnte mir vorstellen, dass Soldaten ins Abwehrzentrum versetzt werden und dort dann ausdrücklich nicht im Auftrag der Bundeswehr agieren.”

KI disruptiv nutzen Eines der aktuellen Top-Themen im Bereich der Digitalisierung ist KI. Dass es dabei keineswegs um einen übertriebenen Hype, sondern um ein ernstzunehmendes Thema geht, machte

Wolfgang Taubert, Leiter der inhaltlich-strategischer Steue­ rung BWI im BMVg deutlich. Algorithmen und Methoden seien schon lange gut erforscht, mittlerweile würden aber auch die nötige Rechenleistung sowie Massendaten als Grundlage für den praktischen Einsatz zur Verfügung stehen. Auch die Bundeswehr setze schon KI-Systeme ein, so im Geowesen und bei der Auswertung von Bildmaterial. Beim Krisenmanagement seien Systeme in Erprobung. “In Zukunft wollen wir Künstliche Intelligenz verstärkt disruptiv einsetzen”, erklärte Taubert, stellte aber klar: “Ziel ist nicht die Ersetzung des Soldaten, sondern die Unterstützung des Soldaten durch Informationsauswertung und Analysen.” Um die Chancen von KI in Deutschland nachhaltig

nutzen zu können, seien noch einige Voraussetzungen zu erfüllen. Zum einen fehle es noch am soliden technischen Unterbau für viele Anwendungsszenarien. Eine Schlüsselrolle komme dem Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes zu. Zum anderen seien mehr finanzielle Ressourcen erforderlich, um KI-Anwendungen zur Praxistauglichkeit zu bringen. “Der IT-Haushalt der Bundeswehr reflektiert dies noch nicht im nötigen Maße. Und das, obwohl der steigende Bedarf in dem Bereich schon lange offensichtlich ist”, gab Taubert zu bedenken.

Bessere Cyber-Abwehr durch KI Einen besonders großen Gewinn könnten die selbstlernenden Systeme bei der automatisierten Abwehr von Cyber-Angriffen

einbringen – nicht nur bei Streitkräften und Sicherheitsbehörden, sondern auch in der öffentlichen Verwaltung allgemein. Den Ansatz erklärte Hans-Peter Bauer, Vice President Central & Northern Europe bei McAfee: Mithilfe von weitgehend automatisiert agierenden KI-Systemen könnten technische und vor allem die raren personellen Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Das Problem: IT-Sicherheitsexperten seien besonders in der öffentlichen Verwaltung schwer zu bekommen. Gleichzeitig werde die Cyber-Abwehr eine immer komplexere Aufgabe. So nehme die schiere Masse der Angriffe stetig zu, während einzelne gezielte Kampagnen immer professioneller würden. Und Bauer warnte: “Alle Organisationen, auch Betreiber Kritischer Infrastruktu-

Denkstrukturen mit einbringen dürfen.” In der Luftwaffe sei heute alles vernetzt: Es gebe beispielsweise Verbindungen innerhalb der Flugzeuge, aber auch zu Satelliten, mit Bodenstationen und mit anderen Flugzeugen. Hier dürfe man sich nicht nur an den Risiken orientieren, sondern müsse auch die Chancen wahrnehmen und nutzen. Zu zentralen Technologien gehören für Rieks dabei auch Big Data, Künstliche Intelligenz, Cloud Computing sowie Quantentechnologie. Dabei sollte das Führungspersonal aber nicht nur mit modern klingenden Buzzwords um sich werfen, sondern konkret wissen, was man von den IT-Fachleuten haben möchte. Bei diesen brauche es wiederum einen Mix aus fachlich hochgebildeten Experten und Vermittlern zwischen IT und Militär: “Die Digitalisierung braucht auch bei der Bundeswehr die richtigen IT-Nerds, die uns weiterbringen. Es braucht aber auch Leute in diesen Reihen, die das Organisationssystem bei den Streitkräften und die Waffensysteme verstehen und die ihre IT-Neuerungen dann den normalen Soldaten erklären können.” Nur so könne der digitale Wandel effizient und konstruktiv in die Strukturen der Bundeswehr integriert werden, um den Konfliktherden der Zukunft standhalten zu können, so der Stellv. Luftwaffeninspekteur.

Drohne zu nennen, deren Modell im Originalmaßstab einer breiteren Öffentlichkeit erstmals auf der ILA Berlin Air Show im vergangenen Jahr gezeigt wurde. Noch weiter in die Zukunft reicht das FCAS-Projekt (“Future Combat Air System”): ein deutsch-französisches Programm zur Entwicklung eines Mehrzweckkampfflugzeugs der sechsten Generation. Bei der deutschen Luftwaffe soll es ab etwa 2040 den Eurofighter ersetzen, bei den französischen Luftstreitkräften die “Rafale”. Bisher sind Dassault und Airbus an dem Vorhaben beteiligt. Auch beim künftigen Kampfpanzer gibt es eine deutsch-französische Initiative. Die 2015 gegründete Panzer-Holding KNDS stellte bereits den hybriden Demons­ trator des “European Main Battle Tank” (E-MBT) auf der Landmesse “Eurosatory 2018” vor. Ab etwa 2030 will die Bundeswehr das Projekt MGCS (“Main Ground Combat System”) als Nachfolger für den Kampfpanzer “Leopard 2” realisiert haben. Dafür hatten sich Krauss-Maffei Wegmann sowie sein französisches Pendant Nexter zusammengeschlossen.

ren, Sicherheitsbehörden und die Bundeswehr werden unweigerlich immer mehr internetfähige Geräte in ihrer Netzinfrastruktur vorfinden, die niemals für sensible Bereiche gedacht waren.” In dieser Gemengelage die Kontrolle zu behalten, erfordere einen hohen Automatisierungsgrad. Während selbstlernende Systeme auf Grundlage zentral vorgehaltener Informationen einen Großteil der Angriffe selbstständig abwehrten, könnten personelle Ressourcen auf die Bearbeitung der hochgradig spezialisierten Angriffe konzentriert werden. Dort sei der Mensch nach wie vor unverzichtbar. Zwar könne KI besser und schneller Anomalien erkennen, jedoch verfüge sie nicht über menschliche Kreativität und Intuition. “Statt nur viele einzelne Sicherheits-Tools einzusetzen, braucht es eine solide Steuerung der Cyber-Abwehr”, so Bauer. Bisher habe das der Mensch überwiegend selbst geleistet. “Jetzt muss diese Aufgabe vom Menschen mit Unterstützung der KI geleistet werden.”


Verteidigung

Behörden Spiegel / Januar 2019

Gutes Führen

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m Amt für Heeresentwicklung (AHEntwg) ist die Masse der Produkte das Resultat von Nachdenken und Verhandeln, sowohl untereinander als auch mit der Außenwelt. Die zugehörige Währung heißt Information. Das beinhaltet die Verpflichtung für Gutes Führen auf allen Ebenen, die zur Erfüllung eines konkreten Auftrages bereitgestellte Information vor Weitergabe an die Geführten immer zu bewerten und bei Bedarf um ergänzende Hinweise anzureichern. Das gehört unabdingbar zum Guten Führen. Unser Leitgedanke “Excellent conditions – excellent results” bietet hierfür beste Rahmenbedingungen.

Umsetzung von Guter Führung im AHEntwg Das Amt für Heeresentwicklung hat den Ball bereits früh aufgenommen und seit 2015 das Führungspersonal ab der Ebene A16 am Spitzenpersonalcoaching (SPC) des Zentrums für Innere Führung (ZInFü) der Bundeswehr geschult. Auf Ebene der Zwischenvorgesetzten bis zur Ebene A15 finden seit 2016 regelmäßig Durchgänge der Seminarreihe “Gute Führung gestalten” statt. Hier wurde mit bisher weit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Gros aller Vorgesetzten erreicht. Für das Jahr 2019 ist die Fortsetzung dieser Seminarreihe in Planung, ebenfalls mit Unterstützung von Coaches des Zentrums für Innere Führung. Darüber hinaus war das Thema “Gutes Führen im Amt für Heeresentwicklung” Gegenstand einer Führerweiterbildung im Mai und Juni 2016, bestehend aus einer halbtägigen Auftaktveranstaltung, der Bearbeitung von sechs Fernaufgaben quer durch alle Abteilungen und die Stabsgruppe sowie einer zweieinhalbtägigen Zusammenziehung des gesamten im Dienst befindlichen Führungspersonals zum Abschluss. Aufbauend auf einem Pilotdurchgang im August 2016 durchlaufen zudem alle neu zuversetzten Generalstabsoffiziere und Vorgesetzten vom

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Nachdenken und Verhandeln im Amt für Heeresentwicklung (BS/Major Christian Bannemer-Schult*) “Die Bundeswehr hat ein hervorragendes Führungspersonal und eine hervorragende Tradition der Inneren Führung. Trotzdem ist gute Führung eine Kunst, die immer wieder auch erneuert werden muss. Und weil die Welt sich ändert, und weil die Strukturen sich ändern und übrigens weil Gesellschaft sich auch ändert, ist es wichtig, dass Führungskräfte immer offen sind, auch neue Gedanken zu akzeptieren. Mit diesen Worten zum Thema “Gute Führung” hat Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen am 4. Juni 2014 vor der Bundespressekonferenz in Berlin die Maßnahmen und Themenfelder der Attraktivitätsoffensive der Bundeswehr vorgestellt. Im Zuge dieser laufenden Attraktivitätsagenda nimmt das Thema 1, “Führungs- und Organisationskultur”, zu Recht einen besonderen Stellenwert ein. Dezernatsleiter an aufwärts ein halbjährlich stattfindendes Führungskräftetraining (FKT) unter Leitung des Chefs des Stabes und stellvertretenden Amtschefs, Brigadegeneral Bernhard Liechtenauer, in dessen zweitägigem Verlauf auβer der Vermittlung der Besonderheiten in Auftrag, Gliederung und Arbeitsweise des Amtes das Kreativpotenzial und die Fähigkeit zum Quer- und Mitdenken sowie zur gelingenden Kommunikation geweckt werden sollen.

Vertrauen ist wichtig

Wie wirken sich Auftrag und Gliederung aus? Der Hauptauftrag des Amtes lautet “ganzheitliche Heeresentwicklung”, genauer gesagt in der etwas sperrigen Sprache der Bereichsanweisung “Organisation und Kommandostruktur im HEER2011” aus dem Jahr 2015: Die Wahrnehmung aller übergreifenden Koordinierungs-, Weiterentwicklungs- und Fachaufgaben (ausgenommen Fachaufgabe Ausbildung) in einem einstufigen Weiterentwicklungssystem über alle Fähigkeitsdomänen, Truppengattungen und Planungskategorien hinweg. Im Amt für Heeresentwicklung entsteht das “System Heer”, damit einsatzbereite Kräfte des Heeres im Rahmen von Operationen verbundener Kräfte ihren Beitrag zum “System Bundeswehr” leisten können. Mit Ganzheitlichkeit ist eine Herangehensweise gemeint, bei einem gegebenen Auftrag möglichst umfassend die unterschiedlichen Aspekte von Beginn des Projektes bis zum Ende zu beachten und zu integrieren. Dabei sind unterschiedliche Perspektiven aus den

Weiterbildung im Amt für Heeresentwicklung

Planungskategorien – wie zum Beispiel Personal, Organisation, Rüstung, Infrastruktur – mit den Domänen Führung – Aufklärung, Wirkung und Unterstützung und den Truppengattungen des Heeres so zu verweben, dass eine systematische und umfassende Fähigkeitsentwicklung des Deutschen Heeres auf der Zeitachse gewährleistet werden kann. Ganzheitlichkeit spielt sich im Kopf aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Sie denken und handeln im Sinne der Ganzheitlichkeit. Das verlangt von allen Angehörigen des AHEntwg hohe geistige Beweglichkeit, das Beherrschen der Prozesse und des Planungszyklus, Argumentationskraft, Kreativität und Toleranz. Der besondere Wert Guter Führung in diesem zunächst eher unübersichtlichen Ineinandergreifen vieler Einzelaufträge ist es, für Klarheit bei den Geführ-

ten zu sorgen. Ausgehend von der immer wieder zu stellenden Prüffrage “Was dient dem Deutschen Heer in Gänze?” wird von den Vorgesetzten aller Ebenen erwartet, dass sie vor allem den Kontext zu einem gegebenen Auftrag vermitteln können sowie die Fülle an Aufträgen und Aufgaben sichten, priorisieren und nachvollziehbar in einem Team verteilen, gegebenenfalls auch einmal mit dem jeweiligen Auftraggeber über Terminsetzung und Produkterwartung nachverhandeln.

Mit Auftrag geführt Wichtig ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Gesamtkontext und die “Drei Alphas” ihres jeweiligen Vorgesetzten kennen. Wer den Rahmen und die Absicht kennt, wird mit Auftrag geführt, wertet den Auftrag für sich aus und kann auch mit der “Auftragsdichte im Amt”

Gefahren drohen weiter

Foto: BS/Bundeswehr, AHEntwg

umgehen. Bedeutsam ist dafür, dass Vorgesetzte als Navigationslotsen für ihre Geführten agieren. Dabei ist es einer guten Führungsleistung abträglich, wenn Partikularinteressen vor das allgemeine Interesse der ganzheitlichen Heeresentwicklung gestellt werden. Das Prinzip “Gemeinnutz geht vor Eigennutz” schließt zwar Interessenkonflikte zu einem konkreten Sachverhalt nicht aus; den Vorgesetzten wird aber abverlangt, dass sie die Fähigkeit zum Kompromiss besitzen und beispielgebend vorleben. Wer die Mitte findet, sieht das Ganze. Durch das zielgerichtete Zusammenwirken entsteht das “System Heer” getreu der Erkenntnis: “Das Ganze ist mehr als seine Teile”. Einmal mehr liegt der besondere Wert Guter Führung darin, für Klarheit bei den Geführten zu sorgen und als Navigationslotse zu fungieren, diesmal mit dem Schwerpunkt auf einer aktiven Herangehensweise an Informationsbeschaffung, -bewertung und -verteilung.

Menschen als wichtigste Ressource der Auftragserfüllung

Die sicherheitspolitische Lage in und um Europa

(BS/Dr. Gerd Portugall) Das Jahr ist neu – die Bedrohungslage für Europa ist es nicht. Dies gilt sowohl für die Europäische Union (EU) als auch An dieser Stelle lohnt sich ein für den europäischen Kontinent insgesamt. Aber auch an der südlichen wie an der südöstlichen Peripherie haben die Krisenherde, die über das Blick auf die Zusammensetzung Mittelmeer bis nach Mittel- und Nordeuropa ausstrahlen, nicht abgenommen. des Amtes mit seinen knapp 650 Ein relativ neues Phänomen ist die – auch unter Sicherheitsgesichtspunkten relevante – soziopolitische Aushöhlung der EU von innen heraus – insbesondere durch rechts- und/oder linkspopulistische Strömungen. Bisheriger Höhepunkt dieser Entwicklung ist der anstehende Brexit des Vereinigten Königreichs. Dies wird unmittelbare Auswirkungen auf die angestrebte militärische Integration innerhalb der Union haben. Ob die NATO diese Schwächung wird ausgleichen können – noch dazu unter einem US-Präsidenten Donald J. Trump –, bleibt abzuwarten. In drei Himmelsrichtungen sind Populisten in der EU in der Regierung anzutreffen: Im Norden ist es Finnland, im Osten sind es Polen, die Slowakei, Ungarn und Österreich, im Süden sind es Griechenland und Italien. In vielen anderen Mitgliedsstaaten stehen populistische Bewegungen und Parteien in den “Startlöchern”.

Unsicherheitsfaktor Russland Zumindest unterstützt, wenn nicht sogar teilweise initiiert werden solche potenziell destabilisierenden Strömungen offenkundig von außerhalb der Union. An erster Stelle ist hier sicherlich Russland zu nennen, das zum Beispiel in Deutschland sowohl

Wirkte sich katastrophal auf die Stabilität in Nordafrika aus: der Sturz des libyschen Langzeit-Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahre 2011. Hier sammeln sich Rebellenkräfte zum Sturm auf Bani Walid, eine der damaligen Hochburgen der Gaddafi-Truppen. Foto: BS/Magharebia, CC BY 2.0 ,flickr.com

die Linkspartei als auch die AfD offen unterstützt. Ganz gleich, ob eine entsprechende Nachweisführung in jedem Fall möglich ist: Fest steht, dass diese Entwicklungen die EU schwächen und damit – gleichsam automatisch – Russland stärken. Die Staatsführung in Moskau beherrscht meisterhaft die sogenannte “hybride Kriegsführung”. Dazu zählen unter anderem Cyber-Angriffe, die Verbreitung von “Fake News”, aber auch “klassische” Agitation und Propaganda. Das zeigt sich in Europa außer-

• Information, Kommunikation und Koordination sind die Schlüsselelemente des Zusammenwirkens, • das Ergebnis ist eine Teamleistung, die im systematischen Zusammenwirken des “Schwarms” AHEntwg zustande kommt, • gegenseitige Wertschätzung und vor allem das unmittelbare Feedback von Vorgesetzten an ihre Mitarbeiter, • Lob, Dank und Kritik gehören zusammen, • Anspruch der Angehörigen des Amtes für Heeresentwicklung auf Führung und Fürsorge.

halb der Union besonders in der Ukraine, aber auch in Georgien. Darüber hinaus ist auf dem Balkan die Sicherheitslage besonders in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo prekär. Die dortigen ethnisch-religiösen Konflikte sind bestenfalls “eingefroren”, aber nicht gelöst.

Krisenbogen an der Peripherie Die südliche und südöstliche Peripherie Europas wird vor allen Dingen von zwei sicherheitsrelevanten Faktoren bestimmt, die

sich wechselseitig verstärken: die Fragilität einzelner Nachbarstaaten und der Migrationsdruck. Angeblich wollen sich allein in Afrika 30 Millionen Menschen auf den Weg nach Europa machen, so zumindest der Präsident des Europäischen Parlaments Antonio Tajani von der konservativen “Forza Italia”. Symptomatisch für die komplizierte Gemengelage rund um das Mittelmeer ist der Bürgerkrieg in Libyen. Mit gleich zwei konkurrierenden Regierungen kann dort weder von einem staatlichen Gewaltmonopol noch von effektiven Kontrollen der Landund Seegrenzen die Rede sein. Gleichzeitig vagabundieren im Land große Mengen Waffen aus den Depots des 2011 gestürzten Gaddafi-Regimes. Das westliche Nachbarland Tunesien, wo der sogenannte “Arabische Frühling” im gleichen Jahr seinen Ausgang genommen hatte, wie der östliche Nachbar Ägypten kämpfen mit islamistischem Terror, der die Stabilität beider Staaten bedroht. Dass auch weiter entfernte Konflikte – besonders in Syrien, im Irak und in Afghanistan – Europas Sicherheit tangieren können, zeigen Flüchtlingsströme über die Ägäis ebenso wie spektakuläre Terroranschläge in europäischen Großstädten.

Angehörigen bei einem Besetzungsstand von ca. 87 Prozent. Mit Stand Oktober 2018 waren davon 93 Prozent Soldaten, vier Prozent Arbeitnehmer und drei Prozent Beamte. Diese waren bei einem Durchschnittsalter von 44 Jahren zu 93 Prozent männlich und zu sieben Prozent weiblich. Davon waren knapp ein Prozent in Teilzeit und elf Prozent in Telearbeit. Das Verhältnis von Führungskräften zu Geführten ist gegenüber Verhältnissen in der Truppe außergewöhnlich und trägt dem Umstand Rechnung, dass manche Teams neben dem Teamleiter beziehungsweise der Teamleiterin gelegentlich nur zwei weitere Mitarbeiter haben. Dazu kommt je nach Zugehörigkeit zu einer der Abteilungen oder der Stabsgruppe eine Hierarchietiefe von mehreren Ebenen, sodass Geführte in einem Team oder einer Teileinheit bis zu fünf Zwischenvorgesetzte vor ihrem eigentlichen Disziplinarvorgesetzten haben. Damit ist fast jede Führungskraft zugleich auch Geführte einschließlich der zahlreichen fachlichen Arbeitsbeziehungen innerhalb der Matrix oder einer Projektorganisation. Aus allen diesen Besonderheiten im Amt und der Heeresentwicklung ergeben sich eine Reihe von einfachen Prinzipien für eine gute Führungsleistung:

Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und den Leistungswillen der Mitarbeiter sowie das Fördern ihrer Selbständigkeit und Kreativität sind aus Sicht der Amtsführung AHEntwg eine wichtige Voraussetzung dazu. Um diese Prinzipien im täglichen Dienst in eine aktive Führungsleistung umzusetzen, bedarf es einiger weniger, aber fast schon zeitloser Eigenschaften im Zusammenwirken zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden gleichermaßen. Dazu gehören die Ausgestaltung des bewährten Grundsatzes “Führen mit Auftrag” durch klare und aus der Auftragsauswertung des Amtes abgeleitete Zielvorgaben, vertrauensvolle Kommunikation, Plausibilität von Arbeitsaufträgen und die allseitige Fähigkeit und Bereitschaft zu projektbezogenem Arbeiten. Jede Angehörige und jeder Angehöriger muss ihre beziehungsweise seine Rolle und Aufgabe in den Prozessen, in denen er arbeitet, beherrschen. Ein gewisses Maß an Selbststudium und Selbstorganisation ist hierfür erforderlich. Es sind die Führungskräfte, die die Rahmenbedingungen zusammen mit der Amtsführung und den Beteiligungsgremien schaffen. Es sind die Führungskräfte, die den Mitarbeitern die Rahmenbedingungen erläutern, nahebringen und vorleben. Es sind die Führungskräfte, die ihre Rolle zur Führung und Fürsorge gestaltend und initiativ annehmen. Es sind die Führungskräfte, die ein “Nein” ebenso fundiert begründen und durchsetzen wie eine Belobigung jedweder Art aussprechen. Zum Führen gehören unter anderem Bestätigung und Korrektur. Die Führungskraft im AHEntwg wendet beides sicher und selbstbewusst an. Kurzum: Es sind die Führungskräfte, die sich dort dem Anspruch des Guten Führens in besonderer und vorbildlicher Weise verpflichtet fühlen.

Zusammenfassung Flexibilität, Teamorientierung und Kommunikation sind beim Thema “Gutes Führen” gefragt. Zunächst von den Führungskräften in ihrer Rolle als Vorbilder, doch auch von allen Mitarbeitern, wenn sie ihre Vorgesetzten auch tatsächlich als Vorbilder erleben. Das bedeutet nicht, dass ein Vorbild fehlerfrei agieren können muss. Gelegentliche Fehler gehören zum Handwerk und werden akzeptiert, umso mehr, wenn sie aus wahrgenommenem Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen heraus passiert sind. Der Wehrbeauftragte des Bundestages hat schon in seinem Jahresbericht 2015 erstmals eine neue Fehlerkultur für die gesamte Bundeswehr gefordert. Und gerade das gehört auch zum “Guten Führen”. Erst im Zusammenspiel aller Organisationselemente mit ihren Menschen wird der Leitgedanke “Excellent conditions – excellent results” im Amt für Heeresentwicklung mit Leben gefüllt. *Major Christian BannemerSchult ist Sachgebietsleiter S1 Innere Führung im Amt für Heeresentwicklung.


Behörden Spiegel / Januar 2019

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ort fungierte er zunächst als Chief of Staff sowie Head of Special Police Department. Ab November 2016 war der Vater dreier Kinder und Großvater dann Leiter des deutschen Polizeikontingents bei der EULEX und damit ihr oberster Disziplinarvorgesetzter in der Mission. “Außerdem war ich bis September 2017 Berater des obersten Kriminalitätsbekämpfers bei der kosovarischen Polizei”, berichtet Gütlein. Er konstatiert mit Blick auf die Vereinbarkeit von Karriere in der Heimat einerseits und Auslandsverwendung andererseits: “Für mich waren die Missionen keine Karrierehemmnisse.” Ihm seien nie Steine in den Weg gelegt worden. Dies könne aber an der Situation in Bayern liegen, so der heutige Sachgebietsleiter Einsatzzentrale im Polizeipräsidium Unterfranken in Würzburg. Denn natürlich fehle auch im Freistaat der ins Ausland entsandte Beamte. Nach seiner Rückkehr stehe ihm hier allerdings das Recht zu, exakt in seine frühere Funktion zurückzukehren. Außerdem dürften ihm durch die Verwendung außerhalb der deutschen Grenzen keine beruflichen Nachteile oder Verschlechterungen entstehen.

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Kein Karrierekiller Thomas Gütlein schon mehrfach in internationalen Polizeimissionen aktiv (BS/Marco Feldmann) Geht ein Polizeibeamter in den Auslandseinsatz, gilt das für sein berufliches Fortkommen hierzulande oftmals nicht als förderlich. Schließlich fehle er dann in seiner Heimatdienststelle, sei bei Beförderungen außen vor und es sei auch nicht klar, ob er nach der Rückkehr direkt auf seinen angestammten Posten zurückkehren könne. So ist es zumindest aus zahlreichen Bundesländern zu vernehmen. Für Bayern gilt das offenbar nicht. Das meint jedenfalls Thomas Gütlein. Er müsste es eigentlich gut wissen. Schließlich war er schon zweimal im Kosovo stationiert. 2013/2014 agierte der Polizeidirektor im Rahmen der Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo (EULEX Kosovo) als Berater des Chefs für Personal und Ausbildung der kosovarischen Polizei. 2015 ging der heute 50-Jährige erneut nach Pristina.

Eigentliches Ziel war Afghanistan Der gebürtige Unterfranke Gütlein sagt zu solche Entsendungen: “Auslandsmissionen haben mich schon immer interessiert.” Ursprünglich habe er nach Afghanistan gewollt. Hier sei allerdings die Familie, der Beamte ist mit einer Österreicherin verheiratet, skeptisch gewesen. “Im Herbst 2012 habe ich mich dann aber trotzdem für den Pool der Bayerischen Polizei für Auslandseinsätze beworben”, erläutert er. Hierfür habe er einen Sprach- sowie einen Sporttest absolvieren müssen. Zudem sei er in einer Tiefe polizeiärztlich untersucht worden, wie sie ansonsten nur für Angehörige von Spezialeinheiten üblich sei

Polizeidirektor Thomas Gütlein war schon zweimal in einer internationalen Polizeimission im Kosovo aktiv. Dabei beriet er unter anderem den obersten Kriminalitätsbekämpfer der dortigen Polizei. Außerdem überwachte er zwei Grenzübergänge. Derzeit leitet Gütlein die Einsatzzentrale im Polizeipräsidium Unterfranken in Würzburg. Fotos: BS/Feldmann

en, im Gegensatz zu anderen der Bayerischen Polizei eintrat nem Assessment-Center für Positionen, die man zuhause nur Einsätzen, auch Erstverwender und bis 2008 erst in den ge- Auslandsverwendungen ist, schwer oder gar nicht bekomgehen. Generell hält er fest: “Bei hobenen und anschließend in fest: “Wir Deutsche sind in den men würde.” Denn: “Deutsche internationalen Missionen gibt den höheren Dienst aufstieg: internationalen Missionen sehr haben im Ausland eine gute es kein Mittelding. Entweder “Ich habe kontrolliert, dass die anerkannt. Was wir im Ausland Reputation.” man liebt sie oder eben nicht.” Minderheiten in der kosova- machen, hat Hand und Fuß.” InsAus dem Kosovo berichtet rischen Polizei korrekt vertre- besondere deutsche Kontingent- Arbeitssprachen sind Englisch oder Französisch Gütlein: “Dort ten sind und nicht diskriminiert leiter hätten einen sehr guten k a n n m a n werden.” Bei seiner zweiten Ver- Stand, da sie dafür bekannt Er selbst habe in seinen Ver“Auslandsmissionen haben mich ganz normal wendung auf dem Westbalkan seien, genau auf die Einhaltung wendungen im Kosovo auch – als Privat- sei er dann auch operativ tätig aller Vorschriften zu achten. viel von Kollegen aus anderen schon immer interessiert.” person – eine geworden. “Meine Mitarbeiter Der Polizeidirektor ist überzeugt: Nationen gelernt und keine SiWohnung mit und ich haben unter anderem “Für Auslandtuation erlebt, und habe auf Landesebene ein einem vernünftigen Standard zwei Grenzübergänge zwischen seinsätze der in der es selbst eintägiges Assessment-Center mieten.” Auch wenn die Lebens- dem Kosovo und Serbien kon- d e u t s c h e n unmittelbar “Deutschland hat für verhältnisse für ihn und seine trolliert und darauf geachtet, Polizeien wird absolvieren müssen. Einsätze in internatio- gefährdet gewAuf Bundesebene hätten sich Kollegen dort im Allgemeinen dass es dort möglichst nicht zu i n a l l e r R e esen sei. Möglinalen Missionen ein dann noch ein zweiwöchiges “okay” gewesen seien, dürften Übergriffen kam.” Sie hätten so- gel das richcherweise habe Basis- und ein siebentägiges keine Familienangehörigen gar eigene polizeiliche Aktionen, tige Personal das auch daran großes Potenzial.” Spezialseminar angeschlossen. die Beamten besuchen. Hinzu etwa Festnahmen, durchführen ausgewählt.” gelegen, dass er Bei Ersterem müssten nochmals kommt: “Die Luftbelastung im dürfen. Dieses Element der EU- S c h l i e ß l i c h während des ein Englisch- und ein Sporttest Kosovo ist sehr hoch und das LEX-Mission, das sogenannte seien solche Einsätze auch inter- Dienstes dort immer bewaffnet bestanden werden. “Das ist inter- Trinkwasser belastet.” “Special Police Department”, essant und lukrativ. “Man kann gewesen sei. Und im Fall der national standardisiert”, erklärt gebe es seit 2016 allerdings nicht seinen Horizont erweitern und Fälle hätte die EULEX-Mission Gütlein. Bei Letzterem würden Auch exekutiv tätig mehr, so der ehemalige Leiter der erhält Auslandszulagen.” Des auch über eigene Ärzte verfügt. vor allem Landeskunde für das Über seine erste Mission be- Polizeiinspektion Bad Neustadt. Weiteren ist der Beamte über- Verständigen würde man sich jeweilige Einsatzgebiet sowie das rich tet Gütlein, der 1986 in Grundsätzlich hält Gütlein, der zeugt: “In Auslandseinsätzen auf dem Westbalkan unterekorrekte Verhalten dort gelehrt. den mittleren Vollzugsdienst inzwischen auch Prüfer in ei- erhält man unter Umständen inander auf Englisch. “In anHieran nähmen neben deutschen Polizisten auch Kollegen aus dem Ausland teil. “Anschließend musste ich für eine Stelle in der EULEX-Mission ein weiteres Bewerbungsverschenrechten verpflichtet fühlen. Momentan ten und zwei Beschäftigfahren durchlaufen.” Dies sei (BS/mfe) Zuletzt (Stand: 9. Dezember 2018) erfolgt die GPPT-Arbeit von zwei Standorten te der Landespolizeien). bei allen Einsätzen, die unter waren insgesamt 211 deutsche Mitarbeiter Weitere Kräfte wurden aus: Kabul und Mazar-e Sharif. dem Mandat der Vereinten Navon Behörden und Organisationen mit Siunter anderem nach Die personelle deutsche Beteiligung an tionen oder der Europäischen cherheitsaufgaben (BOS) in internationalen den übrigen Missionen ist deutlich geringer. Palästina, in den Irak, Union erfolgten, erforderlich. Polizeimissionen oder bilateralen Projekten in die Ukraine (unter So sind zum Beispiel in der EULEXBei Einsätzen im Rahmen des aktiv. Von den 16 Landespolizeien kamen dem Mandat der OrgaMission im Kosovo momentan nur sieben German Police Project Teams dabei 115 Beschäftigte und von der Bunnisation für Sicherheit (GPPT) sei ein solches sepadespolizei 96. Das Bundeskriminalamt (BKA) Landespolizisten aktiv. Gleiches gilt für und Zusammenarbeit eine unter EU-Mandat stehende Mission in rates Verfahren hingegen nicht stellte zwei Mitarbeiter, aus der Zollverwalin Europa) sowie nach Georgien (EUMM Georgien). notwendig. “Dafür dauert das tung waren es sechs. Haiti geschickt. In der “Multidimensionalen Integrierten Spezialseminar hier nicht nur Die meisten Kräfte (50) sind aktuell im Im Rahmen von Einsätzen der Europäischen Stabilisierungsmission der Vereinten eine Woche, sondern einen ganGerman Police Project Team (GPPT) in Agentur für die Grenz- und Küstenwache Nationen in Mali” (MINUSMA) arbeiten Afghanistan aktiv. Dieses geht auf eine zen Monat.” Bei allen UN- und (FRONTEX) sind 56 Bundespolizisten, momentan drei Bundespolizisten und neun Vereinbarung zwischen der BundesregieEU-Missionen erforderlich: ein 35 Kräfte der Landespolizeien und zwei Kollegen von Landespolizeien. rung und der Kabuler Regierung zurück. 30- bis 45-minütiges TelefoninMitarbeiter der Zollverwaltung tätig. Die Im Rahmen zweier Missionen in Somalia Demnach sollen die deutschen Polizisten terview. Darüber hinaus sei ein Bundesrepublik beteiligt sich seit August sind es insgesamt acht deutsche Polizisihre afghanischen Kollegen beim Aufbau guter Impfstatus erforderlich. 1989 an internationalen Polizeimissionen, von effektiven Sicherheitsstrukturen vor Ort ten. Sieben Landespolizisten wurden in die Dazu gehöre unter anderem zunächst allerdings nur durch Beamte des EULEX Kosovo entsandt. unterstützen und ihre Ausbildung fördern. auch der Schutz gegen Grippe, damaligen Bundesgrenzschutzes (heutige In der Republik Moldau sowie in der Ziel des 2002 eingerichteten Projekts ist es, Hepatitis und sogar Tollwut. Als Bundespolizei). Seit 1994 stellen auch die eine professionelle, sich selbst tragende Po- Ukraine sind jeweils sechs Angehörige der Ergebnis all dessen sei er dann Landespolizeien Kräfte ab. Die erste durch lizei aufzubauen. Ihre Mitarbeiter sollen der Bundes- und Landespolizei sowie des Zolls in den Kosovo entsandt worden. Deutschland unterstützte internationale tätig. Bevölkerung dienen, sie schützen und sich “Das ist eine gute EinsteigermisPolizeimission fand in Namibia statt. Im Niger sind es vier (zwei Bundespolizisden demokratischen Prinzipien und Mension”, meint der Polizist rückblickend. Denn dorthin könnt-

Über 200 Deutsche in der ganzen Welt tätig

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deren Missionen, etwa in Mali, ist hingegen Französisch die Arbeitssprache”, berichtet er. Auf deutscher Seite würden die Beamten, auch wenn sie von den Landespolizeien kämen, für die Dauer des Auslandseinsatzes zur Bundespolizei abgeordnet. Pro Monat, den sie im Kosovoverbrächten, würden sie einen Urlaubsanspruch von vier Tagen erwerben. Die Regeleinsatzdauer betrage zwölf Monate, wobei Verlängerungen jeweils möglich seien. Außerdem könnten die Verwendungen jederzeit freiwillig abgebrochen werden. “Dann muss man ein sogenanntes “Shortening” schreiben, erläutert Gütlein. Bei grobem Fehlverhalten könne der einzelne Polizist aber auch von seinem Vorgesetzten nach Hause geschickt werden. “Als ich Kontingentleiter war, haben sich aber alle Deutschen, die bei Auslandseinsätzen übrigens eine einheitliche blaue Dienstuniform mit einem Deutschland-Wimpel, einem Abzeichen der Europäischen Union und einem Wappen ihres Heimatbundeslandes tragen, gut benommen. Ich musste niemanden nach Hause schicken.” Kehre der jeweilige Beamte hingegen nach dem Ablauf seiner Zeit im Ausland ganz regulär in seine Heimatdienststelle zurück, könne er – zumindest in Bayern – nicht sofort wieder in eine internationale Mission gehen. “Bei uns im Freistaat müssen die Kollegen nach ihrer ersten Mission ein Jahr warten. Nach ihrer zweiten Auslandsverwendung sind es dann sogar 36 Monate.” “Das macht auch Sinn”, findet der ehemalige Fachlehrer bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Und es gebe im Freistaat eine Altersgrenze für derartige Einsätze. “Aktuell liegt sie bei 57 Jahren”, erzählt Gütlein.

Weitere Missionsbeteiligung nicht ausgeschlossen Mit Blick auf seine eigene Situation meint der stolze Besitzer eines Wohnmobils: “Sollte es sich nochmal ergeben, würde ich erneut ins Ausland gehen. Denn meine bisherigen Verwendungen bereue ich kein Stück.” Allgemein komme es auf eines aber ganz besonders an: “Die Familie muss mitspielen.” Für die Zukunft wünscht sich Gütlein, dass noch mehr quali fizierte Polizeivollzugsbeamte aus Bund und Ländern in Auslandsmissionen unter dem Mandat der Vereinten Nationen oder Europäischen Union gehen. Gütlein, der eine große Familie hat und sich als “Handwerker jeglicher Art im Zweitberuf” bezeichnet, ist überzeugt: “Deutschland hat hierfür ein großes Potenzial.” Über seine momentane Tätigkeit als Sachgebietsleiter Einsatzzentrale im Polizeipräsidium Unterfranken mit Sitz in Würzburg sagt der Polizist, der jeden Tag rund 175 Kilometer auf der Autobahn fährt, um zur Arbeit und wieder zurück nach Hause zu kommen: “Die Einsatzzentrale bei uns hier in Würzburg ist für ganz Unterfranken zuständig. Hier erfolgen die Notrufannahme, die Einsatzsteuerung und -dokumentation sowie die Alarmweitergabe per Funk an die einzelnen Beamten.” Dabei arbeite man eng mit den Integrierten Leitstellen von Feuerwehr und Rettungsdienst zusammen, so Gütlein, der seinen aktuellen Posten seit dem 1. Oktober 2017 innehat und für sein Engagement in Auslandsmissionen im vergangenen Jahr im Rahmen einer Feierstunde zum “Tag des Peacekeepers” im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) geehrt wurde.


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