Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. VII / 35. Jg / 27. Woche
Berlin und Bonn / Juli 2019
G 1805
www.behoerdenspiegel.de
Luftqualität verbessern
Erleb- und anfassbar
Schönschrift für Obama
Rita Schwarzelühr-Sutter zu Maßnahmen gegen Feinstaubbelastung....................................... Seite 5
Randolph Stich über die Digitalisierung des ländlichen Raums......................................... Seite 22
Brenda Dybowski ist Kalligraphin im Auswärtigen Amt.......................................... Seite 40
Innovative Ideen gesucht (BS/mfe) Das Bundesumweltministerium (BMU) unterstützt Projekte zur Anpassung an den Klimawandel künftig mit jeweils bis zu 300.000 Euro. Gefördert werden kommunale Vorhaben sowie der Aufbau regionaler Kooperationen. Gleiches gilt für die Entwicklung von Bildungsmodulen und Anpassungskonzepten für Unternehmen, etwa zum Umgang mit Hitzeperioden oder Hochwasser. Projektskizzen können zwischen dem 1. August und dem 31. Oktober 2019 eingereicht werden. “Unsere Umwelt wird durch den Klimawandel verletzlicher”, sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Auch in Deutschland müsse man sich dringend an dessen Auswirkungen anpassen.
Neue Taskforce (BS/mfe) In Rheinland-Pfalz wird beim Verfassungsschutz eine Taskforce “Gewaltaufrufe rechts” eingerichtet. Ihre Mitarbeiter sollen sich rechtsex tremistischer Hetze im Internet widmen. Dafür ist auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt (LKA) und der Justiz vorgesehen. Dort soll insbesondere mit der Landeszentralstelle zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus sowie der Landeszentralstelle Cyber Crime kooperiert werden. Es käme darauf an, sowohl rechtsextreme Einzeltäter als auch entsprechende Verbindungen und Netzwerke schneller zu erkennen und zu bekämpfen, erklärte Innenminister Roger Lewentz (SPD). Hintergrund ist der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Dieser war offenbar rechtsextremistisch motiviert.
Teilergebnis erzielt (BS/jf) Ab dem1. Juli 2019 soll der Zeitzuschlag für Samstagsarbeit bei Wechselschicht- und Schichtarbeit in kommunalen Krankenhäusern auf 20 Prozent angehoben werden. Auf dieses erste Ergebnis haben sich die Vereinigung kommunaler Arbeitgeber (VKA) und die Gewerkschaften Verdi und DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB) in den derzeit laufenden Tarifverhandlungen für Sonderregelungen geeinigt. Im September sollen die bereits 2018 vereinbarten Gespräche fortgesetzt werden. Thema: die Einrechnung von Pausenzeiten in die Arbeitszeit bei Wechselschichtarbeit. Diese sind noch abhängig von der Refinanzierung der daraus resultierenden Kosten durch das neue PflegepersonalStärkungsgesetz. “Ohne die Zusicherung der Refinanzierung sind die Ausgaben für die kommunalen Krankenhäuser nicht zu stemmen”, sagte Dr. Dirk Tenzer, Vorsitzender des zuständigen Gruppenausschusses der VKA.
Kein Allheilmittel Zentralisierung allein löst nicht alle Probleme (BS/Marco Feldmann/Benjamin Stiebel) Zentral oder föderal? Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern kann unterschiedlich organisiert werden. In zahlreichen Politikfeldern wird die Frage der Aufgabenwahrnehmung und Kompetenzverteilung stetig diskutiert. Doch unabhängig von der konkreten Ausgestaltung darf eines nie passieren: eine Flucht aus der Verantwortung. Diese Gefahr ist jedoch jeder Form der Kooperation immanent. So hat kürzlich etwa das Land Berlin die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zur Abwehr von Cyber-Spionage ausgebaut. Auch im Bereich der Cyber-Abwehr in Verwaltungsnetzen könnten bald mehr Kompetenzen an den Bund übertragen werden. Die “Netzstrategie 2030 für die öffentliche Verwaltung” sieht vor, dass Länder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als Dienstleister für die Absicherung ihrer Netze beauftragen können. Der ehemalige Staatssekretär im Brandenburger Innenministerium, Hans-Jürgen Hohnen, meint: “Einzelne Bundesländer können für die Bewältigung globaler Herausforderungen nicht hinreichend gewappnet sein. Bei allem Föderalismus, wir müssen ihn aber auch zeitgemäß leben.” Er hält Plattformen wie das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) grundsätzlich für sinnvoll. Hohnen gibt aber auch zu bedenken: “Es ist fraglich, ob solche ohne gesetzliche Grundlagen versehenen Lösungen allein ausreichen, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden.” Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete und Polizeibeamte Clemens Binninger tritt für eine Bündelung von Kompetenzen ein. “Das brauchen wir beim gewaltbereiten politischen Ex
Hilft nicht immer und schmeckt auch nicht allen: So, wie keine Medizin gegen alle Leiden hilft, ist mehr Zentralisierung nicht immer das beste Mittel. Foto: BS/monropic, stock.adobe.com
tremismus, der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Cyber-Sicherheit.” Er geht sogar so weit, für diese Felder eine Eingliederung der Aufgabenbereiche ins Bundeskriminalamt (BKA) und der entsprechenden Fachabteilungen der Landesämter für Verfassungsschutz in das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zu fordern. Dabei sollen diese Organisationseinheiten dann als Außenstellen
von BKA beziehungsweise BfV an ihren heutigen Standorten verbleiben. Wichtig ist die klare Regelung von Zuständigkeiten, wie das Beispiel Onlinezugangsgesetz (OZG) zeigt. Bei der Verwaltungsdigitalisierung galt Föderalismus lange als großer Bremsklotz. Doch eine Zentralisierung kommt für viele schon aus technischen Gründen nicht infrage. Schließlich werden auf allen Ebenen schon funkti-
onierende Dienste, Plattformen und Infrastrukturen betrieben. Mit der gesetzlichen Verpflichtung, die wichtigsten Verwaltungsdienste online anzubieten, ist Zusammenarbeit zur Dringlichkeit geworden. Statt Lösungen vorzugeben, sollen Systeme geteilt, verbunden oder vernetzt werden. Zentral ist nur die Koordination. Es gibt aber Verbesserungspotenzial. “Wir bräuchten Vereinbarungen zwischen
Kommentar
Zur Silberhochzeit ein neuer Vertrag (BS) Vor 25 Jahren beschlossen Bundestag und Bundesregierung, nach Berlin zu ziehen. Im Bonn/BerlinGesetz heißt es seither, “dass insgesamt der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundestadt Bonn erhalten bleibt” (§ 4). Doch das Gesetz wurde an dieser Stelle dauerhaft gebrochen. Von 20.000 Beschäftigen sind 13.700 in Berlin ansässig, das sind 68,5 Prozent. Von den aktuellen 2.000 Neueinstellungen sind es sogar 85 Prozent. Diesen Rutschbahneffekt zu stoppen, sieht der aktuelle Koalitionsvertrag vor: “Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum. Der Bund wird mit der Region Bonn sowie den Ländern NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz eine vertragliche Zusatzvereinbarung (Bonn-Vertrag) schließen.” Die Koalition hat Halbzeit – für manche gar Endzeit –, passiert ist nichts. Durch die Übernahme des Bauressorts ist Bundesinnenminister Horst Seehofer “der Bundesbeauftragte für den BonnBerlin-Umzug”. Die “Region Bonn” (darunter firmieren die Stadt, drei Landkreise, unterstützt durch die
Staatskanzleien NRW (federführend) und Rheinland-Pfalz) sorgt sich, dass der Rutschbahneffekt mühsam Erreichtes infrage stellt. Um die verbliebenen sechs Ministerien herum sind Strukturen entstanden, die fürs ganze Land Bedeutung haben. So ist mit 20 Einrichtungen Bonn der einzig relevante deutsche UN-Standort mit globaler Ausstrahlungskraft. Klima, Umwelt und Wissenschaft sind die Cluster. Entwicklungshilfe ein weiteres mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), dem UN Volunteers Programme, der GIZ und einem Dutzend weiterer Einrichtungen. Dies Beispiel zeigt, was passieren würde, wenn das BMZ Bonn verließe. Das Cluster hätte keinen Regierungsansprechpartner mehr vor Ort, was
UN-Organisationen und NGOs zwingend scheint. “Die Region” will nun ihrerseits im September Verhandlungen über den Bonn-Vertrag mit der Bundesregierung aufnehmen und appelliert schon mal an den Bund, zu erkennen, welche internationale Bedeutung erreicht worden ist. Dies solle der Bund im nationalen Interesse unterstützen. Daher wird vordergründig kein Geld zur Kompensation gefordert, sondern “Projektunterstützung” bei Verkehrsin frastruktur und Kulturangebot fürs internationale Publikum. Alles entscheidend jedoch ist die Ministerialpräsenz. Das Personal sitzt mit am Tisch, denn es geht um den Verbleib am Rhein und die Ministerialzulage.
R. Uwe Proll
Abrissängste
den Ebenen, die zur gemeinsamen Nutzung von Diensten verpflichten”, so Dorothea StörrRitter, Landrätin im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und Mitglied des Normenkontrollrats. Bei der anstehenden Registermodernisierung ist Zentralisierung eigentlich auch vom Tisch. Bestehende Systeme sollen weiterentwickelt und besser vernetzt werden. Ein jüngst durch die Innenministerkonferenz befürworteter Vorschlag des Bundesinnenministeriums wirft aber Fragen auf. Ein Kerndatensystem mit einem allgemeingültigen Identifier soll das Management von Personenidentitäten im dezentralen Gefüge ermöglichen. “Abgesehen von datenschutzrechtlichen Vorbehalten steht zu befürchten, dass in eine einmal eingerichtete zentrale Datenbank sukzessive immer mehr Daten wandern werden”, sagt Dr. Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag und beratendes Mitglied im IT-Planungsrat. Das alles zeigt: Zentralisierung ist keineswegs das Allheilmittel. Kompetenzabgaben von Ländern an den Bund sind nur zielführend, wenn im Zuge derer die Steuerungsfunktion des Bundes anerkannt wird. Ein solcher Schritt macht jedoch nicht in allen Bereichen Sinn. Auch mit Blick auf die Digitalisierung gilt: ebenenübergreifende Steuerung ja, Zentralisierung nein.