Behörden Spiegel September 2019

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. IX / 35. Jg / 37. Woche

Berlin und Bonn / September 2019

G 1805

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Herausfordernde und reizvolle Aufgabe

Vom Antrag bis zur Archivierung

“Ein Restrisiko ist immer dabei”

Frank Werneke zu seiner Kandidatur für den Verdi-Bundesvorsitz....................................... Seite 4

Klaus Vitt über medienbruchfreies digitales Verwaltungshandeln.................................... Seite 30

Dr. Min-Hi Lee über ihre Arbeit als Leiterin der “Einsatzgruppe Bio”.....................................Seite 51

Erste Digitalisierungsministerkonferenz (BS/gg) Auf Initiative des schleswig-holsteinischen Digitalisierungsministers Jan Philipp Albrecht und mit Unterstützung der hessischen sowie der bayerischen Digitalministerinnen soll Ende September erstmals eine Digitalisierungsministerkonferenz zusammenkommen.

Leichterer Abgleich (BS/mfe) Der Abgleich biometrischer Daten zwischen den Polizeibehörden der EU-Mitgliedsstaaten könnte künftig erleichtert werden. Hierzu soll der EU-Kommission bis November eine Machbarkeitsstudie vorgelegt werden. Außerdem werden in sogenannten Fokusgruppen durch nationale Experten Entwicklungsperspektiven erarbeitet. Es existieren Fokusgruppen zu den Themenkomplexen Fingerabdrücke, DNA und Gesichtsbilder.

Weiterer BGH-Zivilsenat (BS/mfe) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen neuen Zivilsenat in Karlsruhe. Er wird in Personalunion mit dem dadurch gestärkten und erweiterten Kartellsenat verbunden. Die beiden Senate sind nun für kartellrechtliche, energiewirtschaftsrechtliche und vergaberechtliche Streitfragen zuständig. Gleiches gilt für Rechtsbeschwerden nach dem Freiheitsentziehungsgesetz. Darüber hinaus soll beim BGH ein zusätzlicher Strafsenat in Leipzig eingerichtet werden. Die entsprechenden Haushaltsmittel wurden vom Deutschen Bundestag bereits freigegeben. Die Unterbringung der Richter und des zusätzlichen Personals ist aber noch nicht endgültig geregelt.

Mit Augenmaß vorgehen Bundesbehörden in die neueren Bundesländer zu verlagern, ist notwendig (BS/Jörn Fieseler) Mit dem Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen stellt der Bund nicht nur Investitionen in Höhe von 40 Mrd. Euro bis 2038 zur Verfügung, er hat sich darüber hinaus verpflichtet, bis 2028 bis zu 5.000 Arbeitsplätze in den Regionen zu erhalten oder neu zu schaffen. Die Einrichtung erster Behörden steht schon fest, die Frage ist, wie verzweigt muss es am Ende sein? Die Neuansiedlung von Behörden ist für sich genommen schon ein sinnvolles Anliegen. Nicht zuletzt, weil Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor noch nicht einmal einem Jahr konstatierte: “Auf vielen Leitungsebenen vieler Behörden, auch in Ostdeutschland, sind immer noch zu wenige Tarifbeschäftigte oder Beamte aus Ostdeutschland tätig.” Es sei Zeit, dass sich dies ändere. Sondern auch, weil die demografische Entwicklung verheerend ist. Brandenburg (-3,5 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (-9,3 Prozent), Sachsen (-7,9 Prozent), Sachsen-Anhalt (-15,6 Prozent) und Thüringen (-11,9 Prozent) verzeichneten 2018 im Vergleich zum Jahr 2000 drastische Bevölkerungseinbußen. Diesen Trend gilt es idealerweise umzukehren. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat deshalb zugesagt, von den 5.000 Stellen allein 1.500 in seinem Geschäftsbereich zu schaffen. “In Freital (Sachsen) entsteht eine Außenstelle des BSI (circa 200 Stellen), in Ostsachsen wird die Bundespolizei verstärkt, bei Görlitz entsteht eine Schulungseinrichtung der Bundespolizei und am Flughafen Halle/Leipzig entsteht die “Cyberagentur”. In der Summe sind das rund 1.000 Arbeitsplätze”, erläutert Staatssekretär Dr. Markus Kerber. Des Weiteren soll das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumfor-

Arbeitsplätze schaffen, Regionen stärken und den Bevölkerungsschwund verringern, wenn nicht gar umkehren. Bei all diesen Zielen darf ein Grundbedürfnis der Verwaltung nicht aus den Augen gelassen werden: Die Standorte müssen funktionieren und die Aufgaben erfüllt werden. Foto: BS/photosaint, stock.adobe.com

schung im Raum Cottbus eine Außenstelle aufbauen. In der Bundesfinanzverwaltung sollen 2019 und 2020 rund 340 zusätzliche Dienstposten in strukturschwachen Regionen eingerichtet werden. Der Großteil, rund 260, bei der Zollverwaltung. Das Bundesverkehrsministerium hat das Fernstraßenbundesamt (FBA) in Leipzig angesiedelt. Allein

an diesem Standort sollen bis 2021 rund 400 Stellen geschaffen werden. Weitere 750 zusätzliche zivile und militärische Dienstposten will das Verteidigungsministerium bis 2025 in den neueren Ländern einrichten. Zudem sei entschieden worden, ursprünglich zur Schließung vorgesehene Liegenschaften in Strausberg (östlich von Berlin) und Trollen-

hagen (nördlich von Neubrandenburg) weiterzubetreiben. Mehrere hundert Arbeitsplätze sollen auch im Geschäftsbereich des Arbeitsministeriums geschaffen werden. So ist beabsichtigt, der Deutschen Rentenversicherung am Standort Cottbus neue Aufgaben zu übertragen und sie mit Personal auszustatten. Das Justizministerium beteiligt sich in etwas kleinerem Maße: Der

Kommentar

Neue Laufbahn in Thüringen

Digitaler Imperativ

(BS/stb) Der Freistaat Thüringen hat eine neue technische Laufbahn für Verwaltungsbeamte eingeführt. Die Fachrichtung des informationstechnischen Dienstes ist als zwölfte Fachrichtung ins Thüringer Laufbahngesetz aufgenommen worden. Ziel ist es, Fachkräfte für Aufgaben der digitalen Verwaltung einzustellen und zu verbeamten. In dem Zuge will die Landesregierung die Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule Gera-Eisenach vertiefen. “Studierende, deren Studium neben dem Fachthema einen hohen Informatikanteil aufweist, werden in der digitalen Verwaltung künftig einen festen Platz einnehmen”, sagte dazu Thüringens CIO, der Staatssekretär im Finanzministerium, Dr. Hartmut Schubert. “Mit Fachkompetenz und Enthusiasmus werden die jungen Nachwuchskräfte der Dualen Hochschule für die Thüringer Verwaltungen echte Digitalisierungsmotoren sein.”

(BS) Mit der Stabsstelle “Moderner Staat – Moderne Verwaltung” im Bundesministerium des Inneren wurde 2003 begonnen, die Digitalisierung der Verwaltung zu denken. “BundOnline 2005” brachte Erfolg, nämlich beim Zoll. Über 20 Millionen Zolleinfuhr- und ausfuhrerklärungen konnten ab dann jährlich komplett digital abgewickelt werden. Keine Aktenordner mehr, keine Laufwege, ohne Öffnungszeiten und ohne Stempel. Der Finanzminister kam schneller an die Gebühren, die Im- und Exporteure sparten Geld, Zeit und Personal. Konsequent zu Ende digitalisiert, aber genau dafür fehlt an anderer Stelle offenkundig der Mut. Es gibt zahlreiche Themenfelder, die bei genauerer Betrachtung als Hindernisse missbräuchlich gegen eine konsequente Digitalisierung aufgestellt werden. Dazu gehört ohne Zweifel ein überzogener Datenschutz, der selbst vor kleinen Vereinen und Kindergärten nicht haltmacht. Dazu gehört auch eine Diskussion um größtmögliche Datensicherheit. Auch hier verursacht maximale Sicherheit mehr Frust als Freude bei der Digitalisierung.

Die neuesten Einwände gegen die Digitalisierung kommen nun von ethischer Seite: “Wir dürfen keine KI einführen, bevor wir nicht sicher geklärt haben, dass diese fair und diskriminierungsfrei arbeitet!” Die allerwirkungsvollsten Bremser bei der Digitalisierung der Verwaltungen sind jedoch das Ressortprinzip und der Föderalismus. Beide haben ihr Gutes, doch bis ins Letzte ausgereizt, behindern sie die Digitalisierung. So wird derzeit überlegt, ob eine zentralisierte IT-Konsolidierung des Bundes nicht womöglich dem Ressortprinzip widerspricht, nämlich dem Recht auf Selbstorganisation der Ministerien. Auf kommunaler Ebene wird überlegt, inwieweit das Onlinezugangsgesetz (OZG) gar nicht

die Kommunen erreichen kann, weil eine Beschlusslage zwischen Bund und Ländern die kommunale Selbstverwaltung nicht präjudizieren kann. So sieht es das Grundgesetz. Die Länder müssten das OZG in Landesrecht umsetzen, würden damit aber das Konnexitätsprinzip auslösen und in Folge für die OZGUmsetzung in den Kommunen zahlen. Leben andere Staaten und Gesellschaften nach dem digitalen Imperativ, lassen Experimente, Versuche und auch ein Scheitern zu, wollen wir den befürchteten Schmerz der digitalen Transformation auf alle Fälle umgehen. Es bleibt bei Kommissionen, Piloten, Evaluierung.

R. Uwe Proll

Verfolgungsjagd

Bundesgerichtshof in Leipzig wird einen neuen Senat bekommen. Außerdem ist beabsichtigt, in Leipzig eine Außenstelle des Patent- und Markenamtes einzurichten. Auch das Auswärtige Amt plant, hochspezialisierte administrative Aufgaben mit Auslandsbezug in einer selbstständigen Bundesoberbehörde zu bündeln und auszugründen. “Aktuell erfolgt dazu die erste Ausplanung der Aufgabenbereiche der Behörde. Die Festlegung des Dienstsitzes wird im Rahmen des Errichtungsgesetzes erfolgen”, teilte das Ministerium mit. Dabei würden die Verpflichtungen aus dem Berlin-Bonn-Gesetz weiter erfüllt werden. Bei all diesen Maßnahmen darf aber nicht vergessen werden: die Rahmenbedingungen an den Standorten müssen stimmen. Dazu bedarf es einer entsprechenden Ausstattung. Das ist ein struktureller Spagat. Misslingt er, werden Potenzial verschenkt und Verwaltungsroutinen erschwert. Dafür ist ein gewisses Augenmaß bei der Standortauswahl notwendig. Sinnvoll wäre es, die Orte zu favorisieren, die als Lokomotive in einer Region fungieren, wie es Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), bezeichnet. Dies würde auf die Regionen im Umland ausstrah-


Inhalt

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Behörden Spiegel / September 2019

Die Smart Cities ziehen aufs Land. Nachdem in den letzten Jahren vor allem Großstädte und Metropolregionen in digital vernetzte Infrastrukturen investiert haben, zieht der ländliche Raum langsam nach. Immer mehr Kommunen begreifen digitale Dienste und Angebote als wichtigen Standortfaktor. Um die finanziellen und organisatorischen Belastungen zu minimieren, tun sie sich dabei in Cluster-Verbänden zusammen, um gemeinsam die Digitalisierung voranzutreiben und attraktiv für Bürger und Wirtschaft zu bleiben. Foto: BS/Nmedia, stock.adobe.com

Digitale Verwaltung Was gibt der Bund für die Digitalisierung aus?

Jetzt ist das Land dran

Mit Augenmaß digitalisieren

Zahlen, Daten und Fakten aus dem Bundeshaushalt ............................................................ Seite 6

RLP greift Kommunen digital unter die Arme ............. Seite 26

Chancen nutzen, Risiken begrenzen........................... Seite 47

Konstrukte mit Leben füllen

Quo vadis Logistik?

Architektur für mehr digitale Souveränität ................. Seite 39

Anpassung der Logistik an die Erfordernisse moderner Operationsführung ..................................... Seite 50

Kommunale “Cycloramas” Hertener Straßen in virtueller Realität erfasst............ Seite 20

Die nächste Stufe nehmen Konsolidierte IT-Konsolidierung Governance setzt auf klare Trennung......................... Seite 25

“Financial Intelligence Unit” muss weiterentwickelt und ausgebaut werden ............................................... Seite 43

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Überall dabei Digitale Zeitung für Millionen Passagiere und Hotelgäste (BS/wim/rup) Der Behörden Spiegel erhöht seine Reichweite im Digitalen. Seit August ist das E-Paper, also die digitale Ausgabe des Behörden Spiegel, in den Angeboten zahlreicher Fluglinien und noch mehr Hotels im Angebot. In einer Kooperation mit einem internationalen Mediendienstleister steht der digitale Behörden Spiegel seit kurzer Zeit in mehr als 1.200 Media-Boxes in 40 Ländern zur Verfügung. So erhalten die Entscheider und Mitarbeiter der deutschen Verwaltung jederzeit die Möglichkeit, das Leitmedium für den öffentlichen Sektor auch auf Dienstreisen lesen zu können – an Land, auf dem Wasser oder in der Luft, ganz ohne die Printausgabe aus dem Büro mit an den Flughafen oder ins Hotelzimmer bringen zu müssen. Rund 91.000 Zeitungen von den insgesamt 114.000 monatlichen Exemplaren der IVW-geprüften Auflage gehen aus der Druckerei direkt auf die Schreibtische. Da aber viele Entscheider und Mitarbeiter der Behörden unserer Republik nicht nur in ihren Häusern arbeiten, sondern regelmäßig im Land unterwegs sind, setzt der Behörden Spiegel verstärkt auch auf eine Verbreitung im digitalen Raum. Neben der Lufthansa gehören zu der neuen Kooperation auch die Fluglinien Swiss, Austrian, Eurowings, Etihad und Singapore Airlines. Hotelgruppen wie Hyatt, Steigenberger, Radisson, Sofitel und Marriott führen ebenfalls den Behörden Spiegel in ihren digitalen Zeitschriften- und Zeitungsangeboten auf. Auch Organisationen wie das World Economic Forum führen die Zeitung in ihrem digitalen Angebot. Und auch auf dem

Wasser, beispielsweise auf den Schiffen der Hapag Lloyd Cruises Gruppe, sowie in den digitalen Bibliotheken der Mobilitätsdienstleister Sixt und Uber wird der Behörden Spiegel verbreitet. Erreichbar ist die in Deutschland führende Zeitung für den Öffentlichen Dienst dadurch nun auch für jährlich mehr als 160.000.000 Passagiere sowie für die Gäste in 240.000 Hotelzimmern. Überall dort ist die Zeitung in die hauseigenen Apps und WLAN-Angebote eingebettet, sodass die Besucher den Behörden Spiegel auch auf Reisen stets auf unkomplizierte Weise lesen können.

Ergänzung zu bisherigen Angeboten des Verlags Ob Mitglieder der Bundesregierung, der Parlamente und öffentlichen Verwaltungen, auch Unternehmensangehörige – sie alle sind dienstlich unterwegs

und können somit auf Reisen wie gegebenenfalls auch am Zielort auf die digitale Ausgabe des Behörden Spiegel zurückgreifen, weltweit! Das digitale Angebot ergänzt damit die bereits existierenden Apps bei Apple, Google, Amazon und auch Issuu. Bereits seit mehr als zwei Jahren erhalten Flugreisende die druckfrischen Ausgaben des Behörden Spiegel in den Lufthansa-Lounges an den Flughäfen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, München und Stuttgart als Reiseliteratur, damit Behörden- und Regierungsmitarbeiter auch beim Warten auf ihre Flüge jederzeit mit aktuellen Informationen und fundierten Hintergrundberichten aus dem Öffentlichen Dienst versorgt sind. Neben diesem analogen Angebot begleitet der Behörden Spiegel alle Dienstreisenden ab sofort ganz komfortabel und praktisch digital. Ob bei Lufthansa, Kempinski oder Sixt – der Behörden Spiegel ist ab sofort in den Digitalangeboten vieler großer Unternehmen zu finden. Mehr als 160 Millionen Passagiere internationaler Airlines und Besucher von rund 240.000 Hotelzimmern erhalten die digitale Ausgabe des Behörden Spiegel kostenfrei auf ihr Gerät.

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Fieseler Foto 2: BS/BMI Foto 3: BS/Feldmann Beilagenhinweis Einer Teilauflage des Behörden Spiegel liegt eine Beilage der Technischen Akademie Wuppertal bei.

Herausgeber und Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), Dr. Eva-Charlotte Proll, Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Karin Vierheller, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 30/2019, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG BAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag/Redaktion/Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 97-0 Telefax: 0228/970 97 75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


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Berlin und Bonn / September 2019

Wider die Ellenbogenmentalität

KNAPP

An- und Übergriffe auf Staatsdiener / Maßnahmen zu Schutz und Wertschätzung gefordert (BS/Jörn Fieseler) Berlin-Steglitz am S-Bahnhof Rathaus Steglitz: Zwei Jugendliche benehmen sich gegenüber anderen Fahrgästen der S-Bahn nicht gerade freundlich, werden von einem Angestellten der Bahn aufgefordert, stehen zu bleiben und sich zu entschuldigen. Der eine will fliehen, der andere geht auf den Mann im Alter von circa 45 bis 50 Jahren zu. “Was willst Du Schwuchtel?” und “Verschwinde Du Hurensohn”, schallt es über den Bahnsteig, dann laufen die Beiden weg. Der Angestellte reagiert energisch: “Bleiben Sie bitte stehen.” Es nützt nichts. Die Jugendlichen sind verschwunden. Fälle wie diese sind längst keine Seltenheit mehr, wie die jüngste Bürgerbefragung des DBB Beamtenbund und Tarifunion zeigt. Auch Politiker sind nicht ausgenommen.

D

ie Gesellschaft verroht zunehmend, der Umgang miteinander wird rücksichtsloser und brutaler, sagten 83 Prozent der Befragten. Einzig bei den 18 bis 29-Jährigen ist diese Meinung nicht so stark ausgeprägt. Hier stimmen lediglich 67 Prozent dieser Aussage zu. Doch bei dieser Meinungsäußerung bleibt es nicht. Jeder vierte hat schon einmal beobachtet, wie Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes beschimpft, behindert oder sogar angegriffen wurden. Noch häufiger haben die Staatsdiener (Beamte: 44 Prozent; Tarifbeschäftigte 39 Prozent) selbst erlebt, wie Kolleginnen und Kollegen mit solchen Übergriffen zu tun hatten. Besonders häufig wurden Beschimpfungen und Angriffe auf Polizisten (73 Prozent) wahrgenommen. Gefolgt von Rettungskräften (58 Prozent), Busfahrern (42 Prozent), Feuerwehrleuten (40 Prozent) und Lehrern (36 Prozent). Aber auch Ordnungsamtsmitarbeiter (34 Prozent), Lokführer und Zugbegleiter (21 Prozent), Mitarbeiter in Jobcentern (18 Prozent), Erzieher (16 Prozent) und Steuerbeamte (fünf Prozent) zählen zu den Betroffenen.

Jeder Zweite war schon Zielscheibe In den meisten Fällen ist beobachtet worden, wie Beamte und Tarifangestellte beleidigt (86 Prozent) und angeschrien (61 Prozent) wurden. Aber auch Körperliches Bedrängen (30 Prozent), Bespucken (14 Prozent) und Schläge (zehn Prozent) wurde nach Angabe der Befragten beobachtet. Doch damit nicht genug. 48 Prozent der befragten aus dem Öffentlichen Dienst war schon Opfer solcher Übergriffe.

Beleidigungen wie der sogenannte Stinkefinger gehören inzwischen zum Alltag der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes. Foto: BS /kara, stock.adobe.com

Neun von zehn wurden selbst beleidigt, jeder siebte angeschrien, fast jeder dritte körperlich bedrängt. Lediglich zwei von zehn wurden geschlagen, einer von zehn bespuckt.

Staat überfordert? Parallel zeigt die Umfrage, dass 60 Prozent der Befragten den Staat in Bezug auf seine Aufgaben und Handlungsfähigkeit als überfordert betrachten. Sei es in der Schul- und Bildungspolitik, der Asyl- und Flüchtlingspolitik, der Inneren Sicherheit, beim Klima- und Umweltschutz oder den sozialen Sicherungssystemen. “Es ist höchste Zeit zum Handeln”, konstatiert Ulrich Silberbach. Es könne nicht zugelassen werden, dass die Ellenbogenmentalität weiter Fuß fasse. Stattdessen müsse das Gemeinwohl wieder vor das Eigenwohl gestellt werden. “Wenn wir die Bruta-

lisierung unserer Gesellschaft stoppen und die Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst schützen wollen, brauchen wir dringend ein umfassendes Investitionsprogramm Sicherheit im Dienst”, fordert der DBBBundesvorsitzende.

Forderungen übernehmen Dieses Investitionsprogramm müsse einerseits die bekannten personalwirtschaftlichen, baulichen und organisatorischen Ausrüstungsaspekte einbeziehen, wie etwa mehr Personal für Sicherheit und Justiz, damit Fehlverhalten zeitnah und spürbar sanktioniert werden könne. Diesbezüglich setzt die Bundesregierung die gemachten Zusagen für mehr Personal im Sicherheitsbereich weiter um. Im Haushaltsentwurf für den Bundesetat 2020 sind allein für die Bundespolizei 2.100 neue

Stellen vorgesehen. Weitere 500 erhält das Bundeskriminalamt. “Wir sollten außerdem diskutieren, ob das Instrument der Forderungsabtretung nach Paragraph 78a des Bundesbeamtengesetzes auch auf Beleidigungstatbestände ausgeweitet und auf alle Beschäftigten im Öffentlichen Dienst Anwendung finden kann”, erläutert Silberbach. Damit könne ein gerichtlich anerkannter Schadensersatzanspruch vom Dienstherrn übernommen, ausgezahlt und später vom Verursacher eingetrieben werden. “Dann würden alle Opfer von Übergriffen eine Rückendeckung der Dienstherren und Arbeitgeber spüren”, so der DBB-Bundesvorsitzende.

Register und Ombudsmänner Außerdem sollte zur systematischen Erfassung von Übergriffen auf die Diener des Staates ein elektronisches Register einge-

richtet werden. Mindestens auf der Ebene der Länder, besser sei jedoch eine bundesweite Lösung. Nur so ließe sich mehr Transparenz zu diesem Thema herstellen. Und letztlich sollte in jedem Bundesland ein Ombudsmann als zusätzlicher Ansprechpartner eingerichtet werden, vergleichbar mit einigen Polizeibeauftragten (siehe Seite 44 in dieser Ausgabe). Es wundert, dass gerade ein Gewerkschaftler als Vertreter der Personalräte dies fordert. Doch die Personalräte würden nicht über jeden Fall informiert. Schlimmer noch: Vorgesetzte würden Angriffe bagatellisieren oder unter den Teppich kehren. In diesen Fällen sei ein Ombudsmann, der außerhalb der Behörde als Ansprechpartner fungiere, die bessere Alternative.

Handlungsdruck ist da Die Politik sollte schleunigst handeln. Schon aus Eigeninteresse. Denn auch ie Parteirepräsentanten und -mitglieder sind von Angriffen nicht verschont. Wie aus der Bundestags-Drucksache 19/12638 hervorgeht, zählte der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMDPMK) allein für das zweite Quartal 2019 genau 372 Straftaten gegen Politiker von AfD (181), CDU (56), SPD (45), Bündnis 90/ Die Grünen (32), Die Linke (20), FDP (elf) und CSU (vier). Dabei handelte es sich um die strafgesetzlichen Tatbestände Beleidigung, Bedrohung, üble Nachrede, Verleumdung, Nachstellung, Nötigung, das Androhen einer Straftat, einfache und gefährliche Körperverletzung sowie Volksverhetzung. Aber auch Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Diebstahl zählen dazu.

Noch 730 Briten (BS/jf) Unabhängig wie das Schauspiel im britischen Parlament weitergeht, die EU-Kommission ist vorbereitet. Sämtliche Legislativakte sind bereits zum März 2019, dem ursprünglichen Austrittsdatum, verabschiedet worden. Auch der Verbleib der verbliebenen britischen EU-Beamten ist gesichert, wobei deren Zahl um 35 Prozent gesunken ist. Waren 2016 noch 1.126 britische Staatsangehörige in den Institutionen der Europäischen Kommission als Verwaltungsräte, Assistenten, Sekretariatskräfte oder Vertragsbedienstete (Tarifbeschäftigte) beschäftigt, sind es aktuell nur noch 730. Rund 120 britische EU-Beamte haben seit dem 29. März 2017 die Nationalität in den Verwaltungssystemen geändert. Darunter sind auch britische Doppelstaatsangehörige erfasst, die ihre bestehende zweite Staatsangehörigkeit nutzen. Die übrigen können sich auf eine Verwaltungsentscheidung der Kommission berufen. Darin ist das Versprechen des früheren Kommissionspräsidenten JeanClaude Juncker umgesetzt worden, Artikel 49 des Statuts nur für EU-Beamte mit britischer Staatsangehörigkeit nicht anzuwenden, es sei denn, dies wird in besonderen Fällen wie Interessenkonflikten oder im Rahmen internationaler Verpflichtungen hinreichend begründet.

Bürokratieentlastungsgesetz III geplant

(BS/jf) Die Bundesregierung will ein weiteres Gesetz zur Bürokratieentlastung auf den Weg bringen. Derzeit tagt eine Bund-LänderArbeitsgruppe um unter anderem Maßnahmen zur Modernisierung der Registerlandschaft sowie zur Erschließung neuer digitaler Datenquellen und digitaler Erhebungswege auszuloten. Parallel wird über die konkrete Reduzierung von Statistikpflichten diskutiert. Im September findet die nächste Sitzung statt.


Aktuelles Öffentlicher Dienst / Gesundheit

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ehörden Spiegel: Herr Werneke, auf dem Verdi-Bundeskongress soll die Zahl der Fachbereiche verkleinert werden. Werneke: Vorgeschlagen ist, die Fachbereiche im Rahmen der Organisationsveränderung der nächsten vier Jahre zu reduzieren. Auf dem Bundeskongress wollen wir diesen bevorstehenden Veränderungsprozess bei den Vorstandswahlen angehen und in einem ersten Schritt die Zahl der Mitglieder von 14 auf neun verringern. Die bisherige Aufstellung war der Gründungsphase von Verdi geschuldet. Die Grundaufstellung ist bis heute sehr stark von der Trennung zwischen öffentlich und privat geprägt. Das wollen wir jetzt zusammenbringen. Mit der künftigen Aufstellung stärken wir die betriebliche Ebene und schaffen damit die Voraussetzungen, wieder an Tarifmächtigkeit zu gewinnen. Behörden Spiegel: Und Sie kandidieren für den Bundesvorsitz? Werneke: Es gab – nachdem Frank Bsirske vor vier Jahren auf dem Bundeskongress erklärt hatte, nicht noch einmal anzutreten - einen ausführlichen Findungsprozess, der von ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen verantwortet wurde. Ich wurde gefragt, habe es mir gründlich überlegt, ja gesagt und bin am Ende vorgeschlagen worden. Schließlich hat mich auch der Gewerkschaftsrat, unser höchstes Gremium zwischen den Bundeskongressen, nominiert – gemeinsam mit Christine Behle und Andrea Kocsis, die als stellvertretende Vorsitzende vorgeschlagen sind. Der Vorsitzende von Verdi werden zu können, ist für mich eine sehr herausfordernde und absolut reizvolle Aufgabe zugleich. Behörden Spiegel: Was ist für

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Herausfordernde und reizvolle Aufgabe Frank Werneke kandidiert für den Verdi-Bundesvorsitz (BS) Auf dem kommenden Bundeskongress der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) wird nicht nur die Nachfolge von Frank Bsirske per Wahl entschieden, auch der Bundesvorstand der Gewerkschaft soll verkleinert werden (zu den übrigen Kandiaten siehe Kasten). Der Behörden Spiegel stellt im Interview den bislang einzigen Anwärter für den Bundesvorsitz, Frank Werneke, vor und sprach mit dem derzeitigen stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Leiter des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie sowie des Bereichs Finanzen über die Umorganisation von Verdi, seine Kandidatur und die wichtigsten Handlungsfelder. Die Fragen stellte Jörn Fieseler.

“Die Stabilisierung des Tarifvertragssystems ist für uns eine wichtige Priorität”, sagt Frank Werneke. Foto: BS/Fieseler

Sie das reizvolle an der Aufgabe? Werneke: Das Wichtigste ist, dass wir eine ganz unmittelbar gestaltende Kraft sind, nicht zuletzt über die Tarifarbeit. Verdi ist zudem in ganz vielen unterschiedlichen politischen Feldern aktiv: Im Arbeits- und Sozialrecht, bei der Energiepolitik, der Digitalisierung oder in der Bildungspolitik sind wir ein maßgebender Akteur. Die Organisation und natürlich auch der Vorsitzende bewegen sich in einer sehr großen politischen Bandbreite. Behörden Spiegel: Gesetzt den Fall, Sie werden vom Bundeskongress gewählt, welche Aufgaben wollen Sie in den nächsten vier Jahren angehen? Werneke: Der neue Bundesvorstand wird an das anknüp-

fen, was Verdi derzeit macht und bewegt. Wir haben klare Schwerpunkte gesetzt, die wir in den kommenden vier Jahren weiterentwickeln wollen. Die Stabilisierung des Tarifvertragssystems ist für uns eine wichtige Priorität. Wir wollen, dass über die Tarifverträge in Deutschland Fortschritte in der Arbeitswelt und der Lohnentwicklung stattfinden. Es ist dringend notwendig, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen zu vereinfachen. Hier hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bisher faktisch eine Vetomöglichkeit. Diese Blockademöglichkeit verhindert Fortschritte auf diesem Gebiet. Wenn ein Branchenarbeitgeberverband und Verdi oder eine andere Gewerkschaft die Allgemeinverbindlichkeit gemeinsam beantragen, muss das aus-

reichen. Des Weiteren arbeiten wir daran, die “Ausgliederitis” in der Privatwirtschaft eindämmen. Ausgründungen und Zerstückelungen von Betrieben dienen meist dazu, den Tarifschutz zu unterlaufen. Wir sagen: Bei Ausgliederung darf ein Tarifvertrag nur durch einen Tarifvertrag abgelöst werden, nicht durch Einzelarbeitsverträge. Weitere Themen sind für uns die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro, die Einführung einer Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, die Sicherung des Rentenniveaus und auch die Gestaltung der Veränderungen in der Arbeitswelt , die sich durch die voranschreitende Digitalisierung ergeben. Behörden Spiegel: Und mit Blick den Öffentlichen Dienst? Werneke: Hier strebt Verdi Verhandlungen zu einem Digitalisierungsvertrag an. (siehe dazu Behörden Spiegel, August 2019, Seite 1). Es geht es vor allem um Mitbestimmung und Mitgestaltung. Leider sind die meisten Personalvertretungsgesetze von Bund und Ländern in keiner Weise auf den Prozess der digitalen Transformation vorbereitet. Über die Modernisierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes diskutieren wir schon seit vielen Jahren. Im öffentlichen Sektor werden sich zudem in erheblichen Umfang Qualifizierungsfragen stellen, da wir eine Vielzahl von standardisierten Prozessen haben, die sich digitalisieren lassen. Damit sind Arbeitsplatzeffekte verbunden. Gleichzeitig haben wir enorme Beschäftigungsbedarfe im Öffentlichen Dienst. Beides muss parallel organisiert werden. Zur Stabilisierung des Tarifvertragssystems gehört für uns, dies bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen. Jährlich werden in Deutschland Aufträge im Wert von rund 350 Mrd. Euro durch die öffentliche Hand vergeben. Diese Gelder sollten ausschließlich an Unternehmen vergeben werden, die tarifgebunden sind. Dafür streben

wir eine bundesgesetzliche Regelung an. Hilfsweise diskutieren wir mit den einzelnen Ländern, diese Regelung in den Landesvergabegesetzen zu normieren. Im Saarland sind wir dazu gerade in Gesprächen mit der Landesregierung. Behörden Spiegel: Die Tarifver-

handlungen mit Bund und Kommunen finden erst nächstes Jahr im Herbst statt. Können Sie schon jetzt Schwerpunkte benennen? Werneke: Auf jeden Fall wird im nächsten Jahr ein nächster Schritt zur Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes ein Thema sein. Wir haben zudem eine große Umfrage mit 200.000 Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes zum Thema Arbeitszeit durchgeführt. Die Daten werden gerade ausgewertet. Ergebnisse sollen nach dem Bundeskongress der neu konstituierten Bundestarifkommission vorgestellt und dort diskutiert werden. Dann wird entschieden, welche Rolle das Thema Arbeitszeit in der nächsten Tarifrunde spielt.

Zur Person (BS/jf) Frank Werneke (52) begann seine berufliche Karriere mit einer Berufsausbildung in der papierverarbeitenden Industrie in Bielefeld-Brackwede. Der Betrieb ist wie in der Vergangenheit ein wichtiger Streikbetrieb der Gewerkschaft. Werneke war schon als Auszubildender in der Streikleitung tätig, ist anschließend zum Jugendvertreter gewählt worden und war bis 1993 schnell auf örtlicher und betrieblicher Ebene der Gewerkschaft aktiv. Mit 24 Jahren wechselte er in die Zentrale der IG Medien und wurde dort Sekretär für die Fachgruppe Druckindustrie und Zeitungsverlage.

Seit diesem Zeitpunkt war er in Verhandlungskommissionen an den Tarifrunden beteiligt. Fünf Jahre später (1998) wurde er Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der IG Medien. Mit der Gründung von Verdi übernahm er eins der beiden Mandate, die die Industriegewerkschaft im neuen Bundesvorstand zugesprochen bekam und leitet seitdem den Fachbereich Medien, Kunst und Industrie, zu dem auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört. Seit 2002 ist Frank Werneke stellvertretender Verdi-Vorsitzender. 2012 wurde er auch Finanzchef der Gewerkschaft.

Die Kandidaten (BS/jf) Für den Bundesvorstand kandidieren neben Frank Werneke weitere sechs Frauen und zwei Männer: • Christine Behle für den stellvertretenden Bundesvorsitz und die Fachbereiche “Bund und Länder”, “Gemeinden”, “Sozialversicherung”, “Verkehr” sowie “Besondere Dienstleistungen”, • Andrea Kocsis für den stellvertretenden Bundesvorsitz sowie den Fachbereich “Postdienste, Speditionen und Logistik”, • Silvia Bühler für die Fachbereiche “Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen” sowie “Bildung, Wissenschaft und Forschung”, • Karin Hesse, zuständig für Personal, IT und Organisationsentwicklung, • Dagmar König zuständig für die Sozialpolitik, • Christoph Meister für den Bereich Finanzen von Verdi sowie gewerkschaftliche Bildungsarbeit, • Stefanie Nutzenberger für den Fachbereich “Handel”, • Christoph Schmitz für die Fachbereiche “Finanzdienstleistungen”, “Ver- und Entsorgung”, “Medien, Kunst und Industrie” sowie “Telekommunikation, Informationstechnologie, Datenverarbeitung”.

Zukunft Dienstrecht

Arbeits-, tarif- und beamtenrechtliche Entwicklungen 19. – 20. November 2019, Maritim Hotel, Bonn

§

Mit Beiträgen u. a. von:

Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio Der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts befasst sich mit dem Thema „Grundsätze des Berufsbeamtentums“ im Lichte der aktuellen Verfassungslage.

Karin Spelge, Die vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht (6. Senat) informiert über die aktuellen Entscheidungen zum TVöD/TV-L.

Weitere Informationen zur Tagung „Zukunft Dienstrecht“ sowie das Anmeldeformular finden Sie unter: www.zukunft-dienstrecht.de

Dr. Franz Werner Gansen Der Vizepräsident des Sozialgerichts Koblenz hinterfragt, ob das Disziplinarrecht noch zeitgemäß und ausreichend für die Pflichtenmahnung der Beamten ist.

Eine Veranstaltung des


Bund / Länder

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Verantwortung wechselt

Zukunft der Personalentwicklung

Grundsätzliche Einigung zwischen Ressortchefs / Noch Probleme mit Register

Schlüsselfaktor für den Öffentlichen Dienst

(BS/mfe) Die Zuständigkeit für das private Sicherheitsgewerbe soll vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ins Bundesinnenministerium (BMI) übergehen. Darauf hätten sich die beiden Ressortchefs Peter Altmaier (CDU) und Horst Seehofer (CSU) grundsätzlich verständigt. Die Vereinbarungen über eine erforderliche Verwaltungsvereinbarung liefen derzeit allerdings noch. Auch sei der technische Übergang nicht ganz einfach.

(BS/por) Einen wichtigen Eckpfeiler im deutschen Staats- und Gesellschaftssystem stellt der Öffentliche Dienst dar – im Bund, den Ländern und Kommunen. Deren Führungskräfte und Mitarbeiter haben einen wesentlichen Anteil am Erfolg oder Misserfolg staatlicher Organe. Dies gilt auch für öffentliche Betriebe. Vor diesem Hintergrund kommt gerade der strategischen Personalentwicklung eine zentrale Bedeutung zu.

Das berichtete der Referatsleiter “Grundsatz Polizei und Strafverfolgung” im BMI, Martin von Simson. Auch wenn sein Haus derzeit noch nicht für den Themenkomplex zuständig sei, wären bereits erste Überlegungen angestellt worden. Diese beträfen unter anderem die künftigen Prüfungsinhalte für die Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste, die Prüfungsabnahme und die Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Diese sollten in Zukunft schneller durchgeführt und wenn möglich vereinheitlicht werden.

“Der Öffentliche Dienst ist Garant des demokratischen Rechtsstaats.” Das erklärte Jürgen Mathies, beamteter Staatssekretär im Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW), Anfang September in Bonn in seiner Keynote auf einer Personalentwicklungskonferenz des Behörden Spiegel. In diesem Zusammenhang verwies er auf Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes, wonach die vollziehende Gewalt “an Recht und Gesetz gebunden” ist. Das sei die “Grundbedingung” für die Funktionsfähigkeit des Staates, so Mathies. Für Aufsehen sorgten bei Veröffentlichung im Januar 2003 die Empfehlungen der von der Landesregierung NRW eingesetzten Kommission “Zukunft des Öffentlichen Dienstes – Öffentlicher Dienst der Zukunft” unter Vorsitz des früheren schleswig-holsteinischen Innenministers Prof. Dr. Hans Peter Bull. Die Abschaffung des Berufsbeamtentums, die Bezahlung nach Leistung und eine Altersversorgung über die gesetzliche Rentenversicherung waren Kernforderungen der sogenannten Bull-Kommission. Darauf verwies der Moderator der Bonner Veranstaltung Dieter Wehe, Inspekteur der Polizei NRW a. D.

Derzeitige Situation verbesserungsbedürftig Bisher gebe es hier – je nach Bereich – noch zahlreiche unterschiedliche gesetzliche Grundlagen. Denkbar seien ein Kaskadensystem sowie der Ausbau des Bewacherregisters durch dessen Befüllung mit weiteren Informationen, zum Beispiel mit Ergebnissen von Zuverlässigkeitsüberprüfungen aus anderen Bereichen. Derzeit gebe es beim Bewacherregister unter anderem noch Verbesserungsbedarfe bei der Befüllung durch die Länder, berichtete von Simson. Aktuell wird das Verzeichnis vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), einer nachgeordneten Behörde des BMWi mit Sitz in Eschborn, aufge-

Die Zuständigkeit für private Sicherheitsdienste soll vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) ins Bundesinnenministerium (BMI) übergehen. Ungeachtet einer Ministerübereinkunft gibt es dabei jedoch noch Schwierigkeiten. Foto: BS/©David Stuart, Fotolia

baut und befüllt. Im Anschluss könnte es laut von Simson dort auch weiterhin betrieben werden. Zu hören ist allerdings, dass der Befüllungsgrad des Registers noch zu wünschen übrig lässt und deutlich hinter den ursprünglichen Planungen hinterherhinkt. Ebenfalls zu vernehmen ist von Personen, die mit der Materie vertraut sind, dass

das BMWi nach dem Zuständigkeitswechsel für einen sofortigen Übergang des Registers in eine Behörde des BMI-Geschäftsbereiches eintritt. Denkbar wäre hier das Bundesverwaltungsamt (BVA). Diskutiert wird offenbar, in diesem Falle zu regeln, dass die Dienstaufsicht für das Register beim BMWi verbleibt, die Fachaufsicht dem BMI zukommt.

Klage in Berlin

Probleme und Lösungen Zu den Herausforderungen der künftigen behördlichen Personalentwicklung zählen insbesondere

BMVg-Personalräte wollen näher an der Hausspitze sein (BS/rup) Im Vorfeld der im Frühjahr 2020 stattfindenden Personalratswahlen klagten zwei Berliner Personalräte aus dem Verteidigungsministerium vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin. Sie wollen erreichen, das Gesamt- und Hauptpersonalräte künftig automatisch in Berlin angesiedelt werden. Die beiden Personalvertreter begründen ihr Vorhaben mit allerlei Beschreibungen über die sogenannte "Briefkastenadresse" Bonn. U.a. aber auch mit der "Vollendung der Deutschen Einheit". Das sogenannte Bonn/ Berlin-Gesetz verwendet diesen Begriff aber nicht, sondern beschreibt ausschließlich die Arbeitsfähigkeit der in Bonn wie in Berlin ansässigen Ministerien. Zudem bezweifelt der Bundesvorsitzende des Verbandes der Beamten der Bundeswehr (VBB), Wolfram Kamm, dass es Aufgabe

E

in Blick hinter die Kulissen offenbart das Problem. Die Gewichtung einzelner Fakten und deren Einbeziehung in das Gutachten sorgen für Kontroversen sowohl innerhalb der mit der Begutachtung beauftragten Arbeitsgemeinschaft als auch mit den potenziellen Bedarfsträgern. Der von den Gutachtern in Erwägung gezogene Ausweg, sich auf den objektivierbaren Teil der unterschiedlichen Vorhaben der potenziellen Bedarfsträger zu beschränken und auf eine fachliche Bewertung der Vorstellungen und Realisierungsmöglichkeiten zu verzichten, versetzt die Ministerien nicht in die Lage, den gordischen Knoten der widerstreitenden Interessen der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) und der Betreiber Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) über die künftige Nutzung des im 450-MHz-Bereich frei werdenden Minispektrums von 2 x 4,74 MHz zu durchschlagen. Ob nun das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) veranlasste und jüngst veröffentlichte Gut-

eines gewählten Personalrates sei, Dinge zu debattieren und einzuklagen, die nicht nach dem Personalvertretungsrecht zu entscheiden seien, sondern eine staatspolitische Frage seien und in den Bundestag gehörten. Personalvertretungsrecht ist Organisationsfolgerecht und so gibt es am Hauptsitz des Ministeriums in Bonn den örtlichen Personalrat, den Gesamtpersonalrat sowie den Hauptpersonalrat, der die Interessen aller Beschäftigten der Bundeswehr vertritt. Ein Gesamtpersonalrat

tritt erst dann in Kraft, wenn ein lokal getrennter Teil der jeweiligen Verwaltungseinheit einen Verselbständigungsbeschluss herbeigeführt hat, der im Regelfalle durch Unterschriftensammlungen zustande kommt. Dieser muss vor jeder Personalratswahl erneut stattfinden und wurde vor der letzten Personalratswahl in Berlin erfolgreich durchgeführt, so dass sowohl in Berlin wie auch in Bonn ein örtlicher Personalrat existiert. Die beiden Kläger unterstellen, dass Berlin Hauptsitz des Verteidigungsressorts sei.

Eine aktuelle Information der Hausleitung von letzter Woche gibt an, dass 52 Prozent der Beschäftigten in Berlin und 48 Prozent in Bonn arbeiten. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin kann ein Nachspiel vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) haben. Im Mai sind Personalratswahlen und in Kürze werden die Listen aufgestellt. Es bedarf personalvertretungsrechtlich eines langen Vorlaufs. Selbst mit einem Eilantrag ist daher nicht davon auszugehen, dass das OVG vor entscheiden wird.

Der “Krieg um Talente” ist in vollem Gange – sowohl innerhalb des Öffentlichen Dienstes als auch mit der Wirtschaft –, so Jürgen Mathies, NRWInnenstaatssekretär, auf dem Personalentwicklungskongress des Behörden Spiegel. Foto: BS/Portugall

der demografische Wandel, die fortschreitende Digitalisierung und die wachsenden Ansprüche der Bürger an die Verwaltung. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang der Wissenstransfer von öffentlich Bediensteten an ihre Nachfolger. Diesen Übergang zu gewährleisten gilt als zentrale Aufgabe für Führungskräfte und Personalverantwortliche. Regierungsdirektorin Doreen Molnár, Referatsleiterin im Bundesarbeits- und Sozialministerium (BMAS), nannte in der oben erwähnten Veranstaltung drei grundlegende Instrumente des Wissenstransfers. Dabei wies sie allerdings darauf hin, dass sie als Privatperson und nicht als Ministerialbeamtin vortrage. Das erste Instrument ist das Teilen von Fach- und Erfahrungswissen im Arbeitsalltag. Zweitens sollten wichtige Wissensbestandteile und Erfahrungen dokumentiert, das heißt gesichert werden. Schließ-

MELDUNG

Weiterer BAMAD-Vizepräsident (BS/mfe) Dr. Burkhard Even soll neuer Vizepräsident des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD). Er wird den Posten am 1. Oktober übernehmen. Damit wird der Posten eines zweiten, zivilen Vizepräsidenten geschaffen. Bisher verfügte das BAMAD nur über einen militärischen Vizepräsidenten. Diesen Posten hat momentan Flottillenadmiral Michael Kulla inne.

Gutachten hilft nicht weiter 450-MHz-Entscheidung noch offen (BS/leh/rup) Das Erscheinen des bereits Ende Mai 2019 erwarteten, vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) beauftragten Gutachtens verzögert sich weiter. Eigentlich sollte mit dessen Hilfe eine Entscheidung über die künftige Nutzung des im 450-MHz-Bereich frei werdenden Spektrums herbeigeführt werden. Bei Anfragen nach dem Stand der Dinge und den Ursachen der erneuten Verzögerung geben sich die Beteiligten äußerst schmallippig. achten zur Digitalisierung der Energiewende dazu beiträgt, dass auf der Ministerialebene von Bundesinnenministerium (BMI), Bundesverkehrsministerium (BMVI) und BMWi eine einvernehmliche Entscheidung zustande kommt, ist wenig wahrscheinlich. Zu sehr sind die Beteiligten auf ihre Positionen eingeschworen.

Untersuchung hatte mehrere Ziele Ziel der Untersuchungen war zum einen die Erfassung des aktuellen Stands der Digitalisierung der Energiewende sowie zum anderen die Identifikation von Trends und Ableitung von Handlungsvorschlägen, um die Digitalisierung der Energiewende voranzutreiben. Die im Topthema “Telekommunikations-Infra-

Das Gutachten, mit dessen Hilfe eine Entscheidung über die künftige Nutzung des im 450 MHz-Bereich freiwerdenden Spektrums herbeigeführt werden sollte, ist immer noch nicht erschienen. Grund für die Verzögerungen sind unter anderem unterschiedliche Ansichten und Interessenslagen der beteiligten Ministerien. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de

lich erfolgt beim Dienstzeitende üblicherweise eine Weitergabe von Fach- und Erfahrungswissen an den jeweiligen Nachfolger. Transfergespräche hätten dabei zwischen Wissensgeber, Wissensnehmer, Moderator und Führungskraft zu erfolgen, so Molnár. Wichtige Ansatzpunkte beziehungsweise Stärken für staatliche Personalfindung und Personalbindung seien unter anderem die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Bandbreite des Öffentlichen Dienstes sowie die Qualität der Aus- und Weiterbildung, so Mathies, der selbst auf eine lange und erfolgreiche Polizeikarriere zurückschauen kann. Probleme gebe es jedoch durch den föderalen Staatsaufbau, das Kaputtsparen in der Vergangenheit, die Konkurrenz mit der besser zahlenden Wirtschaft sowie durch den Nachwuchskräftemangel – besonders bei IT-Spezialisten. Die öffentliche Verwaltung müsse sich daher selbstbewusst auf ihren “Markenkern” konzentrieren: Vielfalt der Aufgabengebiete, Sinnhaftigkeit des Handelns für die Gesellschaft, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Kollegialität und Atmosphäre. Gleichwohl fragten sich die Bürger: Leistet der Staat noch genug bei seiner vielfältigen Aufgabenerfüllung? NRW-Innenstaatssekretär Mathies nannte in diesem Zusammenhang die zahlreichen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 “eine Zäsur”. Dieses Ereignis sei in der Bevölkerung mehrheitlich als eklatantes Staatsversagen wahrgenommen.

struktur und TK-Regulierung” adressierte Kernfragestellung war: Sind die Telekommunikationsinfrastrukturen und die TK-Regulierung für die Digitalisierung gerüstet. Dabei wurde auch der Aufbau eines dezidierten LTE-Mobilfunknetzes im 450-MHz-Bereich beleuchtet. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die vielfältigen und äußerst komplexen Anforderungen für eine sichere Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland durch die Zuweisung des im 450 MHz-Bereich freiwerdenden Spektrums an die KRITIS Energieversorgung vollständig abgedeckt werden könnten. Neben der Steuerung und Kontrolle von Betriebsmitteln ist eine sichere Integration von EEGAnlagen sicherzustellen und

Even ist promovierter Jurist und war zuletzt Leiter der Abteilung Spionageabwehr und Geheimschutz im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Diesen Posten hat inzwischen Dr. Maik Pawlowsky übernommen. Vom BAMAD selbst hieß, dass man zwar die Schaffung eines weiteren Vizepräsidentenpostens zum 1. Oktober bestätigen könne. Konkrete Namen wolle man allerdings nicht kommentieren.

ein “Quality of Service” bei der Datenübertragung sowie eine Verfügbarkeit auch beim Stromausfall zu gewährleisten. Neben netzkritischen Datendiensten ist damit auch die im Notbetrieb essenzielle Sprachkommunikation zu unterstützen. Hinsichtlich der Schwarzfallfestigkeit der eingesetzten Telekommunikationsdienste müssen Verteilnetzbetreiber entsprechende EU-rechtliche Vorgaben beachten und umsetzen.

BDBOS hat Kompromissvorschlag eingebracht Die BDBOS, die das Netz problemlos auf bestehenden Strukturen für die KRTIS glaubt betreiben zu können, brachte nun einen Kompromissvorschlag ein. Dieser sieht vor, die kritischen Datenverkehre der Energieversorger über ein von ihr selbst mit den 450-MHz-Frequenzen errichtetes und betriebenes LTEBasisnetz abzuwickeln. Die Diskussion dazu läuft derzeit noch. Man wird sehen müssen, ob die Politik hier jetzt entscheidungsfähig und -freudig ist.


Daten & Fakten

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Behörden Spiegel / September 2019

Was gibt der Bund für die Digitalisierung Deutschlands aus? (Behörden Spiegel/Jörn Fieseler) Im kameral geführten Bundeshaushalt gibt es nicht den einen Titel, in dem die Ausgaben zur Digitalisierung geführt werden. Wie das Beispiel aus dem Auswärtigen Amt zeigt, werden Projekte aus mehreren “Töpfen” zum Teil in verschiedenen Kapiteln finanziert. Wer dennoch die Ausgaben erfahren möchte, ist auf separate Auswertungen der Bundesregierung angewiesen. Diese zeigen: Die Digitalisierung nimmt Fahrt auf. Die Haushaltsmittel sind von 2017 auf 2018 insgesamt um 44 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der Posten innerhalb der einzelnen Haushaltstitel hat zugenommen.

Beispiel Auswärtiges Amt Projekt: Aufbau weltweiter Rechenzentren 2018 Projektmittel; 2,58 Mio. Euro

541.000

1.006.000

466.000

503.000

65.000

Legende

0510 532 01

Kapitel Titel

0510 812 02

0512 511 11

0512 812 12

0512 532 11

Anzahl Posten/Positionen (Programme und Projekte) 482 49 %

28 %

88 %

20 %

33 %

20 %

48 %

76 %

50 %

138 %

40 %

39 %

120 %

150 %

319

Steigerung in Prozent von 2017 auf 2018

288

281

256

252

241

2017

189

172 2018

116 36 4

37 21

30

3

BMVg

BMBF

BMWi

BMI

BMU

BMVi**

BMF

BMZ

60 43

31 13

3 2

BMEL***

AA

32

22

23

5

10

2

BMJV BMFSFJ**** BMAS

BMG

Ausgaben* 2017 und 2018 in Millionen Euro 1.500 Mio

1.304,5 1.149,3

30 Mio

1.200 Mio

26,0

25 Mio

1.024,8

20,6

20 Mio

900 Mio

803,4

600 Mio

536,0

536,0

781,6

124,2

124,2

155,7

0 Mio

498,0 116,4 13,0

BMWi

11,8 9,2

7,7

50 Mio

300 Mio

BMBF

11,9

10 Mio 9,1

547,6

BMVg

15,6

15 Mio

392,1

0 Mio

2017 2018

BMI

BMU

BMVi**

BMF

8,4

1,3

BMEL*

AA

BMJV

BMFSFJ

BMAS

BMZ

** Im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zur Errichtung von elektronischen Stellwerken der Eisenbahnen des Bundes sind die Mittel nicht auf einzelne Projekte festgelegt. *** BMEL: Die Mittel für Digitalisierung bei der Förderung von Innovationen im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und gesundheitlicher Verbraucherschutz sind nicht bezifferbar, da sie nur einen Teil der jeweiligen Gesamtförderung ausmachen.

Digitalisierungsausgaben 2017

2018

Mrd. Euro

Mrd. Euro

3,3 4,8

**** Die Mittel für Digitalisierung im Rahmen des Prozesses “Jugendgerechte Kommune” sowie im Projekt “Jugend-Demografie-Dialog” sind nicht bezifferbar, da sie nur einen Teil der jeweiligen Gesamtförderung ausmachen.

Quellen: Eigene Berechnungen / Die Bundesregierung

BMG

299,2

* Nicht sämtliche Ausgaben sind in allen Ressorts abbildbar. Neben den Anmerkungen zum BMEL, BMFSFJ und zum BMVi (siehe unten) sind auch die Ausgaben für das Bundeskanzleramt nicht bekannt, da diese als “VS-NfD” gekennzeichnet sind

Illustration: BS/Dach; unter Verwendung von Grafiken von © anatolir, stock.adobe.com; ©tartila

3,0 0,1

Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.

44 % Steigerung


Länder

Behörden Spiegel / September 2019

MELDUNGEN

Hamburger Verfassungsschutz erhält Spezialeinheit (BS/mfe) Das Hamburger Lan­ desamt für Verfassungsschutz (LfV) bekommt eine Spezialein­ heit zur Bekämpfung des Rechts­ extremismus im Internet. Ziel ist es, eine verbesserte Einblicks­ tiefe in rechtsextremistische Strukturen mit lokalen Bezügen im digitalen Raum zu erhalten. Denn: Angehörige dieser Sze­ ne verlagern ihre Propaganda und Agitation zunehmend vom Analogen ins Digitale. Sie bilden immer öfter keine klassischen Organisationen mehr, etwa Par­ teien oder Kameradschaften. Vielmehr agieren sie in Sozialen Medien und auf Videoplattfor­

men. Das erschwert die Über­ wachung mithilfe klassischer nachrichtendienstlicher Mittel. Die Spezialeinheit, die räumliche Bezüge zur Hansestadt herstellen soll, wird zunächst fünf Stellen umfassen. Derzeit befindet sie sich noch im Aufbau. Gefragt scheinen junge, digitalaffine Mitarbeiter. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sagte dazu: “Der Hamburger Verfassungsschutz ist Rechtsextremisten immer frühzeitig und sehr konsequent entgegengetreten, zuletzt bei den “Merkel-muss-weg”-Demonstrati­ onen. Wir werden die Kräfte jetzt

noch stärker auf die Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene im Internet konzentrieren.” Und LfV-Chef Torsten Voß er­ gänzte: “Rechtsextremistische, linksextremistische und isla­ mistische Gruppierungen wol­ len ihre verfassungsfeindliche Ideologie in Richtung Mitte der Gesellschaft transportieren, po­ litisch-gesellschaftlichen Ein­ fluss und letztendlich auch neue Anhänger gewinnen. In diesem Zusammenhang ist die Funkti­ on des Verfassungsschutzes als demokratisches Frühwarnsystem die vornehmste und wichtigste Aufgabe überhaupt.”

Neue App für Baden-Württembergs Polizei (BS/mfe) In Baden-Württemberg können die Polizeibeamten ab sofort auf eine neue SmartphoneApplikation zur mobilen Sachbe­ arbeitung zugreifen. Mithilfe der Anwendung “mSB-App” können polizeilich relevante Sachverhalte direkt am Einsatzort digital erfasst werden. Sie können dann zeit­ gleich und medienbruchfrei von den Kollegen in den Dienststellen im Vorgangsbearbeitungssystem ComVor eingesehen und gegebe­ nenfalls weiterverarbeitet werden. Zudem ist ein automatisierter Abgleich der aufgenommenen Personendaten und Gegenstän­ de mit den polizeilichen Infor­

mationssystemen möglich. Die App soll fortlaufend weiterentwi­ ckelt werden. In naher Zukunft soll es so möglich sein, mit der Smartphone-Kamera abgescannte Ausweisdaten und Fahrzeugkenn­ zeichen automatisch zu erfassen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte im Rahmen des lan­ desweiten Rollouts der Anwen­ dung: “Wir nutzen die Chancen der Digitalisierung, um die poli­ zeiliche Arbeit zu vereinfachen, zu beschleunigen und gleichzeitig zu verbessern.” Das bringe zum einen den Beamten auf der Stra­ ße Vorteile und komme zum an­ deren den Bürgern zugute. Denn:

“Je geringer die Bearbeitungszeit, desto mehr Präsenz der Polizei auf der Straße und mehr Zeit für die Menschen”, so Strobl. Unabhängig von der “mSB-App” wird bei der baden-württember­ gischen Polizei die Bearbeitung von Sachverhalten durch die Er­ weiterung der Abfrage von Ein­ wohnermeldedaten vereinfacht. Die Polizisten haben nun auch die Möglichkeit, Bilder von deut­ schen Personalausweisen und Reisepässen mobil abzufragen. Das erleichtert die Identitätsfest­ stellung vor Ort. Perspektivisch soll auch diese Möglichkeit in die Anwendung eingebettet werden.

YouTube-Kanäle zur Salafismusprävention gestartet (BS/mfe) Der nordrhein-westfä­ lische Verfassungsschutz ist als erste deutsche Sicherheitsbe­ hörde mit eigenen Kanälen zur Salafismusprävention auf der Videoplattform YouTube aktiv. Angeboten werden zwei Kanäle, “Jihadi Fool” und “hinter.gründ­

lich”. Bei “Jihadi Fool” handelt es sich um ein Sketch-ComedyFormat. Dieses behandelt die Themen Radikalisierung, Terro­ rismus und Islamismus satirisch. “Hinter.gründlich” hingegen ist ein Wissensformat, das sich auf den Comedy-Kanal bezieht und

salafistischer Propaganda Fak­ ten entgegensetzt. Das ComedyFormat soll einmal wöchentlich, der andere Kanal alle 14 Tage neu bespielt werden. Und das zunächst für ein Jahr. Anschlie­ ßend ist eine Auswertung der Angebote vorgesehen.

Erkenntnis ist nicht genug

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rescEU-Kapazitäten nur komplementär In Brandenburg könnte Waldbrandschutzstaffel stationiert werden (BS/mfe) Die rescEU-Kapazitäten der Europäischen Union sollen entsprechende Anstrengungen der Mitgliedsstaaten nicht ersetzen. Vielmehr gehe es um die Ergänzung regionaler und lokaler Ressourcen im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz. Bei rescEU handele es sich um “eine Art Sicherheitsnetz”. Das machte der EU-Kommissar für Humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Christos Stylianides, deutlich. Ganz Europa werde sich künftig in einer viel größeren Dimension als bisher mit Wald- und Vege­tationsbränden beschäftigen müssen, prognostizierte Ehler. In Deutschland würden Lösch­ flugzeuge seines Erachtens in diesem Zusammenhang nicht in Konkurrenz zu Hubschraubern stehen. Vielmehr würden sich die beiden Einsatzmittel gegenseitig ergänzen, meint der Europapar­ lamentarier.

Christos Stylianides, EU-Kommissar für Humanitäre Hilfe und Krisenschutz (hier auf dem Europäischen Katastrophenschutzkongress des Behörden Spiegel in Berlin), sieht rescEU als “Sicherheitsnetz”. Foto: BS/Dombrowsky

Auch in Zukunft würden die Na­ tionalstaaten selbst entscheiden, ob sie sich an rescEU beteiligen wollen oder nicht, so der Zypriot. Momentan stünden im Rahmen des Mechanismus neun Lösch­ flugzeuge und sechs Hubschrau­ ber zur Verfügung. Sie stammten unter anderem aus Spanien, Ita­ lien und Schweden, erläuterte Stylianides im Zuge seines Be­ suches des Verkehrslandeplatzes im brandenburgischen Welzow. Der EU-Kommissar sieht rescEU derzeit in einer Übergangsphase. Er sagt voraus: “RescEU wird in Zukunft weiter ausgebaut.” Denn bei dem Programm han­ dele es sich um eine “gemein­ same europäische Antwort” auf neue Herausforderungen sowie ein Zeichen europäischer Soli­ darität. Zudem gehe es um eine höhere Kosteneffizienz durch die Nutzung von Synergien. Auch

der Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), Albrecht Broemme, lobt rescEU. Mithilfe dieses Mechanismus könne schneller reagiert werden als im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz.

Stationierung denkbar Auf dem Flugplatz in Welzow, südlich von Cottbus, könnte laut dem Europaabgeordneten Dr. Christian Ehler (CDU) im Rahmen von rescEU die bisher einzige aus Löschflugzeugen bestehende Waldbrandschutzstaffel nörd­ lich der Alpen entstehen. Der Verkehrslandeplatz sei – nicht zuletzt wegen seiner Nähe zu ei­ nem See – ein “idealer Standort”. Dies sähen auch Verantwortliche in Nachbarstaaten der Bundes­ republik so, unter anderem in Polen und Skandinavien. Denn:

Löschflugzeuge kürzer ­einsetzbar Das sieht der THW-Chef dezi­ diert anders. Das größte momen­ tan verfügbare Löschflugzeug der Welt, eine umgebaute Boeing 747, könne 72.000 Liter Lösch­ wasser auf einmal transportie­ ren. Gleichzeitig könnten damit jedoch nur vier Flüge pro Tag absolviert werden. Hubschrauber hingegen könnten zwar weniger Löschwasser pro Flug mitführen, könnten gleichzeitig allerdings mehr Umläufe absolvieren. Zu­ dem seien sie multifunktional einsetzbar, hieß es. Broemme betrachtet den Stand­ ort Welzow darüber hinaus als ideal geeignet für die Sicher­ heitsforschung. Dort könne un­ ter anderem zu Drohnen und Brandbekämpfung aus der Luft geforscht werden, meint er. Die Bürgermeisterin des Ortes, Birgit Zuchold (SPD), schließlich will über die Ansiedlung eines europäischen Brand- und Ka­ tastrophenschutzzentrums dis­ kutieren.

IT-Sicherheit für Behörden Die Fachmesse it-sa informiert

Wie lässt sich Phishing in den Griff kriegen?

(BS/Thomas Philipp Haas*) Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit – nirgends zählen die Schutzziele der Informationssicherheit mehr als in der öffentlichen Verwaltung. Wo es um personenbezogene Daten (BS) Die Landesverwaltung Baden-Württembergs nutzt sie flächendeckend, der norddeutsche IT-Dienstleister von Bürgern geht, gelten höchste Anforderungen an die IT-Sicherheit. Auf der weltweit ausstellerstärksten Dataport für einen großen Teil seiner gehosteten Clients: die Isolationslösung für sicheren Internetzugang von Fachmesse für IT-Security, der it-sa in Nürnberg, finden Verantwortliche dafür die richtigen Ansprechpartner. Bromium. Im Behörden Spiegel-Interview sprach der Vice President Sales Europe des IT-Sicherheitsanbieters, Jochen Koehler, über Grenzen von Awareness-Maßnahmen und klassischen technischen Ansätzen. Über 700 beteiligte Unternehmen Behörden Spiegel: Herr Koehler, was sind aktuell die größten Bedrohungen für den IT-Betrieb in der öffentlichen Verwaltung? Koehler: Die Bedrohungen sind im Grunde seit Jahren sehr ähnlich und werden sich in den nächsten Jahren auch nicht grundlegend verändern. Allerdings hat die Dynamik der Angreifer stark zugenommen. Ich behaupte aber, dass die Hauptbe­ drohung nach wie vor der Mitar­ beiter vor seinem PC ist, der auf einen Link klickt, einen Anhang öffnet oder Ähnliches tut – sei es aus Naivität, aus Überlastung oder aus Non-Awareness. Es wird immer wieder Mitarbeiter geben, die nicht wissend als Einfallstor missbrauch werden und das wird sich nicht ändern. Phishing ist der bequemste Weg für den Angreifer. Behörden Spiegel: In vielen Ländern laufen schon seit Jahren Awareness-Kampagnen mit Workshops, Live-Hacking, OnlineKursen oder fingierten PhishingAngriffen. Ist das alles vergebens? Koehler: Es ist nicht vergebens. Aber es ist auch nicht besonders nachhaltig, denn die Sensibilisie­ rung hält nicht lange vor. Ein Bei­ spiel: Ich habe vor einem Jahr ein Fahrsicherheitstraining gemacht. Dabei habe ich wieder gelernt, dass man das Lenkrad immer mit beiden Händen im oberen Drittel festhalten soll. So kann man am besten reagieren und ausweichen. Das habe ich dann auch ein paar Monate lang so gemacht, bis ich

Sieht Phishing als größte Bedrohung für die Informationssicherheit: Jochen Koehler, Vice President Sales Europe bei Bromium in Heilbronn (hier auf der PITS 2019 im Berliner Hotel Adlon). Foto: BS / Dombrowsky

irgendwann gemerkt habe, dass die Arme automatisch nach un­ ten gehen und gelegentlich nur noch eine Hand am Lenkrad ist. Wir Menschen sind nicht dazu gemacht, diese Aha-Momente tief genug zu verinnerlichen und dauerhaft danach zu handeln. Deswegen haben meiner Meinung nach Awareness-Maßnahmen nur kurzfristige Wirkung. Behörden Spiegel: In Bezug auf Phishing-Angriffe ist das Problem also kein technisches? Koehler: Doch, wir haben ein massives technisches Problem. Wir haben auf der einen Seite das Problem, dass Mitarbeiter immer anfällig für Angriffe sein werden. Auf der anderen Seite haben wir IT-Sicherheits-Lösungen, die schlicht überfordert sind, kluge Angriffskampa­gnen aufzuspüren, bevor jemand klickt. Die Lösung muss auf technischer Ebene lie­

gen. Nur versuchen wir schon seit vielen Jahren, mit immer wieder gleichartigen Maßnahmen die Si­ tuation in den Griff zu bekommen. Das ist, als würde ich als Auto­ fahrer versuchen, mich mit fünf Sicherheitsgurten festzuzurren, statt über neue Möglichkeiten nachzudenken. In der Automo­ bilbranche wurde vor über dreißig Jahren der Airbag als Komple­ mentärtechnologie zum Gurt ein­ geführt. Das hat die Sicherheit der Insassen auf eine ganze andere Stufe gebracht. Das gleiche muss auch bei der IT-Sicherheit passieren. Wir kön­ nen nicht weiterhin darauf bauen, dass nur mit erkennungsbasierten Technologien alles besser wird. Wir haben ein Problem, wenn wir nicht die technologischen Chan­ cen nutzen, die es im Markt gibt. Ich spiele auf die Isolation an, die Bromium, aber auch andere, wie z. B. Microsoft oder Rohde & Schwarz Cybersecurity, anbieten und damit ergänzend zu Erken­ nungslösungen deutlich mehr an Sicherheit bringen können. Bei unserer Software wird z. B. alles, was von draußen hereinkommt, grundsätzlich als nicht vertrau­ enswürdig erachtet und nur in Isolation geöffnet und bearbeitet, sodass es niemals zur Ausführung von Schadcode auf dem eigentli­ chen System kommt.

Mehr zum Thema IT-Sicherheit im ausführlichen Nachbericht zur PITS (Public-IT-Security) 2019 auf den Seiten 39 bis 41

werden vom 8. bis 10. Oktober im Messezentrum Nürnberg er­ wartet. Begleitet wird die Messe von einem umfangreichen Kon­ gressprogramm, unter ande­ rem mit der Jahrestagung der IT-Sicherheitsbeauftragten in Ländern und Kommunen und dem IT-Grundschutz-Tag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik.

Internationale Kompetenz in vier Hallen Bei der Aussteller- und Be­ sucherbeteiligung verzeichnet die it-sa seit mehreren Jahren zweistellige Zuwachsraten. “Die it-sa findet dieses Jahr erstmals in vier Hallen statt. Mit ihrer rasanten Entwicklung bildet sie die Dynamik der IT-Sicherheits­ industrie und den gestiegenen Beratungsbedarf in Wirtschaft und Verwaltung ab”, so ihr Lei­ ter Frank Venjakob. Mit einem eigenen Gemeinschaftsstand sind dieses Jahr Bayern und Baden-Württemberg vertreten. Zusätzlich bietet die it-sa bes­ te Voraussetzungen auch für einen Blick auf Innovationen außerhalb der Bundesrepublik: Neben einem Pavillon mit Aus­ stellern aus Österreich rücken Gemeinschaftsstände aus den Niederlanden, der Tschechischen Republik und dem Baskenland die internationale IT-SecurityKompetenz in den Fokus.

Angebote für die öffentliche Verwaltung Fünf offene Foren mit rund 350 Vorträgen sind für Messe­ besucher frei zugänglich. Zu

Auf der ausstellerstärksten Fachmesse für IT-Security it-sa tauschen sich jedes Jahr Experten, Verantwortliche, Anbieter und Anwender über die aktuellen ITSicherheitstrends aus. Foto: BS/NürnbergMesse

den Höhepunkten zählen die als “it-sa insights” ausgewiesenen Programmpunkte – produktneu­ trale Vorträge und Expertendis­ kussionen von Verbänden und Organisationen. Hier informiert beispielsweise das Landeskrimi­ nalamt Nordrhein-Westfalen über seine Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der IT-Anwen­ derunternehmen VOICE. Weite­ re Forenbeiträge informieren zu rechtlichen Vorgaben für KRITISBetreiber, dem Faktor Mensch als schwächstes Glied einer ITSicherheitskette oder IT-Security aus europäischer Perspektive. Das begleitende Kongresspro­ gramm startet wieder einen Tag vor der Messe, am 7. Oktober. Die Jahrestagung der IT-Sicher­ heitsbeauftragten in Ländern und Kommunen macht Congress@ it-sa erneut zur wichtigen Infor­

mationsplattform für Experten in Behörden und Verwaltung, außerdem findet der IT-Grund­ schutz-Tag zur it-sa statt. Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geför­ derte Initiative “IT-Sicherheit in der Wirtschaft” präsentiert sich mit einem Beitrag zur Frage, wie praxisnahe IT-Sicherheitsmaß­ nahmen in deutschen Unterneh­ men umgesetzt werden können. Weitere Themen im Kongresspro­ gramm sind Sicherheitskonzepte für kleine und mittelständische Betriebe, Schutz vor Innentätern sowie Künstliche Intelligenz. *Thomas Philipp Haas ist Manager Public Relations bei NürnbergMesse Informationen zur it-sa: www. it-sa.de


Finanzen

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B

ehörden Spiegel: Herr Minister Hilbers, wie bekommen Sie vor dem Hintergrund der Schuldenbremse in Niedersachsen den Spagat aus Konsolidierung und Investitionen hin?

Hilbers: Wir haben in Niedersachsen einen klugen Mix aus Altschuldentilgung und Investitionen gewählt. So haben wir in dieser Legislaturperiode bereits über eine dreiviertel Milliarde Euro an Altschulden getilgt und gleichzeitig unsere Investitionen deutlich nach oben gefahren. Von einer Investitionsquote von gut vier Prozent kommend, werden wir im Haushalt 2020 5,3 Prozent ausweisen – in Summe über 1,8 Milliarden Euro. Insofern zeigen wir in Niedersachsen, dass man trotz Altschuldentilgung und trotz aller Kriterien für die Schuldenbremse auch kräftig investieren kann.

Behörden Spiegel / September 2019

Keine Lockerung der Schuldenbremse Nachhaltige Finanzen nicht gegen nachhaltige Klimaschutzpolitik ausspielen (BS) Der Haushaltsentwurf 2020 der niedersächsischen Landesregierung sieht u. a. zusätzliche Investitionen in den Öffentlichen Dienst vor, insbesondere auch im Bereich der Besoldung. Zudem sollen die öffentlichen Investitionen im Land weiter steigen, allerdings unter strikter Einhaltung der Schuldenbremse, wie Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers im Interview klar herausstellt. Über diese und weitere Themen sprach mit ihm Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt. Finanzbeziehungen von Bund, Ländern und Kommunen weiter zu entflechten?

Behörden Spiegel: Momentan wird wieder über eine Lockerung der Schuldenbremse zugunsten kreditfinanzierter Investitionen in Klimaschutz etc. diskutiert. Was halten Sie von derartigen Überlegungen? Hilbers: Davon halte ich gar nichts. Die Nachhaltigkeit der Finanzen darf nicht gegen eine nachhaltige Klimaschutz- oder Umweltpolitik ausgespielt werden. Für die Zukunftsfähigkeit eines Staates sind nachhaltige Finanzen elementar wichtig. Deswegen kann ich nur davor warnen, die Schuldenbremse und die Kriterien solider Finanzen für einzelne Ziele, werden sie aktuell tagespolitisch auch noch so in-

Reinhold Hilbers (CDU) ist seit November 2017 Finanzminister des Landes Niedersachsen. Foto: BS/Niedersächsisches Finanzministerium, Henning Stauch

Niedersachsen? Ist mittelfristig die Einführung der Doppik auf der Landesebene eine Option? Hilbers: Wir warten erst mal ab, wie sich die Diskussion auf der europäischen Ebene in Sachen EPSAS weiterentwickelt. Das ist ein äußerst umstrittenes Thema.

“Eine vollständige Umstellung auf Doppik ist (…) derzeit nicht geplant.” tensiv diskutiert, aufzuweichen. Heute ist es der Klimaschutz, morgen die Bildung und übermorgen vielleicht ein anderes Thema wie Infrastruktur oder Wirtschaftsförderung. Man wird dann immer ein Thema finden, welches als Rechtfertigung dient, um neue Schulden zu machen.

Es spricht einiges dafür, gemeinsame Finanzierungsstandards zu haben, um dann auch die Finanzleistungen und die Finanzströme der Länder statistisch bewerten zu können. In Niedersachsen haben wir eine Ausgestaltung des Haushaltsrechts, die schon heute in einigen Bereichen der Rechnungslegung Kosten- und LeistungsBehörden Spiegel: Auf EU-­ rechnung vorsieht. So sind in Ebene arbeitet man derzeit unter allen steuerungsrelevanten Bereider Überschrift EPSAS an einheit­ chen entsprechende Instrumenlichen europäischen Rechnungsle- te in unserer Haushaltsordnung gungsstandards. Wie ist der Stand vorhanden. In anderen Bereichen der Modernisierung des Haushalts- haben wir auch doppische Hausund Rechnungswesens beim Land haltsführung durch entsprechen-

de Rechnungslegungsvorschriften begründet. Eine vollständige Umstellung auf Doppik ist aber derzeit nicht geplant. Behörden Spiegel: Die Reform der Grundsteuer muss bis zum Jahresende gesetzgeberisch abgeschlossen sein. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Diskussion? Wie würde Niedersachsen mit einer Länderöffnungsklausel umgehen? Hilbers: Wie wir mit der Länderöffnungsklausel umgehen, ist noch nicht entschieden. Augenblicklich diskutieren und prüfen wir das Gesetz des Bundes. Mir ist daran gelegen, dass wir ein sehr einfaches, transparentes, aufkommensneutrales und leicht umzusetzenden Gesetz bekommen. Der Zeitplan ist ohnehin ambitioniert, da wir in Niedersachsen 3,5 Millionen Grundstücke neu bewerten müssen, in ganz Deutschland sogar 35 Millionen Grundstücke. Das ist eine große Herausforderung. Die sollten wir so unbürokratisch, transparent

und einfach wie möglich gestalten. Augenblicklich sind wir in der Diskussion, inwieweit wir den Gesetzentwurf des Bundes noch in entscheidenden Punkten vereinfachen können. Hiervon wird auch abhängen, ob wir uns dann einer Länderöffnungsklausel zuwenden oder nicht. Ich habe dazu gezielte Vorschläge unterbreitet, die auf ein sogenanntes Lagenmodell abzielen, welches die Attraktivität der Lage des Grundstücks differenziert bei der Bemessung der Grundsteuer heranzieht. Zudem bin ich mit vielen Länderkolleginnen und -kollegen im Gespräch, damit wir letztlich keine 16 verschiedenen Varianten entwickeln, sondern uns auf einige wenige verständigen.

Hilbers: Ich glaube grundsätzlich, dass wir gut daran tun, die finanziellen Verflechtungen unter die Lupe zu nehmen, um die Mischfinanzierung nicht weiter auszubauen, sondern abzubauen. Ich bin davon überzeugt, dass Ergebnisverantwortung und Finanzverantwortung zusammengehören und es für den Erfolg der jeweiligen Maßnahme sehr förderlich ist, wenn beides in einer Hand liegt. Insofern sollte jede Ebene auch für die Finanzen selbst verantwortlich sein und im Wesentlichen ihre Aufgaben aus dieser Finanzverantwortung und diesem Finanzvolumen he­ raus bestreiten können. Ob dafür eine Föderalismuskommission notwendig ist oder ob man ein anderes Instrument wählt, muss man abwägen. Ich halte jedoch den Gedanken für sinnvoll, sich damit auseinanderzusetzen. Behörden Spiegel: Der Entwurf des niedersächsischen Landeshaushalts 2020 sieht insbesondere zusätzliche Investitionen in den Öffentlichen Dienst vor. Wie sehen diese konkret aus und wie ist es gelungen, trotzdem ohne neue Schulden auszukommen? Hilbers: Wir investieren einerseits in die Liegenschaften und Einrichtungen des Landes. Andererseits stärken wir Maßnahmen, um den Öffentlichen Dienst attraktiver zu gestalten. Dort ist ein umfangreiches Paket vereinbart worden, welches qualitative Faktoren vorsieht, die sich mit Ausund Fortbildung beschäftigen,

“Zudem beabsichtigen wir, zukünftig wieder eine Sonderzahlung für Beamtinnen und ­Beamte zum Jahresende einzuführen.” Behörden Spiegel: Wie stehen Sie zu Forderungen nach einer neuen – einen dritten – Föderalismuskommission, um die

aber auch mit Verbesserungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch die Ausweitung von Homeoffice und Telearbeit.

Wir planen auch eine Qualitätsoffensive im Gesundheitsmanagement und eine Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang soll insbesondere die Dotierung von Spezialbereichen wie der IT in den Blick genommen werden. Zudem beabsichtigen wir, zukünftig wieder eine Sonderzahlung für Beamtinnen und Beamte zum Jahresende einzuführen. Diese Zahlung soll bis einschließlich der Besoldungsgruppe A8 920 Euro betragen, d. h. 500 Euro zusätzlich gegenüber der aktuellen Regelung. 300 Euro sollen alle anderen aktiven Beamtinnen und Beamten erhalten, Anwärterinnen und Anwärter die Hälfte. Auch hiervon erwarten wir uns eine Steigerung der Attraktivität des Öffentlichen Dienstes. Wichtig ist mir dabei zu erwähnen, dass diese Maßnahmen des Gesamthaushaltes durch Einsparungen in anderen Bereichen vollkommen gedeckt sind. Behörden Spiegel: Sie sind seit fast dreißig Jahren Mitglied des Kreistags der Grafschaft Bent­ heim. Daher abschließend eine Frage an den Kommunalpolitiker: Werden die Kommunen durch das Land auf ihren jeweiligen Konsolidierungs- und Investitionspfaden ausreichend unterstützt? Hilbers: Aktuell unterstützt das Land Niedersachsen seine Kommunen wie nie zuvor. Wir sehen das auch an der finanziellen Entwicklung in den Kommunen. So ist hier die Gesamthöhe der Kassenkredite von ungefähr 4,8 Milliarden Euro auf 1,9 Milliarden Euro gesunken. Diese massive Reduktion der Kassenkredite ist ein wichtiger Indikator für die Finanzlage in den Kommunen. Im kommunalen Finanzausgleich gibt es enorme Steigerungen, er wird in diesem Finanzplanungszeitraum auf eine Summe von über fünf Milliarden Euro anwachsen wird. Zusammen mit dem, was wir im Zuwendungsbereich für die Kommunen leisten, kommen wir dann bei einem Gesamthaushalt von 34,7 Milliarden Euro auf ca. 11,2 Milliarden Euro, die insgesamt an die Kommunen gehen – also rund jeder dritte Euro. Das ist eine großartige Unterstützung für die kommunale Seite, weil wir wissen, dass wir in Niedersachsen nur mit unseren Kommunen gemeinsam stark sein können.

Auf Kurs bleiben

Zu wenig Schuldenabbau

Dietmar Strehl ist Bremens neuer Finanzsenator

Jahresbericht des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen

(BS/pet) Bedingt durch die parteiliche Zusammensetzung fällt die Personalrochade im Bremer Rathaus zu (BS/gg) Deutliche Kritik an der NRW-Landesregierung übte die Präsidentin des Landesrechnungshofs, Prof. Beginn dieser Legislatur vergleichsweise schmal aus. Neben altbekannten finden sich allerdings auch einige Dr. Brigitte Mandt, bei der Vorstellung des Jahresberichts ihrer Behörde. Trotz der seit Jahren anhaltend neue Gesichter. Bestes Beispiel: Das Finanzressort, wo Dietmar Strehl die Führung übernimmt. hohen Steuereinnahmen und der niedrigen Zinsausgaben sei es NRW bislang nicht gelungen, den hohen Schuldenstand von rund 144 Milliarden Euro am Ende des Haushaltsjahres 2018 nennenswert zu reduzieren. Mit Dietmar Strehl (Grüne) findet ein ausgewiesener Experte seinen Weg an die Spitze des Ressorts. Entsprechend ist es um die Expertise des studierten Mathematikers und Betriebswirts bestellt: Von 2011 bis 2019 mit der Funktion des Staatsrats für Finanzen betraut, dürfte der inzwischen 63-Jährige mit der angespannten Lage in der Hansestadt bestens vertraut sein. Vor seinem Umzug nach Bremen war Strehl über 15 Jahre hauptamtlicher Bundesschatzmeister seiner Partei, ein Amt, dem acht Jahre Erfahrungen als Finanz­referent – auf Landes-, aber auch auf Bundesebene – vorangegangen waren. Angefangen hat die politische Karriere des

Mit Dietmar Strehl findet ein erfahre­ ner Experte an die Spitze des Bremer Finanzressorts. Foto: BS/Senator für Finanzen

gebür­tigen Aacheners 1984 in Bonn, wo er bereits zwei Jahre nach seinem Beitritt zu den Grünen zum Fraktionsgeschäftsführer ernannt wurde. In Sachen finanzieller Verausgabung will Strehl weiterhin Maß halten. “Immer mehr Schulden zu machen, ist keine Lösung von Problemen, es schafft neue. Die im Grundgesetz und der Bremer Landesverfassung verankerte Schuldenbremse basiert auf dieser Erkenntnis”, kommentiert er das kommende Vorgehen. Das wiederum bedeute nicht, dass man die Aufgabenseite vernachlässigen wolle. Geplant seien u. a. Investitionen in die Bereiche Bildung, Infrastruktur und Klimawandel.

MELDUNG

Deutliche Überschüsse des Staates im ersten Halbjahr (BS/gg) Der deutsche Staat erzielte im 1.Halbjahr 2019 nach vorläufigen Ergebnissen des ­Statistischen Bundesamtes einen Finanzierungsüberschuss

von rund 45,3 Milliarden Euro. Den größten Überschuss verzeichnete demnach der Bund mit 17,7 Milliarden Euro, gefolgt von den Ländern mit einem Plus von

12,7 Milliarden Euro. Bei den Sozialversicherungen stehen 7,7 Milliarden, bei den Kommunen 7,1 Milliarden Euro Finanzierungsüberschuss zu Buche.

Der Landesrechnungshof habe beständig darauf aufmerksam gemacht, dass die guten Rahmenbedingungen – wie die gute Konjunkturlage, Rekordsteuereinnahmen und niedrige Zinsen – keine Selbstverständlichkeit sind und für eine strukturelle Konsolidierung des Haushalts genutzt werden sollten. “Ein Jahr vor der Schuldenbremse, also quasi “in der letzten Minute”, ist dies dringlicher als je zuvor geboten.

Am Dreiklang festhalten “An dem bisherigen Dreiklang konsolidieren, modernisieren und investieren sollte festgehalten werden. Dazu gehört vor allem, auf einen Abbau des hohen Schuldenstandes hinzuwirken und Schulden zu tilgen”, betonte die Präsidentin. Die Bildung finanzieller Reserven durch überhöhte Haushaltsansätze oder allgemeine Rücklagen könnten eine nachhaltige Konsolidierung nicht ersetzen, da nicht festgelegt sei, wo konkret gespart werden solle.

Bei den Steuereinnahmen habe das Land im Jahre 2018 mit rund 59,2 Milliarden Euro erneut ein Rekordergebnis verzeichnet. Nach der jüngsten Steuerschätzung vom Mai 2019 würden die Steuer-einnahmen in den kommenden Jahren aber nicht mehr wie erwartet ansteigen.

Deutlicher Rückgang bei Steuereinahmen In den Jahren 2019 und 2020 würden voraussichtlich insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro fehlen, mit denen der Finanzminister bislang in seiner mittelfristigen Finanzplanung für die Jahre 2018 bis 2022 gerechnet hat. Zugleich sei absehbar, dass in verschiedenen Bereichen, wie zum Beispiel den Transferausgaben an die Kommunen und den Personalausgaben, zusätzliche Haushaltsbelastungen durch Mehrausgaben entstehen werden. “Die Landesregierung musste ihre eigenen Ziele zum geplanten Schuldenabbau daher bereits korrigieren. Im Rahmen des Haushaltsplanent-

wurfs für 2020 ist von der noch 2018 denkbaren Schuldentilgung keine Rede mehr. Neu erklärtes Ziel ist nunmehr ein ausgeglichener Haushalt – ein Ziel, das ohnehin durch die einzuhaltende Schuldenbremse vorgegeben ist. Handlungsspielräume erhält sich die Landesregierung jedoch nur, wenn bei hinter den Erwartungen zurückbleibenden Einnahmen und absehbaren Mehrausgaben stringenter gespart wird”, so Mandt weiter. Der Jahresbericht zeige, wie im Einzelfall gespart bzw. wirtschaftlicher gehandelt werden könne. Zudem enthalte er konstruktive Empfehlungen und Vorschläge, die auf ein effektiveres und effizienteres Verwaltungshandeln hinwirken sollen. Gleichzeitig würden Anhaltspunkte gegeben, wie Einnahmen des Landes erhöht werden können. Der Jahresbericht 2019 des Landesrechnungshofes NRW steht unter https://lrh.nrw.de zum Download zur Verfügung.


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / September 2019

Föderaler Flickenteppich

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,90 Euro pro Stunde sollen Unternehmen ihren Mitarbeitern künftig zahlen, wenn diese einen Auftrag des Landes ausführen. Allerdings nur, wenn der Auftragswert die Grenze von 10.000 Euro überschreitet. Die Grenze ist von 500 Euro angehoben worden, um damit das öffentliche Auftragswesen in Berlin zu verschlanken und gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu entlasten. Wann der Gesetzentwurf ins Abgeordnetenhaus eingebracht wird, steht noch nicht fest. In Thüringen tritt zum 1. November 2019 erstmalig ein vergabespezifischer Mindestlohn in Kraft. Das Entgelt beträgt 11,42 Euro. “Eine Untergrenze beim Lohn sorgt dafür, dass der Wettbewerb um Aufträge nicht über Dumpinglöhne und damit auf dem Rücken der Beschäftigten geführt wird”, erklärt Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee.

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Sprecherin aus dem Arbeitsministerium Rheinland-Pfalz.

Mindestlohn schwankt zwischen 9,19 Euro und 11,90 Euro (BS/Jörn Fieseler) Das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) soll novelliert werden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf befindet sich momentan in der Verbändeanhörung. Darin vorgesehen: Die Neugestaltung eines vergabespezifischen Mindestlohns. Auch Thüringen, Brandenburg und die Hansestadt Bremen haben in diesem Jahr die gesetzlichen Regularien angepasst. Ansonsten gilt das Mindestentgelt nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG). Trotzdem handelt es sich dabei nur um die zweite Stufe, sozusagen um eine Rückfallebene.

Bundesweiter Mindestlohn zu gering Die Hansestadt Bremen hat ebenfalls in diesem Jahr den vergabespezifischen Mindestlohn novelliert. Seit 1. Juli 2019 gilt ein Stundensatz von 11,13 Euro brutto. Wie in manch anderen Ländern auch, soll eine eigens eingerichtete Kommission alle zwei Jahre jeweils zum 30. September Empfehlungen zur Höhe bzw. Anpassung abgeben. Dies wäre erstmals im Jahr 2020 der Fall. Die Anhebung über das ­MiLoG hinaus erfolgte nicht grundlos: “Nach nunmehr zwei Anpassungszyklen bestehen Zweifel, ob die Entwicklung der Höhe des Bundesmindestlohnes die gewünschte soziale Mindestabsicherung in ausreichendem Maße herbeiführen kann”, heißt es in einem Dringlichkeitsantrag von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen aus der Bürgerschaft. Ziel müsse es sein, den Mindestlohn so

Trotz bundeseinheitlicher Lösung, beim vergabespezifischen Mindestlohn offenbart sich einmal mehr der unterschiedliche Gestaltungswille in den Ländern. Sechs haben eigene Regularien erlassen. Foto: BS/Hero, stock.adobe.com

zu bemessen, dass alleinstehende Vollzeitbeschäftigte ihre Lebenshaltungskosten mit diesem Mindestlohn ohne staatliche Zuschüsse decken könnten und nach Erreichen der Regelaltersgrenze für den Bezug der gesetzlichen Altersrente nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen seien. Die Reaktivierung des bremischen Landesmindestlohns könne als Brücke dienen, um sich diesem Ziel schrittweise anzunähern. Schleswig-Holstein hat bereits zum 1. April 2019 einen Stundenlohn von mindestens 9,99 Euro festgelegt. Schon in der Vorversion des Gesetzes gab es eine solche Regelung, jedoch hat

das Land von einer weiteren Dynamisierung abgesehen. Sollte der Bundesmindestlohn diesen Wert erreichen, würde die Landesregelung damit entfallen. Etwas weniger, nämlich 9,80 Euro, müssen Unternehmen als Stundenlohn berechnen, wenn sie an Aufträgen in MecklenburgVorpommern partizipieren wollen. Der Mindestlohn ist seit Sommer 2018 in Kraft und soll jedes Jahr im Herbst erhöht werden. Die Anpassung richtet sich nach der Entwicklung der Tariflöhne in Deutschland, die das Statistische Bundesamt ermittelt. Eine erstmalige Anpassung erfolgte bereits zum 1. Oktober 2018 durch die Mindest-Stundenentgelt-Verord-

nung (MStEVO M0-V), berichtet das Wirtschaftsministerium aus Schwerin.

Zehn Länder ohne eigene Regelung Zu guter Letzt hat Brandenburg einen Vergabemindestlohn von 10,50 Euro zum 1. April 2019 eingeführt. Die nächste Erhöhung um 18 Cent auf 10,68 Euro ist für den 1. Januar 2020 vorgesehen. Von 2021 an soll er um den Prozentsatz angehoben werden, um den sich auch der allgemeine Mindestlohn nach dem MiLoG erhöht. Dafür ist eine Ermächtigung des Arbeitsministeriums im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsunterneh-

Wie viel Geld vergibt der Bund für Beratungsleistungen? Uneinheitliche Auswertungen / Wirtschaftsministerium vorbildlich (BS/jf) Allein im ersten Halbjahr 2019 hat die Bundesregierung 333 Mio. Euro für externe Beratungs- und Unterstützungsleistungen ausgegeben. Für den Zeitraum von Oktober 2013 bis Juli 2019 sind insgesamt rund 1,28 Mrd. Euro an Berater, Gutachter, Sachverständige und Rechtsberater gegangen. Was für die einen ein falscher Einsatz von Steuergeldern ist, ist für andere ein wahrer Wissensschatz, der nicht nur den Ministerien zugänglich sein sollte. Es geht um mehr Transparenz, auf verschiedenen Ebenen. Fast die Hälfte der Gelder ist im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums verausgabt worden – rund 155 Mio. Euro (mehr hierzu siehe Seite 49 in dieser Ausgabe). An zweiter Stelle steht das Bundesinnenministerium mit knapp 79 Mio. Euro, an dritter das Bundesverkehrsministerium mit rund 48 Mio. Euro. Anders das Bild für den sechsJahres-Zeitraum. Hier führt das Umweltressort die Liste mit 454 Mio. Euro an, gefolgt vom Wirtschaftsressort (rund 230 Mio. Euro) und dem Geschäftsbereich des Verkehrsministers mit über 175 Mio. Euro. Statt Millionenbeträge an externe Berater zu zahlen, fordern nicht nur Gewerkschaften, sondern auch Bundesabgeordnete wie Hagen Reinhold (FDP), das Geld besser in den Aufbau eigener Fachkompetenzen zu investieren. Denn trotz der enormen Kosten sei Deutschland bei den großen Themen wie der Energie- und Verkehrswende oder dem Klimaschutz nicht weitergekommen. Demgegenüber hält das Bundeswirtschaftsministerium fest: Eine Aktualisierung der institutionellen Wissensbasis durch externe Expertise sei in vielen Fällen aus Wirtschaftlichkeitsgründen der Vorhaltung eigener Ressourcen vorzuziehen. In der für Vergaberecht zuständigen obersten Bundesbehörde werde deshalb vor jeder Ausschreibung von Beratungsleistungen

Wie viel in jedem Ministerium für Beratungs- und Unterstützungsleistungen ausgegeben wird, muss bislang noch umständlich abgefragt werden. Mit der Umsetzung der Statistikverordnung wird sich dies künftig ändern.

eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchgeführt. Die Zahlen belegten eins: Der Beratungsbedarf der Bundesregierung sei proportional zur Komplexität der Aufgaben und Anforderungen gestiegen, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Wobei davon auszugehen sei, dass die Antworten sehr heterogen sein dürften, da der Begriff Beratungs- und Unterstützungsleistungen nicht einheitlich definiert sei, ergänzt eine Sprecherin aus dem Bundesfinanzministerium. Daher ist unklar, ob sämtliche empirischen und nicht-empirischen Studien und Gutachten erfasst sind. Dass es trotzdem möglich ist, zeigt beispielsweise das BMWi: In den vergangenen fast sechs Jahren hat allein die

Foto: BS/Wisut, stock.adobe.com

oberste Bundesbehörde rund 140 Mio. Euro für 315 Forschungsund weitere zehn Mio. Euro für 78 Sachverständigenaufträge ausgegeben und damit rund 65 Prozent der gesamten Ausgaben in dem Geschäftsbereich. Bei ersteren reichte die Spanne von 2.499 Euro bis zu mehr als sechs Mio. Euro. Bei den Sachverständigenaufträgen von 595 Euro bis 1,57 Mio. Euro. Auffälligkeiten in Richtung Hoflieferantentum gab es keine. Zwar hat die Prognos AG die meisten Aufträge erhalten (insgesamt 26). Dies entspricht jedoch einem prozentualen Anteil von 6,6 Prozent. Auch hat das Beratungsunternehmen nicht alle Großaufträge erhalten. “Das Wirtschaftsministerium macht vor, wie Transparenz

ermöglicht werden kann”, lobt Reinhold. Die Ursache: In sämtliche Verträge wird ein Passus eingefügt, dass die Auftragnehmer einer Veröffentlichung des Namens und der Auftragshöhe zustimmen müssen. “Warum das nicht gang und gäbe ist, kann ich nicht nachvollziehen. Hier geht es immerhin um die Verwendung von sehr viel Steuergeld. Da sollte Transparenz das oberste Gebot sein, denn die Art und der Inhalt der Studien sind Teil des politischen Handelns und müssen darum für den Bürger nachvollziehbar sein”, so der Bundestagsabgeordnete weiter. Deshalb schlägt er vor, dass bei sämtlichen Aufträgen dieser Passus in die Vertragsgestaltung aufgenommen werde. Auch forderte er, dass den Parlamentariern die Studien zugänglich gemacht werden sollten. Abhilfe wird wohl erst mit der technischen Umsetzung der Statistikverordnung eintreten. Im Zuge dessen sind künftig nicht nur die Auftragnehmer und der Auftragswert anzugeben, auch Zuschlagskriterien und deren Gewichtung, die Verfahrensart und die Anzahl der abgegebenen Angebote, insbesondere die von kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) sowie die Angabe, ob es sich um einen Rahmenvertrag oder eine Einzelvergabe handelt, sind dann zu erheben. Die Plattform zum Führen der Statistik soll Anfang 2020 an den Start gehen.

men vorgesehen, wodurch auch der Zeitpunkt für die Erhöhung festgelegt werden soll. Ursprünglich hatten bis auf Bayern, Hessen und Sachsen alle Länder die Mindestentgelte bei der öffentlichen Auftragsvergabe festgeschrieben. Inzwischen haben neben diesen drei Ländern sieben weitere (Baden-Württemberg, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz und das Saarland) ihre früheren Normen gestrichen. Hier gilt als Lohnuntergrenze der Mindestlohn nach dem MiLoG mit aktuell 9,19 Euro brutto je Zeitstunde und steigt zum 1. Januar 2020 auf 9,35 Euro. Die Regelungen seien ausreichend, ein landeseigener Mindestlohn würde zu mehr Bürokratie und höheren Kosten bei Vergabestellen und Unternehmen führen, sagt stellvertretend Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Allerdings haben Evaluierungen in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein ergeben, dass trotz bundeseinheitlichen Mindestlohns oder des landesspezifischen von 9,99 Euro zwischen Nord- und Ostsee es kaum Änderungen in der Preispolitik der Unternehmen gegeben habe. In Rheinland-Pfalz wurden nur vereinzelt Änderungen in der Markt- und Wettbewerbsstruktur wahrgenommen, berichtet eine

Tarifbindung stärken Trotz der in der Höhe differierenden vergabespezifischen Mindestlöhne haben allgemeinverbindliche Tarifverträge und repräsentative branchenspezifische Löhne Vorrang. “Mit dieser Bindung von Auftragsvergaben an diese Tarife unterstützen wir das Prinzip “Gute Arbeit” und wahren zugleich die Tarifautonomie”, erläutert Thüringens Wirtschaftsminister Tiefensee. Der vergabespezifische Mindestlohn sei vor allem eine Rückfalloption und damit eine sinnvolle Lösung, mit der sämtliche Beteiligten gut leben könnten. Ähnlich in Sachsen-Anhalt: “Die Wirtschaft ist in den vergangenen gut sechs Jahren deutlich leistungsfähiger geworden, die Arbeitslosigkeit ist stark zurückgegangen. Dennoch liegen die Verdienste in einigen Branchen lediglich auf Mindestlohn-Niveau, die Tarifbindung von Unternehmen ist sogar rückläufig”, beschreibt Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann die aktuelle Situation. Zudem würden angemessene Löhne ganz wesentlich der Fachkräftesicherung dienen. “Wenn es uns nicht gelingt, in Sachsen-Anhalt attraktivere Arbeitsbedingungen zu bieten, wird der Fachkräftemangel weiter zunehmen und das Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren empfindlich abbremsen.” Er wirbt deshalb ausdrücklich für die Einführung eines Landesmindestlohns. Als Orientierung für die Höhe soll künftig die Entgeltgruppe E1, Stufe zwei des Tarifvertrages für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) dienen. Aktuell würde der Vergabemindestlohn damit bei 10,91 Euro pro Stunde liegen und würde in den Folgejahren abhängig von den Tarifverhandlungen weiter steigen.

Bindung als Bedingung Noch mehr ist im Saarland vorgesehen: “Wir wollen einen Schritt weiter gehen und haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Einhaltung von Bestimmungen eines repräsentativen Tarifvertrags zur Bedingung zu machen”, erklärte Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger. “Damit werden wir erneut Vorreiter für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen und stärken mittelbar die Tarifbindung.” Dazu sei man auch in Gesprächen mit Verdi (siehe Seite 4 in dieser Ausgabe), um noch in diesem Jahr ein “Fairer-Lohn-Gesetz” in den Landtag einzubringen.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen


Beschaffung / Vergaberecht

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Rügen vermeiden

Behörden Spiegel / September 2019

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Worauf bei der Ausschreibung von Kita- und Schulverpflegung zu achten ist (BS/Sabine Chilla/Petra Vonderach) Die Ausschreibungspflicht bei der Kita- und Schulverpflegung ist nicht nur bei den Trägern, sondern auch bei den Catering-Unternehmen angekommen. Immer mehr Kita- und Schulträger wie Kommunen werden mit Rügen und anschließendem Vergabenachprüfungsverfahren überzogen. In den letzten Jahren wurden dazu wichtige Entscheidungen unterschiedlicher Vergabekammern gefällt, die bei der Ausschreibung von Kita- und Schulverpflegung zu beachten sind. So birgt zum Beispiel die politische Forderung nach “Regionalität” ein hohes Rügerisiko, weil Bieter diskriminiert werden können oder damit gegen die Produktneutralität verstoßen wird. Grundsätzlich darf der öffentliche Auftraggeber sei-

rechtlichen Grundsätzen Wettbewerb, Gleichbehandlung und Transparenz erfolgen. Trotzdem ist eine gesunde und nachhaltige Kita- und Schulverpflegung umsetzbar. Der Fokus sollte daher auf eine gründliche Vorbereitung des Ausschreibungsverfahrens gelegt werden. Ein individuelles VerpfleSabine Chilla berät seit 2008 mit ihrem Unternehmen Pro gungskonzept, Schulverpflegung Kommunen welches sämtlizu allen Fragen rund um das che AnforderunThema Kita- und Schulvergen der Kita- und pflegung. Schulträger für Foto: BS/privat eine ausgewogene Mittagsverpflegung widerspiegelt, bildet die Grundlage für die Erstellung der AusschreiPetra Vonderach ist seit 2014 selbstständig in der Beratung bungsunterlagen. und Durchführung von VerDie strategischen gabeverfahren für öffentliche und politischen Auftraggeber tätig. Entscheidungen werden in Foto: BS/privat diesem Verpflegungskonzept gebündelt und mit sachlichen Begründungen untermauert. Das nen Bedarf frei bestimmen. In Verpflegungskonzept stellt somit keinem Fall darf er den Bieter die Weichen für eine erfolgreiche diskriminieren oder zum Bei- Ausschreibung. Die Vergabeunterlagen umfasspiel produktbezogen ausschreiben. Die Ausschreibung muss sen alle Angaben, die erforderlich im Einklang mit den vergabe- sind, um dem Bewerber oder

Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang wird in diesem Seminar auch auf das Thema E-Vergabe eingegangen. Verwaltungsmitarbeiter sind in der Regel keine Spezialisten für Gemeinschaftsverpflegung. Deshalb macht es Sinn, Expertenwissen – wie bei der Ausschreibung von IT- oder Bauleistungen üblich – zu nutzen, um so formale Fehler und mögliche Rügen zu vermeiden.

Rund um die Schule Worauf bei der Ausschreibung von unterschiedlichen Leistungsbereichen bei Schulen zu achten ist, thematisiert der Behörden Spiegel in insgesamt drei Seminaren in München: • am 17. Oktober 2019 “DigitalPakt Schule: rechtssichere Vergabe von IT-Leistungen im Bildungsbereich”, • am 22. Oktober 2019 “Verpflegungsleistungen in Kita und Schule” und • am 13. November 2019 “Beschaffung von Schülerbeförderungsleistungen”. Mehr unter: www.fuehrungs kraefte-forum.de, Suchwörter: “Schule” oder “Schüler.”

Doppelte Strukturen? Gesetzentwurf sieht weiteres Korruptionsregister vor (BS/jf) Der Bund will die Kriminalität von Unternehmen stärker ahnden. Dazu hat das Bundesjustizministerium den Entwurf eines “Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität” vorgelegt. Das Vorhaben ist umstritten. Zudem sieht es den Aufbau eines Korruptionsregisters vor. “Dieses Gesetz könnte auch in Deutschland ermöglichen, betrügerische Machenschaften wie

in der Automobilindustrie oder im Bankgewerbe mit fühlbaren Strafen zu ahnden”, sagt Hart-

qanuun-aktuell Gleichheit um der Gleichheit willen von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Nicht von ungefähr lautet eine Lebensweisheit, das Gegenteil von gut sei gut gemeint. Gegenwärtig wird in vielfältiger Weise von den Parteien diskutiert, wie der Souverän zufriedener gestimmt werden kann. Eine Maßnahme ist u. a. die Beendigung von Klassengesellschaft und Ungleichheit. Und so wundert es nicht, dass die private Krankenversicherung, der Solidaritätszuschlag, die steigenden Wohnungsmieten oder das erstklassige Bahnticket in die Kritik geraten. Abgesehen davon, dass diese Themen nur sehr wenig mit den wirklich grundlegenden Problemen dieses Staates, der als Demokratie und Rechtsstaat zunehmend erodiert, zu tun haben, schaffen sie den politische Kräften die Befriedigung, tätig zu sein und diskutieren zu können. So hat die Diskussion um die sogenannte Mietpreisbremse in Berlin Hochkonjunktur und die Bürgerinitiativen dafür und dagegen haben sich bereits in Stellung gebracht. Zwar mag sie Mietern eine ruhigere Nacht bescheren, aber die Wohnungsnot wird durch sie kaum behoben. Sie führt zu einer zunehmenden Verknappung von Wohnraum.

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

Die Folge ist, dass potenzielle Mieter inzwischen regelrechte Bewerbungen schreiben und endlose Stunden in Besichtigungsschlangen verbringen, um dem Objekt ihrer Begierde näher zu kommen. Manche wählen den illegalen Weg. Und so überrascht es nicht, wenn Beschäftigte von Immobilienunternehmen zunehmend Geldscheine zugesteckt oder andere, immaterielle Dienstleistungen angeboten bekommen, um den jeweiligen Bewerber zum Vertragspartner ihrer Arbeitgeber zu machen. Interessanterweise haben die Erfinder der bedingungslosen Gleichheit diese Wettbewerbsumgehung kaum in Erwägung gezogen, dabei ist sie schon alt, sehr alt, älter als die Mietpreisbremse.

mut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland. Unternehmen müssten als Ganzes die Konsequenzen für Fehlverhalten verantworten. Genau daran entzündet sich der Konflikt. Denn im strafrechtlichen Sinne sind Unternehmen nicht handlungsfähig. Das soll nun mit dem Gesetzentwurf geändert werden, indem Sanktionen für strukturelles Versagen vorgesehen sind. Statt der bislang zehn Mio. Euro als maximale Bußgeldhöhe sollen dann bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes fällig werden. Auch sollen Staatsanwaltschaften künftig verpflichtet werden, schon bei Anfangsverdachten mit den Ermittlungen zu beginnen. Außerdem ist die Einrichtung eines Registers beabsichtigt, in dem die Unternehmen geführt werden, die mit ihren Strukturen und Verhaltensregeln Fehlverhalten der Mitarbeiter begünstigen. Auch dieses Vorhaben stößt auf massiven Widerstand aus der Wirtschaft. Nicht zuletzt würden Unternehmen damit unter Generalverdacht gestellt.

Einführung Ende 2020 Zudem: Im Bundeswirtschaftsministerium wird derzeit an der technischen Umsetzung des Wettbewerbsregisters gearbeitet. Wie Dr. Philipp Steinberg, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik, im Interview mit dem Behörden Spiegel erläuterte (siehe Behörden Spiegel, Mai 2019, Seite 9), sollen Ende 2020 die Arbeiten am Wettbewerbsregister abgeschlossen sein. Bleibt zu hoffen, dass sich die Ministerien untereinander abstimmen und keine doppelten Strukturen aufbauen.

► NACHFRIST

Folgenloser Irrtum Bieter genießt Vertrauensschutz Dem Angebot eines Bieters waren verschiedene geforderte Unterlagen nicht beigefügt. Dies fiel dem Auftraggeber im Zuge der Prüfung nach und nach auf. So forderte er in drei Schritten deren Vorlage nach und setzte dabei jeweils eine Frist von zehn Tagen. Eine Nachforderung beantwortete der Bieter innerhalb von fünf Tagen, die anderen beiden jeweils nach acht Tagen. Der Auftraggeber bewertete die nachgereichten Unterlagen positiv und beabsichtigt, den Zuschlag auf dieses Angebot zu erteilen. Das aber ruft den Widerspruch eines Konkurrenten hervor, der aus anderen Gründen die Nachprüfung beantragt. Durch die Akteneinsicht erhält er Kenntnis von der Länge der Nachforderungsfristen, welche die Höchstdauer gemäß VOB/A von sechs Tagen überschritt. Nun fordert er den Ausschluss des Konkurrenten wegen verspäteter Nachreichung. Das OLG Düsseldorf kon­ statiert die objektive Vergaberechtswidrigkeit der Fristsetzung. Dem Bieter, der diese zu lange Frist ausschöpft, dürfe daraus jedoch kein Nachteil entstehen. Er genieße Vertrauensschutz in die Anweisungen des Auftraggebers, was einen Ausschluss wegen der Überschreitung der Sechs-Tage-Frist unmöglich mache. Anders könnte es sich höchstens verhalten, wenn die Frist in manipulativer Absicht zu lang gesetzt worden sei. Dafür gab es keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat der Auftraggeber glaubhaft vorgetragen, sich schlicht in der Länge der Maximalfrist geirrt zu haben. OLG Düsseldorf (Beschl. v. 03.04.2019, Az.: Verg 49/18))

► VERSICHERUNG

Nachweis erforderlich Eigenerklärung ist unzureichend Der Auftraggeber hat von den Bietern einen Versicherungsnachweis für eine Betriebshaftpflichtversicherung gefordert. Alternativ lässt er die Bescheinigung eines Versicherers zu, dass im Zuschlagsfalle eine entsprechende Versicherung geschlossen werde. Ein Bieter aus dem europäischen Ausland rügt dies. Er ist der Ansicht, es müsse auch – wie für alle anderen Eignungsnachweise – eine Eigenerklärung an Stelle der Versichererbescheinigung zugelassen werden. In seinem Sitzstaat würden Versicherungen nämlich keine vorgelagerten Zusagen geben. Mit diesem Ansinnen scheitert er vor der Vergabekammer des Bundes. Die Vergabekammer weist zunächst darauf hin, dass die Forderung nach einer Versicherungsbescheinigung auf europäischem Recht beruht. Dessen Anwendung könne schon keine Ausländerdiskriminierung darstellen. Zudem hat der Auftraggeber darauf hingewiesen, dass der Bieter ja nicht darauf beschränkt sei, eine Versicherung in seinem Heimatstaat abzuschließen. Der wesentliche Unterschied zu anderen Eignungsnachweisen aber ist, dass eine Eigenerklärung nur dann ausreichend ist, wenn sie etwas erklärt, was im Zeitpunkt der Erklärung be-

reits besteht. Eine erst zukünftig abzuschließende Versicherung könne aber vom Bieter gar nicht erklärt werden, denn deren Zustandekommen liegt ja nicht allein in seiner Hand. Insofern bedarf es immer auch der Zusage seines künftigen Vertragspartners, um einen der Versicherungsbescheinigung gleichwertigen Nachweis zu erbringen. VK Sachsen (Beschl. v. 28.03.2019, Az.: 1/SVK/044-18)

► KONZEPT

Bei null beginnen Wertung erfolgt additiv Im Rahmen einer Ausschreibung für Postdienstleistungen hat der Auftraggeber ein komplexes System von Konzeptbewertungen vorgesehen, mit denen er aus den Bietern den wirtschaftlichsten auswählen wollte, weil ja in dieser Branche die Preisabstände besonders gering sind. Einer der Bieter hatte den Eindruck, die Konzept­ anforderungen seien dergestalt aufgebaut, dass die Leistungen der Deutschen Post zugrunde gelegt worden seien und alle anderen Bieter daran gemessen würden. Dies entnahm er aus der Wertungsbegründung, die für jedes einzelne Konzept den Satz beinhaltete, sein Konzept habe gegenüber demjenigen des Bestbieters weniger Inhalte gehabt. Ein solches Vorgehen hielt er für unzulässig und legte gegen die Wertung einen Nachprüfungsantrag ein. Tatsächlich müsse eine Konzeptbewertung bei null beginnen und für jeden positiven Aspekt Punkte addieren. Der umgekehrte Weg, je nach Mängeln eines Konzeptes Punkte abzuziehen, sei falsch, bescheinigt die Vergabekammer. Jedoch hatte der Auftraggeber dieses Gebot beachtet. Bei der Überprüfung der Wertungsentscheidungen im Detail sei kein Hinweis darauf zu erkennen, dass etwa der Post von vornherein die Höchstpunktzahl zugedacht worden sei und alle anderen Bieter daran gemessen worden wären. Das dürfe auch aus der erwähnten strittigen Bemerkung nicht geschlossen werden, denn eine Wertung stehe nicht für sich allein, sondern müsse auch immer im Vergleich zu den Mitbewerbern plausibel sein. Nichts anderes könne diese Bemerkung bedeuten. VK Sachsen (Beschl. v. 28.03.2019, Az.: 1/SVK/044-18)

► KONZERN

Auch Schwestern sind Dritte Nachunternehmererklärung nötig Für den Bau einer Stahlseilbrücke hat sich eine Bietergemeinschaft aus vier Unternehmen gebildet. Zwei davon gehören zu einem Konzern. Die Leistungsfähigkeit der Bietergemeinschaft war durch Referenzen nachzuweisen. Die Bietergemeinschaft legte u. a. Referenzen von einem Schwesterunternehmen der beiden Konzernunternehmen vor. Im Nachprüfungsverfahren streiten die Parteien darum, ob diese Referenzen geeignet sind, die Eignung der Bietergemeinschaft zu belegen. Diesen Gesichtspunkt bescheidet das Oberlandesgericht abschlägig. Die Bietergemeinschaft hatte die Referenzen fehlerhaft wie

Eigenreferenzen behandelt. Das Schwesterunternehmen ist – jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung – nicht soweit in den Konzern integriert, dass allein durch die Konzernverbindung gesichert wäre, dass seine Fähigkeiten dann auch tatsächlich bei der Auftragsausführung bereitstünden. Mangels dieser Unterordnungsstruktur müsse die Schwester wie ein Dritter behandelt werden. Ist sie aber Dritter, wäre sie als Nachunternehmerin zu betrachten. Dazu hätte die Bietergemeinschaft sie in das Nachunternehmerverzeichnis aufnehmen müssen. Denn wenn die Fähigkeiten nicht im eigenen Hause vorhanden sind, muss im Rahmen der Eignungsleihe sichergestellt sein, dass die Eignungsgeberin dann auch tatsächlich die fraglichen Arbeiten ausführt. Da es wegen der irrigen Einordnung der Referenz als Eigenreferenz durch die Bietergemeinschaft auch daran mangelte, war die Eignung insgesamt nicht nachgewiesen. VK Südbayern (Beschl. v. 05.06.2019, Az.: Z3-3-319-106-02/19)

► NETTOPREIS

Kein Wertungsfehler Ausland ist kein Steuerprivileg Auf eine IT-Ausschreibung gaben nur zwei Bieter Angebote ab, ein inländischer und ein Unternehmen aus Polen. Das inländische Unternehmen benannte seinen Bruttopreis, das polnische bot ohne Mehrwertsteueraufschlag an. Das ist insofern korrekt, als beim innergemeinschaftlichen Erwerb ja nicht der Auftragnehmer, sondern der Auftraggeber der Steuerschuldner ist (“reverse charge”). Um diese beiden Angebote zu vergleichen, behalf sich der Auftraggeber mit der einfachsten Lösung: Er verglich die Nettopreise beider Angebote, wobei das deutsche Angebot günstiger war. Dies wiederum bemängelt der polnische Konkurrent: Er wirft dem Auftraggeber vor, gegen das Gebot der Wertung der Bruttopreise verstoßen zu haben. Damit hat er einerseits Recht, andererseits davon aber keinen Schaden. Denn seiner Ansicht, dass für sein Angebot brutto=netto gelte, folgt die Vergabekammer nicht. Das NettoAngebot des innergemeinschaftlichen Erwerbes darf nicht mit einem Netto-Angebot aufgrund einer Umsatzsteuerbefreiung verwechselt werden. Beim innergemeinschaftlichen Erwerb muss der Auftraggeber die Umsatzsteuer ja selbst entrichten. Korrekt wäre es demnach gewesen, den Preis aus Polen für die Wertung um den Mehrwertsteuerbetrag zu erhöhen. Solange also keine mehrwertsteuerbefreiten (oder -reduzierten) Angebote im Wettbewerb sind, ist die Wertungsreihenfolge gleich, egal ob man die Brutto- oder die Netto-Preise vergleicht. VK Sachsen (Beschl. v. 18.03.2019, Az.: 1/SVK/001-19)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

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-4383

-4379

-4295

N.N.

Referat 114 Innerer Dienst

MR Gregor Franzmann

-4348

Referat 113 Information, Kommunikation, Fortbildung

N.N.

Referat 112 Organisation, Betriebliches Gesundheitsmanagement

-3117

-4518

-3251

-3574

MD‘in Diane Jägers

-3574

Projektgruppe Zuwanderung aus Südosteuropa

MD‘in Diane Jägers

Projektgruppe Landeskoordinierungsstelle zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Männer

MR‘in Antje Kuntzsch

Referat 215 Prostitution, Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung

MR‘in Steffi Kreuzenbeck

Referat 214 Berufliche Gleichstellung, Potenzialentwicklung

MR‘in Barbara Meier-Beck -3584

Referat 213 Gewalt gegen Frauen

Gabriela Rosenbaum

Abteilung 3 Kommunales

-5553

-5550

-5563

-5566

-5553

-5502 -5608

-5521

-5525

-5529

RD‘in Susanne Falk-Alex 030/275 752 74

-5535

RD‘in Susanne Falk-Alex 030/275 752 74

Rita Tölle

Referat 407 Konzeption und Umsetzung der Wohnungsbestandsförderung

MR Kay Noell

Referat 406 Experimenteller Wohnungsbau

MR‘in Anna Zavelberg

Referat 405 Wohnungsaufsicht, Mietrecht, Wohngeld, Allgemeines Wohnungsrecht

MR Rainer Janssen

Referat 404 Wohnraumförderungsprogramme, Wohnungswirtschaft

-3135

-5618

-5647

-5650

N.N.

Projektgruppe IMAG Bauland

MR‘in Sabine Nakelski

Referat 502 Integrierte Stadterneuerung und Demografischer Wandel, Soziale Stadt, Stadtumbau

MR‘in Claudia Schmidt

Referat 501 Abteilungsübergreifende und Querschnittsaufgaben der Abteilung, Gremien der Bauministerkonferenz und des ASBW

MR Klaus Austermann

Referat 515 Interkommunale Stadtentwicklung, Angelegenheiten der REGIONALEN NRW und kleinere Städte und Gemeinden im ländlichen Raum

MR‘in Dr. Daniela Grobe

Referat 514 Dorferneuerung, Bürgerschaftliches Engagement,nationale und europäische Stadtpolitik,gren züberschreitende europäische Zusammenarbeit

-5614

MR Christoph Piel

-5516

-5611

MR Stefan Peter

RBD‘in Christiane Kalka

Referat 512 Integrierte Stadterneuerung, Innenstädte, Stadtkerne, Ortszentren, Neue Urbanität, Fachkommission der BMK

MR Michael Bernhart

Referat 511 Städtebauförderung, haushaltsrechtliche Angelegenheiten der Stadtententwicklung und der Denkmalpflege

Referat 513 Planerische und rechtliche Grundlagen der Stadtentwicklung

-5507

Gruppe 51 Integrierte Stadterneuerung, Städtebauförderung N.N.

ORR‘in Deborah Dautzenberg -4310

N.N.

-5605

-5517 -5625

MR Thomas Schürmann

-5662

Referat 525 Baudenkmalschutz und Baudenkmalpflege, Bodendenkmalschutz und Bodendenkmalpflege

RD‘in Nejla Bicakoglu-Murzik -5629

Referat 524 Rechtliche Angelegenheiten der Flächenpolitik, Grundstücksfonds und Flächenpool NRW, Entwicklungsmaßnahmen

N.N.

Referat 523 Brachflächenentwicklung, Energetische Stadtsanierung, Klimaschutz

MR‘in Evamaria Küppers-Ullrich -5628

Referat 522 Nachhaltige Stadtentwicklung, Bahnflächenentwicklung, Grüne Stadt, Städtebaulicher Dialog

Dr. Thorsten Drewes MR‘in Birgit Elsing

Referat 521 Forschungsprogramme, StadtBauKultur

Martina Werhand

Gruppe 52 Nachhaltige, klimagerechte Stadt-, Flächen- und Regionalentwicklung und Denkmalpflege

-5702

-5702

-5711

-4662

-5714

-5723

-5704

-5704 -5660

-5754

-5750 -3247

RR Thorsten Barzik RBR Uwe Arndt Ihln AR Rainer Krump Michael Winterhoff Stella Gummersbach MD Andreas Happe- MR Stephan Klein MR Stephan Klein Stella Gummersbach RR Stephan Adams Dr. med. Ghafur Ebadie Joachim Werner

Betriebsarzt: Fachkraft für Arbeitssicherheit:

-5722 -3150 -3727 -4389 -4260 -4295 -4295 -4389 -4073

-4237

-5745

0201 - 83084 11 0209 - 6044 410

MR Johannes Reusteck

Referat 624 Sonderliegenschaften, Baulast­verpflichtungen,Verkehrssicherungs­pflichten

MR Heiner Sommer MR‘in Ulrike Scherbaum

Referat 623 Bauangelegenheiten der Ressorts,Angelegenheiten der Architektur undder Technischen Gebäudeausrüstung

Holger Gerards

Referat 622 Architekten-und Ingenieurvertragsrecht, Marktüberwachung harmonisierter Bauprodukte, baulich-technische Sicherungsmaßnahmen

LMR Reinhard Blümel MR Dr. Claus Eppe

Referat 621 Grundsatzangelegenheiten des Bauens, Bauhaushalt, Bauwirtschaft, Nachhaltiges Bauen, Gremien, Koordinierung

LMR Reinhard Blümel

Hauptpersonalrat Vorsitzender: Schwerbehindertenvertretung: Hauptschwerbehindertenvertretung: Soziale Ansprechpartnerin: Inklusionsbeauftragter: Datenschutzbeauftragter: Geheimschutzbeauftragter: Sicherheitsbeauftragte: Informationssicherheitsbeauftragter:

-5700

-5700

-4515

Gruppe 62 Bauwirtschaft, Kultur des Bauens,Hochbauangelegenheiten des Landes

Personalrat Vorsitzender:

MD Dr. Thomas Wilk

Projektgruppe BIM-CompetenceCenter

MR Jost Rübel

Referat 615 Baulicher Brandschutz, Sonderbauten, bauaufsichtliche Regelungen für die technische Gebäudeausrüstung

Andreas Plietz

Referat 614 Bautechnik, Bauphysik

MR Ulf Kamin

Referat 613 Bauordnungsrecht, Bauberufsrecht

MR‘in Andrea Beule-

Referat 612 Allgemeine Angelegenheiten der Bauaufsicht, Erschließungsrecht

LMR‘in Dagmar Lamberth

Referat 611 Grundsatzangelegenheiten des Städtebaurechts, planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben

LMR‘in Dagmar Lamberth

Gruppe 61 Bauaufsicht

MD Dr. Thomas Wilk

Dr. Katrin Kaufmann

M3 Reden, Publikationen

-4310

Abteilung 6 Bauen

MR‘in Anna Lazarevićć -3287

M2 Kabinett, Landtag, Bundesrat, EU-Angelegenheiten

Gruppe M Büro der Ministerin ORR‘in Deborah Dautzenberg

M1 Termine, politische Koordination

Abteilung 5 Stadtentwicklung und Denkmalpflege -5600

-4340

Referat 403 Staatsaufsicht NRW.BANK Bereich Wohnraumförderung, Beirat für Wohnraumförderung, Wohnungsmärkte, Steuerrecht

MRin Melanie Evers

Referat 402 Wohnraumförderung, Sicherung der Zweckbestimmung von Förderwohnungen, Einkommens­ ermittlung, Bürgschaften

LMR Marcus Münter

Geschäftsstelle der Bauministerkonferenz ARGEBAU

-5587

-5502

-5500

Koordinierung, Gremien NRW. BANK, Bürgschaften

Referat 401

LMR Marcus Münter

Ständiger Vertreter der Abteilungsleitung

MD‘in Sigrid Koeppinghoff

Abteilung 4 Wohnungsbau, Wohnungs- und Siedlungsentwicklung

Kontaktreferentin Landesvertretung Berlin

MR Hans-Peter Lüngen

Referat 305 Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, Kommunalabgaben

LMR Frank Zakrzewski

Referat 304 Haushaltsrecht, Finanzaufsicht, Haushaltssicherung, Finanz- und Haushaltsplanung, Stärkungspakt Stadtfinanzen,Kommuna­l­ investitionsförderung

MR Detlef Dohmen

Referat 303 Kommunaler Finanzausgleich

MR‘in Doris Tinnermann

Referat 302 Kommunale Aufgaben, Gebietsstruktur und Interessen in Rechtsetzung und Verwaltungsvollzug

N.N.

Referat 301 Kommunalpolitische Handlungsbedingungen, Kommunales Verfassungsrecht und Kommunalaufsicht, Kommunale Personalangelegenheiten

LMR Frank Zakrzewski

Ständiger Vertreter der Abteilungsleitung

Staatssekretär Dr. Jan Heinisch

Foto:BS/ Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen

Ina Scharrenbach

Büro des Staatssekretärs: RR Patrick Anders

MD Dr. Christian von Kraack

-3005

-4246

Ministerin

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Ministerium für Heimat, Kommunales,Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen Stand: September 2019

Personelles

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

MR‘in Birgit Dickmann

Referat 103 Personal

MR Thomas Lülsdorf

Referat 102 BdH,Haushalt, Controlling

MR Stephan Klein

Ute Neumann

-4242

Referat 212 Gleichstellung im öffentlichen Dienst

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Birgit Wehrhöfer

Referat 111 Beteiligungen

Referat 211 Grundsatzangelegenheiten, Gleichstellungspolitik

-3667

-3574

Referat 101 Justiziariat, Zentrale Vergabestelle

-4242

Birgit Wehrhöfer

Gruppe 21

MD‘in Diane Jägers

Abteilung 2 Gleichstellung

Stabsstelle Heimat

Ute Neumann

Gruppe 11 Beteiligungen, Organisation und Service

-4260

Christoph Meinerz

Robert Vornholt

Presse und Soziale Medien

LMR Benedikt Emschermann -3460

Projektgruppe E-Government

MD Andreas Happe

Abteilung 1 Zentralabteilung

Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen Jürgensplatz 1 40219 Düsseldorf Telefon: 0211-8618-50 Telefax: 0211-86185-4444 E-Mail: poststelle@mhkbg.nrw.de Internet: www.mhkbg.nrw

Organisationsplan des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen

Behörden Spiegel / September 2019 Seite 11


Diplomaten Spiegel

Seite 12

Wir sind ein Teil Europas

E

rfolge auch in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gegen den Drogen- und Menschenhandel, gemeinsamen Großinvestitionen sowie mit den technologischen Zusammenarbeiten und Kooperationen der Universitäten. “Wir haben das Weiterbestehen des deutschtschechischen Zukunftsfonds gesichert und z. B. vielen Startup-Unternehmen geholfen. Besonders freue ich mich über den engen Austausch mit den bayerischen und sächsischen Nachbarn. Erreichen möchte ich, dass in diesem intensiven Bestreben nicht nachgelassen, sondern vielmehr weiter gemeinsam auf Augenhöhe gearbeitet wird.” Dem dürfte auch nichts entgegenstehen, denn die bilateralen Beziehungen zwischen Berlin und Prag sind eng und intensiv. “Sie haben momentan tatsächlich sogar das höchste Niveau seit der Aufnahme anno 1973 erreicht. Die geschichtliche Last (vor und nach 1945) zu überwinden und dann die Zukunft gemeinsam zu gestalten, das war die Schritt für Schritt gelingende Aufgabe der letzten Jahrzehnte, die weder leicht noch schnell zu bewältigen war. Aber es hat sich gelohnt”, unterstreicht der tschechische Chefdiplomat. “Deutsche und Tschechen stehen sich näher denn je und verstehen sich auch so. Außer dem Nachbarschaftlichen verbindet uns dazu noch ein dichtes Netz europäischer und globaler Interessen, deren Durchsetzung gemeinsam besser und effektiver gelingt. Der vor vier Jahren begonnene “Strategische Dialog” trägt nun konkrete politische, wirtschaftliche sowie kulturelle Früchte in den Regionen, Städten und Kommunen, vielseitig und vor allem “von unten” – also von den Menschen aus eigenem Interesse getragen, was ich als das Allerwichtigste betrachte”, so der Botschafter.

Ohne Vorbehalte So stellt Tomáš Podivinský immer wieder fest, dass die “Anderen” gar nicht so anders sind, man oft viel mehr Gemeinsamkeiten hat, als gedacht und es heute ganz selbstverständlich ist, dass die Menschen ohne Vorbehalte miteinander reden. So wie es der tschechische Schriftsteller Jaroslav Hašek schon seinen Schwejk Josef während des 1. Weltkriegs brillant tun lässt, als dieser im Kornfeld auf einen “russischen Feind” trifft und sie dann sogar die Uniformjacken tauschen... Aber das ist eine andere Geschichte!

Ein Gespräch mit Tschechiens Botschafter Tomáš Jan Podivinský in Berlin (BS/ps) Als Tomášš Jan Podivinskýý im Januar 2015 nach Deutschland kommt, ist ihm klar, dass er als Botschafter alleine nur sehr wenig bewegt. “Alles ist Teamarbeit, auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene, mit den Verbänden, Kammern, der Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, wie auch mit Prag”. So kümmert sich der Team-Player mit Erfolg um den Ausbau und die Verbesserung der gemeinsamen Verkehrsinfrastruktur, die Modernisierung der Bahnverbindungen zwischen “Prag - Dresden - Berlin - Hamburg”, “Prag - Nürnberg - München” und “Prag - Regensburg München”. “Ich bin sehr froh”, so der 49-Jährige, “dass es uns gelungen ist, den letzten Abschnitt der Autobahn D8 zwischen Prag und Dresden im Dezember 2016 in Betrieb zu nehmen. Weitere wichtige Projekte sind der Elbausbau, Umweltschutz und Tourismus, die Revitalisierung der tschechischen Häfen in Hamburg und neue Flugverbindungen zwischen deutschen und tschechischen Städten.”

Zweifells tragen aktuell auch die umfänglichen bilateralen, wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Berlin und Prag zu mehr Kontakt und Toleranz bei. “Mit seinen 10,5 Millionen Einwohnern gehört Tschechien zu den zehn wichtigsten Handelspartnern Deutschlands – bei einem sehr ausgeglichenen

mit tschechischem Improvisationsgeschick und Kreativität eine unschlagbare Kombination sind. Ich bin jedenfalls sehr froh, zu den Freunden dieses Landes zu gehören und unsere Beziehungen noch immer für uns alle positiv mitgestalten zu können. Oder, besser gesagt, ich versuche, sie aufs Beste mitzugestalten. Das hier ist für mich nämlich kein Beruf, sondern eine Berufung, die wirklich nicht leicht, aber desto mehr erfüllend ist.”

“Weil ich die Deutschen sehr mag”

Vertritt als Botschafter die Interessen der Tschechischen Republik in Berlin: Seine Exzellenz Tomáš Jan Podivinský.

Rezept des Botschafters Kulajda – Pilzsuppe mit Dill Zutaten: Suppe: 2 l Wasser, 300 g Kartoffeln, 200g frische oder 25 g getrocknete Pilze, 1 Zwiebel, 80 g Butter, 30 g Mehl, 1 TL Kümmel, 4 Lorbeerblätter, frischer Dill, 0,5 l Saure Sahne, 1 Zitrone, Pochierte Eier: 4 Eier, ca. 0,7 l Wasser, 0,15 l Essig Zubereitung: Kartoffeln in Würfel schneiden, Zwiebel klein hacken, Pilze säubern und kleinschneiden. In einen tieferen Topf geben, Wasser zusetzen und salzen. Kümmel, Lorbeer und drei Stängel Dill beigeben und ca. eine Stunde kochen. Das Mehl in die saure Sahne rühren und der Suppe zugeben. Ist die Sahne nicht sauer genug, mit Zitronensaft oder Essig abschmecken. Eier aufschlagen und jeweils einzeln aus einem flachen Schälchen dicht über der Oberfläche in das siedende Essigwasser gleiten lassen. Nach drei bis vier Minuten mit einem Schaumlöffel herausheben. Pochierte Eier beim Servieren in die Suppe setzen, die mit Butter verfeinert werden kann. Dazu passt unbedingt ein Pilsner und ein Slivovice, für ein langes Leben. Na zdraví!

Ein- und Ausfuhrverhältnis. Der gegenseitige Handel macht rund ein Drittel des Außenhandelsvolumens aus und Deutschland steht dauerhaft auf Platz eins bei den Handels- und Investitionspartnern.” Wesentlich für das gegenseitige Verständnis sei auch der Zukunftsfond, welcher seit mehr als 20 Jahren mannigfaltige kulturelle, schulische und gesellschaftliche Projekte der Länder fördere.

“Wir sind gar nicht so verschieden”

Schmückt den Eingang des Botschaftsgebäudes: das metallene Wappen der Tschechischen Republik von 1993. Es zeigt die Länder der böhmischen Krone, wobei das Kernland Böhmen doppelt vorkommt (oben links, unten rechts).

Behörden Spiegel / September 2019

Von ehemaligen Kriegsfeinden und Okkupanten haben wir uns in den Augen der Tschechen zu angenehmen Zeitgenossen, guten Geschäftspartnern und letztlich zu Freunden entwickelt. Was, ohne Wenn und Aber, auf Gegenseitigkeit beruht. “Ich kann mich erinnern, wie ich kurz nach der Wende in einen sächsischen Lebensmittelladen komme und dort auf einer Tafel tschechisch geschrieben steht: “Tschechen, klaut nicht! – was mich sehr ärgerte. 2005 heißt es in dem selben Geschäft: “Vítey (Willkommen)! und 2014 kündet die Tafel dort (tschechisch): “Nur zehn Becher Jogurt/Person!”, erinnert sich Podivinský. Und weiter: “Auf beiden Seiten war das eindeutig eine Entwicklung von der Angst zum Vertrauen. Sie sehen, wir sind gar nicht so verschieden...” Unterschiede gibt es zwischen Berlin und Prag bei der Frage, ob man die Grenzen für alle öffnen

solle, die in die EU wollen, um sie dann nach Quoten auf die Mitgliedsstaaten zu verteilen. “Nach unserer Überzeugung ist das keine gut Lösung. Es gilt, wirklich Schutzbedürftige von Wirtschaftsmigranten zu unterscheiden, die von Schleuserbanden zu uns geschmuggelt werden. Denen, die wirklich Hilfe benötigen, ist vor allem vor Ort zu helfen und nur in den Fällen, in denen deren Leben Zuhause wirklich bedroht wird, ist Schutz bei uns zu gewähren. Wir sind schon lange, wie Deutschland auch, zum Beispiel im jordanischen Flüchtlingscamp Al Azraq, aber auch in weiteren Projekten in den Migrationsländern sehr aktiv. Die Behauptung, die Tschechen sind fremdenfeindlich oder xenophob, ist grundsätzlich falsch und beleidigend. Mehr als fünf Prozent unserer Bevölkerung sind zurzeit Ausländer, überwiegend aus den Drittländern – also außerhalb der EU – Tendenz steigend. In Tschechien hat sich nicht nur eine große ukrainische Minderheit gut eingelebt, sondern auch Vietnamesen, Bosnier oder Kosovaren. Übrigens, es leben bei uns auch ca. 25.000 Deutsche, und auch meine Familie gehört mit einem Teil dazu”, berichtet Podivinský.

Fotos: BS/Dombrowsky

unberührter Natur und Hochtechnologie, fernab von der goldenen Stimme eines Karel Gott, Bier und Knödeln. “Heute lohnt es sich nicht nur, gute Geschäfte zu machen, sondern auch enge Freundschaften zu pflegen. Das belegen nicht nur die schon das neunte Mal in Folge steigenden Handelsvolumen und Investitionen der über 4.500 deutschen Firmen bei uns, sondern auch die jährlich steigende Zahl deutscher Touristen, die uns besuchen. Nicht zu vergessen die Studenten, Wissenschaftler, Manager und weiteren klugen Köpfe, die begreifen, dass deutsche Ordnungsliebe und Präzision

Weil dem so ist, mag Botschafter Podivinský nur mit seinem geistigen Wegbegleiter und bestem Freund für einen Tag tauschen. “Er ist für mich immer ein fester Anker in allen, auch unruhigen Zeiten, ein sehr ruhiger, gebildeter, im weitem Kontext und harmonischer Weisheit denkender Mensch, der die Macht hat, die Sünden der Menschen zu vergeben. Da er aber ein katholischer Priester ist, würde ich wirklich nur für einen Tag tauschen – oder höchstens für eine Woche. Auch hier bestätigt sich: Jede Medaille hat zwei Seiten.” Letzte Frage – was möchten Sie gerne noch sagen: “Meine jüngere Schwester hat mir mal gesagt: “Liebes Brüderchen, du kannst dich aufrichtig und in bester Absicht tagtäglich bemühen, die Beziehungen zu Deutschland immer aufs Neue und noch mehr und mehr zu verbessern, und du wirst nie so viel machen können wie ich – ich habe nämlich einen Deutschen geheiratet, wir haben zwei tolle Söhne, jeder von ihnen weiß ganz genau, wie die tschechische und wie die deutsche Omi tickt, sie sind in beiden Sprachen und in beiden Ländern gleich zu Hause. Das ist nämlich die Zukunft, das, was mit der Zeit nicht vergeht, sondern sich noch vertieft.” Sie mag zwar recht haben, aber ich werde mich trotzdem weiter sowohl auf diplomatischen als auch privaten Wegen bemühen, mein Bestes zu geben. Weil ich Deutschland und die Deutschen sehr mag. Und es ist hoffentlich nun jedem klar, dass das nicht nur an meinem wirklich tollen deutschen Schwager liegt...”

gänglich. An einen “Tschechexit” denkt dort niemand. Gleichwohl klagen nicht wenige, Brüssel sei zu bürokratisch, bisweilen undemokratisch, erlasse absurde Vorschriften, die man aus der Vorwendezeit von Moskau noch gut in Erinnerung hat. “Offene Grenzen, gemeinsamer Markt, Verbraucherschutz und viele andere Freiheiten und Errungenschaften fallen dabei oft leider unter den Tisch. Die EU soll, oder besser gesagt, sie muss sich reformieren. Bürgernähe und nachvollziehbare Entscheidungen sind dringend gefragt”, fordert der Botschafter. Nicht nur Brüssel müsse das alles verstehen, sondern auch die EU-Bürger. Mit einer verkomplizierten Systemordnung, Bürokratie oder Bevormundung könne niemand zufrieden sein, weder in der Familie, noch am Arbeitsplatz und auch nicht in der EU. “Hier bin ich, was die Zukunft betrifft, jedoch zuversichtlich, denn immer mehr unserer Landsleute nehmen wahr, dass es nicht “Europa” und “uns” gibt, sondern dass wir ein Teil Europas und der EU sind und beide mitprägen können, sollen und um der Verantwortung wegen auch müssen, ohne unsere eigene Identität dabei zu verlieren.”

Europa muss sich reformieren Unschlagbare Kombination Von diesem Migrations-Dissens einmal abgesehen, gilt den Tschechen ihre Mitgliedschaft in der EU grundsätzlich als unum-

Was wohl, alles in allem, ein erfreuliches Bild Tschechiens bei uns abgibt. Als ein Land mit reicher Kultur und Geschichte,

Empfängt die Besucher im Foyer der Botschaft: die “Empfangsdame”, eine Skulptur der tschechisch-deutschen Bildhauerin Ludmila Seefried-Matĕjková aus Berlin.


Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / September 2019

Waldsterben weitet sich aus

KNAPP OZG-Umsetzung vernachlässigt

Welche Maßnahmen Kommunen ergreifen und was fehlt

(BS/Katarina Heidrich) Nachdem deutschlandweit zahlreiche Kommunen den Klimanotstand gemeldet haben, steht nun die nächste Krise bevor: Das regionale Waldsterben nimmt (BS/ah) Die Bedeutung des Onimmer verheerendere Formen an. Der Bund Deutscher Forstleute (BDF) hat deshalb den Wald-Klimanotstand ausgerufen. Das Zwiespältige am Baumsterben: Es ist in der derzeitigen linezugangsgesetzes (OZG) für eiGeschwindigkeit beeinflusst durch den Klimawandel, eine nachhaltige Waldwirtschaft könnte aber gleichzeitig diesem entgegenwirken. ne bürgerfreundliche Gestaltung Die nordrhein-westfälische Stadt Brilon besitzt mit einer Gesamtfläche von 7.750 Hektar den größten Kommunalwald im Bereich der gesamten Bundesrepublik. Schon im letzten Jahr musste die Kommune schwere Waldschäden aufgrund des Orkans “Friederike” vom 18. Januar 2018, der langanhaltenden Dürre 2018 und der schwersten Borkenkäferkalamität seit dem 2. Weltkrieg verzeichnen (siehe Behörden Spiegel, Januar 2019, S. 20). Doch auch in diesem Jahr hat sich der Negativ-Trend fortgesetzt. Die Schäden durch die lange Trockenheit der letzten zwei Jahre und dem damit verbundenen Borkenkäferbefall steigen und zwingen die Stadt zum Handeln. Die abgestorbenen Bäume müssen gefällt und das befallene Holz aus den Wäldern geschafft werden, um die Brutstätten der Käfer zu beseitigen. Auf dem Briloner Poppenberg etwa war es deshalb notwendig, einen ganzen Bestand umgehend zu fällen. Rund 250 Festmeter liegen dort als Langholz – also geschlagene Bäume ab etwa sechs Metern Stammlänge – am Weg. Das Problem: Bei dieser Menge an betroffenen Stämmen stoßen die Kapazitäten der Forstleute, Fuhrunternehmen sowie die der Sägewerke inzwischen an ihr Limit. Doch selbst dieser Schritt reicht nicht aus; zusätzlich muss an den Holzpoltern (gesammeltes Lang- und Kurzholz) Chemie eingesetzt werden, um die Verbreitung der Brutnester zu verhindern. “Die Begiftung des geschlagenen Holzes dient der Waldhygiene. Wir verhindern damit, dass der Borkenkäfer erneut ausfliegt und weitere Fichtenbestände infiziert”, erklärt Dr. Gerrit Bub, Leiter des Briloner Stadtforstbetriebes. “Die Begiftung der Holzpolter ist die Ultima

vormacht. Man müsse hin zu naturnahen, heimischen Mischwäldern. Mit dem Ziel, die Klimaresilienz der Wälder zu stärken und die Kohlenstoffspeicherfunktion zu erhöhen.

Ziel: Ausgleichszahlungen

Auch im Bayerischen Wald sind die flächendeckenden Schäden durch den Borkenkäferbefall auf einen Blick sichtbar. Foto: BS/FelixMittermeier, www.pixabay.com

Ratio im Schutz unseres Waldes gegenüber der schwersten Borkenkäferkalamität seit Gründung des Bundeslandes NRW.”

Flächendeckendes Problem Der zweite Dürresommer in Folge hat für die Waldgebiete in ganz Nordrhein-Westfalen dramatische Auswirkungen. Nach Angaben des Landesbetriebs Wald und Holz sind seit Anfang 2018 bereits fünf Millionen Bäume durch Trockenheit abgestorben oder einem Sturm zum Opfer gefallen. Je nachdem wie lange die aktuelle Trockenperiode anhält, könnte sich diese Entwicklung noch beschleunigen. Auch im Kölner Stadtwald müssen großflächig Bäume gerodet werden. Hier seien, nach Angaben des Stadtförsters Michael Hundt,

rund 40 Prozent des AltbaumBestandes akut gefährdet. In Düsseldorf will die Stadtverwaltung nun reagieren, indem sie mit wissenschaftlicher Hilfe eine Liste von Baumarten erstellt, die besonders gut mit der erwarteten Erderwärmung zurechtkommen. Auf der “Zukunftsbaumliste” stehen in Deutschland bekannte Namen wie Eiche und Feldahorn, aber auch Exoten wie der Ginkgo. Denn besonders betroffen seien “naturferne Fichten- und Kiefernforsten”, wie es im Handlungsprogramm für effektiven Klimaschutz führender Umweltverbände – wie etwa des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), des NABU oder des Deutschen Naturschutzrings (DNR) – heißt. Aber auch in anderen Bundesländern

mit großen Waldflächen gibt es dieselben Probleme. “In Folge der anhaltenden Trockenheit und Hitze der letzten Jahre spitzt sich die Situation dramatisch zu”, warnt Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND. Es drohe ein “Waldsterben 2.0”. Nach Angaben des BDF sind in den letzten zwei Jahren schon weit über 100 Millionen Altbäume in Deutschland abgestorben. Dazu kommen mehrere Millionen Setzlinge und Jungbäume. Eine Fläche von 110.000 Hektar Wald wurde allein im vergangenen Jahr verloren. Doch welche Lösungen gibt es? Die Umweltverbände sind sich einig: Deutschland brauchen neben Aufforstung auch eine Umforstung, so wie es Düsseldorf mit seiner “Zukunftsbaumliste”

Dabei sei die “Einbringung von Ökosystemleistungen im Sinne des Klima- und Biodiversitätsschutzes finanziell zu honorieren”, wie es vom BUND heißt. Denn das Waldsterben hat nicht nur klimatische oder ästhetische Auswirkungen, sondern bedeutet für die Waldbesitzer vor allem finanzielle Belastungen. Und unter denen gibt es viele Kommunen; der Kommunalwald nimmt in Deutschland 25 Prozent der Gesamtwaldfläche ein. “Deshalb muss es auch im gesellschaftlichen Interesse sein, sich zu engagieren und die Waldbesitzenden und Forstleute aller Waldbesitzarten bei den Kosten für Wiederbewaldung, Waldpflege und die Entwicklung klimaresilienter Mischwälder zu unterstützen”, betont der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR), Georg Schirmbeck, mit Blick auf die politische Debatte bezüglich Ausgleichszahlungen, wie sie in der Landwirtschaft üblich sind. Nach Einschätzungen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sind in den kommenden Jahren mindestens 1,5 Milliarden Euro für die Rettung der Wälder nötig. Allein für die Bewältigung der aktuellen Schäden werde mindestens eine halbe Milliarde Euro gebraucht. Langfristig müsse ein Waldumbau erfolgen, um den “Klimaschützer Wald” zu retten. Am 25. September plant Klöckner einen “Waldgipfel”, wo Bund und Länder über konkrete Hilfen sprechen wollen.

der Kommune wird von 42 Prozent der Verwaltungsangestellten als gering erachtet. Rund ein Viertel sieht gar eine geringfügige Beachtung der OZG-Umsetzung in ihrer eigenen Kommune. Dabei stellen die Prozessanpassung (81 Prozent), das Budget (41 Prozent) sowie die Mitarbeitermotivation (42 Prozent) maßgebliche Herausforderungen dar. 77 Prozent sind der Meinung, das Personalmanagement sei kein Arbeitsschwerpunkt ihrer Kommune bei der Umsetzung des OZG. Viele Kommunen (55 Prozent) fühlen sich sogar im Stich gelassen, weil sie nicht ausreichend in die Landes- und Bundesaktivitäten einbezogen werden. Darüber hinaus sind 16 Prozent der Überzeugung, mit dem aktuellen IT-Dienstleister nicht genug vorbereitet zu sein, wie eine Umfrage von BearingPoint zeigt.

Kommunen laufen Sturm (BS/kh) Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant eine umfassende Reform von Notfallversorgung und Rettungsdiensten. Hintergrund ist ein Gesetzentwurf, der zum Ziel hat, den ärztlichen Bereitschaftsdienst und die Rettungsleitstellen zu verknüpfen. Die Zuständigkeit für den Rettungsdienst soll dafür von den Ländern auf den Bund übertragen werden. Dagegen mehrt sich Kritik durch die Kommunen. “Wir lehnen die Pläne strikt ab. Sie würden die Axt an funktionierende und bewährte kommunale Strukturen des Rettungsdienstes legen“, äußert sich Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages. “Das ist eine ureigene kommunale Aufgabe, mit der die Krankenkassen nichts zu tun haben.”


Kommunalpolitik

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Den Blick schärfen

I

n 19 von insgesamt 96 Raumordnungsregionen in Deutschland gibt es akuten Handlungsbedarf, was die regionale Entwicklung angeht. Das geht aus der Studie “Die Zukunft der Regionen in Deutschland – Zwischen Vielfalt und Gleichwertigkeit” des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Anhand von insgesamt zwölf Indikatoren haben die Studienautoren die Regionen in den Bereichen Wirtschaft, Demografie und Infrastruktur untersucht. Mit überraschendem Ergebnis. Mit Blick auf die Wirtschaft liegen die Schlusslichter in Westdeutschland: Besonders “düster” sehe es in Duisburg/Essen, EmscherLippe und Bremerhaven aus. So lag die Arbeitslosenquote in den beiden Ruhrgebietsregionen 2017 noch über zehn Prozent. In Bremerhaven hingegen liegt das Problem vor allem in der hohen Verschuldung der privaten Haushalte. Die wirtschaftliche Lage der ostdeutschen Regionen sei währenddessen differenziert zu betrachten, erläutert Studienautor und Direktor des IW, Prof. Dr. Michael Hüther. Zwar seien die Ausgangsniveaus im Vergleichsjahr 2011 teilweise sehr gering gewesen, aber viele Regionen konnten über die vergangenen Jahre überproportionale Zuwächse verzeichnen. Vor allem in Sachsen und Thüringen sind die Arbeitslosenzahlen deutlich gesunken und die Löhne teils überdurchschnittlich stark gestiegen. Allerdings liegt das unter anderem auch am demografischen Wandel; es gibt dort schlicht weniger Personen im erwerbsfähigen Alter.

Deutschlands Regionen im Vergleich (BS/Katarina Heidrich) Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen Deutschlands und damit Teilhabegerechtigkeit sind erklärte Ziele der Bundesregierung. Es ist nichts Neues, dass dieser Wunsch hinter der Realität in Form von sich dynamisch entwickelnden Großstädten und gleichzeitig schrumpfenden Landstrichen zurückbleibt. Allerdings: Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung haben nicht nur ostdeutsche oder ländliche Regionen Probleme. zips genauso wie eine zentral bereitgestellte Infrastruktur – etwa in Form des 5G-Standards. Hüther warnt, dass sich die regionalen Disparitäten und damit verbunden auch gesellschaftliche Spannungen in den kommenden Jahren wahrscheinlich weiter verstärkten, wenn die Politik nicht “beherzt eingreift”.

Teilhabe hängt vom Wohnort ab

Gleichwertige Lebensverhältnisse bundesweit? Für eine unverhohlene Analyse des Ist-Zustands ist ein klarer Blick nötig. Foto: BS/©wolfilser, stock.adobe.com

So ist das Demografie-Problem insbesondere eine ostdeutscher Regionen. Anhalt-BitterfeldWittenberg, Lausitz-Spreewald, Oberlausitz-Niederschlesien sowie Ost- und Südthüringen weisen ein hohes Durchschnittsalter der Bevölkerung auf, welches in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen ist. Auch Altmark, die Mecklenburgische Seenplatte und Nordthüringen zählen zu den besonders stark belasteten Regionen. Primär allerdings aufgrund starker Ein-

wohnerverluste. Im Bereich Infrastruktur löst sich allerdings der klare Ost-West-Unterschied auf; hier gibt es deutschlandweit Probleme.

Kein einheitliches Bild Im Westen Deutschlands sind vor allem die kommunalen Schulden ein großes Problem. Die drei Regionen Emscher-Lippe, Trier und Westpfalz zeichnen sich jeweils durch sehr hohe Verschuldungsquoten auf und “stehen daher ganz oben auf der Liste der

Konflikte vermeiden durch Bürgerbeteiligung? Berlin bezieht die Bevölkerung in die Stadtentwicklung ein (BS/Katarina Heidrich) Der Berliner Senat hat Leitlinien mit Grundsätzen und Instrumenten für die Beteiligung der städtischen Bevölkerung an der räumlichen Stadtentwicklung beschlossen. Sie wurden im Vorfeld auf Initiative der Senatorin für Stadtenwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Die Linke), von einem eigens dafür eingerichteten Arbeitsgremium erarbeitet. Dieses setzt sich zusammen aus Vertretern aus Politik, Verwaltung und Bürgerschaft. Ziel sei es, mithilfe der Leitlinien Konflikten in der räumlichen Stadtentwicklung zielgerichtet zu begegnen und diese mit der Stadtöffentlichkeit aufzulösen, so Lompscher. Nur dadurch könnten Vorhaben im Sinne aller Beteiligten besser und vor allem schneller realisiert werden. Im nächsten Schritt soll nun ein Umsetzungskonzept folgen, welches sowohl den Bürgerinnen und Bürgern als auch den Mitarbeitenden in den Verwaltungen und Fachämtern die Handhabung der Beteiligungsinstrumente sukzessive erleichtern soll. Dies soll in einem verwaltungsinternen Arbeitsprozess unter Beteiligung aller betroffenen Dienststellen, der Bezirke und landeseigenen Unternehmen bis Mitte 2020 erfolgen. Auch hierfür wird wieder eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der alle planenden und bauenden Senatsverwaltungen, alle planenden und bauenden Ämter der zwölf Berliner Bezirke sowie die zuständige Senatsverwaltung selbst vertreten sein werden. Aus dem bisherigen Arbeitsgremium sollen zudem Vertreter den Prozess begleiten. Erste Schritte hierzu werden bereits vorbereitet. So soll eine zentrale Anlaufstelle für alle Beteiligungsfragen eingerichtet werden, die durch die Verwaltung in Kooperation mit einem freien Träger betrieben wird. Darüber hinaus ist die Bildung eines ständigen Beirats für die Beteiligung geplant, der aus Mitgliedern der zuständigen Verwaltungen und des Abgeordnetenhauses, aus der Bürgerschaft und aus Initiativen, Vereinen und Verbänden aus dem Bereich der Stadtentwicklung besteht, wie es aus der Senatskanzlei heißt. Auch am Erarbeitungsprozess

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Regionen, die bei der Infrastruktur nicht überzeugen können”, so Hüther. Eine schwache finanzielle Position der Kommunen spiegele sich besonders in NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland wider. Der IWDirektor betont, dass, obwohl die Mehrzahl der Regionen mit akutem Handlungsbedarf in Ostdeutschland liege, es zu einfach sei, von einem Ost-West-Gefälle zu sprechen. Zum einen hätten einige Regionen Ostdeutschlands mittlerweile stark aufgeholt, zum anderen wiesen etwa das Ruhrgebiet, Teile des Saarlands sowie von Rheinland-Pfalz anhaltende Pro­bleme auf. “Insgesamt zeigt unsere Analyse, dass es keine einfachen Muster und Zusammenhänge gibt”, so Hüther. Daraus folge, dass auch eine einheitliche Förderung nicht zielführend sei. Eine “kluge Regionalpolitik” müsse demnach vor allem die Kommunen befähigen, sich selbst zu helfen. Dafür brauche es eine Stärkung des Subsidiaritätsprin-

Dass die objektive Lage der Bevölkerung in bestimmten Regionen aber nicht immer mit dem subjektiv empfundenen Lebensgefühl übereinstimmt, ist Ergebnis des “Teilhabeatlas Deutschland” des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung und der Wüstenrot Stiftung. Die Analyse aller 401 Landkreise und kreisfreien Städte “offenbart erhebliche Differenzen in den gesellschaftlichen Teilhabechancen ihrer Bewohner. Es macht einen großen Unterschied, ob sie in einer wirtschaftsstarken Stadt oder auf dem strukturschwachen Land leben, an der Küste im Norden, im Westen an Rhein und Ruhr, im Alpenvorland im Süden oder im Osten an Unstrut und Oder”, heißt es von den StudienAutoren. Indikatoren waren dabei etwa die Quote von Sozialleistungsempfängern, die kommunale Steuerkraft, die Höhe der Einkommen, die Verfügbarkeit schneller Internetzugänge oder die Erreichbarkeit von Ärzten, Supermärkten und weiteren alltäglichen Dienstleistungen. Demnach seien die Chancen in Baden-Württemberg, in Teilen Bayerns und im südlichen Hessen besonders gut. “Nördlich davon bieten nur vereinzelte Regionen ihren Bewohnern vergleichbare Teilhabechancen, im Osten lediglich der berlinnahe

Landkreis Dahme-Spreewald”, fasst Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts, zusammen. In fast allen ländlichen Kreisen, aber auch den meisten ostdeutschen Städten müssten die Menschen mit geringeren Teilhabechancen leben. Ebenso in einigen westdeutschen Städten; vor allem im Ruhrgebiet, aber auch im Südwesten von Rheinland-Pfalz, im Saarland sowie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. “Deutlich erkennbar wird, wie wichtig eine differenzierte, diese Unterschiede aufgreifende Handlungsstrategie ist, gerade auch in der Politik”, betont Stefan Krämer, stellvertretender Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung.

Subjektive Wahrnehmung objektiver Bedingungen Gemeinsam mit der Stiftung hat das Berlin-Institut 15 Regionen in allen Teilen der Republik besucht und fast 300 Einzelinterviews und Gruppengespräche mit Vertretern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft geführt, um die erhobenen Daten mit den gefühlten Teilhabechancen abzugleichen. Ein wichtiges Ergebnis: Je nach Wohnort haben die Menschen andere Erwartungen an ihr Umfeld. Die befragten Landbewohner seien sich meist des Nachteils bewusst, dass sie zum Arbeiten pendeln müssten und für manche Erledigungen auf die nächste größere Stadt angewiesen seien. Trotzdem äußerten sie, dass sie gern dort lebten. Diejenigen, die das Gefühl hätten, ihre Region würde sich nach einer “langen Durststrecke” positiv entwickeln, schätzten ihre persönliche Lage optimistisch ein, so Studien-Mitautor Manuel Slupina. Umgekehrt äußerten Befragte das Gefühl, abgehängt zu sein, wo sie den Niedergang als chronisch erlebten und wenig Perspektiven sähen. Klingholz moniert, dass die Bundesregierung bis heute nicht definiert habe, wie Gleichwertigkeit überhaupt auszusehen hätte. Das mache es nahezu unmöglich, ungleichwertige Lebensverhältnisse zu benennen, geschweige denn, Gleichwertigkeit herzustellen.

MELDUNGEN

Kein Recht auf Sitz im Kreistag

Sinnbild für die Ambivalenz von Bürgerbeteiligungen: das Tempelhofer Feld. Foto: BS/© myrmux, stock.adobe.com

des Stadtenwicklungsplans Wohnen (StEP Wohnen) war die Zivilgesellschaft beteiligt. Ein Begleitkreis von rund 30 Personen aus Wohnungswirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Bezirken und stadtgesellschaftlichen Initiativen hat den Vorgang kritisch und konstruktiv begleitet. Der StEP stellt zum einen den Neubaubedarf dar: Bis 2030 werden 194.000 Wohnungen zusätzlich benötigt, der jährliche Bedarf in den nächsten Jahren beträgt also 20.000 Wohnungen. Zum anderen werden in dem Plan die Flächenpotenziale der Stadt herausgearbeitet: Berlin weise Potenziale an unterschiedlichen Flächen für rund 200.000 Wohnungen auf, um den Neubaubedarf bis 2030 zu decken. Rund ein Viertel dieser Flächen sind landeseigen. Zudem hat der Senat 14 neue Stadtquartiere festgelegt, die eine soziale sowie funktionale Durchmischung aufweisen sollen. Dr. Robert Kaltenbrunner, Abteilungsleiter Bau- und Wohnungswesen im Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR), betont: “Der Quartiersgedanke ist für die Stadtentwicklung von entscheidender Bedeutung. Das

Quartier sollte als intermediäre Kategorie zwischen Wohnung und Stadt begriffen und gestärkt werden.” Gerade was die forcierte Durchmischung der neuen Quartiere angeht, ist eine frühzeitige Planungsbeteiligung der Anwohner, künftigen Nutzergruppen etc. sinnvoll. Dr. Torsten Kühne, Bezirksstadtrat für Schule, Sport, Facility Management und Gesundheit im Bezirksamt Pankow, ist sich sicher, dass die Bürgerbeteiligung Bauprojekte beschleunigen hilft. Pankow gehört zu einem der vier großen Entwicklungsräume, in denen der StEP Wohnen große Flächenreserven für die Entwicklung der Stadt über 2030 hinaus ausmacht. Vorwiegend hier sollen neue Stadtquartiere entstehen und bestehende Siedlungen weiterentwickelt werden. Kaltenbrunner wirft allerdings ein, dass auch das genaue Gegenteil der Fall sein kann: Bürgerbeteiligung ist seiner Ansicht nach “janusköpfig”. Am viel zitierten Beispiel des Tempelhofer Feldes ließe sich sehen, dass gerade die Beteiligung der Bevölkerung auch dazu führen kann, Bauvorhaben überhaupt nicht umzusetzen.

(BS/ah) Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Oberbürgermeister der Stadt Goslar, Oliver Junk (CDU), sein gewonnenes Kreistagsmandat aus 2016 nicht antreten darf. Die Berufung wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Kläger nach Vorgaben des niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes als Oberbürgermeister einer großen selbstständigen kreisangehörigen Stadt nicht gleichzeitig Abgeordneter im Kreistag sein dürfe. Die maßgebliche Regelung stehe mit höherrangigem Recht im Einklang und verletze insbesondere nicht den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Obwohl Junk weder der Rechts-

noch Fachaufsicht des Landkreises unterliege, bestehe laut Oberverwaltungsgericht bei einer Personalunion von Oberbürgermeister und Kreisratsmitglied die Gefahr von Interessenskollisionen. In seiner Urteilsbegründung machte das Lüneburger Gericht deutlich, dass dem Oberbürgermeister einer großen selbstständigen Stadt im Verhältnis zum Landkreis ein besonderes Gewicht mit erheblichen Einflussmöglichkeiten zufalle. Interessenkonflikte könnten beispielsweise entstehen, wenn der Kreistag über die Höhe der von den kreisangehörigen Gemeinden zu zahlenden Kreisumlage oder über die für die Gemeinden ver-

bindliche Regionalplanung berate und entscheide. Goslars Stadtoberhaupt wollte die geltende Regelung ändern. Er hielt sie für eine “ungerechtfertigte Einschränkung” seines passiven Wahlrechts. Aber bereits im März 2018 hatte das Verwaltungsgericht Braunschweig eine entsprechende Klage abgewiesen. Durch das Stützen auf die Kommunalverfassung des Landes Niedersachsen lässt sich das Urteil nicht ohne Weiteres auf andere Länder übertragen. Allerdings wird zumindest in Niedersachsen ein Schlussstrich unter alle gleichartigen Debatten gezogen. Denn eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat nicht zugelassen.

E-Scooter produzieren mehr CO2 als gedacht (BS/pet) Kurz nach Freigabe für den Straßenverkehr galt der E-Scooter vielerorts schon als Sinnbild der ökologischen Wende in Deutschland. Eine Studie der staatlichen Universität North Carolina hat nun im Zuge eines “Life Cycle Assessments” Daten erhoben, die genau Gegenteiliges anzeigen. E-Scooter sind bei Weitem nicht so klimafreundlich, wie gemeinhin angenommen, so lautet das Fazit der Studie. Grund für die Emissionen sei übrigens nicht der Ladevorgang der Batterien, der insgesamt den geringsten Beitrag darstellt.

Das Problem liege vielmehr im Produktionskreislauf selbst, der, je nach Verfertigungsart, mitunter sehr aufwendig ausfallen könne. Hinzu käme, dass viele Roller das prognostizierte Alter von zwei Jahren so gut wie nie erreichten. Meist blieben die Fahrzeuge maximal einen Monat im Dienst, bevor man sie ersetzen müsse. Allgemeine Abnutzungsprozesse paarten sich hier mit einer hohen Vandalismusrate. Rund 200 Gramm CO 2 soll der E-Scooter laut Studie je gefahrener Meile ausstoßen; das entspricht der Hälfte eines

gewöhnlichen Kraftfahrzeugs, das 415 Gramm emittiert. Die Bilanz verschlechtert sich sogar noch, wenn man mit einbezieht, dass mit 34 Prozent nur ein Bruchteil der Befragten angab, den Elektroroller statt eines Autos zu nutzen. Der Rest ist entweder zu Fuß unterwegs oder greift auf das Fahrrad zurück. Nimmt man diese Faktoren zusammen, generiert der E-Scooter mehr Schadstoffe als seine mobile Konkurrenz, selbst ein Bus, der mit Diesel betrieben wird, ist letztlich klimafreundlicher, so die Statistik.


Kommunalpolitik

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Nicht nur Bus und Bahn

/ BS

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Neues Verkehrsprojekt erweitert den ÖPNV

Vier Fragen – vier Antworten mit Dr. Peter Degenhardt, Bürgermeister der neu formierten Verbandsgemeinde Landstuhl

Geräuschlose Fusion VG Landstuhl und VG Kaiserslautern-Süd verschmelzen (BS) Seit dem 1. Juni 2019 bilden die rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden (VG) Kaiserslautern-Süd und Landstuhl eine Einheit. Bei der Fusion wurden diese im Zuge einer Verwaltungsvereinfachungsreform der Landesregierung zur neu entstandenen VG Landstuhl – einer Gebietskörperschaft mit rund 26.000 Einwohnern – zusammengelegt. Verbandsbürgermeister Dr. Peter Degenhardt führt aus, weshalb die Fusion hier besser gelungen ist als bei anderen Verbandsgemeinden. Die Fragen stellte Behörden Spiegel-Redakteur Michael Harbeke. Behörden Spiegel: Herr Bürgermeister, warum wurden die VG Kaiserslautern-Süd und die VG Landstuhl zu einer Verbandsgemeinde zusammengeschlossen? Dr. Degenhardt: Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat im Rahmen der Kommunal- und Verwaltungsreform entschieden, dass Verbandsgemeinden unter 12.000 Einwohnern auf Dauer nicht lebensfähig seien. Da die VG Kaiserslautern-Süd unter diese Grenze fiel, musste sie mit uns fusionieren. Die VG Landstuhl alten Zuschnitts hatte deutlich mehr als 15.000 Einwohner, wäre also zahlenmäßig von der Reform nicht tangiert worden, ist aber nach dem Motto “mitgegangen, mitgehangen” in diese Fusionswelle gekommen. Es gab einige Zwangsfusionen, bei denen sich Gemeinden gegen ihre Zusammenlegung gewehrt haben. Nach der Fusion hatten genau diese Gebietskörperschaften große Probleme. Wir haben hingegen von Anfang an kooperiert und die Dinge gemeinsam angepackt, indem wir aus der Not eine Tugend gemacht haben. Behörden Spiegel: Welche konkreten Maßnahmen waren mit der Fusion verbunden? Dr. Degenhardt: Wir arbeiten bereits seit vier Jahren an dieser Fusion der immerhin elf Ortsgemeinden sowie der Stadt Landstuhl. Auf politischer Ebene haben wir dazu Steuerungsgruppen und Arbeitsgruppen gebildet, um die Umsetzung der Fusion zu organisieren und aus zwei Verwaltungssitzen einen zu machen. Die Standorte der VG Kaiserslautern-Süd wurden aufgelöst und Landstuhl zum alleinigen Sitz der Verwaltung. Im Kernbereich der Verwaltung verrichten hier nun ungefähr 200 Mitarbeiter ihren Dienst am Bürger – darunter rund 70 Mit-

arbeiter, die vorher in der VG Kaiserslautern-Süd tätig waren. Eine große Herausforderung bei der Zusammenlegung der Verwaltungen war die Harmonisierung der unterschiedlichen ITAnwendungen und -Verfahren. Doch auch diesen schwierigen Prozess haben unsere gut ausgebildeten Fachleute letztendlich hervorragend bewältigt. Behörden Spiegel: Wie war die Reaktion der Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen Verbandsgemeinden? Dr. Degenhardt: Die Bürger waren in diesen Fusionsprozess meistens über ihre Ortsgemeinderäte und Ortsbürgermeister eingebunden. Wir haben auch Informationsveranstaltungen durchgeführt, die allerdings nicht auf allzu großes Interesse stießen. In Rheinland-Pfalz identifizieren sich die Bürger sehr stark mit ihren Ortsgemeinden oder Städten, nicht mit den Verbandsgemeinden. Diese Fusion war daher kein dramatisches Ereignis, sondern verlief vielmehr sehr geräuschlos, was ich auch als Erfolg unserer Bemühungen interpretiere. Einziger Kritikpunkt der Bürgerschaft war, dass die Wege zum Rathaus für sie zum Teil länger geworden sind. Von der entferntesten Ortsgemeinde bis zum Rathaus sind es nun maximal 40 Minuten – ein Radius von 30 Kilometern. Doch damit stehen wir gegenüber Gemeinden aus dem Westerwald, der Eifel oder dem Hunsrück noch vergleichsweise gut da. Behörden Spiegel: Für manche Menschen ohne Auto könnte der “Gang aufs Amt” zukünftig aber doch recht beschwerlich werden. Dr. Degenhardt: Um genau diese zu unterstützen, haben wir mit der Kreisverwaltung eine Verbesserung des ÖPNV realisieren

Ready to be smart? Digitaler Stand der Kommunen weiterhin sehr ungleich (BS/kh) Obwohl Digital-Themen auch in den Rathäusern angekommen sind, ist der Weg hin zu digitalen Städten noch weit. Die Ergebnisse des “Smart City Readiness Checks” von TÜV Rheinland und dem Innovators Club des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) zeigen, dass es vor allem an personellen Kapazitäten sowie einer flächendeckenden Breitbandinfrastruktur fehlt. Die Studie wurde unter den 500 größten Städten in Deutschland durchgeführt und umfasst die Kategorien digitale Infrastruktur, E-Governance, Mobilität und Energie. Eines der Ergebnisse ist, dass viele Kommunen die vorhandenen Fördermittel des Bundes nicht konsequent genug nutzen. Jede dritte Kommune gibt etwa an, nicht an Fördermaßnahmen für den Breitbandausbau teilzunehmen. “Wenn eine Kommune Fördergelder nicht abruft, ist möglicherweise das Förderverfahren zu kompliziert. Oder es fehlen die Ressourcen, um Fördermöglichkeiten optimal zu nutzen”, sagt Gürkan Ünlü, Senior Vice President Business Development bei TÜV Rheinland

Consulting. “Ohne eine leistungsstarke Breitbandinfrastruktur laufen Städte und Gemeinden Gefahr, digitale Chancen zu verspielen und an Standortattraktivität zu verlieren.” Vielerorts verbesserten sich zwar digitale Angebote, doch der Entwicklungsstand ist sehr unterschiedlich. So verfügt etwa die Hälfte der befragten Kommunen über kein flächendeckendes öffentliches WLAN. Knapp 30 Prozent haben nur wenige oder gar keine digitalen Services für die Verwaltung im Angebot. Auch für Unternehmen stellt das eine Schwierigkeit dar: Über die Hälfte der Kommunen bieten keine einzige Verwaltungsdienstleistung für Unternehmen online an.

können und die “Buslinie 178” eingerichtet. Seit Mitte August läuft die halbjährige Testphase für das Projekt, das die Bürgerinnen und Bürger umsteigefrei und in einem gewissen Takt zum Verwaltungssitz Landstuhl bringt, um dort u. a. ihre behördlichen Angelegenheiten erledigen zu können. Nach Ende der Pilotphase werden wir gemeinsam mit den Verkehrsbetrieben evaluieren, wie dieses Angebot von den Bürgern angenommen wurde.

(BS/wim) In Baden-Württemberg wächst ein Mobilitätsverbund mit einem neuen Geschäfts- und Zukunftsmodell heran. Statt weiter dem klassischen Konzept eines Verkehrsverbundes mit gemeinsamen Bus-, Bahn- und Tramlinien zu folgen, will sich der Karlsruher Verkehrsverbund (KVV) mit dem neu gegründeten Kommunalunternehmen “regiomove” in den kommenden Jahren hin zu einem vollständig vernetzten und multimodalen Verkehrsanbieter wandeln. Die Basis für den Verkehr der Zukunft sollen in der badischen Stadt die sogenannten “regiomove Ports” bilden. Diese Mobilitätsstationen sollen als Knotenpunkte für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) dienen, wo alle Verkehrsangebote von der Bahn bis zum Leihfahrrad vereint werden, um den ÖPNV durch neue Verkehrsmittel so nah bis zur heimischen Haustür zu erweitern wie möglich: “Regiomove soll künftig jedem den passenden Mix aus den Mobilitätsangeboten in der Region liefern, ob Stadtbahn, Bus, Carsharing oder Leihfahrrad”, erklärt der Verkehrsverbund in einem Statement zu dem neuen Projekt. Im Rahmen einer ersten Pilotphase sollen insgesamt sieben dieser Ports in der Region Mittlerer Oberrhein aufgebaut werden. Sollten diese Tests erfolg-

reich verlaufen, soll das Projekt dann auf die gesamte Region des KVV ausgeweitet werden. Erst vor wenigen Wochen war der Designwettbewerb für die Gestaltung der ersten regiomove Ports zu Ende gegangen. Das Sieger-Design stellt eine Konstruktion mit Würfeln in leuchtenden Farben dar, welches die Jury als den “mutigsten” Entwurf einstufte und ihn daher auswählte, da er “den innovativen Charakter von Regiomove wirkungsvoll” unterstreiche und gleichzeitig “den Leuchtturmcharakter des ganzen Projektes” widerspiegele. Das modular aufgebaute Siegerdesign soll nun in ein Gestaltungshandbuch übernommen werden, das als Grundlage für die weitere Entwicklung und Ausgestaltung der Ports dienen soll. Das Projekt soll aber auch im digitalen Raum vernetzt angeboten

werden. Eine App soll den gesamten Fahrtablauf digital abbilden und für den Passagier regeln, von der Streckeninformation über die Buchung bis hin zur Bezahlung. Die Finanzierung von Regiomove wird vom Land Baden-Württemberg mit rund 4,9 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert, wobei die Förderung als Leuchtturmprojekt der TechnologieRegion Karlsruhe GmbH über einen Zeitraum von drei Jahren getaktet ist. Partner des Karlsruher Verkehrsverbundes sind u. a. das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, das Forschungszentrum Informatik und, neben einer Reihe von Unternehmen, die Stadt Karlsruhe, der Landkreis Rastatt und der Regionalverband Mittlerer Oberrhein.


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Personelles

Behรถrden Spiegel / September 2019


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Personelles

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Personelles/Kommunalpolitik

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“Spiel- und Bolzplätze”

Mehr ist selten besser von Dr. Ulrich Keilmann

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche­Prü­fung kommunaler Körper­schaf­ten beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

sondere je Ortsteil schwankt die Spielplatzquote. Das ist damit zu erklären, dass einige Kommunen sehr wenige und andere sehr viele Ortsteile haben. Je 1.000 Einwohner relativiert sich die Spreizung, auch wenn Quantitätsunterschiede bleiben. Die Kommunen sollten regelmäßig überdenken, ob sie – nach ihrem (politischen) Empfinden – eine angemessene Anzahl von Spielplätzen vorhalten. Mehr Spielplätze sind nicht notwendigerweise von einem höheren Nutzen. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, die Inanspruchnahme der einzelnen Standorte zu erheben und auszuwerten. Oftmals wurden gerade mit ehemaligen Neubaugebieten Spielplätze errichtet.

Wenn nach mehreren Jahren gar keine Kinder mehr in der Nähe wohnen, führt das in der Regel dazu, dass einzelne Einrichtungen kaum aufgesucht werden. Dann kann es sich lohnen, sie zu schließen und mit den eingesparten Mitteln besser ausgelastete Spielplätze qualitativ aufzuwerten: eine Win-win-Situation für die Kinder und den Kommunalhaushalt. Mehr zum Thema “Spielplätze” und den dazugehörigen Bauhofleistungen finden Sie im Kommunalbericht 2017, Hessischer Landtag, Drucksache 19/5336 vom 28. November 2017, S. 150 ff. (S. 193). Der vollständige Kommunalbericht ist kostenfrei unter rechnungs hof.hessen.de abrufbar.

Ein Klassiker der freiwilligen Hessischen Rechnungshofs zuInfrastruktur sind Spiel- und sätzlich die operative HaushaltsBolzplätze. Kostenfrei sind sie beratung hessischer Kommunen nur für ihre Benutzer. Den kom- übertragen. Im Rahmen der für munalen Haushalt belasten sie die Kommunen kostenfreien Gedurchaus. Es ist aber nicht das spräche werden regelmäßig die vielzitierte “auszutauschende Anzahl der Spielplätze und die Sonnensegel”, das den Kosten- Effekte auf den Haushalt durchblock verursacht. Viel größer leuchtet (s. Abbildung). Die Abbildung macht deutlich, ist die Bedeutung des Bauhofs, der regelmäßig die Sicherheit dass es große Unterschiede der der Spielgeräte überprüft und Angebotsvielfalt hinsichtlich der unterhält. Das ist aufwendiger Fallzahl der Spielplätze in hesals auf den ersten Blick erkenn- sischen Kommunen gibt. Insbebar. Erfahrungsgemäß gehen sechs bis sieben Prozent der Personaleinsatzstunden des Bauhofs auf den Spielplatzunterhalt zurück. Der Bauhof sorgt sich um die Pflege der Spielplatzflächen, die regelmäßigen Spielplatzkontrollen, den regelmäßigen Sandaustausch sowie die Spielgerätekontrolle und -wartung. Ein wesentlicher Aufwandstreiber ist die Spielgerätedichte auf den Spielplätzen. In unserer jüngsten Bauhof-Prüfung haben wir große Unterschiede bei der Fallzahl der Spielgeräte je Quadratmeter Spielplatzfläche festgestellt. Wir ermittelten in einem Produktkostenvergleich für 20 Körperschaften ein Ergebnisverbesserungspotenzial von insgesamt über einer halben Millionen Euro jährlich. Neben den regelmäßigen Prüfungen ist dem Präsidenten des Quelle: BS/eigene Abbildung (Datenbasis: 68 Kleinstädte zwischen 5.000 und 20.000 Einwohner), Grafik: BS/Dach


Kommunaler Haushalt

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Grundsteuer sprudelt

D

ie meisten Erhöhungen wurden in den westlichen Bundesländern registriert. So hat im Saarland seit 2013 jede Kommune den Hebesatz heraufgesetzt, in Hessen immerhin 94 Prozent der Städte und Gemeinden, in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 80 Prozent. Die regionalen Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern haben sich dadurch in den vergangenen Jahren deutlich vergrößert. So stieg der durchschnittliche Grundsteuerhebe­ satz in Hessen in den vergangenen fünf Jahren um 39 Prozent und in NRW und dem Saarland um 31 Prozent. Kaum zusätzlich belastet wurden hingegen die Bürger in Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Sachsen, wo die jeweiligen Durchschnittssätze seit 2013 um weniger als fünf Prozent stiegen. Die Bürger in Nordrhein-Westfalen zahlten im vergangenen Jahr im Durchschnitt Grundsteuer in Höhe von 206 Euro, während ein Einwohner Bayerns im Durchschnitt nur mit 137 Euro belastet wurde. Am wenigsten zahlten im vergangenen Jahr die Bürger in Brandenburg und in SachsenAnhalt, die im Durchschnitt gerade einmal 106 bzw. 107 Euro aufbringen mussten.

Gute Konjunktur – weniger Steuererhöhungen In den vergangenen Jahren machten allerdings immer weniger Kommunen von der Möglichkeit Gebrauch, mittels Steuererhöhungen mehr Geld in die Kassen zu spülen: Im Jahr 2014 hatten noch 23 Prozent der Städte und Gemeinden in Deutschland die Grundsteuer erhöht. Seitdem sank der Anteil kontinuierlich auf elf Prozent im vergangenen Jahr. “Die gute Konjunktur hat in den vergangenen Jahren zu ei-

Große regionale Unterschiede bei Hebesätzen und Belastung

nahmen seit 1991. Nach Zahlen, die das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlichte, entfielen dabei 13,8 Milliarden Euro auf die für bebaute Deutschlandweit gibt es derund bebaubare Grundstücke erhobene Grundsteuer B. Dies war ein Anstieg um 1,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei zeigen sich allerdings zeit zwölf Kommunen mit einem große regionale Unterschiede, die sich in den vergangenen Jahren auch noch vergrößert haben. Zudem haben nach einer Studie der Prüfungs- und Grundsteuer-Hebesatz von null Beratungsgesellschaft EY in den vergangenen fünf Jahren 58 Prozent der Kommunen in Deutschland den Grundsteuer-Hebesatz erhöht. Dieser liegt inzwischen bei durchschnittlich 378 Punkten, nachdem er vor fünf Jahren im Durchschnitt noch bei 351 Punkten lag. ner finanziellen Entlastung der Kommunen und zu sinkenden Schulden geführt. Damit nahm der Handlungsdruck bei einigen Kommunen ab, Steuererhöhungen wurden seltener nötig”, beobachtet Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Partner bei EY und Leiter des Bereichs Government & Public Sector für Deutschland, die Schweiz und Österreich.

Gewerbesteuerzahler zurück: “In einigen Regionen entwickelt sich ein Steuerwettbewerb zwischen

Saarland mit den meisten Erhöhungen Die meisten Erhöhungen wurden im vergangenen Jahr im Saarland registriert, wo mehr als jede zweite Kommune (52 Prozent) den Grundsteuerhebesatz heraufsetzte. In Niedersachsen lag der Anteil bei 19 Prozent, in Nordrhein-Westfalen bei 16 Prozent. In Bayern und Thüringen schraubten hingegen weniger als sechs Prozent der Kommunen den Hebesatz herauf. Bei den Steuererhöhungen der vergangenen Jahre wurden die Bürger stärker zur Kasse gebeten als die Unternehmen. Der durchschnittliche GrundsteuerHebesatz stieg in den vergangenen zehn Jahren um 17 Prozent, während der durchschnittliche Gewerbesteuer-Hebesatz nur um acht Prozent heraufgesetzt wurde. Dass die Kommunen die Gewerbesteuer seltener und in geringerem Maße erhöhen, führt Lorentz auf die stärkere Mobilität von Unternehmen und den Wettbewerb der Städte um wichtige

Übersicht der Grundsteuer-B-Hebesätze in Deutschland im vergangenen Jahr. Grafik: BS/Statistische Ämter des Bundes und der Länder

(BS/Florian Göstl*) Über eine Beteiligungsmanagement-Software lassen sich Stammdaten schnell und benutzerfreundlich pflegen und leicht wiederfinden. Arbeitsprozesse ohne Medienbruch sowie die orts- und personenunabhängige Verfügbarkeit aller Finanzdaten sind weitere Vorteile.

In vielen Städten und Landkreisen ist das Verwalten von Beteiligungen derzeit noch ein langwieriger Prozess, der größtenteils analog läuft. So erfassen kommunale Beteiligungsmanager zwar relevante Finanzzahlen, legen diese jedoch nur teilweise digital ab. Auswertungen und Berichte werden mithilfe von Excel händisch erstellt und lassen sich nur mit großem personellem und zeitlichem Aufwand aktualisieren bzw. weitergeben. Gegebenheiten, die nicht nur das schnelle Erstellen von Analysen und Berichten verhindern, sondern Mitarbeiter zusätzlich belasten.

den Kommunen. Einige prominente Fälle, in denen Kommunen ihre Gewerbesteuersätze

Vor diesem Hintergrund entschied sich der Landkreis GroßGerau im letzten Jahr für den Einsatz von fidas Software. Ziel war es, die Beteiligungsverwaltung vollständig zu digitalisieren, um Berichte und Analysen künftig softwaregestützt zu generieren. Mit der Einführung der Anwendung sollte darüber hinaus die Möglichkeit geschaffen werden, relevante Beteiligungsdaten auszuwählen, um daraus automatisiert den jährlichen Beteiligungsbericht zu erstellen. “Besonders wichtig war uns, dass der Beteiligungsbericht als Word-Dokument exportiert werden kann. Denn häufig benötigen wir vorab Zwischenstände, die wir intern im Word-Format weiterverarbeiten möchten” berichtet Frank Tollkühn, Leiter des Beteiligungsmanagements im Landkreis GroßGerau. Auch für die Mitarbeiter ergeben sich Vorteile: “Statt einer händischen Eingabe von Finanzdaten lassen sich diese mit der Software maschinell und fehlerfrei importieren”, erklärt Tollkühn. Technische Hürden für den Umstieg auf die Software gab es keine. Frank Tollkühn und seine Mitarbeiter greifen via Browser auf die Anwendung zu. Bereitstellung, Wartung und Aktualisierung der Software erfolgen durch die Saxess AG, die das System betreibt und damit in der Lage ist, im Falle technischer Probleme schnell Abhilfe zu schaffen. Die Anwendung ist seit Anfang des Jahres im Einsatz und wird seitdem schrittweise mit Daten befüllt. Zeitgleich werden die Einstellungen für den

reduzierten und so zusätzliche Unternehmen anlocken konnten, haben andere Städte unter Druck gesetzt.” Insgesamt haben im vergangenen Jahr aber gerade einmal 57 Kommunen den Grundsteuer-Hebesatz gesenkt.

Die Steuerschraube ist ein zweischneidiges Schwert

Kreis Groß-Gerau setzt auf ganzheitliche Softwarelösung

Bislang vorwiegend analog

schen Kommunen 2018 insgesamt knapp 14 Milliarden Euro ein – 13 Prozent der gesamten Steuereinnahmen.

Ein Dutzend Kommunen mit Grundsteuer-Hebesatz null (BS/Guido Gehrt) Mit rund 14,2 Milliarden Euro erzielten die Gemeinden in Deutschland im vergangenen Jahr die bisher höchsten Grundsteuerein-

Effiziente Beteiligungsverwaltung

Das Erfassen, Verwalten und Analysieren von Stamm- und Finanzzahlen gehört zu den klassischen Aufgaben des Beteiligungsmanagements. Aufgrund wachsender Anforderungen seitens Politik und Aufsichtsbehörden ist das Aufgabenspektrum von Beteiligungsmanagern in den vergangenen Jahren jedoch deutlich gestiegen. Neben der reinen Stammdatenpflege gewinnen die Betreuung der Mandatsträger sowie die werthaltige Steuerung einzelner Beteiligungen und des Gesamtportfolios zunehmend an Bedeutung. Abseits der Stammdatenverwaltung sollte eine Anwendung für das Beteiligungsmanagement also auch die Möglichkeit zur intelligenten und ganzheitlichen Finanzdatenanalyse bieten. Ein Beispiel hierfür ist die Beteiligungsmanagementsoftware fidas von der Saxess AG aus Leipzig.

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Landkreis Groß-Gerau feinjustiert. “Ab 2020 erstellen wir dann alle Berichte, Auswertungen und Dokumente nur noch über die Software”, sagt Tollkühn.

Hohe Erwartungen Die Erwartungen an die Software sind derweil hoch. Denn der Kreis Groß-Gerau strebt neben strukturierten Prozessen und mehr Transparenz vor allem eine deutliche Zeitersparnis beim Erstellen des Beteiligungsberichts an. Ein Ziel, das auch mit He­ rausforderungen für die beteiligten Mitarbeiter verbunden ist. “Wir können fidas nur erfolgreich implementieren, wenn relevante Daten regelmäßig eingespielt und dauerhaft gepflegt werden”, betont Tollkühn. Hier müssten alle Akteure aktiv mitziehen. Wichtig sei zudem, dass Anwender offen für neue Herangehensweisen ­seien. Deswegen unterstütze die Saxess AG ihre Kunden mit einer Reihe von Schulungen, die den Nutzern dank Echtdaten einen praxisnahen Wissenstransfer und schnelle Lernerfolge garantierten. Fachbereichsleiter Tollkühn resümiert: “Aufgrund der kurzen Nutzungszeit können wir noch nicht abschließend bewerten. Jedoch bestätigen uns die bisherigen Erfahrungen, dass der Einsatz einer Beteiligungsmanagementsoftware viele Vorteile bietet. Der Grundstein für eine effizientere Beteiligungsverwaltung wurde somit gelegt.” *Florian Göstl arbeitet für die Saxess AG aus Leipzig.

Die Erhöhung der kommunalen Steuern sei ein zweischneidiges Schwert, betont Lorentz: “Vielen hochverschuldeten Kommunen in strukturschwachen Regionen blieb in den vergangenen Jahren gar nichts anderes übrig, als zum Teil massiv an der Steuerschraube zu drehen, um überhaupt die Chance auf einen ausgeglichenen Haushalt zu haben. Allerdings sank damit auch die Attraktivität der Kommune für Bürger und Unternehmen.” Die Steuerbelastung der Bürger habe viel mit der Kassenlage der Kommunen zu tun: Die gering verschuldeten Städte und Gemeinden im Süden und Osten Deutschlands wiesen teils deutlich niedrigere Steuersätze auf als hoch verschuldete Kommunen etwa in Nordrhein-Westfalen und Hessen. Die Grundsteuer B wird auf bebaute und bebaubare Grundstücke erhoben und trifft damit so gut wie alle Bürger, da diese entweder selbst Hausbesitzer sind oder an der Steuer über die Mietnebenkosten beteiligt werden. Sie brachte den deut-

Punkten, von denen die meisten sehr kleine Gemeinden in Rheinland-Pfalz und SchleswigHolstein sind. Die Gemeinden mit den deutschlandweit höchsten Grundsteuer-B-Hebesätzen liegen hingegen derzeit in Hessen: Lautertal (1.050 Punkte) und Nauheim (960 Punkte). Die deutsche Großstadt mit dem höchsten Grundsteuer-Hebesatz ist Duisburg (855 Punkte). Während in Duisburg im Durchschnitt jeder Einwohner mit etwa 267 Euro belastet wird, entfallen z. B. im bayerischen Regensburg auf jeden Einwohner nur etwa 178 Euro im Jahr.

Weitere Entwicklung derzeit noch ungewiss Derzeit ist noch nicht absehbar, wie sich die bevorstehende Grundsteuerreform auf die Einnahmesituation der einzelnen Kommunen auswirken wird. Es besteht allerdings unter den Verantwortlichen ein breiter politischer Konsens, dass es durch die Neuregelung unter dem Strich zu keiner Mehrbelastung der Bürger kommen soll. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss die Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer bis Ende 2019 überarbeitet werden. Anschließend bleibt für die Umsetzung Zeit bis Ende 2024. Lesen Sie mehr zur aktuellen Entwicklung beim Thema Grundsteuer im Interview mit dem niedersächsischen Finanzminister Reinhold Hilbers auf Seite 8 in dieser Ausgabe.


Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

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Behörden Spiegel / September 2019

Kommunale “Cycloramas”

Vorreiter Abfallwirtschaft

Hertener Straßen in virtueller Realität erfasst

Einigkeit über Erreichen der Klimaziele 2030

(BS/Thorsten Rattmann) Egal ob bei der Urlaubsplanung oder auch beim Autokauf – die virtuelle Realität hat (BS/Katarina Heidrich) Die deutschen Deponiebetreiber verpflichten sich dazu, die Treibhausgasemissionen schon lange Einzug in unseren Alltag gehalten. Die Vorteile der Digitalisierung möchten auch die Stadt Herten aus Deponien deutlich abzusenken. Das Ziel: Den Austritt des klimaschädlichen Methans schrittweise um und die Hertener Stadtwerke in Zukunft nutzen, um Arbeitsabläufe und Prozesse weiter zu vereinfachen und zu eine Million Tonnen CO2-Äquivalente bis 2027 zu mindern. Das Bundesumweltministerium (BMU) unterstützt optimieren. Aus diesem Grund wurden im Juni 2019 erstmals 360-Grad-Aufnahmen von den Hertener Straßen dieses Vorhaben im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) mit 62 Millionen Euro. aufgenommen. 260 Kilometer öffentliche Straßen wurden hierbei virtuell erfasst. Die 360-Grad-Aufnahmen – auch “Cycloramas” genannt - werden durch eine systematische und umfassende Befahrung mit speziell ausgestatteten Kleinwagen hergestellt. Diese Fahrzeuge verfügen über ein Kamerasystem, das in einem Intervall von fünf Metern, bei einer Geschwindigkeit von bis zu 120 km/h, mit fünf Kameras am exakt gleichen Punkt ein Foto auslöst. Anschließend werden diese Einzelaufnahmen mit einem speziellen Verfahren zu einem 360-GradBild zusammengefügt. Zusätzlich wird mit einem Laserscan eine Laserpunktwolke erzeugt, die eine dreidimensionale Ansicht des Straßenraumes ermöglicht. Die so entstehenden 360 GradAnsichten verfügen über zahlreiche relevante Eigenschaften: Sie sind hochauflösend, zentimetergenau, georeferenziert, verzerrungsfrei und können in unterschiedlichste Geoinformationssysteme integriert werden. Der Datenschutz hat hierbei höchste Priorität: Die Aufnahmetechnik ist datenschutzkonform, da die Bilder lediglich für interne Zwecke innerhalb einer geschlossenen Nutzergruppe zur Verfügung gestellt werden und darüber hinaus eine automatische Verpixelung von Gesichtern und Autokennzeichen erfolgt. Als Mitglied im Verein Selbstregulierung der Informationswirtschaft (SRIW) unterliegt die beauftragte Firma CycloMedia Deutschland dem Datenschutzkodex für Geoinformationsdienste. Die Technologie ist ein weiterer Meilenstein der Digitalisierung. Mithilfe dieser Technik können Außeneinsätze bei der Stadt und bei den Hertener Stadtwerken reduziert und Planungen von

Planung, Vermessung, Straßenverkehr, Umwelt oder auch bei der FeuThorsten Rattmann ist Geschäftsführer der Hertener erwehr. Die neue Stadtwerke GmbH. Fototechnik findet beispielsweise Foto: BS/Stadtwerke Herten Verwendung bei der Einsatzplanung der Feuerwehr, der Sicherheitsüberprüfung von Schulwegen Baumaßnahmen in verschiedenen Fachbereichen schneller und oder auch der Prüfung bzw. präziser aufeinander abgestimmt Kontrolle von Straßenbaumaßwerden. Das ist ein entschei- nahmen. Speziell bei den Hertener Stadtdender Vorteil für die Bürgerinnen und Bürger, aber natürlich werken sollen die “Cycloramas” auch für die Mitarbeiterinnen insbesondere in folgenden Beund Mitarbeiter. Dank der vir- reichen zum Einsatz kommen: tuellen Abbildung der Realität Hausanschlussplanung, Bekönnen die Teams von Stadt und leuchtungsmanagement und Stadtwerken viele Sachverhal- -betrieb, Nacherfassung von te direkt vom Arbeitsplatz aus oberirdisch sichtbaren Beklären und damit Anfragen triebsmitteln, Sichtkontrolle noch schneller bearbeiten. Die von Verteilerschränken, Pla360-Grad-Ansichten liefern nicht nung von Trassenvarianten, nur gestochen scharfe visuelle Abstandsmessungen zwischen Informationen, sondern ermög- einzelnen Lichtpunkten, Meslichen auch virtuelle Messungen sung von Straßenbreiten oder und Leitungsdokumentationen auch bei der Höhenmessung von – direkt am Arbeitsplatz, ohne Lichtpunkten (zur Planung der einzusetzenden Fahrzeuge und Vor-Ort-Termin. Werkzeuge). Vielfältige Einsatz­ Die Aufnahmen wurden erstmöglichkeiten malig im Juni 2019 angefertigt. Die 360-Grad-Panoramabilder Nach einer Bearbeitungszeit von stellen eine gute Ergänzung zu drei Monaten werden die finalen bereits bestehenden Orthofotos Bilddaten zur Verfügung stehen. dar. Sie dienen zukünftig als Hierzu wird eine interaktive WebArbeitsgrundlage bei diversen Anwendung (Street Smart) durch Aufgabenfeldern des städtischen die Firma CycloMedia zur VerfüGIS-Zentrums. Diese Einrich- gung gestellt. Eine Integration in tung ist u. a. für den Betrieb des das Geoinformationssystem der konzernweiten Geodatenmana- Hertener Stadtwerke – Smallgements und die Bereitstellung world GIS – wird parallel dazu von Geobasisdaten zuständig. realisiert. Eine Aktualisierung Einsatzmöglichkeiten der neuen der Daten ist in den nächsten virtuellen Technik bieten sich u. sechs Jahren in einem zweijäha. in den Bereichen Bauberatung, rigen Rhythmus geplant.

Hersteller zur Verantwortung ziehen Anreize gegen Wegwerfartikel (BS/Katarina Heidrich) Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und der Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), Michael Ebling, haben ein gemeinsames Vorgehen angekündigt, um die Kommunen bei den Kosten für die Stadtreinigung zu entlasten. Demnach sollen Hersteller von Einweg- oder Wegwerfartikeln zukünftig an den Reinigungs- und Entsorgungskosten im öffentlichen Raum beteiligt werden. Im ersten Schritt wird das Bundesumweltministerium (BMU) – basierend auf der neuen EUEinweg-Kunststoffrichtlinie – im Kreislaufwirtschaftsgesetz die Rechtsgrundlage für eine spätere Verordnung zur Kostenbeteiligung der Hersteller schaffen. Diese müssen dann sowohl die Kosten für die öffentliche Sammlung der entsprechenden Produkte als auch anteilsmäßig die Kosten für die Bereitstellung der Abfallbehälter und die anschließende Entsorgung tragen. Der VKU will wiederum in einer deutschlandweiten Untersuchung ermitteln, wie hoch der Anteil typischer Wegwerfartikel in den öffentlichen Abfallbehältern, auf den Straßen und in Parks ist. Bundesumweltministerin Svenja Schulze betont: “Der Trend zu mehr Wegwerfartikeln führt in manchen Städten zu einer regelrechten Müllflut, vor allem in öffentlichen Parks und belebten Straßen. Für die Kommunen wird es immer schwieriger, Straßen, Plätze und Parks sauber zu halten.

Die Kosten dafür trägt bisher die Allgemeinheit. Jetzt haben wir im Europarecht die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Hersteller von Zigaretten, Einweg-Bechern und anderen typischen Wegwerfartikeln zur Kasse zu bitten. Wer mit Wegwerfartikeln sein Geld verdient, soll sich künftig an den Kosten für die Stadtreinigung beteiligen. Das ist nicht nur eine Umweltfrage, sondern auch eine der Gerechtigkeit.” VKU-Präsident und Mainzer Oberbürgermeister Ebling ergänzt: “Die Kosten der Stadtreinigung werden bisher über Straßenreinigungsgebühren und die kommunalen Haushalte finanziert. Hier brauchen wir mehr Verursachungsgerechtigkeit. Dank der neuen Vorgaben aus Europa müssen sich die Hersteller bald an den Folgen ihrer umweltschädigenden Ex-und-hopp-Geschäftsmodelle finanziell beteiligen. Außerdem entstehen so für alle Akteure neue Anreize für abfallarme Alternativen – etwa auf Mehrweggeschirr umzusteigen.”

Die erweiterte Herstellerverantwortung gilt für Fast-FoodVerpackungen, Getränkebecher, leichte Kunststofftragetaschen sowie für Zigarettenfilter. Die VKU-Mitgliedsunternehmen beobachten, dass die Menge der Einweg-Verpackungen, die im öffentlichen Raum weggeschmissen werden, in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat. Bislang sind allein die Stadtreinigungsbetriebe für deren Entsorgung verantwortlich. “Die Herstellerverantwortung auch auf den Bereich der Stadtsauberkeit auszuweiten, ist ein notwendiger Paradigmenwechsel, den der VKU begrüßt”, äußert sich Ebling. Die Höhe der Finanzierungsbeiträge müsste sich am Aufwand für Reinigung und Entsorgung bemessen; dafür sei die Analyse der Abfallmengen durch seinen Verband unerlässlich. Mithilfe dieser Daten könne sich auch der Gesetzgeber ein realistisches Bild vom ökonomischen Aufwand verschaffen.

Die Nutzung von Deponiegasen zur nachhaltigen Energiegewinnung soll nun intensiviert werden. Die Abfallwirtschaft ist damit der erste Wirtschaftssektor, für den eine konkrete Minderungsstrategie vorliegt, um die Ziele des Klimaschutzprogramms 2030 zu erreichen, das am 20. September 2019 vom Klimakabinett beschlossen werden soll. Bei Erfolg der Maßnahmen würde die Abfallwirtschaft ihre Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 87 Prozent senken können. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMU, Florian Pronold, betont: “Die deutsche Abfallwirtschaft zeichnet sich schon jetzt im europäischen Vergleich durch sehr geringe Treibhausgasemissionen aus. Das liegt daran, dass wir in Deutschland schon seit langem Abfälle trennen und aufbereiten und unvorbehandelte Abfälle nicht deponiert werden dürfen. Heute machen wir einen weiteren wichtigen Schritt für den Klimaschutz in der Abfallwirtschaft. Mit der freiwilligen Selbstverpflichtung zeigen die deutschen Deponiebetreiber, dass sie die Herausforderung

Weltweit gesehen sind Deponien heute die drittgrößte Methanquelle; als Treibhausgas 25-mal schädlicher als CO2. Foto:BS/stock.adobe, Perytskyy

der Klimaschutzziele 2030 annehmen und erfolgreich umsetzen werden.” Weltweit gesehen sind Deponien heute die drittgrößte Methanquelle. Die deutschen Klimaschutzziele für 2030 sehen im Bereich der Abfallwirtschaft eine Minderung auf fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalente vor.

Mit den nun geplanten Einsparungen könnten die Emissionen sogar auf 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr 2030 gesenkt werden. Sollte die Selbstverpflichtung nicht erfolgreich verlaufen, würden ordnungsrechtliche Maßnahmen seitens des BMU erfolgen, wie es aus dem Ministerium heißt.

BRITA VIVREAU Unsere Wasserspender, Ihre Quelle der Erfrischung (BS/Kirsten Junker*) Betriebliche Gesundheitsförderung mit vegetarischen Mahlzeiten in der Kantine, Fitness­ räumen im Unternehmen, Massagen am Arbeitsplatz und Feelgood-Managern, die sich um die Mitarbeiter­ bedürfnisse kümmern, sind heute keine Seltenheit mehr. Frisches Wasser trägt wesentlich zur Produktivität und Zufriedenheit bei. Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern kostenlos Wasser an – allerdings in Flaschen. Das bedeutet Bestellung, Lieferung, Lagerung, Kühlung und Abholung des Leerguts. Je nach Unternehmensgröße steckt eine ausgeklügelte Logistik dahinter, die weder wirtschaftlich noch umweltschonend ist. Das am besten kontrollierte Lebensmittel Deutschlands – Trinkwasser – wird dabei häufig nicht berücksichtigt. Mit leitungsgebundenen Wasserspendern von BRITA VIVREAU verwandelt sich die hauseigene Wasserquelle zum Ursprung für Wohlbefinden.

Trink Dich fit Bei der Arbeit genügend trinken ist leichter gesagt als getan. Viele Mitarbeiter sind häufig zu beschäftigt und vergessen einfach, regelmäßig zu trinken. Stress, psychische und körperliche Belastung und Klimaanlagen erhöhen jedoch unseren Wasserbedarf. Ausreichend zu trinken, ist gut für den Körper, der erst richtig in seinem Element ist, wenn er optimal mit Flüssigkeit versorgt wird. Stets frisches Trinkwasser aus dem Wasserspender zu bieten, zeigt Verantwortungsgefühl für die Mitarbeiter und unterstützt sie dabei, genügend Wasser zu trinken. H2O kommt eine Schlüsselrolle bei der Regulierung der Körpertemperatur zu. Außerdem ist es wichtig für die Aufrechterhaltung eines optimalen Blutzuckerspiegels und hilft bei der Ausleitung von Abbauprodukten und Toxinen – und nicht zuletzt fördert es das Gedächtnis und die Kon-

Nachhaltiger Konsum durch Nutzung der BRITA-Wasserspender mit wiederverwendbaren Flaschen Foto: BS/BRITA

zentrationsfähigkeit. Selbst ein geringer Flüssigkeitsmangel kann unsere physiologische und ko­ gnitive Leistung beeinträchtigen, was sich beispielsweise durch eine Verringerung der Aufmerksamkeit bemerkbar macht und zu Ermüdung und Kopfschmerzen führt.

Reduziere Abfall BRITA VIVREAU bietet mit seinen unterschiedlichen Produkten eine einfache Möglichkeit, einen Beitrag für die Umwelt zu leisten. Die Systeme verringern Kosten, Abfall und CO2-Ausstoß, die durch Einkauf, Transport und Lagerung von Flaschenwasser entstehen. Der Wechsel von Plastikflaschen zu einem Wasserspender mit wiederverwendbaren Flaschen ist ein gezielter und schnell zu rea-

lisierender Schritt hin zu nachhaltigem Konsum. Wer dies für ein Unternehmen mit 100 Mitarbeitern einmal durchrechnet, kommt schnell auf über 500 kg Abfall, die jährlich weniger anfallen. Bei dieser Alternative zu Flaschenwasser müssen keine Kompromisse bezüglich Genuss gemacht werden. Damit werden gesundes Trinkverhalten, Motivation und Produktivität der Mitarbeiter sowie Umweltschutz gefördert. Sie wollen mitmachen? Sie wollen mehr wissen? Hier erhalten Sie weiterführende Informationen: www.brita.de/wasserspen der. *Kirsten Junker ist Expert Marketing Professional Filter & Dispenser DACH bei der BRITA GmbH.


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / September 2019

Fuhrpark im Klimawandel

N

icht nur die Zweiräder, auch zwei CNG-Autos ergänzen den Fahrzeugpool. Mit 300.000 Euro hat das Bundesverkehrsministerium die betrieblichen Mobilitätsmaßnahmen des Landkreises gefördert. Vorbereitet und ausgearbeitet wurden sie von der Klimaschutzmanagerin, Dr. Linda Hartmann. Die neuen Drahtesel sind normaler Bestand des Fuhrparks und werden wie Dienstautos auch mit Fahrtenbuch und Schlüsselausgabe für kürzere Distanzen übergeben. Bisher wurden solche Fahrten meist mit privaten, dienstlich anerkannten Pkws durchgeführt. Zumindest die Pedelecs erfreuen sich mittlerweile großer Beliebtheit. Den Klimaschutz hat sich der Landkreis schon seit 2012 mit der Erstellung eines Klimaschutzkonzeptes auf die Fahnen

Landkreis Holzminden setzt beim Klimaschutz auch auf Dienst-Pedelecs (BS/Hans-Joachim Scholz) “Der Sportivationstag” ist ein wichtiger jährlicher Repräsentationstermin für Anja Krause. Denn wenn einmal im Jahr bei dem Holzmindener Sportfest Kinder mit und ohne Handicap zusammen ihre Sportabzeichen ablegen, darf die Dezernentin für Gesundheit, Soziales, Verbraucherschutz und Jugend des Landkreises Holzminden bei der Begrüßung nicht fehlen. Neu jedoch ist, dass Krause für den knapp zwei Kilometer langen Weg von der Verwaltung zum Sportplatz in die Pedale tritt. Seit April 2019 ist der Fuhrpark um zwei Pedelecs und zwei Fahrräder erweitert worden. Eine Bundesförderung und die Initiative der Klimaschutzmanagerin des Landkreises Holzminden machen es möglich. geschrieben. Zusammen mit den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Schaumburg wurde im Jahr 2016 eine Modellregion im Projekt “Masterplan 100 % Klimaschutz” gebildet. Gemeinsam mit der Klimaschutzagentur Weserbergland werden Privathaushalte, Unternehmen und Kommunen hinsichtlich energie- und ressourcenschonender Maßnahmen beraten. Immerhin 20,5 Mio. Euro wurden

Es ist noch Geld da E-Bus-Fördertöpfe für 2019 noch nicht ausgeschöpft (BS/wim) Für das laufende Jahr stehen noch rund 112 Millionen Euro an Fördergeldern für die Förderung von Bussen mit Elektroantrieb zur Verfügung. Die Summe stammt zu größten Teilen aus dem Ende 2017 verabschiedeten und mit einem Gesamtvolumen in Höhe von einer Milliarde Euro dotierten “Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020” und richtet sich an solche Kommunen, die die von der Europäischen Union festgelegten Feinstaubgrenzwerte überschreiten. Aus diesem Förderprogramm und einem weiteren Topf aus dem Energie- und Klimafonds berechnet sich die freie Gesamtsumme für das restliche Jahr 2019. Durch die Fortführung des Sofortprogramms stünden für die Förderrichtlinie Elektromobilität zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 90 Millionen Euro zur Verfügung, so die Bundesregierung. Mit den Fördergeldern soll einerseits die Anschaffung neuer Elektrobusse in betroffenen Kommunen in Deutschland gefördert werden, andererseits aber auch die Nachrüstung bereits bestehender Dieselbusse mit Abgasreinigungssystemen. So wurden im Rahmen der “Förderrichtlinie Nachrüstung von Dieselbussen im ÖPNV mit Abgasnachbehandlungssystemen”, die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) koordiniert wird, bislang 1.269 Dieselbusse in 34 Städten mit diesen Filtersystemen modernisiert, wofür eine Gesamtförderung in Höhe von rund 16 Millionen Euro in die Kommunen geflossen ist. Die Förderung von Bussen mit Elektroantrieb schlüsselt sich auf zwei weitere Förderrichtlinien aus dem Sofortprogramm auf, einmal die “Förderrichtlinie Elektromobilität” aus dem BMVI und zusätzlich noch die “Förderrichtlinie Anschaffung Elektrobusse im ÖPNV”, die aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit koordiniert wird. Beide Programme fördern neben der reinen Anschaffung der Busse auch die erforderliche Ladeinfrastruktur, vom BMU gibt es zudem die Option auf weiteres Geld für zusätzliche Aufwendungen wie Mitarbeiterschulungen und die Einrichtung von Werkstätten. Vom BMVI wurden hier bislang 295 neu angeschaffte Elektrobusse mit dazugehöriger Infrastruktur in 14 Städten mit einer Summe von rund 57 Millionen Euro gefördert, während das BMU die Anschaffung von 427 Bussen in 12 Städten mit einer Gesamtsumme von rund 179 Millionen Euro angetrieben hat.

Förderung nicht nur für Grenzwertüberschreiter Neben der Förderung für Kommunen, die von EU-Grenzwertüberschreitungen betroffen sind, stellt die Regierung auch diverse Förderprogramme zur Verfügung, für deren Töpfe sich auch andere interessierte Kommunen bewerben können. So fördert das BMU im Rahmen der Richtlinie zur Förderung der Anschaffung

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Berlin ist eine der Städte, die im Rahmen der Förderrichtlinie vom BMVI bei der Beschaffung von E-Bussen unterstützt wurden. Bei der Einweihung durften die Ehrengäste um Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eine erste Runde drehen. Foto: BS/BMVI

von Elektrobussen im öffentlichen Personennahverkehr explizit auch “Kommunen, die nicht von Überschreitungen der Luftqualitätsgrenzwerte betroffen sind”. Zudem ist es nicht nur privaten und kommunalen Unternehmen aus den betroffenen Kommunen selbst möglich, sich um die Förderung für grenzwertüberschreitende Kommunen von BMVI und BMU zu bewerben. Stattdessen sei der Förderaufruf auch für solche Antragssteller gedacht, “die nicht direkt in einer von Überschreitung der Luftqualitätsgrenzwerte für NO2 betroffenen Kommune ansässig sind, deren Fahrten aber in eine solche Kommune führen”, so die Regierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der AfDFraktion im Bundestag (Drucksache 19/7018). Und nicht nur die Anschaffung neuer Busse sowie die Umrüstung existierender Fahrzeuge fördert die Regierung, sondern über das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auch Forschung und Entwicklung in diversen Bereichen der neuen Mobilität. Dazu gehören neben der Erarbeitung moderner Mobilitätskonzepte u.a. Ladeinfrastruktur, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Netzintegration und Ressourceneffizienz. Das Bundesumweltministerium fördert ganz konkret die Anschaffung von mehr als fünf Elektrobussen mit bis zu 80 Prozent der Investitionsmehrkosten im Vergleich zu Bussen mit herkömmlichem Antrieb. Plug-In-Hybridbusse werden zudem mit bis zu 40 Prozent der Investitionsmehrkosten gefördert. “Um neben dem Klimaschutz möglichst große Effekte auch bei der Luftreinhaltung und dem Lärmschutz zu erreichen, werden Elektrobusse, die in Gebieten mit einer Überschreitung der Grenzwerte für Luftschadstoffe eingesetzt werden, bevorzugt gefördert”, so das BMU.

für relativ einfach. Für ein Umdenken bei der Mobilität sieht das insbeHans-Joachim Scholz ist der Allgemeine Vertreter der sondere in ländlich Landrätin des Landkreises geprägten RegioHolzminden. nen ganz anders Foto: BS/Landkreis Holzminden/ aus. Traditionell Peter Drews genießt das Auto einen hohen Stellenwert. Die Klimaschutzmanagerin des Landkreises seitdem investiert und damit pro Holzminden hat das jedoch keiEuro “öffentliches Geld” 61 Eu- neswegs abgeschreckt. Durch das ro an Klimaschutz-Investitionen betriebliche Mobilitätsmanageausgelöst. Ein Geldeinsatz, der ment sollen Mitarbeitende ganz sich gelohnt hat und zeigt: Klima- persönlich erfahren, dass es zum schutz ist Wirtschaftsförderung! PKW “echte” Alternativen gibt. Klimaschutzmaßnahmen an Ge- “Für die CO2-Einsparung und die bäuden bzw. Betrieben bringen Gesundheitsförderung ist das Rad in der Regel Kostenersparnisse, ideal”, erklärt Hartmann. Darüdarum ist Überzeugungsarbeit da- ber hinaus seien Fahrräder auf

kurzen Strecken im Vergleich zu Auto oder ÖPNV häufig schneller. Für die Klimaschutzmanagerin ist die Dienstfahrt gleichwohl nur ein Einstieg, um überhaupt einen Fuß in Tür der notorischen Autofahrerfraktion zu bekommen. Die Nutzung von Dienstfahrrädern soll vor allem auch Berührungsängste abbauen, um künftig vielleicht dann doch einmal das eigene Fahrrad oder Pedelec für den Weg zur Arbeit zu nutzen. Dezernentin Krause wird das wohl kaum tun. Sie muss morgens und abends knapp 25 Kilometer zurücklegen. Immerhin ein Drittel aller Verwaltungsmitarbeitenden wohnt jedoch keine zehn Kilometer von der Dienststelle entfernt. Nur 12 Prozent allerdings nehmen das Fahrrad. Genug Potenzial also, über das

Dienstfahrrad auch den Weg zur Arbeit zu ändern. Und das nicht nur bei den etwa 800 Landkreis-Mitarbeitenden. “Als kreisweit drittgrößter Arbeitgeber mit gutem Beispiel voranzugehen, ist nicht die schlechteste Werbung”, weiß die Klimaschutzmanagerin. Die Idee, Fahrräder und Pedelecs als Dienstfahrzeuge für Kurzstrecken einzusetzen, könne als Vorbild für Mitgliedskommunen, andere Landkreise oder Unternehmen dienen. Rund 500 Kilogramm an CO2Emissionen könnten jährlich eingespart werden, rechnet Hartmann vor. Wer so kleinteilige Ziele mit im Blick hat, muss akribisch arbeiten. So hat die Klimaschutzmanagerin auch schon den Bürobedarf der Verwaltung auf nachhaltige Produkte umgestellt und dafür den niedersächsischen Umweltpreis “Klima kommunal” eingeheimst. Und was kommt als Nächstes? “Wir sind Koordinatoren eines länderübergreifenden Bikesharing-Systems in der Region Holzminden und Höxter”, antwortet Hartmann darauf. Eine in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie soll die Realisierbarkeit prüfen. Kein Stillstand also in Sachen Klimaschutz.


Kommunale Ordnung

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Behörden Spiegel / September 2019

Wiesbadener Maßnahme zeigt Wirkung

Unterschiedliche Dienstzeiten

Waffenverbotszone verbessert Sicherheitsgefühl

Berliner Ordnungsamtsmitarbeiter künftig länger unterwegs

(BS) In Wiesbaden existiert seit Jahresbeginn eine Waffenverbotszone. Der Oberbürgermeister der hessischen Landeshauptstadt, Gert-Uwe Mende (SPD), lobt die Einrichtung dieses Bereichs. Die Zone trage erheblich dazu bei, dass sich die Bürger wieder sicherer fühlten, erläutert der Sozialdemokrat im Behörden Spiegel-Interview. Die Fragen stellte Marco Feldmann.

(BS/mfe) Die Beschäftigten der Berliner Ordnungsämter sind künftig länger als bisher im Außendienst unterwegs. Sie sind ab sofort täglich von sechs bis 24 Uhr im Einsatz. Das sieht eine Dienstvereinbarung vor, die von Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz, Innensenator Andreas Geisel (beide SPD) und Mitgliedern der Personalvertretung unterzeichnet wurde. Auf freiwilliger Basis können die einzelnen Bezirke mit den örtlichen Personalräten weitergehende Einsatzzeiten vereinbaren.

Behörden Spiegel: Wie sicher ist Wiesbaden?

zwischen der Landespolizei und dem Ordnungsamt?

Mende: Die Landeshauptstadt Wiesbaden ist eine sichere Stadt. Die Kriminalitätsstatistik 2018 gibt Anlass zu dieser positiven Aussage in Bezug auf die Entwicklung der Kriminalitätszahlen und der Aufklärungsquote. Im Jahr 2018 wurde in der Landeshauptstadt Wiesbaden mit insgesamt 20.364 Fällen das geringste Gesamtstraftatenaufkommen seit 1984 festgestellt. Die Aufklärungsquote liegt mit 64 Prozent auf dem höchsten Wert seit 1984. Trotzdem haben Umfragen ergeben, dass in den unterschiedlichsten Altersgruppen das subjektive Sicherheitsgefühl nicht gegeben ist. Dies war Anlass für den Ordnungsdezernenten der Stadt Wiesbaden und den Präsidenten des Polizeipräsidiums Westhessen, ein Zehn-PunkteProgramm aufzulegen. Ein Teil dieses Programms ist auch die Waffenverbotszone.

Mende: Die Zusammenarbeit zwischen der Landespolizei und dem Ordnungsamt ist in Wiesbaden gut. Das Verhältnis hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert und ist mittlerweile von gegenseitigem Vertrauen geprägt. In regelmäßigen Gesprächen werden weitere Optimierungen besprochen. Gert-Uwe Mende (SPD) ist seit Juni 2019 Oberbürgermeister der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Foto: BS/Stadt Wiesbaden

“Fast an jedem zweiten Tag wird eine Waffe nach dem Waffengesetz oder ein waffenähnlicher gefährlicher Gegenstand in der Waffenverbotszone sichergestellt.”

Behörden Spiegel: Welche Erfahrungen haben Sie mit der Waffenverbotszone gesammelt?

Behörden Spiegel: Ist eine Ausweitung der Waffenverbotszone geplant?

Mende: Seit dem 1. Januar 2019 gibt es die Waffenverbotszone in Wiesbaden. Im Rahmen des Projektes “Gemeinsam sicheres Wiesbaden” finden monatlich mindestens drei gemeinsame Kontrollen der Landespolizei und der Stadtpolizei mit dem Schwerpunkt “Waffenverbotszone” statt. An den anderen Abenden kontrollieren die Landespolizei und die Stadtpolizei unabhängig voneinander im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten und personellen Ressourcen. Die kontrollierten Personen begrüßen zum größten Teil die Kontrollen und haben vollstes Verständnis für die erforderlichen Maßnahmen.

Mende: Fast an jedem zweiten Tag wird eine Waffe nach dem Waffengesetz oder ein waffenähnlicher gefährlicher Gegenstand in der Waffenverbotszone sichergestellt. Die deutlich stärkere Präsenz der Einsatzkräfte im Innenstadtbereich wird von der Bevölkerung positiv wahrgenommen. Dies führt zu einer erheblichen Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls im Rahmen der Prävention. Nach drei Jahren ist eine Evaluation der Waffenverbotszone geplant. Dann wird auch die Entscheidung über eine mögliche Ausweitung getroffen. Behörden Spiegel: Wie gestaltet sich in Wiesbaden die Kooperation

Behörden Spiegel: Was unternimmt die Stadtverwaltung, um das objektive und das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger zu verbessern? Mende: Durch eine deutliche Personalaufstockung der Stadtpolizei seit Mitte 2018 lassen sich die Aufgaben deutlich besser wahrnehmen. Insbesondere im Bereich der Präventivbestreifung und der Sichtbarkeit für die Bevölkerung konnten deutliche Fortschritte erzielt werden. Gleichzeitig haben Bürgermeister Dr. Oliver Franz und Polizeipräsident Stefan Müller ein ZehnPunkte-Programm zur Verbesserung der Sicherheit in Wiesbaden ins Leben gerufen. Behörden Spiegel: Was beinhaltet dieses Programm? Mende: Einen wichtigen Bestandteil der Sicherheitsarchitektur stellt die Neuinstallation von zwei Videoüberwachungsanlagen dar. Außerdem wurden ein Sperrkonzept gegen Amokfahrten erstellt und Maßnahmen zur Steigerung der Veranstaltungssicherheit ergriffen. Darüber hinaus wurden die Präsenz- und Präventivstreifen der Stadt- und der Landespolizei in der Wiesbadener Innenstadt verstärkt. Zudem gibt es eine Präventionskampagne zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bürger.

MELDUNG

Freiwilliger Polizeidienst kehrt zurück (BS/mfe) Ab Anfang kommenden Jahres wird es im hessischen Offenbach wieder einen Freiwilligen Polizeidienst geben. Dazu unterzeichneten Vertreter der Stadt und des Landes einen Kooperationsvertrag. Es gehe insbesondere darum, “mehr uniformierte Präsenz ins Stadtgebiet zu bringen”, erklärte Ordnungsdezernent Peter Freier. “Denn

eine Uniform schafft Respekt”, so der CDU-Politiker weiter. In Offenbach ist der Freiwillige Polizeidienst nicht gänzlich neu. Die Stadt hatte in den Jahren 2000 bis 2004 an einem entsprechenden Pilotprojekt teilgenommen. Der Einsatz war dann auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung jedoch beendet worden.

Diese können dann auch außerhalb dieses Korridors liegen. Bisher war der Einsatz der Beschäftigten des Allgemeinen Ordnungsdienstes in Berlin sonntags bis donnerstags nur von sechs bis 22 Uhr und an Frei- und Samstagen von sechs Uhr bis Mitternacht möglich. Innensenator Geisel sagte zu der Neuregelung: “Die neue Dienstvereinbarung ist eine gute Lösung für alle Seiten.” Sie berücksichtige sowohl die Interessen der Bürgerinnen und Bürger nach einer zeitlich längeren Präsenz der Ordnungsämter wie auch die Bedürfnisse der betroffenen Mitarbeiter. “Insgesamt bieten wir damit ab sofort stadtweit wöchentlich zehn Stunden mehr Verfügbarkeit der Ordnungsämter”, so Geisel. Finanzsenator Dr. Kollatz ergänzte: “Die Ordnungsämter sind von früh bis spät gefragt. Daher ist es gut, dass wir gemeinsam mit dem Hauptpersonalrat die neue Dienstvereinbarung auf den Weg gebracht haben.” Die Mitarbeiter der Ordnungsämter seien nun nahezu rund um die Uhr im Einsatz.

Am Wochenende nicht überall dauerhaft im Dienst Im niedersächsischen Wolfsburg sind die Mitarbeiter des Ordnungsdienstes nicht ganz so lange unterwegs. Montags bis freitags arbeiten sie von sechs bis 20 Uhr, teilweise auch bis 22 Uhr. Am Wochenende sind sie anlassbezogen, unter anderem bei Veranstaltungen, im Einsatz. In Bonn wiederum ist der Streifendienst des Stadtordnungsdienstes im Schichtdienst montags bis donnerstags von sieben bis 1:30 Uhr, freitags von sieben

In Berlin sind die Kräfte des Ordnungsamtes in Zukunft länger auf den Straßen unterwegs. Foto: BS/©Kumbabali, fotolia.com

bis zwei Uhr, samstags von zehn bis zwei Uhr nachts und sonntags von zehn bis 1:30 Uhr unterwegs. Die Kräfte des Verkehrsaußendienstes arbeiten in der Bundesstadt – ebenfalls im Schichtdienst – von sieben bis 22 Uhr.

Keine Schusswaffenmitnahme in Kiel Ebenfalls im Schichtdienst unterwegs sind die KOD-Mitarbeiter Kiels. Sie sind als Doppelstreifen im Zwei-Schicht-Betrieb montags bis sonnabends jeweils von acht bis 23 Uhr, sonntags bis 20 Uhr im Einsatz. Die Kräfte tragen Uniform und besitzen offizielle Vollzugsrechte. Sie dürfen, sofern ein konkreter Anlass gegeben ist, unter anderem Personen befragen, anhalten und festhalten. Des Weiteren ist es ihnen in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt erlaubt, Platzverweise auszusprechen. Während des Dienstes tragen sie zwar keine Schusswaffe, verfügen zur Verteidigung und Eigensicherung

jedoch über einen ausziehbaren Schlagstock sowie Pfefferspray. Dieses soll allerdings nur zur Abwehr gefährlicher Tiere verwendet werden.

Aufteilung in Mannheims Innenstadt In Mannheim ist der Besondere Ordnungsdienst in der Innenstadt unter der Woche von acht bis 24 Uhr und samstags von 10:30 bis 24 Uhr auf Streife. Dessen Mitarbeiter sind für die Verfolgung allgemeiner Ordnungswidrigkeiten zuständig. Parkverstöße in der Innenstadt ahnden wiederum die Kräfte des Verkehrsordnungsdienstes. Sie sind montags bis freitags von sieben bis 21 Uhr sowie samstags von zehn bis 21 Uhr unterwegs. In den Stadtteilen und Vororten Mannheims kümmern sich die Mitarbeiter des Allgemeinen Ordnungsdienstes um Ordnungswidrigkeiten jeglicher Art. Dazu zählen auch Parkverstöße. Hier gibt es keine Aufteilung

MELDUNG

Sicherheitspartnerschaft vereinbart (BS/mfe) Das saarländische Innenministerium und die Stadt Saarlouis haben eine Sicherheitspartnerschaft vereinbart. Dadurch wird die Zusammenarbeit zwischen Landespolizei und kommunalen Akteuren intensiviert. Zudem soll die Sicherheit in der Stadt erhöht werden. Innenminister Klaus Bouillon (CDU) sagte dazu: “Die Gewährleistung der Inneren Sicherheit ist das oberste Ziel der Sicherheitsbehörden. Wir möchten mit dieser Partnerschaft die subjektive Sicherheit erhöhen und Angsträume reduzieren. Sicherheitsbedenken dürfen nie die Maßgabe für Lebensqualität und wirtschaftliche Entwicklung sein.” Ziel der Vereinbarung ist unter anderem, Kriminalitätsbrennpunkte beziehungsweise polizeiliche

Schwerpunkte in Saarlouis zu identifizieren und darauf aufbauend Abwehrstrategien zu entwickeln. Auf Basis dieses Kriminalitätslagebildes sollen neue Konzepte zur Stärkung und Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entwickelt sowie gemeinsame Schwerpunktaktionen zwischen Ortspolizeibehörde und Vollzugspolizei geprüft werden. Darüber hinaus soll eine kommunale Sicherheitsstreife, die von der Vollzugspolizei unterstützt wird, ein kurzfristiges Eingreifen bei Gefahrenlagen und Störungen garantieren. Ähnliche Sicherheitspartnerschaften hat das saarländische Innenministerium bereits mit Saarbrücken, Neunkirchen, Merzig und Sulzbach geschlossen.

Vorteile für Ordnungsämter www.oeffentliche-infrastruktur.de Bundeskongress

Öffentliche Infrastruktur 2019 3. Dezember 2019, Hotel Adlon Berlin

DER ZUKUNFT GEGENWÄRTIG

Eine Veranstaltung des

Arbeitsabläufe in Kommunen können optimiert werden (BS/Peter Fehling*) Die Schweers CONSULT GmbH in Meerbusch ist führender Anbieter für Hard- und Softwaresysteme, die von Kommunen in Deutschland, Luxemburg und Dänemark genutzt werden. Ziel ist eine Verwendung mit hoher Produktivität und Effizienz in Ordnungsämtern, Marktmeistereien und Wertstoffhöfen. Aber auch Stadtwerke und Parkraumbewirtschafter gehören zu den Kunden. Schweers CONSULT ist ein Mittelstandsunternehmen im Familienbesitz mit über 30 Jahren Erfahrung. Die Firma ist nationaler Marktführer für Hard- und Softwaresysteme zur mobilen Bearbeitung und verfügt über einen eigenen Reparatur- und Supportservice für Zebra/Soti und andere Produkte. Des Weiteren findet eine eigene Entwicklung statt und es gibt einen internen Datenschutzbeauftragten. Städte wie Berlin, Köln, Magdeburg oder Darmstadt vertrauen bereits seit mehreren Jahren auf die Systemlösungen von Schweers CONSULT. Aktuelle Themen der Kundschaft werden dabei durch die Produktentwicklung sehr schnell adaptiert. Politess WebOffice erledigt die Wochenpla-

nung. Darüber können Einsatzzeiten und Schicht-Einteilungen erfasst werden. Die Anwendung verfügt unter anderem über einen Wochen-Überblick, eine einfache Editierfunktion (Schichten, Rollen und Erfasser), eine einfache Kopierfunktion, um Wocheneinteilungen zu replizieren, sowie eine intuitive Bearbeitung. Außerdem sind Auswertungen und Reporte über Schichten, Aufgaben und Ergebnisse möglich.

Leitstelle für das Ordnungsamt Mit der Lösung “Talk IP Office” kann der PC als Funkgerät genutzt werden. Optional möglich sind Ortung und SOS. Damit lassen sich Arbeitsabläufe schnell, einfach und effizient steuern. Push-to-Talk

ermöglicht es, ohne Rufaufbau Sprachmeldungen, wie neue Aufträge, abzusetzen und zu beantworten. Über den Service lassen sich einzelne Mitarbeiter kontaktieren, aber auch viele Gesprächspartner gleichzeitig ansprechen. Mit der Lösung “TALK IP” können Handys Funkgeräte, Pager und GPS-Ortungsgeräte ersetzen. Damit lassen sich alle Ihre Gesprächspartner gleichzeitig erreichen. Außerdem ist vorher erkennbar, ob die Zielperson erreichbar ist. Dabei gibt es keine Reichweitenbeschränkung. Optional ist hier die integrierte GPS-Ortung mit Karten- oder Koordinatendarstellung am PC. *Peter Fehling arbeitet bei der Schweers Consult GmbH.



Sichern Sie sich Ihren Wissensvorsprung ! Seminar-Highlights im Oktober 2019 Vergaberecht DigitalPakt Schule

17.10.2019, München

Vergaberecht nach Zuschlag

22.10.2019, München

Vertragsgestaltung in agilen IT-Projekten

30.10.2019, Berlin

Personal und Dienstrecht Tag des Eingruppierungsrechts

08.10.2019, Berlin

Personalmarketing in Behörden Stellenausschreibungen formulieren und platzieren

22. – 23.10.2019, Bonn 23. – 24.10.2019, Hamburg

IT Kanban in öffentlichen Verwaltungen

16.10.2019, Berlin

Cloud und DSGVO – "Gegensätze ziehen sich an?!"

16.10.2019, Berlin

IT-Verträge für die öffentliche Hand

24.10.2019, Hamburg

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Erfolgreiche PR-Konzepte für Behörden

15. – 16.10.2019, Bonn

Der Umgang mit Journalisten

17.10.2019, Bonn

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Behörden

28. – 29.10.2019, Berlin

Führung und Kommunikation Agiles Leadership Motivationshemmnisse

24.10.2019, Berlin 28. – 29.10.2019, München

Reden schreiben

29.10.2019, Bonn

Organisation und Management Notfallmanagement und Risikoanalysen Projektmanagement in Behörden

01. – 02.10.2019, Bonn 28. – 29.10.2019, Hannover

Bauprojektmanagement – Leitfaden und Tools

29.10.2019, Bonn

Detaillierte Informationen und weitere Termine unter: www.fuehrungskraefte-forum.de


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / September 2019

Konsolidierte IT-Konsolidierung

KNAPP BMWi entwirft Gaia-X

Es geht weiter: Neue Governance setzt auf klare Trennung (BS/R. Uwe Proll) Sie startete vor Jahren hoffnungsvoll – die IT-Konsolidierung des Bundes. Ein Bericht ans Parlament konstatierte seinerzeit über 400 Serverräume, unterschiedlichste Sicherheitsstandards, Softwareversionen und alles in allem kein einheitliches Konzept. Das sollte sich fortan ändern und es begann die Konsolidierung der IT der Bundesministerien und ihrer nachgeordneten Bereiche. Objektive Schwierigkeiten, Egoismen einzelner Ressorts sowie allerlei Fehlentwicklungen ließen das Projekt dann Ende letzten Jahres bei der Sitzung der AG Haushalt (Haushälter von CDU/CSU und SPD im Bundestag) hochgehen. Hier stellte sich heraus, dass das Gesamtvorhaben nur zu Gesamtkosten in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zu realisieren sein wird – geplant hatte man mit einer Milliarde. Die Haushaltspolitiker zeigten sich geschockt. Zudem präsentierten sich BMI und BMF vor der AG Haushalt ausgesprochen uneins. Das Murren war unüberhörbar, denn wie soll man den Wählern eine Kostensteigerung von annähernd 2,5 Milliarden Euro für die Modernisierung bzw. Konsolidierung der Informationstechnologie des eigenen Apparates vermitteln? Die wundersame Vermehrung der Kosten: 900 weitere Millionen für die Ertüchtigung der beiden Dienstleister ITZBund (BMF) und BWI (BMVg), weitere 870 Millionen für die Überführung der IT der einzelnen Ressorts und nachgeordneten Behörden auf diese beiden Dienstleister mit externer Unterstützung, weitere 655 Millionen für die “Gemeinsame IT des Bundes”, zahlreiche neue Projekte erforderten finanzielle Mittel, so u. a. mehr Geld für den Bundes-Client, die Einführung von Windows 10 sowie die Anpassung der rechtlichen Probleme und Softwarefunktionen an diesen Prozess.

Abrupter Strategiewechsel bei der BWI Seit der für manche Haushälter unvergesslichen Sitzung aus dem letzten Herbst lief der weitere Prozess zudem immer weniger rund. Ein abrupter Strategiewechsel bei der BWI, also der Dienstleistungs-GmbH des BMVg, hinterließ mehr Fragen als Antworten. Der herbeigeführte Wechsel in der Geschäftsführung ließ eine neue Linie des BMVg erkennen: Die BWI ist in erster Linie für die Bundeswehr da, will und kann nicht beliebige weitere Behörden der Bundesverwaltung als Dienstleister bedienen. Dies soll

Grafik: BMI

zukünftig nur im Einzelfalle geschehen, so eventuell für einzelne Sicherheitsbehörden. Weiterhin ungeklärt ist das Binnenverhältnis zwischen ITZBund und der BWI GmbH, da entgegen eines Kabinettsbeschlusses das ITZBund nach wie vor eine klassische Behörde und weder eine GmbH noch eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) ist. Mithilfe eines Rechtsgutachtens soll derzeit eine Lösung gefunden werden, dass beide Seiten sich beauftragen können, was bislang aufgrund der Rechtsform nur in Richtung der BWI GmbH möglich ist. Der Strategiewechsel bei der BWI war dringend notwendig, denn die Aussage der Beteiligten, dass das ITZBund und die BWI mehr oder weniger als gleichberechtigte Dienstleistungszentren die IT-Konsolidierung des Bundes insgesamt stemmen sollten, hatte ohne Vertragsgrundlage bei der BWI zu erheblichen Ausgaben geführt. In Erwartung dieses Prozesses hatte die alte Geschäftsführung einen hohen Millionenbetrag in Liegenschaft, Rechenzentrum und Personal investiert. Aufträge aus der IT-Konsolidierung erreichten die BWI jedoch nie, sodass es zu einem Eklat spätestens dann kam, als das BMI die offenen Forderungen von über 20 Millionen nicht begleichen konnte. Ärger gab es auch an anderer Stelle. Gehegte Zweifel, ob das

ITZBund der richtige alleinige Dienstleister zukünftig werden könne, sollten beseitigt werden. Das BMF befragte daraufhin die zuständigen Staatssekretäre der anderen Ressorts und herauskam “pures Bashing”. Einige Beobachter meinen, das Ergebnis sei am Ende unfair gegenüber dem ITZBund, das viele Aufgaben derzeit gleichzeitig lösen müsse und zudem auch sein Personal an die immer neuen Aufgaben anpassen müsse. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages forderte dann im Frühjahr dieses Jahres die Bundesregierung auf, ein Konzept der IT-Konsolidierung vorzulegen und dabei ein Maß an Sparsamkeit zu berücksichtigen. Das BMF kürzte um pauschal 20 Prozent. Das BMI wiederum hat diese pauschalen Kürzungen eingestellt, indem es die sogenannten Risikopuffer im Plan gekürzt hat. Der Haushaltsausschuss zeigte sich unzufrieden und gab in der letzten Sitzung vor der Sommerpause noch mal 60 Millionen für die ITKonsolidierung des Bundes frei, um insbesondere die laufenden Projekte E-Akte sowie “Gemeinsame IT des Bundes” nicht zu gefährden. Durchatmen für die Sommerpause – nicht mehr. Die Abgeordneten verbanden dies mit der Aufforderung an den IT-Rat, dessen Vorsitzender der Chef des Bundeskanzleramtes Helge Braun ist, zu Beginn der Beratungen des Einzelplans 6

dem Haushaltsausschuss zur Sitzung am 26. September endgültig einen organisatorischen wie auch finanziellen Plan zum weiteren Vorgehen der IT-Konsolidierung vorzulegen. Das Parlament möchte wissen, wie die Organisation zukünftig innerhalb der Bundesregierung strukturiert wird. Wer die Verantwortung insgesamt und im Einzelnen übernimmt? Wer für die Dienstleistungen verantwortlich ist? Welche Rechtsform das ITZBund zukünftig haben soll? Welche Rolle die BWI im Rahmen der IT-Konsolidierung spielen wird? Wie die Gespräche über das Thema Bundes-Cloud mit Microsoft weitergehen? Wie mit den Kostensteigerungen von 2,5 Milliarden auf über 3,5 Milliarden umgegangen werden soll? Welche Rolle im Prozess der IT-Konsolidierung das Bundeskanzleramt zukünftig übernehmen will?

Neue Rollenverteilung innerhalb der Ressorts Nun kam es Anfang September zu einer Gesprächsrunde beim Chef des Bundeskanzleramtes, Helge Braun, mit den Staatssekretären der drei am Prozess beteiligten Bundesressorts. Vertreten waren Staatssekretär Werner Gatzer, BMF, Staatssekretär Klaus Vitt, BMI, und Staatssekretär Benedikt Zimmer, BMVg. Thema war vor allem, welche Rolle durch welches Ressort im weiteren Prozess der IT-Konsolidierung übernommen wird. Im Ergebnis sieht die Sache wohl so aus: Es kommt zu einer klaren Trennung zwischen BMI und BMF. Das BMF richtet im Oktober eine neue Abteilung IT-Betrieb im Ministerium ein, die aus der bisherigen Unter-

abteilung unter Leitung von Horst Flätgen hervorgehen soll. Sie wird die gesamten organisatorischen, personellen und betrieblichen Aspekte der IT-Konsolidierung verantworten, also sowohl den Rechenzentrumsbetrieb wie den Übergang technischer wie personeller Ressourcen der einzelnen Ressorts auf das ITZBund. Das BMI wird die Verfahren verantworten. Die bisher im BMI ressortierte strategische Gesamtsteuerung der IT-Konsolidierung soll es also in althergebrachter Form nicht mehr geben. Die Governance, wer also für was im Detail zuständig ist, wird die Bundesregierung Ende dieses Monates dem Parlament vorstellen. Auch war aus dem Kanzleramt zu hören, dass man sich den finanziellen Forderungen wird stellen müssen. Aus dem Parlament wiederum war zu hören, dass man sich den finanziellen Rahmenforderungen dann nicht verschließen will, wenn ein schlüssiges Umsetzungskonzept mit klaren Verantwortlichkeiten vorliegt. Allen Beteiligten ist bewusst, dass auch unter Voraussetzung einer nicht stattfindenden IT-Konsolidierung erhebliche Investitionen in die Rechenzentren sowie den Umstieg auf Windows 10 notwendig wären. Statt dezentral Geld in Modernisierungen von IT-Infrastruktur-Inseln zu stecken, ist allen Beteiligten klar, dass der milliardenschwere Aufwand an zentraler Stelle für die Zukunft mehr Sinn macht. Die gute Nachricht für alle: Unter der Moderation des Kanzleramtschefs Helge Braun sind alle zu gemeinsamem Handeln verdonnert. Das große Gesamtvorhaben IT-Konsolidierung geht also weiter!

(BS/rup) Das Bundeswirt­ schafts­ ministerium hat Pläne, eine sogenannte Euro-Cloud namens Gaia-X auf den Weg zu bringen. Dazu sollen Spei­ cher- und Rechenleistungen europäischer Anbieter zu einem vernetzten Verbund führen, der es europäischen Unternehmen möglich machen soll, unabhängig von Google, Amazon und Microsoft Cloud-Dienste zu nut­ zen und so zu vermeiden, dass unternehmenskritische Daten in den USA gelagert werden. In einem Papier heißt es, dass dieser sogenannte “virtuelle Hyperscaler” eine hohe Ausfallsicherheit und eine schnelle Rechenkraft liefern soll, wie sie von den amerikanischen Marktführern derzeit angeboten wird. Für diesen Rechenverbund soll eine eigene europäische Gesellschaft gegründet werden, die mit Geldern aus dem Bundeswirtschaftsministerium gefördert werden soll. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht sich aber nicht nur als Erfinder, sondern die gesamte öffentliche Verwaltung auch als Nutzer dieser Euro-Cloud. Erste Gespräche zwischen B u n­d e s­i n n e n m i n i s t e r i u m , das federführend die BundesCloud vorantreibt, und dem Bundeswirtschaftsministerium hat es gegeben. Von Ergebnissen ist nichts bekannt, nämlich ob die Bundes-Cloud Bestandteil der Euro-Cloud werden soll. Offen auch die Frage, inwieweit amerikanische Cloud-Anbieter wie Microsoft sich an dem neuen europäischen Rechnerverbund beteiligen dürfen. Dies gilt umso mehr für dann dort verbaute Technologien. Mit anderen Worten: Auch schon bei der Bundes-Cloud stellt sich die Frage, wie man ohne die Netz­ werkkomponentenhersteller aus den USA, Cisco und Juniper, und aus China, Huawei und ZTE, auskommen will. Europäische Hardware dürfte für eine komplexe moderne Cloud-Infrastruktur nicht hinreichend sein.


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Behörden Spiegel / September 2019

Digitale Verwaltung RLP Jetzt ist das Land dran

Z

war werde schon seit Langem über einen flächendeckenden Breitbandausbau diskutiert, im großen Maße spürbar sei die Notwendigkeit dafür aber vor allem in Flächenländern wie Rheinland-Pfalz, denn dort lebten laut dem Landes-CIO “zwei Drittel der Bevölkerung im ländlichen Raum. Bei solch einem Wert können die digitalisierten Prozesse in der Verwaltung nur funktionieren, wenn diese Menschen auch in der Lage sind, diese digital mit der entsprechenden Bandbreite zu nutzen.” Daher habe die Landesverwaltung frühzeitig damit begonnen, bewusst strategische Partnerschaften mit den Landkreisen einzugehen, um den Breitbandausbau in Clustern mit steuern und umsetzen zu können sowie die Kommunen aktiv beim Aufbau der entsprechenden Infrastruktur zu unterstützen: “Wir empfehlen den Landkreisen dabei immer, direkt Glasfaserkabel zu verlegen, denn damit ist man für die Zukunft viel besser gerüstet. Bis 2025 wollen wir überall im Land Glasfaser liegen haben, da macht es nur Sinn, die Kabel bei aktuellen Projekten jetzt schon zu verlegen”, so Stich. Nicht ganz ohne Stolz erklärte der CIO außerdem, dass man den Anteil der Haushalte mit Breitbandanschluss von knapp sieben Prozent zu seinem Amtsantritt nun bereits auf fast 86 Prozent steigern konnte. Um die restlichen knapp 15 Prozent nun auch noch an schnelles Internet zu bringen, stünden die Mittel schon bereit, sodass man das Projekt Glasfaser bis 2025 auf jeden Fall schaffen werde, so der Staatssekretär.

Rheinland-Pfalz greift Kommunen digital unter die Arme (BS/Wim Orth/Dr. Eva-Charlott Proll) Nachdem die Infrastrukturen in den Zentren und Metropolen des Landes zwar langsam, aber doch stetig heranwachsen, ist nun auch der ländliche Raum dran. Vor allem der Anschluss an leistungsfähiges Internet ist ein zentraler Punkt, um die Kluft zwischen Stadt und Land nicht immer größer werden zu lassen, betont der Staatssekretär und Amtschef im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz sowie IT-Landesbeauftragte Randolf Stich.

Landes-CIO Staatssekretär Randolf Stich unterstrich in Mainz die besondere Bedeutung einer engen Kooperation von Land und Kommunen in Rheinland-Pfalz. Die Oberbürgermeisterin von Speyer, Stefanie Seiler (links), forderte eine bundesweite Digitalstrategie. MRN-Chefin Dr. Christine Brockmann (rechts) sieht einen wesentlichen Erfolgsfaktor einer gelungenen Verwaltungsdigitalisierung in der Schaffung von Cluster- und Innovationsstrukturen. Fotos: BS/Dombrowsky

tet werden könnten. Zudem habe

arbeiten wie möglich. Auf die

daher haben wir einen Kooperati-

schon frühzeitig den Landesbetrieb Daten und Information mit einem zentralen Rechenzentrum eingerichtet, welches über ein dreistufiges Firewall-System verfüge und regelmäßig vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf Hochsicherheit geprüft werde. Ein besonderes Anliegen ist dem Landes-CIO zudem die Nachhaltigkeit der Systeme: “Wir haben das Thema Green IT schon 2007 in unsere IT-Strategie mit aufgenommen. Gerade Rechenzentren schlucken extrem viel Energie, diese müssen so energieeffizient

Komponenten, die wir von außen beziehen.” Neben der allgemeinen Digitalisierung steht wenig überraschend auch in RheinlandPfalz die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) ganz oben auf der allgemeinen Agenda. Hier will man die Kommunen mit vielen Projekten entlasten. Um an dieser Stelle sinnvolle Lösungen zu schaffen, die auch im Alltag praktikabel seien, arbeite man eng mit den kommunalen Spitzenverbänden zusammen, um möglichst alle Akteure des Landes mit ins Boot zu holen: “Das OZG ist nur im Verbund zu schaffen,

Das Land stellt in einer zentralen Plattform für die Umsetzung aller Verwaltungsdienstleistungen eine technische Grundlage für die Kommunen zur Verfügung.” Diese Plattform soll im kommenden Jahr fertiggestellt sein und für die Kommunen kostenfrei nutzbar sein. Ebenfalls kostenfrei für die Kommunen wird auch das E-Rechnungsportal sein, das bis April 2020 online gehen soll. Diese Projekte seien auch nötig, erklärt Stefanie Seiler, Oberbürgermeisterin der Stadt Speyer, denn “wir müssen endlich die interkommunale Zusammenarbeit voran-

Sicherheit, Nachhaltigkeit – man als “Rückgrat der IT-Sicher- Nachhaltigkeit achten wir aber onsvertrag mit den kommunalen und das allgegenwärtige OZG heit für das Land Rheinland-Pfalz” auch bei Ausschreibungen für Spitzenverbänden abgeschlossen. Zudem betonte Stich, dass eine digitale Verwaltung mit all ihren Angeboten nur dann nachhaltig funktionieren könne, wenn eine größtmögliche Sicherheit für die Daten der Bürger gegeben sei: “Die IT-Sicherheit im Land ist immer nur so gut wie ihre schwächste Stelle, daher haben wir eine dreiteilige Strategie für das landesweite IT-Sicherheitsmanagement erstellt, um auf möglichst alles vorbereitet zu sein.” So habe man frühzeitig eine CISO- und eine CERT-Stelle eingerichtet, damit Angriffe auf die Systeme im Land schnell und mit bestmöglicher Expertise beantwor-

Beim Breitbandausbau gilt Rheinland-Pfalz als schwieriges Terrain: Weitläufige Flächen paaren sich hier mit einer relativ geringen Bevölkerungsdichte; die teils bergige Landschaft erschwert den Anschluss entlegener Haushalte ungemein. Insgesamt seien die Bedingungen nicht gerade förderlich gewesen, als man sich 2012 an den Ausbau der Breitbandnetzes begeben habe, erklärt Raymond Twiesselmann, Mitarbeiter im BreitbandKompetenzzentrum (BKZ).

Auf dem Papier ein großer Erfolg Gemessen an den Widrigkeiten hat man viel erreicht, wie ein Blick in den Statusbericht “Digitale Infrastruktur” verrät: Mehr als 80 Prozent aller Haushalte in Rheinland-Pfalz verfügen inzwischen über einen Anschluss ans NGA-Netz (Next Generation Access). In Zahlen entspricht das einem Downstream von 50 Mbit. Profiteur des infrastrukturellen Ausbaus sind aber nicht

Cluster- und sonstige Innovationsstrukturen wird es nicht mehr gehen.”

bringen, bevor wir an Vernetzung innerhalb der EU und anderen Staaten denken”. Dafür benötige es eine bundesweite Digitalstrategie, so die Oberbürgermeisterin. Ein Positivbeispiel an dieser Stelle stellt die Metropolregion RheinNeckar dar, in der sich insgesamt 15 Landkreise am innerdeutschen Dreiländereck Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen zusammengetan haben: “Das ist Föderalismus pur und damit das funktioniert, braucht es nicht nur vorne rum, sondern vor allem auch hinter den Kulissen eine gute Zusammenarbeit”, erklärt Dr. Christine Brockmann, die Geschäftsführerin der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN): “Eine gute und digitale Verwaltung ist heutzutage ein starker Standortfaktor. Dabei ist vor allem die Nutzerorientierung zentral.” Für eine solche Ausrichtung sind die Kommunen laut Manfred Schnur der beste Ansprechpartner im Föderalismus. Der Landrat des Landkreises Cochem-Zell spricht sich für mehr Gleichberechtigung für die Kommunen aus, “denn in der Kommune weiß man am ehesten, was der Bürger will und braucht, da man täglich mit ihm zusammenarbeiten muss. Deswegen wird auch die OZG-Umsetzung ohne eine Einbindung der Kommunen nicht funktionieren.” Allerdings brauche es vielerorts einen Kulturwandel, denn wirkliche Cluster gebe es in der Verwaltung noch viel zu selten, so MRN-Chefin Brockmann: “Viele Kommunen werden sich in Zukunft organisatorisch umstellen müssen, denn ohne

Der nächste Kongress “Digitale Verwaltung RLP” findet am 27. August 2020 in Mainz statt. Weitere Informationen zu der kommenden Veranstaltung finden Sie in Kürze im Behörden Spiegel und auf der Kongress-Homepage unter www.dv-rlp.de .

Ein besserer Breitbandausbau braucht schnellere Förderwege (BS/pet) Glasfaser ist eine unabdingliche Voraussetzung für eine gelungene Digitalisierung. Wo keine leistungsfähige Infrastruktur, da geraten ganze Regionen ins analoge Abseits. Das gilt zumal für die ländlichen Teile der Republik, in denen der Erhalt demografischer und ökonomischer Ressourcen wesentlich von den Chancen des digitalen Wandels abhängt. Kritisch ist nur, dass gerade sie aus Gründen mangelnder Rendite vom Netzausbau oft ausgeschlossen sind. Wo sich die Privatwirtschaft versagt, springen den betroffenen Kommunen Bund und Länder mit Fördermitteln zur Seite. In Rheinland-Pfalz funktioniere das auch gut, könne aber mit entsprechendem Bürokratieabbau nochmals spürbar beschleunigt werden, heißt es aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm.

In der Realität mitunter ­schleppend Was sich aus Sicht der Landesregierung wie eine bruchlose Er-

Helmut Berscheid vom Landkreis Bitburg-Prüm fordert eine Entschlackung der bestehenden Förderregularien und einheitliche, verbindliche Standards. Foto: BS / Dombrowsky

folgsgeschichte ausnehmen mag, ist für viele Kommunen eine sich hinziehende Auseinandersetzung mit den Hürden der Bürokratie. So auch für die Verwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm. Flächenmäßig der größte Landkreis in Rheinland-Pfalz, war er lange Zeit mit 180 unterversorgten Gemeinden das digitale Schlusslicht der Region. Laut Breitbandinvestitionsindex bot er überdies die bundesweit schlechtesten Ausbauvoraussetzungen. Noch ehe die Investitionsprogramme von Bund und Land anliefen, bewarb man sich daher auf andere Fördermittel. Unter anderem auf das EU-Programm “Liaison en­

Dass die Kommunen tiefergehend einbezogen werden sollten, hat man inzwischen auch auf höheren Ebenen erkannt. Waren die kommunalen Spitzenverbände bislang die einzigen Kommunalakteure im IT-Planungsrat, aber das nur mit beratender Stimme, soll es künftig ein neues Gremium geben, das sich explizit mit den Bedürfnissen und Chancen des kommunalen Raums befasst, so Dr. Annette Schmidt, Leiterin des Aufbaustabes FITKO: “Wir werden einige Gremien direkt an FITKO angliedern, die in Wechselwirkung mit dem IT-Planungsrat kommunizieren und Ideen sowie Bedenken einbringen können. Darunter ist auch ein Kommunalgremium mit neun Vertretern der Spitzenverbände sowie Vertretern von Vitako und KGSt.” Um den kommunalen Herausforderungen und Bemühungen im Land Rheinland-Pfalz einen rechtlichen Rahmen zu geben, ist das E-Government-Gesetz dort inzwischen auf dem Weg in die Verabschiedung, so Landes-CIO Stich. Mit diesem habe man zwar lange gewartet, nun sei es aber hochmodern und eine gute Basis für die Projekte im Land sowie die OZG-Umsetzung, die ebenfalls darin geplant und festgeschrieben worden sei. “Das OZG war der große Knall, der Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren endgültig alternativlos gemacht hat. Nun müssen wir es nutzen, um für Bürger und Mitarbeiter gleichermaßen ein optimales Nutzererlebnis zu schaffen.” Dazu gehörten auch vernetzte digitale Register und eine flächendeckende Nutzung des Once-Only-Prinzips: “Im Optimalfall stellen wir dem Bürger für sein Anliegen fertig ausgefüllte digitale Formulare bereit, die dieser nur noch abschicken bzw. unterschreiben muss”, so Stich.

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Hemmfaktor Bürokratie

nur die urbanen Zentren des Landes. Auch die ländlichen Regionen verzeichnen mit über 50 Prozentpunkten einen kräftigen Zuwachs. Ferner sieht das Land weitere finanzielle Zuwendungen vor. Um den Umstieg der Netzarchitektur vom derzeitigen FTTC-Standard auf FTTB voranzutreiben, plant man im Zuge der Gigabit-Strategie mit einem Fördervolumen von insgesamt 700 Millionen Euro bis zum Jahr 2025.

Kommunalgremium kommt

tre actions de développement de l‘economie rurale”, kurz LEADER. Mit ihm habe man es geschafft, sechs Gewerbegebieten einen Anschluss ans Netz zu verschaffen, erklärt Helmut Berscheid, Leiter des Amts für Kreisentwicklung. Dass die umliegenden Haushalte, obwohl nicht weit entfernt, dabei nicht gleich miterfasst wurden, habe ihn schon damals verwundert, fügt er hinzu. Als sich der Kreistag 2015 für den Ausbau der Breitbandin­ frastruktur entschied, erging ein Förderantrag an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Nachdem dieser noch im selben

Jahr genehmigt wurde, erhoffte man sich schnelles Handeln. Was folgte, war ein langwieriger Prozess, der nach Bewilligung mit der Erarbeitung einer Machbarkeitsstudie 2016 begann und sich noch zwei weitere Jahre bis zum symbolischen Spatenstich 2018 hinzog. Noch während der Planungsphase stellt sich he­ raus, dass ein Gutteil der Haushalte nicht unter den Schirm des Programms fiel, da bereits eine Versorgung über der veranschlagten Förderschwelle von 30 Mbit vorlag. “Um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden, brauchen wir dringend eine Entschlackung der bestehenden Förderregularien. Es müssen einheitliche und verbindliche Standards gesetzt werden, die den Breitbandausbau weiterbringen und nicht behindern”, so Berscheid. Mit Blick auf die anstehende Umstellung auf FTTB, die nach Abschluss der laufenden Projekte frühestens ab 2022 anlaufen soll, kommen solche Warnung vielleicht genau zur rechten Zeit.


Digitale Verwaltung RLP

Behörden Spiegel / September 2019

Einfach mal machen

I

n Rheinland-Pfalz gilt diese Verbandsgemeinde als Leuchtturmprojekt der Digitalisierung: In nahezu ganz Betzdorf können Bürger über WLAN auf das Bürgernetz zugreifen, an den Schulen stehen Kindern und Jugendlichen VR-Brillen, Tablets und andere Medien zur Verfügung, Social Media wird geschickt eingesetzt, um örtliche Kulturevents wie “Faszination am Fluss” aus der Taufe zu heben. Dass die Digitalisierung in Betzdorf-Gebhardshain zügiger als andernorts voranzuschreiten scheint, hat viele Gründe. Einer ist sicherlich, dass die Verbandsgemeinde taktisches Gespür bewies, als sie sich 2012 dazu entschloss, den Breitbandausbau auf eine Faust zu betreiben. Andererseits sind es aber Zuwendungen des Landes, die erst den finanziellen Spielraum für die weitere Experimente geschaffen haben.

Eine von drei Modellverbandsgemeinden Seit dem Jahr 2015 ist BetzdorfGebhardshain eine von insgesamt drei Testregionen in Rheinland-Pfalz. “Digitale Dörfer”, so heißt das Gemeinschaftsprojekt, das auf eine Initiative der Landesregierung und des Fraunhofer-Instituts in Kaiserlautern zurückgeht. Der Name ist sprechend, denn eingerichtet wurde die Kooperation mit dem Ziel, die Vorteile des digitalen Wandels auch für die ländlichen Regionen nutzbar zu machen. Unter Einbezug der Modellregionen arbeiteten Forscher des Instituts knapp zwei

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Wie rheinland-pfälzische Kommunen dem Landsterben digital entgegentreten

Noch braucht es Geduld und Überzeugungskraft (BS/Thomas Petersdorff) Der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain geht es wie vielen Kommunen des ländlichen Raums in Deutschland: Die Bevölkerung altert, junge Menschen zieht es arbeits- oder studienbedingt in die weitaus attraktiveren Städte. Oftmals ohne Rückkehr. Was folgt, Hingegen stößt nicht alles, was ist ein Teufelskreis, denn nicht selten bedeutet der Verlust an Humankapital auch einen Verlust an wirtschaftlicher Stärke. Um die Attraktivität der an digitalen Maßnahmen durcheigenen Gemeinden wieder aufzurichten, setzt man im Westerwald auf die Potenziale der Digitalisierung. Mit Apps wie “DorfFunk” oder “LieferBar” gesetzt wurde, auf positive Resosoll der Nachwuchs in der Region gehalten, die interkommunale Vernetzung verbessert werden. Und das größtenteils auch mit Erfolg, wie es scheint. nanz. Auch nicht im Leuchtturm-

Das Gehirn der Digitalisierung ist analog

Jahre an Strategien, wie digitale Lösungen sinnvoll im ländlichen Raum zu implementieren seien. Herausgekommen sind fünf Portale, die trotz unterschiedlicher Funktionen einen übergreifenden Zweck verfolgen: die bessere Vernetzung des örtlichen Lebens.

Digitale Pilotprojekte Dahingehend wird erklärlich, dass es sich in erster Linie um Kommunikationsportale handelt, die den interkommunalen Austausch vereinfachen sollen – und das durchaus mit Erfolg, wie Bernd Brato, Bürgermeister der Verbandsgemeinde, bestätigt. Derzeit beteiligten sich rund 700 Teilnehmer am sogenannten “DorfFunk”, einem digitalen Aushang, den Bürger nutzen, um Gesuche einzustellen oder miteinander in Kontakt zu treten. Angegliedert ist der Plattform ein Nachrichtenportal, die “DorfNews”, über das die Bürger der Verbandsgemeinde Informationen über das Dorfgeschehen einholen können. In Zukunft soll mit “LösBar” noch ein weiteres Tool hinzutreten, das den bereits etablierten “DorfFunk” um einen

Die Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain von Bürgermeister Bernd Brato gehört zu den digitalen Vorreitern in Rheinland-Pfalz. Foto: BS/Dombrowsky

Kommunikationskanal erweitert, mit dessen Hilfe die Bürger auf direktem Wege mit der Verwaltung in Kontakt treten können sollen. Eher wirtschaftlich ausgerichtet ist die Portalpaarung aus “BestellBar” und “LieferBar”. Ist erstere ein digitaler Marktplatz, auf dem ansässige Unternehmer ihre Ware einstellen und zum Verkauf anbieten, liegt der Schwerpunkt von zweiterem bei Fragen der Zustellungen. Obwohl

sich der Vergleich aufdränge, sei “BestellBar” dennoch kein pfälzisches Pendant zur US-Marke Amazon, betont Brato. Ziel sei es eher gewesen, der regionalen Unternehmerschaft im digitalen Raum weitere Märkte zu erschließen. Mehr noch: Da “LieferBar”, die distributive Seite, allein auf freiwilliger Basis von Bürgern betrieben werde, habe man auch das Wir-Gefühl in der Gemeinde stärken wollen.

Kurios ist bei alldem, dass die Digitalisierung der Gemeinde von einem analogen Ort aus betrieben wird. Im “Living Lab”, einem offenen Innovations-Ökosystem, treffen sich Entscheider, Unternehmer und Bürger, um an den technischen Neuerungen der Gegenwart teilzuhaben, sich fortzubilden oder eigene Vorhaben für die digitale Gestaltung der Heimat einzubringen. Der Leitgedanke hinter dem Projekt sei ein partizipativer gewesen, so Bürgermeister Bernd Brato, und das in gleich doppelter Hinsicht. Im “Living Lab” habe man eine Begegnungsstätte schaffen wollen, um die Akteure der Region zu vernetzen; von zentraler Bedeutung sei es dabei gewesen, den Bürger aktiv in alle Prozesse einzubinden. “Die Digitalisierung gehört in Bürgerhand”, erklärt Brato, “Dafür brauchen wir zweierlei: Zum einen muss die Einführung digitaler Lösungen als sinnstiftend empfunden werden; wir brauchen einen konkreten Nutzen. Zum anderen müssen Hemmungen abgebaut werden,

Mit Mensch und Maschine Zentrale Lösungen und digitale Unterstützung für das OZG (BS/Wim Orth) Es ist keine Neuigkeit von Sensationswert mehr, dass die deutsche Verwaltung einen enormen Entwicklungsrückstand im Vergleich zu anderen Ländern in der Europäischen Union bzw. der restlichen Welt hat, wenn es um die digitale Umsetzung von Prozessen und Dienstleistungen geht. Dieses „Debakel für die größte Volkswirtschaft des Kontinents“, wie Marco Brunzel, Bereichsleiter Digitalisierung und E-Government in der Metropolregion Rhein-Neckar es nennt, soll in absehbarer Zeit mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) gelöst werden. Dabei müssen nicht nur Menschen miteinander, sondern auch mit digitalen Helfern gut zusammenarbeiten. Dass die Digitalisierung von Staat und Verwaltung mit dem OZG inzwischen endlich eine hervorgehobene strategische Bedeutung erlangt hat, ist nicht mehr von der Hand zu weisen: Sie taucht im Koalitionsvertrag und im Nationalen Reformprogramm 2018 auf und ist mit einem Investitionsvolumen von zwei bis drei Milliarden Euro eingepreist. Zudem bringt die Herausforderung OZG eine einmalige Chance für die öffentliche Verwaltung, aus der Not eine Tugend zu machen und nachhaltige Kooperationsgeflechte und -verbünde aufzubauen. Ein Anfang ist hierbei mit der Arbeitsteilung von Bund, Ländern und Kommunen gemacht worden, die entlang vorab definierter Themenfelder und Lebenslagen viele Teams mit verschiedenen Konstellationen und Federführungen für die einzelnen Aufgaben gebildet haben. Aber nicht nur für die Verwaltung

bei Angelegenheiten auf die Verwaltung zuzugehen. Wo beides zusammenfindet, sind wir auf einem guten Weg.”

bieten sich Möglichkeiten, sondern auch bzw. ganz besonders für den Bürger: “Allein bei der Lebenslage Geburt müssen die Eltern innerhalb von rund sieben Monaten ganze elf Verwaltungsleistungen beantragen. Da gibt es ein riesiges Potenzial zur Vereinfachung der bisherigen Praxis”, so Brunzel. Die erste OZG-Phase der Labore habe bislang gute Ergebnisse gezeigt. Wichtig sei nun für die Zukunft, dass die technische Umsetzung der erarbeiteten Klick-Prototypen hin zu echten Prozessen erfolgreich gelingen könne.

Technik als Freund und Helfer Um die Deadline bis 2022 zu schaffen, müssen trotz allem Optimismus die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit so gut wie möglich für die Umsetzung der Prozesse nutzbar gemacht und in die Gestaltung des

OZG eingebunden werden. Eric Rietzke vom Forschungsprojekt SEMANAS an der Hochschule Trier sieht in Lösungen rund um die Künstliche Intelligenz (KI) ein zentrales Hilfsmittel für die Bearbeitung von Dienstleistungen mit immer gleichen, festen Abläufen. Dabei müsse man zunächst allerdings weg vom Label “KI”, da dies ein Oberbegriff für verschiedene Werkzeuge sei: “KI selbst gibt es so gar nicht. Was es gibt, sind Predictive Analysis, Deep Learning und Machine Learning als Beispiele für Anwendungen unter dem Oberbegriff KI. Für die Verwaltung ist dabei das Machine Learning im Normalfall das Werkzeug der Wahl”, erklärt der Wissenschaftler. Bei der Arbeit mit solchen Systemen sei es grundsätzlich wichtig, ein tiefgreifendes Vertrauen zwischen Mensch und Maschine aufzubauen: “Die Entscheidungen von digitalen Systemen

müssen auf Wissen und Fakten beruhen und mit diesen Parametern erklärbar sein, damit alles nachvollziehbar wird, was der Computer entscheidet.”

Prozessunterstützung für wissensintensive Prozesse Wenn all diese Voraussetzungen geschaffen sind, können digitale Systeme laut Rietz genutzt werden, um generalisierte Wissenszusammenhänge auf eine solche Art und Weise neu zu kombinieren und auf Fakten anzuwenden, dass daraus neue Zusammenhänge geschlussfolgert werden könnten. Diese Technik aus dem Bereich der Ontologie soll dabei helfen, eine Prozessunterstützung für wissensintensive Prozesse zu liefern, die bislang häufig ausschließlich von Menschen durchgeführt werden, weil eben jenes Wissen notwendig ist, um sie akkurat umzusetzen. Hier habe

die Hochschule Trier gemeinsam mit der dortigen Universität das wissensbasierte KI-System ODD-BP (kurz für “Ontology and Datadriven Business Process Modeling”) erarbeitet, um an dieser Stelle Abhilfe zu schaffen: “Das System ist modular ausbaubar und kann an verschiedene Branchen angepasst werden“, erklärt Rietz: “So könnte das System beispielsweise in Einsatzleitstellen eingesetzt werden, um mithilfe von vorher eingelerntem ärztlichem Know-how strukturiert die wichtigen Fragen zum aktuellen Einsatz zu stellen und daraus eine Empfehlung zu extrahieren, wie dem Patienten am besten geholfen werden kann.” Mithilfe menschlichen Wissens könnten die digitalen Systeme auf diese Weise auch bei den Fällen unterstützend eingreifen, bei denen bisher der denkende Mensch zwingend in den Prozess involviert sein musste.

projekt Betzdorf-Gebhardshain. So fiel das Interesse der ansässigen Unternehmerschaft, den Online-Marktplatz “BestellBar” als ökonomische Plattform urbar zu machen, vergleichsweise gering aus. Solange die gängigen Praktiken und Modelle noch funktionierten, sehe man vielerorts noch keinen Handlungsdruck, sich den neuen Technologien anzupassen, begründet der Bürgermeister die Zurückhaltung. Zwar sei inzwischen ein leichter Aufwind zu verspüren, zumal beim produzierenden Gewerbe, dem man die Vorteile des 3DDrucks nähergebracht habe, zulegen müsse der Beteiligungswille aber trotzdem. Andernfalls würde eine große Chance vertan, so Brato.

Es gibt Risiken der Digitalisierung Die Testregion BetzdorfGebhardshain ist ein Muster der Digitalisierung. Ein Muster in zweierlei Hinsicht. Einmal führt sie beispielhaft vor, wie digitale Mittel auf dem Land sinnvoll und mit einem gewissen Mehrwert einzubringen sind. Andererseits zeigt sie aber auch die spekulativen Risiken auf, die mit derartigen Strategien verflochten sind. Man nehme nur den Fall, dass sich ein Projekt nicht refinanzieren lässt, weil die örtliche Unternehmer- oder Bürgerschaft keinerlei Interesse bekundet. Der finanzielle Verlust wäre beträchtlich und für viele Kommunen nur schwer zu kompensieren. Denn in erster Linie fehlt es nach wie vor an den monetären Mitteln – ein Befund, der sich mit den Erfahrungen vieler anderer Kommunen deckt, nicht nur im Westerwald. In der Tat, die finanziellen Spielräume sind eng, die Ressourcen begrenzt. Darin sind sich die Kommunen in Rheinland-Pfalz einig. Hinzu treten Bedenken, was wird, wenn das staatliche Sponsoring aussetzt. Zwar gibt es einige Projekte, die sich in absehbarer Zeit amortisieren werden, das Betzdorfer Breitband zum Beispiel, das Gros bleibt aber auf Fremdfinanzierung angewiesen. Einig sind sich die Kommunen denn auch darin, dass nur kooperative Lösungen infrage kommen, um etwaige Mehrkosten kleinzuhalten. Wesentlich sei bei all dem jedoch, dass man sich nicht entmutigen lassen dürfe, den einmal beschrittenen Weg weiterzugehen, schließt Brato: “Man muss schlicht am Ball bleiben und einfach mal machen.”

Mobiles Informationszentrum

Unterstützung aus der Luft

Medizinische Datenerfassung

Mithilfe der Integrierten Leitstelle können alle Führungsstellen des Brandund Katastrophenschutzes miteinander verbunden werden. Dazu zählen neben den Kommunikations- auch die Feuerwehreinsatzzentralen sowie die Einsatzleitwagen. In diesem Knotenpunkt laufen alle Informationen über aktuelle Einsatzlagen zentral zusammen. Björn Barz (rechts) von der Berufsfeuerwehr Koblenz im Gespräch mit der Bad Kreuznacher Dr. Heike Kaster-Meurer und Staatssekretär Randolf Stich. Fotos. BS/Dombrowsky

Der Multikopter ist ein vielseitig einsetzbares Hilfsmittel, das u. a. der Vermisstensuche oder dem Katastrophenschutz dient. Er verfügt über eine Wärmebildkamera und kann dank eines speziellen Kabels auf unbestimmte Zeit in der Luft verbleiben. Die Steuerung erfolgt jeweils durch einen Piloten, einen Kameraoperator sowie eine Beobachtungsperson. Zur Auswertung der Aufnahmen stehen am Boden zwei portable Großbildschirme zur Verfügung. Kostenfaktor der mobilen Einsatzkraft: rund 30.000 Euro.

Zwecks lückenloser Dokumentation setzen die Fachkräfte des Rettungsdienstes auf digitale Neuerungen. Via Tablet werden Daten zu Anamnese, Diagnostik und etwaigen Maßnahmen direkt von der Leitstelle bezogen. Zudem können die Einsatzkräfte vor Ort die neu gesammelten Daten wiederum dem Profil hinzufügen. Dafür unterstützt das Tablet als Anbindungsmöglichkeiten eine Schnittstelle zu EKG- und Beatmungsgeräten sowie eine Kartenlesefunktion.


ÖFIT

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Behörden Spiegel / September 2019

Regelmäßige Themenseite in Kooperation mit:

KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

September 2019

Mit strategischer IT-Beschaffung zu digitaler Souveränität Informationstechnologie ist für den deutschen Staat inzwischen essenziell: Kaum eine öffentliche Aufgabe wird heute ohne IT-Einsatz erbracht. Entsprechend hat die Entscheidung, welche IT-­Lösungen für welche ­Aufgaben beschafft werden, Auswirkungen auf die ­Fähigkeit zur staatlichen Selbstbestimmung. Fast jede IT-Vergabeentscheidung verengt die Handlungsfreiheit: Die ineinandergreifenden Geschäftsprozesse der Verwaltung führen zu IT-Systemen, die über viele Schnittstellen miteinander integriert sind. Ist beispielsweise eine Software erst einmal mit vor- und nachgelagerten Systemen verbunden, ist der Aufwand, dieses System auszutauschen, sehr hoch. Handelt es sich dabei um proprietäre Software, kommt es leicht zu Lock-in-Situationen, in denen der Staat von einzelnen Technologieunternehmen abhängig wird. Mit der IT-Konsolidierung gewinnt dieser Effekt noch an Tragweite, da jede Beschaffungsentscheidung für noch mehr Verwaltungseinheiten gilt. Wie viel Souveränität der Staat bei einer IT-Beschaffungsentscheidung aufgibt, sollte eine bedachte Entscheidung sein. Derzeit wird die Kritik lauter, dass der Staat in seiner Abhängigkeit von großen Soft-

Geschäftsprozesse der Bedarfsstellen sowie die Produktmärkte kennen. Das bestehende Vergabeinstrumentarium hält die Mittel für eine strategischere Beschaffung bereits vor. Beispiele sind die funktionale Leistungsbeschreibung, bei der die zu lösende Aufgabe statt eines konkreten Produkts beschrieben wird, die Wirtschaftlichkeitsberechnung auf Grundlage der Lebenszykluskosten, Innovationspartnerschaften, die Investitionssicherheit für Produktinnovationen bieten, oder die Quellcodehinterlegung (“Escrow”), die das Problem verwaister proprietärer Software lösen kann. Diese Instrumente gilt es jedoch kreativer und zielgenauer auszuschöpfen, um die facettenreichen strategischen Ziele des Einkaufs zu erreichen.

Heutige Vergabeentscheidungen bestimmen die Handlungsmöglichkeiten von übermorgen. Deshalb sollte der Foto: BS/www.maxpixel.net, Colors-Market-Display-Power-Fruit-2443521 Staat IT strategischer beschaffen. wareherstellern und IT-Beratungen kaum noch Herr seiner eigenen IT sei. Je tiefer proprietäre Schnittstellen und Datenformate bei der fortschreitenden Digitalisierung der Verwaltung in die öffentlichen IT-Systeme integriert werden, desto unauflöslicher werden die Abhängigkeiten. Angesichts dessen muss die IT-Vergabe strategischer werden. Derzeit zielt der Einkauf vorwiegend auf die Rechtskonformität des Verfahrens sowie die kurzfristige Wirtschaftlichkeit des Angebots. Sekun­ därziele wie die Förderung von Mittelstand, Innovation sowie ökologische und soziale Standards werden im Vergabealltag oft nur oberflächlich einbezogen. Dabei haben die Vergabestellen, die meist als Serviceeinheiten angelegt sind, derzeit weder

Ressourcen noch ein Mandat, um strategischer zu agieren. Eine strategische IT-Beschaffung nimmt nachhaltig die langfristige Wirkung der Einkaufsentscheidung in den Blick, kennt die Branche und bewertet ganzheitlich aus verschiedenen strategischen Perspektiven. Diese strategischen Perspektiven ergeben sich aus den bestehenden Primär- und S­ ekundärzielen der Vergabe wie Wirtschaftlichkeit oder Beschäftigungsförderung, aber auch aus der Betriebslogik der jeweiligen Behörde sowie den übergeordneten IT-Strategien. Dies kann beispielsweise die Bewertung aus Sicht der IT-Sicherheit sein, wie viel Mehraufwand bei der IT-Steuerung entsteht, oder die voraussichtliche Akzeptanz der Benutzer-

oberfläche bei den Nutzer/-innen. Je nach Aufgabe sind unterschiedliche Perspektiven heranzuziehen und zu gewichten. Die Verwaltung braucht Organisations­ strukturen und Mandate für die strategi­ sche Beschaffung Allein das Vorhandensein weiterer Anbieter von Software für bestimmte staatliche Aufgaben stärkt bereits die Souveränität des Staates, da ihm die Option offensteht, zu alternativen Systemen zu wechseln. Im Sinne der digitalen Souveränität des Staates empfehlen wir, Organisationsstruk­ turen und Mandate für die strategische Beschaffung einzuführen. Eine solche Stelle sollte nicht nur einen Überblick über die IT-Steuerung besitzen, sondern auch die

IT-Beschaffung als Schlüssel zur d ­ igitalen Souveränität Die Beschaffung ist ein Schlüssel zu Herstellung und Erhalt der digitalen Souveränität. Beispielsweise können Lock-in-Effekte durch Vergabemodalitäten vermieden wer­den, die offene Standards, modulare Softwarearchitekturen und Freie Software fördern sowie variantenreiche Softwarehersteller-Ökosysteme pflegen. Ziel einer mit strategischer Weitsicht betriebenen IT-Beschaffung ist vor allem, die Handlungsfreiheit der öffentlichen Hand in Bezug auf ihre IT-Systeme zu maximieren und so die digitale Souveränität des Staates zu gewährleisten. Mehr zum Thema lesen Sie in unserem neuen Whitepaper “Strategische Beschaffung in der IT-Konsolidierung” unter: www.oeffentliche-it.de/ publikationen.


Behörden Spiegel / September 2019

Smart Country Convention

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Smart Country Convention

Foto: ©Stefan Körber, stock.adobe.com

Digitize Public Services Congress / Workshops / Expo Citycube Berlin, 22. - 24. Oktober 2019

Smart, smarter, Smart Country Convention

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as dreitägige Event des Verbandes der Digitalbranche Bitkom und der Messe Berlin verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz. Verantwortliche und Experten aus Verwaltung, Politik und Wirtschaft können sich auf den Bühnen über Erfahrungen aus der Praxis und aktuelle Projekte informieren. Eine großflächige Ausstellung bietet Digitalisierung zum Anfassen. In zahlreichen Workshops wird gezielt Knowhow vermittelt. Der Behörden Spiegel unterstützt die Veranstaltung als Medienpartner. Da man besonders von den Besten lernt, holt sich der Bitkom einen echten Vorreiter der Verwaltungsdigitalisierung zur Unterstützung. Litauen ist in diesem Jahr Partnerland. Gemeinsam mit Schirmherr Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wird der Wirtschaftsminister Litauens, Virginijus Sinkevičius, die Smart Country Convention eröffnen. Was in Deutschland in den nächsten Jahren gemäß Onlinezugangsgesetz (OZG) mit einem gemeinsamen Kraftakt erst noch erreicht werden soll, ist dort schon weitgehend geschafft: Neun von zehn Behördengängen können online erledigt werden.

Impulse für den digitalen Aufbruch (BS/stb) Es herrscht Aufbruchstimmung in der öffentlichen Verwaltung. Teils meint man gar so etwas wie Abenteuerlust zu wittern. Bund, Länder und Kommunen treibt es ins digitale Zeitalter. Immer mehr Gehör bekommt die Auffassung, dass Digitalisierung nicht auf Technik zu reduzieren ist, sondern einen tiefgreifenden Kulturwandel markiert. Behörden versuchen sich an agilen Methoden und interdisziplinärer Projektarbeit. Kundenzufriedenheit wird zum neuen Maßstab dafür, wie erfolgreich der Dienstleister Verwaltung handelt. Ganz Mutige fordern sogar einen positiven Umgang mit Fehlern, damit die Angst vor dem Scheitern als Hürde wegfällt. Ein wichtiger Antreiber auf diesem spannenden Weg ins Digitale ist die Smart Country Convention. Die Smart Country Convention steht unter dem Motto “Digitize Public Services”. Folgerichtig ist die OZG-Umsetzung eines der Kernthemen des Events und wird gleich zweimal ausführlich im Programm behandelt. Am 23. Oktober widmet sich ab 15:30 Uhr ein Panel unter anderem mit dem IT-Planungsratsvorsitzenden Hans-Henning Lühr der Digitalisierung von Verwaltungsdiensten. Am 24. Oktober wird der Staatssekretär im Bundesinnenministerium Klaus Vitt ab 14:30 Uhr einen Aus- und Rückblick zur OZG-Umsetzung geben (einen Vorgeschmack gibt es im Gastbeitrag auf Seite 30). Das Land ist nur so smart wie seine Kommunen. Darum gilt digitalen Vorreiter-Städten in Deutschland besondere Auf-

Zum zweiten Mal laden Bitkom und Messe Berlin zur Smart Country Convention in den CityCube Berlin. Der Behörden Spiegel ist als Medienpartner an Bord. Foto: BS/Messe Berlin GmbH

merksamkeit (mehr zu Smart Cities auf Seite 32). Doch es darf nicht bei Leuchttürmen bleiben. Aus Smart Cities sollen Smart Regions, aus Smart Regions ein Smart Country werden. Im “Forum Digitale Städte” am 2. Kongresstag ab 10 Uhr sowie im “Forum Digitale ländliche Räume” am 3. Kongresstag ab 11 Uhr präsentieren die kommunalen Spitzenverbände neueste Entwicklungen und setzen Impulse für die Digitalisierung an den Schnittstellen von Verwaltung, Wirtschaft und Bürgern. Weitere Programm-Höhepunkte drehen sich um innovative Mobilitätskonzepte, digitale Arbeit, digitale Gesundheitsversorgung und digitale Polizeiarbeit in Stadt und Land oder die europäische Digitalpolitik. Insgesamt erwarten die Teilnehmer rund 300 Sessions, mehr als 300 Redner und über 100 Partner und Aussteller. Mit schon 10.000 Voranmeldungen wird die Smart Country Convention 2019 ihre erfolgreiche Premiere im Vorjahr noch übertreffen. Weitere Informationen, das vollständige Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung unter: www.smartcountry.berlin

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Smart Country Convention

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er Bundesgesetzgeber hat hier bereits wichtige gesetzliche Grundlagen geschaffen. Zu erwähnen wären das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (eGovG) und besonders das Onlinezugangsgesetz (OZG). Verstärkend kommt seit September 2018 die Verpflichtung aus der EU-Verordnung über die Einrichtung eines zen­ tralen digitalen Zugangstors (Single Digital Gateway, SDG) hinzu. Aber der Reihe nach: Mit der Einführung des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung (eGovG) im Jahr 2013 wurde eine Möglichkeit geschaffen, um die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zu erleichtern. Das Gesetz ermöglicht Bund, Ländern und Kommunen, einfachere, nutzerfreundlichere und effizientere elektronische Verwaltungsdienste anzubieten.

Dienste aus einer Hand anbieten Dabei wurden Anreize geschaffen, um die Prozesse zu strukturieren und nutzerfreundliche, ebenenübergreifende Verwaltungsdienstleistungen “aus einer Hand” anzubieten. Perspektivisch sollen sämtliche Verwaltungsleistungen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen vollständig elektronisch, ohne Medienbruch

Behörden Spiegel / September 2019

Vom Antrag bis zur Archivierung Medienbruchfreies digitales Verwaltungshandeln (BS/Klaus Vitt) Das Verwaltungshandeln ist bisher durch eine Vielfalt bei der Medienwahl geprägt. “Schriftlich oder elektronisch” lautet eine Standardformulierung in den Gesetzestexten, wenn es um die Darbringung von Verwaltungsleistungen geht. Diese Vielfalt ist für die Effizienz des Verwaltungshandelns eher hinderlich, insbesondere wenn dadurch unterschiedliche Medienformate bearbeitet werden müssen. Solche Medienbrüche sind für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Beschäftigte der Verwaltung aufwendig und teuer. Sie bergen die Gefahr einer bürokratischen Abwicklung und ziehen eine Verlangsamung in der Bearbeitung nach sich. Die Effizienz der Verwaltung kann nur gewährleistet werden, wenn eine flächendeckende medienbruchfreie Bearbeitung gegeben ist. zugänglich gemacht werden. Vom Antrag bis zur Archivierung sollen sämtliche Prozesse der Verwaltung medienbruchfrei sein.

Ziel: flächendeckende Digitatilsierung der Verwaltung Der nächste große Schritt zur Digitalisierung der Verwaltung ist das 2017 verabschiedete Onlinezugangsgesetz (OZG), das die flächendeckende Digitalisierung der Verwaltung Deutschlands zum Ziel hat. Bis Ende 2022 sollen Bund und Länder ihre Verwaltungsleistungen elektronisch über Verwaltungsportale anbieten, ihre Portale zu einem Portalverbund verknüpfen und im Portalverbund Nutzerkonten bereitstellen, über die sich die Nutzer einheitlich identifizieren können. Bei der OZGUmsetzung legt der Bund den Fokus nicht nur auf eine medienbruchfreie Erbringung von

Verwaltungsleistungen zwischen Bürgern bzw. Unternehmen und der Verwaltung, sondern ist bestrebt, diese auch bei der Bearbeitung innerhalb der Verwaltung sicherzustellen. Neben der IT-Konsolidierung und der flächendeckenden Einführung der E-Akte werden auch die Prozesse des Verwaltungsverfahrens sowie die Organisations- und Verarbeitungsprozesse innerhalb der Verwaltung permanent geprüft und angepasst. Zudem steht die medienbruchfreie Abwicklung von Verwaltungsleistungen auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene im Digitalisierungsprogramm zur Umsetzung des OZG und den Digitalisierungslaboren auf der Agenda. Die digitalen Services werden im Rahmen des OZG so umgesetzt, dass eine medienbruchfreie Bearbeitung der Anliegen in der Verwaltung

Ohne Kulturwandel undenkbar Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung (BS/Juliane Löschner) “Du musst selbst zu der Veränderung werden, die du in der Welt sehen willst.” Dieser berühmte Satz von Mahatma Gandhi inspiriert uns bis heute. Auch wenn er damals sicher nicht die digitale Transformation im Sinn hatte, ist sie eine solche Veränderung, die die öffentliche Verwaltung erfolgreich und nutzenbringend umsetzen möchte. Verwaltung steht der Mensch im Fokus und dieser muss die VeränJuliane Löschner ist Senior Consultant derung verstehen, für den Bereich Public begleiten und umSector bei Capgemini setzen! Invent. Es trifft zu, dass deutsche BehörFoto: BS/Capgemini den nicht gerade als Vorreiter bei der Digitalisierung herhalten können. Gleichwohl ist eine differenzierende und vorurteilsfreie Damit dies auch gelingt, ist Betrachtung angebracht, um zu dringend ein Kultur- und Füh- bestimmen, wo die Verwaltung rungskräftewandel erforderlich. heute steht, welche DigitalisieDie öffentliche Verwaltung ist rungsansätze sie verfolgt und aufgefordert, ein ganzheitliches wie sie den Herausforderungen Verständnis für den digitalen begegnen kann. Wandel zu entwickeln und ihre Transformation voranzutreiben. Fünf Thesen der digitalen Transformation Der Aufruf dazu kommt zum einen von der Politik, aber noch Der Marktanalyst teknowlogy viel mehr aus der Gesellschaft, Group und der IT-Dienstleister also von den Bürgerinnen und Capgemini Invent wollten von ExBürgern. perten und Führungskräften der öffentlichen Verwaltung genauer Der Mensch im Fokus wissen, wie sie einzelne Aspekte Auch wenn die öffentliche Ver- des Kulturwandels im Zuge der waltung das generell begrüßt, digitalen Transformation bewersteht sie doch vor Herausforde- ten. Die Befragten wurden dazu rungen, die teilweise von denen mit folgenden fünf Thesen konin der Privatwirtschaft abweichen frontiert und um ihre Einschätund die Umsetzung erschweren. zung dazu gebeten: Um die Modernisierung der Ver- 1. Viele Projekte der öffentlichen waltung in Deutschland voranVerwaltung adressieren ledigzutreiben, müssen viele Hebel in lich das Lösen akuter Pro­ Bewegung gesetzt werden, allerbleme, anstatt eine wirkliche dings in einem Rahmen, in dem Vision für die digitale Zukunft die beteiligten Menschen diesen zu entwickeln. Weg auch mitgehen können und 2. Digitalisierung ist Chefsache! wollen. Auch bei der öffentlichen 3. Neben rein fachlichen Skills

sind für Verwaltungsmitarbeitende insbesondere Kreativität, Innovationsfähigkeit, Auftraggeberkompetenz, digitale Führungskompetenz, soziale Aspekte und agiles (Projekt-) Management immer entscheidender. 4. D er Wunsch der Mitarbeitenden nach Veränderung, Beteiligung und Mitgestaltung sowie das daraus resultierende Potenzial werden von Führungskräften vielfach unterschätzt. 5. Die Verwaltung benötigt mehr Ergebnisorientierung.

möglich ist. Für die Umsetzung der digitalen Services werden sowohl einheitliche Vorgaben für den Aufbau und die Gestaltung der Formulare auf Basis von Datenfeldern nach der Methodik des Föderalen Informationsmanagements (FIM) entwickelt als auch für die Modellierung der darin abgefragten Daten alle relevanten Standards und Anforderungen an Interoperabilität berücksichtigt. So können die Daten medienbruchfrei in Folgesysteme zur weiteren Bearbeitung übernommen werden.

EU-Grenzen überschreiten Nachdruck erhält diese Ausrichtung auf medienbruchfreie Prozesse durch den Beschluss

des Europäischen Parlaments und des Rates im September 2018 zum Single Digital Gateway (SDG), demzufolge in den kommenden fünf Jahren ein einheitliches digitales Zugangstor zu den Verwaltungsleistungen der Europäischen Union (EU) und der Mitgliedsstaaten eingerichtet werden muss. Dazu wird die bereits bestehende digitale EU-Plattform “Your Europe” aus- und umgebaut. Mittels des SDG sollen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen nutzerfreundlich online Zugriff

auf Informationen, Verfahren und Hilfs- und Problemlösungsdienste in allen EU-Mitgliedsstaaten erhalten. Zudem sollen 21 ausgewählte Verwaltungsverfahren grenzüberschreitend in allen Mitgliedsstaaten für EU-Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen so bereitgestellt werden, dass sie vollständig medienbruchfrei online abgewickelt werden können. Auf dem Weg zu einer medienbruchfreien Verwaltung sind damit wichtige Grundlagen gelegt, es gilt nun, diese in erfolgreiche, nutzerorientierte Services umzusetzen. Klaus Vitt wird auf der Smart Country Convention am 24. Oktober einen Ausblick auf die weitere OZG-Umsetzung geben.

Klaus Vitt ist seit 2015 Staatssekretär beim Bundesminister des I nnern und Beauftragter ­ des Bundes für Informations­ technik. Foto: BS/BMI

Hamburg bleibt IT-Hauptstadt Digitalverband veröffentlicht Länderranking (BS/pet) Es liegt noch nicht lange zurück, da meldete der Digitalverband Bitkom, dass die ITK-Branche inzwischen zu den größten Märkten ganz Deutschlands zählt. Nun legte der Verband eine Statistik nach, die sich der Klärung der Frage widmet, welche Regionen den informationstechnologischen Boom im Land denn am ehesten vorantreiben. Dabei zeigte sich: Deutschlands digitaler Motor liegt hoch im Norden, in der Hansestadt Hamburg. Zwar ist Hamburg nicht numerischer Spitzenreiter – das ist mit über 165.000 ITK-Beschäftigten der Freistaat Bayern –, prozentual gesehen liegt die Hansestadt im bundesdeutschen Vergleich aber weit vorne: Insgesamt 4,1 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Bürgerinnen und Bürger arbeiten hier im Bereich neuer Technologien. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Zuwachs von 0,1 Prozentpunkten. Tendenz sogar noch steigend, wie Bitkom-Präsident Achim Berg

prognostiziert: “Neue digitale Geschäftsmodelle, Technologien und Prozesse machen überall IT-Know-how unentbehrlich und steigern die Nachfrage nach ITFachkräften. Die meisten Jobs gibt es in den Großstädten und in den strukturstarken Regionen.” Das gilt auch für den zweiten Platz des Rankings. Mit 0,2 Punkten Zuwachs zog Berlin mit nun insgesamt 3,2 Prozent an Hessen vorbei, das mit 3,1 Prozent auf Platz drei zurückfiel. Es folgen Baden-Württemberg und Bayern;

auch Bremen und NordrheinWestfalen erreichen den Bundesdurchschnitt, der aktuell bei 2,4 Prozent liegt. Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern, das – sowohl in absoluten Zahlen (5.118) als auch prozentual (0,9 Prozent) – erneut den letzten Platz belegt. Grundlage der Erhebung sind von der Bundesagentur für Arbeit (BA) bezogene Daten zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in Deutschland.

Governikus auf der Smart Country Convention Chancen zur Digitalisierung durch gesetzliche Herausforderungen nutzen

(BS/Petra Waldmüller-Schantz*) Das Onlinezugangsgesetz (OZG), das E-Rechnungsgesetz, das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, Multikanal, Plattformen und Gateways, Interoperabilität sowohl im Bereich von E-Delivery, E-Signature als auch bei eID: Die Aktivitäten und Entwicklungen haben sowohl in Das Thesenpapier zeigt: Die Deutschland als auch bei unseren europäischen Nachbarn rasant an Fahrt aufgenommen.

Erkenntnis ist nicht das Problem

Behörden sind in Sachen Digitalisierung weniger mit einem Erkenntnis- als mit einem Umsetzungsproblem konfrontiert. Hierbei ist es sinnvoll, die Gründe zu kennen und aus ihnen zu lernen. Über die Vorteile der digitalen Transformation wird aktuell weit weniger debattiert als über den geeigneten Weg für die jeweilige Behörde. Welche Erfolgsfaktoren sind es, die diesem Wandel den Weg ebnen? Und auf welche Hürden stoßen öffentliche Verwaltungen auf ihrem Weg in die digitale Zukunft? Das Thesenpapier liefert hierzu ein aktuelles Stimmungsbild und wertvolle Anregungen.

Das gesamte Thesenpapier finden Sie unter dem Link: www. capgemini.com/de-de/kultur wandel.

Basisdienste und Webservices, um diese in wachsende und vernetzte Infrastrukturen zu inte­ grieren und den vielen einzelnen Prozessworkflows gebündelt “vor der Klammer” zur Verfügung zu stellen, sind wichtige Bestandteile auf dem Weg in die digitale Zukunft der Verwaltung.

Die Rolle von eID und E-Signature Im Zuge der OZG-Umsetzung spielen die sogenannten Nutzerkonten eine wichtige Rolle. Denn ohne sich an den entsprechenden Portalen auf den jeweils unterschiedlichen und benötigten Vertrauensniveaus anmelden zu können und so durch ein entsprechendes Mittel seine Identität nachweisen zu können, können viele der OZG-Geschäftsvorfälle nicht medienbruchfrei umgesetzt werden. Benutzername und Passwort sind zwar einfach, werden aber im Regelfall als Vertrauensanker nicht ausreichen. Die Online-Ausweisfunktion ist da schon eher ein probates Mittel. Sie ist nicht nur auf dem höchsten Vertrauensniveau angesiedelt und im Kontext der eIDAS-Verordnung bei der EU notifiziert (sprich, andere EU-Mitgliedsstaaten müssen diese ebenfalls anerkennen), sie dient auf Basis des E-Government-Gesetzes auch der Schriftformwahrung.

Auch wenn “nur” ca. zehn Prozent aller OZG-Geschäftsvorfälle schriftformwahrend durchgeführt werden müssen, so sind diese doch nicht zu vernachlässigen. Die Herausforderung dabei ist, dass längst nicht alle Bürger und Bürgerinnen über eine aktivierte Online-Ausweisfunktion verfügen. Die Signatur­karte mit einer qualifizierten elektronischen Signaturkarte mit der benötigten Hardware, um Anträge beziehungsweise Dokumente schriftformwahrend zu signieren, hat sich bei Bürgern und Bürgerinnen nicht durchgesetzt. Die eIDAS-Verordnung schafft hier Abhilfe: Sie ermöglicht die Anbringung sogenannter Fernsignaturen. Hier befindet sich das Schlüsselmaterial in einem sicheren Rechenzentrum der sogenannten Vertrauensdienste­anbieter, wie zum Beispiel der Bundesdruckerei, des Bank-Verlags, von T-Systems, der Deutschen Post oder anderen europäischen zertifizierten Anbietern, und können über eine sichere elektronische Identität ausgelöst werden. Diese Identität kann zum Beispiel ein registriertes Nutzerkonto, das zuvor auf einem höheren Niveau als Benutzername/Passwort eingerichtet wurde, oder ein Bankkonto im Online-Banking sein. Die zu unterzeichnenden Dokumente bzw. Daten werden

nach Bestätigung durch das Nutzerkonto beziehungsweise Online-Konto als Hashwert an einen Vertrauensdiensteanbieter übermittelt, der diesen dann si­ gniert und wieder zurücksendet. Dieses “Konstrukt” ermöglicht es nahezu allen Nutzern von OZG-Geschäftsvorfällen, diese medienbruchfrei und vollständig online durchführen zu können.

Neues von der AusweisApp2 Seit einigen Jahren kann die Online-Ausweisfunktion auf NFCfähigen Android-Smartphones auch ohne zusätzliche Hardware genutzt werden. Außen vor waren bisher iOS-User. Doch nun hat Apple die NFC-Schnittstelle freigegeben. Ab Herbst 2019 wird es mit dem neuen iOS-Release möglich sein, diese Schnittstelle zu bedienen. Natürlich wird es dann zeitnah auch eine AusweisApp2 geben, die es iPhone-Nutzern erlaubt, die Online-Ausweisfunktion ebenfalls mit ihrem Smartphone zu nutzen. Diese und viele weitere Themen präsentiert Governikus auf der Smart Country Convention. Sprechen Sie mit unserem Team vor Ort, wir freuen uns auf Ihren Besuch! *Petra Waldmüller-Schantz ist Director Communications bei Governikus.


Smart Country Convention

Behörden Spiegel / September 2019

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olche Bemühungen sind jedoch weit davon entfernt, die Herausforderungen zu lösen, die sich uns durch die aktuelle digitale Transformation stellen. Was wir sehen, ist ein deutlicher Mangel an Synergien zwischen privaten und öffentlichen Dienstleistern. Infolgedessen entstehen in den Städten häufig siloartige Lösungen, die keine agilen, datengesteuerten, erschwinglichen, interoperablen und bürgernahen Dienste in ihrer Gesamtheit ermöglichen. Es ist wohl an der Zeit, dass die Stadtverantwortlichen die neuartige Infrastruktur, die zur Erreichung einer solchen Vision erforderlich ist, besser verstehen (und vollumfänglich annehmen). Der Sprung in die “Society 5.0” (Japans Vision der digitalen Zukunft) ist einzigartig und erfordert Technologien wie Big Data, Internet of Things (IoT), künstliche Intelligenz (KI) oder Robotik, die in jeder einzelnen Branche verschmelzen und zum Rückgrat unseres sozialen Lebens werden. Darüber hinaus erfordert eine solche Umstrukturierung auch, dass die öffentlichen Verwaltungen von nach innen gerichteten, fragmentarisch orientierten Organisationsstrukturen zu hochgradig kollaborativen Organisationen (zu denen Privatunternehmen, gemeinnützige Organisationen, Sozialunternehmen und Bürger gehören) übergehen, um nahtlose öffentliche Dienste bereitzustellen und so den Fortschritt einer Informationsgesellschaft voranzutreiben. Deutschland ist bei der Digitalisierung im Bereich der Fertigungsindustrie (Industrie 4.0) weltweit führend. Diese digitale Umsetzungskompetenz hat in Deutschland in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung noch keine Umsetzung gefunden. Im europäischen Vergleich belegt Deutschland sogar einen der letzten Plätze bei der Digitalisierung

Für eine smarte Zukunft Privater und öffentlicher Sektor müssen rasch ihre Kräfte bündeln (BS/Ulrich Ahle*) Es wird erwartet, dass die Weltbevölkerung bis 2030 auf 8,5 Milliarden und bis 2100 auf 11,2 Milliarden Menschen anwachsen wird. Das bringt eindeutig eine Vielzahl von geopolitischen und wirtschaftlichen Fragen mit sich, die beantwortet werden müssen. Sind unsere Städte, Kommunen und Institutionen diesen Herausforderungen in Verbindung mit umweltpolitischen Aufgaben und einer sich verändernden Altersstruktur gewachsen? Erste “smarte” Lösungen sind bereits Realität, da öffentliche Verwaltungen, Industrie und Bürger die Daten von mobilen Endgeräten, Sicherheitskameras, Sensoren oder interaktiven Bildschirmen nutzen, um die Art und Weise, wie wir miteinander leben, arbeiten und zusammenarbeiten, zu verbessern.

Deutschland findet sich im aktuellen DESI Report auf einem der letzten Plätze wieder.

im öffentlichen Bereich, wie es die Grafik der Europäischen Kommission belegt. In Ländern wie Finnland, Estland, Spanien oder den Niederlanden befindet sich die Digitalisierung im öffentlichen Bereich häufig auf Augenhöhe mit der Digitalisierung in der Industrie. Der Mentalitätswechsel in den öffentlichen Verwaltungen muss das Verständnis miteinschließen, dass es bei der digitalen Transformation nicht nur um innovative Technologien geht, sondern auch um signifikante Veränderungen in der Führungsstruktur. Um die Vision von einem stärkeren Wettbewerb und mehr Wohlstand für die Bürger zu verwirklichen, müssen die öffentlichen Verwaltungen bereit sein, von den besten Praktiken des Privatsektors

und der intelligenten Städte weltweit zu lernen. Ob es darum geht, zu entscheiden, wie man von A nach B kommt oder ob man zu einem überfüllten Sonntagsmarkt geht oder nicht… es sind die Bürger, die dies selbst entscheiden möchten. Solange neue Anwendungen einen bequemen, aussagekräftigen und zeitnahen Zugang zu den von ihnen benötigten Diensten ermöglichen, werden die Nutzer diese Daten instinktiv verstehen und nutzen. Denn sie verbessern ihre Lebensqualität. Vorausgesetzt, sie erfolgen auf offene, private und sichere Weise – unabhängig davon, ob sie ihre personenbezogenen Daten für sich behalten oder sie für das öffentliche Wohl zur Verfügung stellen.

Digitalakademie@bw Qualifizierung und Innovationen für digitale Verwaltungen im Ländle (BS/Steffen Braun*) Digitalisierung ist für Baden-Württemberg kein Neuland: Schon seit 2009 gibt es das Bürgerportal “service-bw”. Und spätestens seit 2016 ist Digitalisierung in Baden-Württemberg auch Chefsache. Schon bevor die Bundesregierung 2018 in Berlin ihre Strategie veröffentlichte, hatte das “Ländle” einen eigenen Plan fertig: Im Juli 2017 stellte die Landesregierung als erstes Bundesland die 112-seitige Digitalstrategie “digital@bw” offiziell vor. Dabei stellt die Zukunftssicherung der öffentlichen Verwaltungen eines der zentralen Handlungsfelder für den Innovationsstandort Baden-Württemberg mit über 10,5 Millionen Einwohnern in 1.101 Kommunen und 35 Landkreisen dar. Eines der Leuchtturmprojekte zur Bewältigung dieser Herausforderung bildet die Digitalakademie@bw – ein strategisches Verbundprojekt des Innenministeriums und aller kommunalen Spitzenverbände, dem 2018 fusionierten IT-Dienstleister ITEOS, der etablierten Führungsakademie BW sowie dem Fraunhofer IAO und der Universität Stuttgart als Innovationspartner. Mittlerweile kann sie in der zweijährigen Pilotphase auf eine erste Halbzeitbilanz zurückblicken: In der bisherigen Zusammenarbeit wurden über 860 Führungskräfte in den Verwaltungen erreicht, 274 Kommunen und Landkreise unterstützt, 348 Digitallotsen ausgebildet, 81 Kommunen bei Innovationsprozessen begleitet, 34 meist regionale Veranstaltungen und Workshops angeboten und 16 digitale Verwaltungsprozesse in die Entwicklung gebracht. Gemeinsames Ziel ist es, bis Ende der Pilotphase so viele Kommunen und Landkreise wie möglich zu vernetzen und mit den passgenauen Angeboten für die Digitalisierung zu erreichen. Die Digitalakademie@bw knüpft da an, wo bisherige Innovationspolitik oft aufhört – beim einzelnen Förderprojekt. In Baden-Württemberg wird dies von Anfang an zusammengedacht: unterschiedliche Förderformate wie “Future Communities 4.0”, welches 2019 in der mittlerweile

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In Formaten wie dem Digital.Labor erprobt die Digitalakademie@bw innovative Vorgehensweisen zur ko-kreativen Entwicklung von Lösungen für städtische Herausforderungen. Foto: BS/Fraunhofer IAO, Universität Stuttgart IAT

dritten Auflage wohl die 175. Kommune für ein innovatives Digitalprojekt in Baden-Württemberg fördern wird und Digitalisierungsprojekte so in die Fläche bringt, bis zu “Digitale Zukunftskommunen@bw” mit Strategieförderung, Leuchtturmprojekten sowie weiterführenden Umsetzungsprämien und wissenschaftlichen Transferformaten. Hier setzt die Digitalakademie@bw an und unterstützt bedarfsgerecht durch Qualifizierung, Wissenstransfer, Innovationsprozesse sowie Kulturwandel in allen interessierten Rathäusern und Landratsämtern. Ein begleitender Expertenkreis der kommunalnahen Wirtschaft und Wissenschaft schafft zusätzliche Unterstützung in regionalen

Formaten wie Digital.Laboren oder kommunalen Innovationstagen in verschiedenen Teilen des Landes. Durch die gemeinsame Geschäftsstelle aller Partner werden kontinuierlich gute Praxisbeispiele ausgetauscht und neue Transferformate vorbereitet.

Save the Date Das jährliche landesweite Innovationsfestival “Morgenstadt:Werkstatt” der Digitalakademie@bw findet am 5./6. März 2020 in Rottweil statt – erwartet werden bis zu 1.000 Teilnehmer. *Steffen Braun, Fraunhofer IAO, ist Leiter der Geschäftsstelle der Digitalakademie@bw mit Sitz in Stuttgart.

Die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen hat gerade eine hilfreiche (elektronische) Hand erhalten. Wenn ineffiziente öffentliche Verwaltungen ein ungünstiges Preis-LeistungsVerhältnis für das Geld der Steuerzahler bieten, bleibt dies von Wählern und Aufsichtsbehörden nicht unbemerkt. Daher ist es von größter Bedeutung, die Effizienz und Reaktionszeit zu verbessern. In dieser Hinsicht ist die Digitalisierung interner Arbeitsabläufe innerhalb öffentlicher Verwaltungen nur eine der Möglichkeiten, sich grundlegend verändern zu können. Das Potenzial hat mindestens zwei Dimensionen: Als Eckpfeiler nachhaltiger und integrativer Städte können digitale Technologien qualitativ hochwertige,

Grafik: BS/DESI 2019, Europäische Kommission

nutzerorientierte digitale öffentliche Dienste für Bürger und Unternehmer liefern. Im Gegenzug kann das Management öffentlicher Dienste besser gehandhabt werden, was die Rechenschaftspflicht, das Vertrauen und die wirtschaftliche Entwicklung fördert.

Das FIWARE-Ökosystem Um unter anderem die Bedeutung dieser Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft zu thematisieren, findet der FIWARE Global Summit am 23. und 24. Oktober erstmals im CityCube in Berlin statt. In Zusammenarbeit mit der Smart Country Convention bringt er renommierte Referenten aus den Bereichen Smart City, Smart Industry, Smart Agrifood

und Smart Energy zusammen und präsentiert rund 1.000 Stadtvertretern, Entwicklern, Vordenkern, Unternehmern, KMUs, Großunternehmen, Start­ ups und Investoren die neuesten digitalen Lösungen auf der Grundlage anerkannter OpenSource-Technologie. Mit mehr als 70 Vorträgen, Panels, Workshops und Keynotes zu innovativen Open-Source-Technologien bringt diese Ausgabe des Summits eine Neuerung mit sich: Der Smart-Cities-Track ist für Teilnehmer der Smart Country Convention offen. In diesem Teil der Veranstaltung werden unter anderem zahlreiche Bürgermeister wie auch Digitalisierungsverantwortliche vertreten sein, die die Herausforderungen, Chancen und Strategien auf ihrem Weg der digitalen Transformation teilen. Organisationen, wie die FIWARE Foundation, unterstützen und stärken fortschrittliche Städte, Endanwender, Entwickler, Start­ ups, KMUs, globale Unternehmen und Innovationszentren, die Potenziale digitaler Lösungen zu erkennen und zu erschließen. Wenn Sie also nach einer der größten Veranstaltungen suchen, bei denen Open-Source-Initiativen im Bereich der digitalen Transformation zusammenkommen, dann sind Sie hier genau richtig. Der FIWARE Global Summit ist der einzige Ort, an dem Sie alles über E-Governance, OpenSource-Lösungen und Smart Cities erfahren und mit den unterschiedlichsten Referenten und Teilnehmern aus Japan, Deutschland, Spanien, Italien, Brasilien, Singapur und vielen weiteren Ländern hautnah zusammenkommen. Kommen Sie zu uns und werden Sie Teil der smarten digitalen Zukunft: https://www.fiware.org/summit. *Ulrich Ahle ist Geschäftsführer der FIWARE Foundation.


Smart Country Convention

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Patentiertes Konzept

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it Hilfe einer sicheren Infrastrukturlösung, basierend auf einem programmierbaren Mobile Edge Computer (iceMEC), baut das Berliner Unternehmen an die lokalen Kontextfaktoren angepasste Breitband-IoT-Netzwerke auf. Dieses digitale Netzwerk ist der Grundstein für zahlreiche Services in den Bereichen Straßenbeleuchtung, öffentlicher Verkehr, Sicherheit, Sensorik und Marketing. An bestehende Strominfrastrukturen wie Leuchten, öffentliche Verkehrsmittel oder Haltestellen angeschlossen, erfassen die Mobile Edge Computer Echtzeitdaten und übertragen diese an ein personalisiertes Management-Portal. Hier kann der Kunde alle Daten über eine graphische Nutzeroberfläche hochsicher und verschlüsselt abrufen. Plattformen, wie zum Beispiel City Dashboards, können einfach über eine standardisierte Schnittstelle angedockt werden.

End-to-End-Lösung für kommunale Herausforderungen Die datenschutzkonforme und patentierte Smart-City-Plattform ist beliebig skalierbar. Je nach Bedarf kann das digitale Netzwerk durch zusätzliche Services ergänzt werden.

Behörden Spiegel / September 2019

Die nächste Generation von Smart Cities (BS/Ralf Gerbershagen*) Sei es der steigende Energieverbrauch, das stetig wachsende Verkehrsaufkommen oder das Bedürfnis nach mehr Sicherheit – die Urbanisierung stellt Städte vor eine Reihe neuer Aufgaben. ICE Gateway entwickelt ganzheitliche, innovative Smart-City-Lösungen und liefert damit die nötigen Echtzeitdaten, die zur Bewältigung der städtischen und kommunalen Herausforderungen beitragen. Im Bereich Straßenbeleuchtung beispielsweise gestaltet die neueste LED-Technologie und ein Dimm-Kalender den Energieverbrauch deutlich effizienter. Intelligente LED-Leuchten sparen hier bis zu 80 Prozent der Energie ein. Auf den, in die Leuchten integrierten iceMEC lassen sich zudem Smart-CityApplikationen installieren. Damit können Städte öffentliches WLAN über Hotspots oder Marketinglösungen durch das Versenden von Beacons bereitstellen. Auch das Aufrüsten der Straßenleuchten mit E-Ladestationen ist möglich. Über einen iceMEC gesteuert, können E-Fahrzeuge problemlos angeschlossen und vollständig geladen werden. Die einwandfreie Funktion der Straßenleuchten ist dabei stets gewährleistet. Eine große Herausforderung für Städte ist auch das begrenzte Parkplatzangebot. Für die effi-

ziente Nutzung der verfügbaren Kapazitäten liefern die Mobile Edge Computer wichtige Echtzeitinformationen zur aktuellen Parkplatzbelegung. Das schnelle und stressfreie Auffinden freier Parkplätze kann Wartezeiten, Verkehrsstörungen und Emissionen erheblich reduzieren. Die iceMECs eigenen sich zudem auch zur Verkehrsflussüberwachung. Via Videokameras oder Bluetooth erfasst der MEC die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer (ohne Personenerkennung) und analysiert ihre Bewegungsdaten. So werden Verkehrsstörungen gelöst und der anwachsende Verkehr durch effiziente Routenplanung optimiert. Die Sensoren können außerdem Luftqualität, Wetterdaten und Lautstärkepegel messen. Umweltbelastungen sind mithilfe der Daten besser einschätzbar und einfacher in konkrete Maßnahmen für die

Intelligente LED-Leuchten sparen nicht nur Energie, sondern können zudem auch für die Installation von Smart-City-Applikationen genutzt werden. Foto: BS/ICE Gateway

gestalterische Planung und Verkehrsführung zu übersetzen. Integriert in analoge SOS-Knöpfe oder digital in eine App, sind die Mobile Edge Computer auch als Notrufsystem einsetzbar. Bei Gefahr wird eine sofortige Meldung an entsprechende Sicherheitsfirmen übermittelt. Die SmartCity-Lösung macht noch dazu das Leben sehbehinderter Menschen komfortabler und sicherer. Der iceMEC lässt sich beispielsweise an einer Bushaltestelle installieren und mit einem Lautsprecher und einer Servicetaste versehen. So informiert er per akustischer Benachrichtigung sehbehinderte Passagiere über die Ankunft ihres Verkehrsmittels. Möglich macht dies die digitale Vernetzung von Fahrzeug und Haltestelle. Und auch für Wartung und Service der öffentlichen Fahrzeuge liefern die iceMEC wichtige Betriebsparameter. Sie möchten erfahren, welches Potential der iceMEC für Ihr Unternehmen oder Ihre Kommune hat? Kontaktieren Sie uns gerne für ein persönliches Beratungsgespräch: Tel. + 49 (0) 30 6 39 28 04 16 oder info@ice-gateway.com. *Ralf Gerbershagen ist Managing Director von ICE Gateway.

Die intelligente Stadt von morgen

Breiter Wissenstransfer

Lösungen für vernetzte Städte und Regionen

Start der 13 Modellprojekte Smart Cities

(BS/Dr. Katrin Schleife*) Die fortschreitende Digitalisierung und informationstechnische Vernetzung betreffen mittlerweile alle Lebenslagen und machen auch vor Städten und Regionen nicht halt. Als aktive Gestalter der Zukunft müssen sich Städte und Regionen bereits heute dieser Herausforderungen annehmen, um sich als attraktiver Lebensmittelpunkt für Bürgerinnen und Bürger positionieren zu können. Dabei bietet die digitale Transformation zahlreiche Lösungsansätze, um akute Herausforderungen zu bewältigen.

(BS/gg) Anfang September gab Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, den Startschuss für die im Juli ausgewählten 13 “Modellprojekte Smart Cities”, die Vorbildcharakter für andere Kommunen entwickeln sollen. Im Rahmen des durch das Bundesinnenministerium (BMI) geförderten Vorhabens sollen die Kommunen bei der digitalen Transformation unterstützt werden. Insgesamt sollen in noch drei weitere Staffeln und damit rund 50 Modellprojekte sowie einen breiten Wissenstransfer den kommenden Jahren ca. 750 Millionen Euro Fördermittel des Bundes fließen.

In vielen Städten spitzt sich die Lage zu. Die stetig wachsenden Pendlerströme zwischen urbanem und ländlichem Raum sowie der zunehmende Trend zum Online-Einkauf sorgen für ein exponentielles Verkehrswachstum, verstopfte Straßen und eine erhöhte Belastung durch Luftschadstoffe. Der hohe Zuzug in Städte erschwert darüber hinaus die effiziente Bereitstellung der Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur wie ÖPNV, lokale Läden, Schulen, Ämter und Krankenhäuser in dörflichen Regionen. Es gilt, innovative Konzepte zu finden, die für die Bewohner und Besucher von Städten und ländlichen Regionen gleichermaßen den effizienten und ressourcenschonenden Zugang zu Mobilität, Einkaufsmöglichkeiten, öffentlichen Institutionen und Verwaltungsdienstleistungen ermöglichen und damit die Lebensqualität erhöhen.

So definiert Fujitsu die Smart City Das Konzept einer Smart City oder Smart Region beschreibt die sinnvolle Verknüpfung von Mensch, Technologie und Design basierend auf der Erhebung, Verarbeitung, Analyse und Visualisierung immenser Datenmengen mit dem Ziel, Städte und Regionen lebenswerter, nachhaltiger, sauberer und sicherer zu machen. Entsprechend entsteht eine Smart City oder Smart Region nicht über Nacht, sondern ist stets ein kontinuierlicher Prozess. Dieser beinhaltet die Einbindung zahlreicher unterschiedlicher Akteure und erfordert die Bereitschaft, sich für innovative Konzepte einzusetzen, Budgets zur Verfügung zu stellen und partnerschaftliche Ansätze anzugehen.

Wesentliches Fundament: Integrierte Daten Die Erfassung, Verknüpfung, Auswertung und Nutzung vielfältiger Daten aus unterschiedlichen Quellen – wie Mess-, Bewegungs-, historische und Echtzeitdaten – bezogen auf unzählige Fragestellungen spie-

Die Projekte sollen miteinander und beispielhaft erproben, wie die Digitalisierung in den Kommunen im Sinne einer integrierten Stadtentwicklung nachhaltig und intelligent gestaltet werden kann. Dabei soll auch herausgearbeitet werden, welche organisatorischen und strukturellen Veränderungen in der Verwaltungsorganisation dafür nötig sind. Der Wissenstransfer in die Breite, also zwischen den Modellprojekten und auch den nicht unmittelbar geförderten Städten, aber auch mit nationalen wie internationalen Experten ist eine wesentliche Zielstellung der Modellprojekte Smart Cities. Das BMI will dadurch den Diskurs zu der Frage, was eine lebenswerte Den Connected Services für Smart City, Education und Smart Police liegt ein ganzheitlicher “Human Centric Innovation”-Ansatz zugrunde. Grafik: BS/Fujitsu

len bei der Entwicklung hin zur innovativen Stadt und Region eine große Rolle. Plattformen gewinnen enorm an Bedeutung, nicht nur um Daten zu bündeln, sondern insbesondere um themenübergreifende Analysen, Simulationen und Optimierungen durchführen zu können. Dabei sind Geoinformationen in unserer heutigen Informationsgesellschaft eine Schlüsselressource. Viele dieser Daten liegen bei den Städten und Kommunen bereits vor, andere gilt es neu zu erheben. Über digitale Plattformen müssen sie mit weiteren Daten, zum Beispiel aus Sensoren, verknüpft und in die smarte Gesamtlösung integriert werden, um die jeweilige Fragestellung zu beantworten. Um das richtige Datenmanagement und die passenden Analyseansätze entwickeln und somit der zunehmenden Komplexität etwas entgegensetzen zu können, bedarf es geeigneter Strategien sowie einer soliden IT-Infrastruktur. Wie neue Technologien und Lösungen sinnvoll eingesetzt, miteinander kombiniert, in vorhandene Systeme integriert sowie mit Partnern vernetzt und betrieben werden, weiß Fujitsu aus langjähriger Begleitung seiner Kunden, vor-

rangig auch öffentlicher Auftraggeber.

Connected Services Mit drei Connected Services für Smart City, Education und Smart Police legt Fujitsu den Schwerpunkt auf einen ganzheitlichen “Human Centric Innovation”Ansatz. Mit dem Ziel, den Menschen und seine Bedürfnisse im Fokus zu haben, beziehen wir Kunden, Partner und Akteure der Stadtgesellschaft gezielt in die Entwicklung gemeinsamer Ideen und Konzepte mit ein. Mit unserem Digital Transformation Center (DTC) wurde eine professionelle Umgebung für Innovations-Workshops geschaffen. Hier werden wichtige Erfolgsfaktoren wie Nutzerzentrierung und Rapid Prototyping verstärkt sowie Kreativität und Out-ofthe-Box-Denken in interdisziplinären, hierarchiefreien Teams gefördert. Unabhängig davon, welchen Ansatz wir gemeinsam mit dem Kunden wählen: bereits in den ersten Gesprächen können Kunden auf unser Smart CityBeratungs- und TechnologieKnowhow setzen.

und Landkreise” wurden die Kooperation Arnsberg, Olpe, Menden, Soest und Bad Berleburg und die Kooperation Brandis, Naunhof, Borsdorf, Großpösna, Belgershain, Parthenstein und Machern sowie der Landkreis Wunsiedel ausgewählt. Die Förderentscheidung beruht auf einem mehrstufigen Prüfprozess. Alle formal vollständigen Bewerbungen wurden unabhängig voneinander von je zwei Fachgutachtern bewertet. Auf dieser Basis entschied eine neunköpfige Jury aus Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, der Politik und der kommunalen Spitzenverbände unter dem Vorsitz von Bau-Staatssekretärin Anne Katrin Bohle.

Rechtssicher und gerecht Digitale Entscheidungshilfe unterstützt Sozialämter (BS/Uwe Kalkuhl) Mit eGovPraxis Sozialhilfe baut Wolters Kluwer, führender Anbieter von Fachinformationen, Software und Services im Bereich Recht, Wirtschaft und Steuern, das Angebot an digitalen Produkten für die öffentliche Verwaltung weiter aus. Die digitale Expertenlösung ermöglicht kommunalen Sozialbehörden, die hohe Zahl an Fällen rechtssicher, gerecht und effizient zu bearbeiten. Die Arbeitsbelastung in den Sozialämtern steigt seit Jahren stetig an. Gleichzeitig kämpfen die Sozialämter mit Personalmangel und hoher Fluktuation, fachfremde und quereinsteigende Mitarbeitende müssen schnell eingearbeitet werden. Diese Herausforderungen können die Kommunen nur mit dem Einsatz geeigneter digitaler Arbeitsmittel bewältigen. eGovPraxis Sozialhilfe bietet den Sozialbehörden dafür eine innovative digitale, webbasierte Lösung. Entlang des jeweiligen Arbeitsprozesses finden die Mitarbeitenden alle für die Entscheidungsfindung notwendigen Informationen – vollständig, lokal angepasst und übersichtlich, vom Bundesgesetz bis zur individuellen kommunalen Ausführungsbestimmung.

Aus der Praxis für die Praxis entwickelt *Dr. Katrin Schleife ist als IT

Consultant und Business Developer Smart City bei Fujitsu tätig.

Kommune im Zeitalter der Digitalisierung ausmacht und wie die Orientierung am Gemeinwohl auch unter geänderten technischen Rahmenbedingungen sichergestellt werden kann, weiter vorantreiben. Insgesamt waren rund 100 Projektvorschläge aus Städten, Kreisen und Gemeinden aus ganz Deutschland beim BMI eingegangen. Die Auswahl fiel auf Solingen, Ulm und Wolfsburg in der Kategorie “Großstädte”, Cottbus, Gera und Kaiserslautern in der Kategorie “Mittlere Städte” sowie Grevesmühlen, Haßfurt, Süderbrarup und Zwönitz in der Kategorie “Kleinstädte und Landgemeinden”. In der Kategorie “Interkommunale Kooperationen

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Führungskräfte der Sozial-

Wegweiser-Funktion schnell und effizient eingearbeitet”, berichtet Dr. Gotzen weiter. Uwe Kalkuhl ist Business eGovPraxis SoManager Public Digital bei zialhilfe wurde Wolters Kluwer Deutschland. in enger ZusamFoto: BS/Wolters Kluwer menarbeit mit den Anwendern und Experten aus Sozialrecht und Verwaltung behörde ihren Mitarbeitenden erarbeitet. Das Risiko, etwas die aktuellsten Informationen Entscheidendes zu übersehen und Arbeitsmaterialien jeder- oder bei demselben Sachverhalt zeit und ortsunabhängig bereit- unterschiedlich zu entscheiden, stellen können. “Mit eGovPraxis wird durch die praxisorientierte Sozialhilfe stelle ich komfortabel Darstellung extrem gemindert. und zuverlässig sicher, dass alle Nach den sehr guten ErfahrunMitarbeitende sofort Zugriff auf gen der ersten Anwender von die notwendigen Informationen eGovPraxis Sozialhilfe ist die erhalten. So ist eine einheitliche Erweiterung auf weitere SachFallbearbeitung gewährleistet”, gebiete wie das Ausländer- und erklärt Dr. Hans-Heiner Gotzen, Asylrecht geplant. erster Beigeordneter der Stadt ErWeitere Informationen stehen kelenz, einem der Entwicklungspartner von eGovPraxis. “Und unter www.wolterskluwer-online. neue Fachkräfte werden mit der de/egovpraxis zur Verfügung.



Informationstechnologie

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as Thema Digitale Verwaltung begleitet uns auch im Freistaat Sachsen seit vielen Jahren. Für mich steht fest: Die Arbeiten zur OZG-Umsetzung haben Bewegung in den Prozess gebracht und den Querschnittsthemen E-Government und Informationstechnik auch im politischen Raum mehr Gehör verschafft. Der IT-Planungsrat hat mit Beschlüssen zum Digitalisierungsprogramm, zum Portalverbund, zu den Servicekonten und zur Registermodernisierung den Rahmen für die OZG-Umsetzung abgesteckt. Der Freistaat Sachsen beteiligt sich in den betreffenden Bund-Länder-Arbeitsgruppen, hat die Federführung für das Themenfeld Recht und Ordnung übernommen und gestaltet das notwendige Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen bei der OZGUmsetzung aktiv mit.

Mehr als nur ein Themenfeld Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) im Freistaat Sachsen

SERIE: DIE OZG-UMSETZUNG Themenfeld “Recht und Ordnung”

(BS/Thomas Popp) Der Freistaat Sachsen hat die Federführung für das Themenfeld “Recht und Ordnung” übernommen. Zusammen mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen sowie dem Beratungsunternehmen McKinsey fanden der Kick-Off und das erste Labor zum Bußgeldverfahren “Geschwindigkeitsübertretung” statt. Unübersehbar treibt die OZG-Umsetzung die Digitalisierung in der Verwaltung voran. erster Entwürfe für den Zielprosetzung in Deutschland unter Einsatz des Föderalen Informationsmanagements (FIM) kontinuierlich voranzubringen. Dazu müssen insbesondere auch die Nutzungsrechte beim Austausch der entwickelten Leistungen möglichst bald übereinstimmend geklärt werden.

Intern gut aufgestellt

Im März 2019 hat das sächsische Kabinett den Masterplan “Digitale Verwaltung Sachsen” verabschiedet. Als Regierungsprogramm zum Ausbau der elektronischen Verwaltung im Freistaat Sachsen berücksichtigt es auch das DigitalisierungsproThomas Popp ist Amtschef der gramm Kommune Sächsischen Staatskanzlei und 2025. Der MasterCIO des Freistaates Sachsen. plan enthält zwei Kern­z iele: Zum Foto: BS/Matthias Rietschel, einen, die VerwalSächsische Staatskanzlei tungsleistungen gemäß OZG-Umsetzungskatalog elektronisch zur Herausfordernd bleiben die Verfügung zu stellen, und zum inhaltliche Bandbreite und die anderen, alle Verwaltungsverfahvielfältigen Abstimmungserfor- ren soweit wie möglich innerhalb dernisse. Eines der wichtigsten der Verwaltung durchgängig elekThemen der nächsten Jahre tronisch zu bearbeiten. Die zentrale Steuerung von IT wird sein, das OZG im Rahmen der Single-Digital-Gateway-Um- und E-Government erfolgt im

Wer die aktuellen Digitalmonitore, die Vergleichsforschungen zur digitalen Entwicklung in der EU mit ihren für Deutschland ernüchternden Ergebnissen präsent hat, weiß, welchen Nachholbedarf wir in den kommenden zehn Jahren haben werden und wie es unsere Zukunftschancen als Industrienation beeinträchtigen wird, wenn wir uns nicht wirklich “auf den Hosenboden setzen”. Der Öffentliche Dienst ist mit seinen – über alle Ebenen betrachtet – ca. 4,5 Mio. Beschäftigten das “Betriebssystem” unserer Gesellschaft, jeder, der PC, Laptop, Tablet oder Smartphone sein eigen nennt, weiß, dass Anwendungen, Apps und Co. erst dann wirklich nützen, wenn die Betriebssoftware à jour ist und

Behörden Spiegel / September 2019

Freistaat Sachsen in der Staatskanzlei. Das halte ich angesichts der vielen beteiligten Akteure auf allen Ebenen für einen Erfolgsfaktor. Dazu gehört die Organisation und Leitung der Arbeits- und Lenkungsgremien, wie des Lenkungsausschusses IT und E-Government (mit den Staatssekretären der Ressorts), des IT-Kooperationsrats (mit den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände) und des Sächsischen Datenschutzbeauftragten. Auf Arbeitsebene agiert ein OZG-Team, das mit Vertretern aus allen Ressorts und der kommunalen Familie besetzt ist und Fragen zur Umsetzung von Leistungen abstimmt.

Zusammen mit den Kommunen Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kommunen ist für mich der Schlüssel zu einer erfolgreichen OZG-Umsetzung. Mit dem im Mai 2019 novellierten sächsischen E-GovernmentGesetz hat die Sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung die Aufgabe erhalten, die Bereitstellung elektronischer Verwaltungsleistungen der Kommunen zu koordinieren. Der Freistaat Sachsen stellt dafür Fördermittel bereit. Interessierte Kommunalverwaltungen kön-

nen sich im Rahmen einer OZGWerkstatt in den einzelnen Projekten engagieren. Kommunale Experten, Berater und Entwickler arbeiten dort in einem iterativen Prozess an Lösungen. Im Juli 2019 haben kommunale IT-Dienstleister die KOMM24 GmbH gegründet und den Geschäftsbetrieb aufgenommen. Die GmbH übernimmt im Rahmen der OZG-Umsetzung die zentrale Planung der Entwicklungsprojekte, verteilt Konzept- und Entwicklungsaufträge und überführt die entwickelten Lösungen in einen dauerhaften wirtschaftlichen Betrieb.

Solide Basis – Serviceportal Amt24 Das Serviceportal ist der zen­ trale Baustein bei der OZG-Umsetzung, der für staatliche und kommunale Behörden bereitgestellt wird. Durch das sächsische E-Government-Gesetz sind die Behörden verpflichtet, sämtliche elektronischen Verwal­tungsleistungen über das Service­portal Amt24 anzubieten. Das Portal umfasst zudem einen “Werkzeugkasten” zur Rea­ lisierung von Antragsprozessen. So lassen sich unter anderem Servicekonten einrichten und elektronische Bezahlvorgänge

integrieren. Sobald der Rahmen für die Interoperabilität der Servicekonten feststeht und die Einbindung der Landesportale in den Portalverbund abgestimmt ist, werden wir das Serviceportal mit unserem Kooperationspartner Baden-Württemberg passfähig weiterentwickeln.

Gute Erfahrungen mit dem Digitallabor Sachsen hat die Federführung im Themenfeld Recht und Ordnung übernommen. Dazu gehören die Lebens- und Geschäftslagen Rechtsverstöße – Anzeigen und Hilfen für Opfer, Gerichtliche und außergerichtliche Verfahren – Naturkatastrophen und die Leistungen Fundsachen und Notfallrettung der Lebenslage Weitere Leistungen. Zwischenzeitlich sind allerdings viele der Leistungen als Justizleistungen identifiziert worden und fallen damit aus der Umsetzungsverpflichtung des OZG heraus. Wir waren inzwischen bereits aktiv und haben ein Labor zum Bußgeldverfahren “Geschwindigkeitsübertretung” durchgeführt. Das hat sehr gut funktioniert. Die Bußgeldbehörden und die “Nutzer” haben viel Input eingebracht. Die Ergebnisse liegen in Form eines Klick-Dummys,

Die smarte Verwaltung 4.0

zess und entsprechender Dokumentationen vor. Allerdings ist auch das Bußgeldverfahren jetzt als Justizleistung identifiziert worden und damit nicht von der Verpflichtung des OZG umfasst. BMI, BMJV und Sachsen streben gleichwohl eine Digitalisierung des Bußgeldverfahrens auf freiwilliger Basis an.

OZG – aber sicher Beim Abstimmen und Entwickeln der verschiedenen OnlineLösungen ist mir von Anfang an ein hohes Maß an Informationssicherheit wichtig. Das kürzlich verabschiedete “Gesetz zur Neuordnung der Informationssicherheit im Freistaat Sachsen” gilt für alle Stellen, die an das sächsische Verwaltungsnetz oder das kommunale Datennetz angeschlossen sind. Damit wird der rechtliche Rahmen für eine höhere IT-Sicherheit gestärkt und die klare Verantwortung der Führungsebene für die Informationssicherheit geregelt. Das Gesetz bildet einen wichtigen Baustein für den Schutz der IT-Netze der Sächsischen Staatsregierung und wird auch positiv auf die Informationssicherheit der Kommunalverwaltungen wirken. Die Weichen für eine erfolgreiche OZG-Umsetzung sind gestellt.

Verwaltung der nächsten Jahre an der Schwelle zur neuen “digitalen Dekade” darzustellen. Spannung ist angesagt…

Attraktiv genug für die Generationen Y und Z?

(BS/Wilfried Kruse*) Die Themenstellungen für die öffentliche Verwaltung in der beginnenden neuen “digitalen Dekade” sind groß und wirklich herausfordernd; noch schwerer wiegt die Konkurrenzlage im Buhlen um die nötigen hochqualifizierten Fachkräfte, die sie braucht, um die zukünf- *Wilfried Kruse, Geschäftsfühtigen Ansprüche von Bürgern/-innen und vor allem der Unternehmen am Standort überhaupt erfüllen zu können. render Gesellschafter IVM², ist diese ihre Arbeit im Hintergrund schnell, präzise und reibungslos versieht Die Menschen, die Infrastrukturen und die Services der öffentlichen Verwaltung sind das unverzichtbare – zentrale – Glied in der Wertschöpfungskette unserer Wohlstandsgesellschaft, das für die nächste Dekade “digital zu ertüchtigen” ist. Das alles nicht auf den “Trampelpfaden” und Einzelinteressen großer und kleiner Player der IT, nicht durch “Silo- und Kästchenpfle-

ger”, nicht durch weitere, zumeist theoretische, Diskussionen und auch nicht durch unnötige Entwicklungsdubletten. Wir brauchen junge, neue Macher/-innen mit neuer Denke, wir, die bislang “hierarchisch Gesettelten” müssen mutigen und engagierten jungen Talenten die Verwaltungskorridore und -Usancen so öffnen, dass sie Spaß daran haben, sich in diese unverzichtbare und so wertvolle Wertschöpfungskette in Zukunft einzubringen (und eben nicht

nur in die Wirtschaft, die agiles und teamorientiertes, flexibles Arbeiten schon länger fördert und betreibt). So, wie die “Fridays-for-Future”Bewegung erkannt hat, dass wir zu viel über den Klimaschutz reden und Einzelinteressen sich nicht wirksam zukunftsorientiert zusammenfinden, so sehr ist das auch mit der Digitalisierung gerade im öffentlichen Sektor. Viele “Altvordere” singen die Klagelieder des E-Governments seit Jahren und die jungen Menschen,

die sich für die öffentliche Verwaltung entscheiden wollen oder entschieden haben, werden jetzt das (mulmige) Gefühl nicht (mehr) los, dass es nicht wirklich digital vorangeht, sie ah­nen und wissen, dass es aktuell, mehr denn je, dabei auch um die Attraktivität ihrer eigenen Arbeit im System der öffentlichen Verwaltung geht. E-nrw 2019 wird auch jungen Vertreter/-innen der Generation Y ein Podium bieten, um ihre Erwartungen an eine attraktive und leistungsfähige öffentliche

fachlicher Leiter und Moderator des Verwaltungskongresses “enrw”, den der Behörden Spiegel am 7. November 2019 in Neuss veranstaltet.

Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen 7. November 2019 Düsseldorf/Neuss www.e-nrw.info


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / September 2019

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lickt man zu sich erfolgreich digitalisierenden Organisationen, fällt schnell auf, dass, neben einer hohen technischen Exzellenz, der Motor sehr rund zu laufen scheint. Fast ist es so, als ob das Beherrschen modernster Architekturen und Technologien spielerisch gelänge. Ist es etwa so, dass Menschen und Handlungen ab einer bestimmten Dichte von Expertise in eine natürliche Ordnung geraten? Unternehmen diese Organisationen etwa besondere Anstrengungen, so reibungslos zu arbeiten? Setzen sie auf mehr von dem, was bekannt und bewährt ist oder gehen sie eventuell andere Wege?

Der Werkzeugkasten In den Werkzeugkasten des digitalen Erfolgs gehören viele technologische Werkzeuge und Fähigkeiten – keine Frage. Und er hat ein paar Fächer extra für moderne Denkwerkzeuge und Vorgehensweisen. Dem brausenden technologischen Fortschritt folgt eine fächerübergreifend wissenschaftliche Analyse und Aufarbeitung der Methoden, Denkmuster und Funktionsweisen menschlichen Handelns und dessen ursprüngliche Motivation, die uns bis hierhin gebracht hat. Und so wundert es kaum, dass es auch methodisch viel zu lernen gibt – und (wie einige schon wissen): einiges zu “entlernen”. NExT trägt diesem Umstand Rechnung und hat von Beginn an eine seiner sechs Werkstät-

Künstliche Intelligenz, Machine Learning und Robotics sind wegweisende Themen, mit denen sich IT-Verantwortliche in allen Organisationen auseinandersetzen müssen. Zum einen unterstützen ko­ gnitive Elemente die Anwender in den Fachabteilungen. Ihnen stehen im Self-Service-Portal ein Chat-Fenster und virtuelle Agenten zur Verfügung, die bei Fragen unterstützen. So können Anwender entweder direkt an Experten vor Ort verwiesen werden oder mit künstlich-intelligenten Robotern chatten. Kognitive Komponenten beantworten Anfragen automatisiert und stehen auch außerhalb von starren Geschäftszeiten rund um die Uhr zur Verfügung. Dabei greifen Chatbots auf vorhandene Wissensquellen der Verwaltung zurück und lernen kontinuierlich dazu, z. B. welche Themen in den Suchanfragen vorkommen, sodass für diese

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Gemeinschaft der Wandlungswilligen Von einem Schritt in Richtung Zusammenarbeitsmodell der Zukunft

Der Behörden Spiegel ist Medienpartner des Netzwerks

(BS/Robert Eberle*) “NExT ist ein ressortübergreifendes Netzwerk aus Vordenkenden und aktiv Gestaltenden der Digitalisierung im öffentlichen Sektor mit dem Anspruch, die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung maßgeblich zu gestalten und voranzubringen. Ziel von NExT Drei wesentliche Ergebnisse ist die Entwicklung eines ganzheitlichen, erprobten Werkzeugkastens für die Digitalisierung der Verwaltung. Im Rahmen von sechs thematischen lassen sich nach dem WorkWerkstätten werden konkrete Maßnahmen pilotiert und auf ihre Machbarkeit überprüft […]”, heißt es in der Vision des Netzwerks. shop festhalten: Die Werkstatt ten dem Thema “Organisation & Arbeitsweise” gewidmet. Im Rahmen dieser Werkstatt lud NExT e. V. im Juli zu einem zweitägigen Workshop “Agilität und Kulturwandel in der Verwaltung” rund um die Themen agile Methoden und Arbeitsweisen in der Verwaltung, neue Organisationsformen und moderne Hierarchien sowie Gestaltung von Veränderung und Kulturwandel in der Verwaltung ins Statistische Bundesamt nach Wiesbaden ein. Im Wesentlichen ging es hier um den methodischen und kulturellen Wandel, der die Digitalisierungsbestrebungen flankieren muss. Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamts, mahnte u. a., dass gelungene Agilität nicht Laissez-faire bedeute, strukturiertes und nachvollziehbares Vorgehen noch wichtiger würden (Stichwort: Dokumentation) und man eine gemeinsame Richtung brauche, damit die verteilten, selbstorganisierten Bemühungen nicht in verschiedene Richtungen zögen und nur Wärme produzierten, sondern auf das größere Ziel einzahlten.

dieser Problemlösungsalgorithmus nicht skaliert, wird Robert Eberle ist Agiler Coach & nach einiger Zeit Change Agent beim Bundesamt das Führungsteam für Migration und Flüchtlinge wieder überlas(BAMF). tet sein, mit der Foto: BS/BAMF Konsequenz, dass auch die Arbeit aller Projektgruppen erlahmt. Die Folge ist eine Ein Impulsvortrag von Prof. Cor- steigende Komplexität der Ornelia Vonhof und Wolf Steinbre- ganisation, ohne die Ergebnischer vom Forum Agile Verwaltung wertschöpfung zu verbessern. schärfte u. a. das Verständnis für Ein bisschen so, als ob man die Herausforderungen von zen­ einem Patienten mit überlastral geführten Organisationen, tetem zentralem Nervensystem die in einer dynamischer werden- zusätzliche Gliedmaßen (in Form den Welt mehr und mehr Reizen von Prothesen) anschließt, in der und Anforderungen (von außen) Hoffnung, dass diese die vielen ausgesetzt sind. Häufig wird dar- ­Reize schnell genug abarbeiten auf reagiert, indem Koordination und so den Stau auflösen. Aber es wurde auch ein alternaund Detailarbeit an Projektgruppen delegiert wird, ohne die Ent- tives (mögliches Lösungs-) Bild scheidungshoheit abzugeben. angeboten: eine Führung, die Damit entsteht zwar etwas Luft sich als “Zentrum für Nachdendurch diese Teildelegation, der ken und Unterstützen” versteht Kommunikations- und Abstim- – und somit die sonst erst im mungsaufwand zwischen Pro- akuten Problemfall von teuren jektgruppen und Führungsteam externen Beratern besetzte Beentsteht aber überhaupt erst. Da obachterposition auf die eigene

Organisation einnimmt. Dies ermögliche dauerhafte Reflexion, Werteprägung, Transparenz & Verständigung sowie die Ruhe, Szenarien und Zukunftsbilder (Visionen) zu entwickeln und wieder vorausschauend gestalten zu können. Im anschließenden World-Café wurden agile Arbeitsweisen und ihr Einsatz mit und ohne Erfolg in der Verwaltung diskutiert, sowie Erfolgsfaktoren und Hindernisse bei deren Einführung. Der zweite Tag des Workshops legte den Fokus auf den Austausch zu den Erfahrungen aus verschiedenen Behörden. Das Statistische Bundesamt stellte zunächst seine Aktivitäten zum Anstoß eines Kulturwandels hin zu mehr Agilität vor. Es folgten ein Einblick in das agile Arbeiten im IT-Labor des BAMF sowie ein vertiefender Blick mittels Einführung agiler Methoden in der Softwareentwicklung beim ITZBund. Nach einer ausführlichen Diskussion unter allen Teilnehmenden über die Gründung einer Community of Practice (kurz “CoP”) schloss die Veranstaltung.

Smarte Unterstützung Einsatz Künstlicher Intelligenz im Service Desk (BS/Christine Siepe*) Moderne Service-Management-Lösungen nehmen sowohl dem IT-Personal als auch den Mitarbeitern viel manuelle Arbeit ab. Das ist unter anderem möglich, da Künstliche Intelligenz (KI) Einzug hält in den Service Desk und ihn zu einem Smart Service Desk aufwertet. Materna und Nexthink bieten hier gemeinsame Lösungen an. dann rasch Antworten vorliegen. Jeder Mitarbeiter ist heute aus dem privaten Nutzungsbereich eine gute User Experience gewohnt und erwartet dies auch von seinem Service Desk und der IT in der Verwaltung. Zum anderen unterstützen ko­ gnitive Elemente auch die ServiceDesk-Mitarbeiter mit automatischer Ticket-Klassifizierung, automatischem Ticket-Routing, Hot-Topic-Analysen und Data Entity Enrichment, also der intelligenten Anreicherung mit passenden Informationen. Mithilfe kognitiver Elemente wird der Service Desk rund um die Uhr verfügbar. Ein smarter, in-

novativer Service Desk geht sogar noch einen Schritt weiter: Er beantwortet völlig automatisiert, jederzeit rund um die Uhr Fragen aus Sicht des Nutzers bzw. eines Endgerätes und berücksichtigt dabei Echtzeitdaten.

Automatisierung und Orchestrierung In Lösungsszenarien für den smarten Service Desk kommen Automatisierungslösungen und eine Orchestrierungs-WorkflowEngine zum Einsatz. So können Prozesse automatisiert und über IT-Systeme hinweg integriert in der Verwaltung ablaufen. Die Orchestrierungs-Workflows

werden dabei automatisiert im IT-Service-Management-System (ITSM) dokumentiert. Auch die außerhalb des ITSM-Systems notwendigen Tätigkeiten werden automatisiert durchgeführt, wie beispielsweise das Anlegen von Benutzer-Accounts, SoftwareVerteilung und das Ändern von Rechten und Zugängen. Ein wichtiger Bestandteil hierbei ist eine Client-Analytics-Lösung. Einen innovativen Ansatz verfolgt dabei das Schweizer Unternehmen Nexthink, ein Spin-off der Universität Lausanne. Die Nexthink-Plattform wurde mit dem Ziel entwickelt, kontinuierlich die Servicequalität am

IT-Arbeitsplatz aus Sicht der Anwender zu beurteilen. Dazu erfasst die Lösung einheitlich und in Realzeit alle qualitätsrelevanten Zustands- und Betriebsinformationen der Clients und bereitet diese visuell entsprechend für die unterschiedlichen IT-Teams auf. Dies hat den Vorteil, dass alle Daten genau dann bereitstehen, wenn sie vom ITSM benötigt werden. So können Störungen am IT-Arbeitsplatz schon im Vorfeld erkannt und bearbeitet werden, noch bevor sie als Massenstörung am Help Desk auflaufen. Transaktionen oder andere Nutzerdaten werden dabei nicht beachtet, die Integrität des Arbeitsplatzes

hat erstens ihr Selbstverständnis entwickelt und ihre Erwartungshaltung an die künftige Arbeit als CoP formuliert. Es wurden zweitens halbjährliche Treffen geplant, die wechselnde Schwerpunkte mit praktischem Austausch zwischen den jeweils Teilnehmenden verbinden. Und schließlich plant die Werkstatt drittens gemeinsame Projekte wie den Aufbau einer Mediensammlung sowie einer Methodensammlung mit Beispielen inkl. jeweils dem Verweis auf Ansprechpartner/-innen, die Erfahrung in deren Anwendung haben und im Rahmen einer kollegialen Fallberatung bei der Einführung unterstützen können.

Multiplikator sein Es geht also um das gemeinschaftliche Lernen voneinander sowie die organisationskulturellen Gegebenheiten für ein gedeihendes Miteinander. Hier möchte die Werkstatt mit der CoP eine Anlaufstelle für Erfahrungsaustausch & -bündelung sowie kollegiale Fallberatung werden und somit Multiplikationskraft entfalten.

bleibt zu jeder Zeit gewahrt. Ohne eine Client-Analytics-Lösung wie Nexthink sind diese Daten kaum nachvollziehbar und lassen sich eher mühsam aus verschiedenen Systemen zusammenstellen. Für den unerlässlichen 360°-Blick auf die IT sorgt eine Integration in ein Service-Management-System. Materna und Nexthink begleiten die Verwaltung bei der Planung, Einführung und Bereitstellung moderner Serviceprozesse und ITSM-Technologien, die ko­gnitive Elemente enthalten. Mit mehre­ ren Hundert erfolgreich realisierten Projekten ist Materna der führende Beratungs- und Implementierungspartner für Service-Management und hat bereits zahlreiche erfolgreiche ITSM-Projekte bei öffentlichen Organisationen unterstützt. *Christine Siepe leitet die Unternehmenskommunikation bei Materna.


Informationstechnologie

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Alle in einem Boot

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ehörden Spiegel: Herr Baltissen, soll das Onlinezugangsgesetz (OZG) erfolgreich und konsequent umgesetzt werden, ist dafür ein funktionierender Portalverbund unerlässlich. Wie können Bürger und Verwaltung hiervon profitieren?

Behörden Spiegel / September 2019

Beim OZG müssen auch die Kommunen mitreden

(BS) Die bis auf notwendige Ausnahmen vollständige digitale Kommunikation ist das große Ziel, das die öffentliche Verwaltung bis Ende 2021 realisiert haben will und soll. So langsam kommt der OZG-Ball ins Rollen, Reallabore liefern erste Ergebnisse und die Zusammenarbeit zwischen den föderalen Ebenen wird besser. Und trotzdem gibt es weiterhin eine Menge zu tun. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erklärt Arne BalBaltissen: Ein Portalverbund tissen, Vorstand Märkte beim Lübecker IT-Dienstleister MACH AG, warum die Register von Staat und Verwaltung endlich nachhaltig vernetzt und würde für beide Seiten enorme digitalisiert werden müssen und wie man die Bürger mit Transparenz auf seine Seite holt. Die Fragen stellte Wim Orth.

Erleichterungen bringen, da alle behördlichen Interaktionen über einen zentralen Kanal durchgeführt werden könnten. Dabei wären die Inhalte des Bürger­kontos sowie die Abläufe der Kommunikation jederzeit für beide Seiten einsehbar, wodurch eine Transparenz entsteht, die die Basis für das gegenseitige Vertrauen darstellt. Gleichzeitig kommt an dieser Stelle auch das Once-Only-Prinzip ins Spiel, denn der Bürger könnte, wenn er das denn möchte, all seine persönlichen Grunddaten auf dem Konto ablegen und diese für die Abwicklung von Verwaltungsverfahren auf beiden Seiten freigeben. So könnte man sich die aktuelle Formularkultur in den Behörden sparen und stattdessen digitale Formulare nutzen. Diese werden automatisiert mit den Inhalten des Kontos gefüllt, sodass der Bürger anschließend nur noch das eintragen muss, was für die aktuelle Dienstleistung wirklich vonnöten ist. Behörden Spiegel: Aktuell haben wir eine ziemlich überladene Registerlandschaft und sind von der OZG-Umsetzung noch spürbar weit weg, wodurch Ihre Ideen fast wie Zukunftsvisionen klingen. Was muss der Staat noch tun, damit so etwas Realität werden kann?

terogene Registerlandschaft haben. Da liegen viele der Daten in irgendwelchen Fachverfahren oder alten Registern und sind nicht einfach mal so in ein neues Netzwerk zu überführen. Daher braucht es an dieser Stelle auch ein gewisses Maß an Vereinheitlichung, ohne am Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung rütteln zu wollen. Da müssen die Kommunen von Land und Bund mit ins Boot geholt werden, um gemeinsam Optimierungspotenziale aufzudecken und diese zu heben. Für Arne Baltissen, Vorstand Märkte bei der MACH AG aus Lübeck, ist es ein zentrales Umsetzungskriterium des OZG, dass alle Akteure bundesweit auf einem technischen Einheitsstand sind. Foto: BS/MACH AG

Baltissen: Man braucht auf jeden Fall eine Vernetzung der aktuellen Register und ein konsequentes sowie effizientes Datenmanagement vonseiten des Staates. In einem solchen sollten die Aspekte von Registermodernisierung und -vernetzung durchaus zusammengenommen werden, denn laut OZG liegen rund 70 Prozent der Verwaltungsfachverfahren im kommunalen Bereich, wo wir durch die kommunale Selbstverwaltung eine sehr he-

Behörden Spiegel: Also keine Aufweichung des Föderalismus, aber mehr Anleitung aus den oberen Ebenen? Baltissen: Meiner Meinung nach drückt sich eine kommunale Selbstverwaltung nicht darin aus, welches IT-Verfahren man einsetzt. Daher denke ich, dass wir diese Diskussion sachlich führen können, um am Ende für alle das gemeinsame Ziel eines sinnvoll umgesetzten Onlinezugangsgesetzes zu erreichen. Und dafür braucht es eben gute technische Lösungen. Das kann eine Zentralisierung von Verfahren sein, an anderer Stelle kann das aber auch ein neu aufgesetztes

Datenmanagement und eine nachhaltige Vernetzung sein. Insgesamt müssen einfach alle Akteure möglichst gut und gemeinschaftlich zusammenarbeiten. Um das zu erreichen, werden sicherlich auch finanzielle Unterstützungsangebote von staatlicher Seite notwendig sein, um die Kommunen mit ins Boot zu holen. Behörden Spiegel: Derzeit ist das Thema Datensicherheit mit besonderem Fokus auf Datenhoheit durch den Staat in aller Munde. Wie können die Register so vernetzt werden, dass man eine solche Hoheit gewährleisten kann? Baltissen: Mit digitalisierten und vernetzten Strukturen steigt sicherlich auch das Risiko von Bedrohungen. Daher brauchen wir eine professionelle Sicherheitsinfrastruktur für den Portalverbund. An der Errichtung solcher Strukturen für nachhaltige IT-Sicherheit arbeiten Bund, Länder und die kommunalen Rechenzentren derzeit mit Hochtouren. Genau an diesem Punkt muss man Transparenz schaffen und Kommunikationskanäle öffnen, um bei den Bürgern für Vertrauen zu werben. Hier kann

man sich ein Beispiel an Finnland und Estland nehmen, denn da wird durch offene Protokollierungen und ähnliche Maßnahmen dafür gesorgt, dass der Bürger jederzeit weiß, was mit seinen Daten geschieht. Zusätzlich gibt es zentrale Stellen, an die man sich wenden kann, wenn man den Verdacht hat, dass die Daten nicht rechtskonform oder zweckgebunden genutzt werden. All diese Schritte sind wichtig, damit der Bürger ganz transparent erleben kann, dass der Staat sich mit großer Behutsamkeit um die Daten kümmert und die Datensicherheit dementsprechend regelt. Mit solchen offenen Kommunikationswegen kann man enormes Vertrauen gewinnen. Behörden Spiegel: Viele EUStaaten sind zudem deutlich weiter als Deutschland, wenn es darum geht, private Unternehmen in die Entwicklung von Angeboten und Diensten einzubinden. Baltissen: Auch an dieser Stelle könnte man hierzulande durchaus etwas mehr in die Offensive gehen. Natürlich müssen dabei jederzeit die Regeln des Vergaberechts eingehalten werden, aber es gibt durchaus Potenziale und Möglichkeiten für Kooperationen von öffentlicher Verwaltung und privatwirtschaftlichen Unternehmen. Diese sollten wir tunlichst nutzen, denn wir haben einen

Wie können Kooperationen aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft helfen, Digitalisierungsprojekte zu beschleunigen? Welche digitalen Herausforderungen kommen auf die öffentliche Verwaltung zu? Beim Kongress “Innovatives Management” am 30. Oktober 2019 in Lübeck debattieren namhafte Referenten mit rund 300 Teilnehmern über brennende Verwaltungsfragen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki wird die Veranstaltung mit einem Impuls eröffnen, Zukunftsforscher Sven-Gabor Janszky die Keynote des Kongresses halten. Diskussionsrunden, Werkstätten, Networking-Möglichkeiten fördern den interdisziplinären Austausch. Der Behörden Spiegel unterstützt die Veranstaltung traditionell als Medienpartner. Weitere Informationen und eine kostenfreie Anmeldung gibt es unter www.mach.de/ima

großen Bedarf an diesen Gemeinschaftslösungen. Die Vernetzung der Register und das Datenmanagement sind absolute Mammutaufgaben bei mehr als 80 Millionen Menschen, 16 Bundesländern und mehr als 12.000 kommunalen Gebietskörperschaften. Das sind einfach extrem viele Akteure, die man auf einen technischen Einheitsstand bringen muss, damit die OZGUmsetzung im Speziellen und die Digitalisierung im Allgemeinen überhaupt funktionieren können. Da brauchen wir einen intensiven Dialog, bei dem wir uns als MACH AG ebenfalls einbringen, um Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die wir gemeinsam mit den Vertretern aller Verwaltungs- und Föderalismusebenen diskutieren und umsetzen wollen.

Digitalkompetenz stärken Intensivere Kooperation in Thüringen (BS) Dr. Hartmut Schubert, Staatssekretär im Thüringer Finanzministerium (TFM) und CIO des Freistaats, will die Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule Gera-Eisenach bei der Aus- und Weiterbildung von IT- und Verwaltungsfachkräften für Thüringen intensivieren. Dies ist Ergebnis eines Treffens des CIOs mit dem Präsidenten der Hochschule, Prof. Burkhard Utecht, Wissenschaftlern und Studierenden Anfang September. “Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Thüringer Verwaltungsbedienstete mithilfe der Fachkräfte der Dualen Hochschule im Bereich der digitalen Verwaltungen weiterbilden. Auch stehe ich der Etablierung spezieller Studiengänge im Bereich der Verwaltungsinformatik offen gegenüber”, erklärte Schubert. Hier wolle man mit der Dualen Hochschule GeraEisenach als nächstes konkrete Studieninhalte besprechen. Thüringen hat dieser Tage eine neue technische Laufbahn für Verwaltungsbeamte etabliert. Mit dem am, 1. September 2019 in Kraft getretenen Thüringer Gesetz zur Änderung von Vorschriften aus dem Bereich des Dienstrechts ist im Thüringer Laufbahngesetz die Fachrichtung des informationstechnischen Dienstes als zwölfte Fachrichtung eingerichtet. Damit können für Aufgaben der digitalen Verwaltung Fachkräfte eingestellt und auch verbeamtet werden.

Neben reinen Studiengängen in der Fachrichtung Informatik sind auch interdisziplinäre Informatikstudiengänge wie Wirtschaftsinformatik, Geoinformatik, medizinische Informatik, aber auch Studiengänge in den Fachrichtungen Mathematik oder Physik für die Laufbahnen des informationstechnischen Dienstes geeignet. CIO Schubert ist sich sicher: “Studierende, deren Studium neben dem Fachthema einen hohen Informatikanteil aufweist, werden in der digitalen Verwaltung künftig einen festen Platz einnehmen. Auch die Studiengänge der Dualen Hochschule GeraEisenach sind hier interessant, um künftig digital kompetente Verwaltungsbeamte für Thüringen auszubilden.” Mit Fachkompetenz und Enthusiasmus würden die jungen Nachwuchskräfte der Dualen Hochschule für die Thüringer Verwaltungen zu echten Digitalisierungsmotoren werden, so der Staatssekretär weiter.

IT als Treiber der Verwaltungsmodernisierung: Der Newsletter E-Government, Informationstechnologie und Politik des Behörden Spiegel

Anmeldung: www.behoerdenspiegel.de newsletter@behoerdenspiegel.de


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / September 2019

Neue Bezahlmethoden

D

ie längste Zeit fanden Zahlungen im Einzelhandel im Geschäft statt und beschränkten sich auf Bargeld, Schecks oder Karten, die von nationalen oder internationalen Bezahlsystemen durchgeführt wurden. Marktveränderungen reduzieren jedoch die Markteintrittsbarrieren erheblich und ermöglichen den Verbrauchern den Zugang zu neuen Bezahlmethoden. Im Rahmen dieser Verschiebung wird manchmal die Frage gestellt, ob die veränderten Gegebenheiten eine Plattform für einen neuen europäischen “Zahlungschampion” bieten können, um eine Alternative zu etablierten Akteuren zu bieten. In den letzten zehn Jahren ist eine Reihe von Akteuren, die ihre eigenen Zahlungslösungen entwickelt haben, erfolgreich in den Zahlungsverkehrsmarkt eingetreten. Die meisten Verbraucher haben heutzutage Zugang zu mehreren Zahlungsmethoden, die über eine einzige Karte, Bargeld und Scheck hinausgehen, einschließlich Co-Badge-Karten, die Zugang zu zwei verschiedenen Debit-Systemen, digitalen WalletAccounts oder neuen Zahlungsmethoden – mobile Apps, NFCoder QR-Technologie – bieten, die (oft in Echtzeit) Überweisungen direkt von ihrem Bankkonto auslösen. Ein Einstiegspunkt bestand aus großen Kundenstämmen in anderen Märkten. Händler wie Amazon konnten ihre Privatkundenbasis erfolgreich nutzen, um neue digitale Wallet-Services für Online-Zahlungen einzuführen. Tech-Unternehmen wie Apple und Samsung haben eine Technologie auf den Markt gebracht, die es ermöglicht, mit deren Endgeräten im Geschäft zu bezahlen. Andere Anbieter sind mit technologischen Innovationen erfolgreich in den Zahlungsverkehrsmarkt eingetreten, ohne einen bestehenden Kundenstamm zu haben. Beispiele sind PayPal und Klarna, die einen Komfort bieten, der die Verbraucher und damit indirekt auch die Händler anspricht. Technologie bedeutet auch, dass die Nutzung der InterbankenInfrastruktur zunehmend nicht

Mehr Wettbewerb im stationären Zahlungsverkehr (BS/Reinder van Dijk/Joseph Bell*) Das Wettbewerbsumfeld für den Einzelhandels-Zahlungsverkehr in Europa befindet sich in einer Phase des Umbruchs aufgrund technologischer und regulatorischer Veränderungen – das nicht zuletzt durch die jüngste Anpassung der Zahlungsdiensterichtline PSD2 (Payment Services Directive). nur auf Banken beschränkt ist. Dies bedeutet, dass es nicht notwendig ist, eine Zahlungsinfrastruktur aufzubauen, um einen Zahlungsdienst anzubieten. Sofort und Trustly gehörten zu den ersten Neueinsteigern, die die bestehende InterbankenVerarbeitungsinfrastruktur für E-Commerce-Transaktionen nutzbar machten. Die PSD2 hat diesen Zugang für derartig neue Geschäftsmodelle weiter erleichtert und gleiche Wettbewerbsbedingungen im Zahlungsverkehrsmarkt geschaffen. Diese neuen Anbieter sind im E-Commerce gut etabliert. So wird beispielsweise PayPal inzwischen bei mehr als 50 Prozent der E-Commerce-Transaktionen in Deutschland eingesetzt, während iDEAL einen Marktanteil von 56 Prozent im E-Commerce in den Niederlanden und Klarna einen durchschnittlichen E-CommerceMarktanteil von zehn Prozent in Nordeuropa hat. Diese Trends beschränken sich nicht nur auf den E-Commerce, da die zunehmende Nutzung von Smartphones am Point of Sale weitere Optionen bietet, z. B. durch NFC- und QR-Codes. Einige Einzelhändler haben die Zahlungsmethode mit der Bereitstellung ihres Dienstes verbunden, wodurch die seit Langem bestehende Unterscheidung zwischen Online- und Instore-Zahlungen verschwimmt. So kann beispielsweise die UberApp sowohl für die Bestellung als auch für die Bezahlung einer Fahrt verwendet werden.

um die tatsächliche Nutzung der Methode konkurrieren, die sie den Verbrauchern am Point of Sale, im Geschäft oder online, anbieten. Dies ist für die Dynamik des Marktes von Bedeutung, denn es bedeutet, dass eine große Kundenbasis auf der Verbraucherseite keine ausreichende Voraussetzung mehr für einen Zahlungsdienstleister ist, um am Markt erfolgreich zu sein – die Kunden haben die Wahl zwischen alternativen Zahlungsmethoden zum Zeitpunkt der Transaktion, und die Einzelhändler haben alternative Möglichkeiten, um diese Kunden zu erreichen. Zahlungsdienstleister konkurrieren daher um die Verbraucher, indem sie die Nutzung ihres Zahlungsprodukts so komfortabel wie möglich gestalten. Für Instore-Transaktionen bedeutet dies, Kontaktlos- oder NFC-

Unterschiedliche Preis-Leistungs-Verhältnisse Die Zunahme des Wettbewerbs um die tatsächliche Nutzung von Bezahlmethoden hat zu einer größeren Auswahl für Verbraucher und Einzelhändler geführt. Verbraucher und Einzelhändler verfügen nun über eine Reihe von Zahlungsmethoden mit unterschiedlichen Preis-LeistungsVerhältnissen. Dadurch können mehrere Zahlungsmethoden in großem Maßstab nebeneinander betrieben werden, was zu einem

*Reinder van Dijk ist Partner bei Oxera, Joseph Bell Principal im Unternehmen.

Mesokosmos IT

Zwischen Erkenntnis und Umsetzung

(BS/pet) ePayBL, der elektronische Bezahlservice des Bundes, ist inzwischen seit mehreren Jahren im Einsatz und verzeichnet u. a. mit dem Bundesfinanzhof, dem Deutschen Wetterdienst (DWD) und dem Bundespresseamt einige namhafte Referenznutzer. Ein weiterer Ausbau des Services mit zusätzlichen Funktionalitäten ist geplant.

Laut ITZBund richtet sich die mandantenfähige Bezahlplattform vorrangig an solche Behörden, die auch einen E-Shop oder Vorgangsbearbeitungssysteme anbieten, die einen direkten Anschluss an das Haushaltssystem erfordern. Ein Vorteil der Automatisierung soll hier, neben finanziellen Ersparnissen, insbesondere auch in der Optimierung verwaltungsinterner

Transaktion abgewickelt werden soll. Durch die Möglichkeit für die Kunden, verschiedene Zahlungsmethoden in einer Wallet zu platzieren und eine sofortige Auswahl zu treffen, erhöht sich der Wettbewerbsdruck auf etablierte internationale und nationale Bezahlsysteme durch Anbieter digitaler Wallets.

Neue Alternativen bedeuten, dass Verbraucher und Einzelhändler heute diversifizieren, indem sie über mehrere Zahlungsmethoden gleichzeitig verfügen. Das bedeutet, dass Zahlungsdienstleister zunehmend

Stand des behördlichen Bezahlservices

Optimierung der internen Arbeitsprozesse

Technologie oder Händlern spezifische Rabatte anzubieten; für Online-Transaktionen bedeutet dies, dass Verbraucher nur durch Eingabe eines Benutzernamens und Passworts bezahlen können oder (bald) durch den Einsatz biometrischer Technologien, um Zahlungen zu erleichtern. “Diversifizierung” bedeutet auch, dass digitale Wallets anfangen, eine zentrale Rolle im Wettbewerbsprozess zu spielen. Digitale Wallets können die Nutzung relativ einfacher Zahlungsmethoden wie Überweisungen und Lastschriften mit Komfort und Schutz für den Verbraucher kombinieren. Darüber hinaus konkurrieren sie nicht nur mit anderen Zahlungsmethoden, sondern neigen auch dazu, die Verbraucherbeziehung zu dominieren und spielen daher eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung des Verbrauchers, wie eine

Wettbewerb um die tatsächliche Nutzung einer Methode durch die Verbraucher in der physischen und digitalen Welt führt. Dieser Wettbewerb ist auch ein wichtiger Treiber für Innovationen im Zahlungsverkehr, da Anbieter zunehmend nach Lösungen suchen, die mehr Komfort und Sicherheit bieten. Verschiedene Akteure können in verschiedenen Kontexten erfolgreich sein und Diversifizierung sowie offene Infrastrukturen bedeuten, dass die Marktgröße eines Anbieters weniger zählt. Diejenigen, die nach einem neuen europäischen Marktführer im Zahlungsverkehr suchen, sollten daher nicht unbedingt einen einzigen großen neuen Anbieter ins Auge fassen, der den Verbrauchern die beste Auswahl bietet, sondern den Markt in seiner Gesamtheit. Die Frage ist, ob der europäische Zahlungsverkehrsmarkt effektiv darauf hinarbeitet, Verbrauchern und Einzelhändlern eine Auswahl zu bieten, die sich nicht auf etablierte Anbieter beschränkt – neue Erkenntnisse deuten darauf hin.

Veränderung der Marktdynamik im Zahlungsverkehr

ePayBL

Ursprünglich auf die Initiative BundOnline 2005 zurückgehend, sollte ePayBL, damals noch unter anderem Namen firmierend, als Basiskomponente Teile des behördlichen Zahlungsverkehrs (etwa BAföG-Leistungen) erstmals online ermöglichen. Auf Betreiben des Bundes sowie der beteiligten Länder – BadenWürttemberg, Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen – sind inzwischen weitere Bezahlfunktionen hinzugetreten: Neben eher traditionellen Zahlungsmodalitäten wie Vorkasse, Lastschrift und Kreditkarte wurden mit giropay oder PayPal nun auch neuere eingemeindet.

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18. – 20. September 2019, Berlin

Arbeitsprozesse liegen. Mussten Kassenzeichen zuvor noch eigens beantragt werden, generiert sie die Software nun automatisch gleich mit. Ein weiterer Vorteil soll das größere Maß an Transparenz sein, etwa bei der Einhaltung des Bruttoprinzips im Rahmen von Zahlungsdarlegungen. Ebenso möglich ist die Integration eines Inkasso-Services, der den Einzug für angefallene Leistungen sicherstellt.

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Sprecher sind unter anderem

Zusätzliche Funktionalitäten in Planung Ein weiterer Ausbau ist in Planung. So sollen Finanztransaktionen künftig über einen QR-Code abgewickelt werden können. Dazu sollte der Nutzer lediglich das digitale Muster einscannen können, um anschließend eine Instant-Payment-Zahlung an den Bund auszulösen. Eine derart vorgenommene Zahlung soll binnen zehn Sekunden getätigt werden können. Ergänzend sind laut ITZBund auch einzelne stationäre Terminals sowie der Aufbau eines Rechnungsservices vorgesehen. Wann diese zum Einsatz kommen sollen, ist zum aktuell allerdings noch nicht bekannt.

Arne Schönbohm Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

Stefan Muhle Nds. Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit und Digitalisierung

Mariya Gabriel EU-Kommissarin für digitale Wirtschaft und Gesellschaft

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Eine Veranstaltung von

In Kooperation mit


Cyber Akademie

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Behörden Spiegel / September 2019

Themenseite in Kooperation mit:

Neues aus der Cyber Akademie

September 2019

Grundlagen, Best Practice, Datenschutz – Neue Seminare Auf das bestehende Angebot an Seminare mit grundlegendem, organisatorischem und rechtlichem Fokus aufbauend, bietet die Cyber Akademie zum Herbst eine Anzahl neuer Seminare zu den Themen Grundlagen, Best Practice und Datenschutz an. Als Querschnittshemen umfassen der Datenschutz und die IT-Sicherheit nahezu alle Geschäfts- und Verwaltungsprozesse in Unternehmen und Behörden. Durch gesetzliche Reglementierungen entsteht eine Vielzahl von neuen Anforderungen im Arbeitsalltag. Darüber hinaus wird die IT-Sicherheit im Rahmen der zunehmenden Automatisierung, Professionalisierung und Technisierung illegaler Zugriffe immer bedeutender. Arbeitsalltägliche Tätigkeiten müssen mit erneuter Vorsicht betrachtet werden, um sich weiterhin auf sicherem Terrain zu bewegen. Vorschriftenverstöße werden etwa mit Schmerzensgeldern oder hohen Strafzahlungen geahndet. Maßgeblich für das Einhalten von Vorschriften ist eine umfassende Fachkenntnis im jeweiligen Bereich. Aus diesem Grund bietet die Cyber Akademie GmbH interdisziplinär und praxisnah gestaltete Schulungen mit technischen, rechtlichen und organisatorischen Aspekten an. Dafür stellen Experten aus der Wirtschaft und dem Öffentlichen Dienst ihre Fachkenntnisse und Praxiserfahrungen zur Verfügung. In theoretischen und praktischen Teilen kann das notwendige Wissen erlangt werden, um den verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden. Darüber

hinaus werden konkrete Handlungsweisen und Maßnahmen vermittelt, die direkt angewendet werden können. Auf Anfrage besteht außerdem die Möglichkeit, eine Inhouse-Schulung für einzelne oder kombinierte Seminarmodule durchzuführen. Als unabhängiges Aus- und Fortbildungsinstitut kann die Cyber Akademie GmbH auch 2020 mehr als 50 Themen mit rund 90 Terminen anbieten. Für das nächste Jahr ist das gesamte Portfolio überarbeitet worden. So erweitern zwölf neue Seminarmodule zu den Themen Grundlagen, Best Practice und Datenschutz das bestehende Portfolio.

Digitale Souveränität – Cyber-Risiken erkennen, analysieren und beheben

Grundlegendes Fachwissen aufbauen Für die Ausführung der arbeitsalltäglichen Tätigkeiten ist ein grundlegendes Fachwissen unerlässlich. Herausforderungen müssen gemeistert, Anforderungen erfüllt und bestehende Unsicherheiten oder Fragen bestenfalls eliminiert werden. Zu diesem Zweck bietet die Cyber Akademie GmbH aufbauend auf dem bestehenden Portfolio die neuen Grundlagen-Seminare “PraxisKurs Darknet: Grundlagen, Einführung und Recherche”, “Kompaktseminar: IT und ITSicherheit für Einsteiger und Aufsteiger”, “Blockchain-Technologie: Funktionsweise und Bausteine" und “IT-Sicherheitsgesetz 2.0” an. Beispiele aus der Praxis Außerdem bereiten die neuen BestPractice-Seminare durch Vermittlung von Praxiserfahrungen bestmöglich auf die unterschiedlichen Anforderungen vor. In diesem Rahmen können ab Herbst 2019 die Seminarmodule “Benutzerberechtigungsmanagement – praxisnah und kom-

pakt”, “Sichere Webanwendungen in der öffentlichen Verwaltung – Vergabe, Entwicklung, Abnahme”, “Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in IT- und IT-Sicherheitsprojekten” und “Beraterverträge rechtssicher vergeben” besucht werden.

In den Behörden setzt sich die mobile Kommunikation durch. Daraus ergeben sich allerdings neue Bedrohungslagen. So gab es im Jahr 2018 insgesamt 116 Millionen Angriffe mit mobiler Malware. Es braucht also sichere mobile Lösungen für die externe als auch die interne Kommunikation. Denn die in den Behörden vorhandenen Daten seien ein attraktives Angriffsziel, betont Uwe Hoppenz, stellvertretender Leiter der Leitstelle für Informationstechnologie der Sächsischen Justiz. Die mobile Kommunikation sei die größte Schwachstelle. Sicher durch Restriktion Jede Behörde müsse sich überlegen, wie sie damit umgeht. Ein Weg sei, nur dienstliche Endgeräte zuzulassen, um nicht verantworten zu müssen, dass sensible dienstliche Daten durch Angriffe, aber auch durch Diebstahl oder Verlust abhandenkommen. Es gehe immer um ein Abwägen von Sicherheit auf der einen und Komfort auf der anderen Seite, so Hoppenz. Wichtig für die Anwendung mobiler Services sei, dass Behörden sich Expertise von außen besorgten und die Externen gemeinsam mit

Uwe Hoppenz, stellvertretender Leiter der Leitstelle für Informationstechnologie der Sächsischen Justiz, spricht sich dafür aus, dass Behörden IT-Expertise outsourcen. Foto: CAk/Dombrowsky der Arbeitsebene technische Lösungen vor Ort entwickelten. Wie dies praktisch umsetzbar ist, zeigt das Beispiel der Bundespolizei. Die Behörde setze zunehmend auf den Einsatz von Smartphones und Apps, wie den Polizeimessenger "MOKA". Das habe zum einen dazu geführt, dass die Einsatzleitstelle entlastet werde, zum anderen hätten die Anwendungen erfolgreich bei Fahndungsabfragen eingesetzt werden können, was zu einer Steigerung der Fahndungstreffer geführt habe, so Mathias Schaef, Abteilungsleiter Kriminalitätsbekämpfung im Bundespolizeipräsidium. Um Datensicherheit gewährleisten zu können, gäbe es keine individuell zugewiesenen Smartphones und nach dem jeweiligen Einsatz würden alle Daten vom Gerät gelöscht, so Schaef weiter. KI unerlässlich Fragen der Datensicherheit stellen sich ebenfalls im Zusammenhang mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Mit Blick auf die steigende Anzahl von Gefahren für die Cyber-Sicherheit, sei deren Einsatz allerdings unerlässlich, wie die Bundes-

Zertifizierter Business Continuity Manager (mit TÜV Rheinland geprüfter Qualifikation) 21.-25.10.2019, Berlin DSGVO-Praxis – Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten richtig erstellen 22.10.2019, Berlin

DSGVO sicher umsetzen durch Seminare Auch rund 15 Monate nach Inkrafttreten der DSGVO bestehen weiterhin Unsicherheiten und Fragen. Um erforderliches Wissen für die rechtskonforme Umsetzung der Vorschriften zu vermitteln, sind die Datenschutz-Seminare: “Datenschutz bei der Polizei – EU-DSGVO, BDSG-Neu, RI-Richtlinien & Co.”, “DSGVO-Praxis – Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten richtig erstellen”, “Mitarbeiterkontrollen: zulässig und gefährlich?” und “Rechtssichere Vertragsgestaltung gem. DSGVO” neu im Portfolio. Die neue Seminarbroschüre für das Jahr 2020 steht Ihnen unter www.cyber-aka demie.de zum Download zur Verfügung.

Wohin geht die Reise? Trends in der IT-Sicherheit (CAk/Angelina Haack/Katarina Heidrich) Die Digitalisierung reicht mittlerweile weit in das interne Behördenhandeln hinein. Ob es um die Nutzung von Applikationen und Messengerdiensten geht, um die Verwendung mobiler Endgeräte im Dienst oder auch um den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) – gleichzeitig geht es dabei auch immer um Fragen der IT- und Datensicherheit.

Zentrum für Informationssicherheit

tagsabgeordnete Daniela Kluckert (FDP) betont. So würde bei der Erkennung von Gefahren eine KI hunderte Mal schneller arbeiten können als ein Analyst, heißt es auch seitens mehrerer IT-Sicherheitsanbieter. Zudem sei ein Mensch lediglich im Stande, die Vergangenheit zu betrachten. KI schaffe Echtzeitüberwachung. Der Eindruck, solche Technologien seien Zukunftsmusik, täusche. Tatsächlich seien sie schon häufig im Einsatz. Die meisten Personen würden intelligente Systeme wie etwa Chatbots bereits nutzen, ohne Bewusstsein für die zugrunde liegende KI. Zentrale Prüfstelle gefordert Das Bundesverfassungsgericht hat längst entschieden, dass Entscheidungen beim Einsatz von KI weiterhin von einem Menschen getroffen werden müssen. Fraglich ist für Kluckert allerdings, ob man nicht das Recht darauf haben sollte, Entscheidungen von einer KI statt von einem Menschen treffen zu lassen. Denn: “KI ist am Ende gerechter”, mutmaßt die Bundestagsabgeordnete. Diskutiert wird auch, wie der KI datenschutzkonform eingesetzt werden kann. Schließlich ist für die Verwendung von personenbezogenen Trainingsdaten, die Zustimmung gemäß EU-Datenschutzgrundverordnung notwendig. Unternehmen fordern gesetzliche Veränderungen, um sich bei der Datenverarbeitung auf rechtsicherem Terrain bewegen zu können. Notwendig sei aber auch, “Vertrauen aufzubauen, dass mit den Daten sachgerecht umgegangen wird”, betont Dirk Kunze vom nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt (LKA). Dazu sei es notwendig, die Angriffsflächen zu minimieren, um Daten sicher zu machen. Das ließe sich etwa durch kurzfristige statt langfristige Datenspeicherung erreichen. Nicht zuletzt könne eine zentrale KI-Prüfstelle für Sicherheit sorgen.

Grundlagen der Kryptologie 22.-23.10.2019, München IT-Forensik für Einsteiger und Aufsteiger 05.-07.11.2019, Bonn Cyber Risk Management: Cyber-Risiken ermitteln, analysieren und bewerten 05.11.2019, Bonn BSI-Grundschutz in der Praxis 05.-06.11.2019, München Grundlagen der Datenbanksicherheit 06.11.2019, Bonn Cyber Security Management: Cyber-Sicherheit praxisnah steuern 07.11.2019, Bonn Datenschutz-Praxis: Aufbau und Umsetzung eines Datenschutz-Management-Systems DSMS 07.11.2019, München Wenn der Drucker zum Sicherheitsrisiko wird – Security-Praxis in Druck- und Dokumenteninfrastrukturen 07.11.2019, Bonn Beschäftigtendatenschutz nach neuem Datenschutzrecht 12.11.2019, Berlin Praxis-Kurs Darknet: Grundlagen, Einführung und Recherche 12.-13.11.2019, Berlin Social Media Awareness – sicherer in Sozialen Netzwerken 13.11.2019, Frankfurt am Main Cyber-Versicherungen in Theorie und Praxis 14.11.2019, München Kompaktseminar: IT und IT-Sicherheit für Einsteiger und Aufsteiger 19.-20.11.2019, Berlin Beraterverträge rechtssicher vergeben 19.11.2019, Bonn

Weitere Informationen zu diesen und anderen Seminaren unter: www.cyber-akademie.de


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PITS 2019 IT

-Infrastrukturen sind heute längst systemrelevant, wie der FDP-Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlin unterstreicht. Zumal die Vo­ raussetzungen hierzulande bzw. innerhalb der Europäischen Union gar nicht so schlecht seien. “Wir haben hervorragende Unternehmen in diesem Bereich”, erklärt er. Wichtig sei es, diese Anbieter durch öffentliche Aufträge dezidiert zu fördern. Hierzu bräuchte es den Mut, bei Ausschreibungen Kriterien aufzustellen, die diese auch erfüllen könnten. Ohnehin müsse man, dem Grundsatz “Security by Design” folgend, einen Markt für sichere Produkte schaffen. Teil der digitalen Souveränität ist für Höferlin aber auch die Schaffung resilienter Strukturen, getreu dem Motto: “Was tun, wenn etwas passiert (ist)?” Ein zentrales Instrument, um sich hier noch besser als bislang aufzustellen, ist für den CDU-Bundestagsabgeordneten Marian Wendt der Ausbau des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu einer nationalen IT-Sicherheitsagentur. Auch müsse man sich der Frage stellen: “Wer kontrolliert unsere Netze?” Er begrüßte vor diesem Hintergrund die Bemühungen der Bundesnetzagentur, des BSI und des Bundesdatenschutzbeauftragten, hier mit Blick auf die “kritischen Kernkomponenten” des zukünftigen 5G-Netzes derzeit durch die Erarbeitung eine Eckpunktepapiers ein sehr hohes Sicherheitsniveau zu schaffen. Man dürfe sich hier nicht von chinesischen Anbietern abhängig machen, warnt Wendt. Für Michael Barth von genua, einem Unternehmen der Bundesdruckerei, ist daher digitale Souveränität und die Unterstützung der heimischen IT-Indus­ trie kein industriepolitisches, sondern ein sicherheitspolitisches Thema. “Dies ist somit eine politische Entscheidung, die von den Verantwortlichen, wenn man es denn will, getroffen werden muss”, so Barth.

Schneller reagieren “Digital souveräne Staaten können sich freier am Markt bewegen”, so Gerhard Marz, Bereichsvorstand Public Sector beim Unternehmen Bechtle. Eine bestmögliche digitale Souveränität ist für ihn an verschiedene Faktoren geknüpft. So brauche es einen höchstmöglichen Wissenstand, der im Rahmen eines permanenten ChangeProzesses auch immer aktuell gehalten werden müsse. Um im Falle eines Angriffs möglichst schnell reagieren zu können, sei es zudem unabdingbar, die notwendigen Kapazitäten jederzeit (24/7) zur Verfügung zu haben. Auch bedürfe eine bestmögliche Reaktion einer breiten Kooperation, um grenz- und disziplinübergreifend reagieren zu können. Zudem müssten aus den Angriffen entsprechende Lehren gezogen werden, um für die Zukunft noch besser aufgestellt zu sein. Mit Blick auf den Fachkräftemangel (auch) im Bereich der IT-Sicherheit wünscht sich Marz noch mehr Technologiepartnerschaften, um die Kräfte an dieser Stelle zu bündeln. “Wir brauchen eine homogene und professionelle Infrastruktur in Deutschland. Dies ist die Voraussetzung für eine robuste Ba-

Konstrukte mit Leben füllen Architektur für mehr digitale Souveränität (BS/Guido Gehrt/Benjamin Stiebel) Um zentrale IT-Infrastrukturen, die “Achillesferse der Digitalisierung”, besser schützen zu können, werden in Zeiten, in denen Hard- und Software vornehmlich aus den USA und Asien kommen, Rufe nach mehr digitaler Souveränität in Deutschland und Europa lauter. Souverän ist aber nur der Staat, der seine Sicherheitsarchitektur angesichts einer agilen und hybriden Bedrohungslage im Cyber-Raum ständig auf den Prüfstand stellt und dynamisch nachjustiert. Risiken der vernetzten Welt bekommen auch Bürger immer stärker direkt zu spüren, sodass der digitale Verbraucherschutz zunehmend Teil einer gesamtheitlichen Herangehensweise an die Digitalpolitik wird.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius eröffnete die PITS (Public-IT-Security) 2019 im Berliner Hotel Adlon mit über 700 Teilnehmern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Fotos: BS/Dombrowsky

Regt eine stärkere strukturelle Integration von Innerer und Äußerer Sicherheit an: BMVg-Abteilungsleiter Generalleutnant Michael Vetter.

sis für die weitere Digitalisierung des Landes”, so Marz.

Gefahrenabwehr ausbaufähig Strategien und Strukturen für gesamtstaatliche Cyber-Sicherheitsarchitektur sind zwar durchaus vorhanden, nur über die Homogenität und Professionalität gibt es verschiedene Ansichten. Oder, wie der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius es positiv ausdrückt: “Wir müssen diese Konstrukte auch mit Leben füllen.” Das gehe am besten, wenn alle an einem Strang zögen. Egoismen könne man sich bei dem Thema nicht leisten. Damit spricht der Minister insbesondere die verantwortlichen Kollegen in den Ländern an: “Kleinstaaterei bringt uns alle kein Jota weiter”, mahnt Pistorius. Gut laufe die Zusammenarbeit bereits im Bereich der Strafverfolgung zwischen Bundes- und Landeskriminalämtern, lobt er. Anders sei die Situation bei der Gefahrenabwehr im Cyber-Raum. Um hier künftig Fortschritte zu machen, hatte Pistorius erfolgreich angeregt, bei der nächsten länderübergreifenden Krisenmanagementübung (LÜKEX) 2021

Cyber-Angriffe als Szenario zu wählen. Auf Bundesebene ist das Nationale Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ) als zentrale Drehscheibe der wichtigen Akteure gedacht. Das beim BSI 2011 angesiedelte Gremium war vor allem in den ersten Jahren wiederholt heftiger Kritik ausgesetzt, weil dort wenig mehr als informeller Austausch stattfinde. Seit 2016 will die Bundesregierung das NCAZ ausbauen und zu einer zentralen Kooperations- und Koordinationsstelle stärken. Nicht nur sollen die beteiligten Behörden ihre Erkenntnisse zu einem umfassenden Lagebild zusammenführen. “Wir wollen das Nationale Cyber-Abwehrzentrum auch mit eigenen Analyse- und Handlungskompetenzen ausstatten”, erklärt der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Klaus Vitt. Es sei auch geplant, in einem nächsten Schritt die Länder zu beteiligen. All das wird von vielen Seiten begrüßt. Das geringe Tempo sorgt indes für Unverständnis. “Es ist eine gute Nachricht, dass die Länder einbezogen werden sollen. Aber ich verstehe nicht, warum das nicht sofort angegangen wird”, so Henrik Hohenlohe, Leiter des Cybercrime Competence Centers Sachsen. Für Geduld plädiert dagegen Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber/Informationstechnik im Bundesministerium der Verteidigung. Es sei wichtig, geschaffenen Strukturen Zeit zu geben, um ihre Wirkung, auch im Zusammenspiel, zu entfalten. Gleichzeitig stellte er klar, in einem Cyber-Abwehrzentrum Plus wolle die Bundeswehr sich stark einbringen. “Wir haben die starke Absicht, dort auch mit Soldaten mitzuwirken und unseren Teil zum Lagebild beizutragen.” Mit Blick auf die Cyber-Sicherheitsarchitektur regt er an, die etablierte Herangehensweisen zu diskutieren. So decke sich die übliche Trennung zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit nicht mit den heuti-

gen hybriden Bedrohungslagen. “Die Bundeswehr würde und könnte mehr zur gesamtstaatlichen Architektur beitragen, sie bräuchte nur die gesetzlichen Grundlagen dafür”, so der Generalleutnant. Eine noch weitere Öffnung des NCAZ schlägt Christopher Waas, CISO beim Bundes-IT-Dienstleister BWI an: “Wir sind letztlich diejenigen, die die Abwehr im Bereich der Verwaltungs-IT umsetzen müssen.” Daher wäre es sinnvoll, die Dienstleister in

“Gefahrenabwehr ist und bleibt Ländersache. Wir müssen uns aber Gedanken über die Strukturierung der Zusammenarbeit machen”, so Pistorius. Sein Rezept: “Vernetzen, vertrauen und voneinander lernen.”

Verbraucherschutz im Digitalen Die Bedeutung der Zusammenarbeit und des Dialogs unterstrich auch Andreas Könen, Abteilungsleiter Cyber- und Informationssicherheit im Bun-

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken fordert Transparenz beim Einsatz Künstlicher Intelligenz.

Einrichtungen wie das Abwehrzentrum zu integrieren. Damit ließe sich auch das gemeinsame Lagebild weiter aufwerten. Klar ist unterdessen: Solange keine Grundgesetzänderung erfolgt, ist Gefahrenabwehr Ländersache. Daran ändert auch ein gestärktes NCAZ auf Bundesebene nichts. Das muss aber nicht zwingend so bleiben. So schlägt Ammar Alkassar, Bevollmächtiger der saarländischen Regierung für Innovation und Strategie vor, die Kompetenzverteilung auf den Prüfstand zu stellen. “Die föderale Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr funktioniert zwar, ist aber unglaublich mühsam. Die dafür nötige Energie wäre an anderer Stelle besser investiert”, meint Alkassar. Anderer Meinung ist Niedersachsens Innenminister.

desinnenministerium. Ein normatives Instrument, um den Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren weiter zu intensivieren, ist das IT-Sicherheitsgesetz 2.0, welches sich aktuell als Referentenentwurf im ministeriellen Abstimmungsprozess befindet. Mit der Version 2.0 des Gesetzes solle das bisherige Erfolgsmodell erweitert werden, so Könen. So solle etwa die Meldepflicht auf weitere Branchen ausgedehnt werden und zukünftig etwa auch die Entsorgungswirtschaft und die wehrtechnische Industrie erfassen. Insgesamt gehe man davon aus, dass sich der Kreis der meldepflichtigen Unternehmen dadurch “im kleinen dreistelligen Bereich” erweitern werde, erläuterte Könen. Zudem werde das BSI hinsichtlich seiner Aus-

kunftsansprüche und Anordnungsbefugnisse gestärkt. Mit Blick auf die weitere Sensibilisierung und den Schutz der Verbraucher solle zudem ein freiwilliges Gütesiegel eingeführt werden – ein erster Schritt, um Sicherheitseigenschaften von IT-Produkten und -Dienstleistungen für Endanwender transparenter zu machen. Hersteller sollen Security stärker als Kaufargument verstehen. Verbraucherschutz rückt aber nicht in Bezug auf Risiken durch angreifbare Produkte und Dienste. Die Frage, wie die Daten genutzt werden dürfen, die überall in der digitalen Welt anfallen, gehört zu den dringendsten unserer Zeit. So macht sich der Berliner Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Dr. Dirk Behrendt, für eine Algorithmenaufsicht stark. “Entscheidungen, die auf Algorithmen zurückgehen, müssen nachvollziehbar und grundsätzlich anfechtbar sein.” Zwar dürfe man digital ablaufende Entscheidungsprozesse nicht generell verteufeln, so Behrendt weiter. “Aber wir müssen Verbraucher stärken und sie vor Diskriminierung schützen.” Verbraucherschutz sei institutionalisierter Interessenausgleich. In der digitalen Welt sei das strukturierte Ungleichgewicht zwischen Anbietern und Verbrauchern noch stärker ausgeprägt, denn der Wissensvorsprung beziehe sich nicht mehr nur auf Produkte und Dienst­ leistungen, sondern auch auf Informationen über den Verbraucher in Person. “Mittels Prozessen, die Verbraucher oft nicht bemerken oder verstehen und womöglich auch nicht gutheißen, wird deren Verhalten analysiert, monetarisiert und beeinflusst”, kritisiert der Senator. Augenfälliges Beispiel sind Onlineshops, bei denen betrachtete Artikel, Kaufentscheidungen und weitere Informationen aggregiert und künftige Entscheidungen vorausberechnet werden. Problematisch seien auch Algorithmen, die eine Vorauswahl von Bewerbern auf eine ausgeschriebene Stelle treffen sollen, sagt Behrendt. Bei solchen Programmen bestehe die Gefahr einer systematischen Diskriminierung nach Geschlecht, Herkunft oder sozioökonomischem Stand. Algorithmenbasierte Entscheidungen müssten transparent nachvollziehbar sein, findet auch die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken (SPD). Bei der Nutzung künstlicher Intelligenz müsse klar sein, wie diese trainiert werde und auf welcher Grundlage sie Schlüsse ziehe. “Bei rechtlich bindenden Entscheidungen im Verwaltungskontext muss immer der Mensch letzte Instanz sein”, fordert Esken. Dieser brauche die Kompetenz und Unabhängigkeit, um KI im Zweifel auch überstimmen zu können. Im Sinne des Verbraucherschutzes bei kommerziellen Anwendungen reicht Behrendt Transparenz jedoch nicht. “Es braucht eine behördliche Aufsicht, damit Betroffene sich aktiv gegen Fehlentscheidungen oder Diskriminierung wehren können”, so der Justizsenator. Ob diese bei den Datenschutzbehörden anzusiedeln sei oder gar neue Institutionen geschaffen werden sollten, ließ er offen.


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Es wird nicht einfacher

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s braucht ein generelles Umdenken, wenn Entwicklungen in der IT-Sicherheit bis auf die Ebene der Mitarbeiter durchdringen sollen. Dass hier noch Nachholbedarf besteht, zeigen Hackerangriffe der jüngsten Zeit, bei denen jeweils der Faktor Mensch als Einfallstor für Malware diente. Sicher, ein einschlägiges Schulungsangebot ist vorhanden, muss auch vorhanden sein angesichts der Bedrohungslage und der sensiblen Daten, mit denen Behördenmitarbeiter tagtäglich zu tun haben. Fraglich ist nur, ob die verpflichtenden Maßnahmen auch wirklich nachhaltigen Nutzen haben: “Nur weil ein entsprechender Lehrgang durchgeführt wurde, muss das noch nicht zwingend bedeuten, dass alle Ergebnisse im Nachgang auch internalisiert werden”, umreißt Jens Vieweg, Leiter des CERTs bei IT.NRW, die Problemlage. Um auch diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuholen, die weniger digital affin seien, bedürfe es eines Denkansatzes, der den Menschen ins Zentrum aller didaktischen Bemühungen stellt.

Ziel ist der mündige ­Mitarbeiter Was sich leicht dahinsagt, hat, blickt man einmal genauer hin, vielfältige Implikationen: Zum einen, dass es den “Mitarbeiter” als eine homogene Größe nicht gibt. “Personal variiert genauso wie seine Tätigkeiten im Betrieb. Zu glauben, dass es ein einheitliches Patentrezept gibt, das überall in ähnlichem Maß zündet, geht an der Realität der Berufswelt vorbei”, erklärt Marcus Beyer, Schulungsexperte beim IT-Dienstleister DXC Technology. Statt die eigenen Mitarbeiter zu gängeln, brauche man einen mündigen Arbeitnehmer, der nicht davor zurückschrecke, bei gemachten Fehlern Verantwortung zu übernehmen. Auf gar keinen Fall dürfe man das Personal abstrafen, denn das führe lediglich dazu, dass Fehler vertuscht, Schwachstellen im System unerkannt blieben. Wie man über Weiterbildung

damit im Falle eines Falles die souveräne Reaktion einsetzt, die es in solchen Fällen braucht. Pläne in der Schublade helfen da nicht weiter, die stauben nur ein.”

nen und mittleren Gemeinden hätten oft nicht die finanziellen und personellen Möglichkeiten, den IT-Grundschutz des Bonner Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) umzusetzen. Daher hat das LSI ein angepasstes Siegel speziell für diese Fälle entwickelt, erklärt Kleffel: “Unser Siegel “Kommunale IT-Sicherheit” stellt im Grunde die Essenz der größeren Sicherheitssiegel dar. Es gilt zwei Jahre und wird nur verlängert, wenn im Anschluss eine spürbare Entwicklung bei der kommunalen IT-Sicherheit wahrzunehmen ist.”

Viele Systeme müssen ­laufen, egal was kommt

Dynamische Entwicklung als große Herausforderung

Und mit einer Zunahme von Angriffen ist weiterhin zu rechnen. Den Grund hierfür – und eines der Hauptprobleme sämtlicher Behörden in Sachen Cyber-Sicherheit – fasst Daniel Kleffel, Präsident des bayerischen Landesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) zusammen: “Es gibt einen riesigen finanziellen Markt und Anreiz für Cyber-Kriminelle. Und Angriffe auf Behörden sind einfach ein extrem lukratives Geschäft, wenn man es richtig macht.” Daher habe man in Bayern das LSI gegründet, um unter anderem an dieser Stelle für die Kommunen da zu sein und zu helfen, denn Stadt- und Wasserwerke müss­ en laufen, egal wie klein eine Kommune sei. Als Basis für diese Unterstützung dient im Freistaat das “Bayerische Behördennetz”. An dieses sind alle Behörden des Landes mit ihren rund 150.000 Clients angeschlossen und gehen zentral hierüber ins Internet. So kann das LSI in seinem “Security Operations Center” den gesamten Datenfluss zwischen Verwaltung und restlichem Internet überwachen und bei Vorfällen schnell eingreifen. “Wir sehen uns als Wächter, Berater und Tekkies”, erklärt Kleffel: “Wir können den Kommunen im Land unser Wissen zur Verfügung stellen und gleichzeitig bei Vergehen sanktionieren. Da haben wir durch das IT-Sicherheitsgesetz in Bayern gute Möglichkeiten, durchzugreifen.” Wichtig sei außerdem der viel beschworene Faktor Zusammenarbeit. So arbeite man eng mit den IT-Dienstleistungszen­ tren und den Sicherheitsbehörden des Landes zusammen. “Auch mit dem BSI brauchen wir eine vernünftige Abstimmung. Um wirklich für die Kommunen da zu sein, braucht aber jedes Land eine eigene schlagfertige Truppe”, so Kleffel. Denn Kommunen hätten sehr individuelle Rahmenbedingungen und Alltagsrealitäten. So gebe es allein in Bayern 2.056 Kommunen verschiedenster Größen und gerade die klei-

Als Partner vor allem für die Sicherheitsbehörden des Bundes agiert seit 2017 die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS). Die noch im Aufwuchs befindliche Behörde ist selbst nicht operativ tätig, steht aber jederzeit zur Unterstützung bereit, so Gründungspräsident Wilfried Karl: “ZITiS entwickelt technische Lösungen, ist in der Forschung aktiv und bietet Behörden Beratung zu cyberbezogenen Fragen an.” Hierfür arbeitet die in München ansässige ZITiS mit wissenschaftlichen Institutionen zusammen, allen voran mit dem ebenfalls in der bayerischen Landeshauptstadt angesiedelten Forschungsinstitut Cyber Defence (CODE) der dortigen UniBw. Diese Zusammenarbeit war von Anfang an geplant, sodass sich aktuell ein gemeinsames Gebäude in der Bauphase befindet, in dem neben der Forschung auch ein gezielter Beitrag zur Ausbildung von Cyber-Sicherheitsexperten für die öffentliche Verwaltung geleistet werden soll. Gemeinsam mit der Wissenschaft entwickelt die Behörde Werkzeuge und Methoden für vier zentrale Bereiche, wie Karl erklärt: “Wir arbeiten in den vier Forschungsfeldern Digitale Forensik, Big Data, Kryptoanalyse und Telekommunikationsüberwachung. Die Entwicklung ist dabei aber nie abgeschlossen, denn durch die hohe Dynamik der fortschreitenden technischen Entwicklungen braucht es immer wieder neue Methoden, um gegen Cyber-Attacken gefeit zu sein.” Zudem fordert der ZITiS-Präsident, neben der Wissenschaft auch die Wirtschaft mit einzubinden und die Vergabezyklen und -verfahren im Öffentlichen Dienst besser auf die neuen Gegebenheiten der digitalen Zeit anzupassen, denn die aktuellen Vorschriften hinderten die ITSicherheitsabteilungen noch zu häufig daran, agil und flexibel auf digitale Bedrohungen reagieren zu können.

IT-Sicherheit wird mehr und mehr zur Gesamtaufgabe für alle (BS/Thomas Petersdorff/Wim Orth) Neuerungen in der IT-Sicherheit kommen rasant. In immer engeren zeitlichen Intervallen werden Maßnahmen installiert, die auf aktuelle Bedrohungslagen reagieren. Was aus Sicht eines dynamisch agierenden Datenschutzes sicherlich notwendig ist, lässt viele Mitarbeiterinnen und Behördenmitarbeiter mitunter überfordert zurück. Gleichzeitig rüsten sich Bund und Länder weiter gegen digitale Bedrohungen, um Mitarbeiter wie Bürger gleichermaßen so gut wie möglich schützen zu können.

Im Rahmen der PITS diskutierten der Präsident des Landeskriminalamtes BaWü, Ralf Michelfelder, LSI-Präsident Daniel Kleffel und ZITiS-Präsident Wilfried Karl (v.l.n.r.) darüber, wie Behörden und ihren Mitarbeitern bei der Prävention von IT-Vorfällen sowie im Ernstfall geholfen werden kann. Foto: BS/Dombrowsky

und Awareness dorthin gelangen kann, darüber besteht Uneinigkeit. Ein Ansatz sieht vor, das Personal so lange zu schulen, bis IT-Sicherheit Teil der Arbeitsroutine geworden ist. Man müsse den eigenen Angestellten mehr zutrauen, sagt Markus Grüneberg, vormals IT Security Consultant, nun Product Evangelist GDPR. Um in prekären Situationen entscheiden zu können, brauche man einschlägiges Wissen, das einen in den Stand versetze, Vorund Nachteile abzuwägen, so das Kernargument. Anders sieht es freilich die Gegenposition: Statt die ohnehin immer komplexer werdenden Arbeitsschritte noch weiter zu strapazieren, brauche man eine Technik, die einfach in der Anwendung und trotzdem sicher sei. Informationstechnolo-

gisches Know-how ist hier zwar erwünscht, aber nicht derart, dass die eigentliche Arbeit da­ rüber zu kurz kommt.

Faktor Psyche So unterschiedlich die Ansätze auch sein mögen, einig sind sie sich darin, dass etwas in der deutschen Unternehmens- bzw. Behördenkultur getan werden muss, um die “Human Firewall” Mitarbeiter für die Risiken des Umgangs mit Daten zu sensibilisieren. Das fange bei einer neuen Fehlerkultur an, die ganz ohne Sanktionen auskomme, und führe letztlich bis hin zu einer neuen Identifikationsstrategie in Unternehmen und Behörden selbst. Dass dem derzeit noch nicht so ist, belegt eine Umfrage des Bundesamts für

Kampf gegen Cyber-Kriminalität Schritt halten mit Künstlicher Intelligenz und Automatisierung (BS/Michael Fischer*) Die Cyber-Kriminalität nimmt stetig zu, sei es durch Innentäter, externe Akteure oder Staaten. Dabei setzen die Angreifer vermehrt Künstliche Intelligenz ein, um Lücken systematischer auszunutzen, Angriffsvektoren zu permutieren oder nach dem Eindringen die richtigen Mittel auszuwählen. Unabhängig von der Abwehr dieser Bedrohung ist die Verfügbarkeit von Anwendungen und Daten eine wesentliche Säule der Sicherheit. Mit der steigenden Anzahl von Services wächst der Aufwand, diese Verfügbarkeiten sicherzustellen. Hinzu kommen Software-Upgrades oder Infrastrukturänderungen, die dann einen erneuten Aufbau und Test, schlimmstenfalls für alle Bestandteile des gesamten Systems, erfordern. Eine Lösung für interne wie externe Services ist es, die Automatisierung sowohl bei der Security, der Compliance als auch der Verfügbarkeit zu erhöhen. Um im Betrieb flexibel reagieren und sich auf ändernde Kontexte einstellen zu können, muss in die Automatisierung Künstliche Intelligenz einbezogen werden. Wird die Automatisierung von den Betreibern selbst umgesetzt, stellt sich die Frage, ob sie jetzt oder zukünftig mit der rasanten technologischen Entwicklung Schritt halten können und ob nicht wirtschaftliche oder personelle Aspekte dagegensprechen. Gleiches gilt für einen Best-ofBreed-Ansatz, der fortwährende Integrationsaufwände bei Updates erfordert. Oracle ist überzeugt, dass dabei wesentliche Verbesserungen notwendig sind, um Schritt zu

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halten. Um diese Anforderungen abdecken zu können, bietet Ora­cle Komponenten oder Services an, die Künstliche Intelligenz nutzen.

Basis Security mit KI ­aufwerten Die Künstliche Intelligenz setzt dabei auf Basis Security auf. Das ist eine “Security-byDefault”-Konfiguration schon in der Bereitstellung als auch ein zugehöriges Security Monitoring. Die Künstliche Intelligenz wurde u. a. mit den Erfahrungen aus dem Betrieb der sogenannten “Engineered Systems”, z. B. Exa­ data trainiert. Die künstliche Intelligenz entwickelt sich weiter mit Daten, die während des Betriebs gesammelt und entweder über Big-Data-Algorithmen oder Machine Learning analysiert werden. Dadurch ist es möglich, z. B. abnormales Verhalten taxieren zu können oder das Regelwerk zu erweitern. Beispiele für die Mehrwerte von KI in OracleProdukten sind: • Die sogenannten autonomen Database-Systeme, die KI getrieben das Security Patching und Monitoring so wie Tuning, Auto-Skalierung, Back-up und Recovery über Standorte hinweg fortwährend durchführen und die Verfügbarkeit bis zu 99,995 Prozent sicherstellen. • S ecurity Monitoring (SIEM)

durch verschiedene Komponenten wie Monitoring Cloud oder DataSafe, um abweichendes Verhalten eines Benutzers in der Datenbank (SQL Ebene) oder von Systemen (u. a. via Clustering) zu erkennen. • Cloud Access Security Broker (CASB), um abweichende Nutzungsmuster von Oracle und 3rd-Party-Cloud-Systemen zu erkennen. • Web Application Firewall (WAF), um u. a. Verhaltensänderungen von Benutzern und Bots zu erkennen und eine Unterscheidung in beabsichtigte und ungewollte Kommunikation zu ermöglichen. • “Intelligente” Internet-Traffic und DNS-Services, um u. a. mit Behaviour Analytics Verhaltensänderungen im Internet zu erkennen und den Traffic entsprechend zu routen bzw. zu unterbinden. Security ist in der DNA von Oracle und essenzieller Bestandteil von Oracle-Software und -Hardware sowie der Oracle Cloud, um den sicheren Aufbau und die sichere Nutzung von unternehmenskritischen Anwendungen und Systemen zu ermöglichen. *Michael Fischer ist Leitender Systemberater bei Oracle Deutschland BV & Co KG.

Sicherheit in der Informationstechnik (BSI): Dabei gaben 76 Prozent der Befragten an, private Mails, über deren Herkommen Zweifel besteht, am Arbeitsplatz zu öffnen.“Ergebnisse wie diese deuten darauf hin, dass man bei vielen Mitarbeitern durchaus ein gewisses Bewusstsein über die Risiken von Phishing voraussetzen kann, nur allzu oft wird es aber nicht berücksichtigt”, heißt es hierzu aus dem Innenministerium Nordrhein-Westfalen. Parallel zum Cyber-Raum brauche es dringend ein Fortbildungsprogramm, das konsequent darauf hinarbeite, dass die Mitarbeiter sich künftig selbst engagierten, erläutert Henning Voß aus dem Referat Wirtschaftsschutz und Geheimschutz in der Wirtschaft im nordrhein-westfälischen Ministerium des Innern. Risiken, die Folge grober Fahrlässigkeit seien, würden so minimiert. Alles andere wäre dann lediglich eine Frage der Übung, Gewöhnung und Erprobung. Genau diese Übung und Erprobung sei allerdings zwingend durchzuführen, sonst bringe der beste Notfallplan nichts, erklärt zu dieser Thematik der Präsident des baden-württembergischen Landeskriminalamtes, Ralf Michelfelder: “Wirkliche Handlungssicherheit kann nur durch Routine entstehen. Es braucht also regelmäßige Übungsszenarien,

Ganzheitlicher Ansatz Bedrohungsorientiertes Identitäts- und Zugriffsmanagement (BS/Dr. Volker Strecke*) Mit einer immer moderneren, globalen und entfernten Belegschaft ist die Verwaltung und Überwachung des Benutzerzugriffs in einer hybriden IT-Umgebung ein entscheidendes Sicherheitsanliegen. Für viele Unternehmen hat sich der Perimeter von Hosts in Richtung Identitäten verlagert, die von überall, zu jeder Anwendung, über alle Geräte und zu jeder Zeit Zugriff benötigen. Daher sind Mittel zur Erkennung, Untersuchung und Reaktion auf vielerlei Bedrohungen erforderlich. Darüber hinaus: Was wäre, wenn der Angreifer bereits auf die Ressourcen des Unternehmens zugreifen könnte, z. B. durch kompromittierte Anmeldeinformationen? Wie kann eine Antwortaktion durchgeführt werden? Und wie können Reaktionen darauf automatisiert werden, ohne dass der Sicherheitsanalyst zu diesem Zeitpunkt anwesend sein muss – etwa mit einem automatisierten Workflow? Um dies zu erreichen, müssen Tools und Workflows für den Sicherheitsbetrieb zu Folgendem in der Lage sein: • automatisches Erkennen von abnormalem Benutzerverhalten, • Sichtbarkeit aller vom Benutzer ausgeführten Aktionen,

• Analyse des gesamten Angriffslebenszyklus, • Nutzung einer risikobasierten Multifaktor-Authentifizierung für eine Sofortmaßnahme, ohne Notwendigkeit, legitime Benutzeraktivitäten zu blocken. Die Erfassung und Überwachung von Authentifizierungs- und Aktivitätsprotokollen ist bereits heute möglich. Um auf Bedrohungen in Echtzeit zu reagieren und eine größere Transparenz zu ermöglichen, verfolgt RSA einen innovativen Ansatz, indem es anomale Aktivitäten mit der RSA NetWitness Plattform erkennt, fortgeschrittenes maschinelles Lernen nutzt und dann umsetzbare Erkenntnisse in RSA SecurID Access einbringt. Die

Lösung nutzt diese Bedrohungsinformationen sowie Erkenntnisse über den Geschäftskontext und die Identität in Echtzeit, um bei hohem Risiko eine zusätzliche Authentifizierung auszulösen. Dies ermöglicht Sicherheitsteams, die Anzahl der Warnungen zu reduzieren, die echte Benutzeraktivitäten blockieren könnten, und kritische Warnungen mit höherer Wahrscheinlichkeit bösartiger Handlungen hervorzuheben. *Dr. Volker Strecke ist Senior Business Development Manager IT-Security bei der Arrow ECS AG. Weitere Information oder Anfragen an rsa.ecs.de@arrow.com oder unter Tel. 089/93099 0


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Angriffsflächen werden größer

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as unterstreicht der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Bernhard Witthaut. Er meint: “Die Angriffsflächen vergrößern sich.” Es gebe allerdings noch “Baustellen” im Verhältnis zwischen den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) einerseits und den Unternehmen andererseits. Auch sei die gesetzliche Lage in Teilen noch verbesserungsbedürftig. So dürfe der Verfassungsschutz den Firmen nicht ohne Weiteres alle seine Erkenntnisse übermitteln. Das gelte unter anderem für Daten aus dem Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS). Diese rechtlichen Lücken müssten zeitnah geschlossen werden, verlangt Witthaut. Der Leiter der Abteilung “Sicherheit und Rohstoffe” beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Matthias Wachter, diagnostiziert eine massive Zunahme der Wirtschaftsspionageaktivitäten. Auf staatlicher Seite würden hierbei insbesondere die Aktivitäten Russlands, des Irans sowie Chinas herausstechen. “Die Volksrepublik ist einer der Hauptakteure im Bereich der Wirtschaftsspionage.” Dabei seien neue Aktivitätsformen erkennbar, so der BDI-Vertreter. Hierzu zählten der Aufkauf von Unternehmen sowie der Zwang zum Eingehen von Joint Ventures.

Qualität und Geschwindigkeit nehmen zu Ebenfalls zu konstatieren seien eine höhere Geschwindigkeit und Qualität von Cyber-Angriffen, meint der Vorstandsvorsitzende des ASW-Bundesverbandes, Volker Wagner. So gebe es täglich 400.000 neue Malware-Varianten. Zudem nehme die Zahl hybrider Bedrohungen zu. Wagner sagt: “Die Kurve der Angriffsaktivitäten ist angestiegen.” Gleiches gelte jedoch auch für die Kurve der Abwehrfähigkeit.

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Zahl der Einfallstore für Wirtschaftsspionage nimmt immer weiter zu (BS/Marco Feldmann) Im kommenden Jahr wird es weltweit rund 50 Milliarden vernetzte Geräte geben. Ein wahres Einfallstor für Hacker, Spione und fremde Nachrichtendienste. Im Bereich des Wirtschaftsschutzes ist aber der Faktor Mensch noch wichtiger.

Diskutierten über die Gefahren von Wirtschaftsspionage und effektive Abwehrmittel (v.l.n.r.): Kurt Knochner, Dr. Maik Pawlowsky, Bernhard Witthaut, Matthias Wachter und Volker Wagner. Fotos: BS/Dombrowsky

Ungeachtet dessen müsse auch in Zukunft weiter in Technik und Kooperation investiert werden. Des Weiteren brauche es robuste und resiliente Strukturen, um das Schadensausmaß von Attacken aus dem digitalen Raum möglichst stark zu begrenzen. Dafür müsse jedoch die Früherkennung verbessert werden. Denn bisher dauere es in Deutschland durchschnittlich rund sechs Monate, bis ein solcher Angriff erkannt werde, so Wagner. Das Erkennen von Attacken allein reiche jedoch nicht aus, findet Kurt Knochner, Cyber Security Strategist bei Fortinet. Auch die Abwehr solcher Angriffe sei essenziell. Hierfür brauche es einen holistischen Ansatz. Ausschließlich auf Firewalls zu setzen, genüge nicht. Vielmehr seien auch AwarenessSchulungen und die Mitarbeitersensibilisierung – auch mithilfe simulierter Attacken – notwendig.

Gleiches gelte für eine offene Unternehmenskultur. “Ein Blaming and Shaming bringt nichts”, so Knochner.

Problem der Innentäter ­dringend lösen Rasch angegangen werden müsse hierzulande das Problem der sogenannten Innentäter, verlangt Wagner. So sei es nicht hinnehmbar, dass Sicherheitsüberprüfungen von Mitarbeitern in sensitiven Bereichen zurzeit kaum möglich seien. “Da müssen wir gemeinsam mehr machen und besser werden.” Auch dürfe Wirtschaftsschutz auf Unternehmensseite nicht nur den IT-Administratoren überlassen werden. Vielmehr müsse es sich dabei um eine Aufgabe handeln, die von der Firmenspitze wahrgenommen werde, meint der Abteilungsleiter Spionageabwehr und Geheimschutz im Bundesamt für

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Verfassungsschutz (BfV), Dr. Maik Pawlowsky.

Sein oder Nichtsein? Während die Innentäter-Problematik allseits bekannt und akzeptiert ist, gilt das für die Frage der Existenz von Cyber-Terrorismus in Deutschland offenbar nicht. So sieht der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, derzeit hierzulande keine harten Indikatoren für Terrorismus im oder aus dem digitalen Raum. Dabei stützt er sich auf Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes (BKA). In Israel werde das – auf das eigene Land bezogen – hingegen anders betrachtet. Zudem sei es für den Attackierten irrelevant, ob Terrorismus über den Cyber-Raum oder im Analogen durch staatliche Akteure erfolge, räumt Schindler ein. Mit Blick in die Zukunft warnt er außerdem: “Die Cyber-Terroristen werden kommen.”

Für Martin Schallbruch, stellvertretender Direktor des Digital Society Instituts der European School of Management and Technology (ESMT) Berlin, existiert CyberTerrorismus bereits. Auch wissenschaftlich könne mit dem Terminus gearbeitet werden. Inflationär dürfe der Begriff jedoch nicht verwendet werden. Ähnliches ist vom Enterprise Sales Engineer DACH von CrowdStrike, Sascha Dubbel, zu vernehmen. Zugleich weist er aber auch darauf hin, dass die Interessen, die hinter Cyber-Terrorismus stünden, vielfältig und nicht immer leicht erkennbar seien. Für eine maßvolle Nutzung des Begriffs plädiert der Journalist Georg Mascolo. Denn bisher habe es noch keine klassischen Anschläge mit Cyber-Mitteln gegeben. Der digitale Raum und die dort vorhandenen Möglichkeiten und Mittel hätten den Terrorismus allerdings grundlegend verändert. Dies betreffe insbesondere die Bereiche Rekrutierung und Propaganda, so Mascolo. Komplett gegen den Terminus wendet sich Michael Tullius, Regional Director DACH bei radware. Er betont: “Ich halte den Begriff “Cyber-Terrorismus” für überzogen.” Seiner Meinung nach sollte eher von Cyber-Krieg oder -Attacken gesprochen werden.

inzwischen nicht mehr klar festgelegt werden könne, was ein kriegerischer Akt sei und was nicht. Für das Digitale gebe es schlicht noch keine Übereinkunft nach dem Vorbild der Genfer Konvention. Mit der Forderung nach einer solchen rennt er bei Schallbruch offene Türen ein. Dieser hält solche Regeln über verantwortungsvolles staatliches Handeln im Cyber-Raum für wünschenswert.

Nachteil für Deutschland? Für Schindler ist etwas anderes entscheidend: das Recht des Staates zum sogenannten Hackback. Für die aktive CyberAbwehr müsse in Deutschland schnellstmöglich eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. In zahlreichen anderen Staaten sei das schon seit Längerem der Fall. So habe etwa der Schweizer Nachrichtendienst bereits seit 2016 die entsprechende Befugnis. Der frühere BND-Präsident hält Hackback für völkerrechtlich zulässig. Schindler wird sehr deutlich: “Es ist ein Akt nationalen Anstandes, seine Bevölkerung zu schützen und nicht zuzuschauen, wie man angegriffen wird.” Er kritisiert: “Es ist ein katastrophaler Zustand, dass in Deutschland nur diskutiert und nichts gemacht wird.”

Abgrenzung äußerst schwierig Schindler und Mascolo geben diesbezüglich aber einiges zu bedenken. So unterstreicht der frühere BND-Chef, dass sich Terroristen – aber auch andere, “gewöhnliche” Kriminelle – immer stärker des digitalen Raumes bedienten. Und Mascolo betont, dass im Cyber-Raum

Fordert eindringlich die Befugnis zum Hackback auch in Deutschland: Gerhard Schindler, ehemaliger Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND).

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in dienstliches Smartphone ist schnell verloren. Ein privates Endgerät, das auch für dienstliche Zwecke genutzt wird, bietet gleich verschiedene Einfallstore, von nicht he­runter geladenen Updates über den Datenabfluss via MessengerDiensten bis hin zu MalwareAttacken. Und in den meisten Fällen ist der Mensch nach wie vor die größte Schwachstelle für die IT-Sicherheit (siehe Seite 41). Rund 72 Prozent der Mitarbeiter in den Verwaltungen würden ohne jegliche Erlaubnis des Arbeitgebers private Endgeräte für dienstliche Zwecke nutzen. Doch auch Behörden seien nicht ganz unschuldig. 45 Prozent der Verwaltungen hätten keine expliziten Regeln zur Nutzung privater Geräte für dienstliche Zwecke, erläuterte Günter Junk, CEO von Virtual Solution. Dabei ist die Lösung zum Schutz von Daten und Informationen denkbar einfach. Oder wie es Junk formulierte: “Datenschutz ist wie Händewaschen.” Er habe in seiner Jugend beigebracht bekommen, wenn er nach Hause kam, als erstes die Hände zu waschen. Deshalb sei er auch nie ernsthaft

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Händewaschen und Umweltkommunikation Technische und organisatorische Lösungen gegen Angriffe thematisiert (BS/Jörn Fieseler) Eine 100-prozentige Sicherheit wird es nie geben. Vor möglichen Angriffen jedoch die Augen zu verschließen, führt direkt ins Verderben. Dabei können schon mit einfachen Mitteln rund 80 bis 90 Prozent aller Angriffe abgewehrt und dem Datenklau vorgebeugt werden. Vor allem Auszubildende dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden. Parallel gilt es, bei den CISOs die notwendigen Strukturen aufzubauen, um für schwere Angriffe und künftige Herausforderungen gewappnet zu sein. krank geworden, versichert er. Dieses Prinzip müsse auf die IT-Sicherheit übertragen werden. So könnten etwa mit einer simplen Containertechnologie, Dienstliches und Privates auf einem Endgerät voneinander getrennt und damit die dienstlichen Daten besser geschützt werden. Ein weiterer Schritt, um die Sicherheit von Daten zu erhöhen, ist ein umfassendes Zugriffsund Berechtigungsmanagement. “Sichere Zugriffsrechte sind in der digitalen Welt unabdingbar”, unterstrich die brandenburgische Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Recht auf Akteneinsicht, Dagmar Hartge. Zudem erfülle ein Berechtigungsmanagement noch eine weitere wichtige Funktion, erläuterte Bernd Sommerfeldt, Sach-

Kongressformate wie die diesjährige Public-IT-Security seien bestens geeignet, um sich als CISO mit Partnern und Stakeholdern auszutauschen, sagte Abdou-Naby Diaw von der Lufthansa. Foto: BS/Dombrowsky

verständiger für Datenschutz: Es garantiere eine lückenlose Dokumentation, wer, wann auf welche Daten zugegriffen habe, wie es in der EU-Datenschutz-

grundverordnung vorgeschrieben sei. Dabei gelte es auch, die Rechteakkumulation von Auszubildenden im Blick zu behalten. In manchen Organisationen hät-

ten diese mehr Zugriffsrechte als der Geschäftsführer, beschrieb Sommerfeldt seine Erfahrungen. Denn oftmals würden die Auszubildenden mit jedem Abteilungswechsel neue Zugriffsrechte bekommen, ohne dass die alten gelöscht würden. Im Englischen wird dieser Umstand als “Snowden-Effekt” bezeichnet, sagte Daniel Penn, Senior Architekt und Consultant bei Prianto. Sein Rat: Die IT-Abteilung muss mit jeder Fachabteilung sprechen, die jeweiligen Rollen definieren und die dafür notwendigen Zugriffsrechte zuweisen. “Das Rollenmanagement ist ein Need-to-know-Prinzip.” Doch auch auf organisatorischer Ebene müsse sich jede Behörde entsprechend wappnen. Ein Chief Information Security Officer (CISO) ist nicht länger ei-

nem CIO untergeordnet, sondern arbeitet mit diesem auf gleicher Höhe, unterstrich Abdou-Naby Diaw, CISO bei der Deutschen Lufthansa. Denn er müsse zugleich Stratege, Wächter, Berater und “Tekkie” sein, um die digitale Transformation begleiten zu können. Vor allem brauche der CISO ein weit gefasstes Mandat, um die digitale Transformation zu beschleunigen. Dafür sei eine mehrjährige Roadmap als zentrales Element unabdingbar, betonte Diaw. Diese Cyber-Security-Strategie müsse sowohl technische Grundlagen und Mindeststandards enthalten als auch Elemente zur Analyse von Cyber-Attacken. Ebenfalls eine Aufgabe des CISOs, die parallel Bestandteil der Strategie sein müsse, sei die Fokussierung auf künftige Themen und Herausforderungen, beispielsweise den Einsatz Künstlicher Intelligenz oder biometrischer Verfahren. Und schlussendlich müsse der CISO im ständigen Dialog mit der Unternehmensumwelt stehen, riet Diaw. Dazu zähle der Austausch mit Gesellschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung, aber auch mit Verbänden.

IT-Sicherheit auslagern? Das SOC zwischen Anspruch und Wirklichkeit (BS/Jochen Koehler*) Es wird derzeit oft als Heilsbringer angepriesen: das Security Operations Center. Doch wie schaut die Wirklichkeit aus? Es kann zwar viel für die bessere Erkennung von Cyber-Gefahren leisten, aber gänzlich abwehren kann es diese nicht, konstatiert Sicherheitssoftware-Anbieter Bromium. Die Sicherheitsvorfälle ebben nicht ab und immer neue Malware-Varianten treten auf. Für viele Unternehmen und Behörden wird es deshalb immer schwieriger, einen umfassenden und vor allem aktuellen Schutz aufrechtzuerhalten. An diesem Punkt kommen vielfach die sogenannten Security Operations Center (SOCs) ins Spiel. Sie zielen ab auf die Detektion, Analyse und Behebung von Sicherheitsproblemen. Oft allein schon aus Ressourcengründen erwägen Behörden wie Unternehmen gegenwärtig die Nutzung eines Managed-SOC-Angebots. Prinzipiell ist gegen SOCs nichts einzuwenden. Nutzer von SOCAngeboten werden auf jeden Fall entlastet. Sie profitieren von Experten-Know-how der SOCAnbieter und einer rechtzeitigen Warnung vor Gefahren. Damit können SOCs möglicherweise auch zu einer Reduzierung von Sicherheitsvorfällen beitragen, gänzlich verhindern können sie diese aber nicht. Deshalb kann man schon die berechtigte Frage aufwerfen, ob das KostenNutzen-Verhältnis immer und für jeden passt. Das Problem von SOCs ist die Funktionsweise: Sie sind reaktiv und auf die Gefahrenerkennung ausgelegt, auch wenn sie verstärkt auf Künstliche Intelligenz (KI) oder Machine Learning (ML) setzen, etwa auf KI-gestützte Systeme, die lernbasierte Verfahren, Muster-Erkennungen oder statistische Prognosemodelle nutzen. Mit KI-Programmen können SOCs zum Beispiel gigantische Datenbanken durchforsten und nach immer feineren Angriffsmustern oder Anomalien suchen, um proaktiv Abwehrmaßnahmen zu ergreifen. Allerdings ist nicht garantiert, dass sie solche Indizien auch finden und ebenso wenig, dass sie vermeintliche Indizien fälschlicherweise als gefährlich einstufen und entsprechende Fehlalarme (False Positives) generieren. Auch KIgestützte Lösungen können somit keine 100-prozentige Erfolgsquote bieten. Wenn keine zuverlässige Erkennung möglich ist und damit auch der SOC-Ansatz unzureichend ist, liegt es auf der Hand, über

neue Methoden zur Verteidigung gegen Hacker-Attacken nachzudenken – und zwar über solche, die nicht auf Detektion, sondern auf Isolation setzen. Die derzeit effektivste Möglichkeit für die Isolation von Gefahren bietet die Virtualisierungstechnologie. In ihr sehen inzwischen mehrere Softwareanbieter einen Ausweg aus dem Sicherheitsdilemma. Einen Virtualisierungsansatz verfolgt auch Bromium bei seiner Lösung Secure Platform. Sie erzeugt Hardware-isolierte Micro-VMs für alle riskanten Anwenderaktivitäten mit Daten aus fremden Quellen, das heißt, sie isoliert gängige Browser sowie Office- und PDF-Dokumente aus Downloads, E-Mail-Anhängen und portablen Speichermedien – und schützt damit Endgeräte und das Netzwerk vor einer Kompromittierung über diese viel genutzten Angriffspfade. Auch wenn Virtualisierung die Begrenztheit herkömmlicher Sicherheitslösungen und auch von SOC-Services überwindet, überflüssig werden sie dadurch nicht. Natürlich müssen etwa Antiviren-Tools für die Erkennung bekannter Schadsoftware elementarer Bestandteil jeder Sicherheitsarchitektur bleiben. Auch KI-gestützte Sicherheitssysteme haben ihre Berechtigung, gerade im Netzwerkbereich, in dem es um die Analyse großer Datenmengen geht. Und ebenso gilt für SOCs, dass sie im Hinblick auf die Überwachung von Unternehmensnetzwerken keineswegs überflüssig sind. Das Entscheidende ist, dass diese Lösungen und Services letztlich nur eine komplementäre Ergänzung darstellen, und zwar von Lösungen, die einen gezielten Schutz auch vor unbekannter Malware bieten – also Lösungen, die auch künftige Gefahren und Bedrohungen isolieren, sodass sie keinerlei Schaden anrichten können. *Jochen Koehler ist Regional VP Sales Europe bei Bromium in Heilbronn. Im Interview mit dem Behörden Spiegel auf Seite 7 spricht Jochen Koehler über Gefahren durch Phishing-Angriffe.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / September 2019

Die nächste Stufe nehmen

KNAPP Mehr Befugnisse für Zollfahndungsdienst

“Financial Intelligence Unit” muss weiterentwickelt und ausgebaut werden

(BS/Marco Feldmann) Die Mitarbeiter der “Financial Intelligence Unit” (FIU) müssen immer mehr Verdachtsfällen von Geldwäsche nachgehen. Im Vergleich zu 2017 stieg deren Zahl im (BS/mfe) Die Zollfahndung in vergangenen Jahr um fast 30 Prozent. Dabei gibt es jedoch zahlreiche Probleme. Die relativ niedrige Personalausstattung der bei der Generalzolldirektion (GZD) angesiedelten Einheit Deutschland soll weitergehende ist nur eines davon. Rechte erhalten als bisher. So So berichtet der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler: “Im früheren FIU-System arbeiteten rund 300 Beamte.” Davon seien rund 25 auf die Einheit beim Bundeskriminalamt (BKA) und der Rest auf die Landeskriminalämter entfallen. Dort hätten Polizisten und Zollkräfte in Gemeinsamen Finanzermittlungsgruppen zusammengearbeitet. Nach dem Wechsel der FIU vom BKA in die GZD hätten zunächst nur rund 50 Mitarbeiter zur Verfügung gestanden. “Deren Zahl ist zwar sukzessive erhöht worden, reicht aber immer noch nicht aus”, kritisiert Fiedler.

Expertise nicht vorhanden? Der BDK-Bundesvorsitzende geht in seiner Kritik aber noch weiter. “Momentan fehlt es der FIU an kriminalistischer Expertise. Die zuständigen Ermittlungsbehörden müssen von der Einheit eigentlich abgearbeitete Verdachtsmeldungen oft selbst noch einmal neu bewerten, weil die Analyse der FIU qualitativ zu schwach ist”, meint Fiedler. Aus diesem Grunde könne die FIU die für sie eigentlich vorgesehene Filterfunktion kaum erfüllen. Auch gebe es wegen dieser Mängel immer weniger Fälle, die von der Einheit aufgrund entsprechender Relevanz an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben würden. Der Leiter der FIU, Christof Schulte, hält dem entgegen: “Der Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung kommt eine große Bedeutung zu. Die FIU nimmt mit ihrer Filterfunktion dabei eine zentrale Rolle ein, sie entlastet die Strafverfolgungsbehörden.” Im Laufe des vergangenen Jahres sei die Einheit darüber hinaus personell und fachlich verstärkt und eine elektronische

Die “Financial Intelligence Unit” (FIU) des Zolls darf in ihrer Entwicklung nicht stehen bleiben, sondern muss den nächsten Schritt machen. Sie braucht erweiterte Zugriffsrechte, um künftig noch effektiver gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorgehen zu können. Foto: BS/Coloures-Pic, adobe.stock

Meldungsplattform eingeführt worden. “Künftig wird die FIU zudem zusätzliche Analysetools einsetzen, um ihre Filterfunktion weiter zu stärken”, kündigt Schulte an. Derzeit habe seine Einheit rund 420 Beschäftigte, die in multidisziplinären Teams arbeiteten. Darunter seien nicht nur Angehörige des Zolls, sondern auch Mitarbeiter mit profundem Wirtschafts- und Bankenhintergrund. “An kriminalistischer Expertise mangelt es uns definitiv nicht”, konstatiert Schulte.

Nicht auf alles Zugriff Ungeachtet dessen bemängelt Fiedler: “Die FIU ist eine Verwaltungseinheit innerhalb des Zollkriminalamtes und keine polizeiliche Stelle.” Deshalb könnten ihre Mitarbeiter auch nicht auf die Datenbanken der Landespolizeien zugreifen. Informationen über Ermittlungsverfahren, die auf örtlicher Ebene liefen, blieben ihnen damit verborgen. “Es ist nur der Zugriff auf die InpolDatenbanken möglich. Das ist ein massiver struktureller Mangel.

Stattdessen soll ihr nun Zugriff auf Informationen zu Dateien der Organisierten Kriminalität gewährt werden, den Kronjuwelen unter den Dateien”, kritisiert der BDK-Chef. Dies sei ein absurdes, weiteres Sicherheitsrisiko. Dazu meint Schulte, dass die FIU heute insgesamt mehr Zugang zu Daten habe und Informationen länderübergreifend verknüpfen könne. Auch von der Bezirksgruppe Zoll der Gewerkschaft der Polizei (GdP) kommt Kritik am Wirken der FIU. Ihr Vorsitzender Frank Buckenhofer meint: “Die FIU befindet sich weiterhin im Blindflug.” Das liege – und hier ist er sich mit Fiedler einig – unter anderem auch daran, dass die Beschäftigten nur auf Datenbanken des Zolls sowie des BKAs zugreifen könnten. Die umfangreicheren Daten der Länderpolizeien stünden der FIU nicht zur Verfügung. Problematisch sei zudem, dass die Kräfte bisher kaum durch Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt würden. Die GdP habe den Ressortwechsel der

FIU seinerzeit zwar begrüßt, weil die Geldwäschebekämpfung im Verantwortungsbereich des BMF liege und deswegen die FIU auch dort anzusiedeln sei. Mit Blick auf den derzeitigen Zustand sagt Buckenhofer jedoch: “Der Umzug war zwar eine strategisch richtige Entscheidung. Operativ wurde sie aber vom BMF unter dem damaligen Minister Wolfgang Schäuble (CDU) völlig in den Sand gesetzt und Olaf Scholz (SPD) korrigiert es bis heute nicht im erforderlichen Umfang.”

Komplett abschotten Künftig müsse die FIU zu einem Intelligence-Dienst ausgebaut werden. Dazu sollte sie materiell-rechtlich und elektronisch komplett von anderen Behörden abgeschottet werden. “Polizeien von Bund und Ländern, Zoll und andere Behörden könnten dann entsprechende Daten in diese Art der FIU-neu hinein liefern.” Dort würden die Verdachtsmeldungen entsprechend geprüft. Sofern es Anhaltspunkte für strafbares Verhalten gebe, könnten die Ver-

fahren dann von der FIU wieder an die zuständige Polizei- oder Zollbehörde oder an eine Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Damit dieses Verfahren auch tatsächlich funktioniere, sei eines unerlässlich: “Die FIU bräuchte zur Bewertung dann ein vollständiges polizeiliches Lagebild.” Ähnliches ist von der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) zu vernehmen. Ihr Bundesvorsitzender Dieter Dewes sagt: “Die Entwicklung der Zahl der Verdachtsmeldungen bestätigt unsere zentrale Forderung, die Filterfunktion der FIU durch eine automatisierte Datenverfügbarkeit zu stärken.” Die momentane Ausgestaltung des Datenzugriffs durch die Einheit entspreche nicht dem Handwerkszeug einer Intelligence-Behörde, die durch Informationsanreicherung und -steuerung Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern soll. Es brauche einen Vollzugriff der FIU auf besonders schutzwürdige polizeiliche Daten im Wege eines automatisierten Abrufverfahrens.

Noch nicht alles ideal Derzeit werde die Einheit von den Landeskriminalämtern noch nicht ausreichend über sensible Treffer, etwa in den Bereichen Kinderpornografie oder RockerKriminalität, informiert, muss Schulte einräumen. Ansonsten hält er die Probleme aus der Anfangsphase der FIU-neu jedoch für größtenteils ausgeräumt. Die Situation habe sich deutlich verbessert. Inzwischen entsende seine Einheit im Rahmen eines Pilotversuches sogar Verbindungsbeamte in Landeskriminalämter. Und es finde eine Informationsverknüpfung und -anreicherung statt. “In diesem Sinne sind wir bereits ein Intelligence-Dienst”, meint Schulte.

ist unter anderem geplant, dass sie verdeckte Ermittler einsetzen darf. Außerdem soll eine Befugnis zur Identifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkkarten und mobilen Endgeräten geschaffen werden. Zur Gefahrenabwehr soll das Zollkriminalamt (ZKA) künftig IMSI-Catcher oder WLANCatcher einsetzen dürfen. Das sieht ein Entwurf der Bundesregierung zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes vor (Bundestagsdrucksache 19/12088). Der Einsatz verdeckter Ermittler durch das ZKA wird dort als zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für die zu schützenden Rechtsgüter im Zuständigkeitsbereich des Zollfahndungsdienstes unerlässlich bezeichnet. Das neue Gesetz soll in spätestens fünf Jahren evaluiert werden.

Chief Data Officer für das BMVg (BS/rup) Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) plant die Schaffung einer Position mit dem Titel “Chief Data Officer” (CDO) im Range eines stellvertretenden Abteilungsleiters. Dieser zusätzliche ministerielle Dienstposten wird angesiedelt in der Abteilung Cyber/Informationstechnik (CIT) des BMVg unter Abteilungsleiter Generalleutnant Michael Vetter. Diese Position sei notwendig, denn in fast alle Aktivitäten der Bundeswehr fließen im Rahmen der Digitalisierung Daten in das Gesamtsystem ein, deren Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit stets geprüft werden müsse. Schließlich sei deren Aktualität maßgeblich für Entscheidungen. Besonders für die Streitkräfte sei die Qualität der Daten eine essenzielle Voraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung.

Vom Ankommen zur Integration

Fachforum Flucht, Migration und Integration 14. November 2019, Bonn

Referentinnen und Referenten 2019 u.a.: Themen der Veranstaltung: • Die verlorene Mitte – Wie kann gesellschaftlicher Zusammenhalt dennoch gelingen? • Welche Verantwortung trägt Politik an ansteigendem Rechtsextremismus?

• Umgang mit antimuslimischen Rassismus – Wie gelingt nachhaltige Präventionsarbeit in Kommunen? • Angst um das Abendland – Wie groß ist die Gefahr durch rechtsextremistische Gruppierungen? • Migrationsgesellschaftliche Öffnung in öffentlichen Verwaltungen

• Erstversorgung von Neuzugewanderten in Erstaufnahmeeinrichtungen

Serap Güler, Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. Hans-Georg Maaßen, ehem. Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz

• Diversitätsbewusstsein als neue Herausforderung

• Rassismuskritische Arbeitsansätze in Einrichtungen • Altern und Pflege in der Migrationsgesellschaft

• Interkulturelle Handlungskompetenz in der Migrationsarbeit

Eine Veranstaltung des

Prof. Dr. Andreas Zick, Sozialpsychologe, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Universität Bielefeld

www.fluechtlingskongress.de


Innere Sicherheit

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D

iese fehlende einheitliche Definition bemängelt auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt. Er wirft der politischen Linken, die sich massiv für die Schaffung der Ämter von Polizeibeauftragten einsetze, vor, die Polizei als “Schlägertruppe” diskreditieren zu wollen. Darüber hinaus würden die Grünen “immer wieder das Märchen vom unabhängigen Polizeibeauftragten in die Welt setzen”. Dieser solle ihren Vorstellungen nach parallel zur Staatsanwaltschaft ermitteln. Ein entsprechender Gesetzentwurf – nicht der erste seiner Art – wurde vom Plenum des Deutschen Bundestages in den Innenausschuss überwiesen. Eine solche Ausgestaltung des Amtes hält Wendt jedoch für verfassungswidrig. Trotz dieser kritischen Worte sehe sich die DPolG jedoch nicht in Konkurrenz zu Polizeibeauftragten. Schließlich handele es sich nicht bei jeder Polizistenbeschwerde per se um einen personalvertretungsrechtlichen Vorgang. Seine Gewerkschaft begrüße Polizeibeauftragte dann, wenn diese auch die Kollegen unterstützten und nicht nur für Bürgerbeschwerden zuständig seien. “Als Neben-Staatsanwälte dürfen sie aber nicht fungieren”, verlangt Wendt. Der Vorsitzende des Polizei-Hauptpersonalrats im Düsseldorfer Innenministerium, Rainer Peltz, sieht den nordrheinwestfälischen Polizeibeauftragten nicht als Konkurrenz. Er spricht vielmehr von einer "Parallelität" in den jeweils unterschiedlichen Rollen zwischen dem Personalrat und dem Beauftragten.

Keine weitere Überprüfungsinstanz gewollt Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt Polizeibeauftragte ab, wenn es sich bei ihnen ausschließlich um eine weitere Überprüfungsinstanz handelt. “Hierfür gibt es keinen Bedarf”, meint ihr Bundesvorsitzender Oliver Malchow. Inzwischen gebe es in einigen Landesbezirken jedoch eine etwas positivere Einstellung. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich auch Polizisten an den jeweiligen Beauftragten wenden könnten. In Schleswig-Holstein ist das der

Verschiedene Modelle in den Ländern Amt des Polizeibeauftragten unterschiedlich ausgestaltet (BS/Marco Feldmann) Es gibt sie bei Weitem noch nicht in allen Bundesländern. Außerdem unterscheiden sie sich dort, wo sie bereits eingerichtet sind, in ihrer Stellung und Bezeichnung teilweise erheblich. Die Rede ist von Polizeibeauftragten. recht sowie über die Befugnis, Polizeidienststellen jederzeit zu betreten. Sein Ziel: “Ich will gemeinsam mit der jeweiligen Behördenleitung im Sinne des Bediensteten eine gesichtswahrende Lösung finden.” Dabei sei er “kein Rechtsanwalt der Polizeibeschäftigten” und können nur bei objektiven Verstößen Hilfe leisten. Könne keine Einigung erzielt werden, bestünde allerdings auch die Möglichkeit, dass seine Empfehlungen auf dem Wege eines Erlasses umgesetzt werden, so Begere.

Strafverfolgungszwang nicht gegeben Noch lange nicht in allen Bundesländern gibt es Polizeibeauftragte. Und selbst dort, wo sie geschaffen wurden, können sich nicht immer auch Polizisten selbst an die Amtsinhaber wenden. Foto: BS/Fieseler

Fall. Dort ist die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten seit Oktober 2016 zugleich auch Beauftragte für die Landespolizei. Sie gehört nicht der Polizei an und untersteht auch keinem Ministerium. Sie ist vielmehr ein Hilfsorgan des Landtages und wird von den Parlamentariern für eine sechsjährige Amtszeit gewählt. Ähnlich sieht es in RheinlandPfalz aus, wie die dortige Bürgerund Polizeibeauftragte, Barbara Schleicher-Rothmund, berichtet. “An mich können sich sowohl Bürger als auch Angehörige der Landespolizei wenden”, erzählt sie. Auch sie ist vom Landtag gewählt. Ihre Amtszeit beträgt acht Jahre. Eine Wiederwahl ist möglich. 2018 gingen insgesamt 2.300 Eingaben ein. Über ihr Selbstverständnis sagt SchleicherRothmund: “Wir sind Mediatoren, die vermitteln. Wir sind keine Aufsichtsbehörde.” Ihr Verhältnis zur Polizei bezeichnet die Beauftragte als sehr gut. Es habe anfänglich zwar Skepsis gegeben. Diese sei mittlerweile jedoch einem “sehr konstruktiven Miteinander” gewichen. Schleicher-Rothmund konstatiert: “Wir sind ein zusätz-

liches Angebot und stehen nicht in Konkurrenz zu Personalvertretungen.”

Nur geringer Anstieg bei Beschwerden über Polizei Auch in Baden-Württemberg wird der Bürgerbeauftragte, der zugleich für die Landespolizei zuständig ist, vom Landtag gewählt. Im vergangenen Jahr gingen bei ihm 498 Anliegen ein. Im Bereich der Landespolizei wurden 96 Eingaben gezählt. Davon entfielen 82 auf Beschwerden von Bürgern über angebliches polizeiliches Fehlverhalten und 14 auf Eingaben durch Angehörige der Landespolizei. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Anzahl der Anrufungen um mehr als 53 Prozent erhöht. Auch die Beschwerden über die Polizei haben sich in diesem Zeitraum verdoppelt. im Verhältnis aller eingegangen Eingaben erhöhte sich die Anzahl der Beschwerden über Polizisten allerdings nur um knapp vier Prozentpunkte. Entfielen 2017 noch 12,7 Prozent aller Anrufungen auf diesen Bereich, waren es im vergangenen Jahr 16,5 Prozent. Einen anderen Weg hat Hessen gewählt. Dort existiert ein

KOMMENTAR

Eigene Ausbildung für Nachrichtendienste (BS) Nachrichtendienste sind anders als andere Behörden. Eine reine Polizei- oder Verwaltungsausbildung reicht nicht aus. Ein guter Verwaltungsbeamter oder Polizeivollzugsbeamter wird ohne eine spezifische Ausbildung kein guter Nachrichtendienstler sein. Deswegen brauchen unsere Nachrichtendienste eine eigene und eine einheitliche Aus- und Fortbildung für ihre Mitarbeiter, und zwar in allen Laufbahnen. In der nachrichtendienstlichen Ausund Fortbildung ist in den letzten Jahren sehr viel vorangebracht worden: Die Schule für Verfassungsschutz wurde ausgebaut zur Akademie für Verfassungsschutz als zentrale Fortbildungsstätte des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) sowie der Landesämter für Verfassungsschutz (LfV). Mit dem Zentrum für nachrichtendienstliche Ausund Fortbildung in Berlin ist eine gemeinsame Ausbildungseinrichtung von BfV und Bundesnachrichtendienst (BND) für die Ausbildung von Beamten des mittleren

Behörden Spiegel / September 2019

Vernetzung der Ausbildung vo­ ranzutreiben. Nachrichtendienste finden wegen ihrer speziellen Aufgaben im nationalen Bereich kaum Vergleichspartner, um die Qualität ihrer Arbeit und ihrer Ausbildung messen zu können. Dieses Benchmarking muss mit internationalen Partnern erfolgen. Im Bereich der Ausbildung ist im März 2019 in Paris das Intelligence College of Europe gegründet worden, um als Plattform einen Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Nachrichtendienstlern in Europa herbeizuführen. Zum anderen die Integration der Länder in die gemeinsame Ausbildung: Bedauerlich ist, dass nur wenige Länder ihre Mitarbeiter gemeinsam mit dem Bund ausbilden lassen. Man setzt vielmehr auf die Fortbildung von Mitarbeitern mit anderen Ausbildungsabschlüssen. Dies wird aber den heutigen Anforderungen an die Tätigkeit eines Dr. Hans-Georg Maaßen Nachrichtendienstlers ist ehemaliger Präsident nicht gerecht. Defizite des Bundesamtes für in der Ausbildung in Verfassungsschutz (BfV). einem Land können Foto: BS/Privat zu Sicherheitsdefiziten im ganzen Land führen. Das dürfte die größte Baustelle sein.

und des gehobenen Dienstes geschaffen worden. Damit ist die Ausbildung von BND- und BfVMitarbeitern weitestgehend vereinheitlicht worden. Wichtig war mir persönlich, dass wir auch bei der Ausbildung des höheren Dienstes eine herausragende Spezialausbildung auf Augenhöhe mit unseren großen ausländischen Partnern haben. Dies findet seit dem 1. Juli 2019 mit der Ausbildung des höheren Dienstes zu einem Master of Intelligence and Security Studies (MISS) an der Bundeswehr-Universität in München statt. Mit dem MISS-Studiengang wird für die Leistungsträger in den Nachrichtendiensten die Möglichkeit einer universitären Qualifikation bis hin zum Doktorgrad gegeben. Zwei große Baustellen bleiben: Zum einen ist die internationale

Dr. Hans-Georg Maaßen

Ansprechpartner für die Landespolizei beim Innenministerium. An ihn können sich nur Polizeibeschäftigte wenden. Dazu gehören neben den Vollzugsbeamten und den Tarifbeschäftigten auch Studierende an der Hochschule der Polizei. “Ich unterstehe unmittelbar dem Leiter des Ministerbüros und bin diesem gegenüber weisungsgebunden. Das gilt jedoch nicht gegenüber der Leitung der Polizeiabteilung”, erläutert Amtsinhaber Jürgen Begere. Außerdem verfüge er über ein weitreichendes Akteneinsichts-

Ebenfalls nur für Eingaben von Polizeiangehörigen zuständig ist der nordrhein-westfälische Polizeibeauftragte Thorsten Hoffmann. Er kann ohne Einhaltung des Dienstweges kontaktiert werden. Seine Anrufung darf keine dienstlichen Nachteile zur Folge haben. Außerdem ist Hoffmann nicht dem Legalitätsprinzip unterworfen und ist in seiner Amtsführung unabhängig. Er lobt die “sehr kurzen Wege” im Düsseldorfer Innenministerium, wo er direkt beim Ressortchef angesiedelt ist und dadurch Zugang in die Fachreferate hat. Hoffmann berichtet: “Nach meiner Bestellung im März dieses Jahres gab es sowohl im Innenministerium

als auch bei den Gewerkschaften zunächst Vorbehalte.” Diese seien nach persönlichen Gesprächen jedoch weitestgehend abgebaut. Über sein Amtsverständnis sagt der langjährige Polizist, der auch Bundestagsabgeordneter war: “Ich möchte alle rund 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der nordrhein-westfälischen Polizei erreichen und gegenüber allen Beschäftigten und Fraktionen loyal sein. Es geht vor allem darum, auch für die Kolleginnen und Kollegen an der Basis ansprechbar und anfassbar zu sein.”

Fehlerkultur verbessern Momentan befinde er sich noch in “einer Phase des Lernens”, räumt Hoffmann ein. “Wir müssen die Fehlerkultur bei der Polizei noch weiter verbessern”, verlangt der Beauftragte. Sich selbst verlangt er ab, darauf hinzuwirken, “dass der Polizei noch stärker vertraut wird”. Dabei sieht sich Hoffmann als niederschwellige Ergänzung zu bereits vorhandenen Angeboten. “Ich will niemandem etwas wegnehmen und partnerschaftlich arbeiten”, betont er. In Thüringen existiert eine Polizeivertrauensstelle. Sie sei jedoch nur für Bürgereingaben zuständig. Angehörige der Landespolizei dürften sich bisher nicht an sie wenden. In Kürze sei aber eine Evaluation vorgesehen, erklärt die Leiterin der Vertrauensstelle, Meike Herz. Eine Öffnung der Stabsstelle, deren Mitarbeiter an den Staatssekretär im Innenministerium berichten, in die Polizei sei zumindest denkbar. Das wäre dann auch im Sinne der Gewerkschaften.

Opposition klagt Sächsische Polizeigesetze in der Kritik (BS/mfe) Die Richter des sächsischen Verfassungsgerichtshofes in Leipzig müssen sich mit den neuen Polizeigesetzen des Freistaates beschäftigen. Grund dafür ist ein Normenkontrollantrag der Oppositionsfraktionen im Landtag. Linke und Grüne rügen sowohl das Polizeivollzugsdienstgesetz als auch das Polizeibehördengesetz. Beide sollen am 1. Januar kommenden Jahres in Kraft treten. Mit einer eventuellen mündlichen Verhandlung ist erst im kommenden Jahr zu rechnen. Der Innenpolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Dresdner Parlament, Enrico Stange, kritisiert zu weitgehende Eingriffsbefugnisse für die Polizei, weit bevor etwaige Gefahren ausgemacht werden könnten oder Straftaten vorbereitet würden. Dies gelte unter anderem im Bereich der Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung und bei der Kon­ trolle von Personen, die Kontaktpersonen von angenommenen Gefährdern sind. All das wäre künftig möglich, ohne dass eine Straftat verübt worden sei oder eine konkrete Gefahr bestehe, bemängelt er. Außerdem man-

gele es an staatsanwaltschaftlicher Kontrolle des polizeilichen Handelns. Darüber hinaus meint Stange: “Das Polizeivollzugsdienstgesetz verfolgt einen zu weit reichenden Gefährderansatz, der faktisch jeden ins Visier polizeilicher Handlungen geraten lassen kann, und geht sehr weit ins Gefahrenvorfeld hinein.” Es erlaube zu schnell aufgrund unklarer Definitionen von Straftaten erheblicher Bedeutung Aufenthalts- und Kontaktverbote sowie die Anordnung einer elektronischen Fußfessel. Zudem kritisiert der Parlamentarier: “Das Polizeivollzugsdienstgesetz enthält zu weit gehende Ermächtigungen zu individualbezogenen verdeckten Überwa-

chungsmaßnahmen.” Das gelte unter anderem für Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen außerhalb von Wohnungen sowie den Einsatz menschlicher Quellen. “Und das beispielsweise auf die bloße Annahme hin, dass jemand beabsichtigen könnte, größere Mengen Unkrautvernichter zu kaufen, um eine Bombe bauen zu können”, moniert der Parlamentarier. Aus dem Dresdner Innenministerium hieß es, dass nun die Gelegenheit zur Stellugnnahme bestehe. Vertreten werde man im Verfahren offiziell durch das Justizressort. Änderungen in Bezug auf die Polizeirechtsnovelle seien gegenwärtig allerdings nicht geplant.

MELDUNGEN

Videobeobachtung in Görlitz gestartet (BS/mfe) Im sächsischen Görlitz hat die Videoüberwachung öffentlicher Räume begonnen. Sie findet zunächst insbesondere in der Altstadt statt. Mithilfe der Technik soll insbesondere die Eigentumskriminalität in der grenznahen Stadt mit rund 56.000 Einwohnern bekämpft werden. Insgesamt sind mehrere Videoanlagen geplant, von denen einige bereits im Betrieb sind. Die Dresdner Landesregierung

hat mehr als eine Million Euro in die Umsetzung des Projektes in der Neiße-Stadt investiert. Neben den Kamerasystemen wurde auch eine spezielle Auswertungssoftware entwickelt. Die Objektive der Kamerasysteme sind in etwa zwei Meter hohen Säulen untergebracht. Gleiches gilt für ein Laserblitzsystem. Die eingesetzten Kameras funktionieren lichtunabhängig am Tage und nachts. Sie erstellen – für das menschliche Auge nicht

wahrnehmbar – Lichtbilder aller Personen, Gegenstände und Fahrzeuge, die im Umkreis von 20 Metern die Säulen passieren. Die Anlagen sind nicht dauerhaft, sondern abhängig von der jeweiligen Lagebeurteilung zu Schwerpunktzeiten in Betrieb. Die erhobenen Daten werden digitalisiert für maximal vier Tage auf einem polizeilichen Server zwischengespeichert. Innerhalb dieser Frist können sie nur manuell abgerufen werden.

Reaktion auf Behörden Spiegel-Artikel (BS/mfe) In der vergangenen Ausgabe hatte der Behörden Spiegel über ein Novum bei der nordrhein-westfälischen Polizei berichtet (August 2019, Seite 39). Erstmals bleibt ein amtierender Polizeipräsident Angehöriger des Vollzugsdienstes. Dies trifft auf den neuen Bochumer Polizeipräsidenten Jörg Lukat zu. Das Düs-

seldorfer Innenministerium legt in diesem Zusammenhang Wert auf die Feststellung, dass Lukat zwar tatsächlich Angehöriger des Vollzugsdienstes bleibt, gleichzeitig aber politischer Beamter wie jeder andere Polizeipräsident in Nordrhein-Westfalen ist. Das habe zur Folge, dass auch er jederzeit ohne Angabe von Grün-

den in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden könne. Zumal seine Ernennung – wie bei politischen Beamten im bevölkerungsreichsten Bundesland üblich – durch das Kabinett erfolgt sei, wird aus dem Ministerium berichtet. Dem Behörden Spiegel war von mehreren Quellen anderes berichtet worden.


Innere Sicherheit/Katastrophenschutz

Behörden Spiegel / September 2019

Al-Qaida am Ende?

H

amza bin Laden entging im Mai 2011 nur knapp der USOperation “Speer des Neptuns” im pakistanischen Abbottabad. Er war auf der Reise von einem Trainingscamp, in dem er eine Ausbildung in Sprengstoffanschlägen erhalten hatte, zum “Versteck” seines Vaters. Von dort war er nur noch wenige Kilometer entfernt, als das “schlechte Wetter” ihn zur Pause zwang. Der Nachthimmel war zu sternenklar. Die Gefahr bestand, dass Aufklärungsflugzeuge oder -satelliten ihn hätten orten können. Hamza war durch seinen Vater von Kindesbeinen an mit der Dschihadismus-Ideologie indoktriniert worden und davon vollkommen überzeugt. Durch engste Kriegsgefährten und Personenschützer war er in der pakistanischen Provinz Waziristan militärisch ausgebildet worden. Der derzeitige Al-Qaida-Chef, Ayman al-Zawahiri, erteilte ihm nach dem Tod seines Vaters die weitere religiöse und strategische Ausbildung. Behutsam wurde er von diesem vorbereitet, die Nachfolge zu übernehmen.

Rascher Aufstieg innerhalb der Terrororganisation Rasch stieg er in der Hierarchie zum Scheich auf, ein Zeichen hoher Wertschätzung. Schon 2017 wurde er erstmals als solcher in einer Audiobotschaft zur Unterstützung des Kampfes in Syrien erwähnt. Wenig später sogar mit dem öffentlichen Aufruf, Attentate in den jeweiligen Heimatländern zu begehen, mit Waffen, Messern, Autos oder was auch immer. Zuletzt hielt er sich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet auf. Mit Hamza bin Laden sollte die Legende des ehemaligen AlQaida-Gründers fortleben. Der Name stand in der arabischen Welt symbolisch für den erfolg-

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Hamza bin Laden ist tot / Schwacher Nachfolger (BS/Uwe Kranz) Hamza bin Laden ist bei einem US-Luftangriff in Afghanistan gefallen. Vermutlich schon vor einiger Zeit. Das Ableben des Lieblingssohnes von Osama bin Laden und dessen auserkorenen Nachfolgers gilt inzwischen als gefestigte Tatsache. Offizielle Al-Qaida-Stellen haben den Tod allerdings noch nicht bestätigt. wo die bin Ladens ihr Ende fanden und heute geradezu als Verräter an der islamischen Sache geächtet werden. Der aktuelle Al-QaidaFührer, al-Zawahiri, ist Ägypter (was in der arabischen Welt kein Vorteil ist). Ihm fehlt das Charisma der bin Ladens und er ist selbst sehr krank. Im Hintergrund wartet vermutlich Ibrahim al-Makki, der saudi-arabische Operationschef der Terrororganisation, darauf, die globale Organisation fortzuführen. Denn immer noch existieren gut funktionierende, schlagkräftige Al-Qaida-Filialen: in Westafrika (JNIM), in Ostafrika (HSM), im Jemen (AQAP) und in Mittelasien (AQIS). JNIM (Jama‘at Nasr al-Islam wal Muslimin) gilt als großer strategischer Erfolg von Ayman alZawahiri und Hamza bin Laden. Es gelang ihnen mit Gründung dieser Filiale in Nordwestafrika, alle bisherigen Terrorfraktionen unter einer Führung zusammenzuschweißen. Gemeinsamer Kommandeur von JNIM wurde Iyad Ad Ghaly, der ehemalige Anführer von Ansar Dine. Die neue Kernstrategie von Al-Qaida, die regionale Vereinigung aller terroristischen Organisationen, ist hier mit Erfolg umgesetzt und abgeschlossen worden. Ihr Ziel ist der Kampf gegen alle westlichen “Besatzungmächte” und

Der Terrorismusexperte des Behörden Spiegel, Uwe Kranz, warnt davor, Al-Qaida zu unterschätzen. Die Terrororganisation sei trotz des Todes Hamza bin Ladens weiterhin gefährlich. Foto: BS/Dombrowsky

reichen Widerstand gegen das verhasste US-Regime, Israel, Besatzungskräfte und westliche Werte. Dieser Widerstand wurde im letzten Jahrzehnt drastisch demonstriert, exemplarisch unter anderem durch die Doppelanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania (1998), den Selbstmordanschlag auf das Kriegsschiff USS Cole im Jemen (2000), die Anschlagsserie auf New York, Washington D.C. und Pennsylvania (2001) sowie den (bislang letzten bedeutenden) Anschlag in Paris 2015. Mit dem Aufstieg des Daesh (ab 2014) als Terrororganisation Nummer eins in der Welt ging die Bedeutung der Al-Qaida-Kommandozentrale zurück. Mit dem Aufbau des AlQaida-Führers Hamza bin Laden und der Umsetzung des neuen Strategiekonzeptes (“Jihadi Unity”) sollte die Führungsrolle wiedererlangt werden.

Massive Probleme in Pakistan Der Tod von Hamza bin Laden ist daher zweifellos ein erheblicher Verlust für das Terrorunternehmen. Der Stern der AlQaida-Zentrale ist zumindest in Pakistan ohnehin im Sinkflug,

die Errichtung eines islamischen Staates unter dem Gesetz der Scharia.

Besondere Gefahr droht aus Ostafrika Al-Shabaab im Osten Afrikas (eigentlich bekannt als Harakat al-Shabaab al-Mujahideen, HSM) ist eine der stabilsten und auch gefährlichsten Al-QaidaFilialen. Sie erwuchs aus der Islamic Courts Union (ICU), die Somalia, damals ein failed state, beherrschte. Auch sie will einen islamischen Staat errichten, der neben Somalia zumindest den Norden Kenias umfassen soll. 2018 sollen laut Africa Center for Strategic Studies über 100 Anschläge mit fast 4.000 Toten auf ihr Konto gegangen sein. Al-Qaida on the Arabian Peninsula (AQAP) erwuchs aus saudiarabischen und jemenitischen Terrorgruppen sunnitischen Glaubens, die 2009 fusionierten und sich zu Al-Qaida bekannten. Auf der arabischen Halbinsel, insbesondere im Jemen, haben sie seit der Jahrtausendwende immer wieder schwerste Anschläge begangen. Die Gruppe wuchs rasch von einigen Hundert auf derzeit bis zu 7.000 Kämpfer an und rekrutiert auch in Kenia. AQAP ist eine janusköpfige Terrororganisation: einerseits international einst sehr aktiv, andererseits, im Jemen, eine der

derzeit sehr aktiven konkurrierenden aufständischen Gruppen. Die Bedeutung von AQAP auf internationalem Parkett ist im Schwinden. Die heftigen Luftangriffe der saudisch-geführten Allianz (und die gezielten, intensivierten US-Drohnenangriffe) haben die Zahl der AQAP-Führungskräfte und -Experten heftig dezimiert. Auf nationaler Ebene bleibt AQAP jedoch ein bedeutender Akteur. Zudem haben die Mitglieder der Terrororganisation viele Lektionen gelernt. Eine moderatere Form der Scharia wurde eingeführt. Zudem wurden die Strukturen stärker fragmentiert und an lokale Bedürfnisse angepasst. Darüber hinaus wurden die “Indigenisierung” der Kämpfer vorangetrieben und die Anzahl somalischer Führungskräfte reduziert, um den Eindruck einer Besatzung zu vermeiden. AQAP ist auf lokaler Ebene angepasster, geschmeidiger und schwerer zu detektieren. Aber sie ist nicht geschwächt. Auch die Unterschätzung der internationalen Bedeutung der Organisation dürfte ein schwerer analytischer und strategischer Fehler sein.

Bedrohliche Zeichen Al-Qaida in the Indian Subcontinent (AQIS) war ein weiterer Versuch von al-Zawahiri und Hamza bin Laden, getreu dem

strategischen Ziel der “Jihadi Unity” die Fusionierung verschiedener Terrorgruppen und Al-Qaida-Filialen voranzutreiben. Dieser Versuch ist 2004 zwar in den Anfängen stecken geblieben. Dennoch gelang es, mächtige Terrororganisationen in Indien, Kaschmir, Pakistan und in Bangladesch zusammenzubringen – im bevorstehenden “apokalyptischen” Krieg gegen das hinduistische Indien. Die Zeichen der Zeit sehen bedrohlich aus. Das 20-seitige AQIS-Handbuch (“Code of Conduct“) wurde schon 2017 veröffentlicht. Darin findet sich auch die Passage, dass das “Islamische Emirat von Afghanistan” in enger Zusammenarbeit mit den Taliban zu verteidigen sei.

Serie TERRORZIELE (TEIL 34) Eindeutiges Ziel Das große Ziel ist vorgegeben: Der Kampf gegen alle Ungläubigen, die Schaffung eines islamischen Staates und die Einführung der Scharia. Vielleicht wird es dem jungen Osama bin Laden, dessen exaktes Alter unbekannt ist, vorbehalten sein, dereinst die Terroristendynastie fortleben lassen. Er ist der Sohn von Hamza und seiner Frau Maryam. Diese wiederum ist die Tochter des Ägypters Abdullah Ahmed Abdulla, dem Stellvertreter Ayman al-Zawahiris. Die Anlagen dafür hätte der junge Osama bin Laden jedenfalls mehrfach. Sowohl vom Vater als auch von beiden Großvätern.

Versorgung verbessern Kliniken können EKG-Daten bereits frühzeitig erhalten

Hilfe für Organisationen

(BS/mfe) Herzinfarkte gehören nicht nur in Berlin und Brandenburg zu den häufigsten Todesursachen. In der Bundeshauptstadt standen sie 2016 auf Platz drei, in der Mark sogar auf dem zweiten Platz. Da bei Infarkten Herzkranzblutgefäße verschlossen werden, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen, ist Eile geboten. Teilnahme an EU-Forschungsprojekten leicht(er) gemacht Da hilft es enorm, wenn bereits aus dem Rettungswagen heraus EKG-Daten an das jeweilige Krankenhaus (BS/Niklas Reinhardt) Noch über ein Jahr läuft das EU-Förderprogramm HORIZONT 2020 und noch immer bietet übermittelt werden können. es eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich an europäischen Forschungsprojekten zu beteiligen und spezifische Expertise in Innovationen zu überführen. Der Haken: Der Bewerbungsprozess ist nicht einfach und selbst Denn dann ist es den Kliniken Brandenburger Klinikverbünde eine Online-Fortbildung zum für projekterfahrene Forschungseinrichtungen mit einigem Aufwand verbunden. Durch die Förderung des möglich, sofort die Kräfte der so- sowie die Rettungsdienste der noch besseren Erkennen von Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bietet die Community-Plattform fit4sec kostenlose genannten Katheterbereitschaft Hauptstadt sowie der Landkreise Herzinfarkten entwickelt. An Unterstützung. zu alarmieren. Insbesondere Havelland und Oberhavel. Wei- dieser haben bisher fast 2.000 Mit einem Budget von umgerechnet rund 10,7 Milliarden Euro pro Jahr ist HORIZONT 2020 das größte Forschungsförderprogramm weltweit. Allein für den Bereich “secure societies” mit Schwerpunkt auf dem Schutz der Bevölkerung sowie Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) vor Bedrohungen durch Katastrophen, Terrorismus, Radikalisierung, Kriminalität und Cyber-Bedrohungen stellt die Europäische Kommission insgesamt noch knapp 500 Millionen Euro für 2019 und 2020 zur Verfügung. Um auch Organisationen, deren Schwerpunkt nicht in der Forschung liegt, die Teilnahme an Ausschreibungen zu erleichtern und als neue Forschungspartner zu gewinnen, wurde die Community-Plattform fit4sec (“fit for security”) ins Leben gerufen. fit4sec unterstützt Interessenten im Bereich der Sicherheitsforschung vor allem in der frühen Phase der Projektentwicklung: Welche offenen Ausschreibungen passen zum eigenen Arbeitsschwerpunkt, welche Projekte, Publikationen, Patente in diesem Themenbereich gibt es bereits, wer sind passende Forschungspartner und wen kann ich dort ansprechen?

Drei Schritte der Unterstützung durch fit4sec Das für Interessenten kostenlose Angebot von fit4sec umfasst drei Schritte: Über die fit4sec-Website werden zunächst Informationen zur Organisation eingereicht, etwa Themenschwerpunkte und

nachts und am Wochenende

Niklas Reinhardt arbeitet im Geschäftsbereich Electronic Safety Systems am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS.

Fokus auf sind diese nämlich oftmals nicht Anwendern und direkt vor Ort. Bestenfalls treffen Behörden die Mitarbeiter dann zeitgleich

Schwerpunkt von fit4sec ist die Unterstützung von sogenannten Anwendern, also Foto: BS/Fraunhofer FOKUS zum Beispiel Behörden und OrgaProjekterfahrungen. In fit4sec nisationen mit Sicherheitsaufgahaben sich erfahrene Anwen- ben (BOS) und KRITIS-Betreibern, dungs- und Forschungspartner die die Projektergebnisse später zusammengefunden, deren ge- nutzen. Für erfolgreiche HORImeinsame Expertise oft schon ZONT-2020-Projektanträge müseine erste Einschätzung möglich sen mindestens drei Anwender macht. In einem zweiten Schritt Konsortialpartner sein. Nur durch werden die Informationen mit Da- die Beteiligung von Anwendern ten zur europäischen Forschung aus Deutschland kann die euabgeglichen und in einem Dos- ropäische Forschung zukünftig sier zur Verfügung gestellt. Zu auch auf deren spezifische Bediesem Zweck wurde im Projekt dürfnisse ausgerichtet werden. eine intelligente Wissensbasis Fit4sec unterstützt Anwender entwickelt, gefüllt mit Daten zu dabei, die Forschungslandschaft Ausschreibungen, Forschungs- besser zu überblicken und pasprojekten, Patenten, Veröffent- sende Partner zu finden. Auf dielichungen und potenziellen For- se Weise können sie sich trotz schungspartnern. knapper Ressourcen zielgerichtet Semantische Technologien un- einbringen. Andersherum bringt terstützen dabei, thematische fit4sec Unternehmen und ForZusammenhänge in den Daten- schungseinrichtungen mit den sätzen zu identifizieren, sodass passenden Anwendern zusamauch relevante Querverbindun- men und bietet damit für alle gen erkannt werden. Zudem Beteiligten einen Mehrwert. Ist wird jeder Interessent, sofern die erste Hürde genommen, berät gewünscht, in die Datenbank und unterstützt das VDI Techaufgenommen und kann so auch nologiezentrum im Auftrag des später noch vermittelt werden. BMBF als Nationale Kontaktstelle In einem dritten Schritt werden (NKS) bei allen weiteren Schritten nationale und europäische Ak- der Antragstellung. teure zusammengeführt und in Fachworkshops gemeinsam maßWeitere Informationen unter: geschneiderte Konsortien und www.fit4sec.de Projektideen erarbeitet.

mit dem Patienten im Krankenhaus ein, gegebenenfalls sogar unmittelbar im Katheterlabor. Diesen Idealzustand möglichst oft zu erreichen, ist Ziel des Projektes “QS-Notfall”. Daran beteiligen sich 22 Berliner und zwei

tere Kooperationspartner sind unter anderem die Ärztekammer Berlin, das Brandenburger Gesundheitsministerium sowie die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit. Gefördert wird das Vorhaben mit 1,5 Millionen Euro aus Mitteln des Innovationsfons vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Im Rahmen des Projektes wurde

Mitarbeiter der Rettungsdienste erfolgreich teilgenommen, darunter auch zahlreiche Notärzte. Die Weiterbildung soll auch nach dem Ende des Projektes im Februar 2020 weiter angeboten werden. In den beiden Brandenburger Landkreisen wurden bisher bereits mehr als 1.000 EKGs übermittelt, in Berlin waren es schon rund 1.300.


Katastrophenschutzkongress

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15. Europäischer Katastrophenschutzkongress E

s werde in deut­schen Städten zur Entstehung von Hitzeinseln kommen. Dort könnte es bis zu zehn Grad Celsius wärmer sein als in der unmittelbaren Umgebung. Darüber hinaus werde die Zahl heißer Tage mit Temperaturen jenseits der 30-Grad-Celsius-Marke zunehmen, warnt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium (BMU), Florian Pronold. Dadurch sei auch ein Anstieg der Zahl hitzebedingter Todesopfer zu erwarten. All diese Entwicklungen zeigten, so der Sozialdemokrat: “Der Klimawandel betrifft alle Bereiche des täglichen Lebens und ist für uns eine existenzielle Bedrohung.” Im Bereich des Katastrophenund Bevölkerungsschutzes sei noch viel zu tun, um besser auf diese Entwicklungen reagieren zu können. So brauche es etwa eine noch bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Denn: “Katastrophen und Extremwetterlagen machen vor Ländergrenzen nicht halt.” Aus diesem Grunde verlangt Paola Albrito vom Office for Disaster Risk Reduction der Vereinten Nationen (UNDRR): “Im Kampf gegen den Klimawandel müssen unterschiedliche Ressorts und Ebenen noch stärker zusammenarbeiten.” Luigi D‘Angelo von der italienischen Behörde für Katas­ trophenschutz unterstreicht, dass den Klimawandelfolgen nur mit einem ganzheitlichen Ansatz begegnet werden könne, bei dem alle relevanten Akteure auf allen staatlichen Ebenen kooperierten. Das gelte nicht nur auf der Ebene der Nationalstaaten, sondern insbesondere auch grenzüberschreitend in ganz Europa, meint der CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsident der THW-Bundesvereinigung, Marian Wendt. Mit Blick auf die Situation hierzulande fordert THW-Präsident Albrecht Broemme: “Wir brauchen mehr und mehr ein überregionales Einsatzmanagement.” Außerdem verlangt er mehr geländegängige Einsatzfahrzeuge und Großpumpen für seine Organisation.

Gefahren nehmen immer weiter zu Auch Volker Rieke, Leiter der Abteilung “Zukunftsvorsorge – Forschung für Grundlagen und nachhaltige Entwicklung” im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), warnt vor den Folgen des Klimawandels. Aus seiner Sicht werden Hitzewellen,

Kein Land in Europa habe ausreichende Kapazitäten, um Hunderte von Verbrennungsopfern behandeln zu können, berichtete Arafat. Für diese Art von Verletzungen brauche es spezielle Hilfe. Sein Land übe deshalb dieses Szenario und die Verlegung dieser Patienten in andere europäische Staaten. Aber: “Das ist mit viel Bürokratie verbunden.” Fast immer werde nach einer Übernahme der Kosten gefragt, die Rumänien dann zahle. Zur Verbesserung hat das Land in den europäischen Gremien einen Mechanismus nach dem Vorbild der skandinavischen Staaten vorgeschlagen, der die Hilfeleistung vereinfacht. Aber auch in anderen Katastrophenszenarien könne die Zusammenarbeit verbessert werden, so Arafat. Etwa bei Waldbränden. Hier bestünden trotz der Erfahrungen der letzten Jahre immer noch logistische Herausforderun-

Globale Erwärmung fordert alle Akteure Folgen des Klimawandels müssen ganzheitlich und grenzüberschreitend bewältigt werden (BS/Marco Feldmann) In Deutschland ist in diesem Jahr ein neuer Temperaturrekord gemessen worden. Im niedersächsischen Lingen wurden 42,6 Grad Celsius verzeichnet. Und mit einer Mitteltemperatur von 10,5 Grad Celsius war 2018 nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hierzulande das bisher wärmste Jahr seit dem Beginn regelmäßiger Aufzeichnungen im Jahre 1881. Es zeigt sich: Der Klimawandel bringt steigende Temperaturen. Was bedeutet das für den Katastrophenschutz? Stürme, Starkregenereignisse und Waldbrände wahrscheinlicher. Deshalb müsse bereits jetzt Vorsorge getroffen. Sein Haus investiere bereits seit Jahren massiv in die Klimaforschung. Gefördert würden unter anderem Projekte für Klimavorhersagen für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren. Es brauche aber auch regionale und lokale Klimadaten und -modelle. Deren hochauflösende Modellierung erlaube kleinteiligere und präzisere Prognosen.

Verbesserungen weiter ­möglich und nötig Nicht nur die Meteorologie muss sich weiterentwickeln. Gleiches gilt für den Bevölkerungsschutz. Denn, so der Abteilungsleiter für Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz im Bundesinnenministerium (BMI), Franz-Josef Hammerl: “Die Extremwetterereignisse sind vor der eigenen Tür angekommen.” Zwar sei der Bevölkerungsschutz in der Bundesrepublik im europäischen Vergleich relativ gut aufgestellt. Es existiere jedoch weiterer Optimierungsbedarf. Das gelte unter anderem beim Löschen von Bränden auf munitionsbelasteten Flächen, mit Blick auf die Nutzung von Robotik im Bevölkerungsschutz sowie hinsichtlich der Digitalisierung von Aus- und Fortbildung im Feuerwehrbereich. Des Weiteren komme es darauf an, sowohl die Resilienz der Bürger und der Gesellschaft zu stärken als auch die Zusammenarbeit aller Akteure zu intensivieren. Hammerl meint: “Es besteht das Bedürfnis, gemeinsam zu handeln.” Grund hierfür: Niemand sei allein in der Lage, die neuen Herausforderungen, die mit dem Klimawandel einhergingen, zu bewältigen. Es gebe Situationen, die einzelne Länder nicht ohne die Unterstützung des Bundes bewältigen könnten. Deshalb brauche es ein proaktives Ressourcen- und ein zentrales Informationsmanagement. Zudem müsse die Rolle des Bundes im Katastrophenschutz noch besser von den Bundesländern akzeptiert werden, verlangte der Abteilungsleiter. Er wolle zwar keinesfalls

Paloa Albrito vom Office for Disaster Risk Reduction der Vereinten Nationen (UNDRR) fordert eine ebenen- und staatenübergreifen Zusammenarbeit im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel.

zentralistische Strukturen im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz. Ein breiter Wissens-, Erfahrungs- und Informationsaustausch müsse aber möglich sein. Gleiches gelte für gewisse Weisungsrechte der Bundesebene gegenüber den Ländern. Ebenfalls für ein stärkeres Miteinander aller Akteure plädiert der Abteilungsleiter für Kommunalund Hoheitsangelegenheiten im Hannoveraner Innenministerium, Dr. Alexander Götz. Dies sei angesichts des systemischen Ausmaßes des Klimawandels und der höchstwahrscheinlichen Zunahme von Waldbrandereignissen – sowohl in Bezug auf die betroffene Fläche als auch auf die Intensität – zwingend notwendig, meint der derzeitige Vorsitzende des für Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen, Katastrophenschutz und Zivile Verteidigung zuständigen Arbeitskreises V in der Innenministerkonferenz (IMK). Von einer Zunahme der Intensität und Häufigkeit der kritischen Wetterlagen geht auch der DWD-Abteilungsleiter für Klima- und Umweltberatung, Tobias Fuchs, aus.

Technische ­Weiterentwicklungen nötig? Bereits heute löschten die deutschen Feuerwehren pro Jahr

Will ein proaktives Ressourcenund ein zentrales Informationsma­ na­ge­ment im deutschen Bevölke­ rungsschutz und eine stärkere Rolle des Bundes: Franz-Josef Hammerl, Abteilungsleiter für Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz im Bundesinnenministerium (BMI).

rund 10.000 Wald- und Vegetationsbrände, berichtet Jochen Stein. Der Leiter der Feuerwehr Bonn und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Deutschland (AGBF Bund) ist sich unsicher, ob die bisher genutzten Universal-Löschfahrzeuge für die Bekämpfung künftiger Waldbrände tatsächlich ideal geeignet sind. Die schon heute massiv betroffenen Feuerwehren in Südeuropa, unter anderem in Spanien und Portugal, hätten bereits Spezialfahrzeuge. Diese brauche es auch für das Löschen von Bränden auf munitionsbelasteten Flächen, meint Stein. Bei solchen Einsätzen gebe es derzeit oftmals noch erhebliche Probleme.

Löschflugzeuge durchaus sinnvoll Frank Degen vom Deutschen Wasserflieger-Verband hält angesichts des fortschreitenden Klimawandels sowie im Falle von Großgefahrenlagen Löschflugzeuge für ein effektives Mittel. Sie hätten größere Transportkapazitäten als die bisher verwendeten Hubschrauber und könnten mit einer Wasserladung ganze Waldschneisen löschen. Bund und Länder halten bisher jedoch noch an Hubschraubern fest, die

oftmals von der Bundes- oder der jeweiligen Landespolizei stammen. Wichtig ist auch die Prävention von Waldbränden. Diese könne unter anderem durch das Anlegen von Brandschutzschneisen und -streifen, den Ausbau des Netzes von Löschwasserentnahmestellen sowie den Waldumbau gelingen, meint der Brandenburger Waldbrandschutzbeauftragte, Raimund Engel. Der Weg müsse weg von Monokulturen und hin zu Mischbeständen führen. Zumal das Niederschlagsdefizit in Deutschland im vergangenen Jahr im Vergleich zum langjährigen Mittel bereits 200 Millimeter betragen habe und deshalb die Gefahr von Dürren künftig weiter zunehmen dürfte, berichtet Alexander Esser aus dem Referat für Grundsatzangelegenheiten des Bevölkerungsschutzes, Ehrenamt und Risikoanalyse im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Und im laufenden Jahr sehe es nicht besser aus, ergänzt Engel.

Auch Quantität steigt an Aber nicht nur die Trockenheit wird immer bedrohlicher. Gleiches gelte auch für Ex­ tremniederschläge, macht Prof. Dr. Uwe Ullbrich vom Institut für Meteorologie an der Freien Universität Berlin deutlich. Und generell erhöhe sich durch den

(BS/mfe) Der diesjährige Europäische Katastrophenschutzkongress des Behörden Spiegel fand auch bei Experten und anderen Medien Anklang. So erreichte die Redaktion eine umfangreiche Stellungnahme des “Netzwerks Zukunft”. In dieser wurde die Veranstaltung ausgiebig gelobt. Der Verein wurde vom Zukunftsforscher Robert Jungk gegrün­ det. Eine recht ausführliche Internet-Nachberichterstattung erfolgte auch durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz

Ausbildung zur Verbesserung und als Wertschätzung (BS/jf) “Im Bevölkerungsschutz gibt es keine Grenzen”, warnte Raed Arafat. Der Staatssekretär im Ministerium für Innere Angelegenheiten in Rumänien plädiert für mehr länderübergreifende Kooperationen im Katastrophenschutz. Mit Blick auf Deutschland zeigt sich, dass dieses Anliegen durchaus sinnvoll ist, hierzulande jedoch viel kleiner angefangen werden muss. Zumal die Ausbildung hier noch eine andere wichtige Funktion erfüllt.

Anfangen bei der Lage Ein vergleichbares Bild skizzierte Generalmajor Carsten Breuer, Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr. Allerdings müsse man in Deutschland viel kleiner anfangen und auf nationaler Ebene die Zusammenarbeit zwischen

Feuerwehren, Rettungsdiensten, Technischem Hilfswerk (THW), Polizeien und der Bundeswehr im Katastrophenfall vervollkommnen. Zwar habe sich die Kooperation der verschiedenen Akteure etwa bei Hochwasserlagen seit 1997 deutlich verbessert, trotzdem gebe es noch immer deutliche Defizite: So seien bei den letzten Hochwassern an der Elbe im Jahr 2018 sechs Hubschrauber der Bundeswehr für den Einsatz aus Süddeutschland angefordert worden, die mit sechs Stunden Anflugzeit und einem Tankstopp hätten verlegt werden müssen, während parallel im

Einsatzgebiet die gleiche Anzahl Hubschrauber der Bundespolizei ohne Auftrag am Boden bereitgestanden hätte. Deshalb brauche es einen “Territorialen Hub”, betonte Breuer. In diesem müssten sämtliche Informationen von den verschiedenen Akteuren aus deren Systemen zusammengetragen und anschließend an alle Beteiligten weitergeben werden. Nur so ließen sich solche Fehlanforderungen verhindern. Darüber hinaus müssten die genannten Organisationen viel häufiger miteinander trainieren und Abläufe schulen. Dafür mangele es jedoch an den

Bürger selbst ebenfalls gefragt Des Weiteren müsse die Resilienz der Bevölkerung in der Bundesrepublik gefördert werden. Auch brauche es regionale und lokale Vulnerabilitätsanalysen. Als besondere Zielgruppen identifiziert Richert hier Kinder, Personen mit Vorerkrankungen, Beatmungspatienten und Menschen, die älter als 65 Jahre sind. Zudem müssten die Daten von Sozialdiensten besser mit jenen des Rettungsdienstes verknüpft werden, so der Leiter des DRK-Bereichs Nationale Hilfsgesellschaft.

Die Meinung der anderen

Üben, üben, üben

gen, etwa wie notwendiges Gerät von einem Land in das betroffene Gebiet eines anderen Staates verlegt werden könne. Aber auch die Fragen, welche Kapazitäten überhaupt vorhanden seien und wie diese interagieren könnten, seien noch nicht geklärt.

Klimawandel, dessen Dynamik einzigartig sei, die Anzahl der Katastrophen weltweit, meint der stellvertretende Direktor des Schweizer Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS), Christoph Flury. Für diese Feststellung erhält Flury Zuspruch vom stellvertretenden Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Dr. Johannes Richert berichtet, dass sich die Zahl der jährlichen Katastrophen von früher 200 auf mittlerweile 400 verdoppelt habe. Zwei Drittel aller Naturkatastrophen seien zudem inzwischen klimainduziert. Nicht nur durch Hitzewellen und Starkregenereignisse wachse darüber hinaus weltweit der Migrationsdruck. “Darauf müssen wir uns humanitär einstellen”, forderte Richert. Es sei auch nicht förderlich, dass bisher noch keine deutsche Stadt über einen Hitzewellenplan verfüge. Als Vorbild könne hier die tschechische Hauptstadt Prag gelten. Dort gebe es ein solches Dokument schon seit Längerem.

notwendigen Übungsgeländen, erläuterte Dr. Christos Katzidis. Der Sprecher für Inneres der CDU-Landtagsfraktion in NRW berichtete über eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung in seinem Bundesland. Danach gebe es 46 Übungsgelände in NRW. Aber nur wenige seien für Übungen in größeren Verbänden geeignet. Der Landtagsabgeordnete möchte deshalb die Rahmenbedingungen zur Einrichtung solcher Gelände verbessern. In Baden-Württemberg ist dies gelungen, wie ein Beispiel aus Bad Mosbach zeigt. Dort ist ein Areal auf dem Gelände eines Ent-

und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn. Auch in der Tagesschau der ARD, in mehreren Radiosendungen sowie im TV-Programm des Südwestrundfunks (SWR) war der Kongress Thema. Auch die Vorstellung der Außenausstellung, und hier insbesondere der Rundgang durch die mobile Arztpraxis des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), die sich in einem Sattelschlepperanhänger befindet, fand großen Zuspruch. Gleiches galt für die ausgestellten Fahrzeuge und Lösungen.

sorgungsunternehmens eingerichtet worden, das sowohl von Feuerwehren und Rettungsdiensten als auch der Polizei genutzt wird. Da es sich um eine ehemalige Kaserne der Bundeswehr samt Standortübungsplatz handele, eien sogar Schießstände für die Polizei vorhanden.

Stärkung des Ehrenamtes Zudem sei die Ausbildung im Ehrenamt einer von drei essenziellen Bestandteilen. Neben einer adäquaten Ausrüstung inklusive der baulichen Ausstattung der Standorte und der Anerkennung des Ehrenamtes sei sie der dritte Faktor und Ausdruck von Wertschätzung gegenüber den ehrenamtlich Tätigen. Für diese sei es enorm motivationssteigernd, wenn sie regelmäßig üben und kontinuierlich an Lehrgängen teilnehmen könnten, wie Dr. Matthias Münch vom Landesfeuerwehrverband Berlin e. V. betonte.


Katastrophenschutzkongress

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D

iese Zuständigkeiten bei Großveranstaltungen müssen bereits im Vorfeld eindeutig durch die Gesamteinsatzleitung geregelt sein. Manthey warnte dabei davor, dass sich “aus schlechten Vorbereitungen durchaus Katastrophen ergeben” können. Erinnert sei in diesem Zusammenhang zum Beispiel an das “Love Parade”-Unglück vom Juli 2010 in Duisburg mit 21 Toten und 541 Schwerverletzten. Es gibt zwar im Rahmen des föderalistischen Staatsaufbaus jahrelange Erfahrungen mit Schnittstellen zwischen den einzelnen Sicherheitsakteuren auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene. Trotzdem kommen immer noch “Nahtstellenprobleme” vor, so Manthey.

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Sicherheit bei Großveranstaltungen “Klare Zuständigkeiten sind das A und O” (BS/Dr. Gerd Portugall) Den sicheren Ablauf von Großveranstaltungen zu gewährleisten, stellt immer gewaltige Herausforderungen sowohl an die Veranstalter, seien sie privat oder öffentlich, als auch an die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Eine Grundvoraussetzung dafür sind “klare Zuständigkeiten” zwischen allen Beteiligten, so Bernd Manthey, Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder a. D. und seit 2014 Senior-Berater für projektbezogenes Sicherheitsmanagement.

Zumeist problemlos

Projekt Breitscheidplatz Gerade die Berliner Polizei ist sehr erfahren mit Großveranstaltungen, von denen jährlich rund 20 in der Hauptstadt stattfinden. Besonders sensibel und umstritten ist allerdings das geplante Sicherheitskonzept für den Breitscheidplatz, auf dessen Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 ein islamistisch motivierter Terroranschlag mit zwölf Toten und 55 Verletzten verübt worden war. Die bisherigen Vorschläge der Sicherheitsbehörden sind nach Ansicht der meisten gewerbetreibenden Platzanrainer und der Berliner Bevölkerung “viel zu martialisch”, so Manthey. Polizeidirektor Jörg Michael­ Rock, Leiter “Fachaufsicht Schutz- und Wachpolizei” bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin sowie Projektleiter “Schutz öffentlicher Räume”, betonte in diesem Zusammenhang,

Debattierten über Sicherheit bei Großveranstaltungen (v.l.n.r.): Fred Weingardt vom DRK-Kreisverband Dortmund, Jochen Stein von der Feuerwehr Bonn, Moderator Bernd Manthey, Prof. Frank Friedrich von der Universität Wuppertal und Dirk Fleischer von der DB Sicherheit GmbH. Foto: BS/Giessen

dass eine Mauer rund um den Breitscheidplatz zwar ein hohes Schutzpotenzial biete, aber aufgrund der Berliner Erfahrung mit dem DDR-Mauerbau komme diese Lösung nicht infrage. Gleichwohl bleibt das Grundproblem: Bauliche Schutzmaßnahmen müssen sich auf die physikalische Größe “Kraft = Masse x Geschwindigkeit” einstellen, so Rock. Die Verwaltung treibt in diesem Zusammenhang natürlich die Sorge um, dass dieser Platz

erneut Tatort eines Anschlages werden könnte. Der Anschlag vor rund drei Jahren besaß bereits eine hohe Symbolwirkung: Angriff auf das christliche Weihnachtsfest, und dann auch noch in der Bundeshauptstadt. Würde ein neuerlicher Anschlag dort gelingen, würde – zu Recht – gefragt, warum dieser nicht verhindert worden wäre. Deshalb verspüren alle Verantwortlichen die dringende Verpflichtung, dies unter allen Umständen zu verhindern.

Eine Lösungsmöglichkeit, die allerdings relativ viel Platz benötigt, ist das Aufstellen von Rüstcontainern, etwa von der Dortmunder Bloedorn Container GmbH. Containerwände dienen nicht nur als KfZ-Sperre und Splitterschutz, sondern gleichzeitig auch als Lärmschutz. Das Unternehmen bietet solche Containerwände darüber hinaus unter anderem auch Kampfmittelräumdiensten für den Fall von Bombenfunden an.

Trotz aller möglichen Gefährdungsrisiken gilt: Die Masse der Großveranstaltungen in Deutschland verläuft problemlos. Jochen Stein, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Deutschland und Leiter der Feuerwehr Bonn, verwies in diesem Zusammenhang auf die erfolgreiche Durchführung der UN-Klimakonferenz (“23rd Conference of the Parties” – COP 23) in Bonn im Jahre 2017. Und das, obwohl der den Vorsitz führende Inselstaat Fidschi bei der Ausplanung ausgesprochen spät an die Bundesstadt herangetreten war. In den zwei Konferenzwochen im Rheinland waren insgesamt 22.000 Teilnehmer aus aller Welt anwesend, dazu insgesamt mehr als 4.500 Helfer. Die Versammlungsstättenverordnung (VstättVO) des Landes NRW regelt, dass der Betreiber bei mehr als 5.000 Besucherplätzen im Einvernehmen mit den für Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden, insbesondere der Polizei, der Brandschutzdienststelle und den Rettungsdiensten, ein Sicherheitskonzept aufzustellen hat. Im Sicherheitskonzept sind die Mindestzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes gestaffelt nach Besucherzahlen und Gefähr-

dungsgraden sowie die betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen und die allgemeinen und besonderen Sicherheitsdurchsagen festzulegen. Selbst bei temporären Gebäuden werden außerdem die einschlägigen Bauvorschriften nicht ausgehebelt, nur weil es sich dabei um eine zeitlich befristete Großveranstaltung handelt, so Stein.

Forschung kann helfend begleiten Die Wissenschaft in Form der zivilen Sicherheitsforschung kann helfend begleiten, ist aber von entsprechenden Fördermitteln abhängig, so Prof. Dr.-Ing. Frank Friedrich. Der Hochschullehrer wünscht sich deshalb “mehr Dialog”. Seit 2009 leitet er das Fachgebiet “Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit” an der Bergischen Universität Wuppertal. In diesem Zusammenhang sei auch an die Arbeitsergebnisse von Prof. Dr. Michael Schreckenberg erinnert, dem bekannten Stau- und Panikforscher der Universität Duisburg-Essen. Allerdings verhalten sich Menschen nicht immer so, wie es Algorithmen von wissenschaftlichen Sicherheitssystemen vorausberechnen, so Fred Weingardt, Abteilungsleiter Nationale Hilfsgesellschaft beim DRK-Kreisverband Dortmund. Einen weiteren wichtigen Aspekt stellt das Sicherheitspersonal dar. Dirk Fleischer, Geschäftsführer “Operations” der DB Sicherheit GmbH, berichtete, dass bei der letzten ILA Berlin Air Show vom April 2018 34 Prozent des vorgesehenen Personals die Sicherheitsüberprüfung nicht bestanden hätten.

Mit Augenmaß digitalisieren

Ein Mix an Warnmitteln

Chancen nutzen, Risiken begrenzen

Sirenen gewinnen wieder an Bedeutung

(BS/stb) Was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert. Das geflügelte Wort gilt auch im Zivil- und Katastrophenschutz. Verbesserungen erhoffen sich viele bei der Lagebilderstellung und der Koordination im Einsatz. Einige warnen jedoch davor, sich zu sehr von der Technik abhängig zu machen und mit ihr verbundene Risiken zu unterschätzen.

(BS/leh/mfe) In Deutschland existiert eine Vielzahl behördlicher Warnsysteme. Für die effektive Bewältigung von Einsatz- und insbesondere Großschadenslagen kommt es aber nicht nur auf die Sensibilisierung der Bürger an. Auch der Einsatz von Social Media wird immer wichtiger. Effektiver Katastrophenschutz findet nicht mehr nur im Analogen, sondern auch im digitalen Raum statt.

Sicherheit von Daten sind das Backbone des Katastrophenschutzes. Fehler und Vorfälle können Lagen verschärfen”, so die Leiterin des Referats Strategie KRITIS, Cyber-Sicherheit KRITIS im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Da Fehler aber grundsätzlich nicht auszuschließen seien, votierte John-Koch dafür, im Zuge der Digitalisierung auch “analoge Fähigkeiten” aufrechtzuerhalten. Wenn wegen eines Sicherheitsproblems oder Infrastrukturausfalls bei Zivilschutzorganisationen kein Zugriff auf Daten mehr möglich sei, könnten Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden. “Solche Situationen müssten auch geübt und entsprechende Notfallkonzepte erarbeitet werden”, schlägt die Referatsleiterin vor. Eine sinnvolle Maßnahme sei es, entscheidende Dokumente und Kontaktdaten wichtiger Ansprechpartner auf Papier in der Schublade liegen zu haben. So könne im Ernstfall zumindest Unterstützung geholt und alarmiert werden.

Das betont auch Hendrik Roggendorf vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Zudem unterstreicht er die Bedeutsamkeit einer wirksamen Krisenkommunikation. Nicht nur dann brauche es Warnsysteme. Hier können Sirenen viel leisten, verdeutlichte Harald Rickmeyer von der Hörmann GmbH, einem Unternehmen mit einer vielfältigen Produktpalette verschiedener innovativer Sirenensysteme. Nach Ende des Kalten Krieges galten Sirenen als überflüssig. Die flächendeckende Alarmie- Erläuterte verschiedene Warnsysteme: Hendrik Roggendorf vom Bundesamt rung der Bevölkerung erschien für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Foto: BS/Giessen nicht mehr nötig. Doch inzwischen hat ein Umdenkungspro- nikation und für die Alarmierung rund 4.500 TETRA-Sirenensteuzess stattgefunden. Die Sirenen weitaus mehr der gegenseitigen ergeräten sei erteilt, so Herr. Viele Objekte haben keine oder erleben ein regelrechtes Come- Systemredundanz Rechnung back. Die Antwort ist einfach: tragen würden als eine All-in- immer noch analoge FunkversorMit keinem anderen System lässt one-Lösung. Zumal ein autar- gung. “Krisen können wir nicht sich die Bevölkerung so schnell, kes Alarmierungsnetz höchste verhindern, aber wir helfen, sie zu meistern”, unterstreicht der umfassend und flächendeckend Verfügbarkeit biete. Das Prinzip für eben solche Sales Executive Public Serviwarnen wie mit Sirenen. Fazit: Die Zukunft gehört den elekt- Systeme laute 1-2-3, findet Dr. ces der F24 AG, Dirk Warnecke. ronischen Sirenen. Daher ver- Hermann Bühler, Inhaber eines Mithilfe des Produkts FACT24 wundert es nicht, dass von der Ingenieurbüros für Mobilfunk, können global Not- und KrisenSelectric Nachrichten-Systeme Funktechnik und Telekommu- fälle gemanagt und überwacht GmbH eine Box und ein Cont- nikation. “Alles entscheidende werden. Im behördlichen Umfeld roller entwickelt wurden. Damit Abläufe, wie zum Beispiel die muss sich die Lösung jedoch könnten Sirenen unter anderem Alarmierung, auf ein System zu noch bewähren. über die Netzwerke von TETRA stützen, darf man als Risikoverund von Pocsag (etwa als Re- halten einstufen”, meint Bühler. Digitale Kanäle immer wichtiger dundanz) angesteuert werden, Für die kritische Kommunikation so der Leiter Produktmarketing der BOS sollte dieses Prinzip eiDie Nutzung Sozialer Medien Funksysteme von Selectric, Jür- gentlich selbstverständlich sein. für den Katastrophen- und Begen Kormann. völkerungsschutz wird in ZuPocsag-Lösungen stellen sich 65.000 Pager im Einsatz kunft immer wichtiger werden. dabei weitaus kostengünstiger Alarmierungen sind übrigens Davon geht auch Stefan Ground wirtschaftlicher dar als an- nicht nur über Sirenen, sondern belny vom Institut für Feuerdere Lösungen wie etwa TETRA auch über TETRA möglich. Das wehr- und Rettungstechnologie oder LTE. Davon geht der Chief erfolgt in Hessen statt, berichtet der Feuerwehr Dortmund aus. Marketing Officer der Swisspho- der Leiter der dortigen Autori- Die Resultate mehrerer Forne Wireless AG, Philipp Zimmer- sierten Stelle Digitalfunk, Tobias schungsprojekte, darunter “Aumann, aus. Im Übrigen ist er der Herr. Dort seien derzeit 65.000 tomatisiertes Helferangebot bei Meinung, dass auch dezidierte entsprechende Pager im Einsatz. Großschadensereignissen”(AHA), Lösungen für die Sprachkommu- Ein Auftrag zur Lieferung von stützen seine These.

Künstliche Intelligenz wird häufig dann ins Spiel gebracht, wenn man sich eine effiziente Auswertung von großen oder komplexen Informationsansammlungen wünscht. Im Bereich des Zivilschutzes verspricht man sich vor allem eins: bessere Lagebilder. Ein großer Schritt wäre schon getan, wenn sämtliche Informationen gesammelt und zentral verfügbar gemacht würden, die in der verbalen Kommunikation zwischen Rettungskräften und Stäben ausgetauscht werden. An Lösungen forscht Dr. Ivana Kruijff-Korbayová mit der Organisationseinheit Sprachtechnologie und Multilingualität, am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. “Ziel ist es, dass das System die Team-Kommunikation im Einsatz inhaltlich versteht und damit arbeiten kann”, so Kruijff-Korbayová. Dazu müsse das gesprochene Wort erfasst, interpretiert und mit anderen verfügbaren Daten zu kontextualisierten Informationen integriert werden. “Damit wollen wir Lagebildinformationen und digitale Assistenzsysteme anreichern.

Auch für die obligatorische Dokumentation von Einsätzen und für Schulungszwecke können die Daten genutzt werden.” Auch handfeste technische Innovationen sind mit Chancen verbunden: Drohnen und Roboter für Transport, Erkundung und Rettung, Virtual-Reality-Brillen zum Üben besonderer Gefahrenlagen oder Smarte Kleidung, die Informationen über Temperatur, Sauerstoffgehalt oder Konzentration von Gefahrenstoffen verarbeitet. Diese Technologien sollen auch genutzt werden, fordert Albrecht Broemme, Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW). “Wir müssen dabei jedoch aufpassen, dass wir nicht an einigen Stellen ohne Netz und doppelten Boden arbeiten.” Datensicherheit und Datenschutz sollten nicht als Bremse gesehen werden. “Es ist immer ratsam, diese absolut notwendigen Aspekte von vornherein zu berücksichtigen, anstatt funktionierende Systeme hinterher den Anforderungen anpassen zu wollen”, so der THW-Präsident. Dem schloss sich auch Dr. Monika John-Koch an. “Integrität und

MELDUNG

Hanno-Peter-Preis geht an soziologische Arbeit

(BS/stb) In Berlin wurde der vierte Hanno-Peter-Preis verliehen. Der erste Platz des Ehrenpreises der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin (DGKM) ging an Nils Ellebrecht (Universität Freiburg) für seine Doktorarbeit. Diese umfasst soziologische Studien zum Handeln im Rettungsdienst. Unter anderem hat er sich mit Motiven und Rahmenbedingungen bei der Einstufung von Patienten nach Dringlichkeit (Triage) befasst. Den Preis überreichte DGKM-Präsident Prof. Leo Latasch im Rahmen des Katastrophenschutzkongresses. Ebenfalls ausgezeichnet wurden: Lars Burmann (Hochschule für Gesundheit Gera), Jens Tobias von den Berken (RWTH Aachen) sowie Christoph Amelunxen (Universität Paderborn).

Foto: BS/Giessen


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eutschland hat kürzlich beschlossen, seine Patriot Luftverteidigungssysteme auf die derzeit modernste Konfiguration – Konfiguration 3+ – umzustellen. Warum ist dies so bedeutsam? Eggers: Deutschland, die Niederlande sowie fünf weitere europäische Nationen und die USA vertrauen Patriot die integrierte Luft- und Raketenabwehr Europas an. Mit dem Upgrade auf Konfiguration 3+ verfügt Deutschland über die neuesten Updates, um auf sich entwickelnde Bedrohungen zu antworten und mit seinen Verbündeten über viele Jahre hinweg kompatibel zu bleiben.

Behörden Spiegel / September 2019

“Patriot rettet Leben” Die Zukunft der integrierten Luft- und Raketenabwehr Deutschlands (BS/Raytheon) Bruce R. Eggers, Director Business Development for German Integrated Air and Missile Defense bei Raytheon International, äußert sich im Interview zur integrierten Luftverteidigung Deutschlands.

Ist Patriot in der Lage, mit den Bedrohungen der nächsten Generation umzugehen? Eggers: Ja. Wir bieten Deutschland unsere Next-GenerationPatriot-Lösung an, die fortschrittliche Bedrohungen mit einem hochmodernen 360-Grad-Radar bekämpft, das mehr als 3.000 Teststunden absolviert hat. Kommandeure haben zudem eine operative Flexibilität aufgrund von Patriots Raketenmix aus GEM-T- und PAC-3 MSELenkflugkörpern. Natürlich sind diese Lenkflugwaffen bereits in die Patriot-Konfiguration 3+ integriert. Darüber hinaus verfügen wir über die zusätzliche Fähigkeit, IRIS-T SL einzubinden, sofern die deutsche und die U.S.-Regierung dies genehmigen. Zusammen mit der Lösung von Rheinmetall fügt sich dies alles in eine nahtlose Architektur ein, welche die Anforderungen der deutschen bodengebundenen Luftverteidigung abdecken kann. Ist Next Generation Patriot eine deutsche Lösung? Eggers: Auf jeden Fall. Raytheon hat eine globale strategische Partnerschaft mit Rheinmetall, die integraler Bestandteil unserer Lösung ist. Wir haben bereits über die Möglichkeit der Einbindung von IRIS-T SL gesprochen. Darüber hinaus könnten wir mit Zustimmung der amerikanischen und deutschen Regierung möglicherweise das deutsche Mittelstreckenradar sowie die deutschen Führungs-

Sie sprechen davon, dass Patriot eine bewährte Lösung ist, aber es gab einige hochkarätige Berichte über Patriot-Fehlschläge im Einsatz. Wie reagieren Sie darauf? Patriot ist das Rückgrat der eigenen integrierten Luft- und Raketenabwehr einer stetig wachsenden Gemeinschaft aus 17 Partnerstaaten und wurde über 2.500 Mal unter Aufsicht der US-Armee unter realistischen Bedingungen getestet. Fotos: BS/Raytheon International

und Kommunikationssysteme integrieren. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass MBDA derzeit an deutschen Patriots und denen der Partnerstaaten arbeitet. Wir erwarten nicht, dass sich daran etwas ändert. Glauben Sie, dass an der Behauptung Ihrer Konkurrenten, MEADS stelle die Zukunft dar, während Patriot der Vergangenheit angehöre, etwas dran ist? Eggers: Die Realität ist, dass MEADS auf der Grundlage veralteter Technologie basiert, die es nie durch das Zulassungsverfahren geschafft hat. Im Jahr 2011

Handy aus dem Jahr 2011 und vergleichen Sie es mit dem, was Bruce R. Eggers ist Director Business Development for es heute ist. German Integrated Air and Sicherlich, PatMissile Defense bei Raytheon. riot hat den gleichen Namen wie beim ersten Einsatz – und sieht äußerlich sogar entschied sich die US-Armee, genauso aus –, aber hier endet die Teilnahme am Programm zu die Ähnlichkeit auch schon. Die beenden, da MEADS Milliarden Technologie von Patriot wird über dem Budget und Jahre hin- ständig aktualisiert, getestet ter dem Zeitplan lag. MEADS ist und verbessert, dank der konseitdem geschwächt, während tinuierlichen Investitionen der die technologische Entwicklung gesamten Patriot-Partnerschaft. weitergeht. Betrachten Sie Ihr Patriot ist das bevorzugte Luft-

verteidigungssystem von 17 Ländern. Seit November 2017 sind vier neue Nationen der Partnerschaft beigetreten – das Königreich Bahrain ist unser jüngster Beitritt, der im August erfolgte. Diese Länder analysierten die Bedrohung, werteten die Daten aus und trafen ihre Wahl für heute und für die Zukunft. Wie viele Länder haben sich für MEADS entschieden? Aber die Bedrohungen entwickeln sich ständig weiter und verbessern sich. Ist ein neues System – wie MEADS – nicht erforderlich, um dies zu adressieren?

EDF und PESCO

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it dem EDF sollen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Verteidigungsbereich durch die EU mit insgesamt 13 Milliarden Euro zwischen 2021 und 2027 gefördert werden. Konsortien aus mindestens drei Unternehmen aus mindestens drei Mitgliedsstaaten können sich auf Projektausschreibungen bewerben und diese durch die EU und Mitgliedsstaaten fördern lassen. Um Erfahrungen zu sammeln und Prozesse zu entwickeln, bereitet die EU Forschungsund Entwicklungsförderung im Verteidigungsbereich mit zwei separaten Programmen vor. Zwischen 2017 und 2019 standen unter der Preparatory Action on Defence Research (PADR) 90 Millionen Euro zur Forschungsförderung zur Verfügung. Entwicklungsvorhaben werden 2019 und 2020 mit insgesamt 500 Millionen Euro unter dem European Defence Industrial Development Programme (EDIDP) kofinanziert. Über den Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) haben die Mitglieder gemeinsam mit dem BMVg diese Programme begleitet und an ihrer Ausgestaltung mitgewirkt. Durch effektiven Austausch mit der Amtsseite konnte die Beteiligung der deutschen Industrie an den Projekten sichergestellt werden. Im EDF sollen Forschungsund Entwicklungsförderung in einem Programm zusammen-

Eggers: Bedrohungen haben sich immer weiterentwickelt und perfektioniert. Ein Luftverteidigungssystem muss ständig modernisiert und optimiert werden, um diesen Gefahren immer einen Schritt voraus zu sein, unabhängig davon, wer es herstellt. Dieses konstante Tempo der Verbesserung beizubehalten, wäre unglaublich teuer, wenn eine Nation auf sich allein gestellt ist. Die 17 Länder, die zusammen mehr als 220 Patriot-Feuereinheiten besitzen, investieren in Modernisierungen und Upgrades, die auf Tests und Erfahrungen aus dem laufenden Betrieb basieren. MEADS ist nicht nur veraltet, sondern auch ungetestet gegen das Spektrum der Luft- und Raketengefahren, die es behauptet, bekämpfen zu können. Einmal angenommen, dass MEADS irgendwann in der Zukunft gebaut wird, würde der Preis für seine Entwicklung voraussichtlich acht Milliarden Euro betragen. Aber die Veränderung der Bedrohungen wird nicht haltmachen. Ist Deutschland als einziges Mitglied des “MEADS-Klubs” bereit, alle diese Kosten zu tragen?

der NATO für die Sicherheit Deutschlands hervorgehoben hat.

Verteidigungsinitiativen und die neu aufgestellten EU-Institutionen (BS/Adrian Schwantes*) Seit einigen Jahren haben die europäischen Institutionen Verteidigung als einen der Bereiche definiert, in dem die Union aktiver werden soll. Zur Neuaufstellung von Kommission und Parlament bieten sich die Analyse der gestarteten Initiativen und ein Blick in die Zukunft an. Grundsätzlich handelt es sich um zwei Initiativen: den Europäischen Verteidigungsfonds (engl. EDF) und die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (engl. PESCO). gefasst werden. Die rechtliche Basis des EDF ist aktuell noch in der Ausverhandlung. Offen sind aktuell die Beteiligung von Drittstaaten sowie die Finanzierung im EU-Haushalt. Mit Blick auf die verschobenen Mehrheiten im Europaparlament ist offensichtlich, dass bis zur Finalisierung noch einige Hürden zu nehmen sind. Grundsätzlich ist der aktuelle Verhandlungsstand zu begrüßen, insbesondere da viele Besonderheiten der Verteidigungsbranche nun besser berücksichtigt werden als in den vorbereitenden Maßnahmen. Die komplette Förderung indirekter Kosten ist hier ein Beispiel. Mit Beginn des kommenden Jahres steht die Ausgestaltung des Arbeitsprogramms und die Aufstellung erster Projekte für 2021 an. National muss bis dahin entschieden sein, welche Projekte Deutschland in Europa einbringen möchte, an welchen man sich beteiligen will und welche national verfolgt werden sollen. Mit dieser Entscheidung ist auch zu klären, welche Finanzmittel das BMVg

zur notwendigen Kofinanzierung von Entwicklungsvorhaben zur Verfügung stellt. Bis zum Start des EDF müssen hierfür Prozesse und beispielsweise ein eigener Titel im Einzelplan 14 des Bundeshaushalts (BMVg) geschaffen werden.

PESCO Neben dem EDF und seinen vorbereitenden Maßnahmen steht die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit. Anders als beim EDF stehen hinter PESCO keine Finanzmittel. Vielmehr erklären Mitgliedsstaaten, dass sie in einem bestimmten Bereich mit anderen EU-Staaten kooperieren wollen. Seit 2017 wurden 34 Projekte aufgesetzt, wobei sich Deutschland an 14 beteiligt und davon sechs führt. Aufgrund der oft abstrakten Definition sowie der fehlenden Finanzmittel und des teilweise eher indirekten Industriebezuges haben PESCOProjekte bisher nur zu wenigen Ergebnissen geführt. Passenderweise ist zwar für 2019 noch eine weitere Projektwelle geplant, für 2020 allerdings nicht.

Grundsätzlich sind PESCO und EDF verbunden. So erhalten Projekte eine höhere EDFFörderung, wenn es sich um ein PESCO-Projekt handelt. Allerdings ergeben sich aus den PESCO-Projekten nicht immer klare Rüstungsprojekte. Während man im BMVg PESCO bislang vorranging als Instrument zur Implementierung militärischer Kooperationen sah, haben andere Mitgliedsstaaten von Beginn an sehr wohl die direkte Verbindung zu EDF und Rüstungsprojekten gesehen. Entsprechend nutzen sie PESCO, um bestimmte rüstungspolitische Themenfelder früh zu besetzen und damit ihre jeweiligen Industriebereiche frühzeitig für eine Förderung über den EDF zu positionieren.

Verhältnis zu EDA und NATO Zusammen mit den EDA-Mitgliedsstaaten findet innerhalb der EDA ein Prozess zur Identifizierung militärischer Fähigkeitslücken in Europa statt (CDP/Capability Development Plan), der in jährlichen Reviews (CARD/

Eggers: Ich werde nicht auf bestimmte Vorgänge oder die Ungenauigkeit von Presseberichten eingehen, aber ich denke, die Fakten sprechen für sich. Die Regierungen von 17 Nationen haben Fakten und Daten verwendet, um festzustellen, dass Patriot das Rückgrat ihrer integrierten Luft- und Raketenabwehr sein soll. Die US-Armee und andere PatriotPartner haben mehr als 1.500 Flugtests und 3.200 Bodentests mit Patriot durchgeführt. Patriot wurde von fünf Nationen im Kampf eingesetzt und hat hierbei mehr als 250 taktische ballistische Raketen abgefangen. Fakten sind wichtig, und die Realität ist und bleibt, dass Patriot Leben rettet.

Coordinated Annual Review on Defence) fortgeschrieben werden soll. Vornehmlich hieraus sollen sich nach Vorstellungen der EDA nachfolgend PESCO-Projekte und EDF-Fördermaßnahmen ableiten. Dies wird allerdings von Mitgliedsstaaten und auch von der EU-Kommission so nur begrenzt unterstützt. Neben diesen Unklarheiten und den offenen Debatten innerhalb der EU-Programme ist das Verhältnis zwischen den EU-Verteidigungsinitiativen und den Fähigkeits- und Planungsprozessen der NATO völlig offen. Stichwort ist hier die viel zitierte strategische Autonomie der EU, zu der es aber keine einheitliche Definition gibt. Fassen manche Strategische Autonomie als eine Art Teil-Verselbstständigung von der NATO auf, so ist aus unserer Sicht eine möglichst enge Verknüpfung mit der NATO zu gewährleisten. Insofern ist es begrüßenswert, dass die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer unmittelbar nach Amtsantritt die unverzichtbare Bedeutung

Ausblick Durch die Initiativen hat sich die EU als Akteur im Verteidigungsbereich grundsätzlich etabliert. Trotz aller Unklarheiten und der Uneinigkeit zur genauen Ausrichtung ist die Forschungs- und Entwicklungsförderung angelaufen. Es liegt jetzt an der nächsten Kommission und dem Europaparlament, zu entscheiden, ob die Initiativen fortgesetzt werden und wie die bisherigen Erfahrungen in die weitere Ausarbeitung einfließen. Dabei sind die Besonderheiten der Verteidigungswirtschaft zu berücksichtigen. Die Rolle der Mitgliedsstaaten kann in diesem Prozess nicht genug betont werden, sind es doch schließlich sie, die entscheiden, ob die Programme für die Industrie interessant sind und ob sie zu bedeutenden Ergebnissen führen können. Dazu müssen strukturierte nationale Prozesse geschaffen und die Industrie konsequent beteiligt werden. Es muss aber vor allem definiert werden, welche Rolle Deutschland einnehmen möchte und welche Fähigkeiten man europäisch führen will. *Adrian Schwantes ist Referent beim Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV).


Wehrtechnik / Verteidigung

Behörden Spiegel / September 2019

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m Russland von der Nutzung seines nuklearen Mittelstreckenpotenzials zu Einschüchterung, Erpressung oder Bedrohung abzuhalten, werden rein defensive und ausschließlich konventionelle Maßnahmen nicht ausreichen. Zurzeit ist völlig unklar, ob und vor allem wie die NATO die nukleare Lücke durch das Verhalten Russlands in einer Weise schließen wird, die auch künftig eine “erweiterte Abschreckung” durch das Potenzial der USA für Europa gewährleisten kann. Die Forderung und Absicht der Allianz zu verstärkter Rüstungskontrolle und Abrüstung muss die Tatsache im Blick haben, dass ein Staat, der einen eklatanten Vorteil in nuklearen Waffen- und Einsatzkategorien besitzt, diesen nicht allein durch gutes Zureden vermindern oder gar aufgeben wird. Zur Zeit ist Skepsis angebracht, ob die NATO bis zum Gipfel im Dezember in London im komplizierten nuklearen Gefüge eine tragfähige Antwort für wirksame und glaubwürdige Abschreckung einerseits sowie einen realistischen Ansatz für beiderseits vorteilhafte Rüstungskontroll- und Abrüstungsgespräche andererseits erarbeiten kann. Wer wie Gregor Schöllgen, deutscher Historiker und Publizist, die Außerkraftsetzung am 2. August zum Anlass nimmt, die NATO als nicht mehr nötig zu bezeichnen, hat keine Antenne für die politische Dimension möglicher Einschüchterung und Erpressung mittels der nuklearen Komponente. Liest man andererseits die teils dramatischen Kommentare zu den Auswirkun-

nteressant ist dabei die Anmerkung der Staatssekretärin, “dass der Begriff Beratungs- und Unterstützungsleistung in dieser Form weder haushaltsrechtlich noch haushaltswirtschaftlich gebräuchlich und daher auch nicht allgemeingültig definiert ist, weshalb von einer Heterogenität der Antwortbeiträge der Ressorts ausgegangen werden muss und nicht von einer ressortübergreifenden Vergleichbarkeit der Angaben ausgegangen werden kann”. Das ist für die Antwort, die dann am 6. August durch den Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Silberhorn für das BMVg, also den Einzelplan 14 (Verteidigung), an den Abgeordneten Höhn erfolgte, von besonderer Bedeu-

Nach dem Ende des INF-Vertrags Innere Kohäsion wichtiger als das Schließen der nuklearen Lücke? (BS/Generalleutnant a. D. Dr. Klaus Olshausen*) Die fortdauernde Gestaltung einer starken NATO in einer Welt mit Nuklearwaffen ist erforderlich sowohl für eine wirksame Abschreckung als auch für eine nachhaltige Politik der Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen. Denn ohne die Allianz kann in der heutigen machtpolitischen Wirklichkeit eine Proliferation der Nuklearwaffen auch unter den Mitgliedsstaaten durchaus als überlebenswichtig beurteilt werden. gen des beendeten INF-Vertrags, erhebt sich die Frage, warum denn nicht die seit Jahren vor sich gehende russische Rüstung von nuklearen und konventionellen landgestützten Raketen/ Marschflugkörpern gegen das INF-Regime bereits ebenso dramatisch eingeschätzt wurde. Dies ist umso unverständlicher, als die offensive russische Nuklearstrategie Einsätze von solchen Raketen in begrenzten Konflikten vorsah und vorsieht. Die NATO und ihre Mitgliedsstaaten waren also seit Jahren mit einer Lage im Bereich taktisch-operativer nuklearer Bewaffnung konfrontiert, der sie sich hätten stellen müssen. Dass die NATO zu klaren, weitreichenden Schritten zum Ausgleich des Nachteils durch die nukleare Lücke auch jetzt nicht fähig und willens ist, lässt sich an der Sprache der Erklärung des Nordatlantikrates und den Aussagen von Generalsekretär Jens Stoltenberg vor der Presse am 2. August ablesen. Schon seit ­ ATO, Monaten verkündet die N was man nicht machen will: die Stationierung landgestützter nuklearer Mittelstreckenraketen oder Marschflugkörper in Europa. Das gibt Wladimir Putin freie Hand, sein Einschüchte-

rungs- und Erpressungspotenzial mittels weiterer INF-Raketen gegen Staaten in Europa nach eigener Entscheidung zu stärken. Und für den Fall einer Änderung der NATO-Haltung hat er schon vorgebaut und angekündigt, dann solche Waffensysteme in der amerikanischen Hemisphäre zu stationieren. Kuba und Venezuela werden dabei genannt. Die Absage der NATO an eine landgestützte Option ist der fehlenden Einigkeit über eine solche Maßnahme geschuldet und nicht überzeugendes Ergebnis einer sachlichen und strategischen Analyse für das Schließen einer erheblichen Lücke der “erweiterten Abschreckung” der USA für NATO-Europa. Die bisherigen Hinweise der NATO für eine “glaubwürdige, moderne Abschreckung” durch erhöhte konventionelle Einsatzbereitschaft, häufigere Übungen und die Stärkung der Luft- und Raketenabwehr mögen vielleicht eine notwendige Selbstvergewisserung (“reassurance”) vor allem der östlichen Mitgliedsstaaten bewirken. Solche Maßnahmen haben aber für sich keine abhaltende Wirkung auf Moskau mit dessen erklärter offensiver Nuklear-Strategie, zumal eine 100-prozentige Raketenabwehr

unrealistisch bleibt. Um bei Putin nicht den Eindruck zu verstärken, er könne mit seinen taktisch-operativen Vorteilen eine Abkopplung der USA vom Schirm der “erweiterten (nuklearen) Abschreckung” herbeiführen, bedarf es einer klaren offensiven Komponente. Diese muss die Fähigkeit und die Kapazität besitzen, Russland klarzumachen, dass jede Einschüchterung, Drohung oder Erpressung mit diesen nuklearen Systemen gegen die NATO und einzelne Mitgliedsstaaten wirksam mit einem für Russland essenziellen Schaden unterhalb der Schwelle strategischer Nuklearwaffen ausgehebelt werden kann und wird. Es ist durchaus fraglich, ja fragwürdig, ob dieser Abschreckungseffekt allein mit see- und luftgestützten nuklearen Raketen und Marschflugkörpern mittlerer Reichweite erreicht werden kann. Denn diese stehen keineswegs permanent für derartige Szenarien zur Verfügung. Damit ist auch ihr “Reassurance”Aspekt durchaus begrenzt. Die USA erkennen, dass eine offensive Komponente ausreichender Kapazität und technologischer Innovation notwendig ist, um durch Gewährleisten einer proportionalen Antwort

auf jeder Ebene eines politischmilitärischen Konflikts nicht vor der Frage zu stehen: Kapitulation oder weitreichende Eskalation. Das wird durch die Ankündigung des neuen amerikanischen Verteidigungsministers Esper unterstrichen, möglichst rasch verschiedene konventionelle landgestützte Raketen in Asien und im Pazifik zu stationieren. Dies zielt vor allem auf einen Ausgleich für die steigende Zahl von Mittelstreckenraketen in China, aber auch in Indien oder Pakistan, von Nordkorea ganz zu schweigen. Wenn die Staaten der Allianz von neuen Rüstungskontrolloder Abrüstungsinitiativen – sei es bilateral oder im multilateralen Umfeld – sprechen, bleibt die Tatsache, dass ein Staat, der einen eklatanten Vorteil in Waffen- und Einsatzkategorien besitzt, diesen nicht allein durch gutes Zureden vermindern oder gar aufgeben wird. Nur da, wo für alle erkennbar ist, dass der eine den anderen nicht mit alleinigem Potenzial einschüchtern oder erpressen kann, können die

Dienstleistung statt Beratung BWI beschäftigt vor allem Techniker und Elektroinstallateure (BS/rup) Auf die Anfrage des Bundestagsabgeordneten Matthias Höhn sowie weiterer (Fraktion DIE LINKE) nach den Kosten für externe Beratung in den Bundesministerien antwortete die Bundesregierung ausführlich. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium (BMF), Bettina Hagedorn, schrieb dem Abgeordneten Höhn im Juli, dass zum Stichtag 30. Juni 2019 bei allen Bundesministerien (ohne BMVg) 505 laufende Verträge für Beratungs- und Unterstützungsleistungen mit externen Dritten gezählt worden seien. Das Gesamtvolumen dieser Aufträge belaufe sich auf 418,962 Millionen Euro. tung. Das Verteidigungsministerium hatte für das eigene Haus, den unmittelbar nachgeordneten Bereich, die Kommandos sowie für die sieben bundeseigenen Gesellschaften im Geschäftsbereich folgende Antwort parat: Im ersten Halbjahr 2019 wurden für externe Beratungs- und Unterstützungsleistungen für das BMVg und dem nachgeordneten Bereich rund 39,183 Milli-

onen Euro sowie von den sieben bundeseigenen Gesellschaften im Geschäftsbereich des BMVg in diesem Zeitraum insgesamt 115,689 Millionen Euro ausgegeben.

IT-Dienstleister BWI Davon entfallen rund 109 Millionen Euro allein auf die BWI GmbH, den IT-Dienstleister der Bundeswehr und des Bundes.

Diese habe die externe Fachexpertise unter anderem in folgenden Bereichen in Anspruch genommen: Einführung neuer Technologien (zum Beispiel Private Cloud des Bundes), Architekturentwicklung in Bezug auf vorhandene Software-Lösungen oder zukünftige Anforderungen an Software-Lösungen, Erstellung von Service- und Lösungsdesigns in Bezug auf erforderliche

Anpassungen von im Einsatz befindlichen Verfahren. Schaut man sich die Zahlen, die in der Antwort des BMVg an den Abgeordneten Höhn genannt werden, genauer an, sind allerdings weitere Differenzierungen durchaus möglich. So ist es nämlich bei Weitem nicht so, dass hier klassische Beratung und Fremddienstleistung in Anspruch genommen worden ist, sondern

Motive zu Verhandlungen über Rüstungskontrolle und Abrüstung steigen, je nach der Einschätzung eines Erfolgs in neuer Waffentechnologie und den damit verbundenen immensen Kosten. Wenn diese Motive in beiden Teilen annähernd gleich stark sind, so könnten sie sich in der Mitte ihrer politischen Differenzen treffen. Was sie in dem einen Bereich an Stärke zunehmen, dürfen sie in einem anderen schwächer sein. Nur wenn ihre Summe hinreicht, können Verhandlungen erfolgreich sein. Natürlich werden sie im Ergebnis mehr zum Besten dessen ausfallen, der die schwächsten Motive dazu hatte. Dass die NATO und ihre Mitgliedsstaaten bis zum Gipfel im Dezember in London – aus Anlass des 70-jährigen Bestehens der Allianz – gemeinsam eine überzeugende Antwort für eine wirksame und glaubwürdige Abschreckung einerseits und einen realistischen Ansatz für beiderseits vorteilhafte Rüstungskontroll- oder gar Abrüstungsgespräche andererseits vorstellen werden, muss nach den bisher vorliegenden Dokumenten und Stellungnahmen mit einiger Skepsis eingeschätzt werden.

Generalleutnant a. D. Dr. Klaus Olshausen war von 2006 bis 2013 Präsident der Clausewitz-Gesellschaft. Foto: BS/Privat

950 externe Kräfte – Techniker, Handwerker und Installateure vor Ort – wurden aus diesem Budget bezahlt. Die BWI vergibt 20 Prozent ihrer Leistungen an Fremde, die in ihrem Auftrag vor Ort in den Liegenschaften der Bundeswehr, in Ämtern und Kasernen Glasfaserkabel verlegen. Insgesamt sollen 40.000 WLAN-Spots in den oben genannten Liegenschaften installiert werden. Um hierfür keine fest angestellten eigenen “Handwerkertruppen” zu beschäftigen, bedient sich die BWI externer Verlege- und Elektrofirmen. Dies erfolgt übrigens ganz im Sinne der Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU).

Berlin Security Conference 2019 Europe and its external challenges – a 360° approach in uncertain times

26. – 27. November 2019, Vienna House Andel’s Berlin

Die Berliner Sicherheitskonferenz Eine der größten Veranstaltungen zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung Treffpunkt von bis zu 1.000 Teilnehmern aus mehr als 50 Ländern Internationales Forum für Abgeordnete, Politiker und Angehörige der Streitkräfte, der Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und der Industrie Partner 2019: Italien Frühere Partner: Russland, Großbritannien, Türkei, USA, Frankreich, Schweden, Niederlande Nationale und internationale Aussteller – Deutschlands führender unabhängiger Veranstaltet vom Zeitung für den Öffentlichen Dienst

Weitere Informationen: www.euro-defence.eu

Melden Sie sich zu Euro pas führen Sicherheit der Verans und Verteid taltung für igung auf www.euro-d efence.eu an!

Fotos: Dombrowsky

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Eindrücke von der BSC 2018


Verteidigung

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Quo vadis Logistik?

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ach wie vor ist insbesondere die mobile Logistik der Landstreitkräfte in vergleichsweise klassischer Form organisiert, logistische Kräfte und Fähigkeiten werden auf verschiedenen Hierarchieebenen vorgehalten, ebenso findet die Bevorratung von Munition, Treibstoffen und Ersatzteilen auf verschiedenen Ebenen statt. Material wird von einer logistischen Ebene zur nächsten Ebene nachgeschoben und dabei mehrfach umgeschlagen. Mindestens teilweise holt der militärische Endverbraucher, also der Kampfverband, seinen Nachschub bei einer logistischen Einrichtung ab. Logistische Einrichtungen zur Unterstützung von Landoperationen nehmen regelmäßig mehrere Quadratkilometer Fläche ein, sind nur mit großem Aufwand zu verlegen und lagern große Mengen an Munition, Treibstoffen und Ersatzteilen. Bevorratungshöhen werden oftmals in vergleichsweise generischer Form ermittelt. Und: Logistische Einrichtungen dieser Größe sind, wenn überhaupt, nur sehr schwer zu schützen! Landstreitkräfte sehen sich künftig veränderten Anforderungen ausgesetzt. Diese ergeben sich aus den Fähigkeiten möglicher Gegner, neuen Technologien und, daraus resultierend, angepassten Einsatzverfahren und einer veränderten Operationsführung. In der Folge wird die Operationsführung durch eine hohe Agilität und Beweglichkeit, Jointness auf allen Ebenen, und die Notwendigkeit zum Schutz, zur Resilienz und zur Redundanz geprägt sein. Die klare Begrenzung der Verantwortung des Truppenführers für Räume wird sich zugunsten der Verantwortung für Effekte verlagern. Landstreitkräfte werden vermutlich im Raum dynamisch eingesetzt. Auflockerung, mit der Fähigkeit, Wirkung zu konzentrieren, und schnelle Zusammenführung der Kräfte können sich abwechseln. Weitreichende Waffen gewinnen an Bedeutung, der Grad der Autonomisierung und Digitalisierung steigt, offensive und defensive Cyber-Fähigkeiten erweitern den Mix an Effektoren. Nicht geändert hat sich dagegen, dass logistische Einrichtungen für einen auf Augenhöhe operierenden Gegner Ziele höchster Priorität sind. Deshalb stellt sich die Frage, wie Organisationsform, Prozesse und am Ende militärische Einsatzkonzepte der Logistik an die operativen Erfordernisse unter konsequenter Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung angepasst werden können.

Vernetzte Operationsplanung Moderne Logistik der Streitkräfte wird in einem hohen Maße vernetzt sein. Die logistische Führung, logistische Lage in den zu versorgenden Truppenteilen, die Lage in den logistischen Einrichtungen (z. B. Transportfahrzeuge einschließlich der Bevorratung), die taktische Lage auf dem Gefechtsfeld und die Beurteilung der logistischen Lage im Rahmen der Operationsplanung sind miteinander vernetzt. Die Vernetzung und die Auswertung großer Datenmengen (Big Data) mithilfe künstlicher Intelligenz ermöglichen die Analyse von Bedarfen, Materialströmen und die Bewertung der Risiken in deutlich höherer Qualität als heute. Darauf abgestützt kann der Führungsprozess im Rahmen der Operationsplanung mit Entscheidungsunterstützungstools qualitativ verbessert, zeitlich gestrafft und in Verbindung mit der Digitalisierung der taktischen Lage auch vorausschauend auf mögliche Risiken geplant werden.

Künstliche Intelligenz Moderne Ausrüstung wird komplexer, immer mehr mit IT-Systemen ausgestattet und vernetzt

Behörden Spiegel / September 2019

Anpassung der Logistik an die Erfordernisse moderner Operationsführung (BS/Generalleutnant Peter Bohrer) These: In einem symmetrischen Konflikt ist das klassische, aus dem Kalten Krieg tradierte logistische System nicht mehr überlebensfähig. Moderne Technologien bieten die Chance zu einem grundlegenden Neuansatz.

In einem Pilotprojekt erprobt die SKB gemeinsam mit den Experten des BAAINBw im 3D-Druckzentrum in Erding die Herstellung von Ersatzteilen mittels 3DDruck in Afghanistan. Foto: BS/Kraatz

(“Internet der Dinge”, Autonomie und Robotik). Zur Beherrschung der hohen Komplexität sollten die (Gefechts-)Fahrzeuge mit Sensoren ausgestattet und mit IP-Adressen vernetzt werden, die den technischen Zustand der Fahrzeuge überwachen und somit eine vorausschauende Wartung und Fehleranalyse in “End-toEnd”-Verbindungen bis in die Basis Inland und zum Hersteller ermöglichen.

welche für autonom fahrende Systeme unerlässlich ist.

Autonomes Fahren

Die Streitkräftebasis ist beteiligt am Projekt “elektronische Deichsel” (im zivilen Bereich “Truck Platooning” genannt). Hierbei handelt es sich um eine berührungslose Koppelung von Lastkraftwagen. Das Führungsfahrzeug gibt dabei die Richtung vor, die gekoppelten Fahrzeuge folgen automatisch, ohne Fahrer und ohne durch eine reale Deichsel verbunden zu Generalleutnant Peter Bohrer ist Stellvertreter des Inspeksein. Durch die teurs der Streitkräftebasis. “elektronische Deichsel” könn Foto: BS/KdoSKB ten Transportkapazitäten erhöht und personelle Ressourcen geschont werden. Gleichzeitig könnDie dahinterliegende logistische te die Umsetzung dieses Projektes Planung kann so deutlich zeit- den Einstieg für die Bundeswehr und zielgerichteter erfolgen. Die in das unbemannte Fahren beGrundlagen dazu werden bereits deuten. im Ausrüstungs- und Nutzungsprozess zu Beginn und über den CUAV Zusätzlich verfolgt die Streitgesamten Lebenszyklus im Sinne eines “Digital Engineering” kräftebasis Ansätze im Bereich geschaffen. In der Folge wird die Cargo Unmanned Aerial Vehicle Vernetzung der Logistik mit der (CUAV). Denkbar ist, Drohnen Industrie noch enger als bisher einzusetzen, um abgesetzt opesein. rierende Truppenteile oder TrupDie Entwicklungen (Vernetzung, penteile, die in urbanem Umfeld Sensorik, Künstliche Intelligenz mit schlechter und unsicherer in Verbindung mit Big Data und Verkehrsinfrastruktur operieren, “End-to-End”-Verbindungen) zu versorgen. Zu untersuchen ermöglichen somit auch unter ist auch, ob dringend benötigBerücksichtigung möglicher te Hochwertprodukte mit CUFriktionen eine zielgerichtete, AV über eine taktisch relevante vorausschauende Planung der Distanz direkt von der BasisloLogistik mit höherer Präzision und gistik zur kämpfenden Truppe Agilität. Sie verbessern somit die verbracht werden können. Möglichkeiten zur Deckung des Bedarfs nach Zeit, Ort, Menge und Robotik Qualität in einem dynamischen Für die Entwicklungen im BeUmfeld (“Logistik 4.0”). reich der Robotik spielt die 5GTechnologie ebenso eine wesent5G-Standard liche Rolle. Roboter können dank Die 5G-Technologie bietet die der 5G-Technologie eigenstänMöglichkeit, große Datenmengen dig Reparaturen, Schraub- und in Echtzeit mit einer Verzögerung Schweißarbeiten vor Ort durchvon unter einer Millisekunde bei führen. Die leistungsstarke Funkverbesserter Sicherheitsarchitek- verbindung macht es möglich, tur zu übertragen. Dies ist nicht komplexe Rechenleistungen in nur die Grundlage für eine ver- die Cloud auszulagern. besserte Operationsführung und -planung, sondern auch für das 3D-Druck “Internet der Dinge” und für die Moderne Fertigungsverfahren Nutzung unbemannter Transport- wie der 3D-Druck (“Additive Fertimittel, wie zum Beispiel unbe- gung”) können die Versorgung mit mannt fahrender Fahrzeuge und Ersatzteilen beschleunigen, die Drohnen. Durch die 5G-Techno- Bevorratungshöhen verringern logie wird eine zentimetergenaue und die Zahl der VersorgungsStandortbestimmung möglich, transporte reduzieren. In einem

Pilotprojekt erprobt die SKB gemeinsam mit den Experten des BAAINBw im 3D-Druckzentrum in Erding das Herstellen von Ersatzteilen mittels 3D-Druck in Afghanistan. Anhand bereitgestellter Daten oder unter Zuhilfenahme des zugehörigen 3D-Scanners lassen sich ganze Teile nachkonstruieren. Obsoleszenz und Versorgungsengpässe würden somit zu Fremdwörtern moderner Logistik werden, wenn es möglich wäre, diese Technologie bei zukünftigen Rüstungsprojekten zu berücksichtigen. Hier müssten in den Bereichen Patente, Lizenzen und technische Zulassung neue Wege beschritten und Lösungen herbeigeführt werden.

Human Performance Enhancement Auch auf dem Gebiet der Steigerung menschlicher Leistungsfähigkeit (“Human Performance Enhancement”) wird bereits geforscht. Im Zusammenwirken mit dem Fraunhofer Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) hat die SKB in einem Logistikbataillon in einem ersten Schritt aktive und passive Exoskelette für Tätigkeiten beim Materialumschlag erprobt. Diese Konstruktionen könnten in Zukunft die Menschen beim Heben und Tragen schwerer Gegenstände entlasten, Umschlagarbeiten be-

schleunigen, einer frühzeitigen Ermüdung und Verletzungen vorbeugen. Die SKB kann hier eine echte Vorreiterrolle einnehmen, da bisher keine westliche Streitkraft Exoskelette im serienmäßigen Truppeneinsatz hat. Für die Logistik bieten alle diese Technologien die Möglichkeit, den logistischen Footprint zu reduzieren und gleichzeitig Überlebensfähigkeit und Flexibilität zu verbessern.

Konzeptionelle Folgerungen Was also könnten vor den geschilderten Hintergründen konzeptionelle Ansätze sein, Logistik zur Unterstützung von Landoperationen zu gestalten? Eine Operationsführung mit hybrider Bedrohung, in aufgelockerter Form in großen Räumen und mit großen Lücken, in denen keine eigenen Kräfte eingesetzt sind, bedarf eines vorausschauend agilen, unterbrechungsfrei durchgängigen, reaktionsfähigen und geschützten logistischen Netzwerkes über die gesamte Supply Chain. Versorgungspunkte müssen eine geringe “Signatur” bieten. Bevorratungshöhen sind zu begrenzen und möglichst beweglich bereitzuhalten. Nur in weitgehend sicheren Gebieten sind größere logistische Einrichtungen mit umfangreichen Vorräten und tiefer Instandsetzung zweckmäßig. Zur notwendigen Flexibilität sind die

Kräfte so auszugestalten, dass sie modular eingesetzt werden können. Daneben kann die Stärkung der Versorgungsdienste bei den verbrauchenden Truppenteilen mit einer höheren logistischen Reichweite, verbesserten Fähigkeiten zur Instandsetzung sowie einer ausreichenden Bergefähigkeit zur Resilienz beitragen. Insgesamt bedeutet dies eine weitere Stärkung der Transportlogistik zulasten der Größe von Versorgungspunkten “weit vorne”. Der bisher konzeptionell vorgesehene Umschlag von Gütern und der Wechsel der Verantwortung für die logistische Leistungserbringung auf dem Gefechtsfeld, dort, wo die Bedrohung und die Anforderungen an Verlässlichkeit am höchsten sind, muss vermieden werden. Daneben können prozessuale Verfahren wie die Planung und Einrichtung alternativer Versorgungsstraßen, die nur temporär kurzzeitig geöffnet und geschützt werden, zum Schutz beitragen, ähnlich den “Temporary Minimum Risk Routes” in der Luftraumordnung. Logistische Führung wird sowohl durch eine hochgradige Vernetzung operativer und logistischer Planungen als auch durch eine Entscheidungsunterstützung, basierend auf Künstlicher Intelligenz und Big-Data-Analyse sowie gesicherten und kryptierten Datenverbindungen, sichergestellt. Um die sich daraus ergebenden Vorteile hinsichtlich Schnelligkeit, Resilienz und Reaktionsfähigkeit, also insgesamt Effektivität, zukunftsfähig und nachhaltig zu nutzen, ist die durchgängige Führung der Logistik “from Factory to Foxhole” notwendig. All dies sind Mosaiksteine für ein modernes militärisches Logistiksystem. An vielen dieser Mosaiksteine wird gearbeitet, sie müssen mittelfristig zu einem neuen logistischen Ansatz zusammengeführt und mit den passenden Verfahren, Prozessen und mit angepassten Strukturen hinterlegt werden. Ein abschließendes Bild, wie mobile Logistik der Zukunft aussieht, kann es noch nicht geben. Eines steht jedoch schon heute fest: Die mobile Logistik der Zukunft wird deutlich andere Einsatzkonzepte, Verfahren und Strukturen haben, als wir sie aus dem Kalten Krieg kennen, nämlich • eine robustere logistische Aufstellung der Kampftruppe, • die weitere Schwerpunktverlagerung von Instandhaltungs- zu Transportlogistik, • den Verzicht auf logistische Ebenen, • die Minimierung des logistischen Footprints, • die Minimierung der Umschlagshäufigkeit und • einen modularen Kräfteansatz.


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ie 40-Jährige arbeitet bereits seit Ende 2010 in der Einrichtung. Studiert hat die gebürtige Hauptstädterin Biotechnologie an der Technischen Universität Berlin. Promoviert hat Lee ebenfalls in der Bundeshauptstadt, an der Charité. “Thematisch ging es um eine virologische Fragestellung”, be­richtet die Diplom-Ingenieurin. Außerdem sagt sie: “Während meiner Promotion habe ich zusätz­lich Wirtschaftsingenieurwesen an der Fern-Universität Hagen studiert.” Es sei darum gegangen, als Grundlagenforscherin den eigenen Horizont zu erweitern.

Behörden Spiegel / September 2019

“Ein Restrisiko ist immer dabei” Dr. Min-Hi Lee leitet die “Einsatzgruppe Bio” am Robert Koch-Institut (BS/Marco Feldmann) Ihre Mitarbeiter und sie können in ganz Deutschland und 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche gerufen werden. Dann müssen gegegenenfalls ein biologisch verunreinigter Tatort betreten und örtliche Polizeikräfte bei der Spurensicherung sowie der Probennahme unterstützt werden. Die Rede ist von Dr. Min-Hi Lee und ihren Kollegen der “Einsatzgruppe Bio” im Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin.

meint Lee jedoch auch: “Ein kleiner Bereich, in dem ein Risiko weiter besteht, muss in Kauf genommen werden.” Die Gefahr könne aber durch ein möglichst effek­tives Training und eine gute Einschätzung der Lage deutlich minimiert werden. Darüber hinaus brauche es für die Arbeit in der “Einsatzgruppe Bio” eine gewisse körperliche Fitness. Zudem müsse die gleiche betriebsärztliche Untersuchung bestanden werden, wie sie Atemschutzgeräteträger bei der Feuerwehr absolvierten. Weitere Voraussetzungen bestünden nicht. Wichtig sei aber: “Im Schutzan-

Direkter Einstieg in den Öffentlichen Dienst Nach dem Abschluss ihrer Doktorarbeit begann Lee ihre Arbeit im RKI. “Zunächst hatte ich projektbezogene Stellen inne. Dort habe ich mich vor allem um Trainings gekümmert, unter anderem für Mitarbeiter des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und anderes medizinisches Personal”, erzählt sie. Inzwischen ist Lee unbefristet als Wissenschaftlerin beim RKI angestellt. Dort baute sie seit Ende 2010 die “Einsatzgruppe Bio” mit auf und war Mitglied der Einheit. “Inzwischen bin ich ihre Leiterin”, so die Forscherin. Die Einheit gehört innerhalb des RKI zum Fachbereich “Informationsstelle des Bundes für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene” (IBBS). Dessen Leiter ist Lees unmittelbarer Vorgesetzter. Trotz ihres Aufstiegs innerhalb der Einsatzgruppe hält sie fest: “Auch als Leiterin der Einsatzgruppe bin ich immer operativ bei Übungen und Einsätzen dabei.” Daneben muss sie zahlreiche administrative Aufgaben übernehmen, Netzwerke pflegen (etwa zu Akteuren der Polizeien von Bund und Ländern sowie zu Mitarbeitern des Öffentlichen Gesundheitsdienstes) und Vorträge halten. “Weitere Tätigkeitsbe­ reiche sind die Optimierung von Prozessen innerhalb der Einheit, die Evaluation von Übungen und Echt-Einsätzen sowie die Sensibilisierung anderer Akteure für die Gefahren durch biologische Agenzien und entsprechende Krankheiten.”

Beim Sichern von Spuren an Tatorten müssen die Wissenschaftler größte Vorsicht walten lassen, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen (Demonstration).

zug muss man sich etwas vorsichtiger bewegen.” Ihrem Spaß an der Arbeit tue dies allerdings keinerlei Abbruch. Ganz im Gegenteil: “Die “Einsatzgruppe Bio” ist ein wesentlicher Bestandteil des Krisenmanagements."

Prozess läuft momentan

Wenn Dr. Min-Hi Lee mit ihren Mitarbeitern der “Einsatzgruppe Bio” des Robert Koch-Institutes (RKI) einen möglicherweise kontaminierten Tatort betritt, muss sie einen Ganzkörperschutzanzug tragen. Das soll Infektionen mit gefährlichen Erregern verhindern. Der Schutzanzug verfügt sogar über eine eigene Belüftung. Fotos: BS/Feldmann

und unbefugtem Zugriff. “Hier habe ich mich jetzt allerdings ein wenig zurückgezogen”, sagt Lee. Weiterhin aktiv ist sie als Leiterin der “Einsatzgruppe Bio” in einem Schulungsprogramm für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Dort wird ÖGD-Personal im Management außergewöhnlicher biologischer

von Gesundheitsgefahren, etwa durch Stoffe wie Rizin, liege immer bei den lokalen Behörden vor Ort. “Das RKI hat hingegen die Aufgabe, die Gesundheitsbehörden in den Bundesländern und Kommunen bei der Bewältigung von Krankheitsausbrüchen und bioterroristischen Anschlagslagen zu beraten und

Auch schon im Ausland tätig Da kommt Lee zugute, dass sie 2014 während des bislang größten Ebola-Ausbruches in Westafrika im Einsatz war. Dort schulte die RKI-Mitarbeiterin – unter anderem in Burkina Faso und im Senegal – örtliches Gesundheitspersonal. Wichtigste Themen waren der Eigenschutz gegen eine Infektion sowie das Erkennen und Versorgen von Ebolafieber-Erkrankten. “In dieser Phase reiste ich häufig nach Afrika”, erzählt Lee. Dabei wechselten sich mehrwöchige Aufenthalte in Westafrika mit Präsenzphasen am RKI ab. Rückblickend sagt die Wissenschaftlerin: “Das war eine sehr intensive und spannende Zeit.” Einzelne Schicksale von Erkrankten seien jedoch sehr traurig gewesen und hätten sie bewegt. Das damals entwickelte und genutzte Trainingsmaterial sei inzwischen in drei Sprachen verfügbar, erzählt Lee nicht ganz ohne Stolz. Die Trainingskonzepte werden zur Zeit auch in den Nachbarländern der Demokratischen Republik Kongo eingesetzt, um Ärzte und Pfleger auf eventuelle Fälle von Ebolafieber vorzubereiten. Darüber hinaus ist die promovierte Virologin seit 2014 im Biosicherheitsprogramm des Auswärtigen Amtes tätig. In dessen Rahmen schult sie Nachwuchskräfte aus Afrika, Zentralasien sowie dem Nahen Osten in Fragen der Biosicherheit zum Eigenschutz vor entsprechenden Erregern. Ein weiteres Thema ist die Absicherung von Erregern sowie Agenzien vor Missbrauch

Im Rahmen ihrer Einsätze und Übungen benötigen die Kräfte der “Einsatzgruppe Bio” einiges an Material. Außerdem müssen die Proben sicher verpackt werden (Demonstration).

Gefahrenlagen sowie im Eigenschutz vor biologischen Gefahren geschult. Zudem berichtet sie: “Im Rahmen einer Ertüchtigungsinitiative des Auswärtigen Amtes unterstütze ich aktuell öfter in Tunesien.” Dort solle eine ähnliche Einheit wie die hiesige “Einsatzgruppe Bio” entstehen. Sie sei auch bereits aufgebaut, befinde sich jedoch noch aus­ schließlich im Training und nicht in Echt-Einsätzen.

Keine originäre Bundes­ zuständigkeit Über eigene Einsätze sagt Lee: “Die “Einsatzgruppe Bio” wird grundsätzlich nur im Rahmen der Amtshilfe tätig und arbeitet im Ernstfall sehr eng mit Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Landesbehörden von ÖGD und Polizei zusammen.” Die originäre Zuständigkeit für den Schutz der Bevölkerung beim Auftreten

zu unterstützen.” Ziel sei es dabei immer, die bioterroristische Bedrohung zu beseitigen und Folgeanschläge zu verhindern. Außerdem gehe es darum, die Weiterverbreitung biologischer Agenzien beziehungsweise dadurch ausgelöster Erkrankungen zu unterbinden.

Vollübungen fordern ganz besonders heraus Neben den realen Einsätzen, über die die Forscherin kaum etwas verraten darf, absolviert die “Einsatzgruppe Bio” zahlrei­ che Übungen mit Polizei- und Gesundheitsbehörden aus ganz Deutschland. Dazu meint Lee: “Die beginnen wir immer sehr kleinteilig.” Es gebe zahlreiche und lange Vorbesprechungen. Außerdem müssten bei jeder Übung mehrere Bausteine zusammengesetzt werden. Sehr anspruchsvoll seien sogenannte

Vollübungen. “Sie werden dann auch im Ganzkörperschutzanzug absolviert”, erläutert die Einsatzgruppenleiterin. Außerdem werde in sie nicht eingegriffen, selbst wenn Fehler gemacht würden oder andere Unregelmäßigkeiten aufträten. Bei dieser Art von Übungen seien die Mitglieder der “Einsatzgruppe Bio” auch deshalb ganz besonders gefordert, weil sie zu Übungszwecken völlig autark agieren müssen. Das reiche vom Packen der Materialkisten über die Anfahrt zum Übungsort, die Aufstellung dort, bis zur Entnahme des ­potenziell gefährlichen Stoffes. “In Reallagen arbeiten wir aber sehr eng und vertrauensvoll mit dem ÖGD, der Polizei und der Feuerwehr zusammen.” Daher sei die Absprache mit allen anderen Akteuren auch ein wesentlicher Bestandteil der Übungen. Mit Blick auf die Abgrenzung zwischen Vollübungen und ­Real-Einsätzen sagt Lee: “Einsätze sind wie Vollübungen, aber mit mehr Stress.” In echten Lagen gebe es noch mehr unbekannte Parameter und sei eine höhere Flexibilität der Kräfte erforderlich.” Und noch etwas sei anders: “Im Ernstfall spielen reguläre Arbeitszeiten keine Rolle mehr.”

Oftmals auch nur Beratung erforderlich “Regulär habe ich eine 38,5-Stunden-Woche mit 30 Urlaubstagen”, erläutert die Wissenschaftlerin, die bereits während des Studiums mit Viren forschte und deshalb eigener Aussage zufolge etwas in die Arbeit im RKI “hineingerutscht” sei. Darüber hinaus hat Lee Ruf­ bereitschaft. Dazu sagt sie: “In dieser Zeit sind Anrufe gar nicht so selten.” Auch wenn es nur wenige Echt-Einsätze gebe, kämen zahlreiche Nachfragen, unter anderem aus dem Öffentlichen Gesundheitsdienst. “Oftmals beraten wir andere Behörden auch einfach nur am Telefon, ohne dass die Einsatzgruppe ausrücken muss”, berichtet die Berlinerin. Eine Gefahrenzulage

für die Arbeit an kontaminierten Einsatzorten gibt es nicht. Doch das scheint sie nicht zu stören. Lee preist lieber die Vorzüge ihres Arbeitgebers. Dazu gehören sehr flexible Arbeitszeiten, die hohe Expertise und der Austausch innerhalb des Instituts sowie ein exzellenter Arbeitsschutz. So biete das RKI zahlreiche arbeitsmedizinischen Vorsorgen sowie die Übernahme von Impfungen an. Dazu gehörten auch solche, die nur unter bestimmten Bedingungen verfügbar seien, etwa gegen Anthrax. Und auch ihr Tätigkeitsfeld lobt Lee: “Die Arbeit am RKI wird niemals langweilig.”

Gewisses Risiko bleibt Sich selbst beschreibt die Forscherin übrigens als vorsichtigen und sicherheitsbewussten Menschen. Ungeachtet dessen

Die “Einsatzgruppe Bio” war unter anderem im Zusammenhang mit dem versuchten RizinAnschlag von Köln-Chorweiler aktiv. Dort haben ihre Kräfte gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt in der kontaminierten Wohnung Spuren gesichert. Diese sind dann im RKI-Labor für Biologische Toxine auf Rizin und durch die Kriminaltechnik des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) auf Täterspuren analysiert worden. Es war das erste Mal, dass in Deutschland eine biologische Waffe für einen terroristischen Anschlag hergestellt worden ist (siehe Behörden Spiegel Juli 2019, Seite 32). Die beiden Angeklagten in diesem Fall müssen sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verantworten. Bei Rizin handelt es sich um eines der stärksten Pflanzengifte. Gewonnen wird es aus den Samen der Rizinuspflanze. Hervorrufen kann es unter anderem Herz-Kreislauf-­ Beschwerden oder Atemnot. Rizin ist im Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen als bio­logisches Kampfmittel gelistet.

Das Robert Koch-Institut (BS/mfe) Beim Robert KochInstitut (RKI) handelt es sich um ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Es versteht sich selbst als “das Public-HealthInstitut für Deutschland”. Das RKI hat rund 1.250 Mitarbeiter in etwa 90 Berufen. Die Wissenschaftler des Instituts mit Hauptsitz in Berlin erheben Daten sowohl zu Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin ist nicht-übertragbaren Krankheiten, Das das Public-Health-Institut für Deutschland im wie etwa Diabetes und Krebs, als Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). auch zu Infektionskrankheiten, wie Masern und Influenza, und erforschen (neue) biologische Gefahren wie Ebola. Das RKI wurde bereits 1891 gegründet. Die Wissenschaftler des Instituts entwickeln Empfehlungen für den Umgang mit Krankheiten sowie für Präventionskonzepte. Neben der Forschung, mit deren Hilfe Daten für fachliche und politische Entscheidungen bereitgestellt werden, beraten die RKI-Mitarbeiter die Fachöffentlichkeit. Dazu gehören insbesondere Mitarbeiter des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, aber auch von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), wie Feuerwehren, Rettungsdiensten und Polizeien. Des Weiteren unterstützen die RKIForscher andere Länder weltweit dabei, sich besser auf Krankheitsausbrüche vorzubereiten und den Eigenschutz für lokale Helfer zu verbessern. Gleiches gilt für die Isolierung infizierter Personen. Hierzu waren sie bereits mehrfach unter anderem in verschiedenen Staaten Afrikas im Einsatz.



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