Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. IV / 36. Jg / 15. Woche
G 1805
Berlin und Bonn / April 2020
www.behoerdenspiegel.de
Technologie umweltverträglich nutzen
Sicherheit stärken – Menschen schützen
Entscheidend ist der Einzelfall
Martin Wimmer zu verschiedenen Perspektiven auf den digitalen Wandel ����������������������������������� 32
Klaus Bouillon zu Technologien und Einsatzmitteln der Polizei im Saarland ............ 41
Philippe Haulitschek ist Entscheider beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ......... 47
Vorbereitungen gestoppt (BS/mfe) Die Vorbereitungen für die nächste Länder- und Ressortübergreifenden Krisenmanagementübung LÜKEX21 pausieren derzeit. Grund dafür ist die Corona-Pandemie. Das bestätigten sowohl das Bundesinnenministerium (BMI) als auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gegenüber dem Behörden Spiegel. Wann die Vorbereitungen wieder aufgenommen werden könnten, sei von der weiteren Entwicklung der Lage abhängig. Gleiches gelte für den Zeitpunkt der Übungsdurchführung. Bisher war vom Mai kommenden Jahres die Rede. Geübt werden soll das Szenario eines Cyber-Angriffs auf das Regierungshandeln. Es wollen sich alle Bundesländer sowie circa 25 Bundesbehörden beteiligen. Fachlicher Partner des BBK für die Entwicklung des Szenarios ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).
Übersicht in Echtzeit (BS/mfe) In Baden-Württemberg ist eine landesweite Übersicht über die Krankenhauskapazitäten für mit dem Corona-Virus infizierte Patienten in Echtzeit möglich. Dies wird mithilfe des sogenannten “Covid-19-Resource-Board” sichergestellt. Dorthin melden die Krankenhäuser online ihre Intensiv- und Beatmungsplätze. Damit lässt sich jedes einzelne dieser Betten erkennen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte: “Das Resource-Board ist ein wichtiges Steuerungsins trument.” Gemeinsam mit dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und über eine entsprechende Schnittstelle werde es dazu beitragen, eine optimale Versorgung der Patienten sicherzustellen und im Notfall Leben zu retten, zeigte sich Gesundheitsminister Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) überzeugt.
Verschiebung prüfen (BS/stb) Die kommunalen Spitzenverbände des Landes Nordrhein-Westfalen haben Zweifel, dass die Kommunalwahl wie geplant am 13. September dieses Jahres durchgeführt werden kann. In einem Brief bitten sie das Innenministerium um eine Prüfung der Handlungsoptionen einschließlich einer Verschiebung. Das Problem: Schon bis 16. Juli müssen Parteien und Wählergruppen ihre Wahlvorschläge einreichen. Zu wenig Zeit, heißt es aus den Verbänden, weil Kontakteinschränkungen Aufstellungsveranstaltungen erschweren würden. Bereits verschoben wurden Bürgermeisterwahlen in Hessen und Sachsen (mehr auf Seite 18). In Bayern konnten Bürgerinnen und Bürger nur per Brief an Stichwahlen teilnehmen (mehr auf Seite 6).
“Gemeinsam distanziert” Der Öffentliche Dienst dient der Gemeinschaft (BS/Uwe Proll) Um eine Aufhebung des Lockdowns und eine Revitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft einleiten zu können, werden zahlreiche Maßnahmen getroffen werden, die von der Verlangsamung der Infektionswelle zu einer Viruskontrollphase führen sollen. In dieser Phase wird der Öffentliche Dienst in seiner Gesamtheit gefordert sein – mehr als schon im Augenblick. Die öffentliche Verwaltung, das öffentliche Gesundheitswesen, Polizei, Feuerwehr und Bundeswehr – sie alle leisten gut organisiert ihren Beitrag im Kampf gegen die Pandemie. Der Öffentliche Dienst erfährt in dieser Krise Respekt, Zuspruch, Anerkennung und Dank.
Die Einschränkungen wurden weitestgehend befolgt. Trotz zwei Metern Abstand ist eine stabile Gemeinschaft gegen das Virus entstanden.
B
isher war es nicht notwendig, Zwang auszuüben, da die Einschränkungen weitestgehend befolgt wurden. Dabei stellt die Politik das Menschenrecht auf Gesundheit vor alle anderen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei Staat und Kommunen sorgen für ein diskriminierungsfreies Vorgehen, der Beitrag der Bürgerschaft selbst muss Solidarität sein. So ist eine stabile Gemeinschaft gegen das Virus entstanden. Ein bundesweites Test- und Meldesystem, die Datenbereitstellung in Echtzeit und die Erhöhung der Testkapazitäten sind jetzt dringend notwendig. Bundeswehr, THW und DRK sollen mobil einsetzbare Teststationen
errichten. Studierende, Soldaten und Beschäftigte in Kurzarbeit werden zur Unterstützung der Gesundheitsämter herangezogen. Nordrhein-Westfalen plant ein Gesetz, wodurch die Landesbehörden von Menschen mit einem Gesundheitsberuf, die nicht mehr in Kranken- oder Pflegeeinrichtungen arbeiten, die Erbringung von Dienst-, Sachund Werkleistungen verlangen können (siehe Seite 4). Eine freiwillig zu nutzende Tracking-App, die Einrichtung von Quarantäne-Hotels und die Trennung der Behandlungszen tren für Infizierte von “normalen” Krankenhäusern sind bereits in Vorbereitung. Eine Einführung des Mundschutz- und Masken-
gebotes wird in dem Augenblick kommen, wo genügend vorhanden sind (zur Beschaffung von Hilfs- und Heilmitteln siehe Seiten 10 und 42). Auf kommunaler Ebene sollen Taskforces zur Vorbereitung und Kontrolle der Öffnung bestimmter Lebensbereiche gebildet werden. Durch ein gemeinsames EU-Grenzkontrollregime soll eine bessere Verfolgung bei Verdachtsfällen und damit die Lockerung der unterschiedlichen Grenzschließungen möglich sein. Ein Fachressort-übergreifendes Krisenmanagement ist in der Diskussion, an dessen Spitze ein Bundesminister für besondere Aufgaben im Bundeskanzleramt
steht. Die Länder sollten diesem Organisationsbeispiel folgen, heißt es im Krisenstab. Das große Risiko sehen die Experten in einem Wiederaufkeimen der Infektionswelle, daher ist ein dichtes Monitoring obligatorisch. Ein Blick zurück zeigt: Die aktuelle Lage ist nicht unbekannt. In der Drucksache 17/12051 des Deutschen Bundestages unterrichtete die Bundesregierung das Parlament am 3. Januar 2013 über ihre Risikoanalyse: “Pandemie durch Virus Modi-SARS”. Das Szenario kommt der augenblicklichen Lage frappierend nahe, es beschreibt dezidiert die Ausbreitung eines modifizierten SARS-Virus, die Überforderung des Gesundheitssystems und
Kommentar
Zeitenwende in eine Administration 2.0 (BS) Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden das Gesicht der öffentlichen Verwaltung in diesem Lande nachhaltig verändern. Wenn es noch eines zusätzlichen Impulses bedurft hat, der Digitalisierung des Öffentlichen Dienstes “Beine zu machen”. Das ist er definitiv! Nun gilt es, diesen nachhaltig zu nutzen. “Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen ist”, erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer Anfang April. Recht hat er. Die Krise zeigt aber darüber hinaus, wie wichtig es ist, die (Zusammen-)Arbeit in der öffentlichen Verwaltung auf ein tragfähiges digitales Fundament zu stellen, um gerade in Ausnahmesituationen gestiegene Ansprüche an die Handlungs- und Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen erfüllen zu können. Digitalisierung, das zeigt sich dieser Tage in der Wirtschaft, aber auch in der öffentlichen Verwaltung, ist nicht mehr “nice to have” oder unter Effizienz- und Komfortgesichtspunkten wünschenswert. Sie ist existenziell, da nur sie, angesichts der mit der Corona-Pandemie verbundenen
Restriktionen, in der Lage ist, “den Laden am Laufen zu halten”. Ebenso existenziell ist es für den Öffentlichen Dienst, aus dieser Situation die richtigen Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. “Schnell und unbürokratisch” will Minister Seehofer mit Blick auf die Digitalisierung von derzeit existenzsichernden Verwaltungsleistungen für die Wirtschaft vorgehen. Schnell und bisweilen unbürokratisch wurde nun auch die Arbeitsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung im Homeoffice-Betrieb gewährleitet, indem digitale Strukturen, wo sie bereits vorhanden waren, verstärkt oder mitunter ad hoc auch gänzlich neu geschaffen wurden. Diese entstandenen und offenkundig auch funktionierenden Strukturen nach der Krise wie-
der auf null zurückzuführen, macht keinen Sinn. Vielmehr müssen die Provisorien in eine Administration 2.0 überführt werden, die durch Einbindung von Homeoffice und Video- bzw. Telefon-Konferenzen gleichsam die Resilienz und die Arbeitsplatzattraktivität der Organisation erhöht – von den positiven Auswirkungen reduzierter Reisetätigkeit auf Verkehr und Klima ganz zu schweigen. Nehmen wir die Provisorien also als Basis für die Ausgestaltung einer neuen inneren Verfasstheit des Öffentlichen Dienstes. Das hieraus eine Erfolgsgeschichte entstehen kann, zeigt das Grundgesetz, ein 1949 verabschiedetes Provisorium, dass Staat und Gesellschaft nachhaltig verändert hat und bis heute prägt. Guido Gehrt
Grafik: BS/Dach, unter Verwendung von © Alano Design, stock.adobe.com
Fleißarbeit
den gesellschaftlichen Stillstand. Die Beurteilung der Eintrittswahrscheinlichkeit fällt in die Klasse C: bedingt wahrscheinlich. Das Beruhigende damals: “Ein Ereignis, das statistisch in der Regel einmal in einem Zeitraum von 100 bis 1.000 Jahren eintritt”, so die “Risikoanalyse Bevölkerungsschutz 2012”. Der Bericht liest sich wie eine vorweggenommene Situationsbeschreibung von heute. Alles war richtig. Auch die berechnete Eintrittswahrscheinlichkeit, nämlich sehr gering. Doch so gering auch die Eintrittswahrscheinlichkeit weiterer Katas trophen – die ja kommen werden – ist, so sehr sollte man sich in jedem Falle vorbereiten.