Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. VI / 36. Jg / 32. Woche
G 1805
Berlin und Bonn / August 2020
www.behoerdenspiegel.de
Für alle Wege offen
Bereits stark digitalisiert
“Ich mache hier meinen Traumjob”
Dr. Hartmut Schubert zu Identitätsdiensten .... 31
Colette Hercher zur Corona-Krise und zur Digitalisierung beim Zoll ������������������������������������ 37
Dr. Janina Dressler ist Präventionsbeauftragte der Berliner Feuerwehr ...................................... 44
Finanzspritze für Impfstoffentwickler (BS/stb) Die Bundesregierung wird drei Pharmaunternehmen mit insgesamt 750 Millionen Euro aus dem Sonderprogramm Impfstoffentwicklung unterstützen. Bedacht werden BioNTech aus Mainz, CureVac aus Tübingen und IDT Biologika aus Dessau. Als Gegenleistung erwarte die Bundesregierung, dass ein angemessener Teil der Produktion eines zugelassenen CoronaImpfstoffes für die Versorgung in Deutschland zugänglich gemacht werde, stellte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek klar. Gefördert wird der Aufbau von Kapazitäten für Studien und Produktion. Die Wahl der drei Unternehmen geht auf Empfehlungen eines Expertenbeirates zurück.
Drohnen für Berliner Feuerwehr (BS/mfe) Bei der Berliner Feuerwehr hat ein einjähriges Pilotprojekt zum Einsatz unbemannter Flugsysteme begonnen. Es wurden – anders als in Hamburg, wo Mini-Drohnen im Einsatz sind – insgesamt vier marktübliche Standarddrohnen angeschafft. Die Kosten dafür belaufen sich insgesamt auf rund 15.500 Euro. In die Aus- und Fortbildung von 30 Drohnenführern, darunter zehn Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr, wurden zusätzlich etwa 17.000 Euro investiert. Drei der Drohnen sind auf Führungsfahrzeugen verlastet. Eine weitere befindet sich zu Aus- und Fortbildungszwecken an der Berliner Feuerwehr- und RettungsdienstAkademie (BFRA). Die Geräte sollen im Rahmen des Versuchsvorhabens zur Erkundung und Lagebilderstellung bei Großschadenslagen zum Einsatz kommen.
Pflicht statt Kür Notfall- und Krisenmanagement regulieren (BS/Uwe Proll) Die Unterbrechung der Geschäftsprozesse in Verwaltungen, Verteilung oder Produktion durch äußere Einwirkung ist in vielen Bereichen längst Gegenstand staatlicher Regulierung. Die Corona-Krise jedoch hat gezeigt, dass staatliche und kommunale Bereiche wie auch ganze Wirtschaftszweige ein professionelles Buisiness Continuity Management nicht beherrschen. Zwar gab es vielerorts Notfallpläne, doch ihre Umsetzung war ungeübt. Bis heute werden Dienstleistungen für die Bürger durch Kommunen schleppend oder gar nicht erbracht, das gilt selbst für die gesetzlich vorgeschriebenen Ausweisverlängerungen. Weit und breit herrscht noch Stillstand. Vielen Unternehmen ist die eigene Lebenskraft längst abhandengekommen. Diese Zombies sind längst tot, werden durch die Verschiebung der Pflicht zur Insolvenzanmeldung, Kurzarbeit und staatlichen Geldregen künstlich am Leben gehalten. Sobald dieser Tropf abgestellt wird, kommt die Insolvenzwelle. Eins hat sich klar und deutlich gezeigt: Notfall- und Krisenpläne an sich bringen gar nichts. Sie verstauben im Regelfall in der Schublade. So war es auch mit der staatlichen Pandemieplanung. Bereits 2007 wurde in einer länderübergreifenden Katastrophenschutzübung alles Notwendige für den Fall einer pandemischen Virenverbreitung geübt und zu Papier gebracht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) veröffentlichte 2012 erneut eine umfangreiche Stellungnahme zu den Gefahren und notwendigen Vorbereitungen mit Blick auf eine Pandemie, die im Folgejahr sogar im Bundestag erörtert wurde. Vorbereitet auf dem Papier ja, für den Ernstfall nein. Es fehlte der Zwang zur Umsetzung der Erkenntnisse. Keine ausreichende Bevorratung, nicht genügend Resilienz im Gesundheitssystem, besonders bei den kommunalen Gesundheitsämtern, ungeübte Krisenstabsarbeit, Überreaktionen bei den Notbestellungen (für die nach wie vor aus China eingehenden Millionen von Masken fehlt mittlerweile der Lagerplatz und die gelieferten Beatmungsgeräte werden dutzendweise europaweit verschenkt). Kein gutes
PLANUNG
RECOVERY
MANAGEMENT
LAUFENDER BETRIEB
RISIKO
Bild was Staat und Kommunen trotz geradezu heldenhaften Engagements vieler Tausender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgegeben haben. Eine ganze Generation von Behördenchefs und Politikern stand vor ihrer ersten ernsthaften Krise. Doch besser sah es in vielen Firmen keineswegs aus. Unvorbereitet traf es viele nicht durch das Virus selbst, sondern durch die Unterbrechung globaler Lieferketten. Schlimmer jedoch: Durch den Ausfall der Geschäftstätigkeit ging etlichen Unternehmen nach wenigen Wo-
chen die finanzielle Puste aus, und das, obwohl viele Branchen fette Jahre hinter sich hatten. Doch offensichtlich gehört finanzielle Eigenvorsorge in der Wirtschaft nicht zum guten Ton. Mit allerlei Staatshilfen werden derzeit Tote am Leben erhalten. Eine Triage wäre hier sinnvoll, die Zombies sterben zu lassen, um den kerngesund in die Krise geratenen Unternehmen bei der zukünftigen Wirtschaftsflaute zu helfen. Es gibt Beispiele. So hat man nach der Finanz-, die ja eine Bankenkrise war, den Geld-
häusern strenge Regulierungen auferlegt. Mit der Zweiten Baseler Eigenkapitalverordnung (Basel II) wird Sorge getragen, dass genug Geld im Hause ist, um eine Krise zu überstehen. Wirft man einen Blick auf die Informationssicherheit, stellt man auch hier strenge Regulation fest. So werden insbesondere die Betreiber Kritischer Infrastrukturen zu Vorsorgemaßnahmen für den Stromausfall und Cyber-Angriff gezwungen. Was wird also zukünftig gebraucht: mehr staatliche Regulierung, kurzum Gesetze, um
Der Perso ist tot, es lebe der Perso! (BS) Am 1. November 2010 wurden die ersten neuen Personalausweise (nPA) im Scheckkartenformat ausgegeben. Mit dessen eID-Funktion wollte Deutschland die Tür zum sicheren Identitätsmanagement in der digitalen Welt ganz weit aufstoßen. Nach nunmehr fast zehn Jahren muss man aber ernüchtert konstatieren, dass für komfortable und vielfältige Zugangsmöglichkeiten zum Netz mittels “Perso” nach wie vor kein passender Türöffner montiert ist. Klartext: Das Ding ist gefloppt – doch es besteht Hoffnung. Was im Zuge der Einführung noch als Treiber gefeiert wurde, um auch dem E-Government in Deutschland endlich zum Durchbruch zu verhelfen, erwies sich in der Folge als zu kompliziert. Denn für die Nutzung der eIDFunktion musste ein Kartenlesegerät angeschafft werden. Eine Investition, welche die meisten Bürger auch deshalb scheuten, da es im Netz kaum Anwendungsfälle gab, bei denen sie dieses Gerät einsetzen konnten. Da half es auch nicht, dass 2009/2010 im Zuge des ITInvestitionsprogramms 100.000 Stück dieser Geräte kostenlos unters Volk gebracht wurden. Dieser Makel ist mittlerweile behoben. Heute kann man die auf allen modernen Smartphones
PROZESSE
Staat und Unternehmen müssen die Resilienz gemeinsam erhöhen. Der eine durch Regulierung, die anderen durch ein sinnvolles Business Continuity Management. Foto: BS/ Trueffelpix, stock.adobe.com
Erstmals Sanktionen Kommentar wegen Cyber-Angriffen (BS/stb) Der Europäische Rat hat erstmals Sanktionen im Rahmen des EU-Instrumentariums für die Cyber-Diplomatie verhängt. Eines der Ziele ist eine Einheit des russischen Militärnachrichtendienstes GRU. Das Zentrum für besondere Technologien (GTsST) wird für die Schadsoftware “NotPetya” und für Angriffe auf die Stromversorgung in der Ukraine verantwortlich gemacht. Vier GRUMitarbeitern wirft der Rat außerdem die Beteiligung an einem Angriff auf die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag vor. Von Sanktionen betroffen sind außerdem zwei chinesische Staatsbürger und ein chinesisches Technologie-Unternehmen wegen Industriespionage im Rahmen der “Operation Cloud Hopper”. Ebenfalls wurden gegen eine nordkoreanische Export-Organisation wegen der Beteiligung am Cyber-Angriff “WannaCry” Sanktionen verhängt. Die EUMaßnahmen umfassen Einreiseverbote sowie das Einfrieren von Vermögenswerten.
RESILIENZ
verfügbare NFC-Funktion nutzen, um die Daten des nPA mittels der AusweisApp auszulesen – zweifellos ein großer Sprung mit Blick auf die Usability. Allerdings mangelt es immer noch an Anwendungsfällen, sowohl bei den Verwaltungsservices als insbesondere bei OnlineDienstleistungen der Wirtschaft. Gerade Letzterem ist geschuldet, dass der elektronische Personalausweis bis heute nicht ans Fliegen gekommen ist. Denn die prominenten und viel frequentierten Plattformen setzen für das Identitätsmanagement weiterhin auf Benutzername und Kennwort – weniger sicher, aber auch weniger aufwendig und daher für die Kunden attraktiver. Diesen ungleichen Wettbewerb kann der
physische Personalausweis im Digitalen nicht gewinnen. Doch die eID-Funktion wird absehbar ohnehin keine Rolle mehr spielen. Das Bundesinnenministerium arbeitet unter der Führung von Bundes-CIO Dr. Markus Richter bereits an der Einführung eines OnlinePersos für das Smartphone (mehr zum Thema auf Seite 31). Damit würde der Nutzerkomfort derart gesteigert, dass diese Form der sicheren Authentifizierung auch für die Wirtschaft attraktiv werden könnte. So könnte Deutschland vielleicht endlich den fehlenden Türöffner zum sicheren Identitätsmanagement am Tor zur digitalen Welt montieren. Guido Gehrt
Balance-Akt
die Resilienz der Wirtschaft zu erhöhen. Pflicht zur Vorsorge ist der Garant für die Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit, nicht etwa die Rekommunalisierung oder Verstaatlichung. Der Gesetzgeber sollte, wie schon beim IT-Sicherheitsgesetz, darauf achten, dass auch Behörden unter regulatorische Vorsorgemaßnahmen fallen. Staat, Kommunen und Betriebe sollten künftig besser vorbereitet sein, um ihre Geschäftstätigkeit ohne Unterbrechung fortführen zu können. Denn die nächste Krise kommt bestimmt!