Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. XI / 36. Jg / 3. Woche
Berlin und Bonn / Januar 2020
Die Truppe bleibt der Hauptfokus Martin Kaloudis zur Arbeit der BWI ������������ Seite 24
Kapazitäten fehlen (BS/mfe) Im deutschen Katas trophen- und Zivilschutz fehlt es an einigen Ressourcen. Das gilt unter anderem für die Kapazitäten der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) in den Bereichen der Notstrom- sowie der Trinkwasserversorgung. Diese müssten dringend ausgebaut werden, fordert der neue THW-Präsident Gerd Friedsam. Gleiches gelte für Ressourcen in Hinblick auf CBRN-Gefahren, ist er sich mit seinem Amtsvorgänger Albrecht Broemme einig. Aber auch die Fähigkeiten zur Resilienz sowie zum Selbstschutz der Bevölkerung müssten gestärkt werden, verlangt Berlins Landesbranddirektor, Dr. Karsten Homrighausen. Das gelte ganz besonders für die Bewohner von Großstädten und Ballungsräumen. Der Staat allein könne hier nicht alles leisten.
Planungen abgeschlossen (BS/stb) Für das Gemeinsame Kompetenz- und Dienstleistungszentrum (GKDZ) in Leipzig sind die technischen Planungen erstellt und mit dem Landesdatenschutzbeauftragten Sachsens, Andreas Schurig, abgestimmt worden. Dort soll der IT-Betrieb von fünf Ländern im Bereich der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) gebündelt werden. Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen versprechen sich so effektivere Arbeit. Das GKDZ soll bis 2021 arbeitsfähig werden und den Probebetrieb aufnehmen. TKÜ-Aufgaben der Länder sollen dann schrittweise übernommen werden. Für das GKDZ sind 35 Stellen veranschlagt. Eine erste Ausschreibung lief bereits 2019, weitere sollen folgen.
Selbst schießen (BS/wim) Um der Manipulation von Porträtfotos für die Benutzung in Personalausweisen und Reisepässen vorzubeugen, sollen sie zukünftig direkt von den Mitarbeitern der kommunalen Pass- und Ausweisstellen gemacht werden. Für diese und weitere Neuregelungen im Bezug auf die Sicherheit der Personalpapiere hat das Bundesinnenministerium (BMI) einen entsprechenden “Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit im Pass- und Ausweiswesen” ausgearbeitet. Vor allem die Praxis des sogenannten “Morphings”, des digitalen Verschmelzens mehrerer Gesichtsbilder zu einem einzigen Gesamtbild, soll mit der neuen Regelung vermieden werden. Die Aufgabe des Fotografierens soll daher ausschließlich in den rund 5.500 Bürgerämtern direkt bei der Antragsstellung durchgeführt werden. Zu diesem Zweck sollen in den Passstellen digitale Automaten aufgestellt werden, bei denen neben dem Foto auch Fingerabdrücke und Unterschrift digital erfasst werden.
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Wissen, Standards und Zertifizierung
Frau, jung, konservativ und digital
Arne Schönbohm über die Waffen des BSI ������������������������������������������������������ Seite 33
Dorothee Bär zu ihrer Tätigkeit als Staats ministerin für Digitalisierung ���������������������� Seite 44
Mit einem blauen Auge 300.000 Beschäftige fehlen / Staat muss handeln (BS/Jörn Fieseler) Fast täglich gibt es neue Berichte über Gewalt gegen Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes. Damit verbunden: die Sorge um den Nachwuchs. Wer geht künftig zur Polizei oder in die Stadtverwaltung, wenn Beleidigungen und Anfeindungen an der Tagesordnung sind? Und: Wer von den jetzigen Beschäftigten macht das noch wie lange mit? Schon jetzt wird die Leistungsfähigkeit des Staates angezweifelt, ist der Personalbedarf eklatant hoch. Der Ruf nach mehr Personal kann jedoch nicht die einzige Antwort sein. Kurz vor Weihnachten wurde ein Mitarbeiter des Vollstreckungsdienstes der Stadt Köln bei einem Hausbesuch erstochen, in der Silvesternacht vielerorts Polizisten mit Feuerwerkskörpern beworfen. Diese Vorfälle sind nur der kleinste, sichtbare Teil. Die Masse von Beleidigungen und Anfeindungen wird öffentlich schon fast nicht mehr wahrgenommen. “Es scheint fast so, als sei der Dienst für Staat und Allgemeinheit mittlerweile geradezu eine Einladung an Dritte, sich gegenüber diesen Menschen abfällig, respektlos und aggressiv zu verhalten”, konstatiert Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des DBB Beamtenbunds und Tarifunion (DBB). “Das geht uns alle an: Demokratinnen und Demokraten, Politik und Gesellschaft”, betont Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und mahnt: Es dürfe nicht sein, dass junge Menschen gar nicht mehr in Erwägung zögen, ein öffentliches Amt zu übernehmen oder in den Staatsdienst einzutreten, weil sie sich nicht dem Spießrutenlauf aussetzen wollten. Denn um es mit seinen Worten zu sagen: “Wir brauchen jeden, die Demokratie braucht jeden, dem der Nachbar, die Gemeinde, die Region,
Trotz aller Leistungsbereitschaft ist der Öffentliche Dienst angeschlagen. Damit er mit einem blauen Auge davon kommt, muss die Digitalisierung konsequent umgesetzt werden. Foto: BS/AntiD, stock.adobe.com
in der er lebt, nicht egal ist.” Insbesondere im Öffentlichen Dienst. In dem Sinne ist es äußerst besorgniserregend, dass die Straftaten “gegen den Staat” im Jahr 2018 erneut gestiegen sind – auf rund 22.000 Delikte beziffert Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) deren Anzahl. “Wir unternehmen hier alles, um dies zu ändern”, unterstreicht er. Das muss aber mehr sein als ein Appell an die Gesellschaft, Haltung zu zeigen.
Vielleicht kommt der respektlose, sogar aggressive Umgang jedoch daher, dass der Staat immer häufiger versagt? (vgl. Seite 18) Beispiele dafür gibt es genug. Täter, die aus der U-Haft entlassen werden müssen, weil es keinen rechtzeitigen Verhandlungstermin gibt. Oder bei den Erziehern. Mancherorts muss schon der Personalnotstand ausgerufen werden, wenn eine Erzieherin ausfällt. Können Kinder nur noch “aufbewahrt”, statt gefördert werden?
Der DBB-Vorsitzende beantwortet die Frage deshalb mit einem klaren “Ja”. 300.000 Menschen würden im Öffentlichen Dienst fehlen, die Leistungserbringung sei gefährdet. Unter anderem fehlen 21.000 Beschäftigte in der Steuerverwaltung (siehe hierzu Seite 7). Deshalb fordert er von “der Politik”, für eine aufgabengerechte Personalausstattung zu sorgen. Doch der Ruf nach immer mehr Personal kann nicht die einzige Lösung sein. Die zusätzlichen
Stellen für die Polizei aus den letzten Jahren dienen in erster Linie dazu, die Altersabgänge auf der Straße zu kompensieren. Das reicht nicht. Verwaltungsabläufe müssen so standardisiert und vereinfacht werden, dass sie künftig digital ablaufen. Das meint nicht nur die elektronische Kommunikation mit dem Bürger, wie sie bei den 575 Verwaltungsdienstleistungen aus dem Onlinezugangsgesetz (OZG) angedacht ist. Es ist löblich, dass Seehofer ankündigt, der Bund wolle die Leistungen, für die er allein zuständig ist, schon bis Ende 2020 umgesetzt haben. Wichtiger ist aber, die Digitalisierung an dieser Stelle nicht enden zu lassen. Die Prozesse innerhalb der Verwaltung müssen neu gestaltet werden. Darin liegt das eigentliche Potenzial der Digitalisierung. Die Prozesse so zu gestalten, dass weniger als 300.000 Menschen benötigt werden. Das weiß auch Silberbach: “Wir brauchen eine tragfähige Kombination aus Personalverstärkung, Aufgabenkritik, Digitalisierung und Attraktivitätssteigerung für die Nachwuchsgewinnung.” Damit könnte der Öffentliche Dienst noch einmal mit dem sprichwörtlichen blauen Auge davonkommen.
Kommentar
Stau, Frust und ohne Plan (BS/Uwe Proll) Von der “Wir-schaffen-das”-Kultur wäre deutlich mehr vonnöten, schaut man auf die großen, für die Gesellschaft insgesamt existenziell wichtigen Vorhaben. Energie- und Mobilitätswende, Wohnungsbau, Rentensystem und vieles mehr. Zu viel läuft ohne Plan in einem Land, das stolz ist auf seine Ingenieurskunst und eine unvergleichbar präzise und nachhaltige Ministerialbürokratie. Doch wieso können beide traditionell für den Standort Deutschland so wichtigen Berufsgruppen derzeit nicht verhindern, dass zu viel planlos läuft? Nehmen wir die Energiewende: raus aus Braun- und Steinkohle, raus aus der Kernkraft, reduzierte Gasverbrennung, kein Fracking einerseits, zum anderen Windparks offshore und, in flacher wie gebirgiger Topografie, Geothermie und Solarenergie. Es fehlt jedoch das Netz, um die Energie vom Norden zu den industriellen Verbrauchern in den Süden zu transportieren. Neue Gasturbinenwerke werden im Süden daher wahrscheinlich. Das AKW Neckarsulm wird abgeschaltet und gleichzeitig angekündigt ,französischen Strom zu kaufen – inklusive Atomstrom. Wo ist der Plan, von Ingenieuren berechnet und entworfen und von Beamten geprüft und genehmigt? Auch die Mobilitätswende ist eine eklektizistische Erscheinung, alles, was irgendwie “umweltfreundlich” erscheint, wird gefördert:
E-Mobilität, obwohl Herstellung und Entsorgung der Batterien eine gigantische Umweltbelastung darstellen, zudem ein Kampf um die dafür notwendigen Ressourcen bereits entbrannt ist. Ein Plan auch hier: Fehlanzeige. Natürlich sind sich entwickelnde Marktkräfte statt Planwirtschaft gesund, schaffen nachhaltige ökonomische Strukturen, doch wir reden hier von der Abwicklung bisheriger Produktions- und Verteilsysteme, ohne dass ein Plan für das Neue existiert, geschweige denn dieses bereits etabliert wäre. Ingenieure und Beamte dieses Landes, vereinigt Euch! Befreit euch vom “political business”, das den nächsten Wahltermin im Blick hat. Ein Plan lässt sich nicht auf vier Jahre beschränken oder noch kurzatmiger. Dieses Land braucht viele Pläne – Beamte, Ministerien und Behörden stehen
bereit – ohne politische Vorgaben –, für die Zukunftsfähigkeit zu arbeiten. Man muss sie nur lassen, auf wissenschaftlichen, rechtlichen und machbaren Grundlagen zu arbeiten, statt auf ideologisierten. Das wird nicht einfach, denn längst werden zahlreiche Fachbehörden von politischen und nicht von Fachbeamten geleitet. Was für Ministerien sinnvoll ist, um politische Ziele zu erreichen, gilt nicht für nachgeordnete Fachbehörden. Die Parteienwirtschaft im Öffentlichen Dienst sollte endlich auf die Tagesordnung gesetzt werden. Nicht dass ein leitender Beamter oder Tarifbeschäftigter keine politische Position oder Parteimitgliedschaft haben sollte, doch aber sicher keinen Parteiauftrag bei der Erledigung seiner Fachaufgabe. Uwe Proll
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt