Behörden Spiegel Mai 2020

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. V / 36. Jg / 19. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / Mai 2020

www.behoerdenspiegel.de

In der Zange

Das Momentum nutzen

“Geräusche sind allgegenwärtig”

Prof. Dr. Dörte Diemert zu kommunalen ­Haushalten ������������������������������������������������������������� 9

Prof. Dr. Kristina Sinemus über die Digitalisierung in Hessen ................................. 26

Steffen Körper zum Lärmlabor im Umweltbundesamt ............................................. 47

Tatverdächtiger ­identifiziert (BS/stb) Der Generalbundesanwalt hat beim Bundesgerichtshof einen Haftbefehl gegen den Russen Dmitriy Badin erwirkt. Der 29-Jährige wird verdächtigt, in entscheidender Funktion am Cyber-Angriff auf IT-Systeme des Deutschen Bundestages 2015 beteiligt gewesen zu sein. Badin soll für den russischen Militärgeheimdienst GRU arbeiten. Beim sogenannten “Bundestags-Hack” hatten die Täter zunächst über gefälschte E-Mails Rechner einzelner Bundestagsabgeordneter übernommen und sich von dort weiter durch die IT-Systeme bewegt. Über 16 Gigabyte an Daten waren gestohlen worden. Badin wird ebenfalls verdächtigt, an Angriffen auf die Demokratische Partei in den USA und auf die Welt-Anti-Doping-Agentur im Jahr 2016 beteiligt gewesen zu sein. In diesen Fällen wurde 2018 Anklage erhoben.

GETEX wird verschoben (BS/mfe) Die Gemeinsame Terrorismusabwehr-Übung GETEX wird ins kommende Jahr verschoben. Grund dafür ist die CoronaPandemie. Das bestätigten die neue schleswig-holsteinische Innenministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU) und der Kommandeur des Landeskommandos Schleswig-Holstein der Bundeswehr, Oberst Axel Schneider. Schleswig-Holstein richtet die GETEX aus. Teilnehmen wollen zudem Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland. In die Vorbereitungen involviert waren zudem unter anderem das Bundesinnenministerium (BMI), das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) und die federführende schleswigholsteinische Landespolizei.

Gespannt und ­gefordert (BS/lkm/jf) Die Sächsische Staatsregierung und die kommunalen Spitzenverbände haben einen Schutzschirm für Kommunalfinanzen vereinbart. Insgesamt stehen rund 750 Millionen Euro zur Bewältigung der Corona-Krise zur Verfügung. Damit soll den durch die Corona-Krise zu erwartenden Einbrüchen der Steuereinnahmen und den zusätzlichen Ausgaben auf kommunaler Ebene begegnet werden. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) fordern bundesweit einen Rettungsschirm für die Kommunen. “Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommenssteuer werden drastisch sinken”, begründet die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle die Forderung. Und Frank Vogel, Präsident des Sächsischen Landkreistages, unterstreicht: “Land und Kommunen müssen sich fortan auf das beschränken, was wirklich zählt und was unser Land in Zukunft wieder voranbringt.”

Disruption und Kontinuität Was kann sich ändern? (BS/Uwe Proll) Der Schreck in den letzten Wochen war so gewaltig – wenn auch mehr ausgelöst durch den sogenannten Lockdown denn durch das Virus selbst –, dass die übliche Projektion eigener politischer Meinungen und Vorurteile bis Ende April brauchte um zu wirken. Waren es 2015 noch die Flüchtlinge, die mit so ziemlich allem – z. B. einer erwarteten Kriminalitätsexplosion – in Verbindung gebracht wurden, so ist es jetzt COVID-19. Das bisher Unbekannte ist Projektionsfläche für Gutes und Böses: für Chinas Expansionsgelüste, für soziale und ökonomische Ungerechtigkeiten und natürlich für die Luftverschmutzung, also die Umwelt. Auch die Wünsche nach Disruption und Kontinuität werden durch das Virus inspiriert.

Z

uerst erlebte die Demokratie selbst eine Disruption. Früher hörten Politiker wissenschaftliche Experten an, schon in den letzten Jahren ließen sie sich von diesen treiben und jetzt erlaubten sie den Experten, selbst zu regieren. Eine Expertenregierung ist jedoch ein anderes “Geschäftsmodell”, als es die Verfassung vorsieht und als es Wähler und Gewählte verabredet haben. Doch wir sind nun wieder zurück in die Kontinuität. Die Politik regiert wieder und lässt sich beraten. Die vorherigen Wochen waren ein riskantes Experiment mit Gewöhnungspotenzial. Eine disruptive Veränderung erlebte auch die Kommunikation, die private und die dienstliche. Die private war auf den Hausstand beschränkt und die dienstliche fand im Digitalen statt: Video- und Telefonkonferenzen sowie E-Mail statt Papierakte durchdrangen die öffentliche Verwaltung, wo es technisch nicht an Voraussetzungen mangelte. Zudem: Aus der Not wurden Medien und Plattformen, die bisher als unsicher (Vorsicht: “Feind hört mit!”) galten, sogar bei Sicherheitsbehörden genutzt. Bürger konnten Anträge plötzlich online stellen, sie wurden genehmigt, ohne Unterschrift und ohne Signatur. Diese digitale Disruption muss bleiben, weil sie effizient ist, weil sie ökologisch Vorteile bringt und vor allem, weil sie auch ökonomisch ist. Zudem

Disruptive Veränderungen auch bei der Polizei: Anstelle Kriminelle zu ermitteln, rückt die Einhaltung des Kontaktverbots mancherorts in den Vordergrund. Foto: BS/Bayerische Polizei

zeigte sich, dass Behördenkontakte mit Bürgern und Unternehmen auch ohne doppelten und dreifachen Sicherheitsboden möglich sind, so wie es unsere Nachbarn in Dänemark oder Österreich schon längst vormachen. Behördeninterne Kommunikation ist nicht per se vertraulich und vieles als VS-NfD Eingestufte ebenso wenig. Das lehrte COVID-19 ganz besonders. Verändern wird sich auch das “Dienstreisen”, denn das haben ja auch alle gelernt, meistens reicht die “Schalte”. Homeoffice wird es auch bei Verwaltungen zukünftig häufiger geben, wenn eine gesetzliche Regelung allerdings dieses kreative Instrument individueller Vereinbarung zwischen Beschäftigtem und Chef eher einschränken wird. Kontinuität ist aber ebenso wie die disruptive Veränderung gefragt, nämlich bei der raschen Wiederherstellung zusammengebrochener Wirtschaftsabläufe. Da muss Altes wieder aufgebaut werden. Dessen gleichzeitiger radikaler Umbau nach anderen politischen Zielen als dem der Wiederherstellung von Arbeit, Wohlstand und Sicherheit wäre eine Überforderung. Auf manches wird man jedoch verzichten können und es nicht wieder ausrollen müssen. Was verändert sich noch? Sprache! Lockdown, Reproduktionsrate, Triage. Politiker werden eines Tages sagen: “Wir brauchen kein neues Corona”. Hoffentlich!

Kommentar

Corona-Krise ist keine Föderalismuskrise (BS) Für Kritiker des Föderalismus ist Deutschland beim Umgang mit der Corona-Pandemie mal wieder ein “Flickenteppich”. Bund, Länder und Kommunen suchen nach dem bestmöglichen Weg durch die Krise – vielfach gemeinsam, mitunter aber auch individuell mit landes- bzw. kommunenspezifischen Verordnungen und Maßnahmen. Ist das nun gefährlicher Partikularismus? Kleinstaaterei zulasten der Bürger? Die aktuelle Regelungsvielfalt ist Ausdruck unserer grundgesetzlich manifestierten föderalistischen Tradition unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips, wonach die gesamtstaatliche Ebene nur jene Aufgaben übernehmen soll, die von den Teilstaaten nicht angemessen erfüllt werden können. Prominentes Beispiel für eine gesamtstaatliche Aufgabe ist die Landesverteidigung, verkörpert durch die Bundeswehr. Ist ein föderal aufgestellter Staat mit starken und selbstbewussten Ländern – und ihren Kommunen – somit bei der Bekämpfung eines gemeinsamen Feindes (Coronavirus) ein grundlegendes Manko? Würde ein unitaristischer Bundesstaat mit einer mächtigen Zentrale in Berlin oder gar ein Zentralstaat uns grundsätzlich besser durch

die Krise führen? Der Blick in die USA provoziert ein Gedankenspiel: Was wäre dort los, wenn die USA ein von Präsident Donald Trump geführter Zentralstaat wären und es bei der Bewältigung der CoronaPandemie die (im Vergleich zu Deutschland noch unabhängigeren) US-Bundesstaaten nicht gäbe? … Ein Gänsehaut-Moment der sehr bitteren Art! Doch zurück nach Deutschland: Der Föderalismus und die vom Subsidiaritätsprinzip gedeckte örtliche Zuständigkeit für die Gesundheit der Bürger erfordern zweifellos ein Mehr an Koordination und Kommunikation. Dies gehört, auch abseits der momentanen Krise, zum Markenkern unserer Bundesrepublik. Diese Vielfalt bietet uns aktuell nicht nur die Möglichkeit, auf regionale

Besonderheiten beim Umgang mit der Corona-Pandemie angemessen zu reagieren, denn MecklenburgVorpommern braucht andere Regelungen als Bayern, der ländliche Bereich mitunter andere als der städtische. Vielfalt bedeutet hier auch Wettbewerb um die besten Ideen und Strategien. Als die Stadt Jena im Alleingang die Maskenpflicht in Teilen des öffentlichen Raumes einführte, stieß dies hierzulande in Politik und Öffentlichkeit eher auf Zurückhaltung. Oberbürgermeister Thomas Nitzsche musste sich kritische Fragen gefallen lassen. Mittlerweile gibt es deutschlandweit eine solche Maskenpflicht. Trotz – oder vielleicht gerade auch dank – des Föderalismus. Guido Gehrt

Corona macht’s möglich!


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Mai 2020

Bildung, Versorgung, Verwaltung, Politik. In vielen Bereichen sind digitalisierte Kommunikation und Arbeitsabläufe gerade unverzichtbar. Unter Druck gelingt Innovation vielfach im Rekordtempo. Dieser Aufwind muss nun verstetigt werden. Um gut auf zukünftige Krisen vorbereitet zu sein und um im Arbeits- und Lebensalltag von den Vorteilen der Digitalisierung zu profitieren. Foto: BS/Oliver Le Moal, stock.adobe.com

Digitalisierung in der Arbeits- und Lebenswelt

Neue Wege statt alter Pfade? Tarifverhandlungen während der Pandemie .............. Seite 3

Zur Digitalisierung gezwungen

Projektvorhaben initiiert Programm “Polizei 2020” läuft operativ ....................Seite 41

Zwischen Videokonferenz und Brief

Wie Hochschulen mit der Krisen-Situation umgehen ..................................................................... Seite 28

Dienst@home

Digitalisierung muss auch bei ziviler Gefahrenabwehr Einzug halten ................................. Seite 43

Bildung in Zeiten von Corona ......................................... Seite 8

Smart City ist mehr als Technik Modellprojekt zum “Smarten Quartier” Jena-Lobeda ...... Seite 20

Home-Office sichert aktuell die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ...................................... Seite 32

Man sieht sich

Digital und dezentral

Videokonferenzsysteme erleichtern die kontaktlose Zusammenarbeit .................................... Seite 25

Corona verändert das Arbeiten in der öffentlichen Verwaltung nachhaltig .........................Seite 32

Ein Plädoyer für den Fortschritt

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

newsletter

E-Government, Informati onstechn

Innen Spiegel

Nr. 1.000 Berlin und Bonn

1.000. Ausgabe von “E-Government, Informationstechnologie und Politik”

EN AUSGABTER NEWSLET

28. April 2020

RÜCKSPIEGE L

Newsletter-Urgestein feiert Jubiläum

ologie und Politik

+++ SPECIAL EDITION NR.1 +++

+++ Wie alles begann +++

ISSN 1867-1993

Ein Grußwort zum 1.000st en

+++ Wie uns heute vom InnenLiebe Leserinnen und Leser, ministerium bestätigt wurde, liebe Redaktion! stehen die beiden beamteten Staatssekretäre im BMI nunmehr Ich freue mich, dass ich fest: Die durch anlässlich der von Brigitte Herausgabe des 1.000sten Zypries' Berufung Newsletters zur Bundes“E-Government” die Gelegenheit justizministerin habe, an freigewordedieser Stelle ein paar Gedanken ne Position besetzt zu äußern. ab Januar Zuallererst möchte ich natürlich 2003 Göttrik Wever, gratulieren der jetzige und der Redaktion des Staatsekretär im Behörden Spiegel Niedersächsiweiter viel Erfolg bei ihrer schen Kultusminis Arbeit wünschen. terium. Wever ist langjähriger Herausgeber Aktuell sehen wir uns mit den Herausforeiner Zeitschrift für politiderungen konfrontiert, die sche Bildung und die Corona-Panhat umfassend demie mit sich bringt. Dieses E-Government, Informationstechnologie zum Themenkreis und bedeutet für PolitikmoVerwaltungs den öffentlichen Bereich dernisierung veröffentlic die Organisation ht. von Verwaltungsprozessen Den aus Altersgründ unter erschweren ausscheiNr. 1.001 Berlin und Bonn ten Bedingungen. Bürgerinnen April 2020 denden Claus28. ISSN und 1867-1993 Henning Schapper Bürger müssen auch in diesen besonderen wird Lutz Diwell Zeiten ersetzen, der RÜCKSPIEGEL die Möglichkeit haben, als Berliner Innenstaats die Dienstleistungen der Verwaltungen für +++ Einer für alle +++ tär u.a. den vielbeachtesekresich in Anspruch Staatsminister ten Ein Dorothee Bär war seit nehmen zu können. Wie viel leichter Government Masterplan ihih wäre rem Amtsantritt auf den es da, wenn wir bereits im März 2018 regelmäßig +++ Zur Eröffnung des enac bot Weg gebracht (BS/Henninghat. Lühr)Weiterhin jetzt die Ziele des Keynote-Sprec Als mit herin und Schirmherrin Onlinezugangsgesetzes erreicht Innenminister Otto Schily Län- E-Governmen ehemaliger t Fußballer des hätten und Kongresses im BMI befasst ist “Digitaler Staat”. damit die 575 Verwaltungsd dern und Kommunen eine "E- auch habe ich natürlichMartin IT-Direktor gerienstleistunge n Schallvon Bund, Ländern und Government-Partnerschaft" an. bruch. Foto: BS/Dombrowsky ne die... verwendete AusKommunen schon +++ zur Verfügung stünden. Ziel sei, teure Doppelentwicksage “Halbzeit beim Oder im Bereich lichst schnell digitale Lösungen der Bildung wäre es ungleich lungen zu verhindern. Der Bund Dies ist ein für definier OZG!” definieraufgegriffen. Auszug aus der ersleichter, wenn te Herausforderu Meldung der Ausgabe wolle hierfür Basisdienste wie tenHier den ngen zuhause zu entwickeln. bleibenden Kindern und meine persönliche Nr. 1 von Ne Neauch ben des wirklich "Behörden Spiegel online", so die elektronische Beschaffungsderen Eltern bundesweit großartigen Engagements Reportage zur Entwickder und mit einem der rund ursprünglich e Titel dieses 27.000 Menschen, die sich plattform und weitere Muster zur Newsletters, einheitlichen Standard lung der deutschen hieran genügend digitale beteiligt veröffentlicht am haben und den vielen guten Verfügung stellen. Auch sollten Lernmittel inklusive entsprechend Digi-Liga:10.12.2002. Lösun Lösuner Kom- gen, die entwickelt Länder und Kommunen sich aktiv munikationsmöglichkeiten wurden, zeigte sich mir Ich fange in Bremen mit den Lehrern vor allem auch eines: Wenn wir wollen an der Diskussion um den Stanzur Verfügung stünden. an. In der Bundesliga oder müssen, dann sind wir dardisierungskatalog SAGA besehr viel schneller ist es gerade nicht so als sonst üblich in der Lage, teiligen. Der Bund seinerseits Inhalt/The Die Krise optimal, in men zeigt im der DigiBereich uns Auch Inhalt/The auf dem Spielfeld der OZG-Umsetzung sehr deutlich, der stehen was men bewegte be- ZeiDigitalisierung Lösungen habe bereits 170 Dienstleistunreits sehr gut funktioniert Liga sind wir besser! ten bevor. zu entwickeln. Das Foto: BS/enriquelopezgarre/ in der DigitaliBS/enriquelopezgarre/pixabay.com pixabay.com macht mir Hoffnung. gen online gestellt. Ab 2006, sierung. Sie zeigt aber auch, Was erfolgreiche Die Kraft dersind wo wir besser Digitalisierung ......................2 sein sollten wenn alle zu digitalisierenden Projekte der Digitalisierung in Bremen? und auch Für per ELSTER könnten. Vielfach abgegebenen Steuererklärunist Ich wünsche Ihnen für Ihre Dienste des Bundes im Internet es auch die Beantwortung der Frage ist für mich folweitere Arbeit Frage der Geschwindigk Vernetzte geneine durchbrochen. Verwaltung.......................... Die Bürger/-innen eit, sind alles Gute und bleiben Sie stehen, rechnet der Innenminismit dermittendrin, gende Fragestellung maßgebend:....8 wir digitalenicht alle gesund! Was läuft Projekte nur dabei! umsetzen. Wir ter mit 400 Mio. Euro jährlichen alsund Bundesregieru richtig gut? Nicht: Wie viele Online-AnwenMehr E-, ng haben kürzlich ImPolitik Online-Finanzamt Informationstechnologie Open wurdeneinen in den 15 und Smart Government.. E-Government, Ihre Dorothee Bär Einsparungen. Schily .11 stellt möchte mit sogenannten dungen haben wir installiert? Bremen MonatenHackathon, Laufzeit mehr als einen 2.600 Bürgerdigitalen Staatsministerin bei der Bundeskanzler Kommunen und Ländern verbindliIdeenwettbew E-Mahngericht, dem E-GerichtsVon dernach kontakteerb, unterstützt, elektronisch in EDVdem bearbeitet zur Digitalisierung bei dem(z.esB. AusISSN 1867-1993 und Beauftragte .............14 28. che Absprachen treffen, Modell2020 April nicht postfach, Bonn der E-Vorgangsbearbeitung der Bundesregierung nur, aberüber Nr. 1.002 Berlin und in den vor den künfte allem Stand derging, darum Bearbeitung mög- der für Digitalisierung projekte entwickeln - z.B. bei Gerichten, der E-Akte in fast allen Behörden Steuererklärung). der Kfz-Zulassung und bei dem ganze Bearbeitungsprozesse um. RÜCKSPIEGEL Vereinfachte Erklärung von AlterseinkünfAlterseinkünf Bafög-Verfahren - die zur ÜberEs geht also+++ nicht um Marketingauftritte ten: Zusammen mit den Ländern BrandenNutzerwünsche nahme durch andere+++ empfohlen und -effekte, sondern um die Neustruktu- burg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorwerden. +++ rierung der Arbeitsprozesse. Die Digitalisie- pommern, dem Bundesfinanzministerium +++ Deutschlands Bürger gehen rung ist ein zäher Prozess. Nur wenn er ziel- und dem Bundeskanzleramt Auszug aus hat Bremen die den Behörden ins Netz: Neun von gerichtet betrieben wird, kann er erfolgreich vereinfachte Steuererklärung Ausgabe Nr. 13 von "Behörden von Rentner/zehn Internetnutzern (88 Pro-

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+++ SPECIAL EDITION NR.2 +++

ABEN AUSGLE TTER NEWS

Ich erwarte eine stürmische zweite Halbzeit

(BS/gg) Nachdem im Dezember 2002 mit “Behörden Spiegel online” erstmals ein Newsletter unseres Hauses erschien, feierte diese Publikation, mittlerweile unter dem Titel Newsletter “E-Government, Informationstechnologie und Politik”, im April 2020 das Erscheinen der 1.000. Ausgabe. Dieses Jubiläum wurde mit der Veröffentlichung einer dreiteiligen “Special Edition” gefeiert. Die

einzelnen Ausgaben enthielten einige Rückblicke auf die Anfangsmonate des Newsletters,

waren aber insbesondere gespickt mit zahlreichen zukunftsgewandten Gastbeiträgen von Experten

aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft, mit denen der Behörden Spiegel zumeist schon seit Jahren beim Thema Digitalisierung von Staat und Verwaltung eng zusammenarbeitet. So waren u. a. Dorothee Bär, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, der Ende April aus dem Amt geschiedene Staatssekretär Klaus Vitt, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik (Bundes-CIO), sowie die Landes-CIOs Staatsrat Henning Lühr (Bremen) und Staatssekretär Randolf Stich (RheinlandPfalz) mit Beiträgen vertreten. Aus dem kommunalen Bereich beschäftigten sich Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Dr. Ariane Berger, Leiterin des Bereichs Digitalisierung beim Deutschen Landkreistag, und Dr. Sönke Schulz, Vorsitzender des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums (NEGZ), mit den vielfältigen Herausforderungen der Digitalisierung im Bereich der Städte und Gemeinden. Zudem machte sich Marco Brunzel, Bereichsleiter für Digitalisierung und E-Government bei der Metropolregion RheinNeckar (MRN) in einem Beitrag Gedanken über die Vernetzte Verwaltung als Standortfaktor. Die wissenschaftliche Perspektive mit einem Fokus auf die Innovationsfähigkeit von Staat und Verwaltung brachten Prof. Dr. Moreen Heine, Universität

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+++ SPECIAL EDITION NR.3 +++

EN R AUSGAB SLETTE NEW

Die digitale Stadt in Zeiten von Corona

Spiegel online",veröffentlicht am sein. zent) würden ihre Behördengänge 12.03.2003

komplett online erledigen. Inzwischen gut funktionierende Das ergab zumindest eine aktuOnline-Services in Bremen elle Internet-Trendumfrage von Online-Finanzamt in Bremen: Bei der EinMummert Consulting. Für etwa richtung des Online-Finanzamtes war es das jeden fünften Deutschen soll Ziel, die Quote der über ELSTER abgegebeRealität sein. das sogar schonnen Stresstest für digitale Infrastrukturen?.....7 Einkommenssteuererklärungen massiv Bisher ist bekanntlich vor al-

innen (als Pilotprojekt) eingeführt. Die Resonanz ist bisher zu einhundert Prozent positiv!

Das Ende der langen Schlange 32 Prozent aller Termine finden bereits online statt, 27 Prozent telefonisch, der Rest erfolgt vor Ort durch ein gutes Leitsystem. voranzubringen. Dies ist gelungen von 54,2 Bei Elterngeld digital konnte die Zahl der von Formularen lem der Download Innovationsfähigkeit der Verwaltung......9 Prozent auf 66,8 Prozent, also eine Steige- Anträge von 5,4 Prozent (Juli 2019) auf 22,4 möglich. rung um 12,6 Prozent von Oktober 2018 bis Prozent (Februar 2020) gesteigert werden. wollen mehr: Doch die Deutschen Das JIL – Gemeinsam gestalten...............11 Dezember 2019. Dies ist ein Plus von mehr und flexibel, aber auch kreativ und schnell. Von resilient Möglichkeit Kommunen der Online-Beantradieder In der Krise zeigen sich sich auch Neun von zehn würden als 37.000 Fällen zusätzlich. Zudem haben gung beim Anwohnerparken machen sogarFoto: BS/ItNeverEnds/pixabay.com Passanonline ummelden Szenarien der Verwaltung 2040..............13 wir inund 2019 erstmals die Marke von 100.000 schon 42 Prozent Gebrauch. träge stellen. Die Anmeldung Corona-Krise (BS/Helmut Dedy) Wenn Soziologen und oft aufreibend. In der von Kraftfahrzeugen nannte ein zeigt sich die kommunale Verwaltung nicht oft sie haben dann reden, Krise einer von Als Drittel als Zusatzwunsch. auch krezwei Merkmale dafür. Das erste lautet: nur resilient und flexibel, sondern Haupthemmnis für den Durchschnell. und ativ nicht funktionieren Die üblichen Routinen bruch beim virtuellen BehördenEin großer Teil der Mitarbeiterinnen und mehr. Das zweite Merkmal ist grundsätzgang nennt die Mummert-Studie an licher – der Zustand vor den krisenhaften Mitarbeiter arbeitet im Home-Office, "Elektronische Signaturen im und AusEreignissen wird nicht wieder herstellbar dieser Stelle mussten Kulturen E-Government" die abwartende Städtische ITsein. Nimmt man diese beiden Merkma- stattung verändert werden. Haltung beim Thema digitale Sischnell le, dann spricht vieles dafür, dass wir vor Abteilungen haben hier vielerorts gnaturen. +++ ausgebaut grundlegenden Veränderungen stehen, und mit Hochdruck Strukturen der Verwaltung denn die Epidemie schafft außerordentli- und so die Arbeitsfähigkeit Auszug aus che Herausforderungen. Es müssen sehr aufrechterhalten. Es geht nicht nur um infrastrukturelle AsAusgabe Nr. 19 von "Behörden schnell Strukturen geschaffen werden. Es Spiegel online",veröffentlicht am auch ein braucht pragmatische und kreative Lösun- pekte. Die Corona-Krise verlangt 19.03.2003 auf verschiegen. Die üblichen Routinen funktionieren anderes Arbeiten. Der Druck ist unterschiednicht mehr. Auch Verwaltung verändert dene Verwaltungsbereiche im Krisenverlauf. sich gerade. Corona wird der Digitalisierung lich stark und ändert sich müssen sehr vielleicht einen stärkeren Schub verpassen, Krisenstäbe und Task Forces flexibel sein. Personelle Ressourcen müsals OZG und Co. es vermögen. Inhalt/Themen Inhalt/Themen sen schnell neu gebündelt werden. Abstimmungen laufen hier häufig mit neuen Tools, Krisenmodus – Digitalisierung OZG-Umsetzung in und mit Kommunen..5 Videokonferenzsysteme haben Hochkonder Verwaltung im Eiltempo einen ExperiDas Bild der öffentlichen Verwaltung ist junktur. Die Krise schafft auch Digitalisierung im ländlichen Raum.........7 gilt. immer noch häufig ein Schwerfälliges und mentierraum, den es zu erhalten Digital wie analog gilt: Die Mitarbeiterindauert. Das DenSicher in die digitale Zukunft..................10 Zauderndes. Veränderung Städten leisten ken in begrenzten Themenfeldern aufzubre- nen und Mitarbeiter in den gerade Herausragendes. langwierig ist ändern, zu Prozesse und chen Kommune bewegt Welt 2020.................11

Inhalt/Themen Inhalt/Themen

Die “Special Edition” anlässlich der 1.000. Ausgabe des Newsletters “EGovernment, Informationstechnologie und Politik” Foto: BS

Lübeck, Prof. Dr. Jörn von Lucke, Zeppelin Universität Friedrichshafen, und Prof. Dr. Hermann Hill, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, ein. Ein weiterer Beitrag entwarf zwei Szenarien einer “Verwaltung 2040”, wenn in den kommenden zwanzig Jahren mit Blick auf die digitale Verwaltung nicht alles so läuft, wie wir es uns heute für die Zukunft ausmalen. Die Sonderausgabe kann unter www.behoerden-spiegel.de/ newsletter abgerufen werden. Behörden Spiegel-Abonnenten können sich dort auch für den Bezug dieses Newsletters sowie der anderen Newsletter des Behörden Spiegel registrieren.

Herausgeber und Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Bennet Klawon, Tanja Klement, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Thomas Petersdorff, Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), Dr. Eva-Charlotte Proll, Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Karin Vierheller, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 31/2020, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG BAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

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Berlin und Bonn / Mai 2020

KNAPP

Neue Wege statt alter Pfade?

Elf Prozent aller Beschäftigten

Tarifverhandlungen während und nach der Corona-Pandemie (BS/Jörn Fieseler) Alles ist in der Schwebe und muss neu sortiert werden. Sämtliche Planungen für dieses Jahr sind obsolet geworden – so lässt sich der Status quo bei den Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst (S&E), im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und beim Digitalisierungstarifvertrag zusammenfassen. Selbst die große Tarifrunde im Herbst mit Bund und Kommunen und den Gewerkschaften zum Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) ist nicht ausgenommen. Auf der anderen Seite hat der Abschluss des Tarifvertrages zur Kurzarbeit im Öffentlichen Dienst gezeigt: Tarifverhandlungen sind in der Krise und unter strengen Auflagen möglich. Könnte dieser Abschluss als Blaupause für die übrigen Tarifrunden gelten? Der Tarifvertrag zur Kurzarbeit zeichnet sich durch ein zweistufiges Vorgehen aus. In einer ersten Stufe ist ein Eckpunktepapier ausgearbeitet worden, das anschließend in den Gremien auf Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite diskutiert und beschlossen wurde. In der zweiten Stufe haben dann die sogenannten Redaktionsverhandlungen stattgefunden, bei denen die Eckpunkte in Vertragstext gegossen wurden. “Vieles ist im Vorfeld telefonisch besprochen worden”, erzählt Volker Geyer, stellvertretender Bundesvorsitzender und Fachvorstand Tarifpolitik im DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB). Es habe aber auch Verhandlungen im kleinsten Kreis in sehr großen Räumen gegeben, um den Mindestabstand zu wahren. Ohne die Tarifkommissionen der Gewerkschaften und die Mitgliederversammlung der kommunalen Arbeitgeber vor Ort. Diese sind, ebenso wie die Geschäftsstellen der Bundestarifkommissionen, in Tele-

sche Lösungen dauerhaft geführt werden, ist sich Geyer sicher. Es fehle der direkte persönliche Kontakt, die kleinen Gesprächsrunden am Rande und die Rückkoppelung mit den Gremien. Lediglich zur Vorbereitung können sich die beiden Gewerkschaftsvertreter vorstellen, künftig digitale Formen vermehrt zu nutzen. “Fragenkataloge lassen sich auf diese Weise erstellen oder einzelne inhaltliche Fragen gut lösen”, so Jurczyk. Hier wäre ein vereinfachtes Verfahren sinnvoll und möglich.

Forderungsfindung erschwert

Keine Streiks in Sicht: Stoppschilder sind ein beliebtes Element bei Kundgebungen und Warnstreiks, wenn aber keine Tarifverhandlungen stattfinden, werden auch sie nicht gebraucht. Foto: BS/Fieseler

fonkonferenzen und mittels PDF-Dokumenten über den Verhandlungsstand informiert worden. Aber auch Videokonferenzen wurden genutzt, berichtet Jan Jurczyk von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi: “Unsere Bundestarifkom-

mission (BTK) mit ihren rund 100 Mitgliedern hat zwei Mal in einer Videokonferenz getagt.” Während der Bundesvorsitzende Frank Werneke, Stellvertreterin Christine Behle und der Tarifexperte der Gewerkschaft gefilmt wurden, konnten die BTK-Mitglieder Fra-

Als Dauerzustand ungeeignet

KOMMENTAR

Warum bis zum höchsten Gericht? (BS) Warum nur muss es immer noch bis zu den höchsten gerichtlichen Instanzen gehen, wenn es um Besoldung und Laufbahnen geht? Unlängst hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) gegen das Land Niedersachsen vorab entschieden, dass gleichwertige Berufserfahrungen vollumfänglich bei einem Arbeitgeberwechsel angerechnet werden müssen. In dem zugrundeliegenden Fall ging es um eine Lehrerin, die zehn Jahre in Frankreich tätig war

gen per Mail an eine Moderatorin senden, die anschließend von dem Podium beantwortet wurden. Auch im DBB wurden die Ergebnisse via Video verbreitet und anschließend über die eigene Internetseite und die Sozialen Medien diskutiert.

und anschließend in Niedersachsen eingestellt wurde. Allerdings seien ihr für die Stufenordnung nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L) lediglich drei Jahre angerechnet worden. Dabei sieht der TV-L ebenso wie das Vertragswerk für Bund und Kommunen vor, dass Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden können, wenn diese Berufserfahrung der vorgesehenen Tätigkeit förderlich ist. Das ist bei

der Ausübung des gleichen Berufes bei zwei unterschiedlichen Arbeitgebern doch wohl der Fall. Fachkräftemangel und Krisensituationen belegen, wie wichtig das Personal im Öffentlichen Dienst ist. Mit Blick auf Einstellung und Stufenzuordnung sollte daran gedacht und der vorhandene Rechtsrahmen soweit wie möglich ausgeschöpft werden. Das ist auch ein Aspekt von Arbeitgeberattraktivität. Jörn Fieseler

“Für diesen einen Tarifvertrag, der inhaltlich stark begrenzt war, haben wir unsere Handlungsfähigkeit bewiesen, als Dauerzustand für künftige Tarifrunden ist das Format aber ungeeignet”, bilanziert Geyer. Und das nicht nur wegen der technischen Schwierigkeiten. “Es kann kein unmittelbarer Dialog stattfinden”, bemängelt auch Jurczyk. In den Gremien sei die Diskussion zerstückelt, die Dynamik fehle. Doch gerade deren Anregungen seien von enormer Bedeutung für die weiteren Verhandlungen. Auch die Verhandlungsrunden selbst könnten nicht über techni-

Ob die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten bei den anstehenden Verhandlungen zum Einsatz kommen, ist fraglich. Beim Thema S&E, wo die Verhandlungen in ungekündigtem Zustand begonnen wurden, seien die Gesprächsrunden mit den Arbeitgebern auf einen noch festzulegenden Termin vertagt worden. Auch beim Digitalisierungstarifvertrag wurden die Verhandlungen aufgrund der jetzigen Umstände unterbrochen. Zudem gelte es, die zahlreichen Erfahrungen aus der Krise einzubinden. Demgegenüber sind beim ÖPNV und bei der für den Herbst angesetzten Entgeltrunde von Bund und Kommunen die Forderungen noch nicht erhoben. Zwar werde an der Basis sehr viel im Digitalen diskutiert, doch finde die Festlegung erst statt, wenn man sich mit der Arbeitgeberseite über den weiteren Verlauf abgestimmt habe. “Nach den jetzigen Gegebenheiten werden die Verhandlungen nicht in der üblichen Weise ablaufen”, sagt Geyer. Eigentlich sollen die Forderungen Anfang Juni präsentiert werden.

(BS/pet) Zum Stichtag 30. Juni 2018 waren rund 4,8 Millionen Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst tätig, so das Ergebnis einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Gemessen an der Gesamtzahl aller 44,85 Millionen Erwerbstätigen war damit für den Erhebungszeitraum mehr als jeder zehnte Arbeitnehmer in Deutschland im öffentlichen Sektor beschäftigt. Im Vergleich zum Vorjahr 2017 bedeutet das einen Zuwachs von 63.000 Beschäftigten, was einem Plus von 1,3 Prozent entspricht. Maßgeblich verantwortlich für den Anstieg sei der Ausbau der Kindertagesbetreuung sowie Steigerungen im Hochschulbereich, teilt Destatis mit. Nach erheblichen Personalrückgängen in den Neunziger- und Nullerjahren behält der Öffentliche Dienst damit seinen Aufwärtstrend bei und behauptet seine Stellung als größter Arbeitgeber.

Rechnungsprüfer leisten Amtshilfe (BS/jf) Statt Antragsbewilligungen zu prüfen, werden Mitarbeiter des Landesrechnungshofs Berlin diese künftig selbst bewilligen. 20 Mitarbeiter hat das Kontrollgremium im Wege der Amtshilfe an die Senatsverwaltung für Finanzen zu Bewältigung der Corona-Krise kurzzeitig abgeordnet. Das sind rund zehn Prozent der Belegschaft. Die Rechnungsprüfer werden zur Bearbeitung von Anträgen auf Entschädigungen zugunsten von Sorgeberechtigten nach dem Infektionsschutzgesetz eingesetzt. “In Krisenzeiten ist Solidarität gefragt”, unterstreicht Rechnungshof-Präsidentin Karin Klingen. Es sei erfreulich, zu sehen, wie selbstverständlich es für viele sei, sich in dieser Zeit gerade auch über den eigentlichen Arbeitsbereich hinaus zu engagieren und sich dort einzusetzen, wo Handlungsbedarf bestehe, ergänzte Finanzsenator Matthias Kollatz.


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Behörden Spiegel / Mai 2020

Büros brauchen Lagerfeuer

Zahlen sinken

Zwischen flexiblem Arbeiten und Präsenzen

Befristet Beschäftigte in der Bundesverwaltung

(BS/Jörn Fieseler) Wie gestaltet sich die Arbeit im Büro in der Zeit während und nach der Pandemie? Klar ist, es muss sich etwas ändern. Sich auf Einzelbüros zu verlassen und Maßnahmen wie regelmäßiges Lüften den Beschäftigten zu überlassen, reicht nicht aus. Der Arbeitsplatz Büro muss neu gedacht werden. Das könnte erosive Folgen haben.

(BS/Jörn Fieseler) Befristungen ohne Sachgrund sollen nur die Ausnahme bilden. Die Realität sah in den letzten Jahren anders aus. In allen 14 Bundesressorts ist die Zahl der befristet angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Sachgrund zwischen 2015 und 2019 aber deutlich zurückgegangen. Die ersten Ministerien verzichten sogar komplett auf diesen Arbeitsvertrag. Überhaupt nehmen befristete Arbeitsverhältnisse im Bund ab.

“Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen ausreichend Abstand, mindestens 1,5 Meter, zu anderen Personen halten”, heißt es im SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Freie Raumkapazitäten sollen so genutzt werden, dass Mehrfachbelegungen vermieden werden können. Wo das alles nicht möglich ist, sind Trennwände zu installieren. Vorzugsweise transparent, bei Publikumsverkehr sowieso. Und vor allem sind die Räumlichkeiten regelmäßig zu lüften.

Insgesamt ist die Zahl der Befristungen mit und ohne Sachgrund um rund ein Viertel zurückgegangen. In absoluten Zahlen um mehr als 3.100 Arbeitsverträge. Spitzenreiter ist das Bundesumweltministerium (BMU). Die Behörde von Ministerin Svenja Schulze (SPD) verzeichnete 2019 im gesamten Geschäftsbereich keine Befristungen ohne Sachgrund. Wobei dem Ministerium der Umstand zu Gute kam, dass die beiden Bauabteilungen im Zuge der Koalitionsbildung 2018 in das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) wechselten und damit auch einige befristet Angestellte.

Intelligente Konzepte entwickeln “Für den Neustart nach dem Shutdown kommt Arbeitsplätzen in Verwaltungen und Gerichten zentrale Bedeutung zu. Es gilt, intelligente Konzepte mit Büround Homeoffice-Arbeitsplätzen, Zugangsregelungen für Beschäftigte und Besucher sowie für die Nutzung von Sitzungs- und Konferenzräumen zu entwickeln”, beschreibt der ehemalige Staatssekretär Hans Jürgen Hohnen die Herausforderungen. Doch wie sollen die Beschäftigten den Sicherheitsabstand in Fluren, auf Treppen oder in Aufzügen einhalten, die nur in den seltensten Fällen großzügig angelegt sind? Von der Nutzung von Sanitäreinrichtungen und Gemeinschaftsräumen wie Teeküche und Kantine ganz zu schweigen. Bei mehreren Treppenhäusern könnten Verkehrswege angelegt werden, meint Sven Wingerter, Inhaber und Geschäftsführer der WorkPlace Strategiebaratung Eurocres. Ein Treppenhaus für den Gang nach oben, ein zweites für den Gang nach unten. Bei Aufzügen sind Mindestpersonenzahlen festzulegen. Und auf Fluren? “Wenn die baulichen Voraussetzungen gegeben sind, sollten auch hier Verkehrswege eindeutig markiert werden”, so Wingerter. Noch besser wäre es, die Belegungsdichte zu entzerren, entweder durch versetzte Arbeits- und Pausenzeiten oder sogar über Schichtdienste. Diese Maßnahmen könnten auch zum Tragen kommen, wenn der Mindestabstand in Zweier-, Vie-

Prognosen gehen davon aus, dass Büros künftig nicht mehr für Individualarbeit benötigt werden, sondern nur noch für die Zusammenarbeit im Team und zum direkten Austausch. Ganz so wie an einem Lagerfeuer. Foto: BS/Free-Photo, pixabay.com

rer- oder Großraumbüros nicht ohne Weiteres eingehalten werden könne. In den meisten Fällen könne man aber über eine fundierte Gefährdungbeurteilung und eine intelligente Optimierung der vorhandenen Raumplanung eine Corona-konforme Belegungsplanung ermöglichen. Diese würde auf der einen Seite den Mitarbeitern die notwendige Arbeitssicherheit und auf der anderen Seite den Führungskräften Planungssicherheit für ihre Kapazitäten geben.

Wunsch nach mehr Flexibilität Die Möglichkeiten, Homeoffice weiter auszubauen, bleiben hiervor, als Schutzmaßnahme unberührt. Dies wird auch vom BMAS präferiert. Viele Organisationen haben bereits jetzt diese neue Flexibilität – mobil zu arbeiten – schätzen gelernt. Das wirft jedoch eine weitere Frage auf: “Wer von den Beamten und Tarifbeschäftigten möchte auf Dauer auf den Büroarbeitsplatz zurück?”, so Wingerter. Zumal die Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft gerade beweisen würden, dass sie auch andernorts arbeitsfähig seien. Der Berater teilt die Ansicht von Marktexperten, dass ein Fünftel aller Büroarbeitsplätze dem Markt dauerhaft entzogen werden könnte. “Zum Vergleich: das wären sämtliche

Büros im Freistaat Bayern.” In Verwaltung und Privatwirtschaft hatten vor der Pandemie lediglich zwölf Prozent der Bürotätigen im Homeoffice gearbeitet. Aktuell seien es in vielen Branchen fast 90 Prozent. “Wenn die massiven Einschränkungen vorbei sind, werden viele nach der Einsamkeit mit höchster Freude in die Büros stürmen, nach kurzer Zeit aber wieder außerhalb arbeiten wollen”, prognostiziert Wingerter. Arbeitstypologien, die Individualarbeit bedeuten würden, benötigten keine Büros mehr – “das lernen wir momentan”.

Heterogenes Bild Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) haben im letzten Jahr keinen BeschäfRessort

Beschäftigte gesamt

tigten unter diesen Voraussetzungen eingestellt. Im BMAS gebe es überhaupt keine sachgrundlosen Befristungen mehr. Ebenso im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und im Bundesfinanzministerium (BMF). Allerdings verzeichnen die jeweiligen nachgeordneten Bereiche noch befristet angestellte Mitarbeiter. Und im BMFSFJ ist 2019 mit fast sieben Prozent der Anteil der sachgrundlos befristet Beschäftigten gemessen an der Gesamtzahl noch am höchsten gewesen. Gefolgt vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) mit über drei Prozent und dem Ressort von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) mit rund 2,5 Prozent. Über alle Ressorts sind sachgrundlose Befristungen jedoch um mehr als 70 Prozent zurückgegangen, in keiner obersten Bundesbehörde hat es eine Zunahme gegeben.

befristet Beschäftigte gesamt

Im Gegenzug hat sich die Zahl der Befristungen mit Sachgrund um fast 22 Prozent erhöht. Allerdings nicht gleichmäßig verteilt. Während das BMI (+1.009), BMEL (+508) und das Bundesverkehrsministerium (BMVI; +417) deutliche Zuwächse verzeichnen, konnten im Bundesministerium der Verteidigung (-884), im BMF (-219) und im BMU (-201) auch hier handfeste Reduzierungen erreicht werden (siehe Tabelle).

Unterschiedliche Vertragsdauer Darüber hinaus zeigt sich bei einer Abfrage der befristet Beschäftigten in allen Bundesministerien, dass befristete Arbeitsverträge mit Sachgrund in den meisten Behörden für längere Zeiträume geschlossen werden als ohne Sachgrund. Erstere haben eine Laufzeit von durchschnittlich fast 30 Monaten, Letztere von mehr als 18 Monaten.

davon mit Sachgrund

davon ohne Sachgrund

2019

2019

2015

2019

2015

Dauer*

2019

2015

BMF

46.102

.579

.889

.419

.633

28,0

.160

.256

Dauer* 14,5

BMI

82.643

2.108

2.074

1.703

.694

35,0

.405

1.380

22,0

7.066

.759

.460

.659

.305

28,0

.100

.155

21,5

BMWi

10.635

.738

1.605

.412

.438

21,6

.326

1.167

20,8

BMJV

5.740

.188

.198

.164

.77

30,2

.26

.121

18,3

BMAS

2.860

.224

.294

.217

.110

23,1

.7

.184

23,0

BMVg

81.535

.615

1.967

.338

1.222

26,2

.277

.745

17,8

Klassisches Büro wird zum Dinosaurier

BMEL

5.669

1.294

1.574

1.155

.647

21,0

.139

.927

18,0

BMFSFJ

2.277

.285

.340

.126

.82

25,5

.159

.258

24,0

Das Büro werde künftig ein Ort für das qualitative Zusammenkommen sein, für das eine persönliche Präsenz erforderlich sei. Man werde ins Büro kommen, um sich wie an einem Lagerfeuer zu versammeln. “Der typische Büroarbeitsplatz mit Schreibtisch, Drehstuhl, Aktenbock und Regal gehört dann endgültig zu den Dinosauriern”, betont der Geschäftsführer. Die Infrastruktur werde mehr auf Interaktion und Kommunikation ausgerichtet, die ein flexibles Kommen und Gehen ermögliche. Das wiederum wird sich auf das Führen von Mitarbeitern auswirken. Schulungen zum Thema Führen im Homeoffice sind momentan heiß begehrt.

BMG

4.435

1.124

1.046

.724

.603

33,0

.38

.443

20,0

BMVI

24.240

1.689

1.817

1.298

.881

54,0

.391

.936

17,0

BMU

4.004

.439

.820

.416

.617

37,0

.0

.203

0

BMBF

1.164

.43

.63

.36

.4

22,6

.7

.59

16,5

BMZ

1.182

.32

.111

.31

.18

29,0

.1

.93

24,0

Unterstützung vor und nach der Krise

AA

* durchschnittliche Dauer in Monaten

Quelle: Deutscher Bundestag Drucksache 19/18551, Grafik: BS/B. Dach

MELDUNG

BMI: 100 Jahre Abteilung Dienstrecht (BS) In der Krise zeigt sich immer wieder: Ein demokratischer Rechtsstaat braucht einen funktionierenden Öffentlichen Dienst. Dessen Belange werden in der Abteilung Dienstrecht im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) geregelt. Die Abteilung ist 100 Jahre alt geworden. Am 24. April 1920 hatte die da-

malige Reichsregierung der Weimarer Republik den Beschluss gefasst, eine eigene Abteilung für Beamtenwesen zu gründen. So beschloss das Reichskabinett während der rund 2,5 Monate dauernden Regierung unter Kanzler Hermann Müller (SPD), im Reichsministerium des Innern eine Abteilung für Beamtenwesen zu gründen und

mit drei Stellen auszustatten: einem Ministerialdirektor, einem Vortragenden Rat und einem Hilfsarbeiter. Erster Ministerialdirektor wurde der Geheime Regierungsrat Albert Falkenberg. Heute arbeiten in der Abteilung “Öffentlicher Dienst” im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) 77 Personen in sechs Referaten.

Hilfspaket zum Corporate Health Management für die DACH-Region gestartet ((BS/Gret Beccard *) Die Initiatoren EuPD Research und die Handelsblatt Media Group haben sich in Zusammenarbeit mit Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft für die Etablierung eines Hilfspakets in der Corporate Health Initiative entschieden. Ab Mai 2020 stehen die neue Mitgliedschaft sowie deren Leistungen allen Verwaltungen, Behörden, Organisationen und Arbeitgebern bundesweit zur Verfügung. Die Initiative bietet analytische, strategische und maßnahmen­ orientierte Hilfestellung während und nach der herausfordernden Corona-Pandemie. Ziel der Arbeitgeber ist es, sich trotz Kurzarbeit und weitreichenden Einschränkungen rechtzeitig gemäß Branchenstandard im Gesundheitsmanagement auszurichten, um die wichtigste Ressource Mitarbeiter sowie die damit verbundene Wirtschaftlichkeit zu erhalten.

Hand ind Hand arbeiten In der Corporate Health Initiative arbeiten Experten, Wissenschaftler, Unternehmen, Krankenkassen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sowie Verbände Hand in Hand. Mit der Aktion Mitgliedschaft erhalten die Mitgliedsfirmen hochwertige Analyse- und Entwicklungstools, die Gesundheitsmanagement, Controlling, Geschäftsführung, Personalmanagement und Kom-

munikationsabteilung bei der Bewältigung der internen und externen Herausforderungen unterstützen sowie die Positionierung in der eigenen Branche aufzeigen und bei der Sicherung ihrer Arbeitgebermarke helfen. Nie waren die interne Kommunikation und die Zusammenarbeit einzelner Bereiche und Entscheider wichtiger als in dieser Zeit, Gesundheitsfragen und darauf aufbauende Managemententscheidungen sind zu Themen höchster Priorität geworden.

Viele gute Dinge mitnehmen “Gemeinsam stehen alle Beteiligten für das Bewusstsein, dass zukunftsorientierte sozial nachhaltige Management- und Führungssysteme sowie das strategische Corporate Health Management zum Gütesiegel für wettbewerbsfähige Organisationen geworden ist. Damit verbunden ist eine kontinuierliche Orientierung an bereits erfolg-

reich verifizierten Arbeitgeberstrukturen und Vordenkern”, so Steffen Klink, Director of Social Sustainability beim Marktforschungsunternehmen EuPD Research sowie Director der Corporate Health Initiative und des Corporate Health Awards. Gerade im Hinblick auf Vorbilder geht es darum, zu schauen, was heute und in Zukunft gut funktioniert. Derzeit sollte auch klar sein, dass es wichtig ist, den Überblick zu behalten und sich mit dem Monitoring der aktuellen Phase zu beschäftigen, um anschließend die vielen guten Dinge, die in der Krise plötzlich möglich sind, in den Alltag mitzunehmen. Die Maßnahmen für morgen entstehen heute. Weitere Informationen unter www.ch-initiative.de * Gret Beccard ist freie Journalistin für Wirtschaftsthemen in der DACH-Region.

Eskalationskultur neu etablieren (BS) Der Umgang mit Konflikten gehört zu den täglichen Herausforderungen im dienstlichen Führungsalltag. Kann eine neue Eskalationskultur Konflikte zumindest handhabbarer machen?

Eskalationen haben eine eigene Dynamik und weisen meist wiederkehrende Interaktionsmuster auf. Häufig werden die immer gleichen Argumente, wie eigene Positionen, ausgetauscht – aber eine Einigung kommt nicht zustande. Statt eine völlige neue Position gemeinsam zu finden, wird weiter versucht, die Gegenseite vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. Kommt es dann zum Stillstand, werden die eigenen Standpunkte zur Klärung in Richtung der eigenen Führungsebene gegeben. Dort wird die nächste Runde mit den gleichen Argumenten gedreht, bis es zu Verhandlungen zur Findung eines Kompromisses bzw. Lösungsansatzes kommt. Das alles braucht Zeit und schiebt die eigentliche Lösung weiter in die Zukunft. Interne Eskalationen sollten nur angenommen werden, wenn

Beate van Kempen leitet die Abteilung “Produktmanagement Verbundlösungen” beim LVR Infokom.

Foto BS/privat

Lösungsansätze, Bewertung der Gegenpositionen und weitere Auswirkungen sowie eigene Schwachpunkte offen mittransportiert werden. Dies erfordert von Mitarbeiter-/ innen ein verändertes Eskalationsverhalten und von Führungskräften eine angepasste Erwartungshaltung, bevor die Eskalation auf der eigenen Ebe-

ne angenommen und weiterbearbeitet wird. Weiterhin braucht es in der gesamten Organisation eine Offenheit, zu eigenen Problemen und Defiziten zu stehen, eine stark ausgeprägte Lösungsorientierung und eine positive Grundhaltung zu Konflikten. Denn da, wo Menschen in Organisationsstrukturen interagieren, treffen unterschiedliche Zielrichtungen zwangsläufig aufeinander und führen zu Eskalationen. Konflikte sind demnach “normale” Bestandteile des dienstlichen Miteinanders. Eine stringente Manöverkritik bei K-Fällen fester Bestandteil im Nachgang einer Krise auch bei Eskalationen zu etablieren, kann mit dazu beitragen, dass alte Muster aufgebrochen und eine neue Eskalationskultur auf allen Ebenen etabliert werden kann.


Bund

Behörden Spiegel / Mai 2020

Amtliche Statistik

D

ie amtliche Statistik ist während der Corona-Krise in besonderer Weise gefordert. Mit der Einführung einer Digitalen Agenda (2018) wurde der neue Weg einer digitalen Transformation in der Statistikproduktion eingeleitet. Diese hat im Statistischen Bundesamt die Koordinierung der vielen laufenden Maßnahmen verbessert und alle neuen Maßnahmen stärker auf die digitale Zukunft der Statistik ausgerichtet. Gerade die CoronaKrise führt uns sehr deutlich vor Augen, wie wichtig dies für die Zukunft unseres Amtes gewesen ist. Die Auswirkungen der Pandemie können aktueller dargestellt werden. Die Nachfrage von Medien und Entscheidern nach aktuellen Konjunktur- und Wirtschaftsdaten zeigt, dass dieser Weg richtig ist. Neben der Veröffentlichung wichtiger Statistiken, wie dem Verbraucherpreisindex oder dem Bruttoinlandsprodukt, geht das Statistische Bundesamt dabei auch neue Wege, nutzt digita-

Scannerdaten diesen Wegfall kompensieren, vielleicht sogar dauerhaft.

Die Digitalisierung bewährt sich

Neue Formen der ­Datengewinnung

(BS/Dr. Georg Thiel) In Krisen sind Wirtschaftsindikatoren und Strukturdaten angesichts des hohen Entscheidungsdrucks von Verantwortlichen und Im Zeitverlauf ergeben sich durch Organisationen besonders gefragt. Das Statistische Bundesamt verfolgt nicht erst seit der Corona-Krise neue digitale Wege, um den Datenbedarf die die Corona-Pandemie immer von Wirtschaft und Gesellschaft zu decken. weitere, neue Datenwünsche, le Prozessdaten, Datenquellen und Methoden, um zusätzliche Indikatoren zur Beschreibung der wirtschaftlichen Entwicklung zu liefern.

Lkw-Verkehrsdaten als ­Frühindikator Der schnellste Frühindikator zur wirtschaftlichen Entwicklung, den das Statistische Bundesamt mit dem Bundesamt für Güterverkehr entwickelt hat und derzeit veröffentlicht, ist der LkwMaut-Fahrleistungsindex. Hintergrund ist hier, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Konjunkturentwicklung und dem Lkw-Verkehr auf deutschen Straßen gibt. Mithilfe von GPS werden mehrfach täglich Daten

zum Lkw-Verkehr gesammelt und an das Bundesamt für Güterverkehr übermittelt. Die Daten werden anschließend um Saison- und Kalendereffekte von der Deutschen Bundesbank bereinigt. Mit großem Engagement haben alle beteiligten Kooperationspartner den Index, der aus der Experimentierphase heraus ist, in kürzester Zeit weiterentwickelt: Die bisher monatlich gemeldeten Daten stehen seit Anfang April werktäglich zur Verfügung – mit einer vergleichsweise geringen Verzögerung von fünf Tagen zwischen Berichtstag und Veröffentlichung. Um den Lkw-Maut-Fahrleistungsindex besser zu verstehen, kann ein ­Video auf der Internetseite des

Amtes abgerufen werden. Konjunkturstatistische Daten, die auf harten Fakten basieren, das ist ein Novum für die amtliche Statistik: Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger erhalten so eine gute Grundlage für das weitere Vorgehen. Die ökonometrischen Modelle der Konjunkturforscher leben davon, vergangene Entwicklungen in die Zukunft fortzuschreiben. In einer Krise wie der derzeiti­gen stößt ein solcher Ansatz naturgemäß auf seine Grenzen. Kein noch so gutes Modell kann dieses singuläre Ereignis abbilden. Genau deshalb sind die vom Statistischen Bundesamt angebotenen realen statistischen Daten in Echtzeit auch von so besonderer Bedeutung. Diesen Weg wird das Statistische Bundesamt konsequent weitergehen und die Digitalisierung spielt dabei eine entscheidende Rolle. So werden in Zukunft auch von Dritten zur Verfügung gestellte Daten ausgewertet, die z. B. Informationen zur Entwicklung des Online-Handels und zu neu abgeschlossenen Kreditverträgen und Hypotheken geben. Daneben sind viele andere innovative Entwicklungen auf dem Weg, wie beispielsweise Mobilitätsindikatoren auf Basis von Mobilfunkdaten und Schnellmeldungen aus der Au-

Zukunft Personalentwicklung

Schlüsselfaktor eines erfolgreichen Öffentlichen Dienstes 9. – 10. September 2020, Bonn KEYNOTES, u. a.:

Personalentwicklung im Öffentlichen Dienst – aktuelle Entwicklungen und Zukunftsperspektiven Dr. Helmut Teichmann Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

Der Öffentliche Dienst ist kein attraktiver Arbeitgeber? Ändern Sie das!

Arbeit 4.0: Führungsinstrumente für die öffentliche Verwaltung

Dominic Multerer, Autor, Marketing- und Management-Experte

Werner Achtert Geschäftsleitung Public Sector, msg systems ag

Die Verwaltung wird „agil“ – was ist das und welche Auswirkungen hat das auf die Personalentwicklung? Christine Gebler Stadt Heidelberg

ZUKUNFTSWEISENDE THEMEN, u. a.: ► Prozessmanagement: Grundlage für erfolgreiches Personalmanagement?

Prof. Dr. Rolf Ritsert, Deutsche Hochschule der Polizei

► Public Service Motivation: Auswahlkriterium bei der Personalrekrutierung?

Michael Evers, M.A., Deutsche Hochschule der Polizei

► Auswahlverfahren im Lichte der aktuellen Rechtsprechung Sven Ollmann, Rechtsanwalt, bn Rechtsanwälte

► Personalarbeit im Zeichen von Digitalisierung und New Work

Prof. Dr. Jürgen Weibler, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Personalführung und Organisation, Fernuniversität Hagen

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► Immer mehr Aufgaben und immer weniger Leute – Digitalisierung als Lösung?

Dominic Multerer, Autor, Marketing- und Management-Experte

► Gesunde Führung – die Wirkungen auf mich und andere Prof. Dr. Bernhard Badura, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld

► Gesundheitsmanagement in der Praxis

Polizeioberrat Christoph Badenhop, Polizeikommissariat Ronnenberg/Niedersachsen

► Wirkungsvolles Personalmarketing für einen zukunftsfähigen Öffentlichen Dienst

Frank Beck, Berater für strategische Markenentwicklung

und -positionierung mit Fokus auf den öffentlichen Sektor Eine Veranstaltungsreihe des

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de / Suchwort „Zukunft Personalentwicklung“

besonders Strukturdaten über die Bevölkerung und Informationen zur Konjunktur spielen bei politischen Dr. Georg Thiel ist Präsident des Statistischen BundesamAbwägungen und tes in Wiesbaden. Entscheidungen eine wichtige RolFoto: BS/Destatis le. Die Bundesministerien werden durch ein wöchentliches Corona-Dossier über relevante ßenhandelsstatistik. Bei vielen Statistiken und aktuelle Daten indieser Daten handelt es sich um formiert. Die Corona-Sonderseite “Experimentelle Daten”. Diese des Statistischen Bundesamtes, Angebote unterscheiden sich www.destatis.de/Corona, stellt im Reifegrad und in der Qua- die wichtigsten Produkte und relität von amtlichen Statistiken, levante Statistiken zur Verfügung z. B. in Bezug auf die Harmoni- und aktualisiert diese fortlausierung, den Erfassungsbereich fend. Die dominierenden Themen oder die Methodik. Sie bieten zu Wirtschaft, Erwerbstätigkeit, aber den Vorteil, schnell verfüg- Einkommen sind durch Daten bar zu sein und weiterführende zur schulischen Situation, EinAuswertungen zu ermöglichen. kommen, älteren Menschen, zu Wichtig bleibt hierbei, dass die Pflege, Krankheiten und um eine eingesetzten Methoden und Be- Sonderauswertung der Sterbefälle rechnungen transparent sind. erweitert worden. Letztere werden Die Statistischen Ämter des für die derzeitige Krisensituation Bundes und der Länder sind datumsgenau mit einem Verzug deswegen dazu übergegangen, von etwa vier Wochen sehr viel Ergebnisse in Machbarkeitsstu- schneller als bisher veröffentlicht. dien und diesem gesonderten Vorübergehend erfolgt dies ohne Format zu veröffentlichen. Das die sonst üblichen Qualitätsprüexperimentelle Angebot auf der fungen, da die Abweichungen zu Internetseite des Statistischen den später regulär veröffentlichten Bundesamtes finden sie unter Daten in aller Regel minimal sind. www.destatis.de/DE/Service/ Die Nutzerinnen und Nutzer EXDAT/_inhalt.html. nehmen die zusätzlichen AngeboAuch andere Projekte mit Ex- te in der Corona-Krise ­interessiert perimentellen Daten haben im und positiv auf. Das ermutigt die Statistischen Bundesamt durch amtliche Statistik, die derzeitidie aktuelle Situation Rücken- gen neuen Heraus­forderungen wind erfahren. Die Nutzung von als Chance zu nutzen. Die jetzt elektronischen Kassendaten gemachten Erfahrungen zeigen, des Einzelhandels, sogenann- welche zusätzlichen Potenziale in te Scannerdaten, beschreibt der Digitalisierung liegen könbeispielsweise die Nachfrage nen. Die amtliche Statistik wird nach Gütern für die unmittel- dabei die Datenstrategie einer bar zurückliegende Woche nach verantwortungsvollen digitalen ausgewählten Gütergruppen Datennutzung und akkuraten (z. B. Seife, Desinfektionsmittel, Datenbereitstellung konsequent Toilettenpapier). Bewährt sich weiterverfolgen. diese Methode der DatenerheDie amtliche Statistik hat sehr bung, könnten zukünftig für schnell – dank der digitalen diesen Bereich dauerhaft und Möglichkeiten – auf die neuen ohne erheblichen Aufwand In- Anforderungen in der Coronaformationen am aktuellen Rand Krise reagiert. Das Fundament bereitgestellt werden. Durch die für diese Reaktionsfähigkeit sind Nutzung von digitalen Daten Digitalisierung, Kompetenzen können aber nicht nur neue und plattformbasiertes ArbeiDatenangebote generiert wer- ten. Durch ein enges Miteinanden, sie können auch helfen, die der von Datenlieferanten und amtliche Statistik “krisenfest” dem Verbund der Statistischen zu machen. In Zeiten, in denen Ämter von Bund und Ländern z. B. die Preiserheber nicht mehr gilt es, diese Basis konsequent so einfach in die Geschäfte zur auszubauen und den Nutzen Preisermittlung gehen können, der amtlichen Statistik weiter kann eine Preiserhebung durch zu erhöhen.

BSI baut Viren-Schutz Cyber-Behörde stellt Schutzmasken her (BS/stb) Die Cyber-Sicherheitsbehörde BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) leistet dieser Tage ihren Beitrag nicht nur zur Bekämpfung von Computer-Viren. Produziert werden Einzelteile für Schutzmasken, die während der Corona-Pandemie in Kliniken und Krankenhäusern gebraucht werden. Die Behörde nutzt dafür ihren 3D-Drucker und Lasercutter. Rund 400 Gesichtsschilde werden dazu aus einer speziellen Folie herausgeschnitten, außerdem werden wöchentlich rund 20 Kopfbänder 3D-gedruckt. Das Ganze läuft im Rahmen der Ini­ tiative “Maker Versus Virus”, die die Einzelteile zu kompletten Gesichtsmasken zusammensetzt und bundesweit an medizinische Einrichtungen verteilt. Die Initiative lieferte auch die notwendigen Designdaten für Drucker und Cutter.

Kleiner Beitrag in der Krise Dazu sagte BSI-Präsident Arne Schönbohm: “Angesichts der

durch Corona angespannten Lage im Bereich der Ausstattung medizinischer Einrichtungen mit Schutzausrüstung bin ich sehr froh, dass wir unsere technischen Möglichkeiten und Expertise diesmal auch außerhalb unserer eigentlichen Aufgabe der Informationssicherheit einsetzen können.” Eine Massenproduktion kann das Bundesamt verständlicherweise nicht leisten. Die IT-Sicherheitsexperten sind aber froh, einen kleinen Beitrag zu leisten, um das medizinische Personal in Deutschland zu unterstützen. “Wenn alle das tun, was ihnen möglich ist, können wir gemeinsam sehr viel erreichen”, so Schönbohm.


Zahlen & Daten

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Behörden Spiegel / Mai 2020

Einsatzfähigkeit weiterhin gegeben (Behörden Spiegel) Die Corona-Krise setzt Bürger, Wirtschaft und den Staat gleichermaßen unter Druck. Auch wenn ein Teil der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst im Homeoffice arbeitet, muss ein Großteil der Aufgaben außerhalb der eigenen vier Wände verrichtet werden. Dies gilt vor allem für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, bei der Polizei, der Feuerwehr und der Bundeswehr. Nach einem Monat der Kontaktbeschränkung lässt sich Bilanz ziehen, ob die Einsatzfähigkeit noch gewährleistet werden kann. Die Daten wurden im Zeitraum vom 20. April bis zum 27. April (17. Kalenderwoche) erhoben. Bei den Zahlen handelt es sich teilweise um Schätzwerte.

Infizierte bei der Polizei

Einsatzkontingent “Hilfeleistung Corona” der Bundeswehr

150 Soldaten Operationszentrale im KdoTerrAufgBw

2.500 Soldaten Lagerung, Transport und Umschlag von Hilfsgütern

5.500 Soldaten Absicherungs- und Schutzaufgaben

250 Soldaten Desinfektionsaufgaben Bundespolizei Beschäftigte insgesamt Polizei Berlin Beschäftigte insgesamt Polizei Hamburg Beschäftigte insgesamt Bayerische Polizei Beschäftigte insgesamt

48.500 44 infizierte Kräfte

600 Soldaten Ordnungs- und Verkehrsdienst

25.000 14 infizierte Kräfte

15.000

10.800

Soldaten gesamt

39 infizierte Kräfte 43.000 115 infizierte Kräfte 0

10.000

20.000

30.000

40.000

50.000

6.000 Soldaten Unterstützung der Bevölkerung

Quellen: BS/eigene Recherche, Bundespolizei, Polizei Hamburg, Gewerkschaft der Polizei Berlin, Bayerische Polizei

80

Infizierte beim militärischen Personal der Bundeswehr

Infizierte bei den Feuerwehren* Feuerwehr Nordrhein-Westfalens Angehörige insgesamt

Feuerwehr Baden-Württembergs Angehörige insgesamt

Erkrankungen medizinischen Personals Anteil dieser Fälle an allen an das Robert Koch-Institut übermittelten Fällen

12.000 204 infizierte Kräfte

7,5 %

3.500

7%

3 infizierte Kräfte

Feuerwehr Brandenburgs Angehörige insgesamt

5,8 %

1.050 16 infizierte Kräfte

Feuerwehr Schleswig-Holsteins Angehörige insgesamt

Quellen: BS/eigene Recherche

5%

900

3,7 %

0 infizierte Kräfte 0

2.400

4.800

7.200

9.600

12.000

*Angehörige insgesamt (Freiwillige und Berufsfeuerwehr) Quellen: eigene Recherche, Inneministerium Nordrhein-Westfalen, Innenministerium Schleswig-Holstein, Inneministerium Baden-Württemberg, Innenministerium Brandenburg

KW 12

KW 15

KW 16

32.067

Intensivbetten gesamt

13.183

Intensivbetten frei

1.000

KW 14

Auslastung der Intensivbetten in Deutschland

Beispiele ehrenamtlicher Kräfte im Einsatz

ca. 1.000

KW 13

18.884

Intensivbetten belegt

2.541

davon in intensivmedizinischer Behandlung

700

Ehrenamtliche Kräfte im Einsatz in der Corona-Pandemie

Quellen: BS/Robert Koch-Institut (RKI), Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI e. V) Quellen: BS/Technisches Hilfswerk, Malteser Hilfsdienst, Johanniter-Unfall-Hilfe

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Länder

Behörden Spiegel / Mai 2020

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Aufkommen deutlich erhöht

Über 145.000 Anträge bearbeitet

Hamburger Wasserschutzpolizei verzeichnete mehr Strafanzeigen

Die Bezirksregierung Düsseldorf im Krisenmodus

(BS/mfe) Die Corona-Krise wirkt sich auch auf die Arbeit der Hamburger Wasserschutzpolizei aus. Ihre Be- (BS/pet) Die derzeitige COVID-19-Pandemie stellt Politik und Verwaltung vor bisher ungekannte Herausforschäftigten müssen deutlich mehr Strafanzeigen bearbeiten als noch vor Ausbruch der Pandemie. Das ist auf derungen. Die Ausnahmesituation erfordert staatliches Handeln über den regulären Betrieb hinaus, wobei eine Besonderheit in der Hansestadt zurückzuführen. die Einberufung von Krisenstäben nur die naheliegendste Option darstellt. Das tatsächliche Pensum umfasst indes sehr viel mehr, zumal im operativen Bereich der Mittelbehörden. Dort ist ausschließlich die Wasserschutzpolizei für die Verfolgung von Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes zuständig. Und das stadtweit, also auch außerhalb des Hafengebietes. Hier fallen folglich schutz- und kriminalpolizeiliche Aufgaben zusammen. Ordnungswidrigkeiten nach dieser Rechtsvorschrift werden hingegen von der Bußgeldstelle in der Behörde für Inneres und Sport bearbeitet. Zuwiderhandlungen gegen die in der Verordnung vorgesehenen Demonstrationsbeschränkungen und -verbote werden vom Landeskriminalamt (LKA) verfolgt. Der Leiter der Hamburger Wasserschutzpolizei, Karsten Witt, berichtet: “Vor Inkrafttreten der ersten Corona-Eindämmungsverordnung Mitte März hatten wir fast keine Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz zu verfolgen.” Seitdem seien es etwa 2.200 gewesen. “Die meisten davon waren in den ersten 14 Tagen zu verzeichnen”, so der Leitende Polizeidirektor. Das habe aber auch damit zu tun, dass sich mit jeder Veränderung der Verordnung “auch das Handling damit verändert hat”. So habe es in der ersten Rechtsvorschrift zunächst nur Straftatbestände gegeben. Inzwischen sind die meisten Tatbestände der Eindämmungsverordnung in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt worden, erläutert Witt.

Zunächst viele Fälle Und da die Polizei bei Straftaten – anders als bei Ordnungswid-

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ort hatten wir anhand unterschiedlicher Beispiele dargestellt, dass mit dem digitalen Wandel der Gesellschaft individuelle Bedarfe und technische Anforderungen an die dafür erforderliche digitale Infrastruktur, bestehend aus Fest- und Mobilfunknetzen, erwachsen. Diese “Theorie” wird uns derzeit tagtäglich ganz praktisch vor Augen geführt. Die letzten Wochen haben nicht nur den Beweis erbracht, dass Digitalisierung auf nahezu allen Ebenen klappt. Auch die Bedeutung der Digitalisierung wird tagtäglich demon­ striert. Das alles wäre nicht möglich ohne eine hochleistungsfähige Basisinfrastruktur. Wir dürfen nicht länger darüber diskutieren, ob wir einen flächendeckenden Ausbau der Infrastrukturen für die Gigabit-Gesellschaft benötigen, sondern allenfalls darüber, wie wir ihn noch schneller, engagierter und nachhaltiger realisieren.

Ganzheitlich und ressortübergreifend Die Gigabit-Strategie für Rheinland-Pfalz ist daher ganzheitlich und ressortübergreifend: Das Ministerium des Innern und für Sport verantwortet den Breitbandausbau, das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau ist für die Thematiken Mobilfunk/5G verantwortlich. Diese Unterscheidung spielt freilich für den Nutzer, ganz gleich ob privat, institutionell oder gewerblich, keine Rolle. Ihm ist es herzlich egal, wie er online auf Anwendungen und Dienste zugreifen kann: festnetzbasiert, mobil oder via WLAN. Die Landesregierung bekennt sich zum flächendeckenden Netzinfrastrukturwechsel – weg von Kupfer, hin zur Glasfaser. Auf diesem Weg sind wir schon gut vorangekommen: Seit Ende 2010 bis zur aktuellsten Auswertung des Bundes (Mitte 2019) ist ein Zuwachs der mit mind. 50 MBit/s versorgten Haushalte von 81,3

Die Hamburger Wasserschutzpolizei (Foto) hatte kurz nach Inkrafttreten der ersten Corona-Eindämmungsverordnung deutlich mehr Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz zu verfolgen. Diese Aufgabe obliegt ihr im gesamten Stadtgebiet. Foto: BS/Wolfgang.W., CC BY 2.0, flickr.com

rigkeiten – dem Strafverfolgungszwang unterliege, habe es anfangs deutlich höhere Fallzahlen gegeben. Inzwischen müssten nur noch wenige Strafanzeigen nach dem Infektionsschutzgesetz durch die Wasserschutzpolizei, die im Hamburger Stadtgebiet alle Ermittlungsaufgaben nach dem Infektionsschutzgesetz wahrnimmt, bearbeitet werden. Dabei handele es sich zum Beispiel um Fälle, bei denen wissentlich gegen eine behördlich angeordnete Quarantäne verstoßen werde oder wo Läden wiederholt verbotenerweise geöffnet würden, sagt der Leitende Polizeidirektor.

Weniger Grenzkontrollen Deutlich reduziert worden sei die grenzpolizeiliche Arbeit der Hamburger Wasserschutzpolizei. “Sie liegt zwar nicht bei null. Wir merken aber schon, dass die Besatzungsmitglieder Corona-bedingt länger an Bord ihrer Schiffe bleiben und kon­

statieren deshalb eine deutliche Reduzierung des tatsächlichen Grenzverkehrs”, unterstreicht Witt. Schifffahrtspolizeiliche Kontrollen erfolgten derzeit aus Gründen des Eigen- und Fremdschutzes deutlich risikobasierter als früher. Keine Reduzierung habe es bei der Überprüfung von Gefahrgutcontainern gegeben. Grundsätzlich hält der Leiter der Wasserschutzpolizei aber fest: “Wir bemühen uns momentan um möglichst kontaktlose Kontrollen.” Die Eigenschutzmaßnahmen bei der Wasserschutzpolizei unterscheiden sich übrigens nicht von denen der übrigen Hamburger Polizei. Bei Kontakt mit Bürgern tragen die Beamten einen normalen Mund-NasenSchutz. Nur bei Hinweisen auf eine Corona-Infektion oder sofern diese sogar bereits bestätigt ist, werden Schutzmasken der Klassen FFP2 und FFP3 angelegt.

Allein in der Bezirksregierung Düsseldorf waren in den vergangenen Wochen bis zu 350 Mitarbeiter mit der Bearbeitung von Anträgen auf Corona-Soforthilfe beschäftigt. Das Aufkommen fiel mitunter so hoch aus, dass die Belegschaft ihre Arbeit aufs Wochenende ausdehnte, heißt es vonseiten der Bezirksregierung. Freilich bloß virtuell, denn wie in vielen anderen Behörden ist über die Hälfte des Mitarbeiterstabs inzwischen ins Homeoffice gewechselt. Von den insgesamt 145.000 seit Ende März bei der Bezirksregierung eingegangenen Anträgen konnten derart bereits über 130.000 – das entspricht fast 90 Prozent – bewilligt werden.

Haushaltsprüfungen beschleunigt Unterstützung gab es nicht nur für die Corona-gebeutelte Wirtschaft, sondern auch für die Kommunen, deren finanzielle Lage sich angesichts der Corona-Krise rasant verschlechtert hat. Um schnellstmöglich für haushaltsrechtliche Sicherheit zu sorgen, seien bei der Prüfung genehmigungspflichtiger Haushalte “die Verfügungen an die Kommunen schlank geblieben”, erklärte Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher. Vor diesem Hintergrund habe man weitestgehend auf Basis des Sachstandes vor Einsetzen der COVID-19-Pandemie entschieden. Von den insgesamt zehn kreisfreien Städten und fünf Kreisen, die in die Zuständigkeit der Bezirksregierung Düsseldorf fallen,

Im Eilverfahren wurden bisher 130.000 Anträge auf Corona-Soforthilfe durch die Bezirksregierung Düsseldorf bewilligt. Foto: BS/stevepb, pixabay.com

konnten so bereits die Haushalte von Düsseldorf, Duisburg, Essen, Oberhausen, Remscheid, Solingen und Wuppertal sowie der Kreise Mettmann, Neuss und Wesel für 2020 genehmigt werden.

Aktivierung von drei Standby-Einrichtungen Die Hilfe macht sich auch an anderer Stelle geltend. Zur Unterstützung der Kommunen, denen mit Rücksicht auf die aktuelle Notlage vorerst keine Asylbewerber zugewiesen werden, arbeitet die Bezirksregierung derzeit mit Hochdruck an der Aktivierung von drei Standorten zur Aufnahme von Flüchtlingen. Seit Monatsbe-

Gigabit für Rheinland-Pfalz Strategie zum Ausbau der digitalen Infrastruktur verabschiedet (BS/Randolf Stich) Inmitten der Corona-Pandemie hat die rheinland-pfälzische Landesregierung die Gigabit-Strategie für Rheinland-Pfalz verabschiedet. Das klingt zunächst deplatziert, mindestens aber nach einem schlechten Timing der Landesregierung – und doch spiegelt es in gewisser Weise eine Facette der Krise wider, die uns doch mit einer solchen Wucht zur Digitalisierung zwingt, dass das erste Kapitel der druckfrischen Strategie fast schon überholt oder zumindest “veraltet” scheint. Mobilfunknetze voranschreitet und konvergenRandolf Stich ist Staatssekretär im Ministerium des Innern te Gigabit-Netze und für Sport Rheinland-Pfalz entstehen. Die Anund IT-Beauftragter der Lanbindung der Modesregierung. bilfunkstandorte mit Glasfaser ist Foto: BS/MdI, Torsten Silz eine unerlässliche Voraussetzung. Öffentliches WLAN ergänzt mobile Prozentpunkten auf jetzt 88 Pro- Nutzungsformen. Mit “wifi4rlp” zent zu verzeichnen – zweithöchs- unterstützt das Land den Ausbau ter Zuwachs im Bund. Bereits 38,7 von WLAN-Hotspots an öffentliProzent der Haushalte im Land chen Plätzen und touristischen können auf Bandbreiten von mind. Orten. Bei der Weiterentwicklung der einem Gbit/s zugreifen – über Bundesdurchschnitt. Dem Ziel, bis Netzinfrastrukturen folgen wir in 2025 die Grundlagen zu schaffen, der Gigabit-Strategie neun straum allen Bürgerinnen und Bür- tegische Leitbilder, die den Weg gern sowie Unternehmen gigabit- und die Handlungsoptionen hin fähige Anschlüsse auf Grundlage zu einer landesweiten Versorgung hochleistungsfähiger Glasfaser zur mit nachhaltigen digitalen InfraVerfügung zu stellen, kommen wir strukturen aufzeigen. Eine klare Organisation und Rollenverteilung stetig näher. Die Telekommunikationsunter- strukturiert den Infrastrukturnehmen leisten hierbei mit Inves- ausbau hin zu flächendeckenden, titionen in Ertüchtigung und Aus- konvergenten Gigabit-Netzen. Die bau der Netze den Hauptbeitrag. organisatorisch-operativen WeiWo nicht, unterstützen wir den chen hierfür werden durch die Glasfaserausbau. Aktuell befinden Gigabit-Architektur für Rheinlandsich in allen Landkreisen Projekte Pfalz mit ihren vier Säulen gestellt: in der Umsetzung – neue sind be- Dem privatwirtschaftlichen Ausreits geplant. Für die kommenden bau, dem flankierenden, geförSchritte ist es wichtig, dass der derten Ausbau, dem BreitbandBund die Notifizierung des “Graue- Kompetenzzentrum (BKZ) und der Flecken”-Förderprogramms durch Clearingstelle des Landes für den die EU-Kommission vorantreibt. Mobilfunk. Der Bund hat versprochen, noch in diesem Jahr die erforderlichen Vernetzung und Austausch mit allen Akteuren Voraussetzungen zu schaffen. Er steht in der Pflicht. Eine institutionalisierte Struktur Das volle Potenzial der Gigabit- der Koordination und Steuerung Gesellschaft werden wir nur he- mit dem BKZ und verschiedeben, wenn auch der Ausbau der nen Dialogformaten erlaubt die

Vernetzung und den intensiven Austausch mit allen Beteiligten und ermöglicht die Einigung über ein gemeinsames Vorgehen. Das BKZ ist die zentrale Instanz in der politischen, und mit Blick auf den geförderten Ausbau auch in der operativen Gestaltung des Breitbandausbaus und Bindeglied zu den Kommunen, zu EU- und Bundesebene sowie zu allen beteiligten Landesministerien und -behörden. In den vergangenen Jahren haben wir Dialogformate wie das Netzbündnis für Rheinland-Pfalz, den Runden Tisch Breitband in der Zuständigkeit des Innenministeriums und den Runden Tisch Mobilfunk in der Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums etabliert. Hier tritt die Landesregierung mit den im Land aktiven Telekommunikationsunternehmen, deren Verbänden, den rheinland-pfälzischen Kammern sowie den kommunalen Spitzenverbänden auf verschiedenen Ebenen in den direkten Austausch. Das Netzbündnis für Rheinland-Pfalz dient den Beteiligten dazu, gemeinsame strategische Leitlinien zu entwickeln sowie Stellungnahmen zu aktuellen Entwicklungen und Vorhaben im Breitbandausbau zu erarbeiten. Mit dem Treffen der Breitbandkoordinatoren der Landkreise und kreisfreien Städte mit dem BKZ haben wir ein praxisorientiertes, regelmäßig tagendes Format, in dem ein intensiver Austausch über Probleme, Anforderungen und Praxiserfahrungen stattfindet. Die Clearingstelle Mobilfunk im Wirtschaftsministerium ist ein weiterer Baustein, um den speziellen Herausforderungen des Mobil-

funks gerecht zu werden und den Mobilfunkausbau zu erleichtern. Erfolgreiche und etablierte Maßnahmen werden hinsichtlich der neuen Anforderungen an die Gigabit-Gesellschaft weiterentwickelt und mit neuen Angeboten ergänzt. Alle Instrumente und Maßnahmen des Landes dienen dazu, den eigenwirtschaftlichen Ausbau im Festnetz und Mobilfunk weiter zu stimulieren, den ergänzenden, geförderten Ausbau effizient zu gestalten und die beiden Ausbausäulen optimal zu koordinieren. Wir setzen dabei auf eine enge Zusammenarbeit, um von den Wechselwirkungen zwischen Festnetz- und Mobilfunkausbau zu profitieren.

Genehmigungsverfahren weiter harmonisieren und beschleunigen Neben den schon etablierten In­ strumenten wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass zur Stimulierung des privatwirtschaftlichen Ausbaus Genehmigungsverfahren weiter harmonisiert und beschleunigt werden, zum Beispiel durch die Digitalisierung von Genehmigungsverfahren im Zuge der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), hier hat Rheinland-Pfalz die Federführung übernommen. Darüber hinaus wird das Land in der Zusammenarbeit mit der Industrie Anwendungsbeispiele für den Einsatz alternativer Verlegemethoden identifizieren und ergebnisoffen prüfen, ob im Rahmen eines Modellprojektes für den ländlichen Raum positive Praxisbeispiele erarbeitet werden können.

ginn stehen auf dem Gelände des ehemaligen Hauptquartiers der Britischen Streitkräfte (JHQ) in Mönchengladbach-Rheindahlen bis zu 1.000 Betten bereit, bis spätestens Mitte Mai sollen weitere 750 in einer Stand-by-Einrichtung in Weeze folgen und ab Anfang Juni nochmals 350 Betten in einem Teil der ehemaligen Helios-Klinik in Wuppertal. Ob und wann die Standorte tatsächlich bezogen werden, steht derzeit noch nicht fest. Die Aktivierung sei keine Dauerlösung, sagt Radermacher, aufgrund der außergewöhnlichen Situation aber unabdingbar, um der Krise auch im Flüchtlingsbereich zu begegnen.

Weitere Anreize für den privatwirtschaftlichen Ausbau wollen wir über eine Intensivierung der Mitnutzung von vorhandenen oder neu zu errichtenden Infrastrukturen setzen, beispielsweise durch transparenzfördernde Netzdetailpläne. Schon heute fördern wir Mitverlegungsmaßnahmen. Auch eine Förderung der Nachfrage der Endkunden nach GigabitAnschlüssen, zum Beispiel durch eine stärkere Aufklärung über die Möglichkeiten, Potenziale und konkreten digitalen Anwendungsfelder von Gigabit-Anschlüssen, steht auf unserer Agenda. Dies betrifft insbesondere Gewerbetreibende. Ob eine Förderung über Voucher zur Steigerung der Nachfrage von Privathaushalten und Unternehmen zielführend sein kann, untersuchen wir ergebnisoffen. Mit Blick auf den Mobilfunkausbau werden Maßnahmen zur Erleichterung geprüft, beispielsweise die stärkere Nutzung von Landesliegenschaften als Mobilfunkstandorte. Die Clearingstelle Mobilfunk sorgt an der Schnittstelle zwischen Kommunen und Mobilfunkbetreibern für eine neutrale Aufklärung und befördert die Sensibilisierung für den Mobilfunkausbau. Das bestehende Förderregime des Landes wird weiterentwickelt, die bisherigen Erfahrungen werden berücksichtigt und in zukünftige Förderprogramme einfließen. Die Landkreise werden bei der Umsetzung der Förderprogramme weiter eine führende Rolle einnehmen. Ihre Position wollen wir stärken, Beratungen intensivieren. Ausbauzusagen der Telekommunikationsunternehmen im Rahmen der Markterkundungsverfahren brauchen eine stärkere Verbindlichkeit. Das zuvor Beschriebene kann nur einen kurzen Überblick über die rheinland-pfälzische GigabitStrategie geben. Sie finden unsere Strategie unter www.gigabit.rlp.de zum Download.


Länder

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Zwischen Videokonferenz und Brief

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on einer flächendeckenden digitalen Bildung sind wir in Deutschland meilenweit entfernt. Andere Länder haben längst vorgelegt und sind um viele Jahre voraus. Im EUVergleich zu Informations- und Kommunikations-Technologie in Schulen landet Deutschland in vielen Kategorien nicht einmal im Mittelfeld. Nur an knapp jeder vierten weiterführenden Schule können die Lehrenden per schuleigener E-Mail-Adresse Kontakt zu Schüler/-innen halten. An Grundschulen ist die technische Ausstattung noch einmal deutlich schlechter. Über eine virtuelle Lernumgebung verfügt nur jede zehnte deutsche Grundschule und knapp die Hälfte der weiterführenden Schulen. Zum Vergleich: In den nordischen Ländern sind es zwischen 90 und 100 Prozent der Schulen. Doch gerade in diesen Tagen, wenn Präsenzunterricht für viele nicht stattfindet, sind digitale Möglichkeiten des Kontakthaltens und Unterrichtens essenziell. Dabei scheitert es nicht nur an der schulischen Ausstattung, sondern auch die Ausstattung zu Hause mit digitalen Endgeräten und Infrastruktur ist oft nicht ideal für den Heimunterricht. Gerade einkommensschwache Familien oder Familien mit mehreren schulpflichtigen Kindern verfügen häufig nicht über genügend Computer, sodass maximal das Smartphone zur Verfügung

Bildung in Zeiten von Corona (BS/Sandy Jahn*) Er müsse zu viele Löcher gleichzeitig stopfen, klagte mir ein Lehrer kürzlich, als wir über digitale Bildung sprachen. Als Medienbeauftragter seiner Schule liege nicht nur ein medienpädagogisches Konzept sowie die dafür notwendige Hard- und Software in seiner Verantwortung. Er müsse vor allem auch interne Widerstände überwinden: “Einige meiner Kollegen und Kolleginnen – vor allem die älteren – verweigern sich schon gegenüber einer eigenen E-Mail-Adresse.” Das war noch bevor die Corona-Krise den Alltag und den Schulbetrieb so massiv veränderte. Die Folgen der versäumten Digitalisierung des Schulbetriebs spüren wir jetzt vielerorts.

Unterschiede zwischen den Bildungsabschlüssen bei allen Sub-Indizes Grafiken: BS/Initiative D21

steht. Dies ist vor allem deshalb so eklatant, weil der Bildungserfolg immer noch viel zu sehr von der sozialen Herkunft abhängt. Diese Ungleichheiten verschärfen sich durch eine digitale Spaltung im schlimmsten Fall noch weiter. Solche Ungleichheiten zwischen gesellschaftlichen Gruppen wiegen jetzt noch schwerer als sonst. Denn der Zugang zur digitalen Welt, welche in dieser Krise Hauptspielort des schulischen, beruflichen und sozialen Lebens

MELDUNG

RIS3 für Niedersachsen (BS/jf) Um auch in der kommenden EU-Förderperiode von 2021 bis 2027 Gelder aus den Europäischen Fonds für Innovationen einsetzen zu können, hat Niedersachsen eine regionale Innovationsstrategie für intelligente Spezialisierung, kurz RIS3, beschlossen. Auf dieser Grundlage sollen nun Verhandlungen mit der EU-Kommission aufgenommen werden. “Mit unserer Strategie wollen wir die Innovationskraft unseres Landes weiter stärken und Niedersachsen an der Spitze der deutschen Innovationslandschaft platzieren”, erläutert Birgit Honé, Ministerin für Bundes- und Euro-

paangelegenheiten und Regionale Entwicklung. Damit solle der digitale Wandel erfolgreich gestaltet und Niedersachsens Position in diesem wichtigen Zukunftsfeld weiter ausgebaut werden, indem Innovationen in und aus Niedersachsen zu sozial ausgewogener und ressourceneffizienter Wertschöpfung führen und damit einen zentralen Beitrag zum modernen Ausbau und der Verfestigung der heimischen Wirtschaftskraft in dem zweitgrößten Flächenland in Deutschland führen. Die Strategie soll in der kommenden Förderperiode weiterentwickelt werden.

qanuun-aktuell Humor und Zuversicht von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Eine Kolumne in Zeiten von COVID19 schreiben zu wollen, die sich nicht irgendwie mit den Folgen des Virus beschäftigt, ist nahezu unmöglich. Die Folgen dieses Virus beherrschen unseren Alltag und die ganze Welt, politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Etwas, was man mit bloßem Auge nicht erkennen, nicht hören, riechen oder schmecken kann, verdeutlicht uns, dass der Mensch in seinem Tun begrenzt ist, trotz der Flüge ins Weltall, der Reproduktionsmedizin oder der Digitalisierung und der wiederkehrenden Ignoranz ethischer Grenzen. Daraus resultiert ein Bewusstsein partieller Rat- und Hilflosigkeit und möglicherweise auch Überforderung. Das gilt für jeden einzelnen ebenso wie für politisch verantwortliche Menschen. Wir wissen vieles eben nicht und ahnen oder vermuten nur. Wissen und Erkenntnis, also Wissenschaft, kann in diesen Zeiten individuell nicht mit der erforderlichen Geschwindigkeit wachsen, sondern nur gemeinsam über nationale Grenzen hinweg. COVID19 definiert Globalisierung neu. Und dieses Eingeständnis der Ungewissheit würde ich

Behörden Spiegel / Mai 2020

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

mir auch in den Medien wünschen. Täglich werden negative Wirtschaftsprognosen mit düstersten Szenarien auf den Titelseiten beschrieben und damit die ohnehin eher schwache allgemeine Zuversicht noch mehr ausgezehrt. Wir ahnen, dass es wirtschaftlich schwierig werden wird, aber den konkreten Umfang kennen wir (noch) nicht. Das wäre die korrekte Auskunft. Da ist die individuelle Kreativität der Bürger durchaus weiterführender. Humorvolle und nachdenkliche Beiträge, die gegenwärtig in Form von Cartoons oder Videoclips digital versandt werden, stimmen zuversichtlich und lassen einen die gegenwärtige Situation wenigstens für Minuten vergessen.

geworden ist, variiert stark je nach Bildungsabschluss. 97 Prozent der Menschen mit hohem Bildungsabschluss nutzen das Internet, hingegen nur 64 Prozent derjenigen mit niedriger formaler Bildung. Diese Zahlen stammen aus dem jährlich erscheinenden Lagebericht unserer digitalen Gesellschaft, dem D21Digital-Index. Neben dem Zugang zu digitalen Geräten und der Infrastruktur ist ein weiterer Faktor entscheidend: Digitalkompetenzen. Die jugendlichen Schüler/-innen gehen überdurchschnittlich kompetent mit digitalen Anwendungen um – auch das verrät der D21-Digital-Index. Gerade aber jüngere Kinder brauchen noch stärkere Unterstützung. Da kann es einen entscheidenden Unterschied machen, ob die Eltern sich digital kompetent bewegen und zu Hause helfen können oder nicht. Hier drohen besonders diejenigen Kinder weiter abgehängt zu werden, die ohnehin einen

schwereren Start haben. Unsere Erhebungen zeigen, wie stark Kenntnisse und souveräner Umgang digitaler Medien zwischen verschiedenem Bildungsniveau variieren: etwa bei Standardanwendungen, Internetrecherchen, Datenschutzfragen oder dem Erkennen vertrauenswürdiger Informationen. Bei Lehrenden hingegen sind andere Faktoren ausschlaggebend. Bei ihnen kommen einerseits strukturelle Schwierigkeiten zum Tragen, denen sich digitale Bildung gegenübersieht. Besonders entscheidend für den Einsatz digitaler Möglichkeiten sind aber Offenheit und Interesse an Digitalisierung. Bei gleichen Voraussetzungen beobachten wir derzeit, wie stark sich selbst innerhalb einer Klasse die einzelnen Fächer abhängig von der Lehrerin oder dem Lehrer unterscheiden können. Die einen organisieren ihre Klassen in virtuellen Konferenzen, halten über verschiedene Anwendungen Kon-

takt und vergeben individuelle Aufgaben. Die anderen kopieren Arbeitsblätter und verschicken sie dann per Post – wer sich der digitalen Welt nie geöffnet hat, der kann nun ihre Möglichkeiten nicht einsetzen. Wie das eigene Kind derzeit mit Bildung versorgt wird, hängt gerade während der Corona-Krise in erheblichem Maße auch vom Zufall ab. Dies zu ändern, ist eine der drängendsten gesellschaftlichen Aufgaben. In unserer Studie zur Medienbildung an deutschen Schulen haben wir bereits vor einigen Jahren drei wichtige Stellschrauben identifiziert, die nichts an ihrer Aktualität verloren haben: benötigte Infrastruktur bereitstellen, die Medienbildung der Lehrkräfte stärken sowie strukturelle Verankerung von Medienbildung. Es zeigen sich gerade akut die Versäumnisse der letzten Jahre in diesen Bereichen. Was also tun? Ein erster Schritt sollte eine Infrastruktur-Bedarfs-

Unterschiede zwischen den Bildungsabschlüssen in ausgewählten digitalen Kompetenzen

erhebung bei den SchülerInnen sein, um zu gewährleisten, dass alle Zugang zu adäquaten Arbeitsmitteln wie Software und Geräten erhalten, um digital ihrer schulischen Arbeit nachzugehen. Medienkompetenz für Lehrkräfte ist essenziell, um die Möglichkeiten des digitalen Unterrichtens auch nutzen zu können. Es bedarf zentraler adhoc-Schulungen für Lehrkräfte, um den pädagogisch sinnvollen Einsatz digitaler Medien im Unterricht praxisbezogen zu vermitteln. Strukturelle Verankerung in der aktuellen Situation sollte vor allem durch gemeinsam abgestimmte Vorgaben seitens zuständiger Stellen wie Bildungsministerien und KMK geschaffen werden. Es braucht Leitlinien und Empfehlungen, was rechtlich und administrativ in dieser Krise möglich ist. Zum Beispiel, welche digitalen Anwendungen Lehrkräfte nutzen können, um mit ihren Schüler/-innen auch digital in Kontakt zu bleiben. Es liegt derzeit sehr viel Verantwortung bei den Lehrkräften und Eltern, Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Bildung weiter zu ermöglichen. Eine Unterstützung könnte das Einbeziehen zivilgesellschaftlicher Initiativen sein, welche ergänzende Angebote bereithalten und bei Bedarf helfen, Kompetenzlücken bei Schüler/-innen und vielleicht auch deren Eltern und Lehrkräften zu schließen. In herausfordernden Zeiten wie dieser sollten auch die digital Stärkeren die Schwächeren unterhaken und sie ein Stück weit tragen und begleiten. Sicherlich lernt dann auch der eine oder andere den konkreten Nutzen zu schätzen – und vielleicht haben dann wenigstens alle Lehrkräfte nach der Krise eine eigene EMail-Adresse. *Sandy Jahn ist Referentin für Bildung und Digitalkompetenzen bei der Initiative D21 e.V.

Zwischen Gesellschaftsrecht und öffentlichem Auftrag Das Aufsichtsratsmandat im Beteiligungsunternehmen (BS/Lars Scheider*) Wenn eine öffentliche Gebietskörperschaft eine Gesellschaft, die auf den Betrieb eines wirtschaftlichen Unternehmens ausgerichtet ist, gründet oder sich daran beteiligt, ist dies nur möglich, wenn sie im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan einen angemessenen Einfluss erhält. Was logisch klingt, beinhaltet einen Interessenkonflikt. In der Regel werden Beteiligungsunternehmen aufgrund der Pflicht zur Haftungsbegrenzung in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) geführt. Nur selten wird eine Aktiengesellschaft gegründet. Das bedeutet, dass es sich bei den Aufsichtsräten in der Regel um fakultative Aufsichtsräte handelt. Nur bei den großen Beteiligungsunternehmen mit mehr als 500 bzw. 2.000 Mitarbeitern ist aufgrund des Drittelbeteiligungsgesetzes (DrittelbG) bzw. des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) der Aufsichtsrat gesetzlich normiert.

Instrumente einer erfolgreichen Aufsichtsratsarbeit Für ihre Tätigkeit in einem öffentlichen Unternehmen benötigen Aufsichtsratsmitglieder neben branchenspezifischem Wissen verlässliche Kenntnisse über die rechtlichen Rahmenbedingungen im Spannungsfeld zwischen Gesellschaftsrecht und öffentlichem Auftrag, um Entscheidungen sicher treffen zu können. Die Arbeit in Aufsichtsratsgremien geht mit einer Reihe von Rechten und Pflichten für die individuellen Aufsichtsratsmitglieder und das Gremium insgesamt einher, die sich bei öffentlichen Unternehmen typischerweise aus verschiedenen regulativen Rahmenbedingungen (z. B. Public Corporate Governance Kodex, GmbH-Gesetz, Aktiengesetz oder Gemeindeordnung) ableiten. Angesichts

des spezifischen Charakters öffentlicher Unternehmen sind die institutionellen und regulativen Rahmenbedingungen dieser Unternehmen an der Schnittstelle zwischen der privatrechtlichen Regelungssphäre und der öffentlich-rechtlichen Regelungssphäre in der Regel besonders heterogen und komplex.

Persönliches Verhalten entscheidend Dieser Kontext führt zu verschiedenen Herausforderungen für die Gremien und ihre Mitglieder: Unter anderen müssen sich die einzelnen Aufsichtsräte der jeweiligen spezifischen Anforderungen bewusst sein, ihr Verhalten muss sich danach ausrichten, die Abläufe und Strukturen müssen entsprechend den regulativen Anforderungen ausgerichtet sein und schließlich müssen sich Veränderungen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen ebenfalls in einer angepassten Gremienarbeit widerspiegeln. Dabei werden die Vertreter der öffentlichen Hand in den Aufsichtsräten mit sehr unterschiedlichen, oftmals auch schwierigen rechtlichen Anforderungen konfrontiert. Beispielsweise kann die Doppelfunktion als Vertreter der Stadt und als Mitglied des Aufsichtsrats einer Beteiligungsgesellschaft der entsprechenden Gebietskörperschaft zu Interessenkonflikten führen, etwa wenn einerseits die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht, andererseits aber

der Vertreter der Gebietskörperschaft Auskunftsansprüche anmeldet. Die rechtssichere Erfüllung dieser verschiedenen Anforderungen an Aufsichtsräte kann durch eine zielgerichtete und wirtschaftliche Selbstevaluierung der Gremienarbeit spürbar unterstützt werden. Eine (webbasierte) Effizienzprüfung von Aufsichtsratsgremien verspricht gerade bei öffentlichen Unternehmen mit Blick auf die typische Zusammensetzung dieser Gremien mit demokratisch legitimierten Mandatsträgern ein besonders chancenreicher Ansatz zu sein, der mit einem sinnvollen Aufwand-Nutzen-Verhältnis konkrete Entwicklungsbeiträge für die Gremienarbeit vor Ort liefern kann.

Anforderung an das Management Die Frage, wie Unternehmen der öffentlichen Hand geführt (und kontrolliert) werden, hat eine große Bedeutung. Denn die Anforderungen an das Management (und die Überwachung und Kontrolle) öffentlicher Unternehmen sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Entwicklung der Geschäftsführervergütung in öffentlichen Unternehmen zu betrachten. Denn sie ist eines der zentralen Steuerungsinstrumente und somit ein wichtiger Teil der “Good Governance” der öffentlichen Hand. Aber auch

wegen der erhöhten Sensibilität der Öffentlichkeit beim Thema “Managergehälter” unterliegen auch die Geschäftsführerbezüge einer verstärkten Beobachtung. In der Praxis ergeben sich bei dem Thema Geschäftsleitung für die öffentliche Hand auch hier aufgrund des klassischen Spannungsfeldes zwischen Ertragsorientierung versus öffentlichem Zweck komplexe Anforderungen bezüglich der Themen: Auswahl, Anstellung / Bestellung, Vergütung und Abbestellung von Geschäftsführern.

Webinar und Seminar Wie der oben skizzierte Spannungsbogen teilweise widerstreitender Interessen durch gute Aufsichtsratsarbeit erfolgreich umgesetzt werden kann und welche Instrumente dazu zur Verfügung stehen, wird einerseits in einem Webinar des Behörden Spiegel am 22. Juni 2020 von neun bis zwölf Uhr sowie in einem Praxis-Aufsichtsratsseminar des Behörden Spiegel am 25. September 2020 in Berlin erläutert. Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwörter “Aufsichtsrat” und “Beteiligungsmanagement”. *Lars Scheider ist Bankkaufmann, Assessor jur. sowie Verwaltungsdirektor und Abteilungsleiter Beteiligungsmanagement bei der Stadtkämmerei der Stadt Frankfurt a. M.


Finanzen

Behörden Spiegel / Mai 2020

In der Zange

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ehörden Spiegel: Welche finanziellen Auswirkungen hat die Corona-Pandemie bislang für den rund fünf Mrd. Euro umfassenden Haushalt der Stadt Köln?

Diemert: Wir bekommen die finanziellen Auswirkungen gleich mehrfach – wie in einer Zangenbewegung – zu spüren: Da ist sicher an erster Stelle die Entwicklung unserer Steuererträge und -einzahlungen zu nennen. Allein bei der Gewerbesteuer, die mit rund 1,4 Mrd. Euro eigentlich unsere größte Ertragsquelle in Köln darstellt, sind aktuell (Stand 30.04.2020) 891 Anträge auf Stundungen von eigentlich fälligen Gewerbesteuerzahlungen und 1.418 Anträge auf Herabsetzung der laufenden Gewerbesteuervorauszahlungen eingegangen. Das Gesamtvolumen liegt schon heute bei knapp 100 Mio. Euro. Hinzu kommen noch rund 31 Mio. Euro Mindererträge in Zerlegungsfällen, die die Stadt seitens des Finanzamtes erreichen und bei denen das Finanzamt die Herabsetzung von Vorauszahlungen vornimmt. Dies ist aber nur eine Momentaufnahme. Wo wir genau Ende des Jahres liegen werden, lässt sich kaum seriös prognostizieren. Wir haben daher verschiedene Szenarien auf Basis der Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung berechnet und halten in einem mittleren Szenario einen Rückgang von 240 Mio. Euro bzw. 17 Prozent bei der Gewerbesteuer sowie von zehn Prozent bei den sonstigen Steuererträgen, was nochmals rund 90 Mio. ausmacht, für nicht unrealistisch. Parallel haben wir Corona-bedingt in Teilen schon jetzt erheblichen Mehraufwand.

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Kommunale Haushalte in Zeiten der Corona-Pandemie (BS) Die Corona-Pandemie stellt auch sie vor besondere finanzielle Herausforderungen: Wegbrechende Einnahmen und steigende Kosten setzen die kommunalen Haushalte von zwei Seiten unter Druck. Zur Lage bei der Stadt Köln und möglichen Maßnahmen, die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise für die Kommune abzumildern, sprach Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt mit Stadtkämmerin Prof. Dr. Dörte Diemert.

“Die Auswirkungen einer solchen Krise lassen sich nicht durch Umschichtungen oder Sparmaßnahmen im Haushalt abfangen.” Prof. Dr. Dörte Diemert ist seit Januar 2019 Kämmerin der Stadt Köln. Zuvor hatte sie diese Position bereits bei der Stadt Duisburg inne und war dort zuletzt auch Stadtdirektorin. Foto: BS/Stadt Köln

Ich bin fest davon überzeugt, dass das nicht nur menschlich, sondern auch ökonomisch der richtige Weg ist. Wir werden nach der Krise tragfähige Strukturen in Stadtgesellschaft, Wirtschaft und Bevölkerung brauchen. Behörden Spiegel: Städtetag und DStGB fordern einen “Rettungsschirm für Kommunen”. Teilen Sie diese Forderung und was müsste Inhalt eines derartigen Rettungsschirms sein?

erwarten kann. Trotzdem bin ich davon überzeugt: Diese Konsolidierungsbemühungen sind nicht umsonst, denn sie haben es uns ermöglicht, dass wir in der Krise angemessen und zielgerichtet reagieren können. Behörden Spiegel: Die Forderung nach dem Rettungsschirm zeigt auch, dass es hierzulande eine strukturelle Schwäche bei der Staatsfinanzierung gibt, wenn Städte, Gemeinden und Landkreise nicht in der Lage sind, sich “am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen”. Brauchen wir im Nachgang zur Krise eine grundlegende Neuausrichtung der Finanzausstattung der Kommunen in Deutschland, um den Kommunen generell mehr Handlungsspielräume zu geben, aber diese auch besser für zukünftige Krisen zu wappnen?

solchen Krise lassen sich nicht durch Umschichtungen oder Sparmaßnahmen im Haushalt Diemert: Eindeutiges Ja! Wir abfangen. Gleichwohl nehmen nehmen unsere Verantwortung Diemert: Städte und Gemeinwir unsere Verantwortung hier vor Ort sehr ernst. Ich setze da­ den sind – verfassungsrechtlich vor Ort ernst. Das gebietet es, rauf, dass wir mit den finanzi- – Teile der Länder. Das hat leider alle personellen und finanziel- ellen Folgen nicht allein gelas- allzu häufig zur Folge, dass der len Ressourcen soweit möglich sen werden. Die aktuell in NRW schwarze Peter, wer für finanziauf die Krisenbewältigung sowie diskutierte Bilanzierungshilfe elle Lasten aufkommt, zwischen die Sicherung f ü r C o r o n a - Bund und Ländern hin- und herunserer Strukbedingte Fi- geschoben wird. Nehmen Sie nur turen zu konnanzschäden die Diskussion über Altschulden. “Warum bringt der zentrieren. Um schafft zwar Ich bin fest davon überzeugt, Bund nicht endlich das zu begleik u r z f r i s t i g dass die Bürgerinnen und Bürger die Aufstockung bei Ent­lastung im für diese ewigen Finanzdebatten ten, habe ich s t ä d t i s c h e n kein Verständnis haben. schon frühzeiden Kosten der Demokratie wird vor Ort gelebt Haushalt, aber tig eine VerfüUnterkunft auf den sie verschiebt und wir müssen sicherstellen, gung mit entWeg?” Behörden Spiegel: Mit welchen d i e L a s t e n dass wir vor Ort – unabhängig sprechenden weiteren Belastungen rechnen letztlich nur in von Himmelsrichtung und WohnBehörden Spiegel: Welche Regeln für die Sie? Maßnahmen kann denn die Stadt Haushaltsbewirtschaftung in zukünftige Haushaltsperioden. ort – die notwendigen Finanzselbst ergreifen, um die finan- der Krise erlassen. Jetzt wird Ich wünsche mir hier klare Sig- mittel zur Verfügung haben, um Diemert: Natürlich trifft diese ziellen Folgen der Corona-Krise geprüft, was gemacht werden nale und eine spürbare und vor eine kraftvolle Selbstverwaltung Pandemie nicht nur die Stadt, abzumildern? muss und wie nicht zwingend allem echte Entlastung durch sicherzustellen. Wir brauchen sondern auch unsere Unternehbenötigte Mittel für Krisenbewäl- Bund und Land: Dafür gibt es wirtschaftliche WachstumskerDiemert: Uns allen muss klar tigung und Struktursicherung viele Wege. Ein erster Schritt ne, wie z. B. die Metropolregion men. So bleibt etwa beim Flughafen ein Großteil der Flugzeuge sein: Die Auswirkungen einer umgeschichtet werden können. sollten direkte Zuschüsse für die Rheinland, aber wir brauchen Städte und Gemeinden zur Ab- auch eine flächendeckende Vermilderung der finanziellen Lasten sorgung unserer Bevölkerung. sein. Wichtig ist aber auch, die Und auch in strukturschwachen Einbrüche beim kommunalen Fi- Regionen sind die hohen Sozialnanzausgleich zu kompensieren, lasten eine große Bürde, die noch die unsere Lage sonst noch zu- stärker in den Blick genommen Kosten steigen erneut sätzlich erschweren werden. Und werden muss. (BS/lkm) Im Haushaltsjahr 2019 sind die durch den getrennten Regierungssitz in Bonn und Berlin entstandenen Kosten um mehr als eine Millionen warum bringt der Bund nicht Euro auf 9,1 Millionen Euro angestiegen. Als Hauptgrund für die Kostensteigerung gibt die Bundesregierung – wie auch schon im Vorgängerbericht endlich die Aufstockung bei den Behörden Spiegel: Momentan – die Insolvenz der Air-Berlin-Fluglinie an. Das geht aus dem aktuellen Teilungskostenbericht der Bundesregierung hervor, der dem Behörden Kosten der Unterkunft auf den “fahren” Sie den Krisenmodus, Spiegel vorliegt. Weg? Das wäre eine zielgerichtete welche großen strategischen Pround nachhaltige Hilfe angesichts jekte wollen Sie als Kämmerin in Seit 20 Jahren sind sowohl 19.849 zu verzeichnen. Die Aus- und dem Entwicklungsminis- sen gesunken ist, wurden die steigender Transferbelastungen. Köln angehen, wenn die Krise einmal hinter uns liegt? Berlin als auch Bonn Sitz der gaben für die Dienstreisen sind terium mit 1.978 Dienstreisten, weitere Verlagerung von (Plan-) Behörden Spiegel: Inwieweit Bundesregierung. Sechs Bun- gegenüber dem letzten Bericht die mit rund 1,1 Mio. Euro zu Stellen von Bonn nach Berlin Diemert: Ich hoffe, dass wir desministerien haben noch ihren jedoch um 1,4 Millionen Euro Buche schlugen. Im Bundes- sowie die vermehrte Nutzung von werden durch diese Krise die Hauptsitz in Bonn. Die anderen (rd. 26,1 Prozent) auf 6,7 Mil- justizministerium waren mit 37 Video- und Telefonkonferenzen Konsolidierungsbemühungen des einige wichtige Projekte zu Ende letzten Jahrzehnts und der kom- führen können – z. B. die EvaluBundesministerien mit Hauptsitz lionen Euro gestiegen. Hierfür Dienstreisen 2019 die wenigsten als Grund angegeben. Für die Bonner Abgeordneten menden Jahre gewissermaßen ation unseres Public Corporate in Berlin haben einen zweiten werden von nahezu allen be- Dienstreisen zwischen den beiGovernance Kodex, also unserer Dienstsitz in Bonn. Diese Auftei- troffenen Ressorts die Insolvenz den Regierungssitzen notwendig. Katja Dörner (Grüne), Alexander über Nacht zunichtegemacht? lung führt auch im Zeitalter von von Air Berlin und der Wegfall Hier wurden nur rund 9.000 Graf Lambsdorff (FDP), Sebas­ Leitlinien für gute UnternehTelefonkonferenzen nach wie vor des Shuttle-Betriebes als Grund Euro für Dienstreisen zwischen tian Hartmann (SPD), Alexander Diemert: Wir haben bei der mensführung. Angesichts unNeu (Die Linke), Norbert Röttgen Konsolidierung des Kölner Haus- seres Investitionsstaus habe ich zu hohen Kosten für Dienstreisen genannt. Dies habe zur Folge, Bonn und Berlin ausgegeben. Als Grund für den Anstieg der (CDU), Nicole Westig (FDP) und halts in den letzten Jahren gro- mich im Übrigen entschieden, zwischen den Regierungssitzen. dass auf weniger kostengünstige Die sogenannten Teilungskosten Linienflüge bzw. auf die Bahn bei Dienstreisen in einzelnen Res- Elisabeth Winkelmeier-Becker ße Fortschritte gemacht. Unser Investitionen von unserer Krisenwerden alle zwei Jahre im Tei- der Durchführung der Dienstrei- sorts nennt der Bericht “pro- (CDU) zeigt der Bericht, dass die Jahresabschluss zeigt, dass der bewirtschaftung ausdrücklich lungskostenbericht unter der sen ausgewichen werden musste. jektbezogene Anlässe” sowie Arbeitsteilung zwischen Bonn Haushaltsausgleich in greifbarer auszunehmen. Denn gerade bei Federführung des Bundesfinanz- So sei es nicht nur zu erhöhten “den zum Teil erheblichen Per- und Berlin funktioniere. “Sie Nähe war. Für die Zukunft wird der Infrastruktur – ich denke ministeriums dokumentiert. Flugkosten, sondern auch zu sonalaufwuchs”. Aufgrund der kann durch weitere Verbesse- es nun ganz entscheidend darauf nur an unsere Schulen, Kitas, Dem aktuellen Bericht zufol- einer Verlängerung der Dienst- Einstellung neuer Beschäftigter rungen und stetige Nutzungen ankommen, wie heftig und wie Brücken, Straßen und Fahrge konnten Ausgaben z. B. bei reisen und damit zu insgesamt in Berlin seien z. B. Unterstüt- von technischen Möglichkeiten lange die Corona-Krise unseren radwege – haben wir massiven Verbrauchsmitteln, Ausstattung höheren Reisekosten gekommen. zungen durch Bonner Kollegin- noch optimiert werden und damit Haushalt durcheinanderwirbelt Handlungsbedarf. Außerdem und Unterhalt von GrundstüDer Bericht zeigt aber auch, nen und Kollegen erforderlich zu weiteren Kostenersparnissen – und welche Hilfen die Stadt sind gleich mehrere große Kulcken reduziert werden. Dage- dass alle Ressorts bestrebt sind, gewesen. Für die Ressorts, bei beitragen“, erklärten die Abge- bei der Bewältigung der finan- turprojekte in der Pipeline. Auch gen stiegen sie bei Bezügen von Dienstreisen zwischen beiden denen die Anzahl der Dienstrei- ordneten. ziellen Folgen dieser Pandemie das wird wichtige Impulse setzen! Beamten, Nebenleistungen der Standorten weiterhin zu reduBeamten, Trennungsgeld, Fahrt- zieren. Vor allem sei hier noch kostenzuschüssen und Umzugs- mehr auf die Durchführung von kostenvergütung. Video- und Telefonkonferenzen zu setzten. Fast alle Ressorts Erneut mehr Personalkonnten durch technische Opaufwuchs in Berlin timierungsmöglichkeiten EffiziDer Bericht zeigt zudem, dass enzsteigerungen erreichen, Komsich die Aufteilung beim Personal munikationswege zwischen Bonn weiter zugunsten des Dienstsit- und Berlin konnten beschleunigt Forum für Kämmerei und Kassenwesen, Beteiligungen, Personal, Organisation und Rechnungsprüfung zes Berlin entwickelt. Im Ver- werden. Ebenfalls konnten neue gleich zu 2017 mit 33,1 Prozent Spielräume für mobiles Arbeiten sinkt der Anteil für Bonn auf und flexible Arbeitszeiten zur 26. – 27. Oktober 2020, Rheinhotel Dreesen 30,5 Prozent. “Diese seit Jahren Optimierung der Abläufe genutzt schleichende Entwicklung ist werden. ein klarer Verstoß gegen die im Bonn/Berlin-Gesetz niederge- Verteidigungsministerium Spitzenreiter bei Dienstreisen legten Grundsätze. Bonn muss Referenten, u. a.: das zweite politische Zentrum Die meisten Dienstreisen zwider Bundesrepublik bleiben”, schen Bonn und Berlin und daLutz Lienenkämper, Dirk Käsbach, Dr. Isabell Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio, fordern parteiübergreifend meh- mit die höchsten Teilungskosten Minister der Finanzen Erster Beigeordneter Nehmeyer-Srocke, Richter des Bundesrere Bonner Bundestagsabge- verbuchte das Verteidigungsmides Landes und Kämmerer, Amtsleiterin der verfassungsgerichts a.D. Nordrhein-Westfalen Stadt Königswinter Kämmerei, Stadt Köln (Zweiter Senat) ordnete in einem gemeinsamen nisterium mit 4.375 Dienstreisen Statement. bzw. knapp 1,6 Millionen Euro 2019 ist gegenüber 2017 eine Teilungskosten, gefolgt vom GeReduzierung der Dienstreisen sundheitsministerium mit 2.420 Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.finanz-gipfel.de Veranstalter um 2.481 (11,1 Prozent) auf Dienstreisten (659.000 Euro) Das reicht von der Beschaffung persönlicher Schutzausrüstung über die Kosten für zusätzliches medizinisches Personal bis hin zur Schaffung von besonderen Covid-19-Zentren und Isolations- und Quarantäne-Einrichtungen. Langfristig müssen wir uns außerdem auf deutlich steigende Kosten der Unterkunft infolge steigender Arbeitslosenzahlen einstellen. Hier rechnen unsere Fachleute nach derzeitiger Schätzung mit einem Mehraufwand in Höhe von 40 bis 60 Mio. Euro. Das sind nur einige Beispiele.

am Boden und die Kölner Messe hat bis zum Sommer alle großen Veranstaltungen abgesagt. Allein die Verkehrsbetriebe rechnen in diesem Jahr mit Mindererträgen von 50 Mio. Euro und der Zoo war und unsere Bühnen und die Bäder sind geschlossen und erwirtschaften keine Erträge. Neben mittelfristigen Effekten, wie geringeren bzw. ausfallenden Ausschüttungen oder möglichen Handlungserfordernissen durch Eigenkapitalzuführungen bzw. erhöhten Betriebskostenzuschüssen, gilt mein Hauptaugenmerk hier aktuell der Sicherstellung der Liquidität.

Geteilter Regierungssitz

Kommunaler Finanzgipfel

Unterstützung Weiterbildung Erfahrungsaustausch


Beschaffung / Vergaberecht

Seite 10

Entscheidung bestätigt

Behörden Spiegel / Mai 2020

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Keine Fusion von Remondis und DSD GmbH (BS/jf) Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat eine Beschwerde des Entsorgungsunternehmens Remondis zu einer Entscheidung des Bundeskartellamtes zurückgewiesen. Die Reaktionen fallen gemischt aus. ternehmen mit. Zudem Die Bundesbehörde hätte das Gericht die hatte dem Unternehinzwischen erheblich men den Zusammenschluss mit der Dualen verringerten MarktanSystem Deutschland teile von DSD auf unter GmbH (DSD) im letz19 Prozent nicht beten Sommer untersagt. rücksichtigt. Zudem Die Wettbewerbshüter gebe es sechs weitere sahen den wirksamen Duale Systeme, die für Wettbewerb in der einen funktionierenden Abfallentsorgung von Wettbewerb in diesem VerkaufsverpackunMarktsegment sorgen gen aus Leichtverpawürden. ckungen, Hohlglas Anders der Vizepräund Papier-Pappesident des Verbandes kommunaler UnterKartonagen erheblich nehmen (VKU), Patrick behindert. Durch die Fusion wäre Remondis Hasenkamp, der die in der Lage gewesen, Entscheidung des Gebei Ausschreibungen richts für richtig hält: v o n E n t s o r g u n g s - Der Würfel ist gefallen: Das OLG Düsseldorf hat dem Bundes- “Das Amt hat seine leistungen in einem kartellamt zugestimmt und eine Beschwerde zum Fusionsverbot Entscheidung fundiert Großteil des Marktes von Remondis und der DSD GmbH zurückgewiesen. und nachvollziehbar – etwa 70 Prozent aller Foto: BS/S. Hofschläger, pixelio.de begründet. Aus Sicht der kommunalen AbVergaben – deutlich bessere Angebote für öffentliche tung könnten vollumfänglich auf fallwirtschaft ist die Sache ebenAuftraggeber abzugeben. Hö- andere Aufbereitungsanlagen des falls eindeutig: Hätten die beihere Kosten für Wettbewerber, Unternehmens verlagert werden, den Marktriesen Remondis und erhebliche Marktanteilsgewinne so die Richter des Kartellsenats DSD fusioniert, wäre eine neue von DSD bis zur Verdrängung unter Vorsitz von Prof. Dr. Jür- Schwelle der Marktmacht übervon Wettbewerbern und letztlich gen Kühnen. Auch die weiteren schritten gewesen. Mutter- und höhere Preise bei der Entsorgung vorgeschlagenen Maßnahmen Tochterunternehmen hätten sich von Verpackungen wären die Fol- würden “nicht mit der erforderli- gegenseitig maßgeschneiderte gen gewesen. Diese Auffassung chen Wahrscheinlichkeit zu einer Angebote zuspielen und dadurch teilte nun der erste Kartellsenat Verlagerung von Marktanteilen Mitbewerber praktisch ausschalauf Wettbewerber führen und ten können.” Der Zusammendes Düsseldorfer Gerichts. “Jedenfalls auf dem Markt für liefen überdies auf eine unzu- schluss wäre ein Katalysator für die Vermarktung von aufbereite- lässige laufende Verhaltenskon- die ohnehin bestehende Erosion ten Hohlglasscherben würden die trolle hinaus”. Deshalb lägen des Wettbewerbs auf dem Entbeteiligten Unternehmen durch die Voraussetzungen für eine sorgungsmarkt gewesen, so der ihren Zusammenschluss eine Untersagung der Fusion vor. Vizepräsident weiter. Durch die Marktkonzentration würden in marktbeherrschende Stellung erlangen”, ist der Kartellsenat Katalysator für einigen Regionen viele oder sogar Wettbewerbserosion überzeugt. Dieser Gefahr könnalle anderen Marktteilnehmer ten die von den Unternehmen Obwohl die schriftliche Begrün- verdrängt werden, wodurch die angebotenen Nebenbestimmun- dung noch nicht vorliegt, kann Gesetze des Marktes außer Kraft gen nicht ausreichend begegnen. das in Lünen ansässige Unter- gesetzt würden. Gegen diesen Beschluss ist keiRemondis hatte angekündigt, nehmen die Entscheidung nicht zwei Aufbereitungsanlagen zu nachvollziehen. Sowohl die von ne weitere Beschwerde möglich. verkaufen. Dadurch würde DSD mit dem Übernahmeprozess Damit bleibt die Frage, ob DSD der Marktanteil der Fusions- beauftragten Juristen als auch von mehreren privatwirtschaftbeteiligten nicht dauerhaft ab- die Anwälte von Remondis seien lichen und/oder kommunalen schmelzen. Die betreffenden von einem positiven Ausgang Entsorgungsunternehmen aufKapazitäten zur Glasaufberei- überzeugt gewesen, teilte das Un- gekauft wird.

Bewerbungsphase hat begonnen BME kürt innovative öffentliche Auftraggeber (BS/jf) Der Award “Innovation schafft Vorsprung” geht in eine neue Runde. Bis 9. Oktober 2020 haben öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, sich um die unter Vergabestellen begehrte Trophäe zu bewerben. Der Preis wird in zwei Kategorien vergeben. Der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME) zeichnet beispielhafte Lösungen öffentlicher Auftragge-

ber bei der Beschaffung aus, die entweder innovative Produkte und Dienstleistungen beschafft haben oder den Vergabeprozess

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen

innovativ gestaltet haben. Der Award, um den sich sowohl klassische Verwaltungen von Bund, Ländern, Kommunen oder die Sozialversicherungsträger als auch öffentliche Unternehmen und Institutionen bewerben können, steht unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Der Hausherr, Minister Peter Altmaier, betont: “Innovationen im öffentlichen Beschaffungswesen sind ein wichtiger Aspekt der Innovationspolitik des Bundeswirtschaftsministeriums.” Um die besonderen Herausforderungen zu würdigen, die mit dem Engagement zur Investitionssteigerung durch die öffentlichen Auftraggeber verbunden sind, erhalten die Gewinner der beiden Kategorien jeweils einen Gutschein für Beratungsleistungen in Höhe von 10.000 Euro. Für die Teilnahme müssen Bewerber ein Konzept in einem der beiden Kategorien einreichen, aus dem hervorgeht, wie das Projekt in der Praxis umgesetzt wurde und zu welchen dauerhaften Effizienzsteigerungen es geführt hat. Dabei ist eine maximale Länge von 20 Seiten zu beachten. Weitere Informationen unter www.bme.de, Menüpunkt “Initiativen”, Rubrik “Förderpreise und Awards”

► DIN-NOVELLE

Die alte Norm Überlappende Zertifizierung Der Auftraggeber schreibt Bewachungsleistungen aus, für die er von den Bietern erwartet, dass der Auftrag “in Anlehnung” an DIN 77200 auszuführen sei. Diese Norm ist im November 2017 novelliert worden. Seitdem wirkt sie nicht mehr auf den einzelnen Auftrag, sondern bewertet das Unternehmen als Ganzes. Außerdem wird in der Neufassung ein höherer Ausbildungsstandard der Mitarbeiter gefordert, der erhöhte Personalkosten nach sich zieht. Ein Bieter legte unaufgefordert seinem Angebot ein Zertifikat bei, das ihm die Einhaltung der Norm bestätigt. Das Zertifikat ist allerdings vom August 2017 und bezieht sich noch auf die alte Fassung der Norm, weist aber einen Gültigkeitszeitraum bis Juli 2020 aus. Dass der Auftraggeber diesem Bieter den Zuschlag erteilen will, erregt den Argwohn eines Konkurrenten, der meint, das Zertifikat sei veraltet und zeige eine mangelnde Eignung. Die Vergabekammer wertet die Forderung nach Anlehnung an die Norm nicht als Eignungskriterium, sondern als Ausführungsbestimmung. Doch auch sie sieht das alte Zertifikat kritisch. Auch wenn das Zertifikat unaufgefordert vorgelegt wurde, könne es nicht unbeachtet bleiben. Schließlich könnte es auch so verstanden werden, dass der Bieter aktuell noch nach der alten und nicht nach der neuen Norm arbeitet oder arbeiten will. Weil das auch auf die Kalkulationsgrundlagen Auswirkungen hat, wären die Angebote dann nicht vergleichbar. Deswegen versetzt die Vergabekammer das Verfahren zurück und gibt dem Auftraggeber auf, vor einer Vergabeentscheidung aufzuklären, was der Bieter mit der Beifügung des Zertifikates eigentlich dokumentieren wollte. VK Bund (Beschl. v. 27.11.2019, Az.: VK 2-84/19)

► NEUWARE

Gebrauchte Telefone Konzessionsrückläufer unerwünscht Die Justizverwaltung will in den Justizvollzugsanstalten die Kommunikationsanlage für die Insassen neu organisieren. Bisher waren zwar die Leitungen im Eigentum des Landes, Endgeräte und Vermittlungsrechner aber gehörten einem Konzessionär. Künftig will das Land die Anlage in Eigenregie mit eigenen Geräten betreiben. Diese Einrichtung eines neuen Kommunikationssystems schrieb sie aus. Das System sollte parallel zur Bestandsanlage aufgebaut werden und zu einem Stichtag nahtlos aufgeschaltet werden. Es gingen mehrere Angebote ein, wobei dasjenige des aktuellen Konzessionärs sich als ungewöhnlich niedrig erwies. In einem Aufklärungsgespräch kam der Grund heraus: Ohne dass es im Angebot erwähnt worden wäre, wollte der Bieter die steuerlich bereits vollständig abgeschriebenen Bestandsanlagen weiterverwenden. Der Auftraggeber schloss das Angebot aus. Zu Recht, sagt das OLG Naumburg. Die Ausschreibung habe für einen verständigen Bieter hinreichend deutlich gemacht,

dass neuwertige Geräte zu verbauen sind. Anders wäre schon der Aufbau der Neuanlage parallel zur alten gar nicht möglich. Sollten gebrauchte Güter zulässig sein, so müsse ferner aus Gründen der Gleichbehandlung dafür auch immer ein qualitatives Wertungsmerkmal vorhanden sein, mit dem Unterschiede im Alter der Ware in den verschiednen Angeboten vergleichbar gemacht werden. Fehlt ein solches Kriterium, müsse ein Leistungsverzeichnis grundsätzlich so gelesen werden, dass neue Ware zu liefern sei. Dass der Bieter in seinem Angebot die Weiternutzung der alten Apparate nicht kenntlich gemacht hatte, stelle eine (ggf. fahrlässige) Täuschung dar, die den Ausschluss rechtfertigt. OLG Naumburg (Beschl. v. 09.08.2019, Az.: 7 Verg 1/19)

► PRÄSENTATION

Wertung bleibt möglich Auf die Darstellung kommt es an Im Juli 2019 war an dieser Stelle von einer Entscheidung der VK Südbayern berichtet worden, die vielfach missverstanden wurde. Man las daraus, dass mündliche Präsentationen nicht mehr bewertet werden dürften. Dieser Sichtweise tritt nun die VK Bund entgegen. Hier berief sich ein Bieter, dessen Präsentation schlecht bewertet wurde, auf die SüdbayernEntscheidung: Es hätten keine Wertungspunkte anhand seines Vortrages erteilt werden dürfen. Vielmehr sei seine Tischvorlage als Bewertungsgrundlage he­ ranzuziehen gewesen. Allerdings hatte der Auftraggeber bei der Einladung zur Präsentation ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er Tischvorlagen gerade nicht bewerten werde. Die VK Bund gibt dem Auftraggeber recht. Eine Bewertung der Präsentation sei möglich. Sie widerspreche nicht dem Verbot der Abgabe mündlicher Angebote. Vielmehr ließe die VgV mündliche Kommunikation ausdrücklich zu, sofern sie hinreichend dokumentiert werde. Der vermeintliche Widerspruch zwischen den Entscheidungen der beiden Vergabekammern löst sich bei näherer Betrachtung auf: In Bayern ersetzte ein Bieter unzulässig die ausdrücklich geforderte Tischvorlage mit Angaben zum Zielerreichungsgrad einiger Kriterien durch einen mündlichen Vortrag. Im Bund hingegen ging es um die Stringenz der Präsentation selbst. Die harten Fakten waren bereits mit dem Angebot abgefragt worden. VK Bund (Beschl. v. 22.11.2019, Az.: VK 1-83/19)

► NORM

Zertifikat zu alt Kleingedrucktes ist entscheidend Für die Lieferung von Metallkörben von Gabionen hatte der Auftraggeber eine bestimmte Stabilität vorausgesetzt. Dafür sollten die Körbe den Anforderungen der DIN EN 13383 entsprechen. Diese Norm sieht nun aber keine bestimmten Produkteigenschaften vor, sondern eine bestimmte Herstellungsweise. Das heißt: Die Konformität mit der Norm kann nicht durch Prüfung eines Musters ermittelt werden, sondern

der Auftraggeber muss sich auf das Zertifikat eines Prüfers verlassen, der den Herstellungsbetrieb überwacht hat. Im konkreten Fall wirft nun der Zweitplatzierte dem Ersten vor, er verletze mehrere geforderten Normen. Vor der Vergabekammer entspinnt sich ein umfänglicher Streit darüber, welche Verzinkungsvariante durch welche Methode auf Beständigkeit geprüft werden müsse bzw. dürfe. Und ob denn das Zertifikat über die Einhaltung der DIN EN 13383 inhaltlich genüge. Die Vergabekammer aber findet den entscheidenden Hebel zur Lösung des Streites an ganz anderer Stelle. In einem Anhang zur Norm heißt es nämlich, dass der Betrieb alle zwei Jahre zu prüfen sei. Das hatten alle Beteiligten zuvor nicht bemerkt. Das erst aufgrund einer Nachforderung vorgelegte, neun Jahre alte unbefristete Zertifikat ist demnach nicht mehr gültig. Weil eine wiederholte Nachforderung unzulässig ist, führt das in den zwingenden Ausschluss des Bieters. VK Südbayern (Beschl. v. 12.08.2019, Az.: Z3-3-3194-111-03/19)

► MINDESTLOHN

Es kommt auf den Cent an Richtigen Tarif anwenden In der Ausschreibung für Gebäudereinigungsleistungen hatte der Auftraggeber den Bietern vorgegeben, sie sollten ihre Löhne anhand des gültigen Mindestlohnes kalkulieren und diese Kalkulation nachweisen. Weil zwischen Ausschreibung und Leistungsbeginn ein neuer Tarif in Kraft treten wird, hatten mehrere Bieter nachgefragt, welchen sie zugrunde legen sollten: Den aktuellen oder denjenigen, der im Zeitpunkt der Leistungserbringung gelten wird. Die Antwort, dass der künftige anzuwenden sei, hat ein Bieter übersehen und mit dem aktuellen, niedrigeren Lohn kalkuliert. In der Angebotsprüfung fiel der Fehler auf, worauf der Auftraggeber dem Bieter die Gelegenheit gab, seine Kalkulation auf den höheren Mindestlohn hin umzuarbeiten. Auch nach der daraus resultierenden Steigerung des Angebotspreises liegt dieser Bieter noch immer klar auf dem ersten Platz und ist für den Zuschlag vorgesehen. Der Zweitplazierte, der offenbar von der Überarbeitung Wind bekam, beantragt die Nachprüfung: Das Angebot des Ersten hätte nicht “nachgebessert” werden dürfen (wobei es sich ja eher verschlechtert hat). Die Vergabekammer sieht das genau so. Auch wenn der Mindestlohn nur um 24 Cent abweicht, so ist das doch kein unwesentlicher Preis, selbst dann nicht, wenn sich die Angebotsreihenfolge nicht ändert. Denn auf ihm baut ein Großteil der Kalkulation auf. Das Angebot wäre auszuschließen gewesen. VK Lüneburg (Beschl. v. 29.10.2019, Az.: VgK-38/2019)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

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Organigramm

Behörden Spiegel / Mai 2020

Seite 11

Senatskanzlei Hamburg ANSCHRIFT Senat der Freien und Hansestadt Hamburg Senatskanzlei Rathausmarkt 1 + Hermannstr. 15 20095 Hamburg Hamburgservice 42828-0 Tel: 040/42831-Durchwahl vorname.nachname@sk.hamburg.de

BgmII Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank II-P1 Marcel Kreykenbohm II-P2 Karsten Vollrath

Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund Jägerstraße 1–3, 10117 Berlin Tel: 030/20646-0 Tel: 042831/2322 oder -2532 vorname.nachname@lv.hamburg.de

-2021

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Senatskanzlei Hamburg Stand: April 2020

Präsident des Senats BgmI Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher

Büro des Ersten Bürgermeisters P 1 Büroleiter Daniel Stricker P 2 Terminreferentin Sandra Wedemeyer-Weiss P 3 Persönlicher Referent Dr. Marcus Merkenich P 4 Leitungsassistenz Malina Müller-Eberstein Bürgerbüro BO 1 René Alfeis BO 2 Kirsten Seemann BO 4 Heiko Voß

Foto: BS/© Ronald Sawatzki / Senatskanzlei Hamburg

-2125

SVSK Chef der Senatskanzlei Staatsrat Jan Pörksen

-2014 -2023 -2530 -2012

BV Bevollmächtigte beim Bund, bei der Europäischen Union und für Auswärtige Angelegenheiten Staatsrätin Almut Möller 030/20646100

-2006 -2412 -2411

PL Planungsstab

ITD Amt für IT und Digitalisierung

PR Pressestelle des Senats

ST Staatsamt

Vertretung der FHH beim Bund

LPL Dr. Christopher Schwieger

LITD Christian Pfromm

LPR Marcel Schweitzer

LST Corinna Nienstedt

LVL Verena Herb

PL 1 Abteilung 1

PL 3 Abteilung 3

Planung Vertretung der Amtsleitung Christof Otto -2187/2188

Angelegenheiten des Senats und Intendanz, IT-Beauftragte, Beauftragte für den Haushalt (BfH) Cornelia Schmidt-Hoffmann -2113

PL 11 Kita, Schule, und Berufsbildung Dr. Nina Schmodde

-2225

PL 12 Wissenschaft, Forschung, Kultur Axel Neuhaus -2214 PL 14 Steuerfragen, Haushalt Henrik Tietjen

-2123

PL 16 Soziales, Familie, Integration, Arbeitsmarkt und Beschäftigungspolitik Dr. Juliane Ahner -2146 Projekt “Strategisches Monitoring von Investitionen und Infrastrukturvermögen der Stadt” (PSM) PL-PSM Projektleitung Dr. Franziska Kriener -2645

PL 2 Abteilung 2 Planung, Opreg Lexi von Hoffmann -2149 PL 20 Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsförderung Dr. Sabine Hain PL 21 Hafen und Verkehr Jonas Kuchenbecker

-2202

-1385

PL 22 Controlling Regierungsprogramm und strategische Themenplanung, Gesamtsteuerung und Leitung OPREG/ SIMS -1841 Dr. Roland Willner PL 23 Stadtentwicklung, HafenCity, Flächennutzungsplan, Landschaftsplanung, Geschäftsführung Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau Thomas Stögbauer -2201 PL 24 Bebauungspläne, Landschaftspflege, Naturschutz, operative Durchführung Opreg, Geschäftsführung Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau Ulrich Mehrmann -2205 PL 25 Klima-, Umwelt-, Ressourcenund Hochwasserschutz Elke Pawelczyk -2193

PL 30 Hamburgisches Verfassungsrecht Dr. Eike Westermann

-2020

Große Bleichen 27 20354 Hamburg Tel.: 040/42823-Durchwahl ITD 1 Digitalstrategie und Kommunikation Jörg Schmoll -2776 ITD 2 Digitale Verwaltungsautomation Vertretung der Amtsleitung Jörn Riedel -2251

PL 31 Geschäftsstelle / Erste Protokollführerin des Senats Cornelia Schmidt-Hoffmann -2113

ITD 3 Recht und Bund-LänderZusammenarbeit Dr. Ulrike Klocke -1612

PL 33 Haushalt Volker Heinrich

ITD 4 Datenmanagement u. Projektunterstützung Norbert Kuhn -2773

-2058

PL 35 Organisation / Personal Katrin Buseman -2137

PL 4 Abteilung 4 Planung, Überregionale Zusammenarbeit Dr. Johanna Hadenfeldt -2210 PL 40 Gesundheit und Verbraucherschutz, Metropolregion, Standortmarketing Dr. Jan Thiele -2510

PRV

ST 1

ST 2

LV 1

Stellv. Pressesprecherin Julia Offen -2241/42

Protokoll Querschnitts- und Leitungsaufgaben, Grundsatzfragen Juliane Scholz-Foth -2136

Internationale Zusammenarbeit Vertretung der Amtsleitung, Querschnitts- und Leitungsaufgaben, Grundsatzfragen N.N. -2130/2131

Stellv. Leiter der Landesvertetung, Sicherheits- und Verteidigungspolitik Dr. Alexander Steinhilber -120

PR 1 Pressetermine und Organisation Imme Mäder PR 2 Reden und Texte Christopher Harms

-2133

PRIR1 Internetredaktion Klemens Jäger

-2166

ITD 5 Ressourcen- und Dienstleistersteuerung Rickmer Köhn -1639 ITD-DF Digital First fachliche Leitung Rainer Locker ITD-BAC Projekt BACom fachliche Leitung Marc Geisler

-2182

ST 11 Referat Inland und Konsularangelegenheiten Grundsatz Konsularangelegenheiten, Veranstaltungen des Senats und Protokoll­ termine, Vertretung ST 1 Petra Schulz -2248 ST 12 Referat Ausland Grundsatzangelegenheiten, Auslandsreisen, Staatsbesuche, Delegationen, Botschafterbesuche Jessica Kratt -2367 ST 13 Referat Veranstaltungen Senatsempfänge der Behörden, Nutzung Rathausmarkt/Ehrenhof, Goldenes Buch, Controlling Marion Beyer -2440

-1413

-2292

ST 23 Asien, Städtepartnerschaften Shanghai und Osaka, CHINA TIME Hannah Dreger -2198

ST 25 Nord- u. Südamerika, Süd- u. Westeuropa, Türkei, Städtepartnerschaften Marseille und Chicago Rieke Marxen -2458

PL 42 Wohnungswesen, Soziale/ Integrierte Stadtteilentwicklung, Bezirksangelegenheiten, Sport Till Bode -2223

PL 44 Inneres, Justiz und Gleichstellung, Antikorruptionsbeauftragte Swantje Glismann -2109

ST 22 Vertretung ST2, Entwicklungspolitik Städtepartnerschaft Dar es Salaam Behördlicher Datenschutzbeauftragter Wolfgang Grätz -2500

ST 24 Mittelamerika und Karibik sowie Nahost, Städtepartnerschaft León Cordelia Weist -2139

PL 41 Konferenzen, Bund-LänderAngelegenheiten, Marc Dralle -2501

PL 43 Erinnerungskultur Carola Kollmannsberger -4950

ST 21 Ostseekoordination, Ostseeorganisationen, Nordeuropa/ Ostseeanrainer, Russland, Ukraine, Belarus, Zentralasien und Kaukasus sowie Australien; Städtepartnerschaft Dresden und St. Petersburg Laura Frick -2131

ST 26 Mittel- u. Osteuropa, Städtepartnerschaft Prag, Veranstaltungsorganisation Christiane Mörlins-Oksaar -2122 Personalrat Vors. Kerstin Möbius Vertr. Dr. Ronnie Peplow

-42831-1394 -42831-2307

Schwerbehindertenvertretung bei den Senatsämtern; Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Holger Bugzer -42831-1481 Erster Vertreter Karsten Stuhr -42831-1696 Behördlicher Datenschutzbeauftragter Wolfgang Grätz Antikorruptionsstelle Swantje Glismann Gleichstellungsbeauftragte Anna-Lena Hildebrand Stellv. Gleichstellungsbeauftragter Imme Mäder Ombudsstelle für barrierefreie Informationstechnik Heike Hentschel Vertr.: Hans-Jürgen Simon Landesbetrieb Rathaus-Service Geschäftsführerin Ursula Bandke Hamburg Liaison Office Shanghai Hamburg-Vertretung Mumbai Hamburg-Büro Leon Hanse-Office St. Petersburg

-42831-2458

-42831-2109

-42831- 2233 -42831-2807

-42823-2057 -42823- 2217

-42831-2270

ST 27 Neuseeland und Pazifik (Südsee) Marie Tauber -2112 ST 28 Reden, Grußworte und Website-Redaktion Guido Geist -2528

ST 3 Angelegenheiten der EU HOL-HH Leitung des Hanse-Office in Brüssel Dr. Claus Müller -43 ST 31 Finanzen, Entwicklungs­ zusammenarbeit; Stellv. Leitung Christoph Frank

-52

HANSE-OFFICE Brüssel B-1000 Brüssel, Avenue Palmerston 20 T: 040/42609-DW (Zentrale: -40), Fax: -57 ST 32 Referat Europapolitik Europapolitische Grundsatz­ angelegenheiten und Gremienarbeit, strategische Fragen EU-Fördermittel, Stellv. Abteilungsleitung in Hamburg Henrik Lesaar -2475

LV 10 Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen, Informationstechnik, Büro der Leitung LV und Koordination der Vorzimmer / Assistenz Klaus Harneit Dr. Alexander Steinhilber -120 LV 11 Verwaltungsleitung, Europa- und Ostseepolitik Andreas Voigt -350 LV 12 Leiter Gastronomie Rudolf Schuler

-500/130

LV 2 Leitung Bundesrats­ koordinierung, Vermittlungsausschuss Sabine Spitzer -109 LV 20 Bundesratskoordinierung und Vertretung LV 2, Auswärtige Angelegenheiten Michaela Ratzsch -128 LV 21 Rechtspolitik Lukasz Batruch

-121

LV 22 Wissenschaft, Forschung, Bildung, Kultur und Medien Christiane Hadamitzky -122 LV 23 Wirtschaft, Luftfahrt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hanna von Hahn -123 LV 24 Finanzen Steffi Obert

-124

LV 25 Verkehr, Bau, Wohnungswesen, Maritime Angelegenheiten Annelie Lütje -125 LV 26 Umwelt und Energie Simon Althoff

-126

LV 27 Arbeit, Integration, Soziales, Familie, Senioren, Frauen, Jugend Daniel Süß -216 LV 28 Bundesratsangelegenheiten, Ständige Vertragskommission Susanne Thüringer -301 LV 29 Inneres, Sport, Gesundheit Marianne Schürheck -129


Diplomaten Spiegel

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ür Elmer Schialer, Perus Botschafter in Berlin seit Anfang 2017, sind sie “das Produkt jahrelanger Kongruenz auf politischdiplomatischer Ebene zu Fragen von beiderseitigem Interesse und globaler Relevanz. Wir teilen die Prinzipien und Werte einer modernen Gesellschaft, sozialer Marktwirtschaft, Überzeugungen im Umweltschutz, das Primat des Völkerrechts und der Schaffung einer friedlicheren, gerechten Welt. Bei alle dem sind Berlin und Lima ein starkes Team.” Schialer weiß, wovon er spricht. Der 60-Jährige ist über 30 Jahre im diplomatischen Dienst. Dabei wäre es beinahe anders gekommen, denn eigentlich wollte er immer Physiker werden, aber in den Achtzigern war die politische Lage in Peru ziemlich brisant. “Leuchtender Pfad – eine peruanische Terroristengruppe – war in den Unis damals sehr aktiv und es gab deswegen viele Studentendemos und -streiks, die an meiner damaligen Universität, der Universidad Nacional de Ingeniería, zum Ausfall des Studiensemesters führten”, berichtet der Botschafter. Nach zwei Jahren frustrierenden Wartens habe er sich an einer politisch ruhigeren Universität eingeschrieben. Allerdings habe er nochmals ganz von vorne anfangen müssen, da er nun Volkswirtschaft (VWL) studierte. “Es hat mich immer sehr interessiert, zu wissen, warum einige Staaten wohlhabend sind und andere nicht; wieso entstehen Wissen und Fortschritt an einigen Orten und wieso an anderen nicht; kann man durch internationale Kooperation die Lage aller Länder verbessern? Was heute Spieltheoretiker ein positives Summenspiel nennen würden. Diese Kuriosität führte mich, nach meinem VWL-Abschluss, zum diplomatischen Dienst”, beschreibt Schialer seine Karriere.

Zwischen zwei Kulturen schweben So kommt er zu den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen in Genf, an die peruanischen Botschaften in Washington, Mexiko City, La Paz, als Generalkonsul nach Frankfurt, danach auf verschiedene Posten im heimischen Außenministerium und nun zu uns, wo er sich, nach dieser “Heimkehr”, sehr wohlfühlt. “Ich habe eine wunderbare Frau, die sowohl die peruanische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt – wie unsere Kinder übrigens auch. Ich “schwebe” sozusagen auf eine positive und bereichernde Weise zwischen beiden Kulturen.” Beruflich dagegen bleibt nichts in der “Schwebe”, als er sein Amt antritt, und man kommt ihm

Berlin und Lima sind ein starkes Team Ein Gespräch mit Elmer Schialer, Botschafter von Peru in Deutschland (BS/ps) Ob die “Chemie” zwischen zwei Ländern stimmt, ist keine Frage der Entfernung. Peru liegt über 11.000 Kilometer weit von Deutschland entfernt im Westen Südamerikas. Dennoch verbinden beide seit Jahrhunderten enge und freundschaftliche Beziehungen. Sieben Jahre, nachdem Peru 1821 von Spanien unabhängig wird, eröffnet in Lima das Generalkonsulat der Hansestadt Hamburg und legt damit den Grundstein für eine solide Verbindung durch “dick und dünn”. 1951 nehmen die Bundesrepublik und Peru volle diplomatische Verbindungen auf und sind nach fast 70 Jahren immer noch sehr zufrieden damit.

ten und Konsulaten auch eine große Rolle. Wir sind sehr froh, dass die Zahl deutscher Gäste in Peru letztes Jahr bei über 80.000 lag, was einer zehnprozentigen Steigerung gegenüber 2018 entspricht. Deutschland ist damit das europäische Land mit den meisten Reisenden in Peru. Leider gehören wir zu den 20 Ländern, welche für die von der Klimaerwärmung verursachten Naturkatastrophen ganz besonders anfällig sind. Sei es der Anstieg des Meeresspiegels, das El-Niño-Phänomen an der Küste, die schmelzenden Andengletscher, Waldbrände im Amazonas oder die Tatsache, dass Peru im sogenannten Pazifischen Feuerring, einem Vulkangürtel, der den Pazifischen Ozean von drei Seiten umgibt, liegt.”

Land im Kontext von Geschichte und Geografie sehen

Seit drei Jahren der oberste Diplomat der Republik Peru in Deutschland: Seine Exzellenz Elmer Schialer

Botschafters Rezept Ceviche aus Fisch

Für das peruanische Nationalgericht wird frischer, in kleine Würfel geschnittener Fisch in Limettensaft “gegart”. Wegen seiner festen Konsistenz wird hierzulande Adlerfisch empfohlen. Auch geeignet sind Dorade, Kabeljaufilet (ohne Haut), Seeteufel, Seezunge, Wolfbarsch oder Zackenbarsch. Zutaten (4 Personen): 500 g Fisch, 2 rote Zwiebeln, 3 – 4 Limetten, 1 rote Chilischote, 1 Bund Koriander, Salz Zubereitung (ca. 25 Minuten): Zwiebeln schälen und in dünne Streifen schneiden. 200 ml kaltes Wasser, 4 – 5 Eiswürfel und 1 TL Salz verrühren. Zwiebeln darin ca. 30 Minuten ziehen lassen, damit sie weich werden und etwas Schärfe verlieren.

jede Minute davon, sei es beim Empfang für den Diplomatischen Korps des Bundespräsidenten oder der Bundeskanzlerin, die Schaffermahlzeit in Bremen (traditionelle Verbindung zwischen Schifffahrt und Kaufleuten), der Hafenbesuch in Hamburg oder

Historische Erinnerung: Diese Steinbügelgefäße sind Nachahmungen von Exponaten der Moche-Kultur, die sich vom 1. bis zum 8. Jahrhundert an der Nordküste Perus entwickelte.

überall sehr entgegen. Seine Tage sind alle gleich lang, aber mitunter verschieden breit, denn das politische wie auch das diplomatische, wirtschaftliche und kulturelle Leben in Deutschland sind sehr intensiv. “Mir fehlt manchmal die Zeit, um alles zu machen, was ich gerne machen würde, aber ich genieße jede Gelegenheit,

Behörden Spiegel / Mai 2020

der Anstich beim Münchner Oktoberfest, wo ich natürlich mit Lederhosen und Janker hingehe”, erzählt Schialer.

Umgang mit dem Coronavirus Das wird heuer nichts werden, weil ozapft werd ned – zwangs Corona. Auch in Peru gilt deswegen ein (wirklicher) nationaler

Fischfilet abspülen, trocken tupfen und noch vor­handene Gräten entfernen. Filet in ca. 1 cm große, gleichmäßige Würfel schneiden. Limetten auspressen und ca. 1⁄8 l Saft abmessen. Mit 1 TL Salz verrühren und mit dem Fisch mischen. Ca. 15 Minuten marinieren. Chili putzen, längs aufschneiden, entkernen, waschen und klein schneiden. Koriander waschen, trocken schütteln und grob hacken. Alles mit dem Fisch vermengen. Dieses Limettendressing mit Chili und Koriander wird auch als “Tigermilch” bezeichnet. Südamerikaner geben meist mehr Sud zum Fisch, um einen Teil der Tigermilch abgeseiht als Shot (Kurzen) zu trinken. Sie können das Ceviche auf einem Blatt Eisbergsalat mit Süßkartoffeln und Maiskörnern servieren.

Notstand. Mit deutlich strengeren Quarantänevorschriften als hierzulande, um den Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu verhindern, was bislang auch gelingt. Sogar die Lockerung einiger weniger Maßnahmen ist schon geplant, aber bis Redaktionsschluss noch nicht umgesetzt. All das kostet viel Geld, auch zur Stützung der Wirtschaft. “Unsere Maßnahmen betragen jeweils rund zwölf Prozent oder 7,7 Milliarden Euro unseres Bruttoinlandsprodukts (BIP). Sie sind die umfassendsten in Lateinamerika. Dazu gehören einerseits monatliche Zuschüsse von 760 Soles (190 Euro) für Haushalte mit geringem Einkommen und 3,5 Millionen für all jene, die von informellen, wirtschaftlichen Aktivitäten leben, also z. B. ihre Produkte auf lokalen Märkten verkaufen. Die Beschäftigten im formellen Sektor (Arbeitnehmer mit entsprechenden Bildungsabschlüssen, Arbeitsvertrag, Steuerkarte) können nun ausnahmeweise auf den eigenen Pensionsfond zugreifen und dort bis zu 2.500 Soles (625 Euro) monatlich entnehmen. Insgesamt dürfte das 1,14 Milliarden Euro kosten. Andererseits werden für Unternehmen überdies mit niedrigen 1,25 Prozent verzinste Kredite von insgesamt 30 Milliarden Soles (7,5 Milliarden Euro) bereitgestellt”, berichtet

der peruanische Chefdiplomat. Ein ambitioniertes Programm, welches das Ende Januar dieses Jahres gewählte Parlament verabschiedet hat. Alle neun dort vertretenen Parteien haben sich in ungewohnter Einmütigkeit dazu verpflichtet, ihr Amt auf konstruktive Weise auszufüllen, was denn auch geschah. “Das war zwar nicht immer so, aber grundsätzlich ist die demokratische Stabilität Perus in den letzten 20 Jahren schon hervorzuheben”, betont Schialer. Dazu gehöre nicht nur, dass alle fünf Jahre freie und faire Wahlen stattfänden, sondern auch, dass die Gewaltenteilung in den letzten Jahren noch stärker ausgebaut worden sei. “Die Zivilgesellschaft Perus hat sich außerdem als sehr durchsetzungsfähig erwiesen und ihre Meinungen friedlich in die Politik eingebracht. Man kann wohl sagen, dass es bei uns in den letzten Jahren stabile politische Verhältnisse gegeben hat – 2020 steht die peruanische Demokratie auf stärkeren Beinen als je zuvor”, so der Botschafter.

Kampf gegen Korruption “Hilfreich war dabei die Unabhängigkeit der Medien. Ohne sie wäre es unmöglich gewesen, viele der Korruptionsfälle in den letzten Jahren aufzudecken. Unsere Staatsanwaltschaft ermittelt folglich gegen viele Politiker und Wirtschaftskapitäne und ordnet,

Fotos: BS/Dombrowsky

bei vorliegendem Tatverdacht, Untersuchungshaft an. Es ist eine hochkomplexe Arbeit, die noch nicht zu Ende ist, aber eine, die von der Gesellschaft und der Politik unterstützt wird. Experten zufolge kostet die Korruption in Peru jährlich ein bis zwei Prozentpunkte des BIP, d. h. genug Ressourcen, um 750.000 bis anderthalb Millionen Peruaner jedes Jahr über die Armutsgrenze zu heben.” Auf einem guten Wege sei auch die kontinuierliche wirtschaftliche Entwicklung mit einem BIP-Wachstum im Jahr 2019 von 2,3 Prozent, das damit seit zehn Jahren über dem regionalen Durchschnitt liege. “Im letzten Jahr hatte Peru die niedrigste Staatsverschuldung und Inflationsrate unter den größten Volkswirtschaften im Westen Südamerikas. Unsere Devisenreserven liegen Ende 2019 mit fast 70 Milliarden US-Dollar bei 30 Prozent des BIP. Dementsprechend”, so Botschafter Schialer, “ist der Länderrisikoindikator Perus sehr niedrig, was die Investitionen fördert. Für die Investmentbank JP Morgan sind wir mit 1,72 Punkten absolute Spitze.”

Wirtschaftsfaktor Tourismus Wichtiger Wirtschaftsfaktor Perus ist auch der Tourismus in der unberührten Natur an der Küste, Sierra (Anden, Hochland) und Selva (Regenwald, Wolken- und Nebelwald) mit rund 60 Prozent des Landes. Die Erhaltung der Flächen, mit ihrer biologischen Vielfalt, hat in den letzten Jahren an politischer Bedeutung gewonnen. 158 Naturschutzgebiete wurden ausgewiesen, die über 22 Millionen Hektar umfassen, das entspricht fast 17 Prozent des peruanischen Staatsgebietes oder einer Fläche von über 60 Prozent Deutschlands. “Touristen sind in Peru natürlich überall willkommen, vor allem, wenn sie es auf nachhaltige, sanfte Weise bereisen”, betont Elmer Schialer. “Hierfür ist vor allem die “PromPerú” (Promoción del Perú) – unsere Handels- und Tourismusbehörde – zuständig, um ihnen die Besonderheit der Geografie unsers Landes gut zu erklären. Dabei spielt unser weltweites Netzwerk von Botschaf-

“All das sind wichtige und vielfältige Herausforderungen für den Klimaschutz. Die Waldbrände im Amazonasgebiet im vergangenen Jahr sind sicherlich ein deutliches Beispiel dafür. Dank des frühzeitigen Eingreifens unserer Behörden wurden diese schnell unter Kontrolle gebracht und trafen eine deutlich geringere Fläche als in anderen Ländern des Amazonasbeckens. Peru ist Teil des Pariser Abkommens und dabei, seine im Jahr 2015 festgelegten NDCs (Nationally Determined Contributions) zu erreichen. 2019 stellt unsere Regierung ein ehrgeiziges Programm von 153 zusätzlichen Maßnahmen zur Eindämmung bzw. Anpassung an den Klimawandel zusammen.” Trotzdem diese und viele andere Fakten über sein Land hierzulande bekannt sind, gibt es noch vieles und anderes darüber zu berichten. “Wir müssen”, so der Botschafter eindringlich, “weiter daran arbeiten, dass Peru im Rahmen seines eigenen Kontextes hier verstanden wird. So, wie es unmöglich ist, Deutschland ohne seinen eigenen Raum, seine Geschichte und Herausforderungen zu denken, müssen wir uns bemühen, unsere Geschichte und Geografie umfassend zu präsentieren. Nur so können wir ein zutreffendes Bild der eigenen Realität erhalten.” Und daher wird Elmer Schialer weiter mit den Menschen reden, alle Fragen geduldig beantworten, sagen, dass Peru mit allen Stärken und Schwächen gut vorankommt und die Peruaner, bei dem, was zu erledigen ist, fest mit anpacken.

Einmal Wissenschaftler sein Letzte Frage – mit wem möchte er mal für einen Tag tauschen? “Natürlich möchte ich mich nicht mit ihm vergleichen. Aber für einen Tag würde ich mit Professor Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor Emeritus des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, tauschen. Seine Arbeit und Errungenschaften finde ich einfach faszinierend.”

1825 wurde die Flagge Perus eingeführt. Das Staatswappen zeigt in einem Lorbeer- und einem Palmenzweig die drei Reichtümer des Landes: Flora, Fauna und darunter Mineralien. Darüber befindet sich ein geschlossener Kranz.


Kommune Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Mai 2020

Mit Abstand und Augenmaß

KNAPP Landratswahlen ­ausgewertet

Kommunalpolitik in Corona-Zeiten

(BS/kh) Der Deutsche Land-

(BS/Katarina Heidrich) Das Coronavirus wirkt sich auf die alltägliche Arbeit in den Rathäusern aus: Mitarbeitende im Homeoffice, Ratssitzungen per Videokonferenz oder unter strengen kreistag (DLT) hat seine Karte mit Auflagen, Beschlüsse müssen vertagt werden. Da die Städte und Gemeinden sich einen Stillstand nicht leisten können, mussten kreative Lösungen für den Betrieb im Ausnahmezustand den Parteizugehörigkeiten der gefunden werden. Währenddessen sind die kommunalen Langzeitschäden aber noch gar nicht absehbar. 294 Landräte und Landrätinnen In der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Montabaur müssen die Entwürfe für geänderte oder neu erstellte Bebauungspläne öffentlich ausgelegt werden, damit die Bevölkerung sie einsehen kann. Für fast zwei Monate mussten diese Offenlagen ausgesetzt werden. Abgebrochene Offenlegungen werden nun mit voller Laufzeit neu gestartet und auch neue sind wieder möglich. Von einem Zurück zum Normalbetrieb ist man aber noch weit entfernt. Für das Einsehen in die Pläne oder einen anderweitigen Besuch im Rathaus ist eine telefonische Voranmeldung nötig. Die Mitarbeitenden der Verwaltung, die vor Ort arbeiten, müssen eine Alltagsmaske tragen, wenn sie Kontakt zu anderen Personen haben. “Oberste Regel ist nach wie vor das Abstandhalten. Aber die Masken bieten zusätzlichen Schutz. Wir schützen uns gegenseitig und setzen damit ein Zeichen, dass es beim Infektionsschutz auf jeden ankommt – auch im Rathaus”, betont Bürgermeister Ulrich Richter-Hopprich (CDU).

Ungewöhnliche Räumlich­ keiten Mit kommunalen Bauprojekten in Zeiten der Pandemie ist es so eine Sache (siehe dazu auch Seite 20). Die brandenburgische Gemeinde Burg etwa vertagte kurzerhand den Beschluss für die Bauplanung einer neuen Mehrzweckhalle auf Antrag der Fraktion “Gemeinsam für Burg”. Im Mai soll es eine Sondersitzung zu dem über 12,5 Millionen teuren Projekt geben. Auf unbestimmt vertagte Kehl in Baden-Württemberg einen Baubeschluss zum Neubau eines Schwimmbades. Aber nicht nur das: Da sich insgesamt die Einnahmeausfälle und die Mehrausgaben der Stadt bereits zum

Ausnahmereglung bis 31. Mai 2020 verlängert wird.

Letzte Rettung Kurzarbeit?

Wie im Alltag müssen auch in Ratssitzungen zurzeit Abstandsregelungen eingehalten werden – oder man verzichtet gleich ganz auf physische Anwesenheit. Foto: BS/AhmadArdity, pixabay.com

jetzigen Zeitpunkt auf rund 8,8 Millionen Euro summieren, zieht Oberbürgermeister Toni Vetrano (CDU) die Notbremse und verfügt eine Haushaltssperre. Dass aber auch in Krisenzeiten Beschlussfähigkeit erreicht werden kann, macht die nordrheinwestfälische Stadt Lübbecke vor. In ungewohnter Umgebung, nämlich der Stadthalle, ist hier der Ausschuss für Bauen und Stadtentwicklung zusammengekommen. Unter Einhaltung der geltenden Abstandsregeln wurde der Neubau des städtischen Baubetriebshofes beschlossen. Die Baukosten sollen bei rund 3,1 Millionen Euro liegen. Nach Meinung des Bürgermeisters Frank Haberbosch (SPD) sei es

ein falsches Signal, jetzt die Investitionen zurückzufahren.

Kreativität gefragt Unter strengen Auflagen fand auch im hessischen HersfeldRotenburg die Kreistagssitzung statt. Alle Anwesenden mussten drei Meter Abstand zueinander halten. “Mitunter braucht es kreative Lösungen, um arbeitsfähig zu bleiben”, meint Landrat Michael Koch (CDU). Die meisten anderen Vor-Ort-Termine fänden momentan per Telefonund Videokonferenz statt. Der Kreisausschuss berät sich derzeit telefonisch, fasst Beschlüsse anschließend aber im Umlaufverfahren. In der zugehörigen Gemeinde Wildeck fand die Bür-

germeisterwahl ausschließlich per Briefwahl statt. In Genthin in Sachsen-Anhalt wurden bei der Stadtratssitzung im vereinfachten schriftlichen Verfahren verschiedene Beschlüsse gefasst. Das war möglich auf Grundlage einer vom Magdeburger Innenministerium erlassenen Ausnahmeregelung. Jedem Stadtrat wurden die erforderlichen Unterlagen der auf der Tagesordnung stehenden Beschlüsse sowohl per Post als auch elektronisch zur Verfügung gestellt, bis Ende April mussten die Unterlagen an die Stadtverwaltung zurückgehen. Im Rathaus wurden die Abstimmbögen dann ausgewertet. Das Innenministerium gab bekannt, dass die

In Karlsruhe plädiert man indes dafür, dauerhafte Veränderungen für die Verwaltung nach der Pandemie zu prüfen. Nicht nur was Bereiche mit Publikumsverkehr angeht, sondern auch Möglichkeiten für die Mitarbeitenden zum Homeoffice und die Ausstattung mit Laptops. “Wir fordern alle Dienststellen auf, aus diesem Krisenmodus heraus zu lernen, was wir für die Zukunft aufrechterhalten wollen”, erklärt Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD). Videokonferenzen etwa hätten sich als Gewinn herausgestellt. In den kommenden Wochen stehe das Lernen aus dem Krisenmodus bevor. Gleichzeitig zwingen die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus die Kommunen zum Sparen. Einnahmeeinbrüche auf der einen und höhere Kosten etwa bei den Sozialausgaben auf der anderen Seite werden dazu führen, dass sich die Stadt- und Gemeindeoberhäupter anstehende Projekte zweimal überlegen werden. Aber nicht nur das, bei einigen Kommunen zeichnen sich bereits Schritte ab, die bisher im Öffentlichen Dienst undenkbar waren. Als erste bayerische Kommune ordnete die Stadt Dinkelsbühl im Landkreis Ansbach für fast ein Drittel ihrer rund 270 Beschäftigten Kurzarbeit an. Dank Aufstockungsleistung der Stadt beziehen Führungskräfte 90 Prozent, alle anderen Mitarbeiter 95 Prozent ihres Gehaltes. Auszubildende und geringfügig Beschäftigte sind laut Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer (CSU) komplett ausgenommen. Andere Kommunen hätten ebenfalls bereits solche Absichten erklärt.

nach den Kommunalwahlen in 64 von 71 bayerischen Landkreisen aktualisiert. Bundesweit betrachtet sei es dabei nicht zu signifikanten Verschiebungen gekommen, erklärt DLT-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. HansGünter Henneke. Unverändert stellen CDU oder CSU in 167 Landkreisen den Landrat bzw. die Landrätin, was 57 Prozent entspricht. 62 Landkreise (21 Prozent) werden von sozialdemokratischen Hauptverwaltungsbeamten geleitet. Insgesamt seien 20 Personen neu ins Amt gekommen, die übrigen seien wiedergewählt worden. Der Frauenanteil konnte aufgrund der Stichwahlen von bisher fünf auf sieben und damit bundesweit auf 30 gesteigert werden.

Offene Daten (BS/kh) Ein neuer Musterdatenkatalog schafft erstmals Überblick über die nicht personenbezogenen Datenbestände, die Kommunen der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Der Online-Katalog ist in Zusammenarbeit zwischen dem Datenportal GovData, der Open Knowledge Foundation, dem KDZ-Zentrum für Verwaltungsforschung sowie der Bertelsmann Stiftung entstanden. Im ersten Schritt umfasst er die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. “Wenn kommunale Daten aus Bereichen wie Verkehr, Umwelt oder Wirtschaft mit der interessierten Bevölkerung, den ansässigen Unternehmen oder zivilgesellschaftlichen Akteuren geteilt werden, verspricht das einen großen Mehrwert”, erklärt Mario Wiedemann, Kommunalexperte bei der Bertelsmann Stiftung. Der Einsatz von Open Data sei eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung zur Smart City.

Fotos: Toby Giessen, Behörden Spiegel;

Neue Mobilität

Strategien für Kommunen und öffentliche Fuhrparks 7. Oktober 2020, Stuttgart

Top-Referenten:

THEMEN DER KONFERENZ, u. a.:

► Moderne Mobilitätskonzepte für die Kommunen ► Elektromobilität in BaWü

► Nachhaltige Mobilitätsstrategien und klimafreundliche Verkehrsentwicklung Michael Schramek Vorstandsmitglied Netzwerk intelligente Mobilität e. V., Fachlicher Leiter der Tagung Eine Veranstaltung des

Michael Hagel Koordinierungsstelle Elektromobilität, Landeshauptstadt Stuttgart

Christoph Erdmenger Abteilungsleiter Nachhaltige Mobilität, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg

► Flächendeckende Infrastrukturen für Elektromobilität ► E-Busse: viel Potenzial für deutsche Innenstädte

► Intermodalität: ÖPNV und Individualverkehr integrieren

www.kommunale-mobilitaet.de


Kommunalpolitik

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Kommunale Alleingänge in Corona-Zeiten

ZEHN GEBOTE FÜR KOMMUNEN Der öffentliche Sektor ist zu einem freien Markt geworden. Altes Denken ist da wenig hilfreich. Die Kommunen haben es inzwischen mit Kunden und nicht mehr mit Einwohnern zu tun. Es geht um Zielgruppen und Erlöse. Schrumpfen diese, hat das weitreichende Folgen, und das vor dem Hintergrund angespannter Haushalte, steigender Verwaltungsaufgaben und voranschreitender Digitalisierung. Zehn Gebote liefern Lösungsansätze für Kommunen. Gebot 2: Die Kommune ist ein Produkt und Produkte muss man vermarkten Unter den Begriff “Produkt” fällt alles, was auf einem Markt angeboten wird und das erworben werden kann, um es zur Befriedigung von Wünschen oder Bedürfnissen zu verwenden. Das können sowohl Waren als auch Dienstleistungen, Personen oder Orte sein. Kann eine Kommune also auch ein Produkt sein? Die Antwort lautet “ja”! Und “schlimmer”: Die Entscheidung liegt gar nicht bei ihr. Eine Kommune ist ein Produkt, ob sie will oder nicht. Genau darin liegt wohl die Schwierigkeit: sich als Produkt wie eine Flasche Coca-Cola, ein Mercedes A 200 oder eine TUI-Flugreise zu verstehen. Wie mit diesen alltäglichen Produkten gehen die diversen Stakeholder auch mit Kommunen vor. Städte und Gemeinden werden mit anderen wie ein Produkt verglichen: Was “kann” die, passt

Dominic Multerer ist Marketingexperte und Gründer des Instituts für Wachstumschancen und Innovation (IWCI).

Foto: BS/privat

das Image und welche Vorteile habe ich, wenn ich mich als Bürger, Unternehmen oder Investor für gerade dieses Produkt ... Verzeihung, diese Kommune entscheide? Aber es geht noch weiter. Eine Stadt oder Gemeinde besteht aus vielen unterschiedlichen, einzelnen Produkten, die in Summe das Gesamtpaket ergeben. Auch das muss erst verinnerlicht werden: dass ein Kindergarten ebenso ein Produkt ist wie eine Leistung der Straßenmeisterei oder die Services vom Einwohnermeldeamt. Viele touristische Hotspots haben das im Wesentlichen verstanden und vermarkten sich auch so. Ohne ein entsprechendes Marketing wären sie für ihre Kunden nicht wahrnehmbar. Wie soll sich ein potenzieller Gast denn auch für einen Urlaubsort entscheiden, wenn dieser nicht sichtbar ist? Ein Produkt (wie in diesem Fall eine Urlaubsreise, oder besser: der Ort, an den es gehen soll), das kaum ins Auge fällt, verkauft sich eben schlecht.

Bevor also eine Urlaubsreise gebucht wird, checkt ein potenzieller Besucher ja nicht nur die Destination als solche – passt die zu mir? –, sondern auch die einzelnen, kleineren Produkte, die untrennbar dazugehören: Was wird mir vor Ort geboten? Weil alle Kommunen – ob groß oder klein – im Wettbewerb stehen, werden sie nicht da­ rum herumkommen, sich und ihre Produkte zu vermarkten. Wie in einem Geschäft stellt man die Bestseller oder die besten Angebote ins Schaufenster, weil sie nur so sichtbar werden. In die hintersten Ladenecken schaut nämlich selten jemand. Es ist also zu klären, was man besonders gut kann, womit man sich vom Wettbewerb absetzt oder was einen als Kommune auszeichnet. Diese Dinge, diese Produkte sind hervorzuheben! Sie müssen sichtbar gemacht werden, und das im Kontext eines Gesamtkonzepts für das Produkt Kommune. Auch hier gilt: Erst – von Gemeindeseite – ein Bewusstsein für das Produkt schaffen, dann das Umfeld analysieren, anschließend eine Positionierung festlegen. Das alles zusammen erzeugt im Zusammenspiel mit einem ausgearbeiteten Marketingkonzept Sichtbarkeit. Mehr zu den zehn Geboten für Kommunen, mit denen Städte und Gemeinden die Zukunft als Chance nutzen können, unter www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort “10 Gebote”.

Kommunalwald retten Nationaler Wald-Schutzschirm gefordert (BS/kh) Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) und der Gemeindewaldbesitzerverband NordrheinWestfalen befürchten, dass ohne eine zusätzliche Soforthilfe “Waldrettung” die Kommunen die Zukunftsaufgabe “Wiederbewaldung und Umbau zu klimarobusten Mischwäldern” nicht mehr schaffen werden. Sie fordern daher einen finanziellen Schutzschirm. Das dritte Dürrejahr in Folge, Borkenkäferbefall, Waldbrände und nun auch noch Corona – die deutschen Wälder sind stark gefährdet. “Wenn der Wald der Zukunft anders aussehen soll als der Wald der Vergangenheit, dann müssen Bund und Länder dem Kommunalwald grundsätzlich unter die Arme greifen. Bäume sind für die Zukunft des Klimas entscheidend. Nichts ist gefährlicher, als wenn unsere Wälder diese Aufgaben zukünftig nicht mehr erfüllen können”, so Dr. Gerd Landsberg, Haupt-

geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Infektionen hätten auch auf die Forstwirtschaft negative Auswirkungen. Sägewerke müssten zeitweise schließen oder ihre Mitarbeitenden in Kurzarbeit schicken und Holzabnahmen würden verschoben. Globale Lieferketten seien unterbrochen, was die Vermarktungslage erschwere, so Landsberg. Die Einschränkung der Reisefreiheit führe zu regional und be-

trieblich differenziertem Mangel an ausländischen Arbeitskräften, was die Wiederbewaldung, den Waldumbau und die Kalamitätsbewältigung erschwere, heißt es vom DStGB. Darüber hinaus brechen den Kommunen auch die Steuereinnahmen weg, die in der Vergangenheit in der Not auch immer finanzieller Rückhalt für den Wald waren. Bernhard Halbe, Vorsitzender des Gemeindewaldbesitzerverbandes NRW, betont, dass Liquiditätsprobleme daher nicht nur Privatwaldbesitzer treffen.

Verordnungen und Verfügungen von Kommunen zur Eindämmung des Virus (BS/kr/bk) In der sich rasant entwickelnden Corona-Krise sind vereinzelt Länder und Kommunen mit eigenen Regelungen vorgeprescht. Jena hat es mit der Maskenpflicht vorgemacht. Der Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt hatte im Angesicht des besonders dynamischen Ausbruchsgeschehens zwei Ortschaften weitgehend isoliert. Doch was dürfen Städte und Landkreise eigentlich alles in eigenen Verordnungen und Verfügungen anordnen? Welche Verordnung hat Vorrang? Die Grundlage für die jetzigen Verfügungen und Quarantäneanordnungen bildet konkret Paragraf 28 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Diese Generalklausel bildet die Grundlage für kontaktreduzierende Maßnahmen wie Geschäftsschließungen und Veranstaltungsverbote. Kommunen können dabei eigenmächtig solche notwendigen Schutzmaßnahmen verordnen, die erforderlich sind, um eine Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern. Dies kann sinnvoll sein, da das lokale Infektionsgeschehen von dem des Landes abweichen kann und somit gesonderte Maßnahmen getroffen werden müssen. So hat der bayerische Landkreis Tirschenreuth als erste Kommune eigenmächtig eine Ausgangssperre erlassen. Solche auf kleinster Ebene getroffenen Allgemeinverfügungen werden obsolet, sobald eine landesrechtliche Regelung erlassen wird. Kommunale Regelungen dürfen zudem nicht im Widerspruch zur Landesverordnung stehen.

Handlungsspielraum der Kommunen Grundsätzlich gilt: Die Landesverordnung steht vor den kommunalen Verordnungen als das höherrangige Recht. Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW, führt darüber hinaus aus: “Soweit neben den landesrechtlichen Regelungen noch Spielräume bleiben, könnten diese durch die Kommunen ausgefüllt werden. Dies sieht die Coronaschutzverordnung in Paragraf 13 ausdrücklich vor, danach sind im Einzelfall zur Abwehr einer konkreten Gefahr

auch von der Coronaschutzverordnung abweichende Anordnungen möglich.” Die Landesverordnungen beinhalten dafür Öffnungsklauseln, durch die zuständigen kommunalen Behörden dazu ermächtigt werden, weitergehende Regelungen vor Ort treffen zu können. Helfen können dabei auch Muster-Verordnungen. Jedoch können diese rechtlich nicht ganz unproblematisch sein. Die Verordnung muss allgemein und gleichzeitig konkret genug formuliert sein.

Prüfung der Verhältnismäßigkeit vor Gericht Die wichtige Frage beim Erlass solcher Verordnungen und den damit verbundenen Grundrechtseingriffen ist immer, ob diese auch verhältnismäßig sind. Be-

Foto: BS/Hank Williams, pixabay.com

Diese Allgemeinverfügungen und Verordnungen sind Verwaltungsakte. Die Bestimmungen für die Akte finden sich in den Verwaltungsverfahrensgesetzen (VwVfG) der einzelnen Länder. Diese entsprechen im Grunde dem VwVfG des Bundes. Ein Verwaltungsakt kann durch die zuständige Ordnungsbehörde “schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden”. Diese Verwaltungsakte sind keine Besonderheiten bei Kommunen. So fallen auch Verordnungen zum Verbot des Zündens von Silvesterfeuerwehrk in bestimmten Städten oder Gemeinden darunter. Grundsätzlich können Verwaltungsakte mit Widerspruch bzw. Anfechtungsklage

reits in vielen Fällen wurde dies auf dem Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von Verwaltungsund Verfassungsgerichten kontrolliert. Die Regelungen haben dabei fast immer Bestand. Ein unbedingtes Versammlungsverbot hat das Bundesverfassungsgericht dennoch nicht toleriert. In Einzelfällen wurden bereits Versammlungen unter Einhaltung strikter Auflagen genehmigt. Ebenso liegen unterschiedliche Entscheidungen zur Öffnung von Geschäften mit der Verkaufsflächenregelung von 800 Quadratmetern vor. Eine Sammlung aktueller Gerichtsurteile und Verordnungen findet sich unter: behoerden.blog/ dokumente .

MELDUNG

Geänderte Verwaltungspraxis (BS/kh) Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat die bisherige Verwaltungspraxis für das Bundesförderprogramm “Energieberatung Mittelstand” an verschiedenen Stellen bis auf Weiteres angepasst. Dies soll KMUs dabei helfen, auch während der Corona-Krise das Programm in Anspruch zu nehmen und bereits gestartete Projekte erfolgreich abzuschließen. Damit KMUs nicht in Liquiditätsengpässe geraten,

kann der Beratungszuschuss nun unmittelbar an das Beratungsunternehmen ausgezahlt werden, wie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) mitteilt. Das bedeutet, dass das beratene Unternehmen nicht mehr mit der Zahlung des vollen Honorars in Vorleistung gehen muss, sondern von vornherein nur seinen Eigenanteil zahlt. Allerdings sind zwei Dinge zu beachten. Zum einen muss der Energieberater eine angepasste Rechnung er-

Praxishandbuch zu “Kommune Inklusiv” jetzt online (BS/Caroline Zibell*) Das Inklusionsprojekt “Kommune Inklusiv” der Aktion Mensch öffnet sich jetzt für alle interessierten und engagierten Inklusions-Macher/-innen in Deutschland: Ab sofort finden sie online Informationen und praxisnahe Tipps zur Umsetzung von eigenen Projekten. “Kommune Inklusiv” läuft seit rund zwei Jahren in fünf deutschen Modellkommunen sehr erfolgreich und möchte nun andere Kommunen motivieren, Inklusion im Alltag zu fördern und umzusetzen. In der Phase Umsetzung erfahren die Nutzer/-innen, wie der Start in die Praxis am besten gelingt, wie man das entstandene Netzwerk zusammenhält und wie erfolgreiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit funktioniert. Die Verstetigungsphase zeigt, wie Projekte auch nach einer Förderung erfolgreich weiterlaufen.

Jahr an kostenfreien Schulungen teilnehmen. Das Angebot reicht von Webinaren zur finanziellen Förderung über Schulungen in Projektmanagement bis hin zu Rhetorik-Seminaren.

Über das Projekt Kommune Inklusiv

Kostenfreie Schulungen in ganz Deutschland Mit dem Aufruf zu mehr Inklusion ist außerdem ein hochwertiges Fortbildungsangebot verknüpft: Wer selbst Inklusionsprojekte leitet oder daran mitarbeitet, kann über die Aktion Mensch das ganze

angegriffen werden. Es tritt dann eine aufschiebende Wirkung ein. Das gilt allerdings nicht bei Quarantäneanordnungen. Nach dem IfSG haben Widerspruch und Anfechtungsklage hier keine aufschiebende Wirkung.

Jena hat es vorgemacht. Mittlerweile gilt die Maskenpflicht bundesweit.

Inklusion vorantreiben

D

as “Praxishandbuch Inklusion”, das unter www. aktion-mensch.de/kommuneinklusiv angeboten wird, liefert allen interessierten kommunalen Akteuren Unterstützung bei der Umsetzung von Projekten vor Ort für mehr Inklusion. Es begleitet interessierte ProjektMacher/-innen mit Leitfäden, Checklisten, Arbeitsblättern und erfolgreichen Beispielen aus der Praxis. Die Materialien sind anwendungsorientiert aufbereitet, sodass Interessierte sofort damit arbeiten können. Das Praxishandbuch folgt dabei den drei Phasen “Planung”, “Umsetzung” und “Verstetigung”, die unter anderem durch Beispiele aus den fünf Modellkommunen in Form von Texten und Filmen veranschaulicht werden. Grundbausteine der Planungsphase sind zum Beispiel der Aufbau eines funktionierenden Netzwerks, die genaue Analyse des Sozialraums und die Festlegung der Zielgruppen und Handlungsfelder.

Behörden Spiegel / Mai 2020

Das Mehrgenerationenhaus im niedersächsischen Schneverdingen Foto: BS/Jennifer Rumbach für Aktion Mensch

Fünf Städte begleitet die Aktion Mensch fünf Jahre lang auf ihrem Weg zu mehr Inklusion: Erlangen, die Verbandsgemeinde Nieder-Olm, Rostock, Schneverdingen und Schwäbisch Gmünd. Aus mehr als 130 Bewerber-Kommunen sind sie ausgewählt worden und bekamen professionelle Beratung und Begleitung, viele

stellen, die sowohl den zu erwartenden Bundeszuschuss als auch den Eigenanteil ausweist. Zum anderen muss die angepasste Rechnung zusammen mit dem neuen, vollständig ausgefüllt und unterschriebenen Formular “Ermächtigung” (abrufbar auf der BAFA-Website) und den restlichen Verwendungsnachweisunterlagen dem BAFA vorgelegt werden. Zudem kann der Bewilligungszeitraum ohne Angabe von Gründen verlängert werden.

Lehrgänge und pro Kommune bis zu 600.000 Euro Fördergeld. Ziel ist eine inklusive Gesellschaft, an der alle, unabhängig von Alter, Geschlecht, Ethnie, Herkunft, sexueller Orientierung oder Behinderung selbstbestimmt teilhaben können. Die Initiative “Kommune Inklusiv” ist ein Modellansatz dafür, wie sich lokale Inklusionsarbeit effektiv gestalten lassen könnte. Schließlich beginnt Inklusion da, wo sich das tägliche Leben der Menschen abspielt – vor der eigenen Haustür. Inklusion soll aber nicht nur durch einzelne Maßnahmen umgesetzt werden, sondern durch nachhaltig funktionierende Netzwerke. Forscher der Goethe-Universität Frankfurt und der Philipps-Universität Marburg begleiten das Projekt wissenschaftlich und werten die einzelnen Schritte aus. *Caroline Zibell von Aktion Mensch leitet das Projekt “Kommune Inklusiv”.


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / Mai 2020

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Fot o olf : BS/Karoline W

Vier Fragen – vier Antworten mit Mike Schubert, Oberbürgermeister von Potsdam

B

ehörden Spiegel: Potsdam ­signalisiert immer wieder Bereitschaft zur Aufnahme Geflüchteter. Wie viele hat die Stadt seit 2015 aufgenommen und wie sieht die Unterbringung und die derzeitige Auslastung der Unterkünfte aus?

Integration braucht Rückendeckung Potsdam setzt sich für die Aufnahme Geflüchteter ein

(BS) Die brandenburgische Landeshauptstadt koordiniert das Bündnis “Städte Sicherer Häfen” und spricht sich für die weitere Aufnahme geflüchteter Minderjähriger aus Griechenland aus. Mike Schubert (SPD), Oberbürgermeister von Potsdam, erläutert im Gespräch mit dem Behörden Schubert: Zunächst zur Ein- Spiegel, woher die Bereitschaft kommt und was die Voraussetzungen dafür sind. Die Fragen stellte Katarina Heidrich.

sortierung: In Potsdam leben rund 180.000 Menschen, davon circa 16.300 ohne deutschen Pass. Darunter sind sehr viele Studierende und Mitarbeitende unserer verschiedenen wissenschaftlichen Institute, aber auch 3.200 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Seit 2015 wurden in etwa 3.000 Menschen in Potsdam aufgenommen. Wir haben zu der Zeit ein Integrationskonzept erarbeitet, das eigentlich auf eine wohnraumnahe Unterbringung setzt. Aus Kapazitätsgründen in dem Zeitraum mussten wir aber leider davon etwas Abstand nehmen und auf Gemeinschaftsunterkünfte ausweichen. Von denen haben wir derzeit 15 in der Stadt mit mehr als 1.000 Plätzen. Da­ runter sind wohnungsähnliche Unterkünfte speziell für Frauen und Kinder, für Traumatisierte oder auch Wohnungsverbünde. Zwei mobile Unterkünfte werden aktuell ebenfalls noch genutzt. Insgesamt haben wir derzeit eine Auslastung von knapp 80 Prozent unserer Unterkünfte. Behörden Spiegel: Anfang März war im Koalitionsbeschluss noch

die Rede von 1.000 bis 1.500 Kindern und Jugendlichen, die aus den Lagern von den griechischen Inseln aufgenommen werden sollen. Irgendwann sprach man von 58, dann von 53, nun sind es zunächst 47 geworden. Wie bewerten Sie dies? Schubert: Der Weg zu diesem Koalitionsbeschluss war schon sehr schwierig und ich freue mich, dass andere europäische Staaten ebenfalls zur Aufnahme bereit sind. Innerhalb des Bündnisses hatten wir bereits Anfang des Jahres in kurzer Zeit Zusagen, insgesamt bis zu 500 Kinder aufzunehmen. Das haben wir dem Bundesinnenminister mitgeteilt und gleichzeitig versucht, politisch für diesen Schritt zu werben. Ein erster Schritt sollte ja sein, zumindest alleinreisende Kinder und Jugendliche aus den unmenschlichen Bedingungen, die in den Lagern herrschen, herauszuholen. Die Zahl 47 ist natürlich keine, die glücklich macht und bei der man die Hände in den Schoß legen sollte. Wir werben daher weiterhin dafür, zügig mehr Kinder

und Jugendliche aufzunehmen und trotz aller Diskussionen, die anderweitig gerade geführt werden, schrittweise auf die Zahl von wenigstens 1.000 zu kommen. Zumindest hat sich das Land Brandenburg nun auch zur Aufnahme von 60 Kindern und Jugendlichen bereiterklärt, von denen wir in Potsdam zehn aufnehmen werden. Behörden Spiegel: Stichwort anderweitige Diskussionen. Momentan wird in der politischen, aber auch öffentlichen Debatte abgewogen zwischen humanitären Zielen und den Kapazitäten unseres Gesundheitssystems. Zu Recht? Schubert: Es ist in der derzeitigen Situation nachvollziehbar, dass einige sagen, da kommen jetzt noch mehr, um die wir uns kümmern müssen. Aber diese Sichtweise allein darf es auch nicht sein. Die Bereitschaft zur Aufnahme in vielen Städten ist da und ich werde nicht müde zu sagen, da muss etwas passieren. Das hat auch damit zu tun, dass ich mir die Bedingun-

Gesundheit first Kita-Betreuung während der Pandemie (BS/Katarina Heidrich) Zurzeit werden bundesweit etwa 3,7 Millionen Kinder in 56.700 Kindertageseinrichtungen betreut. Im Durchschnitt also 65 Kinder pro Kita. Die Vereinte Dienstleistungsgesellschaft (Verdi) hat Kriterien erstellt für die schrittweise Erweiterung der Notbetreuung. Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten sollen demnach genauso gewährleistet werden wie der Infektionsschutz der Kinder und ihrer Eltern. Die Entscheidung zur Erweiterung der Kitabetreuung solle am Kindeswohl orientiert werden und zum einen die Systemrelevanz des Berufs der Eltern und zum anderen die soziale Situation der Familie berücksichtigen, heißt es in dem Verdi-Positionspapier. “Davon unbenommen muss bei Auflagen des Allgemeinen Sozialen Dienstes für Schutzmaßnahmen für die Kinder und/ oder Unterstützungsmaßnahmen für Eltern eine Betreuung gewährleistet werden. Kindern im Übergang von der Kita zur Grundschule Vorrang bei der Betreuung einzuräumen, sollte von den örtlichen Kapazitäten und pädagogischen Konzepten abhängig gemacht werden.” Bei den Ländern läge die Verantwortung für verbindliche Vorgaben. Dazu gehörten valide Zahlen, wie viele Kinder unter den Bedingungen der Pandemie und den erforderlichen Maßnahmen die Kitas besuchen könnten. Dabei ist laut Verdi zu beachten, dass auch Beschäftige zu den Risikogruppen gehören und nicht eingesetzt werden können. “Die Absicherung der Kinderbetreuung für die systemrelevanten Berufsgruppen muss gesichert bleiben. Alle Beteiligten brauchen Verlässlichkeit, es sollten deshalb keine falschen Erwartungen geweckt werden.” Bei den Trägern der Einrichtungen läge die Verantwortung, passende Konzepte zu entwickeln, die den pädagogischen Ansprüchen sowie den Erfordernissen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Rechnung tragen. “Auf keinen Fall darf die

Der Infektionsschutz der Kinder, aber auch des Personals, soll bei Kitaöffnungen im Vordergund stehen. Foto: BS/Westfale, pixabay.com

Verantwortung der Ausgestaltung durch schwammige oder nicht realisierbare Vorgaben auf die Beschäftigten in den Kitas abgewälzt werden”, fordert auch der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann.

Backoffice für Risikogruppen Auch der Fachbereich Sozialund Erziehungsdienst der Komba Gewerkschaft hat Kriterien für eine schrittweise Kita-Öffnung aufgestellt. Zunächst müsse nach dem Motto “Sorgfalt vor Schnelligkeit” ausreichend Zeit gewährleistet werden, um die Vorbereitungsarbeiten vor Ort umsetzen zu können. Dazu gehörten etwa die Raumgestaltung nach den empfohlenen Hygieneregelungen. Zudem müssten genügend Hygiene- und Schutzartikel beschafft und Konzepte für die Reinigungsarbeiten erstellt werden. Die Personalplanung solle vorrangig das Personal einsetzen,

für das kein erhöhtes Gesundheitsrisiko bestehe. Angehörige der Risikogruppen könnten nach Ansicht der Gewerkschaft “Backoffice-Arbeiten” im Homeoffice erledigen. Wichtig sei zudem, da sind sich Verdi und Komba einig, dass vor jeder neuen Umsetzungsstufe festgestellt werden müsse, wie die konkrete Infektionsgefahr zu diesem Zeitpunkt aussehe. Generell weise man aber schon seit Jahren, belegt durch bundesweite Umfragen, darauf hin, dass die sachliche, finanzielle und vor allem personelle Unterversorgung von Kitas dramatisch sei, moniert Beckmann. “Das, was wir derzeit erleben, muss dazu führen, dass die politisch Verantwortlichen Kitas endlich nachhaltig mit den notwendigen Gelingensbedingungen ausstatten. Für künftige Ausnahmesituationen müssen wir ein integratives Unterstützungssystem entwickeln, das diese besser abfedert.”

gen vor Ort in Moria angeguckt habe vor einigen Wochen. Zum Großteil kein fließendes Wasser, fast 300 Menschen teilen sich eine Dusche, nicht genug Toiletten. Eine beschämende Situation für Europa. Und wir hier diskutieren Tag für Tag über hygienische Bedingungen und Ziele. Vor dem Hintergrund fragt man sich schon, was passiert, warum das nicht schneller geht. Für Potsdam selbst muss ich sagen, dass wir eine sehr aufgeklärte Diskussion und engagierte Bevölkerung haben. Das mündet auch in dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom Dezember 2018, der mich auffordert, mich aktiv um Fragen der Notrettung von Geflüchteten

aus dem Mittelmeer und für die weitere Aufnahme von Geflüchteten einzusetzen. Deshalb sind wir ja auch so aktiv in das Bündnis hineingegangen, weil ich A die Stadtverordnetenversammlung und B die Mehrheit der städtischen Bevölkerung hinter mir weiß. Behörden Spiegel: Gäbe es diese Rückendeckung aus der Zivilgesellschaft nicht, sähe ihr Engagement anders aus? Schubert: Das städtische Klima hat dabei eine gewisse Bedeutung. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass die Potsdamer Stadtverordneten einen Beschluss fassen, der so gänzlich

gegen das Klima in der Stadt läuft. Das ist genau der Punkt, den die sogenannte Koalition der Willigen immer wieder propagiert. Kommunen wissen aus ihrer Bevölkerung heraus, wenn sie sich die Legitimation abholen, Menschen aufzunehmen und ein geregeltes Asylverfahren zu garantieren. Dann funktioniert Integration auch. Man muss den Mut dazu haben und auch an einigen Stellen gewisse Spannungen aushalten. Ebenfalls muss sich jede Kommune konkret da­ rüber Gedanken machen, was sie wirklich leisten kann und wie die Kapazitäten aussehen. Es ist auch nachvollziehbar, wenn einige sagen, im Moment nicht. Ich hantiere daher immer eher mit kleineren Zahlen, wie jetzt den zehn Kindern und Jugendlichen, um die aber bestmöglich ankommen lassen zu können. Es gehört ja mehr als die reine Aufnahme dazu, sondern auch Betreuung und eben Integration. Die Frage sollte nicht nur sein, was sind wir bereit zu tun, sondern was können wir sofort leisten?

Corona-Detektive gesucht Personelle Verstärkung in den Gesundheitsämtern (BS/Katarina Heidrich) Die 375 Gesundheitsämter in Deutschland managen zentral die Corona-Krise. Sie recherchieren Kontaktpersonen von Infizierten, ordnen Quarantäne an und stehen in telefonischem Kontakt mit den positiv Getesteten. Dafür benötigen sie eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung. Das wurde zwar durch einen Bund-Länder-Beschluss angeordnet, doch bleiben die wichtigsten Fragen weiterhin offen. Reicht die Aufstockung – und wer bezahlt diese eigentlich? Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) begrüßt die Entscheidung, den Öffentlichen Gesundheitsdienst personell besser auszustatten. Insgesamt sollen über 20.000 neue Mitarbeitende deutschlandweit eingestellt werden. Diese sollen insbesondere bei der Kontaktpersonennachverfolgung unterstützen. “Dieses Personal muss dauerhaft in den Gesundheitsämtern arbeiten. Dadurch kann man die Bevölkerung besonders in Krisenzeiten schützen. Nur so sind wir für zukünftige Pandemien gerüstet,” bekräftigt die Bundesvorsitzende Dr. Ute Teichert. Das ist allerdings die große Krux, denn die neuen Mitarbeiter sind größtenteils abberufen aus ganz anderen Bereichen des Öffentlichen Dienstes, müssen zunächst geschult werden und kehren in ihre ursprünglichen Einsatzbereiche zurück, wenn die Krise überstanden ist. Bislang kann aber niemand sagen, wann das sein wird. Auch wie hoch die Kosten für dieses zusätzliche Personal sein werden und vor allem, wer sie zu welchen Teilen tragen soll, ist unklar, wie es etwa aus dem schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium heißt. An der Umsetzung der Zielmarke – pro 20.000 Einwohner mindestens ein Kontaktnachverfolgungsteam bestehend aus fünf Personen – werde derzeit gearbeitet, bisher hätten aber nur “einzelne Gesundheitsämter annähernd diese Größenordnung erreicht”.

“Containment-Scouts” Zusätzlich sollen etwa Ärzte im Ruhestand für die Arbeit in den Gesundheitsämtern gewonnen werden sowie nichtärztliche Mitarbeiter für den Zeitraum von circa einem Jahr. Dazu stehe das Gesundheitsministerium in Kontakt mit der Bundesagentur für Arbeit. In Baden-Württemberg setzt man ebenfalls auf extern

angeworbene Kräfte und auf zusätzliche Personalressourcen aus Geschäftsbereichen innerhalb der Landratsämter und andere Bereiche der Verwaltung. Einzelne Gesundheitsämter machen ebenfalls von Medizinstudierenden Gebrauch, die über den BVÖGD koordiniert werden. 65 “Containment-Scouts” erhielt das Land seitens des Robert Koch-Instituts (RKI), hierfür trägt der Bund die Kosten. Niedersachsen werden im Mai 50 solcher Helfer zur Verfügung gestellt, bei insgesamt 44 Gesundheitsämtern. Bundesweit finanziert das Bundesgesundheitsministerium (BMG) 105 mobile Teams mit je fünf Personen. Welches Land wie viele Scouts zugeteilt bekommt, hängt vom jeweiligen Infektionsgeschehen ab. Für sie ist eine sechsmonatige Befristung angedacht. Ihre Schulungen sollen online erfolgen. In Hamburg hat die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz ein Register für freiwillige Fachkräfte eingerichtet, um eine systematisierte Vermittlung an Einrichtungen mit Personalbedarf zu gewährleisten. Auch in Rheinland-Pfalz gibt es einen großen Pool mit rund 1.000 zusätzlichen Infektionsschutzhelfern für die Gesundheitsämter. Der tatsächliche Bedarf stehe aber noch nicht fest, deshalb könne man auch noch keine Kosten beziffern, heißt es aus dem Landesgesundheitsministerium. Ungeachtet dessen haben die Gesundheitsämter bereits jetzt eine Sonderzahlung des Landes von einem Euro je Einwohner/ Einwohnerin des Zuständigkeitsgebiets des Gesundheitsam tes erhalten. In Hessen wird derzeit die Möglichkeit eines kurzfristigen Landesprogramms zur zeitlich befristeten Finanzierung zusätzlicher Kräfte geprüft.

Amtshilfe durch Bundeswehr Aus dem saarländischen Gesundheitsministerium heißt es,

dass die “zusätzliche Personalisierung nicht allein unter der Fragestellung von aktuellen Fallzahlen zu bewerten ist”, sondern ebenfalls unter Berücksichtigung räumlicher und finanzieller Kapazitäten. Grünen-Landeschef Markus Tressel warnt, dass die Ausstattung der Gesundheitsämter mit ihren Aufgaben nicht mehr Schritt halte. “Die Gesundheitsämter sind chronisch unterfinanziert und unterbesetzt”, so Tressel, der mit einem eigenen Lehrstuhl für öffentliches Gesundheitswesen an der SaarUni das Saarland zum Vorreiter machen möchte. Eine weitere “Bezugsquelle” für die personelle Verstärkung im Gesundheitsdienst stellt die Bundeswehr dar. In Brandenburg werden 100 Soldaten und in Bayern drei Sanitätsoffiziere zur Amtshilfe in den Gesundheitsämtern eingesetzt. Landesinnenminister Michael Stübgen (CDU) lobt den Einsatz: “Die Hilfe der Bundeswehr ist ein enorm wichtiger Beitrag. Wir beschreiten damit vollkommen neue Wege. Diese Art der Unterstützung hat es bisher noch nicht gegeben. Ich bin mir aber sicher, dass das Brandenburger Modell deutschlandweit Schule machen kann.” Weitere Amtshilfeersuche kamen aus Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland, wie es aus dem Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr heißt. Die Soldaten gehören dem sogenannten “Einsatzkontingent Corona des Nationalen Territorialen Befehlshabers” an. Die Kosten der Amtshilfe trägt grundsätzlich die anfordernde Behörde, soweit der Bund nicht auf Kostenerstattung verzichtet. “Was bei extremen Lagen in der Vergangenheit durch den Bund oftmals praktiziert wurde”, heißt es aus dem NRWGesundheitsministerium (siehe Seite 46).


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Personelles

Behรถrden Spiegel / Mai 2020


Behรถrden Spiegel / Mai 2020

Personelles

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Personelles/ Kommunaler Haushalt

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Behörden Spiegel / Mai 2020

Abbau kommunaler Altschulden

Steuererhöhungen trotz Corona

Zwischenstand der Bund-Länder-Gespräche

Rechnungshof RLP verlangt auch in Krisenzeiten Haushaltsdisziplin

(BS/lkm) Schon vor der Corona-Krise sorgten laufende Zinsverpflichtungen dafür, dass viele Kommunen kaum noch handlungsfähig waren. Im Sommer letzten Jahres kündigte die Bundesregierung deshalb an, zur Lösung des Problems einen “nationalen politischen Konsens” zu suchen. Seitdem hat man wenig Neues zu diesem Vorhaben gehört. Die Gespräche scheinen ins Stocken geraten zu sein.

(BS/lkm) Der Landesrechnungshof von Rheinland-Pfalz fordert von seinen Kommunen auch während der Corona-Krise Haushaltsdisziplin. Die Kommunen sollten sich mit Einsparungen und einer Anhebung der Grundsteuer gegen finanzielle Belastungen in der Corona-Krise wappnen. Die Kommunen werfen dem Rechnungshof fehlenden Realitätssinn vor und kritisieren die Forderungen als unverantwortlich.

Bundesweit weisen laut Abschlussbericht der Regierungskommission für “Gleichwertige Lebensverhältnisse” rund 17 Prozent der Kommunen einen zu hohen Bestand an Altschulden und Kassenkrediten auf. 50 Milliarden Euro, verteilt auf etwa 2.500 Städte und Gemeinden, sind der Schuldenberg, um den es geht. Betroffen sind vor allem Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, im Saarland und Hessen. Die Ankündigung des Bundes wurde vor allem in diesen Ländern positiv aufgenommen. Sie argumentieren, wie etwa Doris Ahnen, Finanzministerin von Rheinland-Pfalz, die kommunale Verschuldung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aber: Der Bund verlangt auch eine Beteiligung der Länder am Entschuldungsprogramm.

Länder sollen sich signifikant beteiligen Voraussetzung für eine Altschuldenhilfe seitens des Bundes ist ein Konsens zwischen allen 16 Ländern, an einer nachhaltigen Lösung solidarisch mitzuwirken. Zudem muss sichergestellt werden, dass eine neue Verschuldung über Kassenkredite nicht mehr stattfindet. In den Gesprä-

chen mit den Ländern hat der Bund zudem deutlich gemacht, dass sich die betroffenen Länder an der Entschuldung signifikant beteiligen müssen. Eine Bundesbeteiligung beim Abbau kommunaler Altschulden setzt voraus, dass die Länder einen Aufbau übermäßiger überjähriger Kassenkredite künftig unterbinden. Dazu sollen entsprechende haushalts- und aufsichtsrechtlicher Rahmenbedingungen geschaffen werden. Vorstellbar ist, dass die kommunalen Finanzaufsichten dazu stärker in die kommunale Haushaltshoheit eingreifen können, um zu verhindern, dass die betroffenen Kommunen erneut übermäßige Schulden aufnehmen.

Sockelbeitrag für Kommunen im Gespräch Zudem betont der Bund, dass es Aufgabe der Länder ist, eine angemessene Finanzausstattung ihrer Kommunen und damit deren dauerhaften Haushaltsausgleich sicherzustellen. “Wesentliches Instrument hierfür ist der kommunale Finanzausgleich. Daneben können die Länder die Kommunen auch mit zweckgebunden Zuweisungen für Investitionen unterstützen”, schreibt das BMF.

Wie das Bundesfinanzministerium (BMF) auf Anfrage mitteilt, hat der Bund mittlerweile bilaterale Gespräche mit allen 16 Ländern geführt. Die Gespräche mit den Ländern sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Erst nach Abschluss dieser Gespräche will die Bundesregierung ein Modell einer möglichen Beteiligung des Bundes beim Abbau kommunaler Altschulden vorlegen. Wie viele Kommunen letztendlich von einer Bundesbeteiligung beim Abbau kommunaler Altschulden profitieren, ist noch offen. Die genaue Zahl hängt von der konkreten Ausgestaltung eines möglichen Entschuldungsprogramms ab. Die von Bundesfinanzminister Scholz genannte Zahl von 2.500 Kommunen habe laut Finanzministerium nur der “Verdeutlichung einer Größenordnung” gedient. Dass Kommunen mit einer Altschuldenlösung komplett entlastet werden, ist auch nicht sicher, denn in den gemeinsamen Gesprächen diskutieren Bund und Länder auch über einen Sockelbeitrag an Schulden, der bei den Kommunen verbleiben könnte. Aufgrund der aktuellen Haushaltsituation vieler Kommunen durch die Corona-Pandemie werden die Stimmen an Bund und Länder lauter, die Verhandlungen über einen Altschuldenfonds zeitnah zum Abschluss zu bringen und einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

Den Kommunen stehen wegen der Corona-Pandemie erhebliche Steuereinbrüche und krisenbedinge Mehrausgaben bevor. Dennoch dürfe der gesetzlich vorgeschriebene Haushaltsausgleich nicht außer Acht geraten, mahnt der Landesrechnungshof von Rheinland-Pfalz. Auch in der Krise sei der Haushaltsausgleich gesetzlich vorgeschrieben. Es seien daher Maßnahmen zu ergreifen, um die “zusätzlich drohenden Defizite auf das Unabweisbare zu begrenzen”. Vor allem Ausgaben für die Verwaltung und freiwillige Leistungen sollen dabei auf den Prüfstand gestellt werden. Investitionen in die Infrastruktur sollen weiter umgesetzt werden. Auf der Einnahmenseite müssten die Kommunen noch mehr Potenziale heben. Der Landesrechnungshof fordert schon seit Langem eine Anhebung der Grundsteuer in den Kommunen. Auch in Krisenzeiten dürfe es kein Tabu sein, die Grundsteuer B auf den Durchschnitt der Flächenländer anzuheben.

Land lockert Rechtsaufsicht Das Innenministerium hatte den Kommunen zuvor jedoch in einem Rundschreiben erklärt, dass die Kommunalaufsichtsbehörden von Forderungen zur Verbesserung der Einnahmeseite wie beispielsweise über eine Erhöhung der Umlagesätze bei Gemeindeverbänden oder der Realsteuerhebesätze (z. B. Grund-

steuer) bei Gemeinden absehen sollten. Zudem solle die Rechtsaufsicht ein Auge zudrücken, wenn Kommunen bei absehbaren Fehlbeträgen, die durch die Corona-Krise verursacht würden, der Verpflichtung zur Aufstellung eines Nachtragshaushaltes bis auf Weiters nicht nachkämen. Von Forderungen zur Verbesserung der Einnahmeseite, wie sie durch die Kommunalaufsichten vor der Corona-Krise kommuniziert worden seien, sollten die Aufsichtsbehörden für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 ebenso absehen. Der Rechnungshof zeigte sich sichtlich unzufrieden mit dem Vorgehen des Landes. “Im Ergebnis bedeutet das, dass die bereits seit vielen Jahren in Rheinland-Pfalz aufsichtlich geduldete rechtswidrige Aufnahme von Liquiditätskrediten ohne weitere Auflagen fortgeschrieben wird”, monierten die Prüfer.

Haushaltsdefizite in ­Krisenzeiten reduzieren Haushaltsdefizite seien insbesondere in Krisenzeiten auf das unabdingbare Maß zu reduzieren, indem Ausgaben überprüft, auf künftige Jahre verschoben oder eingespart würden bzw. vertretbare Einnahmenverbesserungen vorgenommen würden. Lockerungen der kommunalaufsichtlichen Praxis würden nichts an der Geltung der gesetzlichen Vorschriften über den Haushaltsausgleich ändern. “Verstöße gegen diese

Vorschriften bleiben auch dann rechtswidrig, wenn sie von der Aufsicht nicht geahndet werden”, betonte der Rechnungshof. Beim Landkreistag und beim Gemeinde- und Städtebund des Landes stieß die Sichtweise des Rechnungshofes auf Unverständnis. “Die Auffassung, dass Kommunen auch in der Corona-Krise Einnahmeverbesserungen herbeiführen und ggf. die Grundsteuer B anheben sollen, verkennt die aktuelle Lage und ist aus kommunaler Sicht nicht nachvollziehbar”, montierten die Kommunalverbände. Gerade jetzt müsse für alle Bürger und Unternehmen Liquidität gesichert werden. Die Forderungen des Rechnungshofes zeugten daher von fehlendem Realitätssinn. Wenn in allen Haushalten die Einnahmen – zum Teil erheblich – geringer würden, würden die Kommunen nicht auch noch zusätzlich die Liquidität ihrer Bürger und Unternehmer entziehen. Hier werde man lieber auf höhere Einnahmen verzichten als eine Insolvenz zu verantworten. Auch die Forderung, an den freiwilligen Leistungen zu sparen, sei befremdlich. Selbst wenn man diese alle streichen würde und damit das Geld für ÖPNV, Kultur, Tourismus, Schwimmbäder, Vereine oder Spielplätze, wäre das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der aber gerade für die Bürger viel ausmachen würde, kritisieren die Kommunalverbände.

Fachprüfung in 14 Kommunen

Vertragsmanagement in Städten und Gemeinden von Dr. Ulrich Keilmann

Die Gemeinde Grenzach-Wyhlen ist eine attraktive und dynamische Gemeinde mit 15.000 Einwohnern in unmittelbarer Nähe zu Basel im Dreiländereck gelegen.

Wir suchen zum baldmöglichsten Zeitpunkt eine Hauptamtsleitung (m/w/d) Ihre Aufgabenschwerpunkte umfassen insbesondere: • Leitung des Hauptamtes mit Verantwortung für die Bereiche Personal, EDV, Soziales, Senioren, Jugend, Kindergärten und Schulen, Archiv, VHS, Bücherei und Zentrale Dienste • Geschäftsstelle des Gemeinderates • zentrale Organisationsaufgaben • Sport-, Vereins- und Kulturwesen • Wahlen • Datenschutz • Digitalisierung der Verwaltung und Schulen Für diese anspruchsvolle und vielseitige Aufgabe suchen wir eine überdurchschnittlich engagierte und kreative Persönlichkeit mit Führungskompetenz, Eigeninitiative und Verhandlungsgeschick. Organisationstalent, eine innovative Grundhaltung sowie Durchsetzungsvermögen werden vorausgesetzt. Neben der fachlichen Qualifikation wünschen wir uns Erfahrung in der Arbeit mit politischen Gremien. Wir erwarten eine abgeschlossene Ausbildung im gehobenen Verwaltungsdienst oder eine gleichwertige Qualifikation als Angestellte/r. Die Stelle ist derzeit nach Besoldungsgruppe A 13 bzw. EG 13 TVöD bewertet. Eine Neubewertung wird angestrebt. Wir bieten gute Fortbildungsmöglichkeiten sowie flexible Arbeitszeit mit Möglichkeit für Homeoffice. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben bei uns einen hohen Stellenwert. Ihre schriftliche Bewerbung mit den üblichen Unterlagen richten Sie bitte bis spätestens 10.05.2020 an die Gemeinde Grenzach-Wyhlen, Hauptstraße 10 in 79639 Grenzach-Wyhlen oder personalabteilung@grenzach-wyhlen.de. Für telefonische Auskünfte steht Ihnen die derzeitige Leiterin des Hauptamtes, Frau Schöttler (07624/32 202) gerne zur Verfügung.

Verträge sind im Privatbereich allgegenwärtig. Der Abschluss von Versicherungen für Kfz und Haftpflicht sowie von Verträgen für Strom oder Internet sind nur einige Beispiele. Kommunen schließen ebenfalls zahlreiche Verträge ab. Den Idealfall eines Vertragszyklus zeigt die rechtsstehende Abbildung. Es ist elementar, einen bestmöglichen Überblick über die Verträge zu haben. Dafür dient ein Vertragsmanagement. Ziel des Vertragsmanagements in der öffentlichen Verwaltung ist es: • den effizienten Einsatz öffentlicher Mittel zu gewährleisten (Wirtschaftlichkeit), • r echtliche und steuerliche Risiken aktiv zu steuern und • W issen, beispielsweise zu Vertragsarten und Vertragspartnern, zu sichern. Ohne Vertragsmanagement ergeben sich finanzielle, rechtliche sowie fachliche Risiken. Es fehlen Informationen, um Verträge aktiv steuern zu können. Ganz praktisch besteht oft das Risiko,beispielsweise vertragliche Kündigungsfristen zu übersehen, um rechtzeitig Verträge mit nicht zuverlässigen Vertragspartnern modifizieren oder kündigen zu können. Zudem zeigt das Vertragsmanagement an, wie viele Mittel bereits durch Verträge finanziell gebunden sind. Schließlich verstärkt

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche­ Prü­fung kommunaler Körper­schaf­ten beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

§ 2b Umsatzsteuergesetz (UStG) die Bedeutung des Vertragsmanagements, weil dann nur noch hoheitliche Tätigkeiten unter die Begünstigungen fallen und ein sauberes Vertragsmanagement die notwendige steuerliche Wertung und Zuordnung aller Leistungsbeziehungen (mithin Verträge) deutlich vereinfacht. In unserer Fachprüfung über das Vertragsmanagement von 14 Städten und Gemeinden konnten wir feststellen, dass alle Körperschaften die wesentlichen Versicherungen (Sachund Haftpflichtversicherung) abgeschlossen hatten. Weniger erfreulich war, dass nur eine Stadt ein zentrales Vertragsmanagement implementiert hatte. Somit fehlte 13 der 14 Vergleichskörperschaften der dokumentierte Gesamtüberblick über ihre Verträge. Besonders deutlich wurde dies in einer Stadt, die eine Maschinenversicherung für ein Hallenbad hatte, das bereits 2006 geschlossen und 2016 abgerissen wurde. Erst durch unsere Prüfung wurde die noch bestehende und

unnötige Versicherung festgestellt und schließlich auch gekündigt. Mit einem zentralen Vertragsmanagement hätte die

Quelle: Rechnungshof Hessen, Grafik: BS/B. Dach

Körperschaft die Versicherung für das stillgelegte Hallenbad frühzeitig kündigen und damit Geld einsparen können. Lesen Sie mehr zum Thema “Vertragsmanagement” im Kommunalbericht 2019, Hessischer Landtag, Drucksache 20/1309 vom 8. November 2019, S. 268 ff. Der vollständige Kommunalbericht ist kostenfrei unter rech nungshof.hessen.de abrufbar.


Behörden Spiegel / Mai 2020

Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

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Auf dem Weg zur Königsdisziplin

Auswirkungen des COVInsAG auf Stadtwerke

Operatives und strategisches Beteiligungscontrolling in der Praxis

Der Umgang mit insolvenzbedrohten Kunden

(BS/Lars Scheider) Essenziell für eine nachhaltige Steuerung von öffentlichen (Beteiligungs-Unternehmen ist (BS/Christoph Meeder*) Am 27. März 2020 wurde das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVIDdas Beteiligungscontrolling. Dessen Einführung ist der entscheidende Schritt vom passiven Verwalten zum 19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ im Gesetzblatt veröffentlicht. Art. 1, der die aktiven Steuern im Beteiligungsmanagement, wie das Beispiel der Stadt Frankfurt am Main zeigt. Dabei gilt insolvenzrechtlichen Aspekte regelt (im Folgenden COVInsAG), trat rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft. es, zwischen operativem und strategischem Controlling zu differenzieren. Für das operative Beteiligungscontrolling braucht es ein regelmäßiges Reporting. In der Stadt Frankfurt (Main) erfolgt dies quartalsweise. In diesem Rahmen werden die Quartalsabschlüsse der direkten und indirekten städtischen Mehrheitsbeteiligungen sowie der Eigenbetriebe vom Beteiligungsmanagement zu einem Gesamt-Quartalsbericht zusammengefasst. Die vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen der Gesellschaften werden in engem Kontakt zwischen den Unternehmensbetreuern des Beteiligungsmanagements und den zuständigen Controlling-Abteilungen analysiert und erläutert. Wesentliche Kennzahlen sind die Ist-, Planund Vorjahreszahlen der GuVPositionen. Zudem werden Hochrechnungen auf das Jahresergebnis erfasst und analysiert. Nach jedem Quartal soll mindestens eine Einschätzung gegeben werden, ob das geplante Jahresergebnis eingehalten werden kann. Die Berichte dienen der zeitnahen und ausreichenden Information des Aufsichtsrates und der Gesellschafter sowie der Vorbereitung eventuell erforderlicher Steuerungsmaßnahmen. Es ist darauf hinzuwirken, dass die der Stadt gemeldeten Quartalsergebnisse denen des Aufsichtsrates inhaltlich entsprechen bzw. Hinweise auf zeitlich bedingte Abweichungen im Ausnahmefall erfolgen.

Nachhaltigkeit durch Softwareunterstützung Den in den letzten Jahren stetig gestiegenen quantitativen und qualitativen Anforderungen an das Beteiligungsmanagement kann nur mithilfe einer modernen datenbankorientierten Software gerecht werden. In der Mainmetropole ist diese verwaltungseigene Software seit 2006 im Einsatz und wird kontinuierlich optimiert. Die Gesellschaften und Eigenbeitriebe der Stadt geben ihre Quartalszahlen direkt webbasiert in eine zentrale Datenbank ein. Zur Unterstützung der Analyse entwickelte das Beteiligungsmanagement im Jahr 2012 zudem

alle städtischen Mehrheitsgesellschaften zu entLars Scheider ist Bankkaufwickeln, indem mann, Assessor jur. sowie die UnternehVerwaltungsdirektor und mensziele jeweils Abteilungsleiter Beteiliauf einer Seite in gungsmanagement bei der Stadtkämmerei der Stadt einem sog. “GeFrankfurt a. M. schäftsmodell” zusammengefasst werden. Die in mittel- und langFoto: BS/privat fristiger Perspektive angelegten für die Gesellschaften und Ei- “Geschäftsmodelle” erfordern genbetriebe sogenannte “Dash- einen relativ hohen Abstraktionsgrad. boards”. Hierbei handelt es sich um eine Zusammenstellung wesentlicher Königsdisziplin strategisches Controlling Finanz-, Personal- sowie Leistungskennzahlen über mehreDamit wird für das Unternehre Jahre, die visuell aufbereitet menshandeln die nötige Zieldem jeweiligen Adressaten einen kontinuität erreicht. Es ist ein schnellen Überblick über die Ge- Strategiekonzept mit Geschäftsschäftsentwicklung ermöglicht. modell, Ziellandkarte und KennDie “Dashboard”-Dateien wer- ziffern notwendig. Insofern sind den in erster Linie aus den auf zumindest die Finanzkennzahlen der Datenbank angesammelten des operativen Controllings eine Unternehmensdaten gespeist. Grundvoraussetzung und Basis Es können Zeitreihen über zehn für das strategische Controlling, Jahre grafisch dargestellt wer- welches darüber hinaus mehrdiden. mensional auch weiter Leistungskennzahlen bedarf und einem Ziel strategisches Controlling-Prozess laufend zu Controlling validieren sind. Somit ist der Aufbau eines Darüber hinaus verpflichtet sich die Stadt Frankfurt am strategischen Controllings die Main im Public Corporate Gover- “Königsdisziplin” des aktiven nance Kodex (PCGK), eine gute, Beteiligungsmanagements, woverantwortungsvolle Unterneh- bei tunlichst der zweite Schritt mensführung und -kontrolle bei nicht vor dem ersten gemacht ihren Beteiligungsunternehmen werden sollte. zu sichern. Diese Steuerung hat sich primär am Gemeinwohl der Bürger zu orientieren, wobei der wirtschaftliche Erfolg der einzelnen Unternehmen und des “Konzernverbunds Stadt” zu berücksichtigen ist. Neben der Wie die oben skizzierten Aufgabe, die Unternehmen bei Instrumente eines modernen der Erfüllung des UnternehmensBeteiligungscontrollings in der zwecks zu unterstützen und die Verwaltungspraxis erfolgreich umgesetzt werden können wirtschaftliche Effizienz zu optiund welche Instrumente dazu mieren, hat die Stadt daher im zur Verfügung stehen, wird in Rahmen kommunaler Selbstdem Beteiligungscontrollingverwaltung gleichzeitig zu geSeminar am 24. September währleisten, dass bei der Leitung, 2020 in Berlin erläutert. Steuerung und Überwachung der Unternehmen insbesondere die Mehr unter www.fuehrungs öffentlichen Belange, das heißt kraefte-forum.de, Suchwort die Daseinsvorsorge, angemessen “Beteiligungscontrolling” berücksichtigt werden. Gemäß PCGK sind Zielbilder für

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Für Unternehmen, die infolge der Pandemie vor der Insolvenz stehen, gilt eine Aussetzung der Antragspflicht. Foto: BS/BenediktGeyer, pixabay.com

Unabhängig von dem als Zahlungsmoratorium bekannt gewordenen Leistungsverweigerungsrecht von in finanzielle Schieflage geratenen Verbrauchern, stehen Stadtwerke und andere, die in einem Dauerschuldverhältnis stehen, vor der Aufgabe, wie mit dem neuen Anfechtungsrecht umzugehen ist. Werden nämlich Mieten oder auch Strom- und Gasrechnung von Verbrauchern und Kleinstunternehmern vorübergehend nicht beglichen, ist das eins. Werden von Großkunden geleistete Zahlungen vom Insolvenzverwalter wieder zurückgefordert, trifft das den einen oder anderen ungleich schwerer. Eine wesentliche Änderung ist zum einen die Aussetzung der Antragspflicht für Unternehmen, wenn die Insolvenzreife eine Folge der Pandemiekrise ist. Dies wird vermutet, wenn das Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war. Dann wird auch vermutet, dass eine bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden kann. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt zunächst bis 30. September 2020; nicht unwahrscheinlich ist, dass die Frist einmalig bis 31. März 2021 verlängert wird.

Wesentliche Änderungen Weitere wesentliche Änderungen ergeben sich bezüglich der beschränkten Anfechtungsmöglichkeiten des (künftigen) Insolvenzverwalters; wenn auch die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, suspendiert ist, möglich ist er gleichwohl und das eine oder andere Unternehmen kann durchaus hierin eine Chance se-

hen, sich dadurch von ungeliebten Langzeitverträgen zu trennen. Zunächst sind einmal kongruente Leistungen des Schuldners, also Leistungen, auf die der Gläubiger zu dieser Zeit und auf diese Weise einen Anspruch hat, im Aussetzungszeitraum der Anfechtung gänzlich entzogen (es sei denn, der Gläubiger weiß, dass jegliche Bemühungen des Schuldners, eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, die zum Scheitern verurteilt sein würde). Erfreulicherweise machen Stadtwerke die Erfahrung, dass säumige Unternehmen die gewährten Finanzierungshilfen jetzt auch dazu nutzen, Altschulden zu begleichen. Ohne die Neuregelung unterlägen diese Zahlungen dem Anfechtungsrisiko, da bei anhaltender Säumnis dem Stadtwerk unterstellt werden kann, dass ihm die Krise bekannt gewesen war. Aber auch inkongruente Rechtshandlungen sind von der Anfechtung ausgeschlossen, sofern sie tatbestandlich unter § 2 Absatz 1 Nr. 4 lit a) – e) fallen. Insbesondere die beiden letzten Rechtshandlungen verdienen besondere Würdigung: Vereinbaren die Parteien während des Aussetzungszeitraums beispielsweise Zahlungserleichterungen, so ist diese Vereinbarung nicht anfechtbar, genauso wenig wie eine Verkürzung der Zahlungsfristen nicht anfechtbar ist. Dabei ist stets zu überwachen, ob die Voraussetzung für die Aussetzung der Antragspflicht weiterhin besteht, denn besteht ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Aussicht, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit (mehr) zu beseitigen, lebt die Antragspflicht

auf. Dieser Zeitpunkt ist maßgeblich für die Berechnung der Anfechtungsfristen.

Chance nutzen: das Bargeschäft Weitestgehend und auch unter Geltung des “normalen” Insolvenzrechts einer Anfechtung sind die sogenannten Bargeschäfte entzogen, also solche Geschäfte, bei denen Leistung und Gegenleistung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Als Faustregel gilt: Erfolgt die Gegenleistung später als 30 Tage nach der Leistung, so wird es schwer, von einem Bargeschäft zu sprechen. Beispielsweise eine wöchentliche Abrechnung ,aber auch Abschlagszahlung innerhalb eines bestimmten Lieferzeitraums fallen damit unter das Bargeschäftsprivileg. Der Aussetzungszeitraum sollte daher genutzt werden, zusammen mit dem Kunden die Zahlungsweise oder die Fälligkeiten neu zu regeln. Bei Großkunden sollte auf eine wöchentliche Abrechnung oder auf Abschlagszahlung umgestellt werden. In letzterem Fall unterfällt lediglich eine Überzahlung nicht unter das Bargeschäftsprivileg. Denn: Diese Änderungen fallen nach dem COVInsAG während des Aussetzungszeitraums unter diejenigen inkongruenten Rechtshandlungen, die nicht angefochten werden können. * Christoph Meeder ist Syndikusrechtsanwalt und Abteilungsleiter Recht & IT bei der StadtwerkeKooperation SüdWestStrom. Seit 2014 ist er zudem Lehrbeauftragter an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen.


Neubau & Sanierung

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ehörden Spiegel: Wie kam es zu der Idee des Modellprojekts? Und warum gerade im Bestand?

Schmidt: Ein Smart-City-Wettbewerb des Digitalverbands Bitkom vor einigen Jahren war der Auslöser für uns als Stadtwerke Jena, zu überlegen, wie wir uns dem Thema nähern können. Zu der Zeit gab es auch viele Gespräche mit der E-CommerceBranche, die in Jena sehr stark ist. Dabei hat sich herausgestellt, dass die hiesigen Hochschulabsolventen aus dem IT-Bereich nicht ausreichen, um in den kommenden Jahren den Fachkräftebedarf im Bereich E-Commerce zu decken. Deshalb stellte sich die Frage, wie man jemanden etwa aus Berlin, München oder Köln nach Jena lockt. Und da Thüringen insgesamt stark ländlich geprägte Regionen hat, sollte neben der Stadt selbst auch das Umfeld bedient werden. So ist eine Vision für uns entstanden, die sich mit Smart Village beschäftigt. Im Gespräch mit Tobias Wolfrum, dem Geschäftsführer von jenawohnen, einem Tochterunternehmen der Stadtwerke Jena, wurde die Idee geboren, es konkret im Modellprojekt Smartes Quartier JenaLobeda auszuprobieren. Das Quartier stand damals kurz vor der Sanierung und bot die besten Rahmenbedingungen, um unsere Vision umzusetzen. Viele Dinge einfach einmal ausprobieren, gemeinsam Prozesse lernen, in einem kleinen Umfeld, ohne lange Wege. Im Neubau SmartCity-Ideen umzusetzen, ist nur eine Frage des Geldes. Wir wollten aber eine Blaupause schaffen, die auch für andere Städte, andere Regionen und auch für andere Quartiere hier in und um Jena genutzt werden kann. Insofern hat dieses Quartier mit 300 Wohneinheiten einen gewissen Charme. Es ist nämlich ein StandardWohnblock aus DDR-Zeiten, ein WBS-70-Plattenbautyp mit elf

Behörden Spiegel / Mai 2020

Smart City ist mehr als Technik Modellprojekt zum Smarten Quartier Jena-Lobeda (BS) Das Thema Smart City beschäftigt immer mehr Kommunen. Jena geht einen eigenen Weg und verbindet dieses Zukunftsthema mit der Sanierung im Bestand. Weshalb das sinnvoll ist und warum die Technik dabei nur die zweite Geige spielt, erläutert Gunar Schmidt, Projektleiter des Smarten Quartiers und Geschäftsführer der Stadtwerke Jena Netze, im Gespräch mit dem Behörden Spiegel. Die Fragen stellte Katarina Heidrich.

Gunar Schmidt ist Geschäftsführer der Stadtwerke Jena Netze und leitet das Projekt Smartes Quartier Jena-Lobeda. Foto: BS/Stadtwerke Jena

Geschossen, wie Sie ihn in jeder ostdeutschen Stadt finden. Was wir dort bautechnisch umsetzen können, können wir überall in allen anderen Städten vervielfältigen. Wir haben vor Kurzem mit der Grundsanierung begonnen und wollen Ende 2023 mit dem letzten Bauabschnitt fertig sein. Behörden Spiegel: Worum geht es genau beim Smarten Quartier Jena-Lobeda? Schmidt: Dieser Wohnblock hat eine charmante Lage, an der sich das Ziel des Modellprojekts festmachen lässt. Es gibt dort das Universitätsklinikum in direkter Nachbarschaft als größten Arbeitgeber in der Region. In Jena-Lobeda herrscht hier eine vielschichtige Bevölkerungsdurchmischung. Dort wohnen Familien, Rentner und Studenten sowie auch Oberärzte und Akademiker, Sozialhilfeempfänger leben neben Gutverdienenden. Das war für uns die beste Ausgangslage, denn die Fragen, die sich rund um Smart City ergeben, sind nicht nur technischer Natur. Es sind

vor allem viele Fragen aus dem soziologischen Bereich. Mit all den verschiedenen Interessen in einem einzigen Projekt umzugehen, ist die Herausforderung unseres Smarten Quartiers. Diese verschiedenen Bedürfnisse spiegeln sich in unseren Projektbausteinen wider. Da ist zum einen das Teilprojekt Plattform, mit dem wir den Bewohnern Möglichkeiten anbieten wollen, die smarten Lösungen des Quartiers in Anspruch zu nehmen und sich einfach und unkompliziert zu vernetzen. Das heißt, es geht nicht nur um Technik, sondern auch darum, die Menschen zusammenzubringen. Und dabei einen Weg zu finden, von ihnen zu erfahren, was eigentlich ihre Bedürfnisse sind. Wie können wir als Wohnungsanbieter, als Stadt, als kommunales Unternehmen einen Beitrag leisten, die Lebensqualität der Menschen positiv zu entwickeln? Und zwar für jede gesellschaftliche Schicht und jede Altersgruppe. Das Teilprojekt Wohnen und Energie beschäftigt sich mit der Wohnung als solche und entwickelt smarte Ideen, die dort eingebaut werden können. Jede Wohnung wird zum Beispiel mit einem Grundpaket ausgestattet. Dazu gehören eine Lichtund eine Heizungssteuerung oder auch eine Videoklingelanlage. Ein spannendes Thema, da es sich sowohl mit der Wohnung als auch mit dem Quartier selbst verbindet, bearbeitet unser Teilprojekt Gesundheit. Und meiner Meinung nach wird dies in Zukunft bei allen Smart-City-Überlegungen eine wesentliche Rolle spielen. Wir haben zwei Dinge vor. Zum einen

in der Wohnung selbst den älteren oder beeinträchtigten Bewohnern durch Sensorik, Notfallsysteme oder Erinnerungsfunktionen Lösungen anzubieten. Manches wird in der Standardausstattung beinhaltet sein, manches kann man sich bei Bedarf oder auf Wunsch dazubuchen. Der zweite Teil wird ein zentraler Telemedizinraum sein, in dem unter anderem Video-Sprechstunden angeboten werden. Dabei ist das Universitätsklinikum ein Projektpartner, um solche Lösungen zu erproben. Behörden Spiegel: Ist das denn überhaupt nötig, wenn das Krankenhaus gleich gegenüber liegt? Schmidt: Das ist auf alle Fälle sinnvoll. Denn es geht eben um das gemeinsame Erproben von Lösungen, um den modellhaften Charakter, um Prozesse zu lernen. Und das nicht nur für uns als Stadtwerke Jena oder Stadt wichtig, sondern ebenfalls für unsere Projektpartner. Sie erhalten bei uns die Möglichkeit, selbst Ideen einzubringen und diese auszuprobieren. Genauso beim nächsten Teilprojekt Mobilität. Das Quartier ist für ÖPNV und Individualverkehr gut angebunden. Zudem sollen Angebote für Carund Bike-Sharing sowie ElektroAutos erprobt werden. Die Mieter sollen per App feststellen können, ob die Fahrt in die Stadt per Auto wegen eines Staus ratsam ist oder alternativ mit derselben App die Abfahrtzeiten der Straßenbahn

abrufen. Für junge Leute sind noch andere Fragen wichtig. Themen wie schnelles Internet oder Lieferservice. Ersteres ist schon erledigt, alle Gebäude sind ans Glasfasernetz angeschlossen. Letzteres ist Thema des Projektteils Einkauf und Logistik, bei dem wir Lösungen entwickeln, um Pakete, Post, aber auch Einkäufe direkt bis ins Quartier liefern zu lassen. Dafür arbeiten wir beispielsweise mit REWE als Partner zusammen. Behörden Spiegel: Gibt es weitere smarte Ideen? Schmidt: Ein weiterer Ansatz in unserem Projekt sind smarte Räume, die mehreren Mietern zu Gute kommen. So planen wir aktuell sogenannte Serviced-Apartements, die wir auch in Kooperation mit dem Universitätsklinikum umsetzen. Dahinter stehen zehn Wohnungen, die zur Kurzzeit-Miete angedacht sind. Sie beinhalten die Grundausstattung, sind aber auch voll möbliert. Zum einen ist das ein Angebot etwa für Forschende, die vorübergehend an der Universität tätig sind. Aber sie sollen vor allem auch dem Klinikum beim Thema Entlassungsmanagement dienen. Wenn ein Patient beispielsweise nicht mehr stationär in der Klinik verbleibt, aber noch zur Nachsorge muss und der Anfahrtsweg ansonsten sehr weit oder beschwerlich wäre. Im Smarten Quartier sind sie in der Nähe, bestens mit der Klinik

vernetzt und haben Notfallsysteme, falls etwas passiert. Neben einem geplanten Waschmaschinen-Raum, in dem sich alle Geräte per App steuern lassen und einem Sharing-Raum für Alltagsgegenstände soll es auch einen sogenannten CommunityRaum geben, der zum einen den Bewohnern zur gemeinsamen Nutzung offensteht und in dem zum anderen ein CommunityManager anzutreffen ist. Eine Art Hausmeister, der ebenfalls dazu da ist, den Bewohnern bei allen technischen, aber auch sonstigen Fragen zu helfen. Denn noch einmal: Es ist kein rein technisches Projekt, es geht um das Miteinander. Behörden Spiegel: Ist die Suche nach Projektpartnern bereits abgeschlossen? Wie viele machen mit? Schmidt: Bisher haben wir rund 20 externe Partner, die Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet haben und mit uns gemeinsam Erfahrungen sammeln wollen. Und wir freuen uns weiterhin über Unterstützer, die sich mit ihren Kompetenzen und Konzepten einbringen, um unser Smartes Quartier mit voranzubringen. Am Ende werden vielleicht nicht alle von ihnen mit ihren Projekten vertreten sein können, aber wir sind immer offen für neue Ideen und Vorschläge, die dann gemeinsam diskutiert werden. Einzelne Partner werden ihre Produkte einbringen können. Oder aber sie setzen ihre Projekte selbst um und wir stellen lediglich die Räumlichkeiten. Nähere Informationen zum Smarten Quartier Jena-Lobeda erhalten Sie unter: www.stadtwerke-jena-gruppe.de.

Ohne Bauverwaltung keine Bautätigkeit Auswirkungen der Pandemie auf das Baugewerbe

Glasfaser für alle – jetzt erst recht

(BS/Reinhard Quast) Wir leben in Zeiten der Pandemie. Mag man die ersten vorsichtigen Empfeh-lungen zum häufigeren Händewaschen noch etwas belächelt haben, ist uns in den letzten Wo-chen durch die zum Teil drastischen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus die Ernsthaf-tigkeit der Situation sehr deutlich Baubeginn für die Verbandsgemeinde Westliche Börde geworden. Auch wenn sich zum jetzigen Zeitpunkt die Infekti-onszahlen erfreulich entwickeln, müssen wir (BS/Hans Güldenpenning*) Trotz der derzeit erschwerten Situation beim Glasfaserausbau - im ARGE Gebiet uns nach dem derzeitigen Kenntnisstand auf einen längeren Zeitraum mit Einschränkungen verschiedener im Landkreis Börde/Sachsen-Anhalt geht der Glasfaser-Ausbau voran. In der Verbandsgemeinde Westliche Art einrichten. Noch gelingt es den Bauun-ternehmen größtenteils, den Baustellenbetrieb unter großen AnBörde, die als Mitglied der ARGE Breitband eines der derzeit größten zusammenhängenden FTTH-Netze in strengungen aufrechtzuerhalten. Sachsen-Anhalt unterstützt, wurde in Wulferstedt ein wichtiges Zeichen für die Erweiterung des Giganetzes gesetzt. geht, diese über Damit leisten die BauunternehDas Ausbaucluster Westliche Börde mit knapp 8.700 Einwohnern wird das kommunale Glasfasernetz der ARGE Breitband erweitern und die Verbandsgemeinde verliert dabei auch unter erschwerten Bedingungen keine Zeit. Der Verbandsgemeindebürgermeister Fabian Stankewitz, Holger Noffz von der Bauverwaltung Tiefbau/Breitband sowie Holger Haupt, Breitbandverantwortlicher der ARGE Breitband im Landkreis Börde starteten im April von Wulferstedt aus die Bauarbeiten für den flächendeckenden Glasfaserausbau. Der erste Bauabschnitt der Westlichen Börde betrifft Wulferstedt, hier werden dann die ersten achthundert Haushalte und landwirtschaftliche Unternehmen ans Netz gehen. Derzeit werden drei Technikstandorte für die gesamte Westliche Börde für die Anbindung von Wulferstedt und der weiteren Orte des gesamten Gebietes aufgebaut. Die Verbandsgemeinde Westliche Börde ist Netzeigentümer und investiert mit Unterstützung durch Fördermittel des Bundes 1,3 Millionen in den FTTH-Ausbau in Wulferstedt. Der Netzbetreiber des kommunalen ARGE Giganetzes ist die DNS:NET, die dann die Haushalte in der Region mit über 500 Mbit/s versorgt.

Gemeinde setzt Zeichen Bürgermeister Fabian Stankewitz verwies auf das Engagement

“Jetzt gehts los”. Der Ausbau für das Giganetz in der westlichen Börde wurde gestartet. v.l.n.r. Fabian Stankewitz (Verbandsgemeindebürgermeister VG Westliche Börde) und Holger Haupt (Leiter der ARGE Breitband) setzen auf Glasfaser für alle.

der Einwohner, die sich für das Giganetz stark gemacht hatten, und die hohe Vorvermarktungsquote, die nun von Erfolg gekrönt wurde: “Hier in Wulferstedt hatten wir die höchste Vorvermarktungsquote mit über 60 Prozent. Der Rückhalt in der Bevölkerung für dieses Projekt ist sehr hoch. Wir sind sehr stolz, dass wir hier den offiziellen Baustart verkünden können und in den kommenden Monaten die ersten Haushalte und Gewerbeunternehmen vom schnellen Internet auf Glasfaserbasis profitieren.” Holger Haupt, als Leiter der ARGE Breitband, kommentierte: “Nachdem wir im Norden des Ausbaugebietes der ARGE und in Oschersleben gut vorangekommen sind und in weiteren Ausbaugebieten Anschlüsse bereits ans Netz gehen können, freuen

wir uns, dass es nun beim ARGE Mitglied VG Westliche Börde weitergeht. Es hat lange gedauert, jetzt sind wir endlich an dem Punkt, wo es wirklich losgeht. Die Technik ist da, die Akteure stehen bereit, der Baustart kann beginnen. Wir sind sehr froh, dass trotz der schwierigen Corona-Situation die Gemeinde auch ein Zeichen setzt, dass es weitergeht und hoffen, dass wir hier in der Region im Sommer die ersten Kilometer und viele Hausanschlüsse gemeinsam mit dem General-Bauunternehmen für das gemeinsame kommunale Glasfasernetz fertiggestellt haben.” Im Mai starten weitere Gemeinden und Verbandsmitglieder mit dem Ausbau des Giganetzes. *Hans Güldenpenning ist freier Journalist.

men unter erschwerten Bedingungen einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Binnenkonjunktur. Allerdings zeichnet sich bereits ein massiver Nachfragerückgang ab. Bis zu 80 Prozent der mittelständischen Bauunternehmen in Deutschland schätzen den Baustellenbetrieb schon jetzt als eingeschränkt ein. Gut 40 Prozent der Betriebe sind bereits von Auftragsstornierungen, 30 Prozent von Umsatzrückgängen betroffen. Jetzt müssen sehr zeitnahe Maßnahmen getroffen werden, um die Baustellentätigkeit zu sichern. Dafür ist vor allem eine kontinuierliche Auftragsvergabe notwendig. Dafür muss die öffentliche Verwaltung weiterhin handlungsfähig bleiben. Vielerorts scheitert die Durchführung von Baumaßnahmen an fehlenden Personalkapazitäten in den Genehmigungsbehörden. So werden unter anderem Ausschreibungen zurückgestellt oder Baugenehmigungen gar nicht mehr erteilt. Es ist kontraproduktiv, wenn kein Gerüst aufgestellt werden kann, die Bauabnahme auf der Baustelle nicht durchgeführt oder die Baugenehmigung grundsätzlich nicht erteilt wird. Straßensperrungen müssen genehmigt, Ausnahmegenehmigungen zum Befahren von Fußgängerzonen erteilt werden. All das gehört zum Bauprozess dazu. Und an jedem dieser einzelnen Schritte kann das gesamte Bauvorhaben

das Internet zugänglich gemacht werden. Hierbei Reinhard Quast ist Präsident des Zentralverbands Deutist wichtig, dass sches Baugewerbe (ZDB). die befristeten Sonderregelungen Foto: BS/ZDB, Pflug unabhängig von behördlichen Ausnahmezuständen gelten sollen. Dagestoppt werden. durch erhalten die Beteiligten Daher müssen herkömmliche die notwendige Planungs- und Prozesse in den öffentlichen Ver- Rechtssicherheit. Aber auch jenseits der aktuelwaltungen an die derzeitige Lage angepasst werden, zum Beispiel len Situation darf der Planungsin der Bauplanung. Hierzu muss und Genehmigungsprozess geprüft werden, ob über Bebau- nicht zum Flaschenhals für ungspläne und weitere baurecht- schnelles Bauen werden. Ob liche Fragen auch ohne Sitzung im Wohnungsbau oder im Infdes Gemeinderats entschieden rastrukturbereich – unser Land werden kann. Zudem sollten wir steht weiterhin vor umfangreivon einer Genehmigungs- zu chen Bauaufgaben. Deswegen einer Anzeigepflicht kommen. ist die personelle und materielle Wenn die zuständige Behörde Ausstattung der Planungs- und nicht innerhalb einer bestimm- Genehmigungsbehörden von ten Frist widerspricht, kann die entscheidender Bedeutung. Maßnahme fortgeführt werden. Durch eine verbesserte AusstatDas wäre eine erhebliche Be- tung der Behörden mit Personal schleunigung für viele Prozes- können in allen Planungsphasen se, sicherlich nicht nur in der erhebliche BeschleunigungspoCorona-Krise. tenziale gehoben werden. Zudem Ein guter Schritt ist der Ent- ist eine langfristige, konzeptiwurf für ein Planungssicher- onelle und nachhaltige Persoheitsgesetz. Damit soll während nalbedarfsplanung angezeigt, der Corona-Pandemie die ord- um das erforderliche Personal nungsgemäße Durchführung nicht nur aufzubauen, sondern von Planungs- und Genehmi- auch zu halten. Bauen einfach gungsverfahren gewährleistet machen: Ohne eine funktioniewerden. Dieses ermöglicht u. rende Bauverwaltung kann es a., dass zur Kompensation der keine Bautätigkeit geben. Wir sonst üblichen physischen Betei- brauchen klare Prioritäten, um ligung, soweit es etwa um die Be- Wirtschaft und Wohlstand zu kanntmachung von Unterlagen sichern.


Neubau und Sanierung

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Schluss mit der Flickschusterei

Soziale Plattform Wohnen

GdP: Dienststellen in Berlin – abreißen und neu bauen

Deutliche Eingriffe in das Wohnungsmarktgeschehen nötig

(BS/Stephan Kelm) Wenn man durch die Pablo-Picasso-Straße in Hohenschönhausen fährt, fällt einem ein Gebäude besonders ins Auge. An der Fassade hängen Fangnetze und der geneigte Beobachter fragt sich, welcher Outdoor-Abenteuerspielplatz hier auf ihn wartet. Es ist kein Kletterpark, es ist der Polizeiabschnitt 61 und die Netze hängen, weil einem Bürger vor zehn Jahren ein Brocken direkt vor die Füße gefallen ist.

(BS/Dr. Ulrich Schneider*) Mieterhöhungen sind für Menschen vielerorts ein Albtraum. Durchschnittliche Mietsteigerungen von ca. 25 Prozent in den letzten Jahren führen dazu, dass Mieten teils nicht mehr leistbar sind. Der Mangel an bezahlbarem und passendem Wohnraum in städtischen und ländlichen Gebieten ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Bis auf hier und an der Rudol­ städter Straße haben wir zwar keine Fangnetze, dafür aber re­ gelmäßig platzende Rohre, brö­ ckelnde Decken, braunes Wasser aus dem Wasserhahn. Im Win­ ter fällt gelegentlich die Heizung aus, im Sommer beim Öffnen das Fenster aus den Angeln, das auch nur die Alternative zur nicht vorhandenen Klimaanlage dar­ stellt. Im Regelfall würden Mieter dem Eigentümer Feuer unterm Hintern machen, auf Mietminde­ rung pochen. Wir aber spazieren tagtäglich auf diese Dienststel­ len und fragen uns, warum der Charme der Wandfarbe nach 20 Jahren irgendwie nachlässt. Die mehr als eine Milliarde Euro Sanierungsstau bei den Dienststellen der Berliner Poli­ zei müssen eben auch irgendwo zu sehen sein. Gut ein Viertel davon wird mittlerweile in der Kategorie 1, Gefahr für Leib und Leben, gelistet. Die Berliner Im­ mobiliengesellschaft (BIM), die unsere Liegenschaften verwaltet, bekommt von der politischen Führung immerhin 20 Millionen jährlich zur Sanierung der Ge­ bäude. Aktuell wären es also nur gute zwölf Jahre, bis die Gefahren für Leib und Leben abgearbeitet werden können. Ein Schelm, wer prognostiziert, dass da eventu­ ell noch etwas hinzukommen könnte. Über die teilweise katas­ trophale Sicherung zahlreicher Dienststellen reden wir noch gar nicht. Ja, der Sanierungsstau verteilt sich auf diverse Dienststellen. Manchmal für jeden erkennbar, manchmal auch im Verborge­ nen. Irgendwann aber kommt alles wieder an die Oberfläche oder, wie vor zwei Jahren in Spandau, auch von der Decke wieder nach unten – in diesem

Friesenstraße, als wir uns mit der Behördenlei­ tung monatelang Stephan Kelm ist Stellvertretender Landesvorsitzender über die Gesund­ der Gewerkschaft der Polizei heitsgefährdung (GdP) Berlin. brauner Grütze streiten mussten, Foto: BS/CandyPottPictures deren Färbung man mit Blick auf den Wärmegrad herunterspielen wollte. Laut Trink­ Fall Fäkalien der Etage darüber. wasserverordnung könnten so­ Ein schönes Beispiel ist Schul­ gar Eiswürfel aus dem Wasser­ zendorf – ein Problemkind, das hahn purzeln, braun dürften sie genau betrachtet regelmäßig trotzdem nicht sein. Der Berliner aufploppt. Über tropische Kä­ Rundfunk hatte die Messergeb­ fer in den Sanitäranlagen mag nisse zwei Tage später. Heute man vielleicht noch schmunzeln, reden wir direkt mit der BIM, tref­ Legionellen sind nun auch nichts fen uns regelmäßig, besprechen Neues mehr. Bei Schimmel kann einzelne Standorte und tüfteln an man wie in der Friesenstraße Lösungsansätzen. Nicht immer auch einfach mal die Türen ver­ geht es so schnell, wie wir es uns schließen. Endgültig zumauern wünschen und leider verschieben wäre in jedem Fall der siche­ sich auch Prioritäten, aber wir re Weg. In Schulzendorf aber haben zumindest eine Basis, die brauchen wir eben jeden Raum. wir in den kommenden Jahren Ganz gleich, ob dort PAK-Par­ ausbauen können. Grundsätzlich haben wir einen kettkleber für den Bodenbelag verwendet wurde, der mit krebs­ Sanierungsstau, der über Jahr­ erregenden, erbgutverändernden zehnte gewachsen ist und der und fortpflanzungsgefährdenden sich nicht mal eben abbauen Schadstoffen aufwartet. Gesun­ lässt, zumal es an Baufirmen de Menschen haben ja nichts zu fehlt. Wir haben den Vorschlag befürchten, glaubt man. für eine landeseigene Baufirma gemacht. Das aufzubauen, dau­ Landeseigene Baufirma ert Jahre, doch langsam, aber Nicht nur zu dieser Thematik sicher braucht der Senat mal ein haben wir mit der BIM gespro­ nachhaltiges Konzept, um eben chen und dabei festgestellt, dass nicht immer nur Flickschusterei der direkte Weg der Bessere ist. zu betreiben. Wenn du einzelne Jahrelang haben wir von der Po­ Löcher stopfst, steigt der Druck lizeiführung die Herausgabe von auf den Kessel und irgendwann Trinkwassergutachten gefordert. bricht der ganze Vulkan aus. Man konnte sie uns nicht geben, Manchmal sollte man auch ein­ weil man es aufgrund von Ver­ fach erkennen, dass sich Bruch­ trägen mit der BIM nicht durfte. buden nicht ewig reparieren las­ Eine solche Sperre gab und gibt sen, sondern man auch einfach es nicht. Festgestellt haben wir mal abreißen und neu bauen das im Übrigen beim Standort sollte.

Wärmewende beginnt in der Kommune Energieeffizienz im Gebäudebereich (BS/Katarina Heidrich) Etwa zehn Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen stammen laut Bundesumweltministerium aus privaten Haushalten. Der Großteil davon geht auf das Konto der Gebäudeheizung. Neben veralteten Heizungssystemen ist der Hauptgrund die Nutzung fossiler Brennstoffe als Wärmequelle; fast jeder vierte deutsche Haushalt heizt noch mit Öl. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) entwickelt im Forschungsprojekt “Urbane Wärmewende” Wärmeversorgungskonzepte für Quartiere und Wärmenetze. Gleichzeitig muss die Förderung verstetigt werden. In dem dreijährigen Projekt “Ur­ bane Wärmwende” erarbeite das Forscherteam aus IÖW, Univer­ sität Bremen und Technischer Universität Berlin gemeinsam mit der Berliner Senatsverwal­ tung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz lokale Wärmekon­ zepte für drei Berliner Quartiere. “Abwärme aus Betrieben, Wärme aus Abwasser oder Geothermie werden bislang kaum genutzt. Der Schlüssel für solche umwelt­ freundliche Wärme sind Quar­ tierskonzepte und Wärmenetze”, so Projektleiter Bernd Hirschl vom IÖW. “Eine wichtige Vo­ raussetzung ist ein effizienterer Gebäudebestand. Nur wenn der Wärmebedarf deutlich gesenkt wird, können umweltfreundliche Wärmequellen effizient genutzt werden.” Ein solcher “Keimzellenansatz” mache vor allem Sinn, da bis­ herige Quartierskonzepte oft zu komplex gewesen sein, bemängelt Projektleiterin Elisa Dunkelberg vom IÖW. Dafür kämen etwa öffentliche Gebäude, Neubauvor­ haben, gewerbliche Gebäude oder Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften infrage. Um die identifizierten Potenziale zu erschließen, helfe eine kommu­ nale Wärmeplanung, wie sie in Vorreiterländern wie Däne­ mark bereits seit Langem und

in anderen Bundesländern und Kommunen seit einiger Zeit vor­ geschriebene Praxis sei, betont Hirschl. Grundlage hierfür sei ein Wärmekataster, welches die Wärmequellen sichtbar mache. Neben der Nutzung lokaler erneuerbarer Wärmequellen und Abwärme steht ebenfalls die Sozialverträglichkeit im Fo­ kus des Projekts. Durch erhöh­ te Zuschüsse und angepasste Konditionen für die Umlage auf die Miete könne sichergestellt werden, dass die energetische Modernisierung sowohl für Ver­ mieter als auch für Mieterinnen wirtschaftlich zumutbar ist. Das Projekt wird gefördert vom Bundesforschungsministerium in der Förderinitiative “Nach­ haltige Transformation urbaner Räume” des Förderschwerpunkts Sozial-ökologische Forschung (SÖF). Ein Folgeprojekt konzen­ triert sich zwei weitere Jahre auf die kommunale Wärmeplanung.

Alternative Angebote Die kommunalen Spitzenver­ bände sprechen sich dafür aus, kommunale Klimaaktivitäten nachhaltig zu fördern und zu­ sätzliche Anreize zu schaffen. Gerd Landsberg, Hauptge­ schäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), betont ebenfalls Be­

völkerung sowie Kommunen als wichtigste Akteure bezüglich der Energieeffizienz im Gebäudebe­ reich. “Deutschlandweit geben Kommunen circa fünf Milliarden Euro pro Jahr für die Stromund Wärmeversorgung aus. Der Großteil dieser Kosten entfällt auf kommunale Gebäude.” Dazu gehörten rund 186.000 Gebäude wie etwa Schulen, Kindergärten, Verwaltungen etc., aber auch 1,6 Millionen Wohnungen der kommunalen Wohnungsgesell­ schaften. Landsberg fordert deshalb ei­ ne Verstetigung zielgerichteter Förderprogramme, vor allem solcher mit Quartiersbezug. Durch gebäudeindividuelle Sanierungsfahrpläne und al­ ternative Angebote – wie etwa wärmedämmende Ziegel, nach­ wachsende Dämmstoffe oder die Nutzung von Solarthermie – könnten erhebliche Einsparun­ gen erzielt werden. “Jedenfalls liegen in einer “Wärmewende” so­ wohl für private Eigentümer wie auch für Kommunen erhebliche Potenziale”, betont der DStGbGeschäftsführer. Um auch bei ersteren Akzeptanz zu schaffen, müssten niedrigschwellige und kostengünstige Energiebera­ tungen durch die Kommunen und ihre Stadtwerke angeboten werden.

Besonders schwer trifft es Men­ schen, die ohnehin bereits Dis­ kriminierung erfahren oder be­ sondere Bedarfe haben. Es sind Menschen mit Behinderung, Al­ leinerziehende, Menschen mit Mi­ grationshintergrund, Wohnungs­ lose, Care-Leaver oder Altersarme. Sie sind es zuallererst, die sich Mietsteigerungen nicht mehr leisten können, aus ihren Woh­ nungen verdrängt werden oder keine neue finden. Wegbrechende Versorgungsstrukturen des tägli­ chen Lebens, von der Apotheke bis zum Gemüseladen, schränken sie zusätzlich ein. Die Ursachen für die regionalen Wohnversorgungsschwierigkeiten liegen u. a. in der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit, dem fast vollständigen Verkauf öffent­ licher Wohnungsbestände in den 1990er-Jahren, dem Rückgang der sozialen Wohnungsbauför­ derung und dem Auslaufen von Sozialbindungen. Der Verzicht auf Steuerung führte zu einer Bautä­ tigkeit vornehmlich im höherprei­ sigen Sektor unter Vernachläs­ sigung preiswerter Wohnungen. Hinzu kommt, dass die Vergabe von Boden vielerorts unter rein ökonomischen Aspekten erfolgt(e) und nur wenige Akteure von der Spekulation mit Boden und Im­ mobilien profitieren. Als Wohlfahrts- und Sozialver­ bände alarmiert uns das. Soziale Arbeit kann vielfach nur ins Leere laufen, wenn unterstützungsbe­ dürftige Menschen keinen geeig­ neten Wohnraum finden. Deshalb hat sich auf Initiative des Pari­

tätischen Wohlfahrtsverbandes die “Soziale Plattform Wohnen – Für eine menschenorientierte Wohnungspolitik” gegründet. Die acht Unterzeichner der Plattform treten für einen wohnungspo­ litischen Kurswechsel ein, der Bewohner/-innen und Woh­ nungslose in den Mittelpunkt des Handelns stellt und guten Wohnraum für alle schafft. Die Soziale Plattform Wohnen fordert: Gemeinwohlorientierte und öffentliche Wohnungsbewirtschaftung stärken: Eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit muss eingeführt, jährlich müs­ sen mindestens 100.000 Sozi­ alwohnungen mit dauerhafter Bindung geschaffen, Kommunen in der Wohnungs- und Baupolitik gestärkt, gemeinwohlorientier­ te Wohnbauvorhaben gefördert werden. Ggf. und als Ultima Ratio sind Grund und Boden von Wohnungseigentümern und -unternehmen, die, anders als verantwortlich agierende Woh­ nungseigentümer, mit Wohn­ raum spekulieren oder Wohn­ raum verwahrlosen lassen, zu vergesellschaften. Schutz vor Wohnungslosigkeit, steigenden Mieten und Verdrängung: Soziale Einrich­ tungen müssen vor Verdrängung geschützt, Fachstellen zur Prä­ vention von Wohnungslosigkeit unter Beteiligung freier Träger gefördert, Zwangsräumen ver­ hindert, Mietpreissteigerungen stark eingegrenzt, energetische Modernisierungen kostenneutral durchgeführt, die Umwandlung

von Miet- in Eigentumswohnun­ gen eingedämmt, eine Klima- und Energiekostenkomponente im Wohngeld eingeführt und Kosten der Unterkunft in der Grund­ sicherung an reale Mietpreise angepasst werden. Inklusives Gemeinwesen fördern: Bezahlbarer, barrierefreier Wohnraum muss bedarfsdeckend geschaffen, quotiert (bspw. 30 bis 35 Prozent) und eine gene­ rationengerechte Infrastruktur im Wohnumfeld sichergestellt werden. Bodenbewirtschaftung und Bauen sozial verträglich gestalten: Die Vergabe öffentlicher Lie­ genschaften muss verstärkt nach Konzept und sozialen Kriterien ausgerichtet, Bauland zügig für gemeinwohlorientierte Bauvorha­ ben bereitgestellt, Boden vermehrt über Erbbaurechte vergeben und eine Grundsteuer C eingeführt werden. Lebensqualität in strukturschwachen Gebieten sichern: Der öffentliche Nahverkehr ist auszubauen und einkommens­ schwachen Haushalten verbilligt oder kostenfrei zur Verfügung zu stellen und alltägliche Versor­ gungsstrukturen sind zu sichern. Der Sozialen Plattform Wohnen gehören insgesamt acht Wohlfahrts- und Sozialverbände an. Nähere Informationen unter: www.der-paritaetische.de *Dr. Ulrich Schneider ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Cradle-to-Cradle-Zertifikat Nora systems erhält Auszeichnung für noraplan Reihe (BS/Doris Janik*) Bei nora systems hat nun auch die Kautschuk-Bahnenware die Cradle-to-Cradle-Zertifizierung erhalten. Nachdem bereits 2018 norament Fliesen das Zertifikat in Silber bekommen hatten, wurden jetzt auch die noraplan Standardbeläge vom “Cradle to Cradle Products Innovation Institute” mit Silber ausgezeichnet. Die unabhängigen Prüfer ho­ norierten den Beitrag, den die nora Kautschuk-Beläge zur Kreislaufwirtschaft und zu um­ fassend nachhaltigen Gebäuden leisten. Denn die Zertifizierung nach Cradle to Cradle zeichnet nicht nur die Produkte an sich aus, sondern hat ebenso positive Auswirkungen auf die Gebäu­ dezertifizierungen nach DGNB, LEED oder BREEAM. Dort wird der Einsatz ökologisch vorteil­

hafter Materialien mit hohen Punktzahlen bei der Bewertung belohnt. *Doris Janik ist Pressereferenting bei der nora systems GmbH. Blick in eine Bewegungskindertagesstätte mit Kautschukboden der nora systems GmbH. Foto: BS/Ralf Dieter Bischoff


Kommunale Infrastruktur

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urch die gesellschaftlichen Einschränkungen in der Corona-Krise, die für viele Bürger die Fahrt zur Arbeit bzw. in die Einkaufszentren der Republik obsolet machen, aber auch bedingt durch die Angst vor einer Ansteckung und die durch die Situation bedingten leeren Straßen, die viele Bundesbürger auf das Auto für die Fahrt zur Arbeit zurückgreifen lassen, sind die Fahrgastzahlen im bundesweiten Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nach Schätzungen von Branchenverbänden seit Beginn der Krise um rund 80 Prozent eingebrochen. So frappierend wird die aktuelle Situation im gemeinsamen Argumentationspapier der Länder skizziert. In absoluten Zahlen bedeutet das: Von den rund 30 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, die den ÖPNV in der Vorkrisenzeit regelmäßig genutzt haben, bleiben derzeit also nur sechs Millionen Fahrgäste übrig, die sich auf die Busse und Bahnen der Republik verteilen. Weiter wird ausgeführt, dass die kumulierten jährlichen Fahrgeldeinnahmen über das ganze Land verteilt bei rund 12 Milliarden Euro liegen, pro Monat also etwa eine Milliarde Euro. Dieses Geld fällt nun zu größten Teilen weg, denn der Verkauf von Tickets an Automaten sowie in den Fahrzeugen ist nach Auskunft der Aufgabenträger und EVU “fast vollständig weggebrochen”. Zudem verschärfe sich die Lage durch Kulanzangebote, die die Betreiber für Abokunden anbieten und in deren Rahmen der Wert der Zeitkarten für die Monate zurückgezahlt wird, in denen das Ticket durch die Corona-Situation nicht genutzt werden kann bzw. nicht für das Zurücklegen der täglichen Arbeitsstrecke gebraucht wird. Zwar seien diese Kulanzangebote schmerzhaft, laut den Ministern ist es aber dennoch “der richtige Schritt, um Abo-Kündigungen zu verhindern. Die Rückgewinnung gekündigter Abo-Kunden ist sehr aufwendig. Die Kündigung von Abos würde dauerhaft zu noch deutlich höheren Einnahmeverlusten über den eigentlichen Pandemie-Zeitraum hinaus führen” als der finanzielle Schaden, den die Kulanzregelungen temporär verursachten.

Finanzausfälle bis ins Jahr 2023 Grundsätzlich wird der ÖPNV hierzulande aus zwei Säulen finanziert, deren Anteile sich laut der Vereinten Dienstleistungsge-

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ie aktuelle Corona-Krise hat noch einmal den Wert starker Kommunen und einer starken Kommunalwirtschaft unterstrichen. Auf die kommunale Daseinsvorsorge können sich die Bürgerinnen und Bürger in allen Städten und Gemeinden ohne Wenn und Aber verlassen. Das ist offensichtlich für jeden, der das unbürokratische und beschlussfreudige Agieren der Kommunen erlebt. Für jeden, der morgens duscht und seine Kaffeemaschine anstellt. Für jeden, der den ÖPNV für den Weg zur Arbeit nutzt oder zwischen zwei Videokonferenzen im Homeoffice den Müll rausbringt. Denn auch in der Krise kümmern sich die Städte und Gemeinden um ihre Bürger – vom Gesundheitsamt über die Kita-Notbetreuung bis zum kommunalen Krankenhaus. Auch in der Krise versorgen die kommunalen Unternehmen Bürgerinnen und Bürger und Wirtschaft sicher mit Strom, Wärme, Wasser und schnellem Internet und entsorgen sicher Abfall und Abwasser. Überall im Land haben kommunale Unternehmen ihre Pandemie- und Krisenpläne je nach Situation vor Ort angepasst. Sie haben ihre Krisenstäbe aktiviert. Sie haben geeignete

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Pleite durch Stillstand? Länder wollen angeschlagenem ÖPNV unter die Arme greifen (BS/Wim Orth) Deutschland steht still. Durch die Corona-Pandemie ist das öffentliche Leben so weit eingestellt, wie es zuletzt in den Endzügen des Zweiten Weltkriegs der Fall war. Waren es damals unnötig in die Länge gezogene Kriegshandlungen auf verlorenem Posten, die das Miteinander auf den Straßen lebensgefährlich machten, so reicht hierfür heute ein Virus, dessen Größe sich auf den Nanometerbereich beschränkt. Das Erlahmen der Wirtschaft ist aber nicht nur eine Pause im System, sondern hat knallharte Konsequenzen – auch für die Betreiber von Öffentlichen Verkehrsmitteln. Denn diese führen nun reihenweise Leerfahrten aus und kosten so viel Geld. Damit dies nicht zu einer Pleitewelle bei den Infrastrukturbetreibern führt, wollen die Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg finanzielle Hilfen bereitstellen.

Wo sonst kaum ein Sitzplatz zu ergattern ist, herrscht seit März gähnende Leere. Und dennoch fahren die Bahnen und Busse durch Deutschlands Städte, wenn auch immer wieder ganz ohne Kundschaft. Um eine Pleitewelle zu vermeiden, werden nun erste Forderungen nach Rettungsmaßnahmen laut. Foto: BS/Alper Çuğun, cc by 2.0, flickr.com

werkschaft ver.di grob auf dem Level 50-50 bewegen: Zum einen aus dem besagten Verkauf der Fahrkarten und zum anderen aus der Förderung durch Länder und Kommunen. Dazu kommen pro Jahr, obwohl laut Gesetz Ländersache, noch mal neun Milliarden Euro aus den Budgets des Bundes dazu. Es ist also ein milliardenschweres Geschäft, das den bundesdeutschen Laden am Laufen hält. Um dieses vor einem vollständigen oder partiellen Kollaps zu schützen, brauche es nun finanzielle Hilfe vom Staat. Denn die Finanzkrise des Nahverkehrsmarktes in Deutschland wird sich mit den schrittweisen Aufhebungen der Bewegungseinschränkungen mitnichten in kurzer Zeit wieder beheben lassen, da sind sich alle Beteiligten sicher: “Die Sorge vor einem erhöhten Infektionsrisiko in vollen Zügen und Bussen wird wahrscheinlich zu einem Umstieg von Pendlern auf das Auto führen. Außerdem ist davon auszugehen, dass die nun gemachten Erfahrungen mit Homeoffice zu einer veränderten Einstellung der Betriebe und Beschäftigten zu Homeoffice füh-

ren. Auch werden die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie auf die ÖPNV-Nachfrage durchschlagen”, heißt es demnach auch im Papier der Länder. Durch die wohl eher schleppend wieder anziehenden Fahrgastzahlen orientiert man sich bei den zu erwartenden Verlusten durch Corona an der Studie eines Beratungsunternehmens, das von Mindereinnahmen zwischen fünf und zehn Milliarden Euro bis ins Jahr 2023 ausgeht.

Minister wollen bestehende Töpfe anzapfen Da der ÖPNV von den Ländern als essenzielles Infrastrukturangebot angesehen wird, brauche es hier “eine gesonderte gesicherte Finanzierung in der Krise, die über Liquiditätshilfen und Kredite hinausgeht”. Dies sei vor allem deswegen notwendig, damit “die Unternehmen nicht nur in der Krise ihre Leistungen erbringen können, sondern auch nach der Krise für das Wiederhochfahren der Leistungen noch zur Verfügung stehen”. Durch die besonders zentralen Leistungen, die der ÖPNV für die Gesamtge-

sellschaft erbringe, sei es weder wünschenswert noch zielführend, dem ersten Impuls nachzugeben, der für alle anderen Behördenund Wirtschaftszweige gelten würde: Leistungen reduzieren. Stattdessen soll das Gegenteil erreicht werden, denn Staat und Politik hatten zur Lösung der zweiten globalen Krisenlage schon vor Corona konkrete Pläne ausgearbeitet, “zur Erreichung der Klimaziele den Anteil des ÖPNV am Modal Split”, also an der Verteilung der durch die Bürger genutzten Verkehrsmittel, deutlich zu erhöhen. “Bund und Länder halten an diesem Ziel weiterhin fest. Das Leistungsangebot im ÖPNV muss daher über das Vorkrisenniveau hinaus ausgebaut werden. Ein Abbau von Leistungen muss verhindert werden”, so das Länderpapier. Im Lichte dieser Planungen und der jetzt verschärften Situation kann die Alternative zu weniger Fahrten aber nur heißen: Mehr Geld vom Staat, um den ÖPNV weiter finanziell tragen zu können. “Dies gilt insbesondere für den kommunal verantworteten ÖPNV mit Bussen und Straßen-

bahnen” – denn: “Die Kommunen wären vielfach überfordert, wenn sie die finanziellen Verluste alleine auffangen müssten.” Doch woher sollen die weiteren Gelder kommen? Einen eigenen Rettungsschirm soll es explizit nicht geben, aber auch die bestehenden Verkehrstöpfe sollen nicht angefasst werden, denn dann würden sonstige, ebenfalls notwendige Infrastrukturmaßnahmen nicht umgesetzt werden können. Stattdessen schlagen die Länder vor, die bestehenden Rettungsschirme des Bundes und der Länder speziell für den ÖPNV zu öffnen und Regionalisierungsmittel zeitweise zu erhöhen, erklärt der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Hendrik Wüst: “Auch nach der Corona-Krise wird der öffentliche Personennahverkehr funktionieren müssen, selbst wenn das Vertrauen erst wieder wachsen muss. Die Regionalisierungsmittel vorübergehend zu erhöhen, erlaubt es, die Hilfen bedarfsgerecht zu verteilen. Der Bund darf sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen.“ Im Argumentationspapier der Länder geht es aber nicht nur um direkte Finanzhilfen aus deutschen Kassen, sondern auch um europäische Vorschriften. Um eine weitere Entlastung der Betreiber zu erreichen, solle vermieden werden, dass “die wegbrechenden Fahrgeldeinnahmen darüber hinaus Auswirkungen auf die Einstufung von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen als Dienstleistungskonzession haben können (bestimmter Mindestanteil von Fahrgeldeinnahmen an den Gesamterträgen) und aktuelle Einschränkungen des Fahrplanangebots auch vergaberechtlich problematisch sein” könnten. Da diese Regelungen aber eben vonseiten der Europäischen Union her geregelt seien, müsse an dieser Stelle die Bundesregierung in Brüssel vorstellig werden und anregen, die Anwendung einzelner Paragrafen aus der EU-Verordnung Nr. 1370/2007, welche die Finan-

Corona-Krise zeigt den Wert einer starken Kommunalwirtschaft Bürger können sich auf kommunale Daseinsvorsorge verlassen (BS/Ingbert Liebing) Die Corona-Pandemie hat die Welt, Europa bis hin zu den einzelnen Kommunen hier in Deutschland in eine Krise beispiellosen Ausmaßes und mit noch nicht absehbarem Ausgang gestürzt. Corona zeigt, wie wichtig entschlossenes politisches Handeln bei der Eindämmung der Pandemie und bei der Abfederung der ökonomischen Auswirkungen der Krise ist. Die Bundesregierung hat in diesen schweren Stunden enorme Handlungsfähigkeit bewiesen. Dennoch heißt es bis auf Weiteres: Auf Sicht fahren“ und entscheiden. Maßnahmen ergriffen, etwa um ihre Mitarbeiter und Kunden vor Infizierung und Quarantäne zu schützen. Vielerorts mit den Kommunen zusammen, die sie in ihre Krisenstäbe berufen haben. Auch erinnern sich viele an die bewährte Gegenseitigkeitshilfe, also die Unterstützung mit Sachmitteln und Personal. Die kommunale Familie hält zusammen. Deshalb ist die Krise eine Chance, das Bewusstsein und die Wertschätzung für die kommunale Daseinsvorsorge zu stärken.

Ein Rettungsschirm für Kommunen Wie die private Wirtschaft werden aber auch kommunale Unternehmen die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie zu spüren bekommen. Während etwa der ÖPNV und kommunale Bäder oder Messegesellschaften und Kulturbetriebe, aber auch die Kommunen

Bürger als systemische Einheit denken: Daher ist Ingbert Liebing ist Hauptgeschäftsführer des Veres wichtig, einen bandes kommunaler UnRettungsschirm ternehmen e.V., VKU. von Bund und Ländern schütFoto: BS/VKU, Chaperon zend über die Kommunen aufzuspannen, da sich abzeichnet, dass sie in der akselbst durch sinkende Steuer- tuellen Situation unter starken einnahmen die finanziellen Fol- wirtschaftlichen Druck geraten. gen sofort und einschneidend Zudem sollte der Bund das enge spüren, sind beispielsweise die Korsett aus verwaltungsrechtlilangfristigen Auswirkungen auf chen Fristen lockern: Zeitliche das Energiegeschäft der Stadt- Vorgaben zum Einbau digitaler werke derzeit noch nicht genau Stromzähler können wir nicht absehbar. einhalten, weil Hausbesuche Klar ist: Ein sinkender Strom- verboten sind. Flexible Fristen absatz wird auch zu weniger Ein- beim Bau geförderter Windkraftnahmen bei Stadtwerken führen. und Solaranlagen würden StrafDamit werden Mittel fehlen, mit zahlungen und den Verfall von denen andere Bereiche bisher Fördergeldern verhindern. Dass gestützt wurden. Wir müssen die Bundesnetzagentur vor dem die Kommunen und ihre Leis- Hintergrund der besonderen Situngen für die Bürgerinnen und tuation die notwendige Flexibi-

lität gezeigt ist, begrüßen wir. Es braucht jetzt aber auch vom Gesetzgeber die entsprechenden rechtlichen Anpassungen, die für genügend Rechtssicherheit bei den Unternehmen sorgen.

Klimawandel macht keine Corona-Pause Nach der Frage, wie wir die Folgen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Shutdowns abmildern, muss es darum gehen, unseren Wirtschaftsstandort und unsere Gesellschaft langfristig zu stärken. Das Schlimmste wäre, wenn auf den Corona-Shutdown ein politischer Shutdown folgen würde, z. B. bei Energiewende und Digitalisierung: Der Klimawandel macht keine CoronaPause. Die To-do-Liste der offenen Gesetzgebungsvorschläge insbesondere in der Energiepolitik, aber auch in der Telekommunikation, ist lang. Wir brauchen

zierung und Vergabe im ÖPNV regelten, zeitweise auszusetzen. Um die Entlastung an dieser Stelle nicht durch Verordnungen an anderer Stelle direkt wieder verpuffen zu lassen, müsste zudem “sichergestellt werden, dass für diesen Zeitraum dann auch nicht das allgemeine Vergaberecht zur Anwendung kommt”, so das Argumentationspapier der Länderchefs abschließend.

Auch Ver.di fordert Unterstützung Ähnlich wie die Länder sieht es auch Deutschlands größte Gewerkschaft für den Dienstleistungssektor. Da man die Kommunen vonseiten der Gewerkschaft ebenfalls nicht in der Lage sieht, die prekäre Situation der Verkehrsanbieter finanziell allein zu bereinigen, fordert man ein zentral organisiertes Notfallprogramm “zum Ausgleich der entgangenen Einnahmen und zur Unterstützung der Kommunen” durch den Bund und die Länder. Um den ÖPNV in Deutschland breitflächig zu retten und nachhaltig zu unterstützen, müsse sich ein solches Programm aus sämtlichen “für den ÖPNV vorgesehenen Mitteln der Länder und des Bundes speisen”, so ein Ver. di-Statement zur Lage. Zu diesen Mitteln zählen die Gewerkschafter alle “für den ÖPNV vorgesehenen, bisher nicht abgerufenen oder verwendeten Fördergelder aus den Förderprogrammen der Länder und des Bundesverkehrsministeriums wie auch GVFG-Mittel (Mittel für den ÖPNV) des Bundes und nicht für den Schienenpersonennahverkehr verwendete Regionalisierungsmittel”. Außerdem müsse den Kommunen die Verwendung bereits bewilligter oder abgerufener und noch nicht verausgabter Mittel zur Rettung des ÖPNV-Betriebes freigestellt werden. “Sollte dies nicht ausreichen, müssten weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden.” Abschließend fordert Ver.di, dass regelmäßige Zahlungen wie beispielsweise die Mittel für den Schülerverkehr durch die Länder bereits heute in voller Summe für das Jahr 2020 an die Kommunen und Verkehrsunternehmen ausgezahlt werden, um die Liquidität der Verkehrsbetriebe kurzfristig sichern zu können. So sollen nicht nur die Unternehmen und im ÖPNV Beschäftigten geschützt werden, sondern der ÖPNV als systemrelevante Branche vor einer finanziellen und operativen Schieflage bewahrt werden.

beherzte und zügige Entscheidungen, um mit Rechts- und Planungssicherheit Investitionen in moderne Infrastrukturen der Daseinsvorsorge anzureizen. Davon profitieren langfristig Wirtschaft und Gesellschaft. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern und Klimaschutz voranzubringen – das ist kein Widerspruch. Ganz im Gegenteil: Gerade jetzt ist es wichtig, mit Weitblick Konjunkturprogramme aufzusetzen, die die Wirtschaft wieder ankurbeln und gleichzeitig mit Innovationen die ökologische Transformation voranbringen, damit wir für die Zeit nach Corona gerüstet sind: So etwa erhöhen Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren Energien, in KWK, Wärmenetze und in die Modernisierung intelligent gesteuerter Verteilnetze die Nachfrage beim Anlagenbau und in der Zulieferindustrie. Dies trägt zum Erhalt von Arbeitskräften bei und stärkt den Wirtschaftsstandort in wichtigen Zukunftsbranchen. Die Konjunkturprogramme des Bundes, aber auch die Maßnahmen des EU-Green-Deals sollten dabei vor allem bei den Regionen und Kommunen ansetzen, denn die Energiewende wird vor Ort gestaltet und umgesetzt.


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Mai 2020

Seite 23

Homeoffice, Job-Rotation, Netzausbau

Technik für sauberen Verkehr

Wie ein mittelständisches Stadtwerk der Corona-Ausbreitung mit größtmöglicher Flexibilität begegnet.

Darmstadt will mit Sensoren für bessere Luft sorgen

(BS/Arndt Müller/Steffen Maiwald) Seit der Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland hat sich der Arbeitsalltag bei den Stadtwerken Trier (SWT) grundlegend verändert. Mit einer Betriebsgröße von über 800 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von rund 350 Millionen Euro ist der regionale Energie- und Infrastrukturdienstleister nach den branchentypischen Sicherheitsstandards zertifiziert. Die damit verbundene Vorbereitung auf mögliche Extremszenarien war aber nur bedingt für die Herausforderungen nutzbar, die COVID-19 für die SWT mit sich brachte.

(BS/wim) Die Wissenschaftsstadt Darmstadt will ihren Verkehr mit digitaler Technik so umgestalten, dass die Luftqualität im Stadtgebiet sauberer wird. Um dies zu erreichen, wurden vor Kurzem insgesamt 16 digitale Umweltsensoren in der ganzen Stadt platziert, um die Luftbelastung durch den motorisierten Verkehr zu messen und diese zu reduzieren.

Um uns für mögliche Ernstfälle vorzubereiten, haben wir uns vonseiten der technischen Abteilungen auf Ausnahmesituationen wie technische Defekte oder extreme Wettersituationen konzentriert. Zum Start der Corona-Pandemie sind wir jedoch zuerst mit der Frage konfrontiert worden, wie wir mögliche Infektionsketten in unserer Belegschaft unterbrechen können, zum Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch um unsere Aufgaben als zuverlässiger Betreiber Kritischer Infrastrukturen auch in dieser Krisenzeit rund um die Uhr zu gewährleisten. Dazu wurde Mitte März ein Koordinierungsstab eingerichtet, der als zentrales Entscheidungs- und Steuerungsgremium für sämtliche die Corona-Pandemie betreffenden Maßnahmen in unserem Konzern verantwortlich war und bis heute ist. Ein Beispiel für die Arbeit des Stabes sind die Regeln für die internen Arbeitsabläufe wie das Vermeiden von Besprechungen und Dienstreisen sowie die Minimierung der Außenkontakte mit Kunden und Lieferanten. Danach haben wir, vor allem im kaufmännischen Bereich, innerhalb von drei Tagen 120 neue HomeofficeArbeitsplätze geschaffen und damit alle Büro-Arbeitsplätze separiert. Die Montage-Teams für die technische Betreuung der Netze und Anlagen wurden an verschiedenen Außenstellen positioniert. Um bei der Vielzahl der Aktivitäten den Überblick zu behalten, wurde ein täglicher Report neu eingeführt, um insbesondere aktuelle Informationen zu Krankenstand und Einsatzbedingungen zu sammeln und zu bewerten.

Vorteil: kommunales Mehrspartenunternehmen Die gesetzlichen Vorschriften haben sich aber nicht nur auf die internen Abläufe ausgewirkt, sondern auch zu Einschränkungen in unserem Dienstleistungsangebot geführt. Das öffentliche Hallenbad wurde bereits Mitte März komplett geschlossen und der städtische Busverkehr einschränkt. In der Folge konnten bis zu 55 Mitarbeiterinnen und

Seit Mitte März ist Ebbe im Trierer Schwimmbad angesagt. Durch die Verlegung der Mitarbeiter in andere Bereiche entsprechend ihrer Qualifikationen konnte Kurzarbeit bei den Stadtwerken der Römerstadt bislang dennoch vermieden werden. Foto: BS/Stadtwerke Trier

aktuell zu erledigen gilt. Hier profitieren wir davon, ein breit aufgestelltes Mehrspartenunternehmen mit 12 Geschäftsfeldern zu sein und konnten damit bisher Kurzarbeit für unsere Belegschaft vermeiden. Fünf Busfahrer mit handwerklichen Kenntnissen wurden beispielsweise bei Abriss- und Montagearbeiten auf einer internen Baustelle eingesetzt. Technisch ausgebildete Mitarbeiter aus dem Schwimmbad helfen bei der Umrüstung der Wechselrichterstationen in Solarparks. Wieder andere unterstützten den neuen Einkaufsservice, den wir aufgrund der geltenden Ausgangsbeschränkungen für unsere Kunden kurzfristig Seit Juli 2019 bilden Arndt Müller (52) und Steffen angeboten hatten. Maiwald (52) die Doppelspitze der Stadtwerke Gleichzeitig nutTrier (SWT). Müller ist im Mai 2012 in den Vorstand zen wir die derzeider SWT berufen worden, seitdem verantwortet er tige Situation für den technischen Geschäftsbereich. Seit 2019 ist er interne InstandDVGW-Landesgruppenvorsitzender und Mitglied des haltungs- und ReDVGW-Bundesvorstands. Außerdem ist er Mitglied im VKU-Bundesleitausschuss Wasser/Abwasser. Maiwald paraturarbeiten. ist im Sommer 2019 von den Stadtwerken Hanau an Zum Beispiel wurdie Mosel gewechselt und seitdem kaufmännischer de aufgrund der Vorstand bei den Stadtwerken Trier und Mitglied im Schließung des Vorstand des LDEW. Hallenbades die Foto: BS/Stadtwerke Trier Grundreinigung

Mitarbeiter ihre gewohnten Tätigkeiten nicht mehr ausführen. Wir reagierten darauf mit JobRotation: Über einen Abgleich von Unterstützungsbedarf und den Kompetenzen der betroffenen Mitarbeiter haben wir schnell passende Einsatzmöglichkeiten gefunden. Auf der einen Seite stehen frühere Ausbildung und Berufserfahrung der Mitarbeiter, auf der anderen Seite die innerbetrieblichen Aufgaben, die es

und die Sanierung von Duschräumen vorgezogen. Ursprünglich waren diese Maßnahmen für den Sommer mit einer Schließzeit von zwei Wochen geplant. Auch die Zwangspause für den Einzelhandel haben wir als Chance erkannt und die Infrastruktur in der Trierer Innenstadt modernisiert: Durch den geringen Fußgänger- und Lieferverkehr konnten wir Hausanschlüsse erneuern, Mastleuchten demontieren, neue Seilüberspannungen mit LED-Technik ausstatten, das SWT-City-WLAN ausbauen und 50 Gebäude an das neue Glasfasernetz anschließen. Damit sind wir unserem Ziel, Trier zur ältesten Smart City Deutschlands zu machen, wieder ein Stück nähergekommen. Um die Arbeiten möglichst schnell durchzuführen, arbeiteten wir mit bis zu sieben Teams parallel. Unter normalen Bedingungen hätten die Maßnahmen mindestens doppelt so viel Zeit in Anspruch genommen und natürlich auch zu Beeinträchtigungen im Einzelhandel geführt. So lässt sich aus der Krise bei allen Einschränkungen sogar noch ein konstruktiver Nutzen für die Stadt gewinnen.

Vorsichtiger Blick in die Zukunft Das Zwischenfazit fällt vorsichtig aus, denn wir hatten bisher großes Glück: Unsere Mitarbeiter sind gesund und haben sich an die geänderten Arbeitsbedingungen schnell und sehr gut angepasst. Aber wir sind noch nicht am Ende des Weges: Welche wirtschaftlichen Konsequenzen der Shutdown für uns hat, können wir erst sagen, wenn die Rückkehr in die Normalität für uns alle vollzogen ist. Dann können wir zum Beispiel genau beziffern, wie stark der Energieverbrauch unserer Geschäftskunden zurückgegangen ist oder sich die neuen gesetzlichen Vorgaben auf unseren Betriebskosten auswirken. Oberste Priorität für uns als Vorstand haben auch weiterhin der Gesundheitsschutz unserer Belegschaft und die Versorgungssicherheit für Trier und die Region.

Um eine spürbare Reduzierung der durch die Fahrzeuge verursachten Luftverschmutzung zu erreichen, soll der Verkehr in der Stadt neu konzipiert und ausgelegt werden. Dieser Schritt soll eingeleitet werden, sobald erste konkrete Ergebnisse aus den Sensormessungen vorliegen. Bei der eingesetzten Technik handelt es sich laut Statement der städtischen Digitalstadt Darmstadt GmbH um hochmoderne Sensoren, “die im gesamten Stadtgebiet Luftqualitätsdaten in Echtzeit erheben. Die Daten werden künftig direkt in Planungs- und Entscheidungsprozesse einfließen, um intelligente, innovative Mobilitätskonzepte zu realisieren.” Primäres Ziel des Sensorennetzes sei es dabei, “die Emission von Stickoxiden, CO2 und weiteren Treibhausgasen zu reduzieren und die städtische Luftbelastung durch Schadstoffe möglichst gering zu halten”.

Ein Meilenstein auf dem Weg in die digitale Zukunft Das neue Umweltsensornetz, das von der Digitalstadt Darmstadt GmbH geplant und aufgebaut wird, ist ein Gemeinschaftsprojekt der GmbH sowie des Verkehrsdezernats und des Umweltamts der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Finanzielle Unterstützung erhält die Stadt aus dem Förderprogramm “Saubere Luft” des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Der Darmstädter Bürgermeister Jochen Partsch sieht in dem neuen Sensornetz ein “weiteres wichtiges Digitalstadt-Projekt in unserem Leuchtturmbereich Mobilität & Umwelt und ist ein Meilenstein auf unserem Weg hin zum digitalen Vorreiter für moderne und nachhaltige Mobilitätskonzepte. Durch die ausgewerteten Messergebnisse aus dem Umweltsensornetz und den daran angepassten Verkehrssteuerungskonzepten sollen die Bürgerinnen und Bürger sowie Pendler und Pendlerinnen bald schon feststellen, dass Verkehrsflüsse im Stadtgebiet langfristig optimiert und somit Staus re-

duziert werden können.” Das neue Umweltsensornetz zeigt neben dem Fokus auf den Umweltschutz aber auch, dass die Digitalisierungsprojekte der Wissenschaftsstadt ineinandergreifen und aufeinander aufbauen. So steht das Netz nicht nur prominent für die Möglichkeiten, die die Digitalisierung für den Kampf gegen Luftverschmutzung und Klimawandel bietet. Gleichzeitig wird zudem auch das bereits laufende Digitalstadt-Projekt “Smart Lighting” komplettiert. Die neuen Sensoren ergänzen die bereits vorhandenen und durch das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) betriebenen Messpunkte in den smarten Straßenlaternen: “Das Besondere ist, dass durch flexible, lokale Einsatzmöglichkeiten der Sensoren im Stadtgebiet geografische Abschnitte noch exakter gemessen und untersucht werden können. Gerade im Bereich Wissenschaft und Forschung, etwa für Klimaforscher, Biologen und Umweltingenieure, können die erhobenen Umweltdaten so wichtige Erkenntnisse über die Zusammenhänge von Verkehr, Verkehrsarten und klimatischen Bedingungen bringen. Nach einer Erprobungsphase sollen die erfassten Umweltdaten dann auch für die Bürgerinnen und Bürger auf unserer gerade entstehenden städtischen Datenplattform mit dem Open-Data-Gedanken zugänglich gemacht werden”, erläutert José David da Torre Suárez, Geschäftsführer der Digitalstadt Darmstadt GmbH.

Weiterer Schritt für den Green-City-Plan der Stadt Die aus dem neuen Sensornetz gewonnenen Daten sollen mittelbar auch dabei helfen, den städtischen Green-City-Plan weiter umzusetzen. Mit diesem soll die Gesundheit der Menschen in Darmstadt durch saubere Luft geschützt werden. “Für eine bessere Luftqualität ist daher auch die Reduktion der Stickstoffdioxid-Immissionsbelastung nötig”, erklärt hierzu die städtische Umweltdezernentin Barbara Akdeniz.


Kommunale Sicherheit

Seite 24

Behörden Spiegel / Mai 2020

Es geht momentan vor allem um Eindämmung

Krebsrisiko bei Feuerwehrkräften

Öffentlicher Gesundheitsdienst von großer Wichtigkeit im Kampf gegen Corona

Die langjährige Gefahr durch Brandrauch

(BS) Falko Liecke untersteht das Gesundheitsamt des Berliner Bezirks Neukölln. Angesichts der Corona-Pandemie sind die Mitarbeiter des CDU-Politikers derzeit massiv gefordert. Der Christdemokrat lobt die Arbeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und kritisiert den Senat. Das Interview führte Behörden Spiegel-Redakteur Marco Feldmann.

(BS/Bennet Klawon) Feuerwehrkräfte müssen nicht erklären, dass ihre Arbeit mitunter gefährlich sein kann. Ob nun Personen aus verunglückten Fahrzeugen gerettet, Brände gelöscht oder Gefahrenstoffe gesichert werden müssen: Es drohen Verletzungen, Verbrennungen oder Verätzungen. Doch auch Jahre nach dem Einsatz können starke gesundheitliche Schäden auftreten.

Behörden Spiegel: Herr Liecke, vor welchen Herausforderungen steht der Öffentliche Gesundheitsdienst bei Ihnen in BerlinNeukölln?

Laut mehrerer Studien haben Feuerwehrkräfte im Durchschnitt ein höheres Risiko als die Gesamtbevölkerung an Krebs zu erkranken. Ein Grund für dieses erhöhte Risiko kann unter anderem der Brandrauch bei den Einsätzen sein. Dieser Rauch enthält viele giftige und krebserregende Substanzen, die bei der Verbrennung von überwiegend modernen, kunststoffhaltigen Baustoffen freigesetzt werden. Von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), einer Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wird Brandrauch als “möglicherweise krebserregend” eingestuft. “Dabei ist der Schutz, etwa durch Atemschutzmasken, keineswegs ungenügend”, erklärt Marcus Bätge, selbst seit 1991 Feuerwehrmann bei der Berufsfeuerwehr Hamburg und Geschäftsführer von FeuerKrebs gUG, einer Gesellschaft zur Förderung und nachhaltigen Verbesserung der Gesundheits- und Arbeitsbedingungen von Feuerwehrleuten. Die Atemwege sind jedoch nicht der einzige mögliche Aufnahmeweg. “Diese Stoffe gelangen, neben dem Verdauungstrakt, auch über die offenen Poren der Haut in den Körper. Die Haut ist das größte Atmungsorgan des Menschen”, so Bätge. Dies beträfe nicht nur die Atemschutzgeräteträger der Feuerwehr, die in die unmittelbare Nähe der Brandherde vorrückten, sondern auch die Kräfte

Liecke: Dem Öffentlichen Gesundheitsdienst kommt bei einem Großlagenereignis wie der Corona-Pandemie eine erhebliche Bedeutung zu. Da ist es für mich unverständlich, weshalb der Senat noch immer nicht die Rechtsverordnung zur höheren Einstufung von Amtsleitungen angepasst hat. Das verhindert eine Besoldung in der Besoldungsgruppe B. Wir Bezirke können und dürfen die entsprechenden Stellen solange nicht besetzen. Behörden Spiegel: Sie haben also immer noch Probleme, ausreichend Personal für den Öffentlichen Gesundheitsdienst und das Gesundheitsamt zu finden? Liecke: Ja, die Personalsuche gestaltet sich immer noch schwierig. Wir haben weiterhin erhebliche Stellenbesetzungsprobleme im ärztlichen und nichtärztlichen Bereich des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Und das, obwohl wir Tarifbeschäftigten inzwischen eine monatliche Zulage von bis zu 1.000 Euro zahlen dürfen und die Möglichkeit zur außertariflichen Bezahlung besteht. Aber bis all das möglich war, mussten wir lange kämpfen.

können wir damit täglich deutlich mehr Tests durchführen als bisher. Diese Möglichkeit wird allerdings zunächst nur Einwohnern des Bezirks Neukölln zur Verfügung stehen und auch das nur nach vorheriger Anmeldung und einem vorgelagerten Beratungsgespräch. Wir wollen dort keine Laufkundschaft. Falko Liecke (CDU) ist Stadtrat für Gesundheit und Jugend im Berliner Bezirk Neukölln. Foto: BS/Bezirksamt Neukölln

Behörden Spiegel: Was sind derzeit die Hauptaufgaben der Mitarbeiter Ihres Gesundheitsamtes? Liecke: Die vordringlichste Aufgabe ist derzeit die Eindämmung des Virus. Bei diesem “Containment” geht es vor allem darum, Abstriche bei den Menschen zu nehmen und Quarantäne anzuordnen und zu begleiten. Außerdem kommt es entscheidend darauf an, Kontaktpersonen von Infizierten zu identifizieren. Behörden Spiegel: Wie testen Sie in Neukölln denn? Liecke: Derzeit erfolgen die Tests durch Hausbesuche des Gesundheitsamtes oder in zen­tralen Testzentren Berlins. Wir erhalten aber in Kürze in Neukölln eine mobile Teststation. Dort sollen auch sogenannte Drive-in-Tests für Auto- und Radfahrer sowie Fußgänger möglich sein. Zudem

Behörden Spiegel: Vor welchen anderen Herausforderungen steht Ihr Bezirk, abgesehen von den Belastungen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst? Liecke: Wir haben in Neukölln zwar grundsätzlich gute Kinderschutzstrukturen. Diese müssen aus meiner Sicht jedoch möglichst engmaschig sein, um tatsächlich wirken zu können. Das ist angesichts der CoronaLage derzeit allerdings kaum möglich. Denn wir arbeiten momentan auch in diesem Bereich der Verwaltung nur in einem “Rumpfbetrieb”. Zwar bleibt der Kinderschutz gewahrt, die Präventionsarbeit liegt allerdings weitgehend darnieder. Behörden Spiegel: Welche Folgen hat das? Liecke: Ich rechne fest damit, dass wir nach dem Abflauen der Corona-Pandemie deutlich mehr Fälle häuslicher Gewalt gegen Kinder und Jugendliche feststellen werden.

im rückwärtigen Raum. Erste Vorsorgemaßnahmen seien leicht umzusetzen. “Sie beginnen bei jedem Einzelnen und bei jeder noch so kleinen Einsatzlage”, so Bätge. Zunächst komme den Hygienemaßnahmen an der Einsatzstelle ein besonderer Stellenwert zu. Angefangen mit der Reinigung von Händen, Armen, Gesicht und Halsbereich noch am Einsatzort müsse eine Kontaminationsverschleppung in die Feuerwehrhäuser so gering wie möglich gehalten werden. Bereits vor Ort sollte die verschmutzte persönliche Schutzausrüstung abgelegt, luftdicht verpackt und möglichst durch Trainingsanzüge, besser durch eine zweite Garnitur, ersetzt werden. Die Wachen müssen in saubere und schmutzige Bereiche aufgeteilt und ein Einschleppen der Brandrückstände von der Einsatzstelle in die Sozialund Aufenthaltsbereiche, im schlimmsten Fall sogar nach Hause, ebenfalls verhindert werden. Dafür wird eine bessere finanzielle Ausstattung der Feuerwehren verlangt.

Keine anerkannte Berufskrankheit bei Feuerwehren Doch sollte der Fall einer Krebserkrankung infolge des Dienstes eintreten, stehen die betroffenen Kräfte vor Problemen. Krebs ist in Deutschland noch keine anerkannte Berufserkrankung bei Feuerwehrleuten. Betroffene

Dokumentation ist das A und O Anerkennung von Corona als Berufskrankheit (BS/bk) Eine Erkrankung durch das Coronavirus kann unmittelbar starke Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Dennoch nehmen Frauen und Männer bei den Rettungsdiensten, Feuerwehren und im Gesundheitswesen die Risiken einer Infektion auf sich und schöpfen deswegen alle Schutzmaßnahmen aus. Sollten sie sich jedoch trotzdem angesteckt haben, können die Betroffenen die Erkrankung als eine Berufskrankheit anerkennen lassen. Doch was ist dabei alles zu beachten? Die Erkrankung infolge der Infektion mit dem Coronavirus stellt sich als eine Berufskrankheit nach Nummer 3101 der Anlage eins zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) dar. Eine Anerkennung kann nur von Versicherten geltend gemacht werden, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch

Ü

ber Erfolg oder Misserfolg beim Einsatz von Videosicherheitstechnik im öffentlichen Raum entscheiden im Wesentlichen drei Faktoren: Zum einen geht es darum, eine hohe und vor allem auf der ganzen zu erfassenden Fläche möglichst gleichbleibende Mindest-Bildqualität zu gewährleisten – nur so sind die Gerichtsverwertbarkeit der Aufnahmen und vor allem auch gute Ergebnisse bei der automatischen Analyse dieser Bilder gewährleistet. Zum zweiten soll dieses Ziel natürlich mit einer möglichst geringen Anzahl von Kamerasystemen erreicht werden, um die Gesamtkosten, die Komplexität und die Belastung der Systembediener niedrig zu halten. Und schließlich sind die Qualität der eingesetzten Videomanagement-Software und die Analyse von Live-Bildern und Aufzeichnungen von ausschlaggebender Bedeutung.

Minimale Kameraanzahl für maximale Abdeckung Diese drei Elemente zusammen bilden den wesentlichen Mehrwert der patentierten “Panomera®”Multifocal-Sensorsysteme, die Dallmeier im Jahre 2011 erfolgreich auf dem Markt einführte.

eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt sind. Der Verdacht auf eine Berufskrankheit lässt sich nur begründen, wenn bei der beruflichen Tätigkeit im Sinne der Verordnung ein Kontakt zu infizierten Personen stattgefunden hat, ein positiver Test auf eine CoronaErkrankung vorliegt und die ver-

sicherte Person entsprechende Krankheitserscheinungen zeigt. Konkret muss der zuständige Arzt und Arbeitgeber bei Verdacht dies an den Unfallversicherungsträger melden. Hierzu besteht eine gesetzliche Verpflichtung. Es können jedoch auch die Betroffenen selbst tätig werden und die Erkrankung formlos bei ihrer Berufsgenossenschaft

oder Unfallkasse anzeigen. Nach Eingang der Meldung nimmt der Unfallversicherungsträger automatisch und umgehend Kontakt mit dem Versicherten auf, um den Sachverhalt zu ermitteln. Dabei werden sowohl die Krankengeschichte als auch die Arbeitsvorgeschichte geklärt. Es wird geprüft, ob die Erkrankung tatsächlich durch die Ar-

beitstätigkeit verursacht wurde. Gegebenenfalls wird dabei ein fachärztliches Gutachten durch unabhängige Sachverständige angefordert. Um eine lückenlose Dokumentation sicherzustellen, empfiehlt deshalb die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) das Führen eines Expositionstagebuches für Einsätze mit Bezug zu Corona-Fällen.

Dallmeier präsentiert Erfolgsbilanz 19 deutsche Städte mit datenschutzkonformer Videotechnik ausgestattet (BS/Frank Salder) Der deutsche Videotechnik-Hersteller Dallmeier blickt auf drei äußerst erfolgreiche Jahre im Marktsegment “Safe City” in Deutschland zurück. 19 Großprojekte in deutschen Städten konnte der Erfinder der“Panomera®” – Multifocal-Sensortechnologie mit Kameras, Aufzeichnungssystemen und Software für Videoanalyse und Management bisher realisieren. Fahndungserfolge bei jüngsten Vorfällen bestätigten dabei die Qualität der Systeme erneut. Der Durchbruch im Segment der “Safe Cities” erfolgte Ende 2016 mit der erfolgreichen Inbetriebnahme der Kamerasysteme auf der Kölner Domplatte: Hier kann die Polizei mit lediglich acht “Panomera®”Kameras eine Fläche von fast 9.000 Quadratmetern beobachten, und das mit einer Mindestauflösungsdichte von 250 Pixeln pro Meter (px/m nach DIN EN 62676-4). Ebendiese Auflösung ist nötig, um (bekannte) Personen erkennen zu können. Mit großen Installationen in 19 deutschen Städten, darunter zum Beispiel Frankfurt, Essen, Wiesbaden, Chemnitz oder Bremen, blickt der Hersteller auf eine äußerst positive Erfolgsbilanz im Bereich

chen wir eine optimale Kontrolle bei minimaler OperatorBelastung und dank nur weniger benötigter Systeme auch niedrige Gesamtbetriebskosten.” Frank Salder ist Experte für Videosicherheit im öffentlichen Raum bei Dallmeier.

der Stadtüberwachung zurück. “Wir haben die Dallmeier “Panomera®”-Technologie seit 2018 mit großem Erfolg im Einsatz. Wir profitieren bei den “Panomera®”-Systemen insbesondere davon, dass der Gesamtüberblick einer Szene stets erhalten bleibt, wobei Operatoren selbst in der Aufzeichnung in unterschiedliche Bereiche mit hoher Auflösung hineinzoomen können,” so Thorsten Wünschmann, Leiter des Ordnungsamtes Hanau. “Auf diese Weise errei-

Datenschutz als Selbstverständlichkeit Ein weiterer, ganz wesentlicher Aspekt für die Akzeptanz ist zudem der Datenschutz: Diesem wird Dallmeier mit der strikten Einhaltung der DSGVO-Richtlinien “Privacy by Design” und “Security by Design” gerecht. Dallmeier entwickelt und fertigt alle wesentlichen Komponenten seiner Lösungen am Unternehmenssitz in Deutschland, setzt externe Dienstleister für umfangreiche Penetrations- und Sicherheitstests ein und bietet seinen Kunden eine umfassende Dokumentation und Hilfestellung bei der Umsetzung datenschutzkonformer Videosicherheitslösungen.

“Wir sind sehr stolz auf unsere Erfolge im “Safe-City”- Bereich in den letzten Jahren. Dallmeier-Technologie kommt bei immer mehr großen StadtInstallationen, aber auch zu-

Im Vergleich zu Megapixel- und PTZKameras erfassen “Panomera ® ”Multifocal-Sensorsysteme stets das gesamte Geschehen in der definierten Mindestauflösung. Dies ermöglicht selbst in der Aufzeichnung hochauflösende Zooms in jedem Teilbereich und eine ausreichend gute Datenqualität für Videoanalyse-Anwendungen. Fotos: BS/Dallmeier

Einsatzkräfte müssen nachweisen können, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Feuerwehrdienst und der Krankheit besteht. “Diese Kausalität ist nur sehr schwer bis nahezu unmöglich nachzuweisen, da zwischen den Einsätzen und der Erkrankung oftmals mehrere Jahre vergehen können und eine personenbezogene Einsatzdokumentation über einen entsprechenden Zeitraum bislang flächendeckend nicht umgesetzt wird”, gibt Bätge zu bedenken. Bisher seien nur Einzelfälle als Berufserkrankung anerkannt worden.

Kanada als Vorbild für Deutschland nehmen Eine Nicht-Anerkennung hat zur Folge, dass bei einer vorzeitigen Pensionierung die Versorgungsbezüge niedriger ausfallen, da sich die Höhe der Pension an der geleisteten Dienstzeit bemisst. Zudem können Berufsgenossenschaften oder die Feuerwehrunfallkassen nur bei Vorliegen einer Berufskrankheit konkrete Leistungen und Mittel freigeben. Auch der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) nimmt sich des Themas schon seit einiger Zeit an. So sind die DFV-Vizepräsidenten Karl-Heinz Knorr und Lars Oschmann, der Bundesfeuerwehrarzt Klaus Friedrich sowie der Fachbereichsleiter “Sozialwesen” Thomas Wittschurky an der Projektgruppe “Krebsrisiko im Feuerwehrdienst” der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) beteiligt. Diese Projektgruppe hat das Ziel, eine Studie zum Biomonitoring von Einsatzkräften zu begleiten. Es soll dabei geklärt werden, in welcher Menge krebserzeugende Stoffe beim Brandeinsatz tatsächlich über die Haut aufgenommen werden. Sollte die Studie weitere gesicherte Erkenntnisse liefern, werde der Verband auch auf eine Anerkennung von Krebs als Berufskrankheit bei Feuerwehrleuten hinwirken. Doch dazu sei es im gegenwärtigen Stadium noch zu früh, heißt es. Bätge fragt sich: “17 Krebsarten sind zum Beispiel seit 2003 in Kanada als Berufskrankheit anerkannt. Warum sollte dies also nicht auch hier gehen?”

nehmend in mittleren Städten zum Einsatz. Äußerst schnelle Fahndungserfolge nicht zuletzt bei den jüngsten Ereignissen in Süddeutschland und ein durchgehend sehr positives Feedback von den Einsatzkräften wie auch den Entscheidungsträgern bestätigen unserer Strategie”, so Frank Salder, Geschäftsführer der Dallmeier Systems GmbH in Gladbeck und deutschlandweiter Fachexperte für Safe City in der Dallmeier-Unternehmensgruppe. “Die patentierte “Panomera®”Multifocal-Sensortechnologie ermöglicht eine äußerst niedrige Anzahl an benötigten Systemen. So ist es beispielsweise möglich, 40.000 Quadratmeter mit lediglich 58 “Panomera®”-Kameras in einer Mindestauflösungsdichte von 250 Pixeln pro Meter (px/m nach DIN EN 62676-4) zu erfassen. Zusammen mit den dadurch natürlich wesentlich geringeren Anforderungen an Infrastruktur von wesentlich weniger Operator-Arbeitsstationen ergibt sich zudem ein äußerst wirtschaftlicher Betrieb der Systeme”, so Salder. Weitere Informationen unter: www.dallmeier.com und www. panomera.com


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Berlin und Bonn / Mai 2020

Man sieht sich

KNAPP Für Gesundheits­ branche geöffnet

Videokonferenzsysteme erleichtern die kontaktlose Zusammenarbeit (BS/Benjamin Stiebel) Sie ermöglichen die nächstbeste Annäherung an persönliche Treffen und sind produktiver und interaktiver als die bloße Telefonkonferenz. Videokonferenzen haben Hochkonjunktur in Unternehmen und Behörden. Vom einfachen Videochat bis hin zu umfangreichen Plattformen zur Zusammenarbeit, vom kostenlosen Cloud-Dienst bis hin zu individualisierten organisationsweiten Lösungen im Eigenbetrieb: Die Optionen sind so vielfältig wie die Einsatzszenarien. Zwischen Anforderungen an Stabilität, Funktionsumfang und Sicherheit das richtige System zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Der Markt für Videokonferenzsysteme boomt. Exemplarisch steht dafür der Anbieter Zoom. Früher eigentlich nur in Unternehmen bekannt, ist der Name inzwischen im Privatbereich fast synonym zum Begriff Videokonferenz geworden – das hatte vorher nur das zu Microsoft gehörende Skype geschafft. Im Laufe der Corona-Pandemie sind die Nutzerzahlen stetig gestiegen, nach Unternehmensangaben auf mittlerweile über 300 Millionen. Anfang April waren es noch 200 Millionen. Dabei ist die Konkurrenz groß. Etliche große IT-Unternehmen haben Lösungen im Portfolio: Adobe (Connect), Amazon (Chime), Apple (FaceTime), Atos (Circuit), Cisco (Webex), Facebook (Messenger, WhatsApp), Google (Hangouts, Meet), Microsoft (Skype, Teams) oder Verizon (BlueJeans). Dazu kommen etliche spezialisierte Marktteilnehmer mit eigenen Angeboten wie ClickMeeting, FastViewer, GoToMeeting, Slack oder TeamViewer. Jitsi ist eine bekannte Open-Source-Variante.

Komfort hui, Sicherheit pfui? Dass ausgerechnet Zoom so viel Zuwachs und Aufmerksamkeit bekommt, liegt zum einen daran, dass es in der Gratisversion trotz des hohen Nutzeraufkommens als technisch besonders stabil gilt. Funktionen und Teilnehmergrenzen hat das Unternehmen kräftig ausgebaut und setzt ganz auf Komfort. Zoom machte aber auch wegen Datenschutz- und Sicherheitsproblemen von sich Reden. Nicht nur wurden intransparente Nutzungsbedingungen bemängelt. Zoom soll außerdem Dritten wie Facebook Zugriff auf Daten gewährt haben. Die angebliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung stellte sich als unzureichend und

Sich sehen, wenn man sich nicht treffen kann. Videokonferenzen stehen derzeit hoch im Kurs.

Foto: BS/Jacob Lund, stock.adobe.

com

fehlerhaft heraus. Schwer wiegt auch, dass sich in etlichen Fällen Unbefugte Zugang zu privaten und beruflichen Konferenzen verschaffen konnten. Für das Phänomen hat sich inzwischen der Begriff “Zoombombing” eingebürgert. Während einige Täter ausschließlich mithörten, legten es andere darauf an, Besprechungen durch das Einblenden unangemessener Fotos oder Videos zu stören. In einigen Fällen wurde kinderpornografisches Material abgespielt – mit traumatischen Folgen für die Teilnehmer. Zoom hat inzwischen einige der Missstände behoben und weitere Sicherheits-Updates angekündigt. Nach wie vor untersagen aber viele Unternehmen und Behörden ihren Mitarbeitern die Verwendung auf den internen Geräten. So das Bundesministerium des Innern (BMI) und das Auswärtige Amt. Ganz bewusst für Zoom hat sich hingegen das Bundesministerium für Umwelt entschieden. Zumindest, um den 11. Petersberger Klimadialog Ende April digital durchzuführen. Die Entscheidung sei nach Tests verschiedener Systeme gefallen.

Ausschlaggebend seien Funktionen gewesen, die die virtuelle Durchführung vereinfacht hätten, heißt es aus dem Ministerium. Dazu gehörten die Möglichkeit, externe Teilnehmermikrofone zu steuern, simultanes Dolmetschen anzubieten und andere Videodienste und mobile Endgeräte anzuknüpfen.

Zentrale und individuelle Lösungen Völlig andere Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz als bei einer öffentlichen Veranstaltung gelten für verwaltungsinterne Besprechungen, zumal wenn über Verschlusssachen gesprochen werden muss. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat jüngst ein umfangreiches Kompendium zum Thema herausgegeben. Für den Geheimschutzbereich erarbeitet die Behörde derzeit außerdem eine konkrete Technische Leitlinie, die bestehende Vorschriften zugeschnitten auf Videokonferenzsysteme zusammenfasst. (Mehr zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen bei der Nutzung von Videokonferenztools im Beitrag

der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Maja Smoltczyk auf Seite 36). Ein für den Geheimhaltungsgrad VS-NfD zugelassener Dienst wird den Bundesbehörden bereits über die Netze des Bundes zur Verfügung gestellt. Der ist Mittel der Wahl für ressortübergreifende Konferenzen. Auch Verbindungen mit den Ländern sind darüber möglich. Während der Pandemie sind die Kapazitäten erweitert worden. Außerdem wurden zur Deckung des aktuellen Bedarfs für die offene Kommunikation Webex und die technologisch ähnliche Lösung TelePresence der Deutschen Telekom beschafft. Genutzt werden innerhalb der Behörden aber auch verschiedene weitere kommerzielle oder eigene Lösungen. Für Videokonferenzen innerhalb des BMI werden Skype for Business und ein interner eigenbetriebener Dienst genutzt. Das Bundesministerium der Verteidigung verfügt auch über interne Systeme mit Verschlusssachenzulassung für Inhalte der Einstufung VS-NfD und höher. Der zentrale IT-Dienstleister ITZBund im Geschäftsbereich des

Bundesministeriums der Finanzen nutzt sowohl für interne als auch für Konferenzen mit externen Kunden Skype for Business. Weitgehend Neuland betritt dieser Tage der Deutsche Bundestag, zumindest was Videokonferenzen in der offiziellen Gremienarbeit betrifft. Mit der jüngsten Änderung der Geschäftsordnung anlässlich der Pandemie wurde den Ausschüssen die Möglichkeit geschaffen, Sitzungen auch digital abzuhalten (siehe Behörden Spiegel April 2020, S. 36). Die Bundestagsverwaltung hat dafür Webex-Lizenzen angeschafft. Betrieben wird die Lösung über Telekomserver. Die Umsetzung ging vergleichsweise schnell vonstatten, weil das System bereits vorher getestet und vom BSI geprüft worden war. In der ersten Sitzungswoche machten von der Möglichkeit, einzelne Mitglieder digital zuzuschalten, nur drei der 24 ständigen Ausschüsse Gebrauch. Vollständig über das Videokonferenzsystem tagte nur der Ausschuss Digitale Agenda. Ganz bewusst gegen den digitalen Weg hatte sich der Innenausschuss entschieden. Der Grund: Es stand keine technische Lösung zur Verfügung, über die auch über vertrauliche Dinge hätte gesprochen werden können.

Agile und sichere Verwaltungsarbeit (BS) Mehr Beiträge zur digi­ talen Transformation in der öffentlichen Verwaltung, zum sicheren mobilen Arbeiten und zum modernen Rechenzen­ trumsbetrieb im Sonderteil ab Seite 32 in dieser Ausgabe.

(BS/stb) Die Cyber-Wehr BadenWürttemberg steht mit ihrer kostenlosen Hotline zunächst für drei Monate auch der gesamten Infrastruktur zur medizinischen und pflegerischen Versorgung zur Verfügung, unter anderem für Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheken, Labore. Die Ausweitung ermöglicht die Rücklage im Landeshaushalt für Haushaltsrisiken aufgrund der Corona-Pandemie. Für drei Monate gibt es bis zu 850.000 Euro extra. Die Cyber-Wehr Baden-Württemberg ist vor über einem Jahr als Pilot am Karlsruher Forschungszentrum Informatik eingerichtet worden, um kleinen und mittelständischen Unternehmen im Ländle schnelle Unterstützung bei IT-Sicherheitsvorfällen geben zu können. Bisher sind deutlich über 1.000 Fälle eingegangen, in denen die Truppe beraten und teils ITSicherheitsfirmen zur Unterstützung vermittelt hat.

Bundeswehr verlässt TikTok (BS/stb) Die Deutsche Bundeswehr hat ihren offiziellen Kanal im Sozialen Netzwerk TikTok eingestellt. Das erklärte die Truppe per Twitter-Nachricht. Grund seien große Kritik auch aus dem eigenen Hause und “datenschutzrechtliche Belange”. Der Kanal war nur wenige Monate aktiv gewesen und hatte ein Millionenpublikum erreicht – vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Über die App des chinesischen Anbieters ByteDance können Nutzer Kurzvideos und Playback-Aufnahmen teilen. Datenschützer kritisieren das geringe Datenschutzniveau. Die U.S. Army hatt TikTok schon Ende letzten Jahres als Sicherheitsbedrohung eingeordnet und den Soldatinnen und Soldaten die Nutzung untersagt.


Informationstechnologie

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ehörden Spiegel: Frau Ministerin Prof. Sinemus, wie würden Sie die Entwicklung Ihres Hauses in den vergangenen rund 15 Monaten skizzieren?

Sinemus: Es war gut und richtig, dass die Hessische Landesregierung 2019 entschieden hat, ein eigenes Digitalministerium zu gründen. Ausgestattet mit einem Digitalbudget in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, von denen ein Teil insbesondere in den Ausbau der digitalen Infrastruktur investiert wird, steuern wir so, bundesweit einmalig, die Digitalisierung in Hessen.. Denn eine leistungsfähige Infrastruktur in Stadt und Land ist die Basis für Innovation, digitale Bildung und Forschungsexzellenz. Mithilfe digitaler Vernetzung können wir trotz Unterbindung physischer Nähe sozial in Kontakt bleiben, all das ist möglich aufgrund einer stabilen Infrastruktur. Dass es richtig war, den zentralen Schwerpunkt auf den Ausbau der digitalen Infrastrukturen zu legen, zeigt sich jetzt und das zahlt sich jetzt aus. Behörden Spiegel: Die Landesregierung hat bereits im Frühjahr 2016 die “Strategie Digitales Hessen” vorgelegt. Ist angesichts der rasanten technologischen Entwicklung ein “Update” der Strategie erforderlich und geplant? Sinemus: Ziel der Digitalisierungsstrategie der Hessischen Landesregierung ist es, die Chancen der Digitalisierung für die Menschen und unser Land zu nutzen und mögliche Risiken abzuwenden. Wir wollen für und mit der Digitalisierung intelligente Lösungen in allen Handlungsfeldern entwickeln. Die Fortschreibung unserer Strategie haben wir im letzten Jahr begonnen, sie sollte mit einer großen Konferenz Ende März 2020 in den öffentlichen Dialog gehen. Nach der Absage aufgrund der Corona-Krise haben wir das Momentum genutzt: Wir bereiten aktuell eine Verschiebung der Dialogelemente in den digitalen Raum vor und wollen damit auch weiterhin eine breite Einbindung relevanter Gruppen gewährleisten. Dazu bauen wir u. a. eine Beteiligungsplattform auf und werden die geplanten Themenforen mit einer EventApp bestmöglich virtuell abbilden. Starten können wir lageabhängig allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt. Der Fokus bei allen Beteiligten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik liegt im Moment verständlicherweise auf der Bewältigung der CoronaKrise und ihrer Folgen. Klar ist, dass die Digitalstrategie auch vor diesem aktuellen Erfahrungshintergrund fortgeschrieben wird. Der durch viel

Behörden Spiegel / Mai 2020

Das Momentum nutzen Fortschreibung der hessischen Digitalstrategie bis Jahresende geplant (BS) Im Zuge der Regierungsbildung zur Fortführung der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen wurde dort Anfang vergangenen Jahres erstmals ein Staatsministerium für Digitale Strategie und Entwicklung geschaffen. Mitte Januar 2019 übernahm mit Prof. Dr. Kristina Sinemus (parteilos), eine Quereinsteigerin in den politischen Betrieb die Spitze dieses neuen Ressorts, die sich zuvor bereits als Wissenschaftlerin und Unternehmerin einen Namen gemacht hat. Mit ihr sprach der Behörden Spiegel über die ersten Erfahrungen im neuen Amt, einige zentrale Digitalisierungsprojekte des Landes und nicht zuletzt natürlich über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die digitale Transformation insgesamt. Die Fragen stellte Guido Gehrt.

Prof. Dr. Kristina Sinemus ist seit Anfang vergangenen Jahres die erste Digitalministerin des Landes Hessen. Foto: BS/Staatskanzlei Hessen, Salome Roessler

durchgängigen elektronischen Prozess zu bearbeiten. Dies schafft einen echten Mehrwert, sowohl bei der Behörde in Form von einer Reduktion des Aufwandes und der Fehleranfälligkeit als auch beim Antragsteller durch eine schnellere Bearbeitung. Rund vier Millionen Euro stellt das Land jährlich über fünf Jahre bereit, um “Der durch viel Eigeninitiative geprägte “civento” in Schub digitaler Lösungen für alle Be- d e n K o m munen zu reiche des Lebens wird uns nachhaltig e t a b l i e r e n . Die Digitaprägen.” lisierungsden nach Abschluss der geplan- plattform wird bereits von etwa ten Dialogphase ausgewertet rund einhundert Kommunen in und in die strategischen Leitbil- Hessen genutzt, ekom21 plant, der einbezogen. Wenn möglich, den Roll-Out bis Ende des Jahwollen wir diese Aktualisierung res durchzuführen, sodass es der Digitalstrategie bis Ende alle hessischen Kommunen des Jahres abschließen. Auf kostenfrei nutzen können. So dem Weg werden wir aber schon hat beispielsweise das Regiejetzt alle Möglichkeiten nutzen, rungspräsidium Kassel basieden digitalen Wandel in Hessen rend auf “civento” technisch die unter Einbeziehung der aktuel- Corona-Soforthilfen umgesetzt. len Umstände mit und für die Insgesamt kommt die UmsetMenschen positiv zu gestalten. zung des OZG in Hessen trotz der aktuellen Umstände gut voran. Behörden Spiegel: Wie ist der Zudem engagieren wir uns stark aktuelle Stand der Umsetzung im IT-Planungsrat, in dem die des Onlinezugangsgesetzes im Aktivitäten von Bund und LänLand, insbesondere mit Blick auf dern in der Informationstechnik die Kooperation mit den Kom- koordiniert werden, und haben munen? bei einigen Projekten die Federführung. Ein weiterer Vorteil für Sinemus: Das Land Hessen Hessen ist, dass die übergeordunterstützt die Kommunen bei nete Steuerung der Umsetzung der Digitalisierung der Verwal- von der FITKO erfolgt, die seit tung vielfältig. Mit der Digitali- Anfang des Jahres ihren Sitz in sierungsplattform “civento” stel- Frankfurt hat. len wir durch den kommunalen IT-Dienstleister ekom21 den Behörden Spiegel: Das RückKommunen eine Plattform zur grat der Digitalisierung – Sie Verfügung, mit der die Abläufe sprachen es bereits an – ist eine in der Verwaltung verschlankt leistungsfähige digitale Infraund effizienter gestaltet werden. struktur. Wo steht Hessen hier Mit dieser Plattform besteht für derzeit und welche Maßnahmen alle Kommunen die Möglichkeit, sollen weitere Verbesserungen eingehende Anträge mit einem herbeiführen?

Eigeninitiative geprägte Schub digitaler Lösungen für alle Bereiche des Lebens wird uns nachhaltig prägen. Deshalb werden wir in jedem Strategiebereich auch einen Akzent darauf legen, wie Digitalisierung gerade jetzt und in Zukunft das öffentliche und private Leben stärken kann. Alle Impulse und Beiträge wer-

Sinemus: Wir investieren so viel Geld in den Gigabit- und Mobilfunkausbau in Hessen wie nie zuvor. Im Rahmen unserer Gigabitstrategie investieren wir insgesamt 270 Mio. Euro in den Gigabitausbau. Beim Glasfaserausbau priorisieren wir Gewerbegebiete, Schulen, Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen. Die Erschließung von Gewerbegebieten wird dabei mit weiteren 100 Mio. Euro bezuschusst. Schon heute verfügen 91 Prozent aller Haushalte in Hessen über einen Breitbandanschluss von mindestens 50 MBits, drei von vier sogar über einen von mindestens 200 MBits. Bis spätestens 2025 wollen wir flächendeckend Gigabit- und bis 2030 Glasfaseranschlüsse bereitstellen. Da sind wir schon auf einem sehr guten Weg. Der Vorteil der Digitalisierung für die Menschen in Hessen zeigt sich auch durch den Ausbau des Mobilfunknetzes. Durch die Modernisierung von 1.828 und den Neubau von 139 Mobilfunkmasten bis Ende 2019 in einem Jahr wurde bereits jetzt ein spürbarer Mehrwert für die hessischen Bürgerinnen und Bürger bei der Mobilfunkabdeckung erreicht. Für uns ist und bleibt der ländliche Raum ein besonders wichtiger Förderschwerpunkt. Zudem haben wir eine Mobilfunkförderrichtlinie auf den Weg gebracht, die sich gegenwärtig im Rahmen des Notifizierungsverfahrens zur Abstimmung mit der Europäischen Kommission befindet. Mit 50 Mio. Euro schafft damit das Land Hessen 300 neue Mobilfunkstandorte, die hauptsächlich im ländlichen Raum liegen. Die Überarbeitung der Hessischen Bauordnung wird zusätzlich unterstützend wirken. Davon erhoffen wir uns eine deutliche Vereinfachung der Genehmigungsverfahren. Wir sind im internationalen Vergleich schon gut aufgestellt und wir treiben den Ausbau einer leistungsfähigen und flächendeckenden digitalen Infrastruktur, vor allem im ländlichen Raum, intensiv voran. Behörden Spiegel: Wenn man über Digitalisierung redet, spricht man häufig von Innovation. Was tun Sie, um die digitale Innovationsfähigkeit der Wirtschaft, aber auch der Verwaltung, im Land weiter zu verbessern, nicht zuletzt, wenn es um den Einsatz sogenannter innovativer Tech-

nologien wie KI oder Blockchain geht? Sinemus: Im vergangenen Jahr haben wir wegweisende Programme wie beispielsweise unser Förderprogramm Distral entwickelt, um Hessen als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort zu stärken. Wir haben damit ein zielgruppenorientiertes Angebot geschaffen, das ausschließlich auf die Förderung der Digitalisierung in Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft ausgerichtet ist. Mit diesem signifikanten Beitrag für die Herausforderungen im Bereich neuer digitaler Technologien und Innovationen setzt sich Hessen im Ländervergleich ähnlicher Fachprogramme an die Spitze. Die Entwicklung neuer digitaler Anwendungen – insbesondere auf Grundlage von Ergebnissen aus der Forschung – wird zu einem neuen Qualitätsstandard führen. Sowohl in seiner Höhe, Breite als auch Tiefe ist unser Programm einzigartig. Mit einem Volumen von rund 40 Millionen Euro handelt es sich in der hessischen Historie um das größte im Bereich der Digitalisierung. Wir haben es bewusst breit aufgestellt, um sowohl kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in deren digitaler Transformation, aber auch junge Unternehmen beim Aufbau neuer digitaler Innovationen zu unterstützen. Die Basis der Gründer- und Innovationskultur im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist unsere Forschungsexzellenz. Gemeinsam sorgt die Hessische Landesregierung dafür, dass die Stärkung der Forschung, die Ausbildung von Fachkräften, der Wissenstransfer und die Gründerförderung künftig eng miteinander verzahnt werden. Das schafft Synergien, die es so im Bereich KI noch nie gegeben hat.

nen angemessenen Umgang mit Corona zu finden, erlebt die Digitalisierung einen Schub und beweist aktuell ihren Nutzen für sämtliche Bereiche des Lebens. Dabei ist mir der Aspekt des verantwortungsbewussten Umgangs mit digitalen Lösungen sehr wichtig. Mit der Einrichtung eines Hessischen Kompetenzzentrums für verantwortungsbewusste Digitalisierung als Impulsgeber für Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft fördern wir eine am Menschen orientierte Gestaltung des digitalen Wandels. Dazu dient auch der von uns einberufene Rat für Digitalethik, der ethische Grenzen der Digitalisierung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger identifizieren und diese nicht überschreiten soll. Wir werden in diesem Jahr zu unserem Leidwesen mit Beschränkungen von Sozialkontakten leben müssen, aber zum ersten Mal erleben auch Generationen, die vor dem Internetzeitalter geboren wurden, wie hilfreich und sinnvoll digitale Vernetzung sein kann. Die Menschen und die Unternehmen profitieren von der Digitalisierung und mir ist besonders wichtig, dass der Mensch immer im Mittelpunkt stehen wird, denn die Digitalisierung sollte dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Behörden Spiegel: Welche digitalen Maßnahmen wurden in Ihrem Hause im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ergriffen – Stichwort Homeoffice?

Sinemus: Gerade in der aktuellen Zeit zeigt es sich, wie wichtig eine funktionsfähige digitale Infrastruktur ist, die nicht zuletzt die technische Möglichkeit für das Homeoffice für etliche hessische Bürgerinnen und Bürger sichert. Die Hessische Landesregierung hat sich seit jeher für Homeoffice-Lösungen stark gemacht, daher sind wir aktuell in einer sehr guten Position und können vielen Beschäftigen der Landesregierung diese Möglichkeit anbieten und auch deren familiäres Umfeld berücksichtigen. Die gut ausgebaute Infrastruktur zeigt sich auch bei den hessischen Schulen, von denen rund 90 Prozent über einen gigabitfähigen Anschluss verfügen bzw. projektiert “Zum ersten Mal erleben auch Generati- sind. Unser ist es, onen, die vor dem Internetzeitalter ge- Ziel Schulen in boren wurden, wie hilfreich und sinnvoll die Lage zu versetzen, alle digitale Vernetzung sein kann.” Schülerinnen Behörden Spiegel: Die Aus- und Schüler unter Anleitung wirkungen der Corona-Pandemie ihrer Lehrkräfte an digitale Mewerden vielfach als Treiber für die dien heranzuführen, ihnen die Digitalisierung gesehen. Teilen Sie Chancen und Perspektiven neudiese Einschätzung? er Technologien zu eröffnen und sie letztlich auf ein Leben und Sinemus: Während die Welt Arbeiten in der digitalisierten in diesen Zeiten versucht, ei- Welt vorzubereiten.


ÖFIT

Behörden Spiegel / Mai 2020

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Regelmäßige Themenseite in Kooperation mit:

KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

Mai 2020

Kompetenzzentrum Öffentliche IT

Vernetzte Dinge umgeben uns – aber bitte sicher und privatsphärenfreundlich Ob im Smart Home oder in der Smart City, das Internet der Dinge steigert den Grad der Vernetzung unserer Umwelt weiter – und dies nicht ohne Auswirkungen auf Sicherheit und Privatsphäre. Um den Einsatz erfolgreich gestalten und Risiken bewerten zu können, muss man die Besonderheiten des Internets der Dinge kennen. Das “Internet der Dinge” (“Internet of Things”, “IoT”) steht dafür, durch vernetzte digitale Systeme ortsunabhängig die Interaktion mit der physischen Welt zu ermöglichen. Ein mögliches Zielbild sind weitgehend autonome Systeme, die unmittelbar mit ihrer Umwelt interagieren und sich dafür notwendige Informationen selbstständig beschaffen, sei es als Roboter in der Industrie oder auch als viele kleine nützliche Anwendungen der Smart City. Das Internet der Dinge verknüpft “Dinge” der physischen Welt mit digitalen Systemen. Dabei sind nicht alle diese “Dinge” Teil des Internets und manche nicht einmal direkt vernetzt. Die Verknüpfung zwischen digitalen Prozessen und physischer Umwelt wie auch die Komplexität der

entstehenden IoT-Systeme wirken sich auf die IT-Sicherheit (Security), die Betriebssicherheit (Safety) und die Privatsphäre aus. Bei IoT-Anwendungen das System dahinter betrachten IoT-Anwendungen werden durch unterschiedlichste Komponenten – z.  B. Sensoren, Netzinfrastrukturen, Datenverarbeitung und Aktoren – realisiert. Wechsel- und Folgewirkungen werden dabei oft erst bei einer Gesamtbetrachtung des Systems erkennbar. Die Abbildung zeigt schematisch ein typisches IoT-System: Die “Dinge” – Sensoren und Aktoren – sind über Zugangsnetze (WLAN, Mobilfunk, spezielle IoTNetze) mit Plattformen verbunden, die üblicherweise auf Cloud-Infrastrukturen realisiert sind. Über die IoT-Plattform wird das System verwaltet, Datenplattformen sammeln die erzeugten Daten und die Anwendungsplattform führt, z. B. als Gegenüber für eine App oder einen Web­ browser, anwendungsspezifische Verarbeitungen durch. Ein großer Unterschied zu herkömmlichen IT-Systemen ist die massenhafte Vernetzung leistungsschwacher Geräte. Gerade sie können im Verbund großen Schaden anrichten, weil ihre Schutzmöglichkeiten beschränkt sind. Dabei sind isolierte Sicherheitsbetrachtungen für einzelne IoT-Geräte oder -Komponenten noch weniger zielführend als beim “klassischen” Internet: Sichere “Dinge” helfen nur, wenn auch z. B. die gesamte Cloud-Infrastruktur mindestens das gleiche Sicherheitsniveau

Ansatzpunkte, um Nutzungsregeln durchzusetzen oder unerwünschten Datenverkehr zu verhindern. Alle Schnittstellen von IoT-Geräten sollten zugänglich und die Geräte so dokumentiert sein, dass Funktionen und Datenflüsse nachvollzogen und Komponenten nach Sicherheitsvorfällen oder dem Auslaufen der Herstellerunterstützung sicher weiterbetrieben oder ersetzt werden können. Forschung und Entwicklung sind hier noch gefragt: Wie können durch den Entwicklungsprozess, das Betriebssystem oder andere Komponenten sichere Systeme geschaffen werden? Sicherheit und Privatsphäre kontinuierlich sicherstellen Sicherheit und Privatsphäre müsVernetzung im Internet of Things (IoT) Grafik: BS/ÖFIT sen gerade in dynamischen Systemen immer wieder geprüft und bietet. Es gilt also, für Sicherheit und Pri- gen dies haben kann. Spezielles Augen- stets durch adäquate Maßnahmen gevatsphäre den gesamten Datenfluss zu merk erfordert eine zentrale Erwartung währleistet werden. Es geht also nicht nur betrachten. an die Wertschöpfung im Internet der darum, leistungsschwache IoT-Geräte einDinge: die Mehrfachverwertung originärer malig mit kryptografischen Komponenten Die Daten und die Architekturen in den wie abgeleiteter Daten, insbesondere auch für das Signieren und Ver-/Entschlüsseln Fokus nehmen durch unterschiedliche Beteiligte. auszustatten, sondern vor allem darum, Sensoren erfassen unsere Umwelt in bisSicherheit und Privatsphäre werden wie diese in der Regel verstreuten Geräte her nicht dagewesenem Detailgrad, viele durch überlegte Systemarchitekturen und über ihren gesamten Lebenszyklus verantIoT-Prozesse laufen automatisch ab und strukturierte Netzarchitekturen gefördert: wortungsvoll betrieben werden können. aus unscharfen Informationen werden Sensoren und Aktoren müssen oft nicht Zu “Safety, Security und Privacy im InSchlüsse gezogen. Deshalb ist es besonders direkt mit dem Internet verbunden sein, wichtig, dass für alle Prozesse bekannt ist, sondern der Zugriff kann über besonders ternet der Dinge” hat das Kompetenzwelche Arten sensibler Daten in welcher gesicherte Netze und kontrollierte Kom- zentrum Öffentliche IT einen Impuls Qualität verarbeitet werden, wie und munikationsflüsse erfolgen. Teilsysteme veröffentlicht: www.oeffentliche-it.de/ wann das passiert und welche Auswirkun- und deren Schnittstellen sind wichtige publikationen.


Digitale Bildung

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Behörden Spiegel / Mai 2020

Der sozialen Spaltung entgegengetreten

Tablets kostenlos zur Verfügung stehen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Die digitale Ausstattung aller Schülerinnen und Schüler muss sichergestellt werden. Daher muss auch der Digitalpakt nachgebessert werden. Wir brauchen eine dauerhafte, angemessene und nachhaltige finanzielle Förderung des Bundes für eine digitale und barrierefreie Infrastruktur zeitgemäßer Bildung. Leistungsfähiges Internet gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Jeder Haushalt sollte ein Anrecht auf einen bezahlbaren, schnellen Breitbandinternet-Anschluss haben. Es bleibt Aufgabe der Politik, dafür schnellstmöglich Sorge zu tragen. Was derzeit in den Hintergrund

geraten ist, sind wichtige Themen wie Datenschutz und Lobbyismus. Derzeit schlägt die Stunde der großen Konzerne, die nun mangels anderer dezentraler Lösungen die Gewinner sind. Das schafft Abhängigkeiten und reduziert Medienkompetenz auf Produktschulungen und Anwenderfähigkeiten. Hier sind Bund und Länder gefragt, ein gemeinsames Konzept zu erarbeiten, um eine nachhaltige und anbieterunabhängige Beschaffungspraxis zu etablieren und den Standards offener und freier Bildung gerecht zu werden, z. B. durch die Nutzung von OpenSource-Angeboten. Ein Zurück in die alte Schulnormalität wird es so nicht mehr geben. Darin liegen auch Chancen. Die Erfahrungen der Krise müssen wir dafür nutzen. Wir brauchen Praxis und Erfahrungen in digital unterstütztem Lernen. Wir brauchen kritische Begleitung, Kompetenzen. Digitale Mündigkeit ist das Ziel von Bildung in digitalem Zeitalter. Eine Möglichkeit, sozialer Spaltung zu begegnen.

n vielen kleinen Praxisbeispielen zeigt sich, was technisch an deutschen Hochschulen auf Wie Hochschulen mit der Krisen-Situation umgehen einmal alles möglich ist. Zur Wahrheit gehöre aber auch, (BS/Kilian Recht) Die weltweit um sich greifende Corona-Pandemie bringt erhebliche Auswirkungen auf den Hochschulbetrieb in Deutschland dass sicherlich nicht alles auf mit sich. Das Sommersemester 2020 begann vielerorts verspätet am 20. April. Kurzfristig organisierten sich Hochschulen für den Online-Modus. Anhieb funktionieren könne, Vorlesungen und Seminare wollten binnen weniger Wochen für den Heimbetrieb vorbereitet werden. so das Rektorat der Universität Bonn. Videokonferenzdienste wie aufzeichnen und auf digitalen des Bundes für öffentliche Ver“DFNconf”– der Konferenzdienst Plattformen bereitstellen. Dazu waltung in Brühl gut vorbereitet. im deutschen Forschungsnetz – empfiehlt die Universität Köln Zwei Fernstudiengänge werden konnten teilweise der deutlich ihren Dozierenden, Vorträge hier bereits seit Längerem durchgestiegenen Nutzung nicht stand- und Lehrvideos per “Opengeführt. Interaktive Lehr- und Lernformen sowie entsprechende halten und wurden an ihre Kapa- cast Studio” oder “Powerpoint” Strukturen sind bereits etabliert. zitätsgrenzen gebracht. Wie viele aufzuzeichnen und auf einer Mit der Umstellung der Präsenzandere Hochschulen in Deutsch- ­E-Learning-Plattform hochzustudiengänge auf digitale Lehrland setzt die Universität Bonn laden. Die Aufnahmen können formen hat die HS Bund nun daher auf “Zoom”, um synchron vom heimischen Rechner oder zusätzlich ein virtuelles Klasablaufende Lehrveranstaltungen aus einem universitätseigenen senzimmer eingeführt. Dieses stattfinden lassen zu können. Aufnahmestudio gemacht werwird über “Big Blue Botton” reaDozierenden werden dafür Li- den. Problematischer sieht es zenzen bereitgestellt. Aber auch für Studierende der Naturwislisiert, ein Webkonferenz-System Studierende können Lizenzen senschaften aus. Der heimische ausgerichtet auf digitale Lehre. über die Universität beziehen, Arbeitsplatz gleicht wohl in den Hierüber erfolgt der synchrone um Lerngruppen zu organisieren. seltensten Fällen einem vollausAustausch von Dozierenden und Eine Serviceseite der Universi- gestattetem Universitätslabor. Studierenden mittels Audio- und tät informiert darüber, wie die Die Technische Universität DortVideoformaten, Präsentationen Plattform datenschutzkonform mund begegnet dieser Schwieund einer Whiteboard-Funktion. Zusammen mit der Lernplattform genutzt werden kann. “Zoom” rigkeit daher ebenso mit VideoILIAS, welche die Bereitstellung solle jedoch keine langfristige aufzeichnungen. In der Physik von Lernmaterialien sowie Foren Lösung sein. Mit Land, Bund und sind dafür über 200 Experimente und Umfragefunktionen bietet, anderen Hochschulen stehe man digitalisiert worden und online in engem Austausch, um die Digi- für die Studierenden abrufbar. Bedingt durch die Corona-Situation erfolgt die Teilnahme an den Vorlesungen setzt die Hochschule rein auf für viele Studenten momentan von zu Hause aus. talisierung des HochschulbetrieFoto:BS/Tumisu, pixabay.com Open-Source-Anwendungen. Aufgrund der bereits vorhanbes weiter voranzutreiben. Das Best Practice an der HSPV Land Berlin stellt den eigenen Genauso praxisorientiert zeigt und Trainer soziale Kompetenzen bearbeitet werden. Eingesetzt denen Infrastruktur sei keine Hochschulen dafür zehn Milli- sich die Hochschule für Poli- vermitteln können. In virtuellen wird es vom Brainstorming über Abstimmung mit anderen Bilonen Euro per Sofortprogramm zei und öffentliche Verwaltung Klassenräumen kommt zudem die Protokollierung bis hin zur dungseinrichtungen des Öffentzur Verfügung. Investiert werden NRW. In Best-Practice-Manier das Tool “Etherpad“ zum Ein- komplexen Fallbearbeitung. Die lichen Dienstes nötig gewesen. soll in neue IT-Struktur wie Ser- werden Lehrvideos produziert satz. Die Studierenden können E-Learning-Plattform bietet zuver, Videokonferenz-Anlagen und und auf der hochschuleigenen darüber mit ihren Dozentinnen dem die Möglichkeit, kurseigene Unterstützung für ­Präsenzhochschulen Softwarelizenzen. Videoplattform für Kolleginnen und Dozenten während eines Wikis zur Sammlung zentraler und Kollegen aller Standorte zur Vortrages interagieren. Das di- Begrifflichkeiten zu erstellen. Als leuchtendes Vorbild bei der Lehre asynchron organisieren Verfügung gestellt. Darin zu se- gitale Dokument wird auf einer Umsetzung von Distanzlehre präStatt in Live-Events mittels hen: Sequenzen typischer Ein- E-Learning-Plattform bereitge- Open Source in der HS-Bund sentiert sich die Fernuniversität Konferenzsystemen lassen sich satzsituationen von Polizeikräf- stellt und kann von allen KursDank ausgiebiger Vorerfahrung Hagen. Im Gegensatz zum lanVorlesungsinhalte auch vor- ten, anhand derer Trainerinnen teilnehmenden gleichermaßen zeigt sich auch die Hochschule desweit verspäteten Start begann

das Sommersemester regulär am 1. April. Schon immer vorhandene Fernlehre-Systeme machten es möglich. Die hauseigene Koordinationsstelle E-Learning steht mit ihrer langjährigen Erfahrung Verantwortlichen anderer Hochschulen beratend zur Seite. In einem digitalen Showroom können Best-Practice-Beispiele digitaler Lehre eingesehen werden. Regulär lediglich universitätsinternen Mitarbeitern vorbehaltene Fortbildungsprogramme wurden für Lehrpersonal anderer Hochschulen geöffnet. Die Hilfestellungen umfassen den Umgang mit ELearning Plattformen und Konferenzsystemen oder die Erstellung von Lehrvideos mittels “Camtasia” oder Onboard-Tools der Betriebssysteme. Eine Sammlung didaktischer Instrumente informiert über Diskussionsmethoden wie die “Battle of Theories” oder Brainstorming-Vorgehen wie die “6-3-5-Methode”. Eine ähnliche Funktion übernimmt das Hochschulforum Digitalisierung (HFD). Als ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderter Think Tank vernetzt das HFD Universitäten, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Digitalisierungsfragen der Hochschullehre. Mit einer neu eingerichteten Sonderseite vermittelt die Denkfabrik He­rangehensweisen an die digitale Lehre in der Corona-Krise. Webinare, digitale Werkzeugsammlungen, Dossiers und Didaktik-Tipps sollen Hochschulen die Hilfestellungen geben, um das Sommersemester 2020 doch noch gelingen lassen zu können.

er Preis verfehlter Bildungspolitik ist hoch: Nicht nur in Bezug auf den Lehrkräftemangel, die Sanierungsstaus, fehlende funktionierende Sanitäranlagen, sondern auch die Defizite der Digitalisierung in der Bildung sind nun deutlich zu spüren. Viele Lehrkräfte behelfen sich nun auf die Schnelle durch Crashkurse in E-Learning und der Nutzung digitaler Kommunikationsmöglichkeiten, um sich mit ihren Schützlingen und deren Eltern zu verständigen. Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte sind dafür mangels eigener Schulsoftund -hardware auf private elektronische Geräte angewiesen. Oft erschöpft sich sehr schnell das Datenvolumen des Handys. Oder es mangelt allein schon an leistungsfähigem WLAN. Wer kein Gerät hat, ist raus. Das trifft besonders Familien in ohnehin schon sehr schwierigen Lebenslagen. Nun gibt es einerseits den Digitalpakt, von dem 20 Prozent und höchstens 25.000 Euro pro Schule aufgewendet werden dürfen für Endgeräte, andererseits

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Faire Voraussetzungen für digitales Lernen schaffen (BS/Dr. Birke Bull-Bischoff) Kita- und Schulschließungen und das Lernen in der Krise zuhause sind für die einen eine neue, interessante Herausforderung und für die anderen eine große Belastung. Die Corona-Krise entlarvt einmal mehr die Schattenseiten des deutschen Bildungssystems. Viele der vorhandenen Defizite, schlechte soziale Bedingungen und Ausgrenzung werden durch den andauernden Krisenmodus drastisch verschärft. die von der Bundesregierung zusätzlich bereitgestellten 500 Millionen Euro für mobile Endgeräte für bedürftige Kinder und Jugendliche, d. h. pro Schülerin bzw. Schüler ein Zuschuss von 150 Euro, um betroffene Familien finanziell zu unterstützen. Alles schön und gut. Dieser Zuschuss setzt allerdings voraus, dass der Rest der Summe von den Familien selbst aufgebracht werden muss, was schlichtweg für viele Familien nicht realisierbar ist. Allein daran kann das Vorhaben scheitern. Jede Schülerin und jeder Schüler muss aber auch zu Hause einen Computer, Drucker und Internetanschluss zur Verfügung haben – auch nach der Krise. Lernen mit digitalen Werkzeugen ist auch in Zukunft

Druckers und des nötigen Gebrauchsmaterials gewährt werden. Dr. Birke Bull-Bischoff ist bildungspolitische Sprecherin Die rechtlichen der Fraktion DIE LINKE im Voraussetzungen Bundestag. dafür gibt es im SGB II § 21 Abs. Foto: BS/ Fraktion Die Linke im Bundestag 6 (Mehrbedarf), im SGB XII § 73 SGB XII und im AsylbLG § 6 sinnvoll und notwendig. In einer AsylbLG (sonstige Leistungen). gemeinsamen Erklärung LINKER Dies hatten verschiedene SoBildungspolitiker/-innen fordern zialgerichte bereits 2018 den wir deshalb, dass die Jobcenter Jobcentern aufgegeben. Denkeine digitale Grundsicherung bar wäre ebenso, das Bildungsdurch internetfähige Geräte si- und Teilhabepaket (§28 SGB II) cherstellen. Menschen, die auf für eine solche digitale GrundSozialleistungen angewiesen sicherung zu öffnen. Auch ein sind, muss auch der Kauf eines Bund-Länder-Programm wäre Laptops oder Computers, eines eine Möglichkeit. So könnten

Zur Digitalisierung gezwungen

Software von CASIO erleichtert Mathematikunterricht Mehr Unterricht denn je läuft aktuell digital ab, viele Lehrkräfte halten online Kontakt zu ihren Schülerinnen und Schülern. Wie auf den gewohnten Schul- und Grafikrechnern lassen sich mit bediengleicher Software für eine Vielzahl von Schul- und Grafikrechnern von CASIO Rechenschritte auch am PC durchführen und Tastenfolgen leicht darstellen. Auf diese Weise können Lehrkräfte Aufgaben und Lösungswege anschaulich und verständlich vermitteln. Durch die einfache Einbindung von Screenshots Grafik: Casio können sie zudem schnell und problemlos Lernmaterialien er- Auf www.casio-schulrechner.de/software finden Sie weitere stellen. Informationen zum Softwareangebot von CASIO.

Best Practice Schul-WLAN Auch der Konfigurations- und Supportaufwand sollte berücksichtigt werden (BS/Benedikt Wieschhörster) Am Dorstener St. Ursula Gymnasium haben wir schon früh mit dem Aufbau einer digitalen Infrastruktur begonnen. Aktuell bestimmen auch bei uns virtuelles Unterrichten oder das Bereitstellen von digitalem Lehrmaterial den Schulalltag. In der Schulleitung arbeiten wir deshalb gemeinsam mit dem Lehrerkollegium an einer verstärkten Verzahnung des digitalen und physischen Unterrichtsraums. Grundlage dafür ist die digitale Infrastruktur unserer Schule. Unsere Erfahrungen und Gespräche mit anderen Schulen und Schulträgern zeigen uns nun, dass wir dabei bisher auf die richtigen Lösungen gesetzt haben. Bei der WLAN-Vernetzung haben wir uns früh für eine spezielle Schullösung entschieden. Sie bietet nicht nur Schulfunktionen, die gerade vom Kollegium sehr geschätzt werde und ist datenschutzkonform, sondern

Aufwände beim Betrieb des Netzwerks haben. Das spart uns nicht Benedikt Wieschhörster ist stellv. Schulleiter am St. Urnur viel Zeit, sonsula Gymnasium in Dorsten dern auch Kosten, und arbeitet dort an der die bei anderen Digitalisierung der Schule. Schulträgern mit Lösungen aus Foto: BS/St. Ursula Gymnasium Dorsten dem Unternehmensumfeld zum Beispiel durch sie konnte durch die Expertise Supportaufgaben anfallen. Das WLAN bindet so bei uns keiunseres Partners endoo auch unkompliziert auf unsere An- ne wertvollen IT-Kenntnisse. Im forderungen angepasst werden. Gegensatz zu anderen Schulen Außerdem sorgt der integrierte können wir daher diese Ressour“digitale Systemadministrator” cen ganz für die Gestaltung des dafür, dass wir heute keinerlei “neuen Schulalltags” einsetzen.


Digitale Bildung

Behörden Spiegel / Mai 2020

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Die Handlungs- und Urteilsfähigkeit fördern Politische Bildung in der digitalen Welt (BS/Katrin Müller*) “Das Coronavirus ist in US-Biolaboren erstellt worden” oder “Eine neue tyrannische Weltordnung ist das Ziel” – diese aus einer Studie der Deutschen Welle entliehenen Beispiele sind nur zwei Vertreter für die vielen Desinformationen, die in Zeiten von COVID-19 im Umlauf sind. Der Zugang zu Informationen war noch nie so leicht wie heute, doch die Grenzen zwischen Information, Werbung, politischer Meinungsmache und Desinformation drohen gerade im Internet zu verschwimmen: Desinformationen werden in sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten als vermeintliche Informationen und Quellen ungefiltert und schnell verbreitet. Dies stellt Bürger/-innen sowie die politische Bildung gleichermaßen vor neue Herausforderungen, verlangt doch der souveräne Umgang mit digitalen Medien ein neues Maß an Medienkompetenz. Aber gerade Kinder und Jugendliche kennen sich doch mit dem Internet aus? Nicht automatisch sind sie “Digital Natives”, nur weil sie mit Smartphones und Internet aufwachsen. Laut der ICILSSchulstudie, die Ende 2019 von der Universität Paderborn veröffentlicht wurde, weist ein Drittel der befragten Achtklässler/-innen in Deutschland nur sehr rudimentäre computer- und informationsbezogene Kompetenzen auf. Schwierigkeiten bestehen demnach darin, Informationen und Quellen richtig einordnen und kritisch hinterfragen zu können. Genau diese Fähigkeiten sind aber auf dem Weg zur digitalen Mündigkeit genauso wichtig, wie technisch versiert zu sein, einen PC zu bedienen oder online Verträge abzuschließen. Das gilt nicht nur für Jugendliche, auch die Medienkompetenz von Erwachsenen muss gestärkt werden. Häufig wird in medienpädagogischen Auseinandersetzungen jedoch nur ihre Rolle als Eltern oder Pädagog(inn)en in den Blick genommen. Ähnliches gilt auch für den schulischen Kontext: Eine Vo­ raussetzung ist die digitale Infrastruktur, die in Zeiten des “Homeschoolings” aus dem Stand einem Härtetest unterzogen wird und Schwächen aufdeckt: Die Ausstattung der Schulen muss weiter vorangetrieben werden, da z. B. Internetzugänge und Endgeräte fehlen. Das stellt Schulen auch vor datenschutzrechtliche He­ rausforderungen. Ebenso muss

Gerade Jugendliche sind als sogenannte “Digital Natives” quasi dauerhaft online, gleichzeitig können sie die Folgen ihres digitalen Handelns oft noch nicht nachhaltig einschätzen. An dieser Stelle braucht es die möglichst niedrigschwellige Erklärung der oft komplexen Themen rund um die digitale Welt. Foto: BS/natureaddict, pixabay.com

der Umgang mit digitalen Medien in der Lehramtsausbildung noch stärker ausgebaut und praktisch erprobt werden. Dafür braucht es laut Birgit Eickelmanns Studien zur Medienkompetenzförderung von Schülerinnen und Schülern auch ein Umdenken in Lernen und Lehren, da momentan noch digitale Medien vor allem sehr lehrkräftezentriert eingesetzt würden, wenn sie z. B. genutzt würden, um Informationen im Frontalunterricht zu präsentieren. Modelle wie “Flipped Classroom”, bei dem im Sinne eines “umgedrehten Unterrichts” die Aneignung zuhause etwa mittels Erklärvideos und die Anwendung im Klassenzimmer erfolgt, weisen den Weg hin zu digital gestütztem, individualisiertem Lernen. Politische Bildung hat daher

Welche Lösung für welche Schule? Eine durchweg ausgereifte Ausstattung bietet beispielsweise “Samsung Neues Lernen”. Unter der Berücksichtigung etwaiger Voraussetzungen und Richtlinien ist ein Paket entstanden, das die Digitalisierung von Schulen so unkompliziert und nachhaltig

Was bedeutet das für die politische Bildung? Für die politische Bildung ergeben sich verschiedene Themenfelder, die es zu adressieren gilt:

Wer bestimmt über die Inhalte im Netz und ob diese gefunden werden? Wie kann ich mich selbst einbringen und an politischen Prozessen teilhaben, welche Möglichkeiten bieten digitale Formate hierfür? Was passiert mit meinen Daten und wer hat Interesse an diesen? Wie stellen wir sicher, dass sich alle Menschen “aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert” informieren können (Art. 5 GG)? Hier gilt es, zielgruppenspezifische Angebote zu schaffen und komplexe Themen niedrigschwellig zu vermitteln, damit eine digitale Spaltung vermieden wird und damit auch gezielt Menschen aus benachteiligten sozialen Lagen gefördert werden. Eine Möglichkeit ist es, an der medialen Lebenswelt anzusetzen:

*Katrin Müller arbeitet als Referentin im Fachbereich Zielgruppenspezifische Angebote für die Bundesagentur für politische Bildung (bpb).

Schule erfolgreich digitalisieren

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ie Schulen sind auf eine hochqualitative, einfach umsetzbare und zugleich funktionale Bildungsinfrastruktur angewiesen, um Schülerinnen und Schüler adäquat auf die berufliche Zukunft im digitalen Wandel vorbereiten zu können. Aus diesem Grund haben Bund und Länder den DigitalPakt Schule verabschiedet, mit dem die digitale Ausstattung an Schulen nachhaltig vorangetrieben werden soll. Den DigitalPakt sinnvoll und die IT-Ausstattung zukunftssicher umzusetzen, ist in der Praxis mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Ausstattungskonzepte sollen für alle Schulen im Schulamtsbezirk anwendbar sein – ganz ohne teure Individuallösungen. Die Digitalausstattung muss benutzerfreundlich sein und Lehrkräfte in ihrer Unterrichtskonzeption unterstützen, statt sie durch administrative Aufgaben in Anspruch zu nehmen. Ein weiteres, durchaus sensibles Thema ist der Datenschutz, der durchgängig eingehalten werden muss. Für eine reibungslose Implementierung und den weitergehenden Betrieb sind umfangreiche Service- und Support-Leistungen wichtig. Aber auch die Kosten müssen planbar und vertretbar sein. Unnötige Belastungen und unabsehbare Folgeinvestitionen müssen daher vermieden werden.

die Aufgabe, die gesellschaftlichen, sozialen, technischen und politischen Entwicklungen zu begleiten und kritisch zu reflektieren, um die Urteils- und Handlungsfähigkeit der Einzelnen zu fördern. Dazu gilt es, sowohl mit als auch über Medien zu lernen. Damit Menschen selbstbestimmt handeln und an einer digitalen Gesellschaft teilhaben können, sind diese Kompetenzen entscheidend. Daher müssen Angebote für schulische und außerschulische Bildung sowie für Selbstlernprozesse mit Medien weiterentwickelt werden.

Wenn Jugendliche mithilfe ihrer Lieblings-YouTuber geschichtliche Themen erklärt bekommen, können sich diese auch einfacher für diese Themen begeistern und die Lernmotivation steigt. Daher hat die bpb einige WebvideoProjekte mit unterschiedlichen YouTuber/-innen zu Themen wie 30 Jahre Mauerfall, Europa- und Bundestagswahlen sowie zur Prävention von Radikalisierungen erstellt. Auch Messenger spielen eine wichtige Rolle: Über den bpb Infokanal für Messenger “Deine tägliche Dosis Politik” erhalten Abonnent(inn)en jeden Morgen kurze Erklärtexte aus Politik und Geschichte als Nachricht auf ihr Smartphone. Dabei wird deutlich: Jugendliche interessieren sich für politische und geschichtliche Themen. Ihnen fehlen jedoch oftmals der Bezug zu ihrem Alltag sowie eine verständliche Ansprache. Ähnliche Angebote braucht es auch für Erwachsene, die sich vermehrt in digitalen Räumen wie Facebook aufhalten und dort zum Beispiel mit Desinformationen konfrontiert werden. Das Internet bietet zunächst einmal Informationen für alle, wie diese genutzt, gelesen und reflektiert werden, liegt bei jedem selber – dafür braucht es Kompetenzen und eine digitale politische Bildung.

MELDUNG

Düsseldorf unterstützt seine Schulen (BS/wim) Um den krisenbedingten Schulschließungen zu begegnen und die Schulen im Stadtgebiet bei der erzwungenen Digitalisierung im Eiltempo zu unterstützen, hat die Stadt Düsseldorf eine neue Lernplattform frühzeitig online geschaltet. Die digitale Lernumgebung, deren Grundlage im Medienentwicklungsplan (MEP) der Stadtverwaltung liegt, soll mehr bieten als reinen Unterricht mit digitalen statt analogen Hilfsmitteln. Daher investiert die Stadt neben dem digitalen Angebot insgesamt rund 100 Millionen Euro in weitere Maßnahmen wie Breitband- und WLAN-Anschlüsse, digitale Endgeräte, Visualisierungstechnik für den Unterricht sowie in Service und Support für die neuen Technologien. So soll der gesamte Unterricht fit für die Zukunft gemacht werden. Die Lernplattform, wurde aufgrund der aktuellen Ereignisse in Teilen bereits frühzeitig realisiert und in Betrieb genommen. Die Schulen der Stadt wurden vom Schulverwaltungsamt umfangreich informiert und bei der Einführung in das neue System unterstützt unter anderem mithilfe von Webinaren und Tutorials. Da die Schulschließungen keine Entbindung von der Lernpflicht bedeuten, sollen mit der Freischaltung nicht nur die Schulen selbst sondern vor allem auch die Schülerinnen und Schüler unterstützt werden. Da im Frühjahr traditionell die Abschluss- und Abiturprüfungen anstehen, könne die neue Lernplattform gerade an dieser Stelle eine hilfreiche Unterstützung darstellen, so die Stadt. Um dies zu unterfüttern, wurden für die kommunalen Schulen zusätzlich 15.000 neue Tablets angeschafft.

integriert und bedarfsorientiert im Unterricht genutzt werden.

Dafür braucht es jetzt unkomplizierte Lösungen

Laptop oder Tablet?

(BS/Judith Hoffmann*) Bei allen Herausforderungen, die der digitale Wandel mit sich bringt, kann er eine große Chance für die Schulen sein. Tech- Das Lösungspaket setzt auf nologie bringt Schüler und Lehrer virtuell zusammen – ob im digitalen Klassenzimmer oder zu Hause. Aber wie gestaltet sich eine nachhaltige und Tablets, denn sie bieten viele unkomplizierte Digitalausstattung für den Unterricht? Vorteile, den Unterricht kreativ wie möglich machen soll. Es handelt sich hier jedoch keineswegs um eine Standardlösung. In der Praxis heißt das: Qualifizierte Vertriebspartner stellen gemeinsam mit dem Auftraggeber das Angebot des Lösungspakets zusammen, und zwar so exakt, dass schulische Ansprüche und Bedürfnisse berücksichtigt werden. Dabei kann planungssicher zwischen Kauf, Miete oder Leasing gewählt werden.

Technikgestaltung” wird in jeder Hinsicht berücksichtigt. Ein weiterer Vorteil sind die im Angebot enthaltenden Fortbildungen für Lehrkräfte. Mit just ask! und Tablet Academy setzt Samsung Neues Lernen auch hier auf renommierte Partner. Das Fortbildungskonzept reicht vom technischen Einführungskurs bis zum methodischdidaktischen Einsatz im Fachunterricht. Außerdem werden Lehrkräfte mediendidaktisch zu Multiplikatoren ausgebildet, um neu angeeignete Kompetenzen zielgerichtet an das Kollegium weitergeben zu können.

Jedes Detail ist wichtig Beachtet werden muss, dass sich die gewählte Lösung nahtlos in die bereits bestehende Infrastruktur integrieren lässt. Hierzu bietet Samsung Neues Lernen eine sichere Open-Source-Lösung an. Durch das auf Android basierende Betriebssystem wird eine hohe Flexibilität, Kompatibilität und Interoperabilität ermöglicht. Das flexible Ecosystem ist mit anderen Hardund Software-Lösungen vielfältig kombinierbar und die Integration im Schulalltag kann schnell und einfach realisiert werden. Aber auch nach erfolgter Implementierung müssen Hardware und Software konstant betreut werden, beispielsweise bei der Wartung. Ein engagierter Service und Rundum-Support durch qualifizierte Samsung-Partner, die eine schnelle Integration in die bestehende Schulinfrastruktur sicherstellen und den fortwährenden Betrieb im Schulalltag begleiten, gehört daher zu den Säulen des Lösungspakets.

Der Unterricht der Zukunft ist vor allem praktisch Wenn die Mittel aus dem Digital-Pakt sinnvoll eingesetzt werden, können die Chancen einer digitalen Bildung nachhaltig genutzt werden. Foto: BS/Getty Images

Letztendlich müssen Anwender auch die Administration ins Auge fassen. Mit dem Mobile Device Management (MDM) und den Knox Device Rollout Services (KME und KC) brauchen sich Anwender darum keine großen Gedanken machen.

Den Datenschutz nicht unterschätzen Doch was ist mit weiteren Herausforderungen, wie beispielsweise der Einhaltung von IT-Richtlinien und Datenschutzvorgaben? Auch hier wurde alles bereits mitgedacht; in sämtlichen datenschutzsensiblen Bereichen und in der Mediennutzung wurden schon

wichtige DSGVO-Anforderungen berücksichtigt. Darüber hinaus können diese an die länderspezifischen Datenschutzbestimmungen angepasst werden. Dennoch stellt das Thema Datenschutz die Beteiligten vor viele Hürden. Hier erweist sich das Samsung-Partnernetzwerk als besonders nützlich, denn die Verantwortlichen werden umfangreich bei der Erfüllung aller Datenschutz-Pflichten begleitet. So gibt es beispielsweise ein Datenschutzhandbuch, wichtige Vorlagen, in denen die Verarbeitungstätigkeiten verzeichnet sind und viele weitere relevante Hilfestellungen. Der Grundsatz “Datenschutz durch

Wichtiger Bestandteil ist auch eine Software zur effizienten Unterrichtsorganisation, mit der Lehrkräfte die Kontrolle über ihren Unterricht behalten. Denn hier bestehen teilweise Bedenken, dass der Einsatz digitaler Endgeräte mit einem Kontrollverlust im Unterricht verbunden ist. Die kostenfreie App Samsung Classroom Management erlaubt bei einfacher Handhabung und hohen IT-Sicherheitsstandards eine kontrollierte und lernförderliche Mediennutzung. Lehrkräfte haben schnellen Zugriff auf alle Schüler-Tablets, können Geräte sperren, Apps starten, Unterrichtsmaterialien teilen oder den Bildschirm einzelner Schüler freigeben oder sperren. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Tablets können so zielgerichtet in die eigene Unterrichtsplanung

zu gestalten. Sie sind leichter und stabiler als Laptops und ihre nützlichen Features können den Unterricht ganz praktisch und interaktiv bereichern: Dank Gyrometer, Magnetfeld- und Beschleunigungssensoren wird das Tablet fast zum kleinen, mobilen Messlabor. Schulstunden können so offener, forschender und projektbezogener gestaltet werden.

Großes Wissen inklusive Die Technik steht im Dienst der Pädagogik – für einen sinnvollen Einsatz im Unterricht sind qualitativ hochwertige Bildungsinhalte wichtig. Zum Lösungspaket gehört daher auch der sichere Zugriff auf potenziell über 110.000 Unterrichtsmaterialien über den Bildungspartner Antares Project. Ob Lehrvideos der Landes- und Kreismedienzentren, digitale Arbeitsblätter, Apps oder Lehrbücher – eine sichere Mediennutzung ohne Nutzertracking ist wichtiger Bestandteil des Lösungspakets, damit sich Lehrkräfte auf die Pädagogik konzentrieren können.

Fazit Mit dem Samsung-Lösungspaket steht der erfolgreichen Digitalisierung des Unterrichts im Rahmen des DigitalPakts Schule nichts mehr im Wege. Weitere Informationen unter www.samsung.de/neueslernen *Judith Hoffmann ist Head of Commercial Operations and Business Development bei der Samsung Electronics GmbH.


Digitale Bildung

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ie allgemeine Situation hat sich für die Hochschulen nicht viel anders als für andere Institutionen dargestellt, da sie ebenfalls im März 2020 relativ schnell und ohne große Vorbereitungszeit geschlossen wurden. Während bei den “freien” Hochschulen einfach der Semesterstart auf den 20. April 2020 verschoben wurde, mussten zahlreiche andere Hochschulen für den Öffentlichen Dienst den Online-Betrieb mehr oder weniger sofort hochfahren und gewährleisten.

“Präsenzreduzierter Betrieb” Derzeit sind jedoch nicht alle Hochschulen komplett geschlossen, in einigen wenigen erfolgt noch eingeschränkter Präsenzunterricht (“präsenzreduzierter Betrieb”), wie eine aktuelle Umfrage unter den Hochschulen ergab. Demnach haben mehr als die Hälfte der Hochschulen bis Anfang Mai geschlossen und beabsichtigen danach schrittweisen eine eingeschränkte Öffnung. Und während bei einigen Hochschulen noch gar kein Öffnungsdatum vorhanden ist, haben insbesondere die “freien” Hochschulen schon ein komplettes “Online-Semester” in Aussicht gestellt (siehe Seite 28). Die Lehre wird weitestgehend über

Behörden Spiegel / Mai 2020

Digitalisierungsschub durch die Krise Die Lage an den Hochschulen für den Öffentlichen Dienst (BS/Prof. Dr. Jürgen Stember) Angesichts der drastischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen im Rahmen der Corona-Krise wird über die Hochschulen insgesamt und über die Hochschulen für den Öffentlichen Dienst (HÖD) im Besonderen kaum gesprochen. Von den Hochschulen wird am ehesten erwartet, dass sie die Krise problemlos bewältigen und die digitalen Angebote nutzen können. Und die meisten Hochschulen bestätigen diese Erwartungen. Online-Kurse aufrechterhalten und hat einen unglaublichen Digitalisierungsschub in den Einrichtungen ausgelöst. Und diese Umstellung ist scheinbar gut bis sehr gut gelungen. Die Rektoren gehen zum Teil von 80 bis 100 Prozent Umsetzungsquote der gesamten Lehrveranstaltungen aus. Die relativ gute bis sehr gute Situation in der Lehre dürfte angesichts der großen Herausforderungen auch auf die langjährige Existenz der Bundesarbeitsgemeinschaft “Digitale Lehre” zurückzuführen sein, in der heute nahezu alle 37 Hochschulen für den Öffentlichen Dienst zusammengeschlossen sind. Denn schon seit 2002 kümmern sich verschiedenste Kolleginnen und Kollegen der HÖD um die Entwicklung entsprechender Kompetenzen und Infrastrukturen. Ganz aktuell werden z. B. die Server-Kapazitäten erheblich

angehoben. Hier hat sich also früh der Weitblick in die Notwendigkeit der Online-Lehre rentiert, ein Umstand, der sich nun umso mehr auszahlt.

Positives Feedback Die Online-Lehre erfolgt in den Hochschulen über verschiedenste Systeme, die einerseits über eigene Infrastrukturen laufen, andererseits aber auch über die Infrastrukturen der Bundesarbeitsgemeinschaft. Darunter allen voran • ILIAS (als Software zum Betreiben einer Lernplattform, mit deren Hilfe u. a. internetbasierte Lehr- und Lernmaterialien erstellt werden können), • synchron zu nutzende Videound Webkonferenzsysteme, die die Präsenzlehre ersetzen, z. B. Zoom, BigBlueButton, • Learning-Management-Plattformen, z. B. STUD.IP, Moodle etc. sowie

funktioniert das gut” oder “funktioniert zufriedenstellend”. Obwohl eine repräsentative Studie zu den Prof. Dr. Jürgen Stember ist Präsident der RektorenkonWirkungen und ferenz der Hochschulen für zur Umsetzung den Öffentlichen Dienst. der Online-Lehre noch aussteht, Foto: BS/privat kann man schon sagen, dass es • sonstige Systeme, z. B. MS sich freilich in dieser Umfänglichkeit um ein erstes “ExperiTeams. Die ersten Erfahrungen mit mentier-Semester” handelt, in der umfassenden Online-Lehre dem sich die Dozenten zwischen sind von Hochschule zu Hoch- einem “angeleiteten Selbststudischule recht unterschiedlich um” und “einer professionellen und werden auch sicherlich von Online-Lehre mit allen möglichen Lehrenden und Studierenden technischen Tools” bewegen. So unterschiedlich bewertet. Die zeigen sich die Erfahrungen der Rückmeldungen aus den Hoch- Lehrkräfte als positiv, jedoch halschulen fallen nach anfänglicher ten viele Lehrkräfte eine baldige Euphorie etwas verhaltener aus, Rückkehr zum Präsenzuntersind aber grundsätzlich sehr po- richt, ggfs. dann in Kombinatisitiv: Das zeigen O-Töne aus den on mit dem Fernunterricht, für Hochschulen wie “grundsätzlich notwendig – eine Einschätzung, die derzeit auch zahlreiche Studierende teilen.

Im Westen viel Neues

Differenziertes Bild bei Präsenzprüfungen

Digitale Bildung in den Niederlanden schon gang und gäbe (BS/wim) Sie waren noch nie Fußballweltmeister und sind angeblich auch nicht die besten Autofahrer – im Bildungssystem sind uns die Nachbarn aus den Niederlanden jedoch bei der Digitalisierung meilenweit voraus. Schon in der Basisschool, also der niederländischen Variante der Grundschule, wird tagtäglich mit digitalen Anwendungen auf Tablet und Laptop gearbeitet. Dies sorgt nicht nur für eine frühe und nachhaltige Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die berufliche und private Zukunft, sondern macht den Schulunterricht auch in Phasen der Krise deutlich resilienter als anwesenheits- und papierbasierte Unterrichtsformen, wie die aktuelle Lage spürbar macht. Gründe für diesen Vorsprung gibt es einige. Einerseits ist da natürlich der deutsche Konservativismus im Schulwesen sowie die niederländische Grundtendenz, neuen Technologien gesellschaftlich sowie politisch aufgeschlossener gegenüberzustehen als hierzulande. Aber auch die Grundstruktur des Schulwesens ist bei den westlichen Nachbarn anders aufgebaut. So ist die Bildung zentral aus der Bundesregierung gesteuert, statt in den zwölf Provinzregierungen aufgehangen zu sein. Aus dem Ministerium für Bildung, Kultur

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er Digitalisierung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu – und zwar sowohl hinsichtlich der Verbesserung der Resilienz und Stabilität der öffentlichen Verwaltung als auch in Bezug auf deren höhere Agilität und Wandlungsfähigkeit. Dabei braucht es jedoch auf allen föderalen Ebenen vor allem entsprechende Kompetenzen. Dies gilt in ganz besonderer Weise für die kommunale Ebene, wo es nicht nur um die Handlungs- und Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung im engeren Sinne, sondern auch um die Gewährleistungs- und Gestaltungsverantwortung für das Gemeinwesen einschließlich einer Vielzahl öffentlicher Infrastrukturen geht. Zudem werden bereits heute in fast allen Verwaltungen digitale, methodische und organisatorische Kompetenzen zur Gestaltung des Wandels benötigt, um eine steigende Zahl verwaltungsrechtlicher und einzelgesetzlicher Regelungen in immer kürzeren gesetzlichen Fristen umzusetzen sowie die enormen (noch vor uns liegenden) Herausforderungen in Bezug auf den demografischen Wandel zu bewältigen. Immerhin werden in den kommenden zehn Jahren 1,2 Mio. Beschäftigte allein altersbedingt den Öffentlichen Dienst verlassen. Schon heute ist klar, dass die-

und Wissenschaft wird somit aus einer Hand vorgegeben, wie Lehrpläne, Fächeraufteilung und Lernziele aussehen sollen. Trotz dieser zentralistisch geprägten Bildung haben die Schulen in den Niederlanden viele Freiheiten. Die Methoden der Lehre, auch bei der Wahl zwischen digitalen und analogen Hilfsmitteln, können je nach eigener Ausrichtung selbst ausgestaltet werden. Für den zielgerichteten Einsatz digitaler Hilfsmittel werden jedoch vier Aspekte definiert, die in Einklang stehen müssen, damit es auch

klappt mit der digitalen Bildung: So müssen einerseits die digitalen Lehrmittel und die Infrastruktur stimmen, aber auch das Fachwissen sowie die Vision, wie die Digitalisierung beim Lernen und Lehren helfen soll. Da Lehrkräfte bislang häufig nach individuellem Gusto beim Einsatz digitaler Hilfsmittel vorgegangen sind, liegt ein Hauptfokus aktuell auf der verbesserten Vermittlung von pädagogischen Konzepten für die Lehrerinnen und Lehrer. Denn dass nicht nur die Ausstattung passen muss, sondern auch die pädagogische Ausrich-

tung, hat das Scheitern der sogenannten Steve-Jobs-Schulen gezeigt. Statt des althergebrachten Systems waren diese Schulen voll auf individuelles Lerntempo ausgelegt, in dem die Schülerinnern und Schüler vermehrt auch zuhause arbeiten sollten und sich in der Schule maximal in Workshop-Gruppen betätigen sollten. So sollte die bekannte Klassenstruktur komplett aufgebrochen werden. Das Prinzip konnte sich jedoch nicht bewähren; die Schüler waren im Durchschnitt sogar schlechter als Gleichaltrige aus regulären Schulen.

Bei den Prüfungen zeigt sich ein sehr differenziertes Bild, wo in wenigen Hochschulen einerseits komplett auf Online-Prüfungen umgestellt wurde und andererseits noch Präsenzprüfungen unter eingeschränkten Konditionen stattfinden oder geplant werden. Hier zeigt sich deutlich, dass die Prüfungen einen besonders sensiblen Status haben und nicht einfach “digitalisiert” werden sollen. So finden bereits jetzt Präsenzprüfungen aktuell bzw. wieder ab Anfang Mai, natürlich unter Wahrung der Hygienevorschriften, statt. Die meisten Hochschulen hoffen jedoch auf die Zeit und haben aktuelle Prüfungen auf den Sommer, zumeist ab Juni/Juli 2020, verschoben. Immerhin wiesen aber auch aktuell sechs Hochschulen darauf hin, dass sie wichtige Prüfungen auch online realisieren wollen. In nahezu allen Hochschulen ist

Kompetenzen für die Gestaltung des Wandels MRN will Buchungsplattform für modulare Weiterbildungsangebote aufbauen (BS/Marco Brunzel/Timon Hölle) Die aktuellen Entwicklungen im Rahmen der Bewältigung der Corona-Pandemie führen uns vor Augen, welch fundamentale Bedeutung einem handlungsfähigen Staat und einem funktionierenden Gemeinwesen zukommt. Daher rücken der Erhalt und die gezielte Verbesserung dieser Handlungsfähigkeit aktuell zu Recht immer stärker in den Fokus von Bund, Ländern und Kommunen. Konkret geht es dabei sowohl um Aspekte der notwendigen Robustheit und Resilienz von Strukturen, öffentlichen Infrastrukturen und Prozessen als auch um deren Flexibilität und Agilität vor dem Hintergrund einer zunehmend dynamischen als auch unbekannten Entwicklung (“VUCA-Welt”). se enormen Herausforderungen mit den bestehenden Strukturen der Aus- und Weiterbildung im öffentlichen Sektor nicht zu bewerkstelligen sein werden – und zwar weder hinsichtlich der Quantität noch der Qualität. Insbesondere die kommunale Ebene muss daher dringend neue Lösungswege finden, um die Qualifikation ihrer eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt zu fördern. Doch wenngleich dafür in den kommunalen Haushalten beachtliche Budgets eingestellt sind, fehlt es für den gezielten Aufbau benötigter Kompetenzen aktuell an bedarfsgerechten Angeboten. Benötigt wird ein gleichermaßen auf die organisatorischen Entwicklungsbedarfe der Kommune wie auf die individuellen Bedürfnisse und Entwicklungsziele der Angestellten zugeschnittenes Angebot auf der Basis modularer und fachlich zertifizierter Weiterbildungsbausteine. Die Metropolregion Rhein-Neckar und der Kreis Bergstraße

entwickelt, der zugleich eine Vielzahl von Syner­ gien nutzt bzw. auslösen kann.

“KommunalCampus” Unter dem Titel “KommunalCampus” will die Metropolregion Marco Brunzel (links) und Timon Hölle arbeiten als Bereichs- bzw. Projektleiter bei der Metropolregion Rhein-Neckar Rhein-Neckar GmbH. (MRN) eine digiFotos: BS/MRN tale Plattform für (Hessen) haben sich mit dieser zertifizierte modulare WeiterHerausforderung beschäftigt bildungsbausteine aufbauen. und auf der Grundlage einer Vergleichbar mit den bekannten engen Zusammenarbeit mit den Funktionen und Matching-AlPersonalverantwortlichen der gorithmen populärer Plattfor15 kreisfreien Städte und Land- men wie “Booking.com” oder kreise sowie unterschiedlichen “Parship” lassen sich passende Bildungsanbietern aus ihren drei Lehr- und Lernbausteine für inBundesländern (Duale Hoch- dividuelle Weiterbildungsbedarfe schule Mannheim, Hochschule identifizieren und kombinieren. für Polizei und Verwaltung Wies- Zu den potenziellen Anbietern baden, Deutsche Universität für solcher Weiterbildungsbausteine Verwaltungswissenschaften gehören vor allem Hochschulen Speyer) einen ebenso einfachen und Universitäten, die längst wie innovativen Lösungsansatz dabei sind, ihre Lehrangebote

zu modularisieren und zu digitalisieren. Wenn es im Rahmen dieser Neuausrichtung gelingt, einzelne Module zugleich für die Weiterbildungsbedarfe der kommunalen Ebene nutzbar zu machen, schlummert hier ein beachtliches Potenzial – und zwar sowohl für die Personalverantwortlichen in den Kommunen als auch für die Bildungsanbieter. Denn der Weiterbildungsbedarf im Bereich der 12.000 deutschen Kommunen und deren fließenden Übergängen in den Bereich der öffentlichen Wirtschaft (Eigenbetriebe, Regiebetriebe, Zweckverbände, …) stellt auch betriebswirtschaftlich eine signifikante Größenordnung dar. Daher soll der bereits im Rahmen des länderübergreifenden Modellvorhabens “Kooperatives E-Government in föderalen Strukturen” geplante regionale Prototyp des “KommunalCampus” auf eines skalierbares plattformbasiertes Organisationsbzw. Geschäftsmodell aufgesetzt

die Fort- und Weiterbildung bis auf Weiteres komplett abgesagt oder verschoben worden. Nur wenige “switchen” hier auf die Online-Lehre um. Die Ausbildung hat eben oberste Priorität. Bei den Gremiensitzungen zeigt sich ein differenzierteres Bild: Während die einen komplett auf den Online-Betrieb umgestellt haben, versuchen die anderen mit zeitlichen Verschiebungen oder anderen Regelungen, die Hochschulen weiter zu organisieren. Mitunter übernehmen auch Krisenteams Leitungs- und Lenkungsfunktionen.

Neue Forschungsperspektiven durch Corona Der letzte Aspekt des aktuellen Krisenmanagements zeigt: Alle Veranstaltungen wurden zumeist bis Mitte des Jahres ganz abgesagt oder verschoben. Davon sind auch Diplomierungs- oder sonstige Abschiedsfeiern der Hochschulen mit Zeugnisübergaben betroffen. Das gleiche gilt für Aktivitäten im Wissenstransfer. Und Forschungsaktivitäten werden allenfalls im Homeoffice durchgeführt, Dienstreisen sind nicht selten verboten. Teils entwickeln sich durch die CoronaKrise bereits neue Forschungsperspektiven und -projekte.

Optimiertes “Blended-Learning” Die Corona-Krise hat ohne Zweifel auch bei den Hochschulen für den Öffentlichen Dienst einen fundamentalen Digitalisierungsschub ausgelöst. Durch die bereits langjährigen Erfahrungen vieler Hochschulen, u. a. durch die Aktivitäten mit und in der Bundesarbeitsgemeinschaft “Digitale Lehre”, konnte das Management dieser Krise bislang sehr zufriedenstellend bewältigt werden. Dabei gehört zur Krisenbewältigung neben den digitalen Kompetenzen, dass auch rechtliche Regelungen zumindest partiell außer Kraft gesetzt werden, z. B. bei Prüfungen – ein Reallabor wider Willen? Was nach der Krise davon tatsächlich übrig bleibt und was ggfs. wieder zurückgefahren wird, muss man abwarten. Jedoch sehen viele in dieser Krise auch eine nachhaltige Modernisierungschance, die im Sinne eines optimierten “Blended-Learnings” mit digitalen, medialen und persönlichen Kontakten genutzt werden sollte.

werden. Dies ermöglicht neben der schrittweisen Einbindung weiterer Partner auch besondere Synergien mit einem federführend vom Land Hessen auf den Weg gebrachten ähnlich gelagerten Projekt mit dem Titel “eGovCampus” des IT-Planungsrats. In diesem Projekt agiert die Metropolregion Rhein-Neckar ebenfalls als kommunaler / regionaler Partner im Sinne eines Innovations- und Erprobungsraums im nationalen Maßstab. Der nächste Schritt für die konkrete Umsetzung des innovativen Vorhabens ist nun die Sicherstellung der Finanzierung der Aufbau- und Pilotphase in der Metropolregion Rhein-Neckar. Aufgrund der konkreten Effekte, die sich allein durch die Einbindung der bereits in die Planungsphase involvierten Partner ergeben, werden von einer entsprechenden Anschubfinanzierung bereits Kommunen und Bildungspartner aus allen drei Bundesländern der MRN direkt profitieren. Langfristiges Ziel der MRN ist es, den “KommunalCampus” so schnell wie möglich zu einer deutschlandweiten Weiterbildungsplattform für die kommunale Familie zu entwickeln. Dazu sollen in den nächsten Wochen Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Landes- auf Bundesebene geführt werden.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Mai 2020

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Impuls nutzen

Dr. Markus Richter ist neuer Bundes-CIO

FIM dient eigenem Prozessmanagement

Bisheriger BAMF-Vize beerbt pensionierten Klaus Vitt

(BS/Dr. Lars Algermissen*) Das föderale Informationsmanagement (FIM) ist ein wichtiger strategischer Ansatz, um die Digitalisierung der Verwaltung voranzubringen und dafür zu sorgen, dass vom Gesetzgeber definiertes Recht möglichst einheitlich, sinnvoll und effizient im operativen Verwaltungshandeln mündet.

(BS/wim) Der bisherige Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Dr. Markus Richter, ist seit dem 1. Mai neuer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern (BMI) und Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik. Richter wird damit zum Mai Nachfolger von Klaus Vitt, der das Amt seit Oktober 2015 innehatte und sich zum 30. April in den Ruhestand verabschiedet hat.

Dazu werden in drei Baustei­ nen Leistungen, Datenfelder und Prozesse zentral redakti­ onell erarbeitet und im Sinne der Nachnutzbarkeit über eine Kette aus Bundesredaktion und Landesredaktionen für ande­ re Behörden bereitgestellt. Die Prozesse sind dabei das zentrale, verbindende Element, da Leis­ tungen das Ergebnis von Prozes­ sen darstellen und Datenfelder den Input und den Output von Prozessen definieren.

Internes Prozessmanagement wird nicht obsolet Viele Behörden stellen mit Recht die Frage, ob dadurch verwaltungsinternes Prozess­ management obsolet wird und sogar damit zu rechnen ist, dass die Art und Weise des internen Verwaltungshandelns zukünftig extern vorgegeben wird. Hier­ zu kann Entwarnung gegeben

• Unterstützung für das Daten­ austauschformat XProzess 2.0 (Im- und Export), • Korrekte und vollständige Dar­ stellung der FIM-Erweiterun­ gen im Rahmen des BPMNStandards, • Komfortable und intuitive Verwendung der FIM-Erwei­ terungen bei der Erstellung und Bearbeitung von Prozess­ modellen, • Komfortables Pflegen von Verknüpfungen zu FIM-In­ formationen aus den anderen FIM-Bausteinen (Leistungen, Datenfelder), • Methodisch komfortable Mög­ lichkeiten, um die Referenz­ informationen aus FIM lokal weiterzuverarbeiten.

Erweiterung der bestehenden Prozessplattform

Für den FIM-Baustein “Prozes­ se” setzt der Freistaat Sachsen auf die PICTUREProzessplattform als Redaktions­ system und auf die ebenfalls von PICTURE ent­ Dr. Lars Algermissen ist Mitbegründer und Geschäftswickelte “Pro­ führender Gesellschafter der zessbibliothek PICTURE GmbH. Sachsen”, wel­ che derzeit um Foto: BS/PICTURE GmbH entsprechende FIM-spezifische Funktionen er­ werden: FIM stellt (aus Geset­ weitert wird. Folgende Überlegungen stehen zestexten abgeleitete) Referenz­ informationen bereit, die als Im­ hinter dieser Architekturent­ puls für die Beschäftigung mit scheidung: den eigenen Prozessen dienen. • Über die Prozessplattform Diese Referenzinformationen Sachsen arbeiten bereits 150 können wegen ihres Anspruchs Landesbehörden und Kommu­ auf Allgemeingültigkeit nur ab­ nen erfolgreich zusammen und strakt bleiben und müssen an tauschen sich aus. Die Erwei­ die lokalen organisatorischen terung um den FIM-Baustein und technischen Gegebenheiten “Prozesse” mit ähnlichen Über­ angepasst und damit verfeinert legungen liegt daher sehr nahe. werden. Die Nutzung von FIM- • Das Land hat sich auf die Inhalten unterstützt die Beschäf­ Fachschale PICTURE-BPMN tigung mit den eigenen Prozessen festgelegt – dieser baustein­ und ersetzt diese nicht. basierte Ansatz für ein lokales Prozessmanagement mit 24 Festlegungen für den Bausteinen passt hervorra­ Baustein FIM gend zu dem bausteinbasierten Ansatz aus FIM mit den acht Die Basis des FIM-Bausteins Referenzaktivitätengruppen. “Prozesse” bilden die Modellie­ Beide Ansätze können werk­ rungsmethode “FIM-BPMN” und zeuggestützt ineinander über­ die Schnittstellenspezifikation führt werden. XProzess 2.0.: FIM-BPMN ist eine Spezialisierung der Notation • Die Prozessplattform verfügt BPMN 2.0. Diese umfasst ins­ bereits über die Möglichkeit, besondere eine Einschränkung eigenständig mit FIM zu model­ der BPMN auf eine Teilmenge lieren, inkl. des Konzepts der der verfügbaren Modellelemente, Prozesssteckbriefe, Attribute und der o. g. Referenzaktivi­ die unabhängig von den lokalen Gegebenheiten einer Behörde tätengruppen. funktioniert (sog. “Referenzak­ • Der Im- und Export von Daten tivitätengruppen”). im Dateiformat “XProzess 2.0” XProzess 2.0 ist ein Datenaus­ wird unterstützt. tauschformat für den hersteller- • Informationen aus den anderen FIM-Bausteinen (Leistungen, und werkzeugübergreifenden Datenfelder) können bei der Austausch von “FIM-Prozessen”. Erstellung von Prozessmodel­ Es deckt die FIM-spezifischen len einfach verknüpft werden. Besonderheiten ab, die nicht Teil So kann der LeiKa (FIM-Säule des BPMN-2.0-Standards sind. Leistungen) zu Referenzzwe­ Bei der Beschaffung cken vollständig in der Prozess­ beachten plattform hinterlegt werden. Bei FIM handelt es sich “nur” • Durch die einheitliche Nutzung des Werkzeugs auf Ebene der um eine Methode. Zur erfolg­ Landesredaktion und in den reichen Nutzung von FIM be­ einzelnen Behörden kann ein darf es neben den notwendigen FIM-Prozess nahtlos in die lo­ Kenntnissen in ihrer Anwendung kale Nutzung überführt werden. zusätzlich technischer Werk­ zeuge zu ihrer Umsetzung. Eine • Die bestehende Prozessbiblio­ offizielle Zertifizierung von Pro­ thek kann dazu verwendet wer­ den, lokalisierte FIM-Prozesse dukten hinsichtlich ihrer “FIMKompatibilität” ist bisher nicht zwischen den Behörden zu verfügbar. verteilen und auszutauschen. Um in diesem Umfeld zielfüh­ rende Beschaffungsentschei­ Weitere Informationen zum dungen zu treffen, bedarf es neuen Release Version 3.5 der einiger Sachkenntnis aufseiten PICTURE-Prozessplattform und der lokalen FIM-Anwender in “FIM-BPMN” zur Modellierung von Prozessen stehen Interessierten einzelnen Behörden. Auf folgende Aspekte sollten auf der PICTURE-Webseite unter FIM-Anwender bei der Werk­ www.picture-gmbh.de zur Verzeugauswahl achten: fügung.

Mit Richter, der von seinem Vorgänger nicht nur das Amt, sondern auch den diesjährigen Vorsitz im IT-Planungsrat über­ nimmt, folgt ein promovierter Jurist auf den Informatiker Vitt. Nach dem Abschluss sei­ nes Studiums der Rechtswis­ senschaften mit Aufenthalten in Nairobi sowie Vancouver so­ wie seiner Promotion zum Dr. jur. an der Universität Münster schloss Richter sein juristisches Referendariat im Jahr 2004 mit dem zweiten Staatsexamen ab und wechselte anschließend ins BAMF. Als Referent gestartet, war er in der Migrationsbehörde in den verschiedensten Bereichen aktiv, beispielsweise “im Perso­ nalwesen, in der Organisation, im Büro des Präsidenten sowie in den Grundsatzfragen der In­ tegration und Migration”, so die Behörde zu seinem Werdegang. Nachdem er das BAMF bis in das Jahr 2018 als Abteilungsleiter IT und Infrastruktur auf digitalem Wege durch die Migrationswel­ le gesteuert hatte und im Zuge dessen als Europäischer CIO des Jahres 2017 ausgezeichnet wur­ de, stieg er im Herbst 2018 zum Vizepräsidenten der Behörde auf. Der Münsteraner setzte sich zudem für die Zusammenarbeit der Behördenlandschaft bei der Verwaltungsdigitalisierung ein. So war er maßgeblich an der Gründung des silobrechenden Verwaltungsnetzwerks “NExT”

Der bisherige Vizepräsident des BAMF, Dr. Markus Richter, ist seit dem 1. Mai neuer IT-Beauftragter der Bundesregierung. In dieser Rolle beerbt er Klaus Vitt. Fotos: BS/BAMF/Lopez

beteiligt, das er gemeinsam mit Mitstreitern aus Auswärtigem Amt, Finanzministerium und anderen öffentlichen Akteuren im Rahmen des Digitalen Staates 2018 erstmals vorgestellt hatte. Mit einer guten Handvoll Häu­ sern gestartet, zählt das Netzwerk inzwischen rund 30 Mitglieder. Richters Nachfolge im Vize­ präsidentenamt des BAMF hat zum neuen Monat Ursula Gräfin Praschma übernommen. Gräfin Praschma war bis Ende April als Leiterin der Abteilung “Grundla­ gen des Asylverfahrens, Quali­ tätssicherung, Informationszen­ trum Asyl und Migration (IZAM), Prozessführung” im BAMF aktiv. “Ich freue mich sehr auf meine neuen Aufgaben als Vizepräsi­ dentin und bringe gerne die vielen Erfahrungen ein, die ich über 30 Jahre in verschiedenen Berei­

chen des Bundesamtes sammeln durfte”, erklärte die neue Vize­ präsidentin der Bundesbehörde zu ihrem Amtseintritt. Mehr noch als Richter ist auch Gräfin Praschma ein Urgestein des BAMF, die fast ihre gesamte Berufslaufbahn dort verbracht hat. So war sie im Anschluss an ihr Studium der Rechts­ wissenschaften 1982 und dem Referendariat mit dem zweiten Juristischen Staatsexamen in Baden-Württemberg zunächst drei Jahre als Verwaltungsrich­ terin am Verwaltungsgericht Stuttgart tätig, bis sie 1986 ihren Dienst beim heutigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das damals noch als Bundesamt für die Anerkennung ausländi­ scher Flüchtlinge (BAFl) bekannt war, aufnahm. In den mehr als drei Jahrzehnten hat sie seitdem

in verschiedenen Funktionen fast alle Bereiche des Amtes kennen­ gelernt und Führungsverantwor­ tung übernehmen dürfen. So war sie unter anderem zuständig für den Aufbau von 48 Außenstel­ len des Bundesamtes, führte in der Zeit von 2015 bis 2016 die Fachabteilung Asyl, einschließ­ lich der Bereiche Sicherheit, Aus­ länderzentralregister, freiwillige Rückkehr, Resettlement und Internationale Aufgaben, und war für die fachliche Steuerung zur Durchführung der Asyl- und Aufnahmeverfahren zuständig. Neben ihren Leitungsämtern geht auf ihre Initiative auch ein neues, mehrstufiges Qualitätssi­ cherungssystem zurück, das im Jahr 2017 im BAMF eingeführt wurde.

Ursula Gräfin Praschma hat zum Monatsbeginn die Nachfolge von Dr. Markus Richter als Vizepräsidentin im BAMF angetreten. Dort verantwortet sie ab sofort die Abteilungen 1 bis 5.


Agile und sichere Verwaltungsarbeit

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Dienst@home

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n der Vergangenheit war die Möglichkeit zu Homeoffice bzw. Telearbeit zumeist mit Schlagworten wie “Der Öffentlichen Dienst als attraktiver Arbeitgeber” oder “Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie” verbunden. Aktuell spielen diese vermeintlich weichen Faktoren keine Rolle, sondern es geht schlicht um die Erhaltung der Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Ein Sprecher des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales erklärte so auch: “Im Fokus stehen der Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes”. Im Staatsministerium für Digitales seien schon vor Beginn der Corona-Pandemie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit mobilen Endgeräten ausgestattet gewesen. Wichtig sei, dass in den einzelnen Organisationseinheiten eine konkrete Abstimmung darüber erfolge, wer wann und wo arbeitete.

Homeoffice sichert aktuell die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung

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uch E-Government-Projekte stehen unter Druck: Das Onlinezugangsgesetz (OZG) bildet einen Meilenstein bei der Digitalisierung unserer Verwaltung. Denn zum ersten Mal einigten sich Bund und Länder auf ein konzertiertes Vorgehen und einen verbindlichen Fahrplan bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen. Das gemeinsame Ziel: Alle Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung auch digital zur Verfügung zu stellen. Zur Umsetzung fanden in den vergangenen Jahren unter anderem 30 Digitalisierungslabore statt, bei denen interdisziplinäre Teams mit Verwaltungsmitarbeitern, Nutzern und weiteren Experten gemeinsam digitale Lösungen entwickelten. Das Besondere: In den Laboren werden nicht nur die Eingabemasken der Anwendungen nutzerfreundlich gestaltet, sondern auch die dahinterliegenden Verwaltungsabläufe optimiert. Das Ziel sind vollständig papierlose Vorgänge – eine Voraussetzung, um Anträge dezentral digital bearbeiten und damit neue Arbeitsformen flächendeckend einführen zu können.

Gut aufgestellt für die digitale Transformation Parallel zur OZG-Umsetzung haben sich auf Bundesebene zahlreiche Initiativen gebildet, welche die digitale Transformation befördern wollen. Im BMI arbeitet die PG DIT am Aufbau eines “Digital Innovation Teams”, das innovative Arbeitsweisen strukturiert in der Bundesverwaltung etablieren soll. Im “Netzwerk: Experten digitale Transformation der Verwaltung” (NExT) engagieren sich Mitglieder aus über 30 Behörden. In vir-

Corona-Pandemie beitragen. Daher würden die neuen Wege der Zusammenarbeit und der neuen Arbeitsprozesse schnell etabliert und zielgerichtet genutzt.

(BS/Guido Gehrt) Im Zuge der Corona-Pandemie arbeiten derzeit große Teile der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes im Homeoffice. Einen Welche Rolle spielt Homeoffice “nach Corona”? Überblick über das Ausmaß und konkrete Zahlen zu bekommen, wie viele Beschäftigte bei den Ministerien und Verwaltungen von zu Hause arbeiten bzw. einen Homeoffice-fähigen Arbeitsplatz haben, ist schwierig, da es sich hierbei um Organisationsentscheidungen handelt, die in der Regel In Bremen geht man für die nicht zentral erfasst werden. Dennoch zeigt sich auch auf Basis einer unvolltändigen Datenlage ein gutes Bild der aktuellen Situation. Kernverwaltung, unabhängig von

Kapazitäten hochgefahren Doch im Zuge der Krise wurden die Kapazitäten allerorts hochgefahren. Für das Bundeskanzleramt erklärte ein Regierungssprecher: “Die Kapazitäten der mobilen Arbeitsmöglichkeiten im Bundeskanzleramt sind im Zuge der Corona-Lage um mehr als zwei Drittel ausgebaut worden. Die Beschäftigten haben damit grundsätzlich die Möglichkeit, diese Arbeitsform zu nutzen, soweit ihre Tätigkeit es zulässt.” In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Zahl der HomeofficeArbeitsplätze in den Ministerien mitunter stark hochgefahren, im Sozialministerium sogar verdreifacht. Auch in Sachsen-Anhalt wurde im Geschäftsbereich des Finanzministeriums (u. a. die Finanzämter) gegenüber dem Vorkrisenniveau die Zahl der Homeoffice-Arbeitsplätze nahezu verdreifacht, sodass nun über ein Drittel aller Beschäftigten zu Hause arbeiten kann.

Behörden Spiegel / Mai 2020

Auch viele Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes müssen “in Corona-Zeiten” aufgrund geschlossener Schulen und Kitas ihre Kinder zu Hause betreuen und im Homeoffice ihre Arbeit erledigen. Foto: BS/Stephan Kelle,pixabay

Die Ausstattung mit mobilen Endgeräten ist grundsätzlich Sache der einzelnen Dienststellen. Im Innenministerium BadenWürttemberg mit seinen ca. 630 Beschäftigten wird beispielsweise nahezu ausschließlich mit Dienstlaptops gearbeitet. Die Beschaffung und die Inbetriebnahme weiterer Laptops und damit einhergehend ein Ausbau der Telearbeitsinfrastruktur ist aktuell eine der vorrangigen Aufgaben des Landes-IT-Dienstleisters BITBW. Ein deutliches Indiz für die Zunahme der mobilen bzw. Telearbeit liefert hier die Entwicklung im Bereich der Nutzung von VPNZugängen, die von 3.061 gleich-

zeitigen Verbindungen Mitte März auf 11.316 gleichzeitigeVerbindungen Mitte April angestiegen sind – eine Steigerung von 370 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm die Anzahl an IP-basierten Videokonferenzen in der Landesregierung Baden-Württemberg gar um über 700 Prozent zu.

Mischform zwischen Homeoffice und Präsenz In der niedersächsischen Landesverwaltung zeigt eine Abfrage bei den obersten Landesbehörden, dass im Zuge der CoronaKrise für mehr als 75 Prozent der Büroarbeitsplätze mobile Lösungen ermöglicht wurden. Diese werden von den Beschäf-

tigten – nicht nur hier – unterschiedlich genutzt. In Teilen erfolgt die Arbeit vollständig von zu Hause aus, andere Arbeitsplätze werden in einer Mischform von “Homeoffice” und Präsenz im Büro genutzt. In der Berliner Hauptverwaltung haben von den rund 100.000 Beschäftigten nur 1.773 oder zwei Prozent einen genehmigten Telearbeitsplatz. Darüber hinaus sind neun Prozent der Mitarbeitenden mit Laptops oder Tablets ausgestattet. In der Summe können insgesamt 11.519 bzw. elf Prozent der Beschäftigten mobil im Homeoffice arbeiten. Im Innenministerium Brandenburg gab es vor Ausbruch der

Pandemie etwa 105 Arbeitsplätze, die für die Arbeit im Homeoffice genutzt werden konnten. Dies entspricht etwa 22 Prozent der Gesamtanzahl der Arbeitsplätze. Im Zuge der Pandemie wurden weitere 129 entsprechende Arbeitsplätze eingerichtet, sodass inzwischen etwa 50 Prozent aller Arbeitsplätze für die Arbeit im Homeoffice ausgerichtet sind. In Rheinland-Pfalz gab es vor der Pandemie ca. 5.000 Homeoffice- und Telearbeitsplätze in der Landesverwaltung. Diese Zahl wurde dann in wenigen Wochen um ca. 12.000 aufgestockt, sodass Ende April 17.000 Homeoffice- und Telearbeitsplätze zur Verfügung standen Ein Ausbau auf über 20.000 oder ca. 50 Prozent der Arbeitsplätze insgesamt ist geplant. In der Kernverwaltung der Freien Hansestadt Bremen mit ca. 8.000 Beschäftigten gab es vor Ausbruch des Coronavirus 325 Telearbeitsplätze sowie zusätzlich mobile Ausstattungen für Dienstreisen etc. Der Anteil mobiler Hardware-Ausstattungen im gemanagten Client-Betrieb lag bei 27 Prozent und wurde im Zuge der Krise um zehn Prozent erhöht.

Positive Zwischenbilanz des neuen Zusammenarbeitens Thomas Popp, CIO des Freistaates Sachsen, zieht für seine Landesverwaltung eine positive Zwischenbilanz. Die Bediensteten engagierten sich sehr, selbst dann, wenn die technischen Möglichkeiten eingeschränkt seien. Jeder Bedienstete wolle seinen Teil zur Bewältigung der

Digital und dezentral Corona verändert das Arbeiten in der öffentlichen Verwaltung nachhaltig (BS/Peter Batt) Die Bewältigung der Corona-Pandemie verlangt uns allen viel ab – zwischenmenschliche Kontakte werden auf lange Sicht eingeschränkt bleiben. Viele Behörden haben sich auf die neue Situation eingestellt: Sie reduzieren den Kundenverkehr, Ämter bleiben geschlossen. Im Gegenzug werden Arbeitszeiten flexibilisiert, wichtige Leistungen priorisiert, etliche Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice; völlig neue Abläufe etablieren sich. Was hier und da noch den Anschein des Provisorischen hat, muss nun rasch in geordnete Bahnen überführt werden. Dabei ist es wichtig, die in der Praxis gewonnen Erfahrungen zu berücksichtigen und die Bedarfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders in den Blick zu nehmen. tung ermöglichen, neue digitale Technologien und Geschäftsmodelle im realen Umfeld zu testen und zugleich bestehende Regulierungen Foto: BS/DsiN,Rafalzyk auf den Prüfstand zu stellen. Übergeordnetes tuellen Werkstätten erarbeiten Ziel dieser Initisie konkrete Lösungen für die ativen: Praktische Erfahrungen Verwaltung, etwa zu digitalen mit agilen Arbeitsformen zu samFähigkeiten, neuen Technologien meln, Prozesse zu evaluieren und und innovativen Arbeitsweisen. Erfolge in die tägliche Arbeit der Auf Initiative des Kanzleramts Verwaltung zu überführen. starteten 2018 die Tech4GerInnovation zeigt sich nicht nur many-Fellowship-Programme. in konkreten Projekten. Ein entDiese bringen jährlich Tech- und scheidender Schlüssel zu geNachwuchs-Talente der Republik steigerter Innovationskraft sind mit den Vertretern der Bundes- divers zusammengesetzte Teams. ministerien zusammen. Letztlich In meiner Abteilung setze ich haben sieben Tech-Netzwerke bewusst auf eine interdiszipliden Hackathon #WirVsVirus ini- näre Arbeitsweise. Tagtäglich tiiert – den bis dahin weltgrößten erlebe ich den Mehrwert, wenn seiner Art. Weitere Innovations- Juristinnen gemeinsam mit Inprojekte finden sich in vielen Mi- formatikern, Verwaltungswisnisterien. Das Pilotprojekt Cyber senschaftler mit Pädagoginnen, Innovation Hub des BMVg soll Physikerinnen oder auch Psychodurch gezielte Marktbeobach- logen an Lösungen für die digitale tung neue Ideen und existierende Verwaltung arbeiten. Das hilft Lösungen identifizieren und vali- uns, Silodenken zu überwinden. dieren, um diese der Bundeswehr Die frische und pragmatische kurzfristig verfügbar zu machen. Herangehensweise strahlt ins Das BMWi erprobt Reallabore gesamte Haus aus. Auch die Arbeitsumgebung als Testräume für Innovation und Regulierung. Sie sollen Wirt- kann Innovationen fördern. schaft, Wissenschaft und Verwal- Ausstattung und Atmosphäre Peter Batt leitet die Abteilung DG – Digitale Gesellschaft, Verwaltungsdigitalisierung und Informationstechnik im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.

am Arbeitsplatz beeinflussen die Motivation und Kreativität der Mitarbeitenden. Ich erhoffe mir von dem avisierten Umzug meiner Abteilung in unser neues Dienstgebäude Englische Straße positive Effekte. Neue Zusammenarbeitsformate, offene, helle Räume bieten Platz für menschliche Interaktionen, Projektarbeit in kleinen Gruppen und das Experimentieren mit neuen Arbeitsmethoden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abholen! Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung sammeln derzeit neue Erfahrungen mit flexiblen Arbeitsformen. Sie treffen sich per Videokonferenz, verbinden sich von zu Hause mit dem VPNClient oder arbeiten zu unregelmäßigen Arbeitszeiten. Was für den einen eine lang ersehnte Erleichterung ist, kann für den anderen schnell zur Mehrbelastung werden, gerade, wenn sie unverhofft eintritt. Das gilt besonders für die Arbeit im Homeoffice: Mitunter fällt es schwer, sich abzugrenzen und Arbeit von Privatem so zu trennen, dass alles passt. Die Einführung neuer Arbeitsformen muss daher mit klaren Regeln und entsprechender Qualifizierung einhergehen. Be-

schäftige brauchen noch mehr und individuelle Fortbildungsangebote zu wesentlichen Zukunftsthemen wie IT-Sicherheit, Datenethik und agilem Arbeiten. Hierzu bietet – unter anderen – die Bundesakademie für Öffentliche Verwaltung eine Reihe von Weiterbildungen an. Die Personalgewinnung muss sich dabei mit den veränderten Bedarfen einer zunehmend digitalen Verwaltung und den Vorstellungen nachrückender Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auseinandersetzen. Im Netzwerk “Personal in der digitalen Verwaltung” (PersDiV) tauschen sich Personalverantwortliche der obersten Bundesbehörden zu genau diesen Themen aus. Eine gleichnamige interministerielle Arbeitsgruppe

der Corona-Pandemie, mindestens in den kommenden drei Jahren von einer jährlichen Zunahme der Homeoffice-Arbeitsplätze von fünf Prozent aus. Das wären ca. 400 Arbeitsplätze pro Jahr. Vonseiten der zentralen IKTSteuerung des Landes Berlin ist beabsichtigt, die Ausstattung mit Laptops mittelfristig in allen Dienststellen zu forcieren, die dann auch für Homeofficebzw. Telearbeit eingesetzt werden können. Das Innenministerium Brandenburg will die derzeitige Anzahl der Homeoffice-fähigen Arbeitsplätze sukzessive weiter ausbauen, Zielstellung 100 Prozent. In Niedersachsen wird aktuell eine neue landesweite Vereinbarung zu Telearbeit und mobiler Arbeit entwickelt. Mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung ist vorgesehen, den Zugang zu mobilen Arbeitsformen in allen Verwaltungsbereichen zu erleichtern. In Zukunft sollen alle Beschäftigten des Landes im Grundsatz die Möglichkeit haben, mobile Arbeitsformen zu nutzen, wenn dies mit ihrer dienstlichen Tätigkeit zu vereinbaren ist. Das Innenministerium BadenWürttemberg geht davon aus, dass der Anteil an Telearbeitsplätzen tendenziell zunimmt. Der Ausbau der Telearbeitsinfrastruktur ist dabei gleichzeitig eine Investition in die Zukunft. Der Anteil von Mitarbeitenden im Homeoffice wird aller Voraussicht nach auch nicht mehr auf den Stand von vor Corona zurückgehen, daher werden diese Technologien und Konzepte auch zukünftig weiter vorgehalten werden müssen.

bewertet Maßnahmen, steuert die Umsetzung und berichtet dem Digitalkabinett. Nur, wenn wir die Akzeptanz der Beschäftigten in der Verwaltung gewinnen, wenn sich die Mitarbeitenden im Umgang mit den digitalen Kommunikationswegen sicher fühlen, werden wir die flexiblen Modelle auch nach der Corona-Krise sinnvoll fortentwickeln können.

Die Verwaltung muss technologieoffen sein Die Krise macht uns deutlich: Viel mehr als bisher muss Verwaltung die technologische, zum Teil disruptive Entwicklung antizipieren und ihre Infrastruktur darauf ausrichten. So hätte eine flächendeckende Ausstattung mit Videokonferenztechnik oder elektronischer Antrags- und Rechnungsbearbeitung in der aktuellen Situation vieles erleichtert. Zugleich zeigt uns die Krise aber – wieder einmal –, wie schnell und unbürokratisch wir alle miteinander reagieren können, wenn die Situation es erfordert. Bei allem, woran wir bauen müssen: Das ist es, worauf wir bauen müssen – und können.

Smart Country Convention Die digitale Transformation der Verwaltungsarbeit ist auch eines der zentralen Themen der “Smart Country Convention”, die der Bitkom und die Messe Berlin vom 27.–29. Oktober 2020 im CityCube Berlin veranstalten. Der Behörden Spiegel ist Partner dieser Veranstaltung. Weitere Informationen unter: www.smartcountry.berlin


Agile und sichere Verwaltungsarbeit

Behörden Spiegel / Mai 2020

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ie “Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft” ist das hauseigene Zukunftslabor des Arbeitsministeriums. Der Think Tank befasst sich nach innen mit der digitalen Transformation im BMAS, nach außen mit der Gestaltung der Arbeitsgesellschaft der Zukunft. Unter anderem wird der Frage nachgegangen, wie Arbeit durch Technologie erleichtert werden kann. Jüngstes Projekt ist das im März 2020 gegründete “Observatorium Künstliche Intelligenz in Arbeit und Gesellschaft“. Im Dialog mit Entwicklern und Anwendern wird der Einsatz von KI in der Verwaltung analysiert sowie soziale Technologiefolgenabschätzung betrieben. Im Bundesinnenministerium sorgt die Projektgruppe “Konzeption und Aufbau eines Digital Innovation Teams / E-Government-Agentur” für Bewegung. Sie unterstützt die Bundesverwaltung bei der Entwicklung innovativer, digitaler Lösungen und etabliert agile Methoden in Projekten mit Bundesbehörden. Das fünfköpfige DIT.Bund-Team ist mit der langfristigen Aufgabe betraut, eine E-GovernmentAgentur aufzubauen. Auf Seite 35 beschreibt die Gruppe ihre Erfahrungen nach einem Jahr Arbeit.

Innovation für Soldaten Als Pionier der Innovationsbe­ schleuniger gilt der “Cyber Innovation Hub” im Verteidigungsministerium. Die Schnittstelle zwischen Start-Up-Szene und Bundeswehr modernisiert die IT der Truppe und versucht Start Up-Kultur zu etablieren. Zu erfolgreich abgeschlossenen Projekten zählt das Aufsetzen einer Datenbank mit bundeswehrrelevanten Unternehmen, ein Virtual-Reality-Flugsimulator und die Lern-App: Cyber-Mission – Befehlsrecht. Die Einheit setzt sich aus Bundeswehrangehöri-

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Innovationstreiber in und um Behörden Zehn Plattformen, die den digitalen Wandel gestalten wollen

Weg in den Markt zu unterstützen. Aus ihr sollen später weitere Tochtergesellschaften hervorgehen, die wieder neue Unternehmungen schaffen sollen.

(BS/Kilian Recht) Innovationslabore, Hubs, oder wie man sie auch nennen mag. Bundesministerien haben damit in den letzten Jahren ordentlich Dynamische Netzwerke aufgerüstet. Unabhängig von der Arbeit der tragenden Behörde, beschäftigen sich die angegliederten Organisationen mit technologischen InnovatiNeben dedizierten Einheiten im onen und der Implementierung neuer Arbeitsweisen. Doch auch einige Unabhängige beteiligen sich an der digitalen Transformation der Verwaltung. Ministeriumsumfeld treiben auch gen und Entwicklern aus der Start-Up-Szene zusammen. Innovationstreiber im Familienministerium ist das “Innovationsbüro Digitales Leben”. Betrieben wird es durch den unabhängigen Think Tank “iRights. Lab“. Zehn Angestellte arbeiten an Ideen für eine digitale Zukunft. Um Herausforderungen zu begegnen, schafft das Büro Plattformen und Veranstaltungen, so geschehen mit einem Chancen-Hackathon und diversen Innovationswerkstätten. Staatliche Angebote sollen durch digitale Formate weiterentwickelt, digitale Kompetenzen vermittelt und Chancenungerechtigkeit im digitalen Raum überwunden werden.

Gesundheit neu denken Der “Health Innovation Hub”, angelegt im Bundesgesundheitsministerium, hat sich die Digitalisierung des Gesundheitswesens zum Kernanliegen gemacht. Themenschwerpunkte sind die elektronischen Patientenakte, die Digitalisierung der Pflege, Datenspenden und KI-Applikationen. Die 13-köpfige Einheit ruft darüber hinaus Austauschplattformen ins Leben, beispielsweise die Start Up-Sprechstunde. Auf einer aktuellen Sonderseite “Corona digital” werden krisenrelevante Informationen gebündelt sowie eine Beratung per Chatbot angeboten. Keine eigene Einheit, dafür eine Initiative zur Unterstützung unabhängiger Innovationstreiber, bietet das Wirtschaftsministe-

Innovationsplattform

Ansiedlung

Internet

Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft

BMAS

www.denkfabrik-bmas.de

DIT.Bund

BMI

www.dit.bund.de

Cyber Innovation Hub

BMVg

www.cyberinnovationhub.de

Innovationsbüro Digitales Leben

BMFSFJ

www.innovationsbuero.net

Health Innovation Hub

BMG

www.hih-2025.de

Digital Hub Initiative

BMWi

www.de-hub.de

Agentur für Sprunginnovationen

BMBF & BMWi

www.sprind.org

NExT e. V.

Unabhängiges Netzwerk

www.next-netz.de

N3GZ

NEGZ

www.n3gz.org

Tech4Germany & Work4Germany

4Germany UG

work.4germany.org & tech.4germany.org Quelle: BS/Eigene Recherche

rium mit seiner “Digital Hub Initiative”. Die Initiative vernetzt an zwölf Standorten mit unterschiedlichen Schwerpunkten Unternehmen mit Wissenschaft und Start Up-Szene. Die Hubs finanzieren sich unabhängig durch private Träger und Partner. Die Initiative fokussiert sich dabei auf

Vernetzung und Veranstaltungsorganisation. Teilnehmer sind beispielsweise der “Logistics Hub“ in Hamburg oder der “Artificial Intelligence Hub” in Karlsruhe. Bis März 2017 konnten Interessenten sich als Standort beim Bndeswirtschaftsministerium bewerben.

Derzeit im Aufbau befindet sich die vom Bildungs- sowie vom Wirtschaftsministerium geförderte “Agentur für Sprunginnovation”. Als staatliches Förderinstrument macht sie sich zur Aufgabe, disruptiv-innovative Forschungsideen zu entdecken, weiterzuentwickeln und auf dem

unabhängige Netzwerke und Organisationen Innovationen voran. Mit Mitgliedern aus über 65 Behörden vernetzt der ressortübergreifende “NExT e.V.” Beschäftigte aus Bund-, Landes- und Kommunalbehörden. In hierarchiefreier Zusammenarbeit entwickelt das Netzwerk anwendungsorientierte Hilfsmittel für den digitalen Wandel der Verwaltung. In Werkstätten werden digitale Projekte und neue Arbeitsweisen pilotiert. Diverse Veranstaltungen bieten Raum zum Austausch. Das “Nachwuchsnetzwerk Digitale Verwaltung” (N3GZ) hat sich zur Aufgabe gemacht, junge Fachkräfte aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu verbinden, die sich mit der Digitalisierung öffentlicher Verwaltung befassen. Dafür werden u. a. Austauschformate wie Workshops und Stammtische veranstaltet. Angegliedert ist es an das Nationale E-Government Kompetenzzentrum (NEGZ), dennoch selbstorganisiert. Das staatlich geförderte Start Up “4Germany UG” organisiert zwei Fellowship-Programme, die technologisches und methodisches Know-how an Behörden liefern. “Tech4Germany” bringt in zeitlich begrenzten Programmen digitale Talente in die Bundesministerien, um vor Ort Softwareprodukte zu entwickeln. Unterstützend vernetzt “Work4Germany” externe Talente mit Innovatoren der Ministerien, um gemeinsam an Herausforderungen zu arbeiten und agile Methoden zu nutzen.


Agile und sichere Verwaltungsarbeit

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Agil durch die Krise

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ls verwaltungsinterner ITDienstleister der Bundesverwaltung ist das ITZBund Bestandteil dieser Kritischen Infrastruktur. Es muss seine Leistungserbringung für die Bundesverwaltung auch unter erschwerten Bedingungen uneingeschränkt sicherstellen und gezielt Kapazitäten aufgrund der Krise ausbauen. Um mögliche Auswirkungen auf die Leistungserbringung zu analysieren und unvermittelt zu reagieren, bewertet das ITZBund seit Beginn der Krise in einem internen Krisenstab die Situation täglich neu. Das bedarf auch einer offenen und von Vertrauen geprägten Kommunikation mit dem Kunden und – wenn es die Situation verlangt – ein unkonventionelles Handeln, ohne Vernachlässigung der geltenden Datenschutz- und Sicherheitsvorgaben. Die Spannbreite reicht hier von der kurzfristigen Beschaffung mobiler Hardware bis zum Ausbau notweniger Infrastrukturen. Zu diesen wichtigen Infrastrukturen zählt die Webseite des Robert Koch-Instituts (RKI). Seit Anfang Februar nahmen ihre Abrufe kontinuierlich zu, da die Bürgerinnen und Bürger sich unter anderem über Infektionsund Todesraten informierten. Um diesem millionenfachen

IT-Betrieb in herausfordernden Zeiten (BS/Dr. Alfred Kranstedt) Das Corona-Virus durchdringt alle Wirtschafts- und Lebensbereiche und stellt uns tagtäglich vor große Herausforderungen. Die aktuelle Krise zeigt deutlich, welchen hohen Stellenwert die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen hat und offenbart auch die Abhängigkeit der Verwaltung von IT. Ob zur Aufrechterhaltung der eigenen Arbeitsfähigkeit oder zur Bereitstellung von Informationen für die Bevölkerung: IT ist eine Kritische Infrastruktur. Sie ist kein Selbstzweck, sondern dient der Gesellschaft. Ansturm täglich standzuhalten, ist eine leistungsstarke Infrastruktur erforderlich. Der Internet-Auftritt des RKI wurde deshalb kurzfristig auf eine deutlich performantere Plattform im ITZBund umgestellt. Zudem unterstützte das ITZBund das RKI bei der Erstellung eines Dashboards mit geotopologischen Visualisierungen. Die Corona-Pandemie versetzt unsere Welt in einen Ausnahmezustand. Möglichst viele Menschen sollen in den eigenen vier Wänden bleiben, dort vorerst arbeiten und Sozialkontakte meiden. Dies gilt auch für hunderttausende Beschäftigte der Bundesverwaltung. Für das ITZBund als IT-Dienstleister bedeutet das in der Praxis: Schnellstmöglich

Dr. Alfred Kranstedt ist ­Direktor des ITZBund. Foto: BS/ITZBund

die zentral notwendigen mobilen Einwahlplattformen der Bundesverwaltung auszubauen, um das Arbeiten im Home Office zu ermöglichen. Darüber hinaus hat das ITZBund seit Beginn der Corona-Krise für seine Kunden die für Tele- und mobiles Arbeiten notwendigen Infrastrukturen einem verstärkten Monitoring unterzogen. Mögliche Engpässe konnten schnell identifiziert und unkonventionell ausgeräumt werden.

Den Parlamentsbetrieb digitalisieren Bundestag sollte Krise als Katalysator sehen (BS/Dr. Marco Buschmann) Die Unterlagen zur Sitzung des Ältestenrates wurden den Mitgliedern in der letzten Sitzungswoche auf Anfrage und “ausnahmsweise” digital zugestellt. Das klingt banal, ist in Wahrheit aber epochal. Denn diese Verwaltungspraxis spiegelt die nach wie vor weit verbreitete Aversion gegen eine digitale Transformation traditioneller Tätigkeitsbereiche wider. Die Corona-Pandemie legt insofern nicht nur die digitalen Defizite Deutschlands offen. Sie übt auch, jedenfalls zeitweise, einen unabweisbaren Handlungsdruck aus, der möglicherweise dauerhaft gewisse Abwehrhaltungen und Vorurteile überwindet. Das ist die digitale Chance, die in der Corona-Krise steckt. Die Fraktion der Freien Demokraten hat die digitale Transformation des öffentlichen Sektors nicht nur als politisches Ziel ausgerufen. Wir wollen sie auch durch eigenes Vorbild vorantreiben. Daher arbeiten wir seit dem Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag vollständig digital. Jeder Vorgang ist als digitaler Prozess in einem serverbasierten Intranet hinterlegt. Abgeordnete und Mitarbeiter können von jedem Ort mit Internetzugang und zu jeder Zeit darauf zugreifen. Kollaboratives Arbeiten ist nicht mehr an Präsenzsitzungen gebunden, sondern kann nach dem “Wiki-Prinzip” erfolgen. Das stärkt die Produktivität und die Motivation. Insbesondere sind flexible Arbeitszeitmodelle möglich. Eltern mit kleinen Kindern in der Mitarbeiterschaft schätzen das sehr. Zudem spart dies auch Ressourcen: Eine Druckerei für die Vervielfältigung von “Tischvorlagen” oder ähnlichem Papiermaterial gibt es nicht mehr. Wir sind zudem als erste Bundestagsfraktion klimaneutral. Diese digitale Organisationskultur war auch ein taktischer Vorteil in der Corona-Krise. Unmittelbar nach dem ersten Infektionsfall in den Reihen unserer Abgeordneten haben wir unsere Mitarbeiter aufgefordert, mobil zu arbeiten. Uns fiel diese Umstellung besonders leicht, weil wir die Instrumente des digitalen Arbeitens durch praktische Tätigkeit eingeübt hatten.

Weg vom “Papierparlament” Spätestens jetzt sollte auch der Bundestag verstärkt auf digitale Arbeits- und Abstimmungsverfahren umstellen. Ungewöhnlich wäre das längst nicht mehr. Im estnischen Parlament etwa können Ausschüsse nun per Videokonferenz tagen. Für das Videomeeting gelten dabei alle dort üblichen Regeln der Geschäftsordnung. An der Möglichkeit einer voll digitalen Plenarsitzung wird bereits gearbeitet.

Behörden Spiegel / Mai 2020

auch in modernen Dienstleistungsunternehmen Dr. Marco Buschmann ist der Fall ist. Mit Mitglied des Deutschen Bundiesem scheinbar destages und Erster Parlaeher symbolischen mentarischer Geschäftsführer Schritt soll zuder FDP-Bundestagsfraktion. gleich so weit wie möglich auf Papier Foto: BS/privat als Informationsmedium verzichtet werden. Das spart Geld, schützt die Auf kommunaler Ebene geht Umwelt und ist grundlegend für das in Estland bereits. Davon die digitale Arbeitsfähigkeit. ist Deutschland weit entfernt. Zweitens: Der Bundestag führt Wenn wir die Krise als Chance elektronische Abstimmungen ein. nutzen, könnte sie ein Katalysa- Dafür sollen Kartenlesegeräte an tor für mehr Digitalisierung der jedem Platz im Plenum instalparlamentarischen Arbeitsme- liert werden. Abgeordnete können thoden werden. Das ist mehr als dann mittels eines elektronischen nur eine Frage der Arbeitsfähig- Abstimmungsausweises an der keit, sondern eine Frage der Ak- Abstimmung teilnehmen. Denn zeptanz des parlamentarischen bei offenen Abstimmungen, im Systems. Wer hinter die Kulissen Hammelsprungverfahren sowie schaut, wird schnell feststellen, bei namentlichen Abstimmundass eine Reihe von Arbeitswei- gen gilt nicht der Grundsatz sen des Bundestages mit der Le- der geheimen Wahl. Er kann bens- und Arbeitswelt außerhalb demnach einem elektronischen des Reichstages nur noch wenig Abstimmungsverfahren nicht zu tun haben. An vielen Stellen entgegengehalten werden. Freihaben wir es noch mit einem lich existieren auch heute schon “Papierparlament” zu tun, in dem Technologien, die auch in elek­ Anfragen in vierfacher Ausferti- tronischen Abstimmungsverfahgung schriftlich eingereicht wer- ren den Grundsatz der geheimen den müssen und Dokumente per Wahl gewährleisten. Andere ParFax übermittelt werden. Dabei lamente nutzen diese Methoden könnten wir unsere Arbeitsweise auch. Drittens: Der Deutsche Bunmit wenigen Schritten nachhaltig destag führt umgehend eine digitalisieren. elektronische Aktenverwaltung Digitale Transformation ein. Sämtliche Vorgänge, für die einleiten nicht ausdrücklich durch das Drei erste Schritte könnten sein: Gesetz Schriftlichkeit zwingend Erstens: Digitalisierung ist vorgeschrieben ist, können unmehr als Kabel und Computer. mittelbar digitalisiert werden. Es ist eine Frage der Organisa- In Anlehnung an den Datentionskultur und des Denkens. austausch zwischen Parlament Deshalb bedarf die digitale Trans- und Bundesregierung bei der formation auch ihrer Symbole. Aufstellung und Durchführung Daher wollen wir den Begriff des Bundeshaushaltes sollte Drucksache abschaffen. Er stellt auch die Einreichung und Beauf die Basistechnologie Papier antwortung von Anfragen der ab und ist ein Relikt des letz- Parlamentarier an die Bundesreten Jahrtausends. Stattdessen gierung vollständig elektronisch sollten die parlamentarischen über ein eigenes System abgeVorgänge eine Ticket- oder Doku- wickelt werden statt wie bisher menten-Nummer erhalten, wie es über Faxaustausch.

Natürlich stand das ITZBund trotz aller Anstrengungen und Bemühungen manchmal großen Anforderungen gegenüber. So wurden zentrale Plattformen für die mobile Einwahl um mehrere 10.000 Einwahlmöglichkeiten innerhalb weniger Tage ausgebaut. Prioritätsentscheidungen – auch für die notwendige Hardware – wurden im ITZBund- Krisenstab schnell getroffen und so die Arbeitsfähigkeit der Bundesverwaltung erhalten. Darüber hinaus wurden kurzfristig weitere technische Möglichkeiten des mobilen Arbeitens und für notwendige kollaborative Aspekte geprüft und im Einklang mit Datenschutzund IT-Sicherheit umgesetzt. Mobiles Arbeiten, die Bereitstellung wichtiger Webseiten, aber auch das IT-Verfahren zur Bewirtschaftung des Bundeshaushalts sind nur einige prominente Beispiele in der derzeitigen Krise, die die Notwendigkeit einer leistungsfähigen und professionell gemanagten Infrastruktur besonders stark zum Vorschein bringen. Elementar sind dafür hochverfügbare Rechenzentren im 7x24-Stunden-Betrieb. Ein Verbund von wenigen solcher

Rechenzentren an drei Standorten in Deutschland reicht aus, um die gesamte IT der Bundesverwaltung, die von der IT-Konsolidierung betroffen ist, unterzubringen – immer auf dem modernsten Stand der Technik und hochsicher. Darüber hi­ naus zeigt die Krise deutlich, wie elementar für die kurzfristige Bereitstellung von Infrastruktur eine grundlegende Standardisierung und Automatisierung sowie Kapazitätsreserven beim Staat selbst sind. Deshalb ist die IT-Konsolidierung so immens wichtig. Attraktive Produkte wie die Bundescloud und der Bundesclient stellen die zentrale Infrastrukturbasis für Querschnittsanwendungen und Fachanwendungen, wie sie momentan benötigt werden, um die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung zu sichern. Im Zusammenhang mit der Krise stellt sich noch einmal deutlich prägnanter die Frage nach der digitalen Souveränität des Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger. Ich bin überzeugt, dass wir als Verwaltung uns mit hoher Geschwindigkeit auf einen Zeitpunkt zubewegen, an

dem wir uns vollständig in die Hand großer IT-Provider begeben müssten, inklusive der Aufgabe hoheitlicher Kontrolle über unsere Daten und Daten der Bürger und Unternehmen des Landes, wenn wir nicht selber unsere IT bündeln, in industriellen Prozessen organisieren und mit geeinter Marktmacht der Verwaltung Kooperationen mit der Industrie aushandeln, die die Interessen der öffentlichen Hand wahren. Die IT-Konsolidierung ist mit Blick auf Sicherheit, Datenschutz, Skalierungsfähigkeit etc. und zur Bündelung von Knowhow in den agilen Zeiten und kurzen Innovationszyklen der IT alternativlos. Ich kann deshalb immer wieder nur für die Konsolidierung werben, so mühsam sie manchem im konkreten Mi­ grationsgeschäft auch ab und zu erscheinen mag. In der aktuellen Corona-Krise zeigt sich, dass sich der Entschluss der Bundesregierung, das ITZBund als zentralen und verlässlichen IT-Dienstleister mit den entsprechenden Kapazitäten und Ressourcen auszustatten, bewährt. Zusätzliche Aufgaben, die das ITZBund derzeit zu bewältigen hat, haben keine Auswirkungen auf die Umsetzung der anderen Projekte, die nicht direkt von der Krise betroffen sind. Einen großen Anteil daran haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit großem Einsatz und unermüdlichem Engagement im Sinne unserer Kunden den zurzeit oft zitierten “Laden am Laufen halten”.

Telefonieren im Homeoffice So behalten Sie im Job den Kontakt zur Außenwelt (BS/Roman Hennes*) Arbeiten von zu Hause aus? Jahrelang wurde über das Für und Wider debattiert. Jetzt zwingt ein Virus millionenfach zum Handeln. Technisch ist die Verlegung von Arbeitsplätzen ins Homeoffice kein Problem – insbesondere mit sicheren und effizienten Lösungen von Snom. Homeoffice – für manche ein werden. Das Telefon verbindet A230 DECT in die USB-Schnittlanggehegter Traum, für vie- sich dann mit der Cloud und stelle des Telefons gesteckt – das le aktuell eine Order der Ge- der Arbeitnehmer telefoniert wie war’s! Steht kein Snom-Telefon schäftsführung. Vorteile gibt es vom Unternehmen aus. Sollte zur Verfügung, lässt sich der für beide Seiten: Beschäftigte eine fest installierte IP-Telefo- USB-Adapter A230 DECT auch und Unternehmen. Anfangs stellen sich aber auch einige Fragen: Wie soll vom Homeoffice aus die Kommunikation zu Kollegen, Kunden und Lieferanten per Telefon aufrechterhalten werden? Wie ist sichergestellt, dass beispielsweise alle TelefonAdressbücher zur Verfügung stehen? Welches Equipment ist erforderlich? Wie können die Gesprächsdaten vertraulich und vor Hackerangriffen geschützt bleiben? Antworten Per Web-Phone in Verbindung bleiben. Foto: BS/Fizkes, stock.adobe.com liefert der Berliner Hersteller nanlage vorliegen, muss der an das eigene Notebook anvon IP-Telefonen Snom. IT-Verantwortliche das Telefon schließen. Der Anwender kann Step 1 – die Verbindung zunächst VPN-fähig machen. dann einfach eine TelefonkonfeZunächst muss es darum ge- Das geht einfach über die In- renz mit dem auf dem Notebook hen, dass die Arbeitnehmerin- stallation eines Patches und installierten Web-Phone starten nen und Arbeitnehmer sicher kann auch remote durchgeführt oder einer Konferenz beitreten. auf das Netzwerk ihres Unter- werden. Anschließend heißt es Für freihändiges telefonieren nehmens zugreifen können. auch hier: Telefon mitnehmen, sollten die DECT-Headsets von Möglich wird dies durch VPN per LAN-Kabel oder Snom-A210- Snom in Betracht gezogen wer(Virtual Private Network), ein in WLAN-Stick mit dem Router/ den. Denn oft haben die modersich abgeschlossenes Teilnetz- dem Internet verbinden – fertig. nen Bluetooth-Geräte nur eine Reichweite von fünf bis höchswerk innerhalb eines größeren tens zehn Metern, wobei die IP-Netzes, in dem die Teilneh- Step 2 – die Hardware mer räumlich voneinander geDie Verbindung zur Telefon- Qualität der Übertragung schon trennt sein können. Ein VPN anlage des Arbeitgebers steht. vorher stark nachlassen kann. verschlüsselt die Internetver- Wie geht’s weiter? Die Kids Das A150 für Snom-Telefone bindung, mit der das IP-Telefon sind mit in der Wohnung, das zum Beispiel ist das kleinste verbunden ist, in Echtzeit und Projekt erfordert dringend eine und leichteste DECT-Headset verhindert damit Mitschnitte Telefonkonferenz und der Ar- seiner Klasse. Dabei bietet diebeziehungsweise das Abhören beitsplatz am heimischen Tisch ses Modell aber eine erstklassige der übertragenen Informatio- muss auch immer wieder neu Breitband-Audioqualität und nen. Das Snom-Tischtelefon sporadisch eingerichtet werden. ein DECT-Signal von bis zu 15 im Büro kann also einfach mit Snom bietet auch hier einfache, Metern ohne Qualitätsverlust. nach Hause und sicher in Be- kostengünstige Lösungen, zum Eine noch größere Reichweite trieb genommen werden. Jetzt Beispiel: DECT-USB-Sticks, Er- hat das A170, mit dem es mögist lediglich noch die Frage, ob weiterungslautsprecher und lich ist, sich bis zu 25 Meter von der Basisstation zu entfernen. es sich bei der Telefonanlage Headsets. Mit der Freisprecheinrichtung Alle Geräte sind über den Handes Unternehmens um eine cloudbasierte oder festinstal- C52-SP und dem USB-Adapter del erhältlich und ohne technilierte Lösung handelt. Ist die A230 DECT verwandelt sich ein sches Fachwissen in wenigen Anlage in der Cloud, wird das normales IP-Telefon oder auch Minuten installiert. Viel Erfolg Telefon zu Hause per LAN-Kabel das eigene Notebook in wenigen im Homeoffice! *Roman Hennes ist Markean den Router angeschlossen. Sekunden in eine professionelle Wahlweise kann auch ein Snom- Lösung für Telekonferenzen. ting Manager bei der Snom A210-WLAN-Stick eingesetzt Dazu wird einfach der Adapter Technology GmbH.


Agile und sichere Verwaltungsarbeit

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Erfahrungen der PG DIT

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erwaltung muss sich verändern. Denn auch die Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Verwaltung agiert, ändern sich stetig. Hieran müssen wir uns anpassen, wenn wir weiterhin gute Dienstleistungen anbieten möchten und attraktiver Arbeitgeber sein wollen. Natürlich lassen sich dabei nicht alle Probleme mit Design Thinking und agilen Methoden lösen. Und es sollte nicht die Erwartung geweckt werden, dass eine Innovationseinheit in allen Behörden ausreicht, um diese fit für die Zukunft zu machen. Veränderungen sind nur möglich, wenn alle Mitarbeiter/-innen die Veränderung auch mittragen. Wir sehen uns dabei als Coaches, die hierfür Raum und Unterstützung bieten. Und wir waren positiv überrascht über das Feedback, das wir in den vergangenen zwölf Monaten nach unseren EinstiegsWorkshops bekommen haben, in denen wir bis zu 40 Personen interaktiv agile Methoden vorgestellt haben. Der Wunsch nach neuen Arbeitsweisen ist da. Neben Methoden geht es dabei vor allem um Haltung. Nutzerzentrierung, die Zusammenarbeit in diversen Teams, Denken in Verantwortlichkeiten und Rollen statt in Hierarchien – all das fällt mitunter nicht leicht. Das haben wir selbst erlebt – doch wir können sagen: Es lohnt sich. Fazit: Es reicht nicht, wenn nur Innovationseinheiten selbst agil und mit flachen Hierarchien arbeiten. Man muss Verbündete finden, die selbst agil arbeiten wollen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu unterstützen.

Agile Methoden sind Werkzeuge und kein Selbstzweck

Fazit: Die gegebenen Rahmenbedingungen sind keine Entschuldigung dafür, nicht agil und kollaborativ zu arbeiten. Gleichzeitig müssen wir weiter daran arbeiten, Frei- und Kreativräume in den Gebäuden der Verwaltung zu schaffen.

Was man in einem Jahr mit einem kleinen, agilen Team erreichen kann

(BS/Jan-Ole Beyer/Adrian Bidlingmaier*) Was kann man als kleines Innovationsteam innerhalb eines Jahres bewegen, wenn man neue Arbeitsweisen erprobt und für die Verwaltung adaptiert? Was kann man daraus lernen? Die Projektgruppe “Digital Innovation Team” meint: ganz schön viel! Im April 2019 haben wir die Arbeit im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat aufgenommen. Unsere Herangehensweise war von Anfang an “lean”: Es war uns wichtig, die konzeptionelle Zeit so kurz wie möglich zu halten. So sind wir nach nur drei Monaten in die Umsetzung Einfach mal machen gestartet und haben unseren Innovationsmanagement-Ansatz direkt erprobt. Unsere Erkenntnisse möchten wir teilen. Um anders zu arbeiten, ist keine zu werden, die wir anfangs noch nicht kennen. Mithilfe von Methoden wie Design Thinking und der konsequenten Orientierung an den Nutzer/-innen lernen wir deren Wünsche kennen und entwickeln passgenauere Lösungen. Mit agilem Projektmanagement schaffen wir schnellere Ergebnisse. Aber nicht nur die Anforderungen von Bürger/-innen an die Verwaltung, sondern auch die Wünsche von Mitarbeiter/-innen stellen uns vor neue Herausforderungen. Im Rahmen unserer Befähigungsformate zeigen wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen neue Werkzeuge, um diese zu meistern. Dabei gilt: Auch wenn solche Design-ThinkingWorkshops sich spielerischer Elemente bedienen und den Spaß bei der Arbeit zelebrieren, stecken eine klare Struktur und sorgfältige Planung dahinter. Fazit: Agile Methoden können auch in der Verwaltung einen Mehrwert stiften. Wir passen sie auf den Verwaltungskontext an und unterstützen die Mitarbeiter/-innen bei der eigenständigen Nutzung. Nur so lernt die Verwaltung selbst diese Arbeitsweisen und ist nicht dauerhaft auf externe Hilfe angewiesen.

Mehr Innovation, weniger Theater Agile Methoden sind keine All-

heilbringer. Aber sie bieten effiziente Alternativen für die Problemlösung – gerade um auch solchen Anforderungen gerecht

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Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, die behördeninterne Innovationsfähigkeit zu stärken. Ziel darf es nicht sein, ein einzelnes,

Alpaka “Diggi” ist das Maskottchen der Projektgruppe DIT. Grafik: BS/BMI, PG DIT

innovativ arbeitendes Team aufzustellen, das dann für Projekte gerufen wird. Vielmehr müssen alle Mitarbeiter/-innen ermächtigt werden, selbst aktiv innovativ zu werden. Dafür haben wir einen strukturierten Innovationsprozess konzipiert, auf dessen Basis wir Kolleginnen und Kollegen “an die Hand” nehmen, um so konkrete Themen aus ihrem Arbeitsalltag gemeinsam zu bearbeiten und Innovation in ihren Einheiten voranzutreiben – von der Ermittlung des konkreten Problems über User Research bis hin zu Ideen- und Prototyping-Workshops. So schaffen wir ein breites Verständnis für die Herangehens-

weisen und unterstützen die Behörden, Herausforderungen mit neu gedachten Lösungen künftig auch selbstständig zu meistern. Fazit: Innovationseinheiten müssen zwar auch selbst die Lust auf Neues vorleben, aber vor allem den Kolleginnen und Kollegen helfen, innovativer zu werden. Nur so erschaffen wir nachhaltig eine bürgerorientiertere, agilere Verwaltung.

Freiräume sind wichtig – im Kopf und örtlich Anderes Denken braucht andere Räume. In unserer Arbeit haben wir haben gesehen, wie wichtig es ist, die “normalen” Arbeitsstrukturen zu verlassen,

um gedanklich neue Wege zu gehen. Dafür brauchen die Mitarbeiter/ -innen Orte, in denen sie aus dem Arbeitsalltag herauskommen und gemeinsam und kollaborativ kreativ neue Ansätze entwickeln können. Wir wünschen uns, dass es in öffentlichen Gebäuden mehr Räumlichkeiten gibt, die hierfür genutzt werden können. Doch der Alltag in den Verwaltungsgebäuden gestaltet sich mit überbelegten Büros und voll gebuchten Konferenzräumen meist anders. Bislang geht dies nur mit einem starken Netzwerk: Bei der Organisation von Veranstaltungen und Workshops haben wir gute Erfahrungen damit gemacht, dort nach geeigneten Orten zu fragen und Kooperationen mit anderen Mitstreiter/innen einzugehen. Ein kreatives Beispiel der Umfunktionierung bestehender Flächen stammt aus der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, wo die Bibliotheksregale auf Schienen montiert wurden, um anlassbezogen Platz für Veranstaltungen zu machen. Wir wollen dafür sorgen, dass mehr solcher Räume für die Verwaltung verfügbar sind. Aber selbst wenn die räumlichen Bedingungen für Linienorganisationen konzipiert sind, kann man operativ innovativ, agil und selbstorganisiert arbeiten – auch ganz ohne Co-Working-Spaces. Dafür braucht es offene Türen und Austauschformate, die unterschiedlichste Menschen und Ideen zusammenbringen. Das geht auch in der Kaffee-Ecke.

langjährige Ausbildung nötig. Sicher ist es hilfreich, dass jemand wie wir als Ansprechpartner/ -in und Coach bereitsteht. Aber das Gute ist: Jede Arbeitsgruppe kann auch alleine für sich selbst anfangen, agiler und kollaborativer zu arbeiten, und herauszufinden, was für das eigene Team funktioniert und welche Methoden eher weniger passen. Das fällt nicht allen leicht, gerade weil die dem agilen Gedanken innewohnende “UngewissheitsToleranz” in der Verwaltung eher ungeübt ist. Aber gerade dann, wenn etwas “schon immer so gemacht wird”, sollte man auch mal einen anderen Weg probieren. Wenn es schiefgeht – umso besser! Denn daraus lernt man. Eine solche Fehlschlagkultur, die es uns erlaubt, Projekte leicht anzugehen und auch mal zu scheitern, müssen wir oftmals noch lernen. Und feststellen, dass das zumeist positive Auswirkungen auf die Ergebnisse hat. Fazit: Jede und jeder sollte sich trauen, neue Wege zu beschreiten. Und es ist in Ordnung, wenn es mal schiefläuft. Neue Arbeitsweisen werden nicht immer auf Anhieb klappen. Wir müssen aufhören, den Gesichtsverlust zu fürchten und stattdessen die Lernmöglichkeiten feiern. *Jan-Ole Beyer ist Leiter der Projektgruppe “Konzeption und Aufbau eines Digital Innovation Teams” (PG DIT) im Bundesinnenministerium. Adrian Bidlingmaier hat deren Arbeit im Rahmen eines Praktikums unterstützt.

NEUES AUS DER CYBER AKADEMIE

Digital aufrüsten und durchstarten! (CAk) Noch bevor Schlüsseltechnologien wie Blockchain, Künstliche Intelligenz oder Quantencomputer unseren Alltag revolutioniert haben, ist die Corona-Krise aktuell das disruptive Momentum der Digitalisierung. Durch den “Impuls Existenzangst” sind viele Portfolios jetzt endgültig online verfügbar. Und es ist auch nicht zu erwarten, dass das Rad der digitalen Transformation in der Post-COVID-19-Phase zurückgedreht wird. Sicherlich wird es dann erfreulicherweise wieder ein analoges Berufs- und Gesellschaftsleben geben – vom inspirierenden Netzwerkabend bis hin zum Kinoabend abseits der eigenen vier Wände. Doch die etwa zunächst zwangsweisen und jetzt schon fast alltäglich wirkenden virtuellen Geschäftstermine dürften selbst skeptische Entscheider im Hinblick auf die Ortsunabhängigkeit und die damit einhergehende Zeiteffizienz überzeugt haben. Der Aufbau eines digitalen Standbeins ist allerdings mit mehr Aufwand als der Einrichtung eines Unternehmenskon-

tos auf Social Media verbunden und verlangt nach breit gefächertem und tiefgehendem Know-how. Denn der Schlüssel zu nachhaltiger Wirkkraft digitaler Sofortmaßnahmen ist die ganzheitliche Betrachtung der Prozesse: das Online Marketing verlangt zum Beispiel die Klärung datenschutz- und wettbewerbsrechtlicher Fragen; das Homeoffice und die Nutzung privater Endgeräte bedürfen angemessener IT-SicherheitsMaßnahmen und die digitale Transformation gelingt nur, wenn das Personal durch die neuen Anforderungen nicht überfordert wird. Es gilt also in der momentanen Situation, Wissen und Fähigkeiten in digitalen Kernkompetenzen sowie Schlüsseltechnologien anzurei-

Clearnet, Darknet, Deep Web? (CAk) Das Clearnet besteht aus allen frei zugänglichen Websites und Dokumenten. Inhalte können über Suchmaschinen gefunden werden. Es macht allerdings nur ca. 10 Prozent des World Wide Webs aus. Das Deep Web umfasst alles, was nicht frei zugänglich ist: kostenpflichtige Angebote einer Zeitung, Unternehmensdatenbanken und Intranets. Es umfasst die restlichen knapp 90 Prozent des Internets und ist nicht zwangsweise illegal. Das Darknet ist ebenfalls Teil des Deep Webs. Jedoch können Inhalte nur mit bestimmten Browsern aufgerufen werden, die den Datenverkehr verschlüsseln und den Nutzern Anonymität ermöglichen. Dieser Umstand lockt vor allem Kriminelle an, die dort weitestgehend unbehelligt illegalen Handel betreiben sowie strafbare Inhalte bereitstellen und nutzen können.

chern. Auf diesem Wege wird nicht nur das Überstehen der Pandemie gesichert, sondern auch das Durchstarten beziehungsweise Wiedererstarken nach der Krise ermöglicht.

Krise nutzen, Kompetenzprofil auf- und ausbauen Entsprechend können Akteure, deren digitales Profil bisher noch geschärft werden musste, den Ist-Zustand für Korrekturen und Neujustierungen nutzen. Die Cyber Akademie unterstützt Sie bei diesem Vorhaben und bedient als produktneutrale Aus- und Fortbildungsplattform zielgruppengerecht akute Bedarfe wie IT-Sicherheit im Homeoffice als auch zukunftskritische Themenkomplexe wie Blockchain oder Künstliche Intelligenz. Im Folgenden finden Sie unsere aktuellen Angebotsschwerpunkte. Rüsten Sie mit unserem Angebot Ihre Organisation digital auf! IT-Sicherheit: Es ist wenig verwunderlich, dass mit der beschleunigten Digitalisierung die Zahl der Cyber-Angriffe steigt. In unseren Webinaren vermitteln die Dozenten anhand von LiveDemonstrationen und Erfahrungsberichten für IT-Fachkräfte und Mitarbeitende, welche Taktiken die Cyber-Kriminellen anwenden, um Netzwerke zu infizieren. Des Weiteren erlernen Sie, selbstständig Recherchen im Hinblick auf die Veröffent-

lichung von Interna im Clearund Darknet anzustellen. Datenschutz: Seit knapp zwei Jahren sollte die DSGVO bereits umgesetzt sein und die teils empfindlichen Bußgelder zeigen, dass die Verordnung kein zahnloser Papiertiger ist. Aber keine Sorge: Falls noch nicht geschehen, lernen Sie bei uns die Best Practices für eine effektive Implementierung sowie die Anwendung der DSGVO in konkreten Fällen kennen: von der Gestaltung von Verträgen bis hin zu datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Vergaberecht. Open Source Intelligence: Mit OSINT-Fähigkeiten können Sie detaillierte Informationen zu Personen, Unternehmen oder sonstigen Akteuren durch die versierte Analyse von online verfügbaren Daten sammeln und verknüpfen. Unverzichtbar ist deren Anwendung unter anderem im Bereich der Internetermittlungen, Personalrecherche oder Marktanalysen. In Kürze wird des Weiteren ein breiteres Portfolio für das Business Continuity Management präsentiert. Der Aufbau, die Aufrechterhaltung und Pflege von innerbetrieblichen sowie -behördlichen Strukturen, die der Aufrechterhaltung von Geschäftsmodellen, Lieferketten und Arbeitsprozessen dienen, zahlt sich nicht nur in Krisenzeiten aus.

Unsere Webinare Highlights im Mai  Wenn der Drucker zum Sicherheitsrisiko wird – Security-Praxis in Druck- und Dokumenteninfrastrukturen 19. Mai 2020, 13:30–16:00 Uhr  Eine verständliche Einführung in die Blockchain-Technologie 20. Mai, 9:30–12:30 Uhr  Rechtssichere Vertragsgestaltung gemäß DSGVO 26. Mai, 13:30–16:00 Uhr  Eine Reise durch das Darknet 27. Mai, 13:00–15:00 Uhr  Microsoft Excel Grundlagen: 25.–27. Mai, 9:30–11:00 Uhr Aufbaukurs: 25.–27. Mai, 11:30–13:00 Uhr  Effektiver Schutz vor Emotet & Co.! 28. Mai, 13:00–15:30 Uhr AUSBLICK JUNI:  Datenleck-Check: Sind Ihre Interna schon online verfügbar? 9. Juni, 9:30–12:30 Uhr

Anmeldungen und komplettes Programm: www.webinare.cyber-akademie.de Grafik: BS/Dach unter Verwendung von ribkhan, stock.adobe.com


Agile und sichere Verwaltungsarbeit

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eine Behörde hat in der letzten Zeit eine Vielzahl von Anfragen aus unterschiedlichen Bereichen erhalten: Schulen suchen nach Möglichkeiten, im Rahmen des Homeschoolings einen Austausch zwischen Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zu ermöglichen, Träger der Kinder- und Jugendhilfe suchen nach Möglichkeiten, ihre Beratungsangebote aufrechtzuerhalten. Abläufe in Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung erfordern Lösungen, um Dienstbesprechungen oder Teamsitzungen im virtuellen Raum durchführen zu können. In der derzeitigen Situation sind gut funktionierende Angebote gefragt. Es besteht jedoch die Gefahr, dass daneben die Prüfung, ob diese auch datenschutzgerecht in Anspruch genommen werden können, zurückgestellt wird. Wir haben die aktuelle Situation zum Anlass genommen, um für die der Aufsicht meiner Behörde unterliegenden Institutionen Empfehlungen zu erarbeiten, die bei der Auswahl von Videokonferenzsystemen aus datenschutzrechtlicher Sicht zu beachten sind, die auf der Homepage unserer Behörde abrufbar sind. Mit der Nutzung von Videokonferenzdiensten entstehen Gefahren für die Persönlichkeitsrechte in zweierlei Hinsicht: Zum einen enthält das gesprochene Wort selbst Informationen zu einzelnen Personen und zum anderen fallen Daten über die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Konferenz (z. B. Kontaktdaten) an. Videokonferenzsysteme sind in der Regel so angelegt, dass bei dem

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Videokonferenzen rechtssicher durchführen Datenschutzrechtliche Anforderungen während der Kontaktbeschränkungen (BS/Maja Smoltczyk) Die Vorsorgemaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie führen in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens zu Einschränkungen. Berufliche Kontakte können nicht mehr persönlich, sondern nur über das Netz gehalten werden. Wenn mehr als zwei, drei Personen eine gemeinsame Unterredung führen wollen, werden nun Telefon- und Videokonferenzen durchgeführt. Der Beitrag soll einen Überblick über die mit der Nutzung entsprechender Technologien verbundenen Risiken für die Persönlichkeitsrechte geben und die Anforderungen für einen datenschutzgerechten Einsatz skizzieren. Betreiberdienst die unverschlüsselten Bilder und Töne zusammenlaufen. Man muss wissen, dass das Fernmeldegeheimnis die Nutzerinnen und Nutzer bei der Nutzung von Videokonferenzsystemen nicht gegenüber dem Anbieter schützt. Es erstreckt sich auf den Betreiber des Internetanschlusses, nicht aber auf den des Videokonferenzdienstes. Dies ist eine Lücke im Gesetz, die der europäische Gesetzgeber erkannt hat. Er hat die Mitgliedsstaaten verpflichtet, bis zum Ende dieses Jahres den Schutz auf “interpersonelle Kommunikationsdienste”, darunter auf öffentliche Web- und Videokonferenzsysteme, auszuweiten. Diese werden dann die strengen Anforderungen des Telekommunikationsrechts zu erfüllen haben, einschließlich des Fernmeldegeheimnisses. Noch gelten aber die alten, lückenhaften Regeln.

Dienstleister vertraglich binden Nutzerinnen und Nutzer haben daher keine Wahl: Sie müssen dem Anbieter ihres Videokonferenzdienstes vertrauen. Sie können ihn jedoch zumindest vertraglich binden. Dazu sind sie

deren vollständige Anwendung entfaltet jedoch den Maja Smoltczyk ist die Bergewünschten umliner Beauftragte für Datenfassenden Schutz schutz und Informationsder Interessen freiheit (BlnBDI). der betroffenen Foto: BS/BlnBDI Personen. Daher sind Änderungen der Standardverauch verpflichtet. Denn damit tragen sie nicht nur zum Schutz tragsklauseln auch ausdrücklich ihrer eigenen Rechte bei, sondern verboten, wenn sie nicht ein höheauch zum Schutz der Beschäf- res Datenschutzniveau schaffen tigten und Kommunikations- sollen. Trotzdem schränken viele partnerinnen und -partner. Was Anbieter die in den Standardververtraglich zu regeln ist, gibt der tragsklauseln zwingend vorgeseGesetzgeber vor. Seriöse Anbieter henen Rechte und Pflichten ein verfügen daher über einen Mus- und machen damit die Nutzung ihrer Dienste unzulässig. tervertrag. Allerdings wird den Nutzerinnen Der erforderliche Schutz erund Nutzern die Durchsetzung streckt sich auch auf Risiken, die weit schwerer fallen, wenn ihr aus der Auswertung der UmstänVertragspartner seinen Sitz au- de der Kommunikation für eigene ßerhalb von EU und EFTA hat. Im Zwecke der Anbieter resultieren. Konfliktfall müssten sie sich dann Um eine solche Profilbildung ausan ein Gericht wenden, das in ei- zuschließen, muss dem Anbieter ner fremden Rechtsordnung ope- eine derartige Auswertung verriert, die ihre Rechte womöglich traglich untersagt werden. Viele nicht ebenso stark schützt wie Anbieter behalten sich die Ausdie europäische. Um diesem Um- wertung jedoch in ihren allgestand entgegenzuwirken, hat die meinen Geschäftsbedingungen Europäische Kommission Stan- vor. In einem solchen Fall wären dardvertragsklauseln entwickelt individuelle Nutzungsvereinba(abrufbar unter eur.lex.europa.eu, Suchbegriff 32010D0087). Nur

rungen notwendig. Welche Anforderungen konkret zu beachten sind, haben wir in einer Checkliste zusammengefasst, die auf unserer Webseite abrufbar ist.

Datenschutz von Anfang an Im Ergebnis ist festzustellen, dass in dieser Zeit einer extrem beschleunigten und teilweise auch überstürzten Digitalisierung der Arbeitswelt der Schutz der personenbezogenen Daten immer mitgedacht werden muss. Dort, wo die Dringlichkeit der aktuell zu ergreifenden Maßnahmen dies nicht im notwendigen Umfang zulässt, muss kontinuierlich nachgebessert werden. Sollten datenschutzrechtliche Unwägbarkeiten oder gar Missstände auftreten, sind diese umgehend zu beheben. Die Verantwortlichen sind aufgefordert, kurzfristig eingesetzte, aber nicht datenschutzgerechte Lösungen sobald wie möglich durch datenschutzgerechte zu ersetzen. Im öffentlichen Bereich sind hier in besonderer Weise die Hauptverwaltungen in der Verantwortung, zentral für entsprechend abgesicherte Angebote zu sorgen.

Ich möchte daher zum Abschluss an die Verantwortlichen in der öffentlichen Verwaltung appellieren, die aktuelle Situation auch als Chance zu begreifen, Arbeitsverfahren angesichts der während der Corona-Krise gemachten Erfahrungen jetzt von Grund auf neu zu gestalten und die Möglichkeiten der modernen Technik von Anfang an datenschutzgerecht einzusetzen. Berlin hat sich auf den Weg gemacht, E-Government-Hauptstadt zu werden. Hierzu gehört auch die Ausgestaltung der für eine moderne Verwaltung erforderlichen Technik in datenschutzgerechter Form (Privacy by Design). Gerade in der Verwaltung ist es möglich und wünschenswert, dass entsprechende Dienste selbst mithilfe des jeweiligen IT-Dienstleisters des Landes betrieben werden. Videokonferenzdienste z. B. könnten von vornherein datenschutzgerecht entwickelt und ausgestaltet werden, sodass sie bei Bedarf zur Verfügung stehen und sofort nutzbar sind, ohne rechtliche Kompromisse eingehen zu müssen. Weitere Informationen zum Datenschutz während der CoronaPandemie und die Checkliste zur Durchführung von Videokonferenzen während der Kontaktbeschränkungen finden Sie auf der Homepage der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit: www.datenschutz-berlin.de, Suchbegriff “Corona-Pandemie”.

MELDUNG

Sicher surfen und mailen In Corona-Zeiten schneller zur Entschädigung (BS/Björn Unte/Sebastian Jensch*) Die Digitalisierung der Verwaltung ist in der jetzigen Krisensituation ein wirksames Werkzeug. Durch die geleisteten Vorarbeiten kann Berlin jetzt schnell und flexibel reagieren: zum Beispiel mit neuen digitalen Anträgen. Nicht nur die Berlinerinnen und Berliner profitieren hiervon, sondern auch Verwaltungsmitarbeitende. So hat die Senatsverwaltung für Finanzen gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Inneres und Sport innerhalb kürzester Zeit zwei Online-Anträge auf Erstattung nach § 56 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Selbstständige umgesetzt. Aufgrund des Erfolgs ist ein dritter Antrag aktuell in der Umsetzung. Laut Ralf Meyer, Koordinator bei der Senatsverwaltung für Finanzen, war die zeitgerechte Umsetzung politischer Entscheidungen in ganzheitliches, medienbruchfreies Verwaltungshandeln eine große Herausforderung. Denn nicht nur die technischen Aspekte mussten umgesetzt werden, sondern auch die bestehenden Arbeitsabläufe an die neuen Anforderungen des Online-Antrags angepasst werden Daher wurde der Lösungsweg mit bestehenden Basisdiensten des Landes Berlin, etablierten Fachverfahren der Senatsfinanzverwaltung sowie einem standardisierten Datenaustausch verfolgt. Zur Umsetzung von Online-Anträgen, beispielsweise im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes, hat die Senatsverwaltung für Inneres und Sport zu Beginn des Jahres den Basisdienst “Digitaler Antrag” bereitgestellt. Dieser bietet bereits die wichtigsten Antragsfunktionen wie E-Payment, Service-Konto, Adressprüfungen, Zuständigkeitsfindung sowie eine standardisierte Übergabe der Antragsdaten über XFall an.“Wir arbeiten an der Herausforderung, Geschäftsprozesse zu optimieren und zu digitalisieren. Dafür stellen wir unter anderem eine standardisierte Plattform mit einer Online-Antragsfunktion zur Verfügung. Damit können jetzt kurzfristig Dienstleistungsangebote der Verwaltung für die Berliner Bürgerinnen und Bürger umgesetzt werden. Damit haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht”, so Ralf Ganser, Referatsleiter “IKTSteuerung, Digitalisierung der Verwaltung und Bürgerdienste” der Senatsverwaltung für Inneres und Sport.

Mit der Datenintegrationsplattform Intrexx und der elektronischen Akte VIS sorgen zwei weitere Komponenten für eine medienbruchfreie Bearbeitung der Anträge bei der Senatsverwaltung für Finanzen. Maßgeblich für den kurzen Umsetzungszeitraum war neben dem hohen Engagement aller Beteiligten der Einsatz eines standardisierten Vorgehens, das den Basisdienst Digitaler Antrag nutzt. Auf der Grundlage von fachlichen Modellierungen ermöglicht diese eine unmittelbare Generierung von OnlineProzessen. Betrieben wird die Lösung durch das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ Berlin), welches hierzu eine sichere und performante Infrastruktur “Plattform as a Service” (PaaS) bereitstellt. “Die PaaS des ITDZ Berlin bietet alle Vorteile und Leistungen einer Private Cloud sowie umfassende und vollständige Services für Entwicklung, Test und Betrieb von Webdiensten. Auf dieser modernen Infrastruktur laufen bereits der Kita-Navigator und der Digitale Antrag des Landes Berlin” so Manuela Sandhop, Fachbereichsleiterin in der Abteilung “E-Government und Fachverfahren” im IT-Dienstleistungszentrum Berlin. Die kurzfristige Implementierung von Online-Anträgen sichert eine höchstmöglich standardisierte Herangehensweise. “Schon bei der Konzeption des Basisdienstes Digitaler Antrag haben wir auf eine Standardmethode geachtet. Wir haben uns dabei an einer industriellen Fertigungsstraße orientiert, die in unserem Fall aus einem festgelegten Set an einsatzfähigen

Bausteinen für Antragsprozesse besteht. Somit können wir fast ausschließlich über eine fachliche Modellierung arbeiten und dabei Entwicklungstätigkeiten reduzieren. Hinzu kommen Formularbausteine, mit denen wir den Umsetzungsaufwand weiter verringern wollen” so Stefan Sander aus dem Projektteam “Digitaler Antrag” der Innenverwaltung. Unter der Mitwirkung der msg wurden die beiden Anträge binnen 20 Tagen konzipiert und umgesetzt. “Die Einbeziehung von Vertreterinnen und Vertretern zu Barrierefreiheit und Datenschutz waren Erfolgsfaktoren” so Janina Prötzsch, Antragsprozessberaterin bei der msg. Standardisierung und Skalierbarkeit der Methode sind zwei wichtige Indikatoren für die Geschwindigkeit zur Umsetzung des OZG. Das im Land Berlin eingesetzte Werkzeug intelliForm der CIT GmbH bietet hierzu sehr gute Ansätze. Seit dem 20. April können Bürger, die im Land Berlin unter Quarantäne oder einem vorübergehenden Tätigkeitsverbot stehen, einen Antrag auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz stellen – digital, barrierefrei und datenschutzkonform über das ServicePortal Berlin unter: https://service.berlin.de/dienst leistung/329421/ (für Arbeitge ber/innen) bzw. https://service.berlin.de/ dienstleistung/329424/ (für Selbstständige) *Björn Unte ist Projektmanager EGovernment bei der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Sebastian Jensch ist Bereichsleiter Digitalisierung und IT Governance bei msg systems ag.

Neue Abteilungsleiter im BSI (BS/stb) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat zwei neue Abteilungsleiter. Nadine Nagel leitet seit Mitte April die Abteilung “Cyber-Sicherheit für Wirtschaft und Gesellschaft”. Dort wird sie unter anderem den neuen Themenbereich des digitalen Verbraucherschutzes aufbauen. Sandro Amendola ist neuer Leiter der Abteilung “Standardisierung und Zertifizierung”. In seine Verantwortung fällt neben der fachlichen Durchführung von Zertifizierungsverfahren

auch die Pflege des IT-Grundschutzes. Der Themenbereich könnte in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen, weil im Rahmen des geplanten ITSicherheitsgesetzes 2.0 weitreichende Zertifizierungspflichten für IT-Komponenten in Kritischen Infrastrukturen vorgesehen sind. Beide Neuzugänge bringen langjährige Erfahrungen im Bereich der Informationssicherheit mit ins BSI. So war Nagel unter anderem Chief Security Officer bei der BWI. Amendola hat zuletzt als Be-

Neue Abteilungsleiter im BSI: Nadine Nagel und Sandro Amendola. Fotos: BS/BSI

reichsleiter bei der SRC GmbH das Thema IT-Banken-Compliance betreut und die stellvertretende Leitung der Prüfstelle wahrgenommen.

Notfallmanagement in Zeiten der Pandemie Notfall- und Krisenmanagement mit DocSetMinder (BS/Krzysztof Paschke*) Das Besondere an der aktuellen Krisensituation ist nicht nur die in jeder Hinsicht katastrophale Auswirkung von COVID-19 auf das öffentliche Leben, sondern seine Dominanz. COVID-19 rückt in den Vordergrund und überschattet andere Geschäftsrisiken, wie z. B. die Cyber-Kriminalität. Ein sorgfältig geplantes und dokumentiertes Notfall- und Krisenmanagement zahlt sich nicht nur bei einem globalen Shutdown aus. Die aktuelle Studie “Allianz Risk Barometer 2020” identifiziert Top10-Geschäftsrisiken, darunter die Cyber-Kriminalität, Betriebsunterbrechung und Naturkatastrophen im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Empfehlenswert ist die Umsetzung einer Notfall- und Krisenvorsorge gemäß einem der etablierten Standards (BSI 100-4, ISO 22301 oder ASW 2000-x). Eine Dokumentation in allen Phasen des Notfall- und Krisenmanagementprozesses ist dabei unerlässlich, denn eine schnelle und effektive Handlungsfähigkeit in einem Notfall oder einer Krise hängt entscheidend davon ab. DasKernstückderDokumentation ist ein Notfall- und Krisenmanage menthandbuch. Das Handbuch ist das dokumentierte und in einem Notfall oder einer Krise ausführbare Ergebnis der durchgeführten Notfallvorsorge in der Institution. Es ist die einzig verbindliche Beschreibung sämtlicher Maßnahmen, Aktionen und Zuständigkeiten, die nach dem Eintritt eines

Notfalls ausgeübt werden. In der Regel handelt es sich hierbei um Handlungsanweisungen (Aktivi täten), die in einer bestimmten Reihenfolge ausgeführt werden, um das Schadensereignis so schnell wie möglich zu bewältigen. Das Notfallhandbuch für spezifische Notfallszenarien, wie z. B. eine Pandemie, beinhaltet Handlungsanweisungen für alle drei Phasen der Bewältigung: Alarmierung/Sofortmaßnahmen, Geschäftsfortführungspläne und Wiederherstellung des Normalbetriebes (Wiederanlauf). Das mit

DocSetMinder generierte Notfallhandbuch kann in Papierform oder digital im HTML-Format zur Verfügung gestellt werden. Die Inhalte können automatisch, sicher (FTPS) und in der jeweils gültigen Version auf diverse Standorte verteilt und allen involvierten Mitarbeitern (Notfallteams und Krisenstab) einer Institution elektronisch auf Smartphones, Tablets und Notebooks bereitgestellt werden. * Krzysztof Paschke ist Geschäftsführer der Allgeier CORE GmbH.


Agile und sichere Verwaltungsarbeit

Behörden Spiegel / Mai 2020

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Innovation im Krisenmodus Mobiles Arbeiten ist eine Frage der Resilienz (BS/Benjamin Stiebel) Auch in Behörden wollen und sollen Mitarbeiter mobil arbeiten können. Bisher ging das schleppend voran. Die Bremser sind hohe Sicherheitsanforderungen und interne Beharrkräfte. Geradezu ein rotes Tuch ist für viele Verantwortliche die Idee, Mitarbeiter auf ihren Privatgeräten arbeiten zu lassen. In der Krise zeigt sich: Wenn es sein muss, geht es. Teils sogar in Rekordzeit. Die Entwicklung zu durchdigitalisierten und mobilen Arbeitsabläufen verfolgt der Bundestagsabgeordnete Manuel Höferlin (FDP) schon lange. Derzeit gebe es besonders viel Bewegung, weil Kontaktbeschränkungen akuten Druck schaffen würden, so der Vorsitzende des Ausschusses Digitale Agenda. Was jetzt normal sei, sei vor wenigen Wochen noch undenkbar gewesen. “Ich würde mir wünschen, dass in Verwaltung, Bildung und Gesellschaft noch viel mehr analoge Abläufe in digitale Prozesse umgewandelt werden”, sagt Höferlin. “So gewinnen wir ein Stück weit Resilienz für Situationen wie jetzt, können aber in vielen Bereich auch dauerhaft effektiver arbeiten.” Nach dem Wiedereinzug der FDP in den Deutschen Bundestag habe sich die Fraktion digital und papierfrei neu aufgestellt. “Das verschafft uns aktuell große Vorteile.” Bei der noch weitgehend papierorientierten Arbeitsweise des Parlaments im Ganzen sieht Höferlin noch Nachholbedarf (mehr dazu im Gastbeitrag von Dr. Marco Buschmann auf Seite 34).

AA digitalisiert in Rekordzeit Einen zusätzlichen Innovationsschub erlebt das Auswärtige Amt (AA). Schon zu Beginn der Krise seien alle Schalter auf das mobile Arbeiten umgelegt worden, berichtet Dr. Sven Egyedy im Rahmen eines Webinars des Behörden Spiegel. Dabei sei der Chief Technology Officer (CTO) des AA allerdings schnell auf Schwierigkeiten gestoßen. Schon Monate bevor die Corona-Epidemie Deutschland erreicht hatte, seien Lieferketten gestört oder ganz zusammengebrochen. “Wir mussten kreativ werden und kurzfristig Alternativlösungen finden.” Mitarbeiter des AA könnten nun mit ihren Privatgeräten arbeiten. Eine notwendige Grundsatzentscheidung, die Egyedy sich nicht leicht gemacht habe. Zum einen steige

In der Vergangenheit regelmäßig zu Gast bei Präsenzveranstaltungen des Behörden Spiegel, diskutierten sie nun im Webinar, wie Behörden sicher mobil arbeiten können: Dr. Sven Egyedy (CTO des Auswärtigen Amts, links) und Manuel Höferlin (MdB, FDP). Fotos: BS/Stiebel

der Aufwand, wenn Lösungen mit Geräten vieler verschiedener Hersteller mit vielen verschiedenen Betriebssystemen und Einstellungen funktionieren müssten. “Zum anderen können wir nicht erwarten, dass jeder sein Gerät so pflegt und auf dem neuesten Stand hält, wie aus Sicherheitssicht wünschenswert wäre”, so Egyedy. Im Eiltempo wurde eine virtuelle Arbeitsplatzumgebung entwickelt, auf die die Mitarbeiter überall auf der Welt mit ihren Geräten zugreifen können. Die Virtualisierungslösung umfasst auch eine Sicherheitsschicht. “Damit können wir die Arbeitsfähigkeit bei angemessener Sicherheit gewährleisten”, sagte der CTO. Umgesetzt wurde das Krisenprojekt neben vielen weiteren auf Grundlage einer Adhoc-Risikoabwägung, um schnell und im gegebenen Rechtsrahmen zu Lösungen zu kommen. Zurückrudern will das AA übrigens nicht. Nach der Krise wolle man das mobile Arbeiten auf dieser technischen Grundlage weiter anbieten.

Sicherheit und Komfort ­verbinden Dass es ohne eine solide technische Grundlage nicht geht, betonte auch Sascha Wellershoff, CEO von Virtual Solution. Sonst

Webinare des Behörden Spiegel (BS) Auch die Behörden Spiegel-Gruppe zeigt sich schon seit Beginn der Krise kreativ und anpassungsfähig. Da im Sinne des Gesundheitsschutzes keine Präsenzveranstaltungen möglich sind, bieten Behörden Spiegel, Führungskräfte Forum und Cyber Akademie verstärkt Tagungen, Seminare sowie individuelle Inhouse-Schulungen virtuell an. Allein im April haben über 700 Interessierte an den interaktiven Webinaren teilgenommen. Informationen zu den nächsten anstehenden Webinaren unter: www.behoerden-spiegel.de/veranstaltungen www.fuehrungskraefte-forum.de www.cyber-akademie.de

würden Mitarbeiter zu den Kommunikationswegen greifen, die sie eben kennen. Beliebte Anwendungen wie WhatsApp seien jedoch nicht datenschutzkonform nutzbar. Doch auch native Apps seien nicht der Weisheit letzter Schluss. So hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) jüngst vor mehreren schwerwiegenden Sicherheitslücken in der iOS-MailApplikation gewarnt. “Es braucht im Wesentlichen ein virtuelles Büro, in dem Funktionen wie Messaging, Voice, Mail und Filesharing sicher verwendet werden können. Diese Umgebung muss von der privaten App-Welt des Anwenders klar getrennt und verschlüsselt werden”, so Wellershoff. Die sicherheitsrelevanten Einstellungen für den gekapselten beruflichen Bereich sollten über ein zentrales Management organisationsseitig vorgegeben werden. Die Verbindung zwischen Endgerät und der Infrastruktur sollte über ein Gateway mit Abfrage von Zertifikaten erfolgen. “So lassen sich hohe Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit gut zusammenbringen”, meint Wellershoff. Die Technik dafür gibt es. Und doch sind die Vorbehalte in vielen Behörden groß. Das Auswärtige Amt hätte in der aktuellen Krise seinen absolut kritischen Aufgaben kaum im notwendigen Maß nachkommen können, hätte es seine IT-Architektur nicht für Privatgeräte geöffnet und dafür in Rekordzeit eine sichere Lösung geschaffen. CTO Egyedy sagt: “Aus den jüngsten Erfahrungen heraus würde ich mir wünschen, dass für neue Technologien Experimentierklauseln gesetzlich normiert werden.” So könne man in kleinem Maßstab und mit geringem Risiko schnell Erfahrungen sammeln und früher und besser von den Chancen der digitalen Entwicklung profitieren.

FastViewer HomeOffice Initiative Halten Sie Abstand – und bleiben Sie in Kontakt Die FastViewer GmbH ist ein deutscher Anbieter für sichere und DSGVO-konforme Online-KommunikationsLösungen für Web-Konferenzen, Online-Meetings, Remote-Support sowie die Fernwartung unbeaufsichtigter Geräte. Das größte Augenmerk liegt hierbei auf Sicherheit und Flexibilität. Daher wird FastViewer im öffentlichen Bereich, bei Verwaltungen und Ministerien verschiedener Bundesländer, Banken & Versicherungen sowie Unternehmen aus der Industrie und Wirtschaft als verlässlicher Anbieter und Partner gewählt. Ob aus der hochverfügbaren FastViewer Cloud oder über die eigene Serverlösung, die Kommunikation findet zu jeder Zeit Ende-zu-Ende verschlüsselt statt. Auch stehen in jeder dieser Varianten alle Funktionen der Lösungen zur Verfügung. So lassen sich betriebsbedingte Anforderungen des Datenschutzes sowie der IT-Sicherheit in einem eigenen Kundenportal zielgenau umsetzen. Integrationsschnittstellen bieten darüber hinaus die Möglichkeit zur Einbindung

und Optimierung in und von Kundenprozessen. FastViewer bietet Kauf- und Mietmodelle basierend auf gleichzeitig genutzten Räumen an, so lässt es sich dynamisch auf den Bedarf ausrichten und ist nicht an Personen gebunden. Die Teilnahme an einer Sitzung über Windows, MAC und mobile Geräte ist selbstverständlich kostenlos. Funktionen wie Desktop-Sharing, Bildschirmwechsel, Fernsteuerung, Chat, Audio, Video,

automatische Versionsanpassung, Telefonkonferenz u.v.m. werden unterstützt. Testen Sie FastViewer 90 Tage kostenlos und unverbindlich: https://fastviewer.com/de/ testversion FastViewer ist eine Tochter der Atos Information Technology GmbH. Weitere Informationen sowie Einsatzszenarien für den Öffentlichen Bereich erhalten Sie unter info@fastviewer.com oder 09181/50956-0.

Auf zwei Ebenen nachrüsten Homeoffice technologisch schnell und sicher umsetzen (BS/gg) Die Corona-Krise erfordert einen massiven Ausbau der Homeoffice-Kapazitäten von Behörden. Dabei spielt das Thema Sicherheit naturgemäß eine wichtige Rolle, insbesondere das VPN (Virtuell Private Network) für eine sichere Datenverbindung. Eine weitere Ebene ist die Hardware. Das Thema Homeoffice wird in der öffentlichen Verwaltung bislang – und vermutlich auch zukünftig – recht unterschiedlich gehandhabt.

Entscheidungen vor Ort So entscheidet aufgrund der Ressorthoheit jedes Ministerium für sich über den Umgang mit mobilen Arbeitsformen. Gleiches gilt im kommunalen Bereich, wo Städte und Gemeinden mit Blick auf die kommunale Selbstverwaltung entsprechende Entscheidungen individuell vor Ort treffen. Und das ist auch gut so. Jeder Leiter einer Organisationseinheit kann festlegen, wer unbedingt vor Ort sein muss. Dabei ist die Infektionsgefahr in Behörden vielfach geringer als in den meisten Unternehmen, denn viele Mitarbeiter haben Einzelzimmer, wohingegen sich in der freien Wirtschaft Großraumbüros durchgesetzt haben.

Herausforderung Technik Doch auch dort, wo der Wille zu mehr mobilem Arbeiten vorhanden ist, fehlte es bislang mitunter noch an den technischen Voraussetzungen. So monierte der Bundesvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes, Ulrich Silberbach, dass die Technik dem Homeoffice oft Grenzen setze. Datenschutz und die Schriftformerfordernis sind zwei von mehreren Hindernissen. Auch fehlt es schlicht am notwendigen technischen Equipment wie etwa geeigneten Laptops oder auch an einer sicheren VPN-Kommunikation.

Lösungen stehen bereit Hier gibt es auf dem Markt Lösungen, die rasch einsetzbar und aktuell daher stark nachgefragt werden. So bietet beispielsweise das fränkische Familienunternehmen NCP engineering aus Nürnberg eine solche Software für die sichere VPN-Kommunikation an. Die Lösung ist skalierbar, lässt sich also bei schwankenden Nutzerzahlen problemlos anpassen. Ähnlich wie bei einem Streaming-Abo können Lizenzen auch nur für kurze Zeit erworben werden, wodurch das Budget der Kunden nicht dauerhaft und nicht einmalig hoch belastet wird. “Unsere Lösung funktioniert mit jedem Betriebssystem. Sie ist sowohl auf Anwender- als auch auf Administratorseite sehr einfach zu bedienen” erläutert Bernd Steinle, Director Strategic Alliances bei NCP.

Stark gestiegene Nachfrage Die Nachfrage nach derartigen Lösungen hat in den vergangenen Wochen stark zugenommen. Denn nur so lässt sich Homeoffice unter Zeitdruck implementieren und damit die Sicherheit der Netze aufrechterhalten. Dabei ist es nicht eben trivial, das private Heim mit dem hermetisch abgeriegelten Intranet einer Behörde zu verbinden.

Behörden bauen Kapazitäten aus Der Freistaat Bayern hat bereits zusätzlich rund 150.000 Lizenzen bei NCP angefragt. Dabei hängen oft mehrere Nutzer und Geräte an einer Lizenz. “Selbst bei solch großen Bestellungen gilt bei uns:

Wer am Montag anruft, kann dank Remote Access schon am Donnerstag live sein”, erklärt der NCP-Experte Bernd Steinle. Remote Access bedeutet, dass die Software aus der Ferne verwaltet wird. Deshalb haben nicht nur das ITDienstleistungszentrum Bayern, sondern auch Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder das Saarland weitere VPN-Kapazitäten angefragt. Zu den Kunden gehören auch Bundes- und Landesministerien, Polizeibehörden, die Bundesagentur für Arbeit und Unternehmen, welche die Lösung in eigene Angebote integrieren, wie die Deutsche Telekom, Juniper, Lancom oder Sophos. Über 100 konkrete Angebotsanfragen erreichen derzeit NCP pro Tag.

Ausrüstung und Einrichtung der Hardware Zumindest auf der ersten Ebene – der sicheren Anbindung – dürften die Behörden keine großen Probleme haben. Sowohl technisch steht die Endezu-Ende-Verschlüsselung sehr schnell bereit und auch die Abrechnungsmodelle sind flexibel. Auf der Hardwareebene dürfte es schwieriger werden, die Mitarbeiter auszurüsten und Laptops individuell einzurichten. Aber auch hier zeigt sich, dass die Verantwortlichen mit sehr viel Engagement und Kreativität daran arbeiten, auch hier Lösungen zu finden, die hoffentlich in weiten Teilen auch nach der Krise den Beschäftigten – im Sinne eines attraktiven Arbeitsplatzes – weiterhin zur Verfügung stehen werden.


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B

ehörden Spiegel: Herr Peter, Cisco ist in erster Linie als Anbieter von Basiskomponenten für Kommunikationsnetze auch in der öffentlichen Verwaltung bekannt. Was ist aus Ihrer Sicht entscheidend, um Behörden netzseitig sicher gegen Cyber-Angriffe aufzustellen?

Peter: Große Behörden in Deutschland werden genauso wie große deutsche Unternehmen täglich tausendfach mit Schadsoftware über E-Mail und über Web angegriffen. All diese Angriffe, die letztlich auf Endysteme zielen, werden über das Netz transportiert. Insofern sehen wir eine Riesenchance, das Netz auch als Abwehrmechanismus zu nutzen. Um die Masse an Angriffen abzuwehren, kommen Sie um weitgehende Automatisierung nicht herum. Die Idee ist, Bedrohungslagen weltweit zu analysieren und diese Intelligenz dann deutschen Behörden genau wie Wirtschaftskunden zur Verfügung zu stellen, um ihre Netze sicher zu machen, bevor diese Bedrohungen hier zum ersten Mal auftauchen. Für den Bruchteil der Angriffe, die durchkommen, brauchen Sie außerdem eine Art Feuerwehr, die Vorfälle schnell bearbeitet, sodass der Betrieb weitergeht. Ich kenne die Zahlen für Cisco. Blockiert werden bei uns annähernd 100 Prozent der Angriffe. Von 47 TB Netzwerktraffic bleiben durch Automatisierung, Machine Learning und KI nur noch bei rund 20 Fällen pro Tag manuelle Interventionen nötig. Das sind häufig Kleinigkeiten wie ein infizierter PC, der bereinigt werden muss. Wichtig ist, den Anteil dessen, was automatisiert geblockt wird, so hoch zu halten, dass die Anzahl der manuellen Interventionen beherrschbar bleibt. Nur so können sich die Verwaltungen und ihre IT-Abteilungen auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren, statt sich im täglichen Krieg mit neuen Angriffsmustern zu verlieren oder im schlimmsten Fall lahmgelegt zu werden. Das ist die Rolle, die aus meiner Sicht das Netz hinsichtlich Sicherheit spielen muss: Der Verwaltung den Rücken freihalten für die wichtigen Themen. Behörden Spiegel: Herr Rahe, das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 ist schon seit Längerem in der Vorbereitung. Wie gut ist Deutschland denn aufgestellt, was rechtliche Grundlagen und Sicherheitsanforderungen angeht?

IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Mai 2020

Den Rücken freihalten Netzinfrastruktur als Abwehrmechanismus (BS) Egal, auf welche Systeme oder Ressourcen kriminelle Hacker zielen, durch das Netz müssen sie alle. Wie die Basisinfrastruktur Teil der Lösung beim sicheren IT-Betrieb sein kann und wie vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Verwaltung und Herstellern gelingt, darüber sprach Guido Gehrt mit Uwe Peter, dem Geschäftsführer und Vice President, sowie Jonas Rahe, dem Direktor Öffentliche Hand bei Cisco Deutschland. Blick muss schon ein Stück tiefer gehen können. Und das ermöglichen wir den Kunden, damit sie souverän entscheiden können. Behörden Spiegel: Bei der Diskussion um digitale Souveränität gehören zu den typischen Reflexen aber auch Vorbehalte gegen Anbieter aus China und den USA. Wie ist Cisco als US-Unternehmen davon betroffen?

Interview in Bonn: (v. l.) Jonas Rahe (Direktor Öffentliche Hand bei Cisco Deutschland), Uwe Peter (Geschäftsführer und Vice President bei Cisco Deutschland), Guido Gehrt (Leiter der Bonner Redaktion des Behörden Spiegel) Foto: BS/Cisco

Rahe: Grundsätzlich braucht dass mit mehr Regulierung hier Praxis-Labor unter realistischen Bedingungen getestet werden. es in dem Bereich einen Rechts- mehr Awareness entsteht. Die Möglichkeit geben wir unserahmen. Und je klarer der ausBehörden Spiegel: Sie spre- ren kritischen Kunden und dem fällt, umso besser. Noch besser wäre eine einheitliche Linie für chen die notwendige Expertise Bundesamt für Sicherheit in der die Europäische Union. Wenn auf Anwenderseite an, um IT- Informationstechnik (BSI). Bonn Deutschland mit einer schär- Architekturen sicher zu gestalten. bietet sich hier als Standort weferen Regulierung erst einmal Dazu gehört für Sie auch der Ein- gen der Nähe zum BSI an, aber vorangeht, ist das dennoch zu blick in den Quellcode? auch weil wir viele Großkunden wie Serviceprovider in der Umbegrüßen. Allerdings sehe ich Peter: Genau. Wir haben hier- gebung haben, die auch sehr eine Diskrepanz zwischen dem, was konzeptionell diskutiert und für den Technology Verification hohe Sicherheitsanforderungen eingefordert wird und der Reali- Service (TVS) eingerichtet. Da- haben, nach denen wir regelmätät, sowohl in der Wirtschaft als bei geht es darum, dass Kun- ßig prüfen. auch in der Verwaltung. Wenn den die Produkte bis hin zum man sich IT-Ausschreibungen Quellcode prüfen können. Wir Rahe: Das TVS-Center ist neanschaut, fragt man sich oft: Wo schaffen diese Prüfungsmöglich- ben unserem Security & Trust ist das Thema IT-Sicherheit be- keit und schützen gleichzeitig Office ein weiter Baustein, um rücksichtigt? Eigentlich sind sich unsere Intellectual Property. Es durch Transparenz Vertrauen alle einig, dass eine solide Absi- gibt zurzeit zwei Zentren welt- aufzubauen. Das geht nur über cherung bei sensiblen Infrastruk- weit, in der Schweiz und in den engen Austausch mit allen Beturen ganz esteiligten. Im senziell ist. Da Rahmen der “Was wir brauchen, sind klare Anforderungen und reicht es dann Diskussionen aber nicht, zertifizierte Sicherheit nach international anerkann- u m d i g i t a l e Souveränität einfach noch ten Standards. Und wir brauchen vor allem auch gibt es häufig eine Firewall mit einzukauZuliefersicherheit. Die Produktionsketten müssen so d e n R e f l e x , fen, um sagen ausbalanciert sein, dass man politische Spannungen m a n m ü s s e wieder alles zu können, oder Krisen verschmerzen kann.” selber madass man sicher ist. Eine Uwe Peter chen. Aber das ganzheitlifunktioniert in che Sicherheitsarchitektur zu USA, wo diese Art der Prüfung einer globalisierten und arbeitsentwickeln und entsprechend stattfinden kann. teiligen Welt nicht. Unser Ansauber mit auszuschreiben, ist Darum haben wir vor ein paar satz ist: Nehmt euch die beste natürlich aufwendig und erfor- Monaten in Ergänzung dazu Technologie, die es auf der Welt dert viel Expertise. Aber es ist das Technology Verification gibt, aber seht zu, dass ihr sie unbedingt notwendig und erfolgt Service Center (TVS-Center) in versteht. Das erfordert aber heute oft noch nicht so, wie es Bonn eingerichtet. Dort können mehr, als sozusagen nur die angebracht wäre. Zu hoffen ist, unsere Komponenten in einem Packungsbeilage zu lesen. Der

Rahe: Skepsis gegenüber amerikanischen Unternehmen erleben wir tatsächlich immer wieder. Wir für unseren Teil haben Interesse an langfristigen Beziehungen und dafür wollen wir das notwendige Vertrauen schaffen. Das geht nur durch Transparenz. Wann immer eine Institution in irgendeiner Art Bedenken hat, lade ich sie ein, diese einmal konkret zu formulieren und über das Security & Trust Office in den Dialog da­ rüber zu gehen. Und sie können über den TVS in den Quellcode schauen, um alle Datenflüsse nachzuvollziehen. Konkrete Vorwürfe, es gebe unerwünschte Funktionen in Cisco-Produkten, habe ich aber noch nicht gehört. Peter: Andersherum kann aber die Infrastruktur genau ein Teil der Lösung sein. Wenn Sie ein Netz bauen, können Sie entscheiden, welche Applikationen direkt bei Ihnen gehostet werden sollen, weil sie absolut kritisch sind. Wo erlauben Sie, dass eine Cloud eines öffentlichen Anbieters genutzt wird und wo nicht? Das Netz stellt sicher, dass nur die Datenflüsse so stattfinden, wie sie eben erlaubt sind. Verstöße können erkannt, gemeldet und geblockt werden. Wir sind genau diejenigen, die entsprechende Lösungen liefern, um das durchzusetzen. Rahe: Und bei allen unseren Lösungen, wie beispielsweise dem Cloud-Videokonferenzsystem Webex, ist die Konformität zur Datenschutzgrundverordnung gewährleistet. Für solche Services haben wir auch deutsche

das nicht weiterbringen. Wir werden langsam sein und wichtige Ressourcen ins falsche Thema investieren. Wir müssen unsere Industrie und unsere Verwaltung digitalisieren. Applied in Germany muss wichtiger sein als Made in Germany. Das natürlich auf einer sicheren Grundlage. Die können wir schaffen, wenn wir wissen, was die Technik macht, was da in den Systemen passiert. Da sehe ich auch den ersten positiven Effekt der Diskussion, dass in dem Zusammenhang die Awareness mittlerweile da ist. Was wir schaffen müssen, sind sichere Plattformen für Deutschland und Europa, wo unsere Intellectual Properties gesichert sind auf Grundlage unserer Vorstellungen von Datenschutz, Urheberrecht und so weiter. Man kann sich fragen, ob wir uns mit den hohen Standards nicht vielleicht zu sehr einschränken. Ich sehe darin aber eher einen Wettbewerbsvorteil. Was wir schützen – unsere Daten und Intellectual Properties – ist genau das, was unseren Wohlstand letztlich ausmacht. Behörden Spiegel: Sie spielen hier auch auf die von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vorgeschlagene Cloud-Infrastruktur Gaia-X an. Ist so ein Projekt überhaupt zeitnah zu stemmen? Peter: Es gibt dafür sichere technische Lösungen. Das kann man relativ schnell bauen. Wir wären gerne dabei. Cisco könnte da einen Riesenbeitrag leisten. Der entscheidende Punkt besteht in der richtigen Skalierung, also eine kritische Größe hinzubekommen, die nicht ausbremst, sondern beschleunigt. In Europa haben wir eine Herausforderung mit 27 unterschiedlichen Gesetzgebungen. Fokuspunkt Nummer eins muss die Sicherheit sein, da brauchen wir einen klaren Rahmen. Das Ansinnen der europäischen Politik sollte aber nicht sein, zu definieren, wo die Komponenten herkommen müssen. Was wir brauchen, sind klare Anforderungen und zertifizierte Sicherheit nach international anerkannten Standards. Und wir brauchen vor allem auch Zuliefersicherheit. Die Produktionsketten müssen so ausbalanciert sein, dass man politische Spannungen oder Krisen verschmerzen kann.

“Unser Ansatz ist: Nehmt euch die beste Technologie, die es auf der Welt gibt, aber seht zu, dass ihr sie versteht. Das ­erfordert aber mehr, als sozusagen nur die Packungsbeilage zu lesen. Der Blick muss schon ein Stück tiefer gehen können.” Jonas Rahe

oder europäische Rechenzentren. Cisco hat eine sehr deutliche Haltung zu der Thematik. Unser Vorstand wird nicht müde zu unterstreichen: Datenschutz ist ein Menschenrecht, das wir schützen müssen. Behörden Spiegel: Die Diskussion um digitale Souveränität dreht sich auch darum, dass im Bereich der digitalen Technologien nur ein geringer Teil der weltweiten Wertschöpfung in Deutschland und Europa erfolgt. Peter: Wir finden diese Diskussion auch richtig und wichtig. In erster Linie schaue ich auf die deutsche Wirtschaft. Da muss man feststellen, dass der Produktivitätszuwachs in den letzten Jahren jedes Jahr geringer war als der in den USA oder in vielen fernöstlichen Ländern. Wir brauchen sichere Optionen, müssen aber auch aufpassen, uns nicht selbst zu bremsen. Wenn wir jetzt anfangen, in Europa unsere eigenen Chips zu bauen, wird uns

Behörden Spiegel: Wären solche gemeinsamen Plattformen auch für die Verwaltung der richtige Weg? Nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen wird ja oft eher auf Eigenbetrieb gesetzt. Rahe: Es gibt für die öffentliche Verwaltung viele Wege, die sie auch mit uns gehen kann. Wir bieten auch Multi-CloudLösungen an, die die großen Hyperscaler berücksichtigen. Aber es gibt in vielen Bereichen eine klare politische Linie, eigene Infrastruktur in Rechenzentren zu bauen. Auch da können wir unterstützen. Die Frage ist nur, wie schnell bekommen Sie das hin? Wenn man heute ein Konzept aufstellt, sind die großen Hyperscaler ja schon wieder einen Schritt weiter, sobald Sie anfangen, das aufzubauen. Eine übergreifende Verwaltungsplattform ist ein spannender Ansatz, weil Sie dann eher eine kritische Größe erreichen können. Für so eine Lösung würden wir gerne unseren Beitrag leisten.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Mai 2020

Corona in Afrika

KNAPP Permanent im Innenministerium

Befürchtete Auswirkungen auf Europa

(BS/Dr. Gerd Portugall) Nach der Videokonferenz mit den anderen EU-Außenministern, in der es u. a. um die angespannte Lage in Libyen ging, sagte Minister Heiko Maas (SPD) Ende (BS/mfe) Der Kampf gegen KinApril vor dem Bundestag: “Selbst jetzt, wo das Coronavirus Kämpfer und Zivilisten gleichermaßen bedroht, geht der Konflikt in Libyen mit unverminderter Härte weiter und erschwert desmissbrauch und Kinderpordie Pandemiebekämpfung, und zwar mit unkalkulierbaren humanitären und politischen Konsequenzen” – auch für Europa? nografie wird ab sofort dauerhaft All diejenigen, warnte der SPDPolitiker im Parlament, die versuchten, die Corona-Krise auszunutzen, um militärische Fakten zu schaffen, sollten wissen, “dass die internationale Staatengemeinschaft nach der Krise nicht bereit sein wird, diese Fakten anzuerkennen”. Ob sich Bürgerkriegsakteure wie z. B. General Chalifa Haftar durch solch eine “Drohung” beeindrucken lassen, sei einmal dahingestellt. Dabei räumte der deutsche Chefdiplomat ein: “Man muss in aller Offenheit sagen, dass sich die Erwartungen, die wir angesichts der Libyen-Konferenz in Berlin und des Berliner Prozesses insgesamt hatten, in den letzten Wochen und Monaten nicht erfüllt haben. Die CoronaKrise – das Virus verbreitet sich auch in Libyen mit rasender Geschwindigkeit – hat daran ihren Anteil.” Als Sofortmaßnahme beteilige sich Deutschland “mit mehr als 70 Millionen Euro” über den EU-Nothilfefonds für Afrika an der Arbeit der Internationalen Organisation für Migration. Gedacht sind die Gelder als “Hilfen bei der freiwilligen Rückkehr von Migranten und für Schutzmaßnahmen in Libyen”, so Maas. Damit wird das eigentliche Problem sichtbar: Die Politik sorgt sich, dass die Corona-Pandemie den Migrationsdruck in Libyen Richtung Europa noch verstärkt.

EU-Operation “Irini” Ende April beschloss das Bundeskabinett, dass die Bundeswehr sich im Mittelmeer an der Mission “European Union Naval Force/Mediterranean” (Operation “Irini”) beteiligen soll, die zunächst bis Ende April 2021 gefahren werden soll. Ziel dieser EU-Mission ist es – wie schon zuvor bei der Operation “Sophia” –, das UN-Waffenembargo gegen-

Sea Guardian

SNMG 2

Mittelmeer [seit Oktober 2016]

Mittelmeer [seit 2005]

Noch mehr Migrationsgründe

Operation Irini

Mittelmeer [ab Mai 2020]

MINURSO

Westsahara [seit Oktober 2013]

MINUSMA

Mali, Senegal [seit Juli 2013]

EUTM Mali

Atalanta

UNAMID

UNMISS

Somalia, Äthiopien, Dschibuti und Eritrea [seit Dezember 2008]

Mali [seit März 2013]

Sudan, Darfur [seit November 2007]

Südsudan [seit Juli 2011]

Die aktuellen Auslandseinsätze der Bundeswehr in Afrika und im Mittelmeer: überall herrscht Corona-Gefahr. Grafik: BS/Liesegang unter Verwendung von © Ivan Mogilevchik, adobe.stock.com; © Puckung, adobe.stock.com; © irina, Fotolia.com

über Libyen zu überwachen und durchzusetzen. Die EU-Soldaten sollen Verstöße gegen das Embargo aufklären. Außerdem könnten die bewaffneten Kräfte die illegale Erdöl-Ausfuhr verhindern. Ein weiteres Missionsziel ist die Ausbildung und der Fähigkeitsaufbau der libyschen Küstenwache und Marine. Die EU-Soldaten sollen außerdem dazu beitragen, die Schleuser- und Menschenhändlernetzwerke im zentralen Mittelmeer zu bekämpfen. Bis zu 300 deutsche Soldaten sollen sich an der Operation “Irini” beteiligen. Dazu wird zunächst ein Seefernaufklärer des Typs Lockheed P-3C “Orion” eingesetzt. Außerdem werden Bundeswehr-Soldaten in den Führungsstäben der Operationsführung tätig sein. Ab August wird zudem der Einsatz eines deutschen Kriegsschiffes angestrebt. Grundlage für den Einsatz der Bundeswehr sind

obachter befinden. Das CoronaRisiko in der Westsahara wird als moderat eingeschätzt. Trotzdem gilt eine 14-tägige Quarantäne in Deutschland und im Einsatzland. Außerdem hat sich die Gesundheitslage der Flüchtlinge im Raum der algerischen Grenzstadt Tindouf deutlich verschlechtert.

die einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates.

Auslandseinsätze der Bundeswehr Die Corona-Pandemie beeinflusst auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Noch Ende März registrierte das Kommando Sanitätsdienst (Kdo SanDstBw) in Mali ein moderates Übertragungsrisiko des Virus. Zwar zählte die Johns Hopkins University (JHU) Mitte April nur 87 bestätigte COVID-19-Infizierte – eigentlich nicht viel bei rd. 20 Millionen Einwohnern –, aber nur fünf Tage später waren es bereits 171 Infektionen, d. h. der Wert hat sich fast verdoppelt. Eine Woche später lautet der Wert schon 309. Die daraus logisch folgende Warnung der JHU: die Ausbreitung beschleunigt sich. Laut Kdo SanDstBw sei nun “von erhöhtem Übertragungsrisiko auf eigene Kräfte” auszugehen.

Die UNO verkündete Anfang April, dass in allen BlauhelmMissionen bis zum 30. Juni keine Kontingentwechsel stattfinden dürften. Die Bundeswehr will das umgehen, indem das neue UN-Kontingent für MINUSMA zweimal 14 Tage in Quarantäne gehen könnte: zuerst in Deutschland, dann noch einmal bei der Ankunft in Mali. Das würde allerdings den Einsatz für die Soldaten noch belastender machen, als er ohnehin schon ist. Drängendere Konflikte in anderen Regionen haben dazu geführt, dass z. B. der nach wie vor ungelöste Konflikt in der Westsahara zwischen Marokko und der “Frente Polisario” – inkl. seiner Folgen im Gesundheitsbereich – aus der öffentlichen Wahrnehmung nahezu verschwunden ist. Und das, obwohl sich dort im Rahmen der UN-Mission MINURSO zur Waffenstillstandsüberwachung bis zu vier deutsche Militärbe-

Der Höhepunkt der CoronaKrise in Afrika ist sicher noch lange nicht erreicht, da die aktuellen Infektionszahlen aufgrund fehlender Massentests absolut nichtssagend sind. Der Begriff “Gesundheitssystem” ist für zahlreiche Staaten dort zu hoch gegriffen. Erschwerend kommt ein weiteres Problem hinzu: Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollen in einigen Ländern Afrikas 60 Prozent der Arzneimittel von der grassierenden Verbreitung gefälschter oder minderwertiger Medikamente betroffen sein. Außerdem: Während z. B. in Frankreich Ärzte beim größten Patientenansturm die sog. “Triage” (franz. für “Auslese”), d. h. die Priorisierung medizinischer Leistungen, anwenden mussten, findet diese in Afrika teilweise bereits in den betroffenen Familien statt. Ulrike Last von der Hilfsorganisation Handicap International berichtet, dass viele Familien in Somalia selbst schon eine Triage zuhause machten, weil sie überlegen müssten: Können wir es uns überhaupt leisten, die Großmutter oder das Kind zum Krankenhaus zu bringen? In Afrika herrscht beileibe kein Mangel an Migrationsgründen: Es gibt Motive politischer, wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und klimatischer Art. Die Gründe sind oft auch miteinander verflochten. Erschwerend kommen nun noch die Auswirkungen der Corona-Pandemie hinzu.

im nordrhein-westfälischen Innenministerium verankert. Das Referat “Kindesmissbrauch/ Besondere Kriminalitätsangelegenheiten” wird im Bereich des Landeskriminaldirektors in der Polizeiabteilung angesiedelt. Das kündigte Ressortchef Herbert Reul (CDU) an. Die Einrichtung des neuen Referats ist eines der Ergebnisse der Arbeit der Stabsstelle “Kindesmissbrauch/Kinderpornografie”, die im April vergangenen Jahres ihre Arbeit im Düsseldorfer Innenministerium aufnahm. Ihre Mitglieder waren von Reul damit beauftragt worden, die Strukturen und Prozesse bei der kriminalpolizeilichen Bearbeitung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie in der nordrhein-westfälischen Polizei umfassend zu analysieren und anschließend Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten.

MGCS-Abkommen unterzeichnet (BS/por) Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre französische Amtskollegin Florence Parly haben ein Rahmenabkommen für das MGCASProgramm (“Main Ground Combat System”) unterzeichnet, in dem Projektorganisation und Managementstrukturen festgelegt werden. Aufgrund der CoronaLage haben sich die Ministerinnen nicht zur gemeinsamen Unterzeichnung treffen können. Das unter deutscher Führung umzusetzende Vorhaben MGCS soll ab Mitte der 2030er-Jahre die Kampfpanzer “Leopard 2” und “Leclerc” beider Staaten ablösen. Die zu schließenden Verträge beruhen auf einer je 50-prozentigen Finanzierung. Die Ministerinnen haben dabei auch ein Durchführungsabkommen für eine Systemarchitektur-Definitionsstudie gezeichnet.


Innere Sicherheit

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Dienstherren gefordert

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enn das Arbeitsschutzgesetz schreibt für Ganzkörpervibrationen Höchstgrenzen vor. Demnach beträgt der sogenannte Expositionsgrenzwert 0,8 Meter pro Sekunde zum Quadrat. Der sogenannte Auslösewert liegt bei 0,5 Metern pro Sekunde zum Quadrat. Werden diese Werte überschritten, ist der jeweilige Dienstherr oder Arbeitgeber verpflichtet, organisatorische und technische Maßnahmen zur Gesunderhaltung seiner Beschäftigten zu ergreifen. Darauf weist der stellvertretende Bundesvorsitzende der “Bundesvereinigung fliegendes Personal der Polizei” (BfPP), R. Uwe Kraus, hin. Und bei einer von seinem gewerkschaftlichen Berufsverband in Auftrag gegebenen Vorstudie habe sich gezeigt, dass der Airbus-Hubschrauber H145 sowie die EC 145 den Auslösewert überschritten und sich das Modell EC 135 – ebenfalls von Airbus – im Gefährdungsbereich des Auslösewertes befinde. Diese Hubschraubertypen seien derzeit noch bei allen Polizeistaffeln der Länder und des Bundes im Einsatz, erläutert Kraus.

Airbus Helicopters widerspricht Der Hersteller selbst widerspricht. Von dort heißt es, dass die Produkte von Airbus Helicopters behördlich zertifiziert seien und allen Vorschriften in puncto Sicherheit und Gesundheit entsprächen. Man stehe mit den Kunden in einem ständigen Dialog über weitere Verbesserungen. BfPP-Vorstandsmitglied Kraus erwartet unter anderem eine Weiterentwicklung physiotherapeutischer Präventionsprogramme, eine Anpassung der fliegerischen Verfahren hinsichtlich einer Belastungsreduzierung sowie die Einbindung des Herstellers bezüglich technischer Verbesserungen, wo es machbar ist.

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ie westliche Welt stehe dank der drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens sowie der “aufgewühlten Märkte” am Rande einer großen ökonomischen Katastrophe. Diese Ansicht teilen so gut wie alle Wirtschafts- und Finanzanalysten. Denen zufolge ist nach der aktuellen Corona-Krise, einer Gesundheitskrise eminenten Ausmaßes, zunächst eine da­ raus resultierende Finanzkrise mit Wertverlusten von 30 bis 40 Prozent zu erwarten. Danach folge ein deflationärer Schock für die Realwirtschaft mit einer Welle von Konkursen, ehe sich, wenn nicht umfassend, schnell und effektiv gegengesteuert werde, letztlich sogar die grundsätzliche Frage nach dem Fortbestand unseres Geld- und Wirtschaftssystems stellen könne.

Prison-Break-Kampagne des Daesh Kein Wunder, wenn dieses “Gottesgeschenk” vom Daesh nicht nur begeistert konstatiert, analysiert und kommentiert, sondern auch für Propaganda und Aktionen genutzt wird. Mit Genugtuung registrierten die Terroristen zunächst, dass zum Beispiel die NATO-Aktivitäten zur Ausbildung irakischer Soldaten für die Dauer von 60 Tagen ausgesetzt und “signifikant reduziert” wurden. Ausgeblendet wurde bei diesen “frohen Botschaften”, dass auch Daesh-Kämpfer den gleichen Gefahren ausgesetzt sind. Die Angst vor Corona grassiert insbesondere in kurdischen oder irakischen Gefängnissen. Die Zahl der Unruhen und der Ausbruchsversuche steigt. Gezielt ruft die Daesh-Führung zu einer neuen Prison-Break-Kampagne auf, die schon 2014 äußerst erfolgreich war. Man hofft, große Teile der allein im Irak inhaftierten 20.000 Kämpfer damit

Behörden Spiegel / Mai 2020

Hubschrauberbesatzungen müssen vor Vibrationsbelastungen geschützt werden (BS/Marco Feldmann) Die Crews von Hubschraubern sind während ihrer Dienste im Helikopter zahlreichen Einflüssen ausgesetzt. Dazu zählen neben dem Schicht- und Bereitschaftsdienst unter anderem Lärm und Gerüche. Aber auch die Vibrationen, die auf den Körper von Pilot, Co-Pilot und Systemoperator wirken, dürfen keinesfalls unterschätzt werden. Hier besteht jedoch offenbar Handlungsdruck für Dienstherren beziehungsweise Arbeitgeber. Zudem plädiert er angesichts der Resultate der Studie für eine Verstetigung physiotherapeutischer Maßnahmen über die Heilfürsorge, ein betriebliches Gesundheitsmanagement und entsprechende Eingliederungsmaßnahmen sowie die Bewilligung von Vorsorgekuren für die betroffenen Crewmitglieder.

Messreihen. Eine abschließende Bewertung sei deshalb derzeit noch nicht möglich. Die Bereitstellung des Hubschraubers sei stellvertretend für alle neun Staffeln bundesweit erfolgt, in denen noch EC 135 im Einsatz seien, ergänzt Kraus von

ministerium. Dazu meint Kraus: “Die beschriebene Entwicklung des Programms zum Muskelaufbau und zum Bewegungsablauf basiert auf dem durch die Studie entwickelten physiotherapeutischen Programm der entsprechenden Experten des Marien-

ermächtigung in Höhe von 100 Millionen Euro ausgebracht worden, um die Auslieferung der ersten beiden neuen Hubschrauber Ende 2022 zu ermöglichen. Die derzeit genutzten Helikopter fliegen aus Sicht Herrmanns mit Blick auf ihre Reichweite und Zuladungsmöglichkeit “an der Leistungsgrenze”.

Noch keine abschließende Bewertung in Bayern

Mittelfristig Umrüstung vorgesehen

An der Studie beteiligt waren neben Wissenschaftlern der Fachhochschule Aachen die Polizeihubschrauber- und Polizeifliegerstaffeln Baden-Württembergs, Bayerns, Hessens und der Bundespolizei. Ziel war, die aktuellen und am meisten vertretenden Polizeihubschrauber in die Untersuchung zu integrieren. Es wurden unter anderem Messflüge und dreidimensionale Vermessungen von Hubschraubern und Besatzungsmitgliedern durchgeführt. Aus dem Münchner Innenministerium heißt es zu der Expertise, der weitere Untersuchungen folgen und die nun der Fachöffentlichkeit weiter bekannt gemacht werden soll, dass die Polizeihubschrauberstaffel des Freistaates für die Studie einen Helikopter vom Typ EC 135 in der bayerischen Polizeiversion zur Verfügung gestellt habe. Die aus den Versuchsreihen gewonnenen Rohdaten bedürften jedoch noch weiterer wissenschaftlicher Auswertungen, unter anderem mit zusätzlichen Versuchs- und

Aus dem baden-württembergischen Innenministerium ist zu vernehmen, dass die durch den Vierblatt-Rotorbetrieb verursachten Vibrationen bei dem im “Ländle” geflogenen Muster H 145 bekannt seien. Außerdem seien sie bereits Gegenstand von Gesprächen mit dem Hersteller gewesen. Momentan sei beabsichtigt, mittelfristig die Luftfahrzeuge mit der Fünf-Blatt-Rotortechnik auszustatten. Deutlich schmallippiger gab sich – mit Verweis auf die derzeitige CoronaLage – die Bundespolizei. Auch dort würden die Ergebnisse der Studie ausgewertet und Handlungsoptionen abgewogen, heißt es von der zuständigen Bundespolizeidirektion 11. Dort ist die Bundespolizei-Fliegergruppe mit ihren Staffeln ressortiert. Aus Hessen ist zu hören, dass das dort eingesetzte Modell Airbus EC 145 den Expositionsgrenzwert von 0,8 Meter pro Sekunde zum Quadrat zu keinem Zeitpunkt überschritten habe. Mit 0,566 Metern pro Sekunde zum Quadrat sei aber ein Vibrati-

Einige bei Polizeihubschrauber- und Fliegerstaffeln in Deutschland eingesetzte Fluggeräte sind hinsichtlich der Vibrationsbelastungen, denen ihre Besatzungen ausgesetzt sind, kritisch zu betrachten. Hier im Bild befinden sich die EC(H)135 (vorne) und die SuperPuma AS332 der Bundespolizei (hinten). Foto: BS/Tom Pacher, BfPP

der BfPP. Es sei schlicht nicht möglich, alle EC 135 mit den unterschiedlichen Ausstattungen in den Ländern und beim Bund zu testen, sagt er. Unabhängig davon sei das Fortbildungsinstitut der bayerischen Polizei bereits beauftragt worden, ein gezieltes Beweglichkeits- und Muskelaufbauprogramm für das fliegende Personal zu entwickeln, heißt es aus dem Landesinnen-

hospitals Stuttgart.” Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigt mit Blick auf die acht bei der Polizeihubschrauberstaffel eingesetzten Modelle des Typs EC 135 an: “Um die Einsatzlagen künftig bestmöglich zu bewältigen, ist ein schnellstmöglicher Umstieg auf ein größeres Modell dringend geboten.” Im aktuellen Nachtragshaushalt sei deshalb eine Verpflichtungs-

Eine neue Dimension des Bioterrorismus Israel und Juden besonders durch Islamisten gefährdet (BS/Uwe Kranz) Natürlich wirkte die Corona-Pandemie für islamistische Terroristen geradezu wie ein “Gottesgeschenk”. Der Daesh nannte das Virus prompt ein “göttliches Werk”, das den “Kreuzzügler-Nationen schmerzhafte Qualen” zufüge. Damit meint er all die westlichen Staaten, die sich in der Anti-Daesh-Koalition zusammengeschlossen haben. Weiter schreibt der Daesh (vermutlich zu Recht), dass die weltweit ausgebrochene Angst vor dem Virus weit größer und effektiver sei als die Folgen der Pandemie selbst. reaktivieren zu können. Weitere 11.000 Daesh-Kämpfer werden in rund 25 Gefängnissen und Camps in Nordsyrien bewacht. Aber wie lange noch?

Syrien unterstützt Terroristen Die Zahl der Daesh-Kämpfer in syrischen Gefängnissen ist unbekannt, eher finden sich Informationen über syrische Offiziere und Soldaten, die gemeinsam mit Terroristen kämpfen. Seit dem Fund der “Sinjar records” im Jahre 2008 ist ohnehin bekannt, dass die syrische Regierung, wo immer für sie von Nutzen, mit den Terroristen paktiert und sie generell seit Jahren zumindest finanziell und logistisch unterstützt. Durch den im Herbst 2019 begonnenen Rückzug ihrer Truppen lassen die USA die von der Türkei und dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad bedrängte kurdisch geführte SDF regelrecht im Stich, spielen damit den Terroristen in die Hände und gefährden die Erfolge des jahrelangen und opferreichen Kampfes gegen den Daesh. Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung der “terroristischen Corona-Lage” außerdem die islamischen Terroristen ohnehin eigene “Todessehnsucht” im Dschihad, gepaart mit der Aussicht auf das Paradies und die versprochenen 72 Jungfrauen. Was gilt da schon eine “nur vielleicht” tödliche Infektion? Kein Wunder, dass schon im Februar dieses Jahres Analysten darüber berichteten, dass

zwischen 50 und 150 Corona-Infizierte unter den iranischen Milizionären und in den Reihen des Daesh zwischen Syrien und Irak verortet wurden. Dabei handelt es sich um Menschen, die weder offizielle ärztliche Betreuung genießen noch registriert oder statistisch erfasst werden und die eine deutlich höhere Infektionsrate haben dürften. Syrien meldet dagegen, es sei infektionsfrei. Ein schlechter Witz. Im Iran ist die Zahl der offiziell bestätigten Fälle in kürzester Zeit auf mehr als 50.000 explodiert. Es sind über 3.000 Tote zu beklagen. Die tödliche Pandemie hat selbst die Führungsebene der iranischen Revolutionsgarde und der Politik erreicht.

Hamas droht Israelis mit Erstickungstod Dennoch ist die Corona-Pandemie für den Daesh und andere islamische Terroristen eher eine neue, zusätzliche DschihadOption, die es auszunutzen gilt. Dies zeigt sich auch bei den Drohbotschaften der Hamas an Ägypten und Katar, “halb Israel in die Schutzräume zu schicken und damit die Zahl der CoronaPatienten zu erhöhen”, falls die katarische Finanzhilfe nicht in naher Zukunft an den Gazastreifen übergeben wird. Schon wenig später spielte Hamas-Führer

Der Behörden Spiegel-Terrorismusexperte Uwe Kranz warnt vor neuen Bedrohungen für den Staat Israel und Juden weltweit durch Islamisten. Foto: BS/Dombrowsky

Yahiya Sinwar persönlich in unverhohlener Weise auf den Holocaust an, indem er offen drohte, dass er mit Gewalt dafür sorgen werde, dass “sechs Millionen israelische Siedler unfähig sein werden, zu atmen”, sollte Israel nicht genügend Beatmungsgeräte für die Versorgung schwerkranker Corona-Patienten im Gazastreifen zur Verfügung stellen.

Pakistan als “Super Spreader” für muslimische Welt Eingeschleppt wurde das Virus in Gaza angeblich von zwei Männern, die in Pakistans Metropole Lahore einen von über 100.000 Menschen besuchten Kongress der weltweit friedlich und missionarisch aktiven salafistischen Missionsbewegung Tablighi Jamaat (TJ) besuchten. Pakistan wurde so zum staatlichen “Super Spreader” für die ganze muslimische Welt. Wie viele der Kongressteilnehmer kamen nach Westeuropa zurück? Sinwars Drohung muss unter anderem auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Hamas seit 2014 rund 120 Millionen US-Dollar in den Bau von Terror-

tunneln gesteckt haben dürfte, anstatt diesen Teil der globalen Hilfsgelder in ihr marodes Gesundheitssystem zu investieren.

Hass- und Hetzkampagne gegen Israel Die Drohung ist auch nur der jüngste Teil einer monatelangen Hass- und Hetzkampagne islamistischer Terrorgruppen. Sie reagieren damit auf die US-Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Noch vor Bekanntwerden konkreter Inhalte des Nahost-Plans von US-Präsident Donald Trump rief der Daesh zu Anschlägen gegen Israel auf. Ihr neuer Sprecher, Abu Hamza al-Qurayshi, forderte von den Muslimen aller Länder, insbesondere aus Palästina, die “Speerspitze im Kampf gegen die Juden” zu sein und die israelischen Siedlungsgebiete in ein “Testfeld für chemische Waffen und Raketen” zu verwandeln.

Keine einheitliche dschihadistische Sichtweise Gleichwohl: Eine einheitliche dschihadistische Sichtweise auf die Pandemie scheint es nicht zu geben. Die einen meinen, in ihr Allahs Strafgericht für alle Ungläubigen, vor allem für den “großen Satan” USA und den “kleinen Satan” Israel zu sehen. Sie berufen sich auf Sure 27 des Korans und glauben eher an eine akzidentielle Freisetzung des Virus (Laborunfall, Tiermarkt). Eine stetig zunehmende Zahl verfolgt jedoch eine Konspirationstheorie. Das Corona-Virus sei

onswert erreicht worden, der über dem Auslösewert von 0,5 Metern pro Sekunde zum Quadrat liege. Unabhängig von der Teilnahme an der BfPP-Studie sei im hessischen Bereitschaftspolizeipräsidium, dem die Polizeifliegerstaffel angehört, das Schwerpunktprojekt “Belastungen im Flugdienst” eingerichtet worden. Ziel sei es gewesen, im Rahmen einer physischen Gefährdungsbeurteilung die Belastungen zu erkennen, zu erheben und zu bewerten. Darauf aufbauend wurden Maßnahmen zur Gesundheitsprävention abgestimmt. So könnten die Kräfte der Fliegerstaffel einen umfangreich ausgestatteten Fitnessraum nutzen. Dort sei es möglich, zusammen mit ausgebildeten Übungsleitern spezifische Trainingsprogramme zu absolvieren. Dabei gehe es insbesondere um die Kräftigung und Mobilisation des Bewegungs- und Stützapparates. Zudem seien künftig Präventionskuren für hessische Polizisten geplant, auch für Mitglieder der Fliegerstaffel. Kraus von der BfPP bezweifelt, dass diese Maßnahmen unabhängig von der Studienteilnahme ergriffen worden seien.

ADAC Luftrettung hat erste Maßnahmen ergriffen Auch bei der gemeinnützigen ADAC Luftrettung sind die Ergebnisse der BfPP-Untersuchung bekannt. Details wurden allerdings noch nicht betrachtet. Ein Gespräch mit Vertretern der Bundesvereinigung ist geplant, konnte aber aufgrund der Corona-Pandemie noch nicht stattfinden. Allerdings seien bereits erste Maßnahmen beschlossen worden. So sollen Vibrationsdämpfer für die Sitze der Piloten und CoPiloten eingebaut werden. Von der DRF Luftrettung waren – mit Verweis auf die Belastung durch die Corona-Krise – keine Details zu erfahren.

eine biologische Waffe, entwickelt und intentional freigesetzt von den USA, um Chinas Wirtschaft und andere Feinde wie den Iran zu schädigen, auch wenn es eigene Opfer koste. Mit dieser Lesart lässt sich das fundamentalistische Weltbild der Dschihadisten aufrechterhalten. Auch die zweite Fatwa von Osama bin Laden behält dann ihre Gültigkeit für den ewigen Kampf gegen die “Juden und Kreuzfahrer”. Damit erübrigen sich für den wahren Dschihadisten auch Hygiene, soziale Distanz, Quarantänefragen und medizinische Betreuung. Kultur und Struktur werden die Pandemie im Nahen Osten rasant beschleunigen.

Migrationsströme sehr sorgfältig behandeln Vielleicht entstehen dort derzeit die ersten “Corona-Kompanien” des Daesh zur zoonotischen Übertragung des Virus, auf jeden Fall eine tickende Zeitbombe. Ein Grund mehr, die Migrationsströme mit größter Sorgfalt zu behandeln. Waren die Lehren aus 2015 noch “registriert ist nicht identifiziert”, müssen sie heute erweitert werden auf “registriert, identifiziert und nicht infiziert”.

Serie TERRORZIELE (TEIL 41) Israel und weltweit alle Juden sind schärfer in den Fokus des islamischen Terrorismus gerückt. Das ist bei der Beurteilung der Terrorlage künftig noch stärker zu beachten. Auch die Gefahr von rechts hat zugenommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn man die internationalen TelegramNachrichten der Neonazi-Szene berücksichtigt. In ihnen wird explizit dazu aufgerufen, Juden gezielt mit dem Virus anzustecken.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Mai 2020

U

m den Prozess dennoch voranzubringen und die Vergabe der Frequenzen möglichst noch im laufenden Jahr abzuschließen, hat die für das Verfahren zur Bereitstellung von Frequenzrechten zuständige Bundesnetzagentur (BNetzA) mit der Durchführung einer öffentlichen Konsultation zu Eckpunkten der künftigen Nutzung dieses Frequenzspektrums und der Veröffentlichung der Ergebnisse inzwischen weitere frequenzregulatorische Verfahrensschritte durchgeführt. In deren Mittelpunkt stand insbesondere der künftig vorgesehene Nutzungszweck des frei werdenden Frequenzspektrums. Weil ausfallsichere und bundesweit verfügbare Telekommunikationsnetze für Kritische Infrastrukturen (KRITIS) wie zum Beispiel der Energie- und Wasserwirtschaft von entscheidender Bedeutung sind, sollen die Frequenzen aus dem Bereich 450 MHz nach den Vorstellungen der BNetzA künftig zur Errichtung eines bundesweiten Funknetzes mit hoher Netzstabilität und -verfügbarkeit bereitgestellt werden und vorrangig dem Ziel der Sicherstellung der Schwarzfallkommunikation dienen. So soll sichergestellt werden, dass im Fall eines Leitungsausfalls die Kommunikation weiterhin aufrechterhalten werden kann. Hier argumentieren die BOS, dass sie ein ausfallsicheres Netz hätten, das eben auch den Energieversorgern zur Verfügung stehen könnte. Zumal die Handynetze bei einem Blackout ausfallen würden. Das Vorhaben der BNetzA stützt sich unter anderem auf einen Bericht des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung aus dem April 2011 (Bundestagsdrucksache 17/5672) sowie auf mehrere einschlägige Gutachten und einstimmige Beschlüsse der

Nutzung der 450-MHz-Frequenzen Bundesnetzagentur veröffentlicht Stellungnahmen der Konsultation (BS/Gerd Lehmann/Uwe Proll) Seit nunmehr zwei Jahren schwelt ein Interessenkonflikt zwischen der Energiewirtschaft und den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) um das zum 1. Januar 2021 frei werdende Frequenzspektrum von 2 x 4,74 MHz im 450-MHz-Bereich. Nachdem auf ministerieller Ebene keine Lösung gefunden werden konnte, wurde nun auch eine politische Entscheidung erneut vertagt. Wirtschaftsministerkonferenz und des Beirats der BNetzA. Zudem schied die Berücksichtigung der Bedarfe der BOS wohl auch deshalb aus, weil weder für die den BOS bereits im Jahr 2018 gewidmeten 2 x 8 MHz im 700-MHz-Band noch für die nun 2021 freiwerdenden Frequenzen im 450-MHz-Bereich ein schlüssiges finanziell durch Bund und Länder unterlegtes Nutzungskonzept vorliegt. Eine Bevorratung von Frequenzen widerspricht den Regulierungszielen der Telekommunikationsgesetzgebung. Allerdings verweisen die BOS darauf, seinerzeit nicht wie gewünscht ein breites Spektrum, sondern nur “Randbereiche” der 700 MHz-Frequenzen erhalten zu haben. Im Rahmen der öffentlichen Konsultation gaben insgesamt 132 Unternehmen und Verbände Stellungnahmen zu den Vorschlägen und Erwägungen der BNetzA ab. Die überwiegende Mehrzahl der Rückmeldungen kam von den Energie- und Wasserversorgern. Im Übrigen beteiligten sich an der Konsultation neben den Verbänden der Energie- und Wasserversorger auch die Verbände von Verkehrsunternehmen und des Professionellen Mobilfunks sowie alle deutschen Mobilfunkanbieter und Dienstleister. Zudem beteiligten sich die britische Telit Communications, die niederländische Utility Connect, das israelische Unternehmen Altair und die Interessenvertretung der Künstler und Kreativen “SOS – Save Our Spectrum”, die drahtlose Produk-

Der Konflikt um frei werdendes Frequenzspektrum im Bereich von 450 MHz, das auch von den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) genutzt werden könnte, geht weiter. Foto: BS/benjaminnolte, Fotolia.com

tionsmittel (PMSE) nutzen. Den veröffentlichten Stellungnahmen zufolge haben sich die BOS nicht an der Konsultation beteiligt, ihren Bedarf aber gegenüber der BNetzA noch verdeutlicht. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang eine Stellungnahme des Schweizer Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS). Das BABS hofft, dass im Falle einer Zuteilung der Frequenzen im 450-MHz-Bereich an die deutschen BOS viele europäische TETRA/TETRAPOLNationen diesem Beispiel folgen werden. Denn nur durch die Kooperation mehrerer europäischer Länder wurde die Finanzierung der erforderlichen Entwicklung von Endgeräten im 450-MHz-Bereich und die der sonstigen technischen Aufwendungen möglich sein. Mehr als 120 Teilnehmer an der Konsultation schlossen sich den Erwägungen der BNetzA

Wissenschaft versus Mainstream Predictive-Policing-Lösungen nicht immer zielführend (BS/Ute Last-Sack*) Wohnungseinbruchsdiebstahl: ein Delikt mit steigender Fallzahl und niedriger Aufklärungswahrscheinlichkeit. Ein Delikt, das bei jedem Bürger und jeder Bürgerin Ängste hervorruft, sich kurz- als auch langfristig negativ auf das subjektive Sicherheitsempfinden auswirkt und zur gesellschaftlichen Verunsicherung führen kann. Ein Delikt, dessen Bekämpfung bei den kriminalpolizeilichen Ermittlungen deshalb seit Jahren eine hohe Priorität hat. Vor diesem Hintergrund stieß die öffentlichkeitswirksame Ankündigung “Wohnungseinbruch lässt sich durch den Einsatz von Prognose-Software bestimmbar machen – ein Algorithmus berechnet, wann und wo der nächste Einbruch stattfindet” auf eine starke Resonanz sowie eine politische und mediale ÜberAufmerksamkeit. Nach einer ersten Sondierung des nationalen und internationalen Wissensstandes zu Predic­tive Policing sowie der Abwägung von Kosten und polizeilichem Mehrwert entschied sich die Polizei Hamburg für die Strategie, der Entscheidung pro oder contra Prognose-Software eine Grundlagenprüfung durch die polizeiinterne Kriminologische Forschungsstelle voranzustellen. Im Forschungsprojekt “Prädiktionspotenzial schwere Einbruchskriminalität” wurde der Umgang mit Wissen in der Einbruchssachbearbeitung mit Blick auf grundsätzliches Digitalisierungs- und Prognosepotenzial betrachtet.

Hohe Komplexität war pro­ blematisch Eine Online-Befragung aller Hamburger Einbruchssachbearbeiterinnen und -sachbearbeiter zum Thema Informationsmanagement und Serienermittlung und eine Bestandaufnahme der für die Einbruchssachbearbeitung relevanten IT-Landschaft der Polizei Hamburg machte

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deutlich: Die Schwachstellen der Einbruchssachbearbeitung sind die Komplexität sowie fehlende Akzeptanz und Standards digitaler Informationsverarbeitung. Die Untersuchung des Einbruchsphänomens zeigte, dass sich verbreitete Annahmen über das Täterverhalten nicht verallgemeinern lassen und in vielen Bereichen wesentliche Informations- und Wissenslücken bestehen. Handlungsleitend für Auswertung und Ermittlung sollten das Besondere eines Falles/eines Phänomens sein. Ein allgemeingültiges Modell für softwarebasierte Analysen und Prognosen kann auf der vorhandenen, defizitären Wissensbasis nicht entwickelt werden.

Zahlreiche Schwachstellen vorhanden Die Grundlagenprüfung zu Predictive Policing zeigte viele Schwachstellen und Optimierungsbedarfe von aktuellen Predictive-Policing-Lösungen auf, weshalb die an sie gestellten Erwartungen der Effizienzsteigerung, Verwissenschaftlichung und Modernisierung noch nicht erfüllt sind. Basierend auf diesen Erkenntnissen entschied sich die Polizei Hamburg, Digitalisierung und datenbasierte Polizeiarbeit Schritt für Schritt zu etablieren. Die Handlungsfelder der Professionalisierung der Informationsverarbeitung sowie der polizeilichen Lageauswertung werden in den

polizeiinternen Projekten “Digitale Ermittlungsunterstützung schwere Einbruchskriminalität” und “Entwicklung Berufsbild Kriminalitätsanalytik” bearbeitet. Darauf basierend kann per­ spektivisch eine softwarebasierte Ermittlungsunterstützung und Prognose der Kriminalitätslage erarbeitet werden.

Nur vermeintliche Innovation Predictive Policing wurde in deutschen Polizeien auch deshalb zu einem Trend, weil steigende Einbruchszahlen und die stärker in den Fokus gerückte Opferperspektive polizeilichen Handlungsdruck erzeugten. Zusätzlich entwickelte sich ein Konformitätsdruck, ausgelöst durch Erfolgsmeldungen nationaler und internationaler Anwender und Hersteller von Prognose-Software. In den kriminologischen Fachmedien mehrten sich zeitgleich bereits die kritischen und skeptischen Stimmen gegenüber dieser vermeintlichen Innovation. Rückblickend waren die Einsetzung eines Forschungsprojektes zur wissenschaftlichen Überprüfung des “Predictive-Policing Hypes” und die Fokussierung auf das digitale Wissensmanagement in der Einbruchssachbearbeitung die richtige Entscheidung. *Ute Last-Sack arbeitet als Sozialwissenschaftlerin in der Kriminologischen Forschungsstelle im Landeskriminalamt (LKA) Hamburg.

an und sprachen sich für den in den Eckpunkten vorgesehenen Anwendungszweck aus. In ihren Stellungnahmen wiesen sie darauf hin, dass nur mittels einer sicheren digitalen Kommunikationslösung Energiewende und Klimaschutz forciert, KRITIS geschützt und die Versorgungssicherheit in der zunehmend dezentral und digital gesteuerten Strom- und Wärmeversorgung gewahrt werden könnten. Auch sei eine allzeit funktionierende Ladeinfrastruktur für E-Mobilität die Voraussetzung für einen Erfolg der Verkehrswende und damit für Klimaschutz im Mobilitätssektor, so der Tenor

in ihren Stellungnahmen. Dies hatte kürzlich auch der Verband der Automobilbranche betont. Zudem haben inzwischen die vier Übertragungsnetzbetreiber 50hertz, Amprion, Tennet und TRANSNET BW interveniert und das Bundeskanzleramt in einer gemeinsamen Stellungnahme gebeten, sich für die Zuteilung der 450-MHz-Frequenzen für Anwendungen der Energiewirtschaft einzusetzen. Beworben hatten sich die BOS um die 450 MHz-Frequenzen schon 2013. Frei werden sie erst zum 1. Januar 2021. Vodafone, Telefonica und die Drillisch Netz AG sprachen sich in ihren Stellungnahmen gegen eine vorrangige Nutzung der frei werdenden Frequenzen für KRITIS aus. Sie befürchten Wettbewerbsverzerrungen und -benachteiligungen und fordern, die 450-MHzFrequenzen für den drahtlosen Netzzugang in einem offenen, transparenten Verfahren bundesweit zur Verfügung zu stellen. Im Gegensatz dazu unterstützt die Deutsche Telekom die von der BNetzA vorgeschlagene Ausrichtung der Widmung und Nutzung des 450-MHz-Bandes und stimmte in ihrer Stellungnahme allen zur Konsultation gestellten Vergabeeckpunkten für die Bedarfe der Nutzer KRITIS-konformer Anwendungen

vollinhaltlich zu. Für eine Mitnutzung der Frequenzen durch die BOS hält das Unternehmen verschiedene Kooperationsmodelle für denkbar. Zustimmend zu den Vorschlägen der BNetzA äußerte sich auch die e*Message Deutschland GmbH, die seit 20 Jahren bislang als einziges Unternehmen bundesweit Netze im 4xx-MHz-Bereich für spezielle Anwendungen, unter anderem auch für Energieversorger und Sicherheitsbehörden, betreibt. In seiner Stellungnahme bat das Unternehmen zugleich, im weiteren Verfahren berücksichtigt zu werden. Dem Vernehmen nach wird die BNetzA nun, gestärkt durch das eindeutige Ergebnis der Konsultation, den nächsten Schritt des Verfahrens vollziehen und eine Präsidentenentscheidung für die Durchführung des Vergabeverfahrens einholen. Unbeschadet dessen besteht weiterhin der Vorbehalt einer Entscheidung der Bundesregierung. Ob und wann diese erfolgt, ist offen. Immer noch hat Corona Vorfahrt. Im Übrigen hat das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur in Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mitgeteilt, dass die Bundesregierung derzeit für den Fall einer Nichtberücksichtigung der BOS bei der Vergabe der 450 MHz-Frequenzen verschiedene Lösungsansätze prüfe, um den Interessen der Bedarfsträger Rechnung zu tragen. Die Prüfung, welche dieser Ansätze eine hinreichende Alternative darstelle, sei aber noch nicht abgeschlossen, heißt es.

Projektvorhaben initiiert Programm “Polizei 2020” läuft operativ (BS/mfe) Das Programm “Polizei 2020” befindet sich in der operativen Umsetzung. Erste Projekte sind initiiert. Das berichtet Gesamtprojektleiter Holger Gadorosi. So seien erste Vorhaben, insbesondere zu zentralen Querschnittsthemen, angegangen worden. Dabei stünde unter anderem die Weiterentwicklung des Datenmodells XPolizei hin zu einem einheitlichen Datenmodell, das alle Aufgabenbereiche abdecke, im Mittelpunkt. Ebenfalls sei ein Projekt für ein einheitliches Identitäts- und Zugangsmanagement gestartet worden. Zudem sagt Gadorosi: “Unser zentrales Anforderungsmanagement steht in den Startblöcken.” Dem komme es zugute, dass mit der Einrichtung des Polizei-IT-Fonds durch die Finanzministerkonferenz inzwischen “ein tragfähiges und dauerhaftes Fundament für die Umsetzung der Programmvorhaben” zur Verfügung stehe.

Nicht alles in einem Schritt möglich Allerdings sei eine Transformation der Bestandsverfahren in Richtung des Zielbildes eines einheitlichen Datenhauses nicht in einem Schritt möglich. “Einen Big Bang wird es nicht geben”, unterstreicht Gadorosi. Aus diesem Grunde solle die polizeiliche

Systemlandschaft in Bund und Ländern schrittweise transformiert und langfristig betrachtet harmonisiert werden. Der Gesamtprojektleiter erläutert: “Dabei werden verschiedene Wege zum Ziel führen.” Jeder Teilnehmer könne eigenverantwortlich entscheiden, bis zu welchem Punkt er seine Systeme selbst weiterentwickele oder auf zen­ tral angebotene, neue Lösungen umschwenke.

Konkretes Abschlussdatum offen Die operative Steuerung des Programms “Polizei 2020” erfolgt durch eine Bund-Länder-Programmleitertagung, die strategische durch den Verwaltungsrat des IT-Fonds. In beiden Gremien sind alle Verbundteilnehmer vertreten. Jeder Programmteilnehmer kann die Federführung für einzelne Projekte übernehmen. Ein konkretes Abschlussdatum des Projektes kann und will Gadorosi nicht nennen. Zum einen sei das Programm ein langfristig

angelegtes Transformationsvorhaben: Die erforderlichen Anpassungen der heterogenen und hoch komplexen polizeilichen ITLandschaft würden viel Zeit beanspruchen. “Zum anderen unterliegen unser Arbeitsobjekt und unser Arbeitsumfeld naturgemäß einem stetigen Wandel”, erklärt der Gesamtprojektleiter. Anforderungen würden sich ebenso ändern wie technologische Möglichkeiten für deren Lösung. Eine Finalisierung noch in diesem Jahr ist unwahrscheinlich.

Die Informationstechnik und die Datenverarbeitungssysteme der deutschen Polizeien sind noch sehr heterogen. Das zu ändern, ist Ziel des Programms “Polizei 2020”. Foto: BS/Rainer Sturm, pixelio.de

MELDUNG

Sonderzulage für Polizeianwärter in Hessen (BS/mfe) In Hessen erhalten Anwärter für den Polizeivollzugsdienst ab September eine monatliche Sonderzulage in Höhe von 150 Euro. Damit werden sie im Ländervergleich am besten besoldet. Momentan erhalten Polizeianwärter in Hessen im ersten Ausbildungsjahr rund 1.345 Euro brutto. Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte dazu: “Mit unseren Sicherheitspaketen haben wir bereits seit 2015 für mehr Stellen denn je bei der hessischen Polizei gesorgt. Die personelle

Verstärkung führen wir auch in den kommenden Jahren fort.” Bis 2022 würden zusätzlich zu den altersbedingt ausscheidenden Kollegen jährlich 250 weitere Polizeianwärter gesucht. “Mit unserer Sonderzulage über 150 Euro für Polizeianwärterinnen und -anwärter stellen wir sicher, dass die angehenden Polizisten während ihrer Ausbildung in keinem anderen Bundesland so viel im Portemonnaie haben wie in Hessen”, so Beuth weiter. Zugleich wurden die Eingangsvoraussetzungen für den Dienst

bei der hessischen Polizei abgesenkt. So müssen Bewerber in Zukunft nur noch mindestens 1,55 statt 1,60 Meter groß sein. Außerdem wurde das Höchstalter von 32 auf 36 Jahre angehoben. Darüber hinaus werden Bewerber nun ohne Berücksichtigung der Sehstärke zum Eignungsauswahlverfahren eingeladen. Eine eventuell erforderliche Verbesserung der Sehstärke kann dann nach einem erfolgreich absolvierten Eignungsauswahlverfahren operativ erfolgen.


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

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Behörden Spiegel / Mai 2020

Ganzheitliche Betrachtung erforderlich

Keine durchgängige Bergung

Verschiedene Elemente der Spionageabwehr gehören untrennbar zusammen

Nicht jedes Kampfmittel wird tatsächlich beseitigt

(BS/Wolfgang Rösemann*) In der Spionageabwehr wird zwischen dem repressiven und dem präventiven Ansatz unterschieden. Außerdem kommen (BS/Marco Feldmann) Werden Sprengbomben oder Granaten im deutden Verfassungsschutzbehörden in diesem Tätigkeitsfeld weitere Aufgaben zu, die möglicherweise nicht von jedem als ein Teil der Spionageabwehr schen Küstenmeer gefunden, führt dies nicht zwangsläufig auch zu ihrer erkannt werden. Hier bedarf es mehr Aufklärung. Räumung und Unschädlichmachung. Geborgen werden die Kampfmittel nur, wenn von ihnen eine tatsächliche Gefahr für die Seeschifffahrt ausAufgabe der Verfassungsschutz- der Wirtschaftsschutz und Ge- zum Tragen, wenn in einem Wirt- gehen ist, dass diese in den Fo- geht. Oder wenn für die betroffene Fläche bereits eine Baugenehmigung behörden des Bundes und der heimschutz in der Wirtschaft, schaftsunternehmen Verschluss- kus fremder Nachrichtendienste erteilt wurde. Dann trägt der jeweilige Vorhabenträger die Kosten. Liegt Länder ist die Sammlung und der Geheim- und Sabotageschutz sachen bearbeitet werden. für das betroffene Gebiet hingegen keine Baugenehmigung vor, wird gerückt sind. das Kampfmittel nur geräumt, sofern die Wasserstraßenverwaltung des Auswertung von Informatio- sowie sonstige präventive MaßUnter Geheimschutz wird die Bundes eine tatsächliche Gefahr für die Seeschifffahrt bejaht. nen. Das gilt insbesondere für nahmen der Spionageabwehr. Schaffung von personellen und Nicht auseinanderdividieren

sach- und personenbezogenen, Auskünfte sowie Nachrichten und Unterlagen über geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht. Dieser gesetzliche Auftrag aus dem Bundesverfassungsschutzgesetz, den die Verfassungsschutzgesetze der Länder so oder leicht modifiziert übernehmen, ist allerdings nur die repressive Komponente der Spionageabwehr. Es handelt sich dabei um die Bearbeitung eines Spionageverdachts. Sofern die Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der Länder einen Agenten eines fremden Nachrichtendienstes überführen, dann besteht auch die Möglichkeit der sogenannten Überwerbung.

Mehrere Komponenten Spionageabwehr hat im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung des Verfassungsschutzes neben der oben genannten repressiven aber auch eine präventive Komponente. Mit dieser soll die Arbeit eines potenziellen Spions erschwert oder verhindert werden. Alle präventiven Aufgaben können allerdings nur mit den Erkenntnissen professionell wahrgenommen werden, die aus der repressiven Fallbearbeitung gewonnen werden. Zur präventiven Spionageabwehr zählen

Vorteilhaft ist dabei im Bereich des Wirtschaftsschutzes, dass der Verfassungsschutz keine Strafverfolgungsbehörde ist und – im Gegensatz zur Polizei – keinem Strafverfolgungszwang unterliegt und so unbeschränkte Vertraulichkeit zusagen kann.

Einheitliches Verständnis vorhanden 2018 haben sich die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder auf ein gemeinsames Aufgabenverständnis geeinigt. Demnach informieren sie im Rahmen des präventiven Wirtschaftsschutzes über eigene Erkenntnisse und Analysen, die dazu beitragen, dass Wirtschaft und Wissenschaft sich eigenverantwortlich effektiv gegen Ausforschung (insbesondere Wirtschaftsspionage), Sabotage und Bedrohungen durch Extremismus und Terrorismus schützen können. Damit geht man hier über die reine präventive Spionageabwehr hinaus. Der Geheimschutz in der Wirtschaft dient der Schaffung, Aufrechterhaltung und Durchführung sämtlicher Maßnahmen, die zum Schutz und zur Geheimhaltung von Verschlusssachen getroffen werden müssen. Das Verfahren kommt immer dann

materiellen Voraussetzungen dafür verstanden, dass Unbefugte keine Kenntnis von Verschlusssachen erhalten. Der Sabotageschutz soll einen Schutz von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen erzeugen. Personeller Geheimschutz dient dem Schutz staatlicher Verschlusssachen. Ein solcher Schutz ist für den Bestand und die Existenz eines demokratischen Rechtsstaats unverzichtbar. Der vorbeugende personelle Sabotageschutz soll verhindern, dass Personen an sicherheitsempfindlichen Stellen von lebensoder verteidigungswichtigen Einrichtungen beschäftigt werden, bei denen Sicherheitsrisiken vorliegen. Materieller Geheimschutz ist die Gesamtheit aller gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zum Schutz von Verschlusssachen. Neben den oben geschilderten Maßnahmen, die der Abwehr von Spionage dienen, entfalten die Verfassungsschutzbehörden auch noch weitere präventiv wirkende Aktivitäten. So führt der niedersächsische Verfassungsschutz mit Personen oder Vertretern von Unternehmen oder anderen Organisationen Sensibilisierungsgespräche. Dies geschieht, wenn davon auszu-

Leider ist häufig der Zusammenhang der einzeln aufgeführten präventiven Elemente mit der Spionageabwehr verloren gegangen. Niemand würde auf die Idee kommen, unterschiedliche Modi Operandi bei verschiedenen Mordfällen nicht von den gleichen Spezialisten für Delikte am Menschen, sondern in verschiedenen Organisationseinheiten bearbeiten zu lassen. So ist es auch nicht nachvollziehbar, die verschiedenen Aufgaben der repressiven und präventiven Spionageabwehr in unterschiedlichen Einheiten zu organisieren. Auch das Internet stellt kein eigenes verfassungsschutzrelevantes Phänomen dar, sondern ist lediglich Tatwerkzeug. Cyber-Fachkompetenz gehört zum Phänomenbereich und nicht umgekehrt. Jedes Auseinanderdividieren der einzelnen Elemente der Spionageabwehr schafft Schnittstellen und produziert Reibungsverluste.

*Wolfgang Rösemann ist Direktor der Polizei im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport (Abteilung Verfassungsschutz) und Vorsitzender der Geheimschutzkommission des Arbeitskreises IV der Innenministerkonferenz (IMK).

Über 20.000 Ereignisse verzeichnet Neuer DWD-Starkregenkatalog erfasst Niederschläge seit 2001 (BS/mfe) Der Deutsche Wetterdienst (DWD) bietet den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und allen anderen Interessierten ein neues Angebot. Sein Starkregenkatalog beinhaltet alle heftigen Starkregen der vergangenen 19 Jahre hierzulande (siehe auch Behörden Spiegel April 2020, Seite 42). Das sind mehr als 20.000 Einzelereignisse. Und es wären noch mehr, wenn in dem für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglichen Katalog nicht nur heftige und extrem heftige Stark- und Dauerregen im Sinne der Stufen drei und vier der DWD-Warnskala berücksichtigt würden. Dabei müsse aber berücksichtigt werden, dass die Warnstufe eins nicht existiere, sondern es nur die Warnstufen

zwei bis vier gebe. Das erklärt Katharina Lengfeld, Projektmitarbeiterin in der regionalen Niederschlagsüberwachung des DWD. Der Wetterdienst verfüge jedoch über mehrere Starkregenkataloge, in denen teilweise auch schon niedrigschwelligere Starkregen­ ereignisse, etwa der Warnstufe zwei, verzeichnet seien. BOSAngehörige könnten diese auf An-

frage erhalten. Falls gewünscht, könnten die Produkte sogar an die individuellen Nutzerbedürfnisse vor Ort angepasst werden, so Lengfeld. Aber auch mithilfe des Starkregenkatalogs sei weiterhin nur eine Analyse möglich, also ein Vorgehen ex post. Vorwarnungen vor Starkregen, der nicht fest und einheitlich definiert ist, im Sinne eines Exante-Ansatzes seien weiterhin nicht leistbar. Allerdings können Starkregen­ ereignisse durch die flächendeckende Erfassung nun kilometergenau verortet und die betroffenen Regionen bestimmt werden. Lengfeld zeigt sich überzeugt: “Der Katalog bietet daher deutschlandweit eine gute Grundlage zur statistischen Auswertung von Starkregen.”

2019er-Daten abrufbar

Starkregenereignisse können sehr rasch auch zu Hochwasser (Foto) führen. Denn dann kommt es oft zu großen Niederschlagsmengen in sehr kurzer Zeit. Foto: BS/kladu, pixelio.de

Lengfeld erläutert: “Für den Starkregenkatalog nutzen wir unsere eigenen Radardaten, die seit 2001 flächendeckend vorhanden und verfügbar sind.” Diese würden dann an Standortdaten angeglichen und anhand dieser evaluiert. Als Resultat ergebe sich eine räumliche Auflösung von einem Kilometer und eine zeitliche Dimension von einer Stunde.

Alle Starkregenkataloge liegen in elektronischer Form vor und werden jährlich aktualisiert. Derzeit sind als aktuellste Daten jene aus 2019 verfügbar. Dabei achten Lengfeld und ihre Kollegen darauf, dass jedes Starkregen­ereignis nur einmal im Katalog erfasst wird. Taucht ein Ereignis über den Beobachtungszeitraum hinweg mehrfach auf, wird nur das Ereignis mit der stärksten Extremität aufgenommen.

Echzeit-Monitoring als künftiges Ziel In Zukunft ist laut Lengfeld die Veröffentlichung weiterer Kataloge vorgesehen. Geplant sei zudem ein Echtzeit-Monitoring von Stark­regenereignissen, um bessere Ad-hoc-Einschätzungen aktueller Lagen vornehmen zu können. “Das ist aber nicht gleichzusetzen mit einer EchtzeitVorhersage”, stellt Lengfeld klar. Außerdem müssen die Starkregenkataloge kontinuierlich fortgeschrieben werden. Als nächstes steht die Einarbeitung der Daten für 2020 an. Vorerst nicht vorgesehen ist eine Einarbeitung der Daten des Stark­regenatlas in die WarnWetter-App des DWD.

Und das sei oftmals nicht der Fall, stellt Claus Böttcher vom “Expertenkreis Munition im Meer” fest. Dessen Mitglieder arbeiten unter dem Dach der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Nord- und Ostsee (BLANO). In dem Gremium sitzen Vertreter der Innen- und Umweltressorts der deutschen Küstenländer. Beteiligt sind fünf Bundesministerien und die Länder Hamburg, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Letzteres hat im Expertenkreis derzeit die Federführung für den Bereich der Munitionsbelastung der deut-

MELDUNG

Geringere Fehlzeiten bei hessischer Polizei

Reform in Rheinland-Pfalz

zum Vorjahr entspricht dies einer Verringerung von fast einem Tag. In die Fehltagsberechnung fließen aufgrund der unterschiedlichen Schichtmodelle auch Feier- und Wochenendtage ein. Außerdem werden alle Fehlzeiten ab dem ersten Kalendertag berücksichtigt. In-

nenminister Peter Beuth (CDU) sagte dazu: “Das Land hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Verbesserungen für die hessische Polizei eingeleitet, die der herausragenden Arbeit für die Innere Sicherheit in unserem Land noch stärker Rechnung tragen.”

(BS/mfe) Das rheinland-pfälzische Kabinett hat den Entwurf eines novellierten Brand- und Katastrophenschutzgesetzes beschlossen. Vorgesehen sind unter anderem Neuerungen im Bereich des Ehrenamtes. Dazu gehört etwa, dass der Kündigungsschutz für ehrenamtliche

Bund trägt bei Bergung nicht immer Entsorgungskosten

Können deren Mitarbeiter die Bombe oder Granate nicht direkt vor Ort sprengen, müssen sie sie bergen und an Land bringen. Dann kommt der Bund nur für die Kosten der Beseitigung ehemals reichseigener Munition auf. Bei anderen Kampfmitteln muss – identisch mit Kampfmittel, die vor allem aus den beiden Weltkriegen der Situation stammen, stellen nicht nur an Land (Foto) eine große Gefahr im Falle von dar. Auch wenn sie auf dem Meeresgrund liegen, verfügen K a m p f m i t sie über ein erhebliches Gefahrenpotenzial. Doch bei Weitem telfunden an nicht alle Bomben und Granaten, die sich in den deutschen Land – das Küstengewässern befinden, werden tatsächlich geborgen jeweilige Bunund unschädlich gemacht. desland zahFoto: BS/Feldmann len. schen Küstengewässer und der Aus der Wasserstraßen- und Ausschließlichen Wirtschafts- Schifffahrtsverwaltung des Bunzone (AWZ) der Bundesrepublik des (WSV) wird Böttcher teilweise widersprochen. Von dort heißt es, inne. die WSV werde bei Verdacht in Bremen derzeit nicht dabei den Hauptschifffahrtsrouten akDas Land Bremen beteilige sich tiv. Dann würden erfahrene WSVmomentan aus Kapazitätsgrün- Nautiker einschätzen, in welchen den nicht am Expertenkreis, so Gebieten die Schifffahrt betroffen Böttcher, der regulär in der Son- sein könnte. Beim Verdacht eiderstelle des Kieler Ministeriums ner Gefahr für die Schifffahrt für Energiewende, Landwirt- würden dann die Experten der schaft, Umwelt, Natur und Digi- zuständigen Gefahrenabwehrtalisierung tätig ist. Bundesseitig behörden der Länder um eine seien das Bundesverkehrsminis- Gefährdungsabschätzung der terium (BMVI), das Bundesvertei- jeweiligen Munition gebeten. Eindigungsministerium (BMVg), das geräumt wird von der WSV, dass Bundesministerium für Ernäh- dort die entsprechende Fach­ rung und Landwirtschaft (BMEL) expertise existiere und zudem und das Bundesumweltministe- die Zuständigkeit liege. rium (BMU) involviert. Letzteres trete seit 2019 auf Bundesebene Fund in AWZ unwahrscheinlich klar in die Federführung für die Thematik ein, erzählt Böttcher. Für die Beseitigung von Bomben und Munitionen in der AusZweifel an Expertise schließlichen Wirtschaftszone Problematisch sei bei Kampf- (AWZ) Deutschlands kommen mittelfunden innerhalb der soge- im Übrigen in aller Regel die nannten Zwölf-Seemeilen-Zone, jeweiligen Bauvorhabenträger also der deutschen Küstenge- auf. Laut Böttcher ist es dort wässer, dass ihre Gefährlichkeit zudem sehr unwahrscheinlich, vorrangig für die Seeschifffahrt dass Kampfmittel im Rahmen bewertet werde. Dies erfolge zwar von Seevermessungsmaßnahmen mithilfe der Einschätzung des gefunden werden. Kommt es dennoch zu Funden jeweiligen Landeskampfmittelräumdienstes, in dessen Zustän- und müssen diese an Land gedigkeitsbereich sich die Bombe, bracht werden, muss sogar eine Mine oder Granate befinde, doch Zollerklärung ausgefüllt werden. andere gefährdete Schutzgüter Immerhin gilt dabei laut Böttwürden dabei oft nicht betrach- cher ein vereinfachtes Verfahtet. Dafür fehlte es in der Bundes- ren. Auch fallen keine Einfuhrwasserstraßenverwaltung laut abgaben an. Allerdings muss in Böttcher häufig an ausreichender derartigen Fällen zunächst ein Fachexpertise oder allgemein an- geeigneter Hafen gefunden wererkannten Verfahren. Auch werde den, in den das Bergungsschiff dort zu oft keine tatsächliche einlaufen kann. Gefahr für die Seeschifffahrt at-

MELDUNG (BS/mfe) Die Fehlzeiten bei der hessischen Polizei sind im vergangenen Jahr leicht gesunken. Waren 2018 noch 27,54 durchschnittliche Fehltage pro Person verzeichnet worden, kann für 2019 ein Rückgang auf 26,78 durchschnittliche Fehltage festgestellt werden. Im Vergleich

testiert. Werde eine solche doch einmal gesehen, beauftrage der Bund bei dem Land, in dessen Gebiet das Kampfmittel liegt, dessen fachgerechte Beseitigung. Die jeweiligen Länderdienste für Kampfmittelbeseitigung oder -räumung würden den Auftrag dann wiederum oft an Privatfirmen vergeben.

Feuerwehrangehörige verbessert werden soll. Des Weiteren wird es nun möglich, die Altersgrenze für aktive Feuerwehrangehörige der Einsatzabteilung bei Bedarf vom 63. Lebensjahr bis zum 67. Lebensjahr zu erweitern. Außerdem sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Anordnungen der

Einsatzleitung bei Gefahr im Verzug sofort vollziehbar sind. Zudem werden neue Kostenersatztatbestände eingeführt. Dies gilt insbesondere für die Alarmierung der Feuerwehr durch Hausnotrufdienste in Fällen, in denen kein Brand oder eine andere Gefahr vorliegt.


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

Behörden Spiegel / Mai 2020

Seite 43

System wechseln

B

ehörden Spiegel: Warum benötigt das BBK eine Zen­ tralstellenfunktion?

Grüne im Bundestag fordern Zentralstellenfunktion für BBK

Dr. Mihalic: Man muss vielleicht so beginnen. Der Katas­ trophenschutz in Deutschland (BS) In ihrem Antrag “Zusammenarbeit im föderalen Katastrophenschutz stärken” (Bundestagsdrucksache 19/17749) fordert die Bundestagsfrakist ja zu allererst keine Aufgabe, tion Bündnis 90/Die Grünen, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mit einer Zentralstellenkompetenz ausgedie der Bund wahrnimmt, son- stattet wird. Der Antrag wurde vom Plenum an den Innenausschuss überwiesen. Die Abgeordnete Dr. Irene Mihalic ist überzeugt, dass durch eine dern die durch die Länder erfüllt Kompetenzerweiterung Bund und Länder profitieren werden. Das Interview mit der Innenpolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion wird. Das ist im föderalen System führte Behörden Spiegel-Redakteur Bennet Klawon. zum Teil historisch begründet. Es Dr. Mihalic: Im Grunde genomhat aber auch ganz praktische Erwägungen, weil man selbst- men soll das BBK die Aufgaben verständlich davon ausgeht, dass übernehmen, die es heute schon “Das BBK hat momentan verschiedene Szenarien sich eben wahrnehmen kann beziehungsunter unterschiedlichen lokalen weise zu denen es heute schon nur eine rechtliche KomBedingungen abspielen. Dann ist in der Lage wäre. Das BBK hat petenz für den Verteidies natürlich auch in erster Linie momentan aber nur eine rechtligungsfall und ansonsten sinnvoll, dass die Länder, aber che Kompetenz für den Verteidigungsfall und auch Komnur sehr eingeschränkt m u nen z u“Die Länder würden sogar a n s o n s t e n im ­Rahmen der Katastroständig sind, nur sehr einphenhilfe.” weil diese ja bei ihrer eigenen Aufgaben- g e s c h r ä n k t wahrnehmung von solch im Rahmen die örtlichen Begebenheieiner Zentralstelle massiv d e r K a t a s ­ ten selbst am trophenhilfe. unterstützt.” besten kenIn Friedensze ite n dar f Dr. Irene Mihalic ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit der Verantwortung und in der nen. Jetzt sind aber auch im Katast- das BBK die Länder zwar zum 2016 Innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Kompetenz der Länder wahrgerophenbereich Lagen vorstellbar, Beispiel mit Lageinformationen Foto: BS/Stefan Kaminski nommen. Wir haben aber mit dem Bundeskriminalamt eine Behördie über Bundesländergrenzen unterstützen, ist aber auf eine Behörden Spiegel: Wie wird de, die entweder auf Ersuchen hinausgehen und wo es einfach freiwillige Kooperation angewie- auch über die Fähigkeit verfügt, einen Gesamtüberblick braucht: sen. Es macht aber aus meiner zum Beispiel die Bevölkerung das BBK dann tätig? eines Bundeslandes oder mehreÜber verschiedene Ressourcen, Sicht überhaupt keinen Sinn, vor bestimmten Dingen zu warrer Bundesländer tätig wird oder Dr. Mihalic: Man kann, finde wenn Informationen oder Reswo steht was zur Verfügung, wer dass wir hier eine voll funktions- nen oder zu informieren, aber kann in welchen Bereichen sinn- fähige Bundessicherheitsbehörde all diese Fähigkeiten in vollem ich, eine gute Analogie ziehen, sourcen gebündelt werden müsvoll unterstützen. Und diesen haben, wo viel fachliches und Umfang nur für den Zivilschutz wenn man sich das Bundeskrimi- sen: Bei länderübergreifenden Gesamtüberblick, den könnte interdisziplinäres Know-how zur im Verteidigungsfall aufbringen nalamt (BKA) anschaut. Die Poli- Lagen und wenn sozusagen die das BBK liefern. Verfügung steht, die mit dem darf, aber bei Naturkatastro- zei ist in allererster Linie Länder- Unterstützung der Bundesländer Gemeinsamen Melde- und Lage- phen, Pandemien oder anderen sache. Jedes Bundesland verfügt im Einzelfall erforderlich wird. In Behörden Spiegel: Welche Auf­ zentrum einen Gesamtüberblick länderübergreifenden Lagen über seine eigene Polizei und die besonders gesetzlich definierten gaben soll das BBK zusätzlich liefern kann und im Stande wäre, weitgehend außen vor bleiben weit überwiegenden polizeilichen Fällen kann das BKA auch allein bekommen? Aufgaben werden vollständig in tätig werden, aufgrund seiner Prognosen zu entwickeln sowie muss.

gesetzlichen Kompetenz. Ähnlich stellen wir uns das auch beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe vor, wenn es um länderübergreifende Lagen in Katastrophenfällen oder Ähnliches geht. Behörden Spiegel: Werden durch die Einrichtung nicht die Länder in ihren Aufgaben be­ schnitten? Dr. Mihalic: Nein, ganz im Gegenteil. Die Länder würden sogar bei ihrer eigenen Aufgabenwahrnehmung von solch einer Zen­ tralstelle massiv unterstützt. Außerdem macht es ja absolut Sinn, dass der Katastrophenschutz föderal aufgestellt ist. Wir sprechen deswegen ja auch immer von einem integrierten Hilfeleistungssystem. Wohin wir aber kommen müssen, ist, dass wir aus diesem integrierten Hilfeleistungssystem ein kooperatives Hilfeleistungssystem machen. Das heißt, wir müssen den Bund mit solchen Kompetenzen ausstatten, dass zum Beispiel Lageinformationen aus den Ländern eben nicht nur beim BBK eingehen, wenn die Länder das für sinnvoll erachten, sondern nach fest definierten Regeln. Dann profitieren unterm Strich auch die Länder davon. Also die Länder sollen weiterhin ihre Katastrophenschutzkompetenz vollumfänglich wahrnehmen und der Bund soll eben nur dann tätig werden, wenn es einen übergeordneten Steuerungs- und Koordinierungsbedarf gibt.

Ein Plädoyer für den Fortschritt

Einbruchschutz zahlt sich aus

Digitalisierung muss auch bei ziviler Gefahrenabwehr Einzug halten

Sinkende Fallzahlen und steigende Versuche

(BS/Dirk Aschenbrenner) Es fällt schwer, der Corona-Pandemie positive Seiten abzugewinnen. Zu schlimm ist die Zahl der Toten und Erkrankten, zu groß sind die materiellen und auch ideellen Schäden, die das Virus weltweit verursacht. Doch zumindest eines scheint sicher: Kaum jemand wird noch bezweifeln mögen, dass die Digitalisierung auf den verschiedensten Gebieten dringend weiter vorangetrieben werden muss, um die längst vorhandenen technischen Möglichkeiten in Gefahrensituationen noch besser nutzen zu können.

(BS/Sabrina Mohr) Der seit 2014 staatlich geförderte Einbau von Sicherheitstechnik, wachsame Nachbarschaft und sicherheitsbewusstes Verhalten verhindern zunehmend Einbrüche. Das belegen die sinkenden Fallzahlen und der steigende Versuchsanteil. Allerdings sollte die Förderung von Einbruchschutz bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auch auf Mehrfamilienhäuser und Neubauten ausgeweitet werden.

Zu einem Zeitpunkt, als noch niemand von der Corona-Ausbreitung ahnen konnte, hatten die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) und das safety innovation center eine gemeinsame Studie gestartet, um den derzeitigen Stand der Digitalisierung in der zivilen Gefahrenabwehr zu untersuchen. Die Ergebnisse sollten ursprünglich auf der Interschutz Mitte Juni in Hannover präsentiert werden. Doch wie viele andere Messen und Veranstaltungen wurde die Interschutz verschoben. Sie findet nunmehr im Juni 2021 statt. Die Vorstellung der Ergebnisse der Digitalstudie, die in Fachkreisen mit Spannung erwartet werden, soll in der zweiten Hälfte dieses Jahres erfolgen.

Zivile Gefahrenabwehr hinkt hinterher Ein Resultat steht schon jetzt fest: Mehr als 90 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass die Digitalisierung in ihrer Organisation vorangetrieben werden sollte. Dies dürfte als durchaus positives Zeichen dafür gesehen werden, dass die Bereitschaft zur Einführung digitaler Technik auf breiter Ebene vorhanden ist. Zugleich aber wird deutlich, dass die zivile Gefahrenabwehr der digitalen Entwicklung in an-

deren Bereichen – zum Beispiel der Wirtschaft – hinterherhinkt. So wird erforscht, wie vergleichbare Prozesse in anderen Bereichen bereits digital unterstützt werden, welcher Bedarf an digitaler Transformation besteht und wie die digitale Transformation umgesetzt werden kann. Ziel ist es, aus den Ergebnissen Schlüsse für notwendige Maßnahmen zu z​ iehen. Für die Gefahrenabwehr kommt es darauf an, wie die Rettung von Menschenleben und der Schutz von Sachwerten durch die Digitalisierung verbessert werden können. Die Studie “Digitale Transformation in der zivilen Gefahrenabwehr” wurde Ende vergangenen Jahres gestartet. Sie besteht aus einer Umfrage zur deutschlandweiten Erhebung des Status quo der digitalen Transformation und Interviews zur detaillierten Diskussion der Umfragethemen. Ferner enthält sie die Zusammenfassung eines Workshops zur Diskussion der Thematik anhand der Ergebnisse der Umfrage und eine DeskStudy zur systematischen Analyse der digitalen Transformation und Einordnung der Ergebnisse.

Enge Kooperation Die vfdb leistet mit ihrem weitreichenden Expertenwissen auch

Dirk Aschenbrenner ist Präsident der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb). Foto: BS/Peter Bandermann, Dortmund

in der Praxis aktive Beiträge zur Erforschung und Weiterentwicklung von Zukunftstechnologien. Dazu gehört seit knapp zwei Jahren zum Beispiel die maßgebliche Beteiligung am Deutschen Rettungsrobotik Zentrum (DRZ) in Dortmund. Erstmalig in Deutschland arbeiten hier für die zivile Gefahrenabwehr Einsatzkräfte, Forscher und Industrie an der Realisierung autonomer Rettungsroboter und dem Aufbau einer national wie international agierenden Robotik-Einsatzgruppe zusammen. Hintergrund für die Gründung des DRZ waren die ständig zunehmenden Herausforderungen für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) bei der täglichen Bewältigung ihrer Aufgaben. Trotz guter Ausbildung, ausgereifter taktischer Konzepte und zuverlässiger Schutzausrüstung werden jedes Jahr weltweit zahlreiche Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit verletzt oder getötet. Nicht zuletzt die Aufarbeitung der jüngsten Erfahrungen mit der CoronaPandemie wird weitere Impulse für die Entwicklung von speziellen Robotern mit sich bringen, die in besonderen Situationen medizinisches Personal unterstützen können.

Über ein Drittel der Täter scheitert an der eingebauten Sicherheitstechnik. Diese Entwicklung ist die Folge einer nachhaltigen Präventionsarbeit, die auf der Zusammenarbeit staatlicher und nicht staatlicher Präventionsakteure basiert. Ergänzend zu dem kostenlosen Beratungsangebot der Polizei bieten seit 2014 die staatlichen Finanzanreize für Einbruchschutz bei der KfW die Möglichkeit, Investitionen in den Einbau einbruchhemmender Sicherheitstechnik in Bestandsbauten fördern zu lassen. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2019 verzeichnet 87.145 Wohnungseinbrüche. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) weist 95.000 gemeldete Einbrüche auf. Der Versicherungsschaden bezieht neben der Beute auch die Reparaturkosten ein und ist 2018 und 2019 gleich hoch geblieben: bei jährlich 300 Millionen Euro. Die durchschnittliche Schadenshöhe liegt 2019 nach Angaben des GDV mit 3.200 Euro so hoch wie nie zuvor. Die in der PKS verzeichnete Schadenshöhe, die nur das Diebesgut darstellt, ist im Gegensatz zu der gesunkenen Anzahl von Einbrüchen im Vergleich zu 2018 von 260,7 auf 291,9 Millionen Euro sogar gestiegen.

Vfdb feiert 70. Geburtstag

Oft nicht vollendet

Die vfdb ist stolz auf solch zukunftweisende Aktivitäten ausgerechnet im Jahr ihres 70. Geburtstags. Am 22. und 23. Mai 1950 fand in Stuttgart die Gründungstagung der Vereinigung statt, die heute mehr als 3.000 Mitglieder zählt und sich als das Expertennetzwerk für Schutz, Rettung und Sicherheit versteht. Ursprünglich sollte auch das Jubiläum im Rahmen der Interschutz gewürdigt werden, doch das Coronavirus machte auch diesem Ereignis einen Strich durch die Rechnung.

Positiv hervorzuheben ist, dass in 45,3 Prozent der PKS-Fälle der Einbruch nicht vollendet wurde. Dass insbesondere Sicherheitstechnik Täter am Eindringen hindert, belegt die Kölner Studie 2017: Nur in 1,05 Prozent der Fälle ist es trotz Sicherungsvorkehrung zu einem vollendeten Wohnungseinbruch gekommen. Die PKS spiegelt die angezeigten und bekannt gewordenen Straftaten zum Zeitpunkt der Anzeigenaufnahme im sogenannten Hellfeld wider. Erst die Einbeziehung der nicht bekannt gewor-

denen Straftaten im Dunkelfeld ermöglicht Rückschlüsse auf das gesamte Kriminalitätsaufkommen. Laut dem Deutschen Viktimisierungssurvey 2017 werden 27,5 Prozent der Einbrüche und 42,2 Prozent der versuchten Einbrüche nicht angezeigt. Auch die Hausratversicherung ist für viele kein Grund für eine Anzeige. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung, laut aktuellen statistischen Angaben nämlich 28,5 Prozent, haben keine Hausratversicherung abgeschlossen.

von der Innenministerkonferenz (IMK) bereits im September 2017 angenommen.

Stärkung und Ausweitung des Einbruchschutzes Gerade der steigende Versuchsanteil, der nach wie vor hohe Schaden durch Wohnungseinbrüche sowie das Defizit an Sicherheitstechnik in Deutschland machen deutlich, dass dem Einbruchschutz weiterhin eine große Bedeutung beizumessen ist. Etwa 70 Prozent der Haushalte verfügen laut eines kriminologischen Forschungsberichts über keine spezielle Sicherheitstechnik. Die staatlichen Finanzanreize für Einbruchschutz tragen dazu bei, diese Unterversorgung zu decken und Tatgelegenheiten zu minimieren. Hinzu kommt der hohe Bedarf an Wohnungen, dem die Bundesregierung mit ihrer Wohnraumoffensive begegnen möchte. Da Einbruchschutz bislang nur für Bestandsbauten förderfähig ist, schafft jeder Neubau ohne Sicherheitstechnik neue Tatgelegenheiten und weiteren Förderbedarf.

Noch keine Bundesmittel vorhanden Das Konzept zur Weiterentwicklung der bestehenden Programme für Neubauten der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) unter Beteiligung der Projektleitung Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (PL PK) soll dem entgegenwirken. Es wurde

Sabrina Mohr ist seit 2015 in der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) als polizeiliche Expertin in dem Arbeitsschwerpunkt Einbruchschutz/Smart Home tätig. Foto: BS/DFK, Fotostudio S2 Bonn

Auch die Bundesregierung sprach sich 2018 in ihrem Koalitionsvertrag für die Ausweitung der staatlichen Förderung von Einbruchschutz auf Neubauten und Mehrfamilienhäuser aus. Die Umsetzung ist in einem eigenständigen KfW-Förderprogramm Einbruchschutz geplant. Leider stehen bislang noch keine Bundesmittel dafür zur Verfügung. Das DFK setzt daher die Gespräche mit den politisch verantwortlichen Akteuren weiter fort. Informationen zur Förderung von Einbruchschutz unter: www.kri minalpraevention.de/finanzan reize.html Weitergehende Informationen und Materialien zum Thema unter: www.kriminalpraevention.de/ publikationen.html Die Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) hat zum Thema Einbruchschutz auch ein Faltblatt mit zahlreichen Infor­ mationen herausgebracht.


Verteidigung / Wehrtechnik

Seite 44

“Out-of-Area”-Einsätze

A

nfang der 1990er-Jahre änderte sich für Deutschland die sicherheitspolitische Lage grundlegend. Musste die Bundeswehr bislang nur von Einsätzen zur Landes- und Bündnisverteidigung ausgehen, wurde sie nun zunehmend mit politischen Forderungen konfrontiert, sich weltweit an (bewaffneten) Friedensmissionen außerhalb des NATO-Gebietes zu beteiligen. Es war umstritten, ob das Grundgesetz dies überhaupt zulasse und, wenn ja, welche Mitwirkung dem Bundestag hierbei zustehen könnte. 1994 zogen SPD und FDP vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und trugen einen möglichen Verfassungsverstoß durch die Beteiligung deutscher Soldaten an NATO-/WEU-Missionen in Südost-Europa sowie die Unterstützung der UN-Mission in Somalia vor, auch weil die Bundesregierung das Mitwirkungsrecht des Parlaments verletzt habe, indem sie allein über diese Auslandseinsätze entschieden habe. Das BVerfG urteilte in seiner “Out-of-Area”-Entscheidung im Juli 1994, Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Umsetzung von Beschlüssen der UN, NATO beziehungsweise WEU seien laut Grundgesetz möglich, aber nur dann verfassungskonform, wenn der Bundestag zuvor zugestimmt habe. Dieser Parlamentsvorbehalt ergebe sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundprinzip, dass es schon immer eine Zustimmungspflicht des Bundestages für den Einsatz von Streitkräften im Verteidigungsfall gegeben habe, was daher auch für Auslandseinsätze gelte. Art. 87a Grundgesetz (GG) gestatte es Deutschland, seine Streitkräfte – außer zur Verteidigung – auch immer dann einzusetzen, soweit das GG es ausdrücklich erlaube. Eine solche Erlaubnis enthalte Art. 24 Abs. 2 GG, der den Bund ermächtige, sich in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einzuordnen, das von seinen Mitgliedsstaaten die Bereitschaft zur Leistung militärischer Beiträge voraussetze, die sich auch in Auslandseinsätzen widerspiegele. Zulässig sei der Einsatz außerhalb des NATO-

Behörden Spiegel / Mai 2020

Im Spannungsfeld zwischen Politik und Grundgesetz (BS/Roger Näbig*) Als sich im März 2020 auf Initiative Frankreichs 13 Länder zu einer neuen Anti-Terroroperation in der Sahel-Zone zusammenschlossen, beschränkte sich Deutschland auf eine bloße politische Unterstützung. Der Vorwurf wurde laut, man ducke sich weg, verweigere sich wieder einmal einem notwendigen Auslandseinsatz. Aber ist diese Kritik im Lichte des Grundgesetzes berechtigt?

Da das BVerfG (Foto) in der “Libyen”-Entscheidung die Frage nach einer Ermächtigungsnorm für einseitige bewaffnete Auslandseinsätze unbeantwortet ließ, fehlt es bislang an einer eindeutigen verfassungsrechtlichen Grundlage. Foto: BS/Mehr Demokratie e. V., CC BY-SA 2.0, flickr.com

Gebietes aber nur dann, wenn er “...im Rahmen und nach den Regeln dieses Systems...” erfolge.

Was ist ein “System kollektiver Sicherheit”? Das BVerfG versteht darunter ein System, das durch sein friedenssicherndes Regelwerk sowie den Aufbau einer eigenen Organisation für jedes Mitglied einen Status völkerrechtlicher Gebundenheit erschafft, das wechselseitig zur Friedenswahrung verpflichtet und dessen Sicherheit begründet. Auch Bündnisse gemeinsamer Selbstverteidigung stellen ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit dar, wenn sie sich ausdrücklich zur Friedenswahrung und die Mitglieder sich selbst wechselseitig zur friedlichen Streitbeilegung verpflichten. Verfassungsrechtlich relevant ist das Merkmal vor allem für die Fälle, in denen die Bundeswehr im Ausland ohne Resolution des UN-Sicherheitsrates eingesetzt werden soll. Völkerrechtlich ist ein solches UN-Mandat nicht

unbedingt erforderlich, wenn der Einsatz beispielsweise auf Einladung des betroffenen Staates stattfindet. Verfassungsrechtlich muss dann aber ein Beschluss eines anderen kollektiven Sicherheitssystems (zum Beispiel NATO) vorliegen, um den Anforderungen des Art. 24 Abs. 2 GG zu genügen. Erst 2019 wurde die weitere Streitfrage geklärt, ob auch die Europäische Union (EU) als ein kollektives Sicherheitssystem anzusehen ist. Noch im “Lissabon”Urteil von 2009 stufte das BVerfG die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU nicht als ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit ein und begründete dies u. a. mit dem fehlenden Durchgriff der GSVP-Organe auf die Bundeswehr sowie der Bindungswirkung der kollektiven Beistandspflicht der EU-Mitgliedsstaaten. Mit dem Lissabon-Vertrag habe die EU den Schritt zu einer gemeinsamen Verteidigung noch nicht vollzogen, sondern nur vorbereitet. Diese Auffassung relativierte das

BVerfG im September 2019 mit dem Urteil zum Anti-IS-Einsatz der Bundeswehr im Irak. Nach den Terroranschlägen in Paris 2015 berief sich Frankreich erstmals auf den EU-Beistandsfall gemäß Art. 42 Abs. 7 des Vertrages über die Europäische Union. Das Gericht stellte ausdrücklich klar, seine bisherige Rechtsprechung im “Lissabon”-Urteil sei nicht so zu verstehen, dass die EU grundsätzlich nicht zu einem System im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG gehöre. Vielmehr wäre es vertretbar, die EU als ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit anzusehen. Ein Auslandseinsatz der Bundeswehr auf Grundlage der EU-Beistandsklausel wäre verfassungsrechtlich somit nicht ausgeschlossen.

Militärischer Rettungseinsatz offenbart rechtliche Lücke Als in Libyen 2011 der Bürgerkrieg ausbrach, rettete die Luftwaffe im Rahmen der “Operation Pegasus” deutsche und ausländische Staatsbürger, die in Ostlibyen durch Aufständische bedroht wurden. Zwei “Transall”Transportflugzeuge mit 20 bewaffneten Soldaten drangen am 26. Februar jenes Jahres in einer unilateralen Operation ohne ausdrückliche Genehmigung staatlicher libyscher Stellen in deren Luftraum ein und flogen die Betroffenen aus. Die Bundesregierung sah dies als “gesicherten Evakuierungseinsatz mit humanitärer Zielsetzung” an. Eine Zustimmung des Bundestages sei daher gar nicht erforderlich gewesen. Dem widersprach das BVerfG 2015. Die Zustimmung des Bundestages beschränke sich nicht nur auf Einsätze der Bundeswehr im Rahmen von Mandaten der UN, NATO oder EU, sondern gelte für alle, auch unilaterale bewaffnete Einsätze im Ausland, unabhängig

von der nicht weiter zu klärenden Frage nach der Ermächtigungsgrundlage solch einseitiger Operationen im GG. Im “Lissabon”Urteil hieß es hingegen noch, dass Auslandseinsätze “... außer im Verteidigungsfall nur in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit erlaubt (seien) ...”. Da Libyen weder Deutschland noch ein NATO-Land mit Waffengewalt angegriffen hatte, schied die Landes- beziehungsweise Bündnisverteidigung unstreitig aus. Ein Mandat der UN, NATO oder EU lag ebenfalls nicht vor. Die Rettung eigener Staatsangehöriger wird im Völkerrecht nicht als Selbstverteidigung angesehen. Da das BVerfG in der “Libyen”-Entscheidung die Frage nach einer Ermächtigungsnorm für einseitige bewaffnete Auslandseinsätze unbeantwortet ließ, fehlt es bislang an einer eindeutigen verfassungsrechtlichen Grundlage.

Europäische Interventionsinitiative ohne Deutschland? Frankreich gründete 2018 mit acht anderen Ländern die Europäische Interventionsinitiative (EI2), bei der es sich um ein flexibles, nicht bindendes Format für Staaten handelt, die den Willen und die Fähigkeiten besitzen, ihre Streitkräfte unter französischer Führung überall dort einzusetzen, wo dies zum Schutz europäischer Interessen erforderlich ist. Die EI2 wird außerhalb der EU und NATO angesiedelt, weil sich diese mit ihren Strukturen als untauglich für schnelle Interventionen erwiesen haben. Der Fokus bei EI2 liegt auf offensiven militärischen Operationen über Ad-hoc-Koalitionen, wie zum Beispiel in der Sahelzone, und erhebt keinerlei Anspruch darauf, im Bereich kollektiver Verteidigung tätig zu werden. Die bislang bekannt gewordenen EI2-

Regelungen lassen den Aufbau einer auf Dauer angelegten Organisation mit rechtlich verfestigten Strukturen und friedenswahrender, defensiver Zielsetzung nicht erkennen. Auch der Aufbau eines internen Systems zur Streitbeilegung sowie eine verbindliche gegenseitige Zusicherung des militärischen Beistandes sind nicht vorgesehen. Nach alledem kann die EI2 unter Berücksichtigung der oben angeführten Rechtsprechung nicht als ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit angesehen werden. Somit ist es Deutschland verfassungsrechtlich unmöglich, im Rahmen der EI2 an bewaffneten Einsätzen teilzunehmen.

Würdigung Seit der wegweisenden Entscheidung des BVerfG 1994 ist die Zahl der “Out-of-Area”-Einsätze der Bundeswehr stark gestiegen. Sie beruhen auf rechtlichen Grundlagen, die noch zur Zeit des Kalten Krieges in das Grundgesetz geschrieben wurden. Mittlerweile haben wir eine multipolare Welt und die Art der Konflikte hat sich vom Bild des klassischen Krieges zwischen Staaten hin zu ganz unterschiedlichen Arten von (bewaffneten) Auseinandersetzungen mit teils nicht staatlichen Akteuren fortentwickelt. Auf diese neue Art der Bedrohung findet das Grundgesetz nicht immer passende Antworten. Der Bundeswehr bleibt es daher in Zukunft wegen der im Grundgesetz aufgezeigten Schranken verwehrt, sich außerhalb der Sicherheitsstrukturen von UN, EU und NATO und des NATOVertragsgebietes an sogenannten “Bündnissen der Willigen” oder Ad-hoc-Koalitionen einzelner oder mehrerer Staaten zu beteiligen. Selbst einseitige Militäroperationen überschreiten bei bestimmten Konstellationen verfassungsrechtliche Grenzen. *Roger Näbig arbeitet als Rechtsanwalt und freier Journalist in Berlin mit dem Fokus auf globalen Konflikten, Verteidigung, Sicherheit, Militärpolitik, Rüstungstechnik und Kriegsvölkerrecht. Da­ rüber hinaus hält er Vorträge zu verteidigungspolitischen Themen.

Neues aus der Wehrtechnik Neue Lkw-Leitung

Personalwechsel

Daimler

Thales

(BS) Karin Rådström ist mit Wirkung zum 1. Mai zum Vorstandsmitglied der Daimler Truck AG ernannt worden, verantwortlich für Mercedes-Benz Lkw. Sie tritt die Nachfolge von Stefan Buchner an, der nach mehr als 30 Jahren im Unternehmen in den Ruhestand ging. Karin Rådström kommt vom schwedischen Nutzfahrzeughersteller Scania, wo sie seit vergangenem Jahr als Vorstandsmitglied für Vertrieb und Marketing verantwortlich gewesen ist. Die gebürtige Schwedin Rådström begann 2004 als Trainee bei Scania, nachdem sie ihren Master of Engineering in Industrial Management an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm abgeschlossen hatte. Seit 2007 bekleidete sie

verschiedene leitende Positionen innerhalb der Vertriebs- und Service-Organisation von Scania, darunter die Leitung des Busgeschäfts des Unternehmens sowie den Aufbau des Geschäfts mit digital vernetzten Fahrzeugen. Mehr Informationen unter www.daimlertruck.com

Neue Chefin von MercedesBenz Lkw: Karin Rådström Foto: BS/Daimler

GBAD-Gefechtsstand übernommen Diehl (BS) Nach der Industrieabnahme des “Ground Based Air Defence” (GBAD) “Tactical Operation Center (TOC) Shelters” beim Hersteller Airbus Defence and Space in Immenstaad am Bodensee hat Diehl Defence im April den ersten Seriengefechtsstand für einen Exportkunden des taktischen Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM übernommen.

Der komplett ausgestattete Sechs-Meter-Shelter, der unter anderem über mehrere Feuerleitrechner von Diehl und über die IBMS-Software (“Integrated Battle Management System”) von Airbus verfügt, wurde gemäß den Anforderungen von Diehl in zweieinhalb Jahren entwickelt und gebaut. Mehr Informationen unter www.diehl.com

(BS) Bei der Thales Deutschland GmbH sind eine Reihe von Personalwechseln vollzogen worden. Maja Velimirovic (49) ist seit März neue Geschäftsbereichsleiterin der Country Business Unit Land & Air Systems und Leiterin der Domains Surface Radar und Optronics & Missile Electronics. In dieser Funktion berichtet sie an Alex Cresswell, Executive Vice President (EVP) Global Business Unit Land & Air Systems, und an Nicolas Debove, Chief Operating Officer (COO) & VP, Operations. Sie folgt auf Allan Skovgaard Hansen. Die diplomierte Elektrotechnikerin der serbischen Universität Niš ist seit 2001 bei Thales, zuletzt als Head of Bid Management/Pricing Manager der Domain Airspace Mobility Solutions. Vor ihrer Zeit bei Thales war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Niš und Versailles. Sven Colin Rowley (42) hat seit April die Funktion Director Sales Defence & Security inne und berichtet an Oliver Dörre, Vice President Sales & Marketing Thales Deutschland. Er folgt auf Dr. Georg von Witzleben. Der ehemalige Heeresoffizier und diplomierte Wirtschaftswissenschaftler der Universität der Bundeswehr München Rowley verfügt über umfangreiche Kenntnisse insbesondere bei C4ISystemen (Command, Control, Communication, Computer, and Intelligence) und kommt vom JointVenture Thales Raytheon Systems, wo er im französischen Massy seit Juli 2017 als Senior Business Development Manager für das ACCS-Programm (Air Command and Control System) verantwort-

lich zeichnete. Weitere Stationen nach seiner 13-jährigen Bundeswehr-Laufbahn waren Frequentis Nachrichtentechnik und IHS Markit. Dr. Georg von Witzleben (42) wechselte im April an den ThalesStandort Koblenz und übernimmt dort neben der Standortleitung Neue Geschäftsbereichs- und auch die Leitung des Domain-Leiterin bei Thales Geschäftsbereiches Deutschland: Maja VelimiroTraining & Simulation. vic Foto: BS/Thales Er berichtet an Peter Hitchcock, VP Business Line Training & Simulation, und an Nicolas Debove, COO & VP Operations. Der Reserveoffizier ist seit 2015 bei Thales Deutschland, zunächst als Leiter der Strategieabteilung und anschließend als Vertriebschef Verteidigung & Sicherheit. Bevor er zu Thales kam, hatte er verschiedene Führungs- und Fachpositionen, insbesondere in der Verteidigungs- und Luftfahrtindustrie, inne. Dr. von Witzleben folgt in Koblenz auf Stefan Wey, der in die Naval-Organisation von Thales Deutschland wechselt. Mehr Informationen unter www.thalesgroup.com/ germany


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Mai 2020

Seite 45

BDLI setzt sich für Eurofighter ein

Kampfsystem “Kalaetron Attack”

Stärkung des Rückgrats der Luftwaffe

Elektronischer Schutzschirm für Luftstreitkräfte

(BS/por) Die jüngsten Beschaffungspläne des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) – der Behörden Spiegel berichtete darüber in seiner April-Ausgabe auf Seite 45 – stärken nach Einschätzung des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e. V. (BDLI) das Kampfflugzeugsystem Eurofighter (EF) als Rückgrat der Deutschen Luftwaffe. Die im Zusammenhang mit dem Ersatz der ersten Tranche des Eurofighters und der “Tornado”-Ersatzbeschaffung beabsichtigte Beauftragung von 93 neuen Eurofightern sei ein klares Bekenntnis für dieses europäische Gemeinschaftsvorhaben. Neben Deutschland sind Großbritannien, Italien und Spanien daran beteiligt.

(BS/por) Der Sensor-Anbieter Hensoldt entwickelt unter der Bezeichnung “Kalaetron Attack” ein modulares, luftgestütztes elektronisches Kampfsystem, das feindliche Feuerleitradare in unterschiedlichen Distanzen neutralisieren und damit die Einsatzfähigkeit (“Freedom of Movement”) von eigenen und verbündeten Luftstreitkräften auch gegenüber modernsten Luftabwehrsystemen sicherstellen soll. “Kalaetron Attack” gilt als neuer Baustein der entsprechenden EloKa-Produktfamilie (Elektronische Kampfführung), die durch Einsatz digitalisierter Hardware und Künstlicher Intelligenz (KI) radargesteuerte Bedrohungen für Luftstreitkräfte erkennt und mit zielgerichteten elektronischen Gegenmaßnahmen (“Electronic Countermeasures”/ECM) unwirksam macht.

Die Zukunft dieses Mehrzweckkampfflugzeugs wäre durch den Auftrag und die damit verbundene Vielzahl neuer Fähigkeiten langfristig gesichert, so der Interessenverband in Berlin. Entscheidend für die Kontinuität der Ingenieurleistungen und Lieferketten in Deutschland sei die zeitnahe Beauftragung der EF-Anteile noch in dieser Legislaturperiode. Das umfasst einerseits die Beschaffung neuer Eurofighter der Tranche 4 im Rahmen des “Quadriga”-Programms sowie die Definition des Leistungsumfangs für das vom BMVg in Aussicht gestellte Langzeitentwicklungsprogramm (LTE) für eine Tranche 5 des Eurofighters. Im Projekt “Quadriga” sollen sieben Zweisitzer und 26 Einsitzer beschafft werden – mit einer Option auf fünf weitere Einsitzer. Eine Entscheidung mit Bereitstellung der Finanzmittel wird im dritten Quartal dieses Jahres erwartet. BDLI-Vize-Präsident für Verteidigung und Sicherheit, Michael Schreyögg, hebt hervor: “Mit der Beauftragung wären sowohl Arbeitsplätze als auch das damit verbundene technische und industrielle Know-how in Entwicklung und Fertigung nachhaltig abgesichert und der Technologiestandort Deutschland gestärkt – ein gerade in diesen Zeiten sinnvolles Investment.” Martin Kroell, Mitglied des BDLI-Präsidiums und Mittelstandsbeauftragter für die mi-

litärische Luftfahrtindustrie im BDLI, ergänzt: “Die EurofighterEntscheidung gibt der Ausrüstungsindustrie die notwendige Planungssicherheit und trägt zur Standortsicherung entlang der

en sind wesentliche Bestandteile auf dem Weg zum europäischen Kampfflugzeugsystem der Zukunft.” So bleiben Hochtechnologiekompetenzen in Deutschland und Europa langfristig erhalten.

Stolz der Deutschen Luftwaffe: der Eurofighter

gesamten Wertschöpfungskette bei.” Nach entsprechender Auftragserteilung könnte der Eurofighter weiterentwickelt und mit zusätzlichen Fähigkeiten ausgestattet werden, um in das künftige europäische FCAS-Projekt (“Future Combat Air System”) integriert zu werden. BDLI-Präsident Dirk Hoke sagt dazu: “Diese Evolution des Eurofighters und das Vorantreiben der damit verbundenen Technologi-

“Unser “Kalaetron Integral” erkennt mithilfe neuester Sensortechnologie frühzeitig radarbasierte Bedrohungen”, erklärt Celia Pelaz, Leiterin der Division Spectrum Dominance/Airborne Solutions. “Mit “Kalaetron Attack” kommt jetzt der aktive Anteil elektronischer Störung (“Jamming”) dazu, der diese Bedrohungen durch exakt nachgebildete Störsignale entweder blendet oder täuscht. So erweitert “Kalaetron Attack” die Einsatzmöglichkeiten von Kampfflugzeugen, die damit auch in abgeriegelten “Anti-Access/Area-Denial”-Zonen (A2/ AD) operieren können.” “Kalaetron Attack” entdeckt und identifiziert nach Unternehmensangaben Flugabwehrstellungen aufgrund seiner digitalen Auslegung in einem großen Frequenzbereich sehr schnell. Das Gerät

wendet Techniken der Künstlichen Intelligenz an, um aus einer großen Menge aufgefangener Impulse neue Bedrohungsmuster zu erkennen. Das ist besonders wichtig, um neueste Luftverteidigungsradare zu identifizieren, die eine extrem große Frequenzbandbreite abdecken oder in Sekundenbruchteilen zwischen bestimmten Frequenzen hin- und herspringen. Das Störsystem kann mithilfe von Antennendesigns mit elektronischer Strahlschwenkung (“Active Electronically Scanning Array”/AESA), einer digitalen Signalverarbeitung und KI-Algorithmen flexibel auf wechselnde Bedrohungen eingestellt werden. Die Produktfamilie soll so die Basis nicht nur für die Fähigkeit von Kampfflugzeugen zur EloKa (“Electronic Combat Role”/

ECR) und für den Begleitschutz von Flugzeugverbänden (“Escort Jamming”), sondern auch für den Schutz von Verbänden aus großer Distanz (“Stand-off Jamming”) bilden. Erfahrungen aus Konflikten der jüngsten Zeit sollen gezeigt haben, dass Flugzeuge in Zukunft nur mit einer solchen Ausrüstung gegenüber der Bedrohung durch die neuesten Flugabwehrsysteme eingesetzt werden könnten. Mit “Kalaetron Attack” möchte Hensoldt als deutsches Sensorhaus eine nationale Antwort für das Programm “Luftgestützte Wirkung im elektromagnetischen Spektrum” (luWES) sicherstellen und einen wesentlichen Beitrag für die zukünftige europäische Rüstungskooperation beim FCAS (“Future Combat Air System”) leisten.

Foto: BS/Portugall

“Es bedarf nunmehr eines raschen Beginns der Umsetzung. Hierfür sind in einem ersten Schritt das geplante AESA-Radar und die zeitnahe Beauftragung neuer Eurofighter als Ersatz für Tranche 1 im Rahmen des Quadriga-Projektes zu realisieren”, so BDLI-Vize-Präsident Schreyögg. Das AESA-Radar (“Active Elec­ tronically Scanned Array”) ist ein Radar-System mit aktiver elektronischer Strahlschwenkung.

Das modulare, luftgestützte elektronische Kampfsystem “Kalaetron Attack” in Aktion: Kampfflugzeuge und Drohnen können in den Flugabwehr-Schutzschirm eindringen. Grafik: BS/Hensoldt


Verteidigung

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I

n Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland mit den meisten Einwohnern, begann das Engagement der deutschen Streitkräfte sehr früh. Bereits Anfang Februar brachen BundeswehrMaschinen vom Typ Airbus A310 von Köln-Wahn aus zur Evakuierung deutscher Staatsbürger aus der besonders betroffenen Region Wuhan in der Volksrepublik China auf. Diese Flugzeuge können auch für einen MedEvacEinsatz (“Medical Evacuation”) in fliegende Intensivstationen umgerüstet werden. Auf Bitten der Regierungen Frankreichs und Italiens sind damit mehrere COVID-19-Patienten zur Behandlung nach Deutschland eingeflogen worden, weil es hier noch ausreichend freie Intensivkapazitäten gibt. Außerdem werden in NordrheinWestfalen Amtshilfegesuche und die eigene Bundeswehr-Aktion “Helfende Hände” von der Panzerbrigade 21 aus Augustdorf und dem Ausbildungszentrum Technik Landsysteme in Aachen realisiert. Beide Einheiten unterstützen zivile Stellen in den Bereichen Personal, Material und Infrastruktur. In Bayern, dem Bundesland mit der größten Fläche, unterstützt unter anderem die Münchener Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw) mit einer “Drivein”-Station für Corona-Tests. Außerdem werden im Freistaat im Wege der Amtshilfe drei Sanitätsoffiziere in zivilen Gesundheitsämtern eingesetz. An der Universität der Bundeswehr in München (UniBw M) fertigen Studenten und ihre Mentoren im 3D-Drucker Produkte für den Infektionsschutz an. Zudem stellt die ABC-Abwehr-Truppe auf dem Uni-Campus Desinfektionsmittel im Kampf gegen das Virus her. Koordiniert werden die Unterstützungsleistungen von den jeweiligen Landeskommandos – hier also vom Landeskommando des Freistaats in der Münchener Fürst-Wrede-Kaserne. Vielfältig und flexibel hilft die Bundeswehr in der Corona-Krise auch dem Land Baden-Württemberg. Das Multinationale Kommando Operative Führung (MN KdoOpFü) in Ulm unterstützt beim Einlagern wichtiger Materialien, beispielsweise für das Universitätsklinikum Ulm, hilft aber auch mit Sanitätern in Kliniken wie in Freiburg oder in Titisee-Neustadt.

Ein Schwerpunkt: die ABCAbwehrtruppe Die ABC-Abwehrkräfte gegen atomare, biologische oder chemische Kampfmittel in Bruchsal sind derzeit besonders wichtig: Sie können Infrastruktur, Fahrzeuge, Personen und Material dekontaminieren und desinfizieren. Zudem unterstützen sie mit Expertise und modernem Equipment bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln. In Bruchsal befinden sich das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr und das ABC-Abwehrbataillon 750. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, hat während der CoronaPandemie unter anderem die ABC-Abwehrtruppe in Bruchsal besucht und einige Zeit später gegenüber dem Behörden Spiegel anerkennend festgestellt: “Überall dort funktioniert das ganz ausgezeichnet.” Beim Themenfeld Desinfektion “kommen wir im Moment in der Gesamtgesellschaft wohl ganz gut zurecht. Das könnte im Zuge der Dauer der Corona-Krise noch relevant werden. Wir haben insgesamt 18 Dekontaminations- und Hygienetrupps der ABC-Abwehr ausgebracht, d. h. flächendeckend pro Bundesland mindestens eines, das in der Lage ist, von der Individualdesinfektion bis hin zur Flächendesinfektion alles mit höchst modernem Gerät abzubilden”, so General Zorn.

Bundeswehr versus Corona

Behörden Spiegel / Mai 2020

die Truppe um Unterstützung. Seit März fährt nun der mobile Abstrichwagen der Bundeswehr im Landkreis umher, um Proben von Patienten und Kontaktpersonen zu sammeln. (BS/Dr. Gerd Portugall) Die Corona-Pandemie dauert an. Alle staatlichen Stellen sind in diesen Abwehrkampf eingebunden – natürlich auch die In Rostock unterstützt die BunBundeswehr, und zwar zumeist im Wege der Amtshilfe. In allen 16 Bundesländern sind die Streitkräfte unterstützend aktiv. Die Befehlsgewalt liegt deswehr mit Material und dem beim Inspekteur der Streitkräftebasis in seiner Eigenschaft als Nationaler Terriorialer Befehlshaber. Führungsstab Nord des Kommandos Territoriale Aufgaben, mit jeweils fünf Soldaten in acht der die übergeordneten Hilfeleisverschiedenen Regionen des östli- tungen für den gesamten nordchen Bundeslandes. Die Soldaten deutschen Raum koordiniert. In kommen aus dem Informations- der Landeshauptstadt Schwerin technikbataillon 381 in Storkow stellt die Bundeswehr Infrastruk(Mark), dem Logistikbataillon 172 tur bereit. in Beelitz (Landkreis PotsdamMittelmark), dem Fernmeldeba- Fazit des GI: “noch Luft nach oben” taillon 610 in Prenzlau (Landkreis Uckermark) und dem FeldjägerDer Generalinspekteur beregiment 1 aus Berlin. wertet aktuell die Lage relativ Deutschlandweit ist in Mecklen- günstig: “Wenn Sie jetzt unseburg-Vorpommern die Infizier- ren Einsatz zum Beispiel in den tenrate pro 100.000 Einwohner Altenpflegeheimen oder bei der am kleinsten. Warum? Ländliche Unterstützung der GesundheitsGegenden, kaum Großstädte: ämter im Bereich allgemeines Hier konnte sich das Corona- Gesundheitswesen sehen oder Virus kaum ausgebreiten. jetzt auch bei den LandeserstUm die Menschen in den entle- aufnahmestellen für Migranten, generen Orten trotzdem zu errei- wo wir im Kontext der adminischen, kam es zu einer besonderen trativen Unterstützung bezieKooperation mit der Bundeswehr: hungsweise im Bereich auch der Medizinisches Personal testet einen Patienten mit Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion im Bundeswehrkrankenhaus Da die Landkreise groß sind und Verpflegung und Bereitstellung Hamburg die Kapazitäten der zivilen Be- von Nahrungsmitteln helfen. Da Foto: BS/Bundeswehr, Sandra Herholt hörden zum Teil zu gering wa- sind wir überall dabei. Und wir Außerdem sind Soldaten bei tingents Corona” des Komman- in Gesundheitsämtern, wie Ge- ren, bat beispielsweise das Ge- haben noch Luft nach oben”, Isolierunterkünften für Flücht- dos Territoriale Aufgaben der neral Zorn bereits betonte. Den sundheitsamt des Landkreises so das ermutigende Fazit von linge – zum Beispiel in Althütte- Bundeswehr (KdoTerrAufgBw) Schwerpunkt bilden 19 Teams Vorpommern-Rügen kurzerhand General Zorn. Sechselberg – im Einsatz. Sie unterstützen dort beim Betrieb der Einrichtung und bei der medizinischen Betreuung. Die Bundeswehr verfügt über sechs mobile Anlagen, um Sauerstoff für die Beatmung von Patienten zu erzeugen. In Ulm ging bereits die vierte Anlage in Betrieb. Sie kann in 24 Stunden bis zu 400.000 Liter Sauerstoff produzieren. Angrenzend an das Saarland, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden-Württemberg, Belgien, Frankreich und Luxemburg sind die behördenübergreifenden Anstrengungen für die Eindämmung von COVID-19 in Rheinland-Pfalz besonders wichtig. Viele Bundeswehrdienststellen befinden sich dort, die gerade für die Corona-Pandemie von besonderer Bedutung sind, nämlich das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und das Kommando Sanitätsdienst (KdoSanDstBw), die ihren jeweiligen Hauptsitz in Koblenz haben.

Bundesweites Engagement der Streitkräfte

Ein weiterer Schwerpunkt: der Sanitätsdienst Die Unterstützungsleistungen von BAAINBw und KdoSanDstBw liegen hauptsächlich in der Beschaffung von Schutzausstattungen und der sanitätsdienstlichen Unterstützung. Die Hilfeleistungen sind quer über Rheinland-Pfalz and verteilt. Das Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz ist Teil der medizinischen Grundversorgung im Bundesland. Im rheinlandpfälzischen Germersheim waren die ersten Corona-Heimkehrer aus China für mehrere Wochen in einer Kaserne unter Quarantäne. Im Saarland, dem kleinsten Flächenland der Republik, hat die Bundeswehr unter anderem die Einrichtung von mehreren Teststationen unterstützt und betreibt diese mit ihren Soldaten. An den COVID-19-Teststationen werden Abstriche vorgenommen und zur Untersuchung in Labore geschickt. In den als “Drivethrough” oder “Walk-through” organisierten Teststationen können sicher, schnell und unkompliziert Proben genommen werden. Zudem kann mit den “Drive-through”-Testverfahren Schutzbekleidung gespart werden, da die zu Testenden in ihren eigenen Fahrzeugen sitzen und so nicht mit anderen Personen in Kontakt kommen. In Brandenburg arbeiten mittlerweile insgesamt schon rund 100 Soldaten des “Einsatzkon-


Die letzte Seite

Behörden Spiegel / Mai 2020

N

icht umsonst sagt er: “Geräusche sind überall.” Ihm geht es vor allem um die Auswirkungen von Lärm und dessen Minderung mit Blick auf Anlagen und Produkte. “Wir sehen Lärm als Übel an, das beseitigt werden soll. Wir wollen erreichen, dass die Bevölkerung weniger Lärm ausgesetzt ist”, konstatiert der 35-Jährige. Damit das gelingt, prüfen seine Kollegen und er unter anderem Industrie- und Windenergieanlagen sowie Gartengeräte und kontrollieren den Schallschutz in Gebäuden. “Wir messen auch viel draußen, auf den Straßen und Schienen”, erklärt Körper. Für konkrete Messungen vor Ort – etwa nach Anwohnerbeschwer­den – sei der Bund jedoch nicht zuständig. Hier seien die einzelnen Städte und Gemeinden gefragt. Ungeachtet dessen würden Bürgeranfragen durch die Be­ schäftigten des UBA-Lärmlabors selbstverständlich beantwortet. “Da geht es oft um gesetzliche Grenzwerte, Kontaktdaten von Ansprechpartnern für Schallmessungen oder um die Ge­ richtsfestigkeit von Messungen oder Lärmprotokollen”, sagt der Laborleiter. Auch Nachfragen von Parteien, Fraktionen sowie aus dem Bundesumweltministerium (BMU) würden durch sein Team und ihn beantwortet.

“Geräusche sind allgegenwärtig” Steffen Körper leitet das Lärmlabor des Umweltbundesamtes

Untersuchungen an Drohnen Darüber hinaus beschäftigten sich seine Kollegen und er viel mit neuen Lärmmessverfahren und Entwicklungen im Bereich der Lärmminderung. Zudem ermittle man verschiedenste Emissionsparameter und führe dazu unter anderem akustische Untersuchungen an unbemannten Flugsystemen, umgangssprachlich als Drohnen bezeichnet, durch.

hat seine Arbeitszeit reduziert. Außerdem berichtet er: “Ich bin eher ein Spätaufsteher und komme daher regelmäßig später als die Kollegen ins Büro. Dafür bleibe ich dann natürlich abends auch länger. Denn für mich persönlich sind die Abendstunden äußerst produktiv.” Körper, der von der durch das UBA eingeräumten Möglichkeit der flexiblen Arbeitsortgestaltung selbst eher wenig Gebrauch macht und oft Vorträge auf Konferenzen hält, lobt zudem: “Ich arbeite gerne hier, weil ich in Dessau konzentriert arbeiten und es als Rückzugsraum aus Berlin nutzen kann.” Die Bundeshauptstadt bezeichnet er in diesem Zusammenhang als “laute Stadt”.

Begeisterter Musikproduzent In seiner Freizeit widmet sich Körper, der unter der Woche in Dessau und am Wochenende in Berlin lebt und ledig ist, der Musik. “Ich mache selbst Lieder und produziere eigene Tonaufnahmen. Da geht es vor allem um elektronische Musik. Dafür

Auch unbemannte Flugsysteme, die auch als Drohnen bezeichnet werden, untersuchen Steffen Körper und seine Mitarbeiter.

Diese Hobbys betrachtet er als einen Grund dafür, “weshalb mich meine berufliche Laufbahn in Richtung Akustik führte”. Denn es gebe zum einen keine feste Grenze zwischen Musik und Lärm. Vielmehr finde hier teilweise eine Verschmelzung statt, auch wenn Musik etwas Schönes und Lärm etwas Störendes sei. Und zum anderen ähnelten sich die Zielrichtungen von Musikproduktion und UBA-Lärmlabor stark. “Da gibt es eine große Parallelität und da schlagen oft zwei Herzen in meiner Brust”, betont Körper.

Das Umweltbundesamt

Der Leiter des Lärmlabors im Umweltbundesamt (UBA), Steffen Körper, hat nicht nur dienstlich viel mit Geräuschen und Immissionen zu tun. In seiner Freizeit spielt er Gitarre und produziert elektronische Musik. Fotos: BS/Feldmann

einen hohen Stellenwert ein. Des Weiteren betreiben die Beschäftigten Ressortforschung. Dazu meint der Laborleiter: “Wir kennen die Probleme unserer Zeit und wissen, wo der Schuh drückt.” Konkrete Projekte, wie etwa Umfragen zu Lärmbelästigungen für Bürger, würden dabei oft an Projektträger vergeben. “Die Koordinierung und grundlegende Gestaltung obliegt aber dem Umweltbundesamt”, erläutert Körper.

Schallschutzraum heißt und in dem drei Mitarbeiter tätig sind, zu untersuchenden Geräte werden

Menschen. “Ich bin bezüglich des auditiven Empfindens sehr lärmempfindlich”, unterstreicht

Bisher keine Probandenstudie zu Gefahren Er berichtet jedoch auch, dass es früher mehr eigene Messungen im Feld gegeben habe. Bisher sei in seinem Hause auch noch keine Probandenstudie zu den Gesundheitsgefahren von Lärm durchgeführt worden. Ein

Durch das Ablesen der am Computer erstellten Messkurven können die Wissenschaftler bereits erste Schlüsse ziehen.

vom UBA übrigens grundsätzlich selbst beschafft. Dies geschehe zum Teil auch auf Anregungen hin, etwa aus Universitäten. Eine Bereitstellung durch Dritte, zum Beispiel Unternehmen, finde nicht statt.

Voll des Lobes

Im Lärmlabor, dessen offizielle Bezeichnung Schallmessraum lautet, werden verschiedene Gegenstände mit modernster Technik untersucht. Die zu analysierenden Stücke beschafft das UBA grundsätzlich selbst.

Und: Zahlreiche im UBALärmlabor erzielten Ergebnisse fänden Eingang in Normungsund Standardisierungsprozesse. Diese nähmen im Bereich des Lärmschutzes, und vor allem beim Schallimmissionsschutz,

habe ich zuhause ein eigenes kleines Tonstudie.” Zudem besucht der Ingenieur gerne Konzerte, spielt Gitarre und nimmt Gesangsunterricht.

(BS/Marco Feldmann) Was andere Leute möglicherweise als Krach empfinden, ist sein tägliches Geschäft. Ohne Akustik geht es bei Steffen Körper in Dessau-Roßlau nicht. Denn er ist der Chef des Lärmlabors des Umweltbundesamtes (UBA). Als dieser setzt er sich den kompletten Arbeitstag lang mit Schallwellen auseinander.

Nicht jeden Tag Tests Körpers Mitarbeiter und er führen Messungen für den “Blauen Engel” durch. Dabei handelt es sich um ein staatliches Siegel, das vom UBA betreut wird. Der Lärmlaborchef erläutert zudem: “Wir arbeiten wissenschaftlich und beschäftigen uns unter anderem mit der Untersuchung von Schallausbreitungsphänomenen und entsprechenden Berechnungen.” Es fänden aber nicht täglich Tests statt. Pro Monat gebe es im Durchschnitt zwei bis drei Messtage. Denn mit den Analysen allein sei es bei Weitem nicht getan. Hinzu komme nach den Messungen noch die Auswertung der Untersuchungen, die sehr zeitaufwändig sei, so Körper weiter. Aus diesem Grunde gebe es jährlich etwa acht bis zehn Projekte. Teilweise dauerten dabei schon die Messungen mehrere Tage.

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solches Projekt sei zwar einmal angedacht, bislang allerdings noch nicht realisiert worden. Ein Grund dafür sei, glaubt Körper: “Eine derartige Untersuchung ist keineswegs trivial.” Die im Lärmlabor, das offizielle

Körper, der glaubt, dass den Menschen oftmals kaum bewusst sei, wie viel Lärm sie selbst verursachten, preist mehrere Vorzüge seiner Arbeit. Er sagt: “Wir arbeiten sehr praxisorientiert und führen eigene Messungen durch.” Außerdem reizt ihn die thematische Vielfalt im Labor, das in dieser Form seit 2005 existiert und mit dem Umzug des UBA von Berlin nach Dessau-Roßlau eingerichtet wurde. “Wir betrachten zahlreiche unterschiedliche Lärmquellen. Das gefällt mir.” Sich selbst bezeichnet Körper, der als Tarifbeschäftigter beim UBA tätig ist, übrigens als sensitiven

er. Zugleich erzählt er, dass er früher zeitweise nahe einer Autobahn und direkt über einer Bar gelebt habe. Körper, der sich selbst trotz allem eine hohe Lärmtoleranz zuschreibt, arbeitet seit Februar 2016 als Leiter des UBALärmlabors. Zuvor war die Stelle längere Zeit unbesetzt. Er studierte Technischen Umweltschutz in Berlin und Stuttgart. Anschließend war er im Bereich des Schallimmissionsschutzes tätig. Zunächst als Angestellter in einem Ingenieurbüro, anschließend selbstständig als freier Ingenieur.

Nicht in Vollzeit tätig An der Arbeit in der Bundesbehörde schätzt er unter anderem die große Freiheit bei der Arbeitszeitgestaltung sowie die Möglichkeiten zum flexiblen und mobilen Arbeiten. Körper selbst arbeitet nicht in Vollzeit, sondern

(BS/mfe) Das Umweltbundesamt (UBA) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) mit Hauptsitz im sachsen-anhaltinischen Dessau-Roßlau. Bis 2005 hatte es seinen Hauptsitz noch in Berlin. Die Aufgaben des 1974 gegründeten Amtes sind vor allem die wissenschaftliche Unterstützung der Bundesregierung, der Vollzug von Umweltgesetzen (etwa in den Bereichen Emissionsrechtehandel sowie Zulassung von Chemikalien, Arznei- und Das Umweltbundesamt (UBA) hat seinen Pflanzenschutzmitteln) und Hauptsitz seit 2005 im sachsen-anhaltidie Information der Öffent- nischen Dessau-Roßlau. Zuvor war es in lichkeit zu Themen des Um- Berlin beheimatet. Dort existieren heuweltschutzes. te noch mehrere Außenstellen. Weitere Das UBA ist mit rund 1.600 Dienstsitze befinden sich in Sachsen und Mitarbeitern (darunter etwa Hessen. Das UBA ist mit etwa 1.600 MitBiologen, Chemiker, Inge- arbeitern die europaweit größte Umweltnieure, Wirtschaftswissen- behörde. schaftler und Juristen) die größte Umweltbehörde Europas und verfolgt das Leitmotto “Für Mensch und Umwelt”. An der Spitze steht seit Jahresbeginn Präsident Prof. Dr. Dirk Messner, der seine Vorgängerin Maria Krautzberger ablöste. Selbstverständnis als Frühwarnsystem Das UBA versteht sich als ein Frühwarnsystem, das mögliche zukünftige Beeinträchtigungen des Menschen und der Umwelt rechtzeitig erkennt, bewertet und Lösungen vorschlägt. Die Behörde ist für ihren Zuständigkeitsbereich deutsche Kontaktstelle zu zahlreichen internationalen Organisationen, darunter unter anderem zur Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zudem beraten ihre Beschäftigten Schwesterinstitutionen in den Staaten Mittel- und Osteuropas, des Kaukasus, Zentralasiens sowie in weiteren an die Europäische Union angrenzenden Staaten. Mehrere Standorte im Bundesgebiet Insgesamt gibt es bundesweit 13 UBA-Standorte, darunter sieben Messstellen des eigenen Luftmessnetzes, die über ganz Deutschland verteilt sind. Am Hauptsitz in Dessau-Roßlau sind rund 970 Mitarbeiter tätig. Weitere Standorte befinden sich in Berlin-Grunewald, Berlin-Dahlem, Berlin-Marienfelde, im sächsischen Bad Elster und im hessischen Langen. Zur Unterstützung seiner Arbeit bedient sich das UBA mehrerer wissenschaftlicher Kommissionen, in denen externe Experten vertreten sind. Dazu gehören unter anderem die Kommission Bewertung wassergefährdender Stoffe (KBWS), die Kommission Bodenschutz, die Kommission Human-Biomonitoring, die Kommission Innenraumlufthygiene (IRK), die Schwimm- und Badebeckenwasserkommission sowie die Trinkwasserkommission. Das UBA verfügt mit der Fachbibliothek über die mittlerweile größte Umweltbibliothek im deutschsprachigen Raum. An den Standorten Dessau-Roßlau, Berlin und Bad Elster bietet sie etwa 500.000 gedruckte und circa 320.000 elektronische Bücher, mehr als 1.500 gedruckte Zeitschriften sowie die Nutzungsmöglichkeit von etwa 30.000 E-Journals.


Webinar-Highlights im Mai 2020 Kurz und knackig auf den Punkt gebracht

Das Home Office zum Lernen nutzen und Wissensvorsprung sichern! Folgen der Corona-Krise und beihilfenrechtliche Spielräume zur Stützung der Wirtschaft 13.05.2020 Vergaberecht für Auftragnehmer und Bieter 14.05.2020 Medienrecht für öffentliche Verwaltungen 14.05.2020 Bin ich richtig eingruppiert? Das Eingruppierungsrecht kompakt und verständlich erklärt 14.05.2020 Webinar Reihe: Grundlagen des Prozessmanagements 15.05. – 20.05.2020 Reputationsmanagement für Behörden 19.05.2020 Rechte und Pflichten nach dem TVöD / TV-L 20.05.2020 Einführen der E-Akte: Was führt zum Erfolg, was nicht 25.05.2020 Social Media in Behörden – Einsatz von Facebook, Twitter & Co. in Krisenzeiten 26.05.2020 Die Behörde im Home Office – Datenschutz in der dezentralen EDV 27.05.2020

Detaillierte Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ; Suchwort „Webinar“


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